Cochlea-Implantat

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Inhalt
4
Vorwort
Marion Hermann-Röttgen
6
Schwerhörigkeit:
Rund um das Krankheitsbild
8
Was bedeutet Schwerhörigkeit?
Martin Walger
9
Wenn ein Hörgerät nicht mehr helfen kann –
Was nun?
Annette Limberger
19
Die Schwerhörigkeit behandeln
26
Möglichkeiten der modernen Medizintechnik nach dem Hörgerät.
Wie erfolgt die Diagnose? Welche Untersuchungen werden durchgeführt?
Thomas Zahnert, Anja Schulze
27
Wie funktionieren Cochlea- und Mittelohrimplantate?
Eckhard Schulz
44
Die Operation
Joachim Müller
54
Wie werden Cochlea-Implantate eingestellt?
Uwe Baumann
62
Wie werden Mittelohrimplantate richtig
programmiert?
Eberhard Aigner
72
Fragen und Antworten
Eberhard Aigner
77
Inhalt
Die Nachsorge: Hören und Sprechen lernen
79
Die Rehabilitation nach einer Implantation
Barbara Eßer-Leyding
80
CI – Eine Chance ohne Ängste
Christian Sittel
87
Service
89
Adressen
90
Glossar
91
Stichwortverzeichnis
93
Autorenbiografien
94
5
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Was bedeutet Schwerhörigkeit?
Was bedeutet Schwerhörigkeit?
Prof. Dr. rer. nat. Martin Walger
S
chwerhörigkeit ist ein weit verbreitetes Phänomen. Viele sind von dem
Problem betroffen: »Unser Kind hört
nicht richtig« oder »Mein Vater zieht
sich immer stärker zurück«.
In der Bundesrepublik Deutschland gibt
es etwa 15 Millionen Schwerhörige und
etwa 60 % der Gesamtbevölkerung sind
zu irgendeinem Zeitpunkt des Lebens
von Schwerhörigkeit betroffen. Die angeborene Schwerhörigkeit stellt mit
zwei bis drei von 1000 Neugeborenen
die häufigste Sinnesbehinderung dar
und zum Zeitpunkt der Einschulung
zeigen epidemiologische Untersuchungen, dass etwa 6–7 % der Kinder bereits
ein eingeschränktes Hörvermögen haben. Im Alter von 18 Jahren sind es dann
bereits 30 %, bei denen insbesondere im
empfindlichsten Hörbereich bei hohen
Frequenzen eine Hörschädigung nachweisbar ist. Tendenz steigend!
Für die Betroffenen ergeben sich eine
Reihe von Fragen: Wird mein Kind Hören und Sprechen lernen? Wird es sich
wie ein normales Kind in unserer Gesellschaft entwickeln können und einen
Beruf erlernen? Wird mein Vater noch
am sozialen Leben teilnehmen und
seine Musik genießen können oder wird
er sich zunehmend in eine Isolation begeben?
Werden Betroffene mit der Diagnose
»Schwerhörigkeit« konfrontiert, wird
schnell deutlich, welche herausragende Bedeutung unser Gehör für die zwischenmenschliche Kommunikation hat.
Ohne ein ausreichendes Hörvermögen
sind eine natürliche Sprachentwicklung
und damit eine normale Kommunikationsfähigkeit nicht möglich. Auch die
geistige, soziale und emotionale Entwicklung des Menschen ist durch die
Hörfähigkeit entscheidend geprägt. Der
bedeutende Philosoph Immanuel Kant
formulierte treffend: »Nicht Sehen können trennt von den Dingen – nicht Hören können von den Menschen«.
Um zu verstehen, wie Schwerhörigkeiten entstehen, welche Formen es gibt
und wie sie möglichst frühzeitig erkannt und wirksam therapiert werden
können, müssen wir uns zunächst dem
faszinierenden Bau und der Funktion
unseres Hörorgans zuwenden.
Das Hörorgan dient der Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung von Schall
und damit auch von Sprache, Musik
und Umweltgeräuschen. Bereits im
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왘
Was bedeutet Schwerhörigkeit?
Mutterleib setzt im sechsten Monat der
Schwangerschaft die Hörfähigkeit ein
und ein Neugeborenes kann somit auf
viele Wochen Hörerfahrung zurückgreifen. Es kann die Stimme der Mutter von
allen Anderen sicher unterscheiden und
wendet sich schon einer Schallquelle
zu. Während das periphere Hörorgan,
also Außen-, Mittel- und Innenohr bei
der Geburt weitgehend ausgereift sind,
dauert die Entwicklung der zentralen
Hörbahnen in unserem Gehirn noch vie-
le Jahre. Erst mit Abschluss der Pubertät
hat sich unsere Hörfähigkeit vollständig
entfaltet. Nach dieser Zeit verfügen wir
über die hochspezialisierten Leistungen,
komplexe auditorische Szenen zu analysieren und den akustischen Raum um uns
wahrzunehmen. Hier spielt besonders
das beidohrige Hören eine große Rolle. Es
ermöglicht uns, den Ort, die Entfernung
und Bewegung einer Schallquelle im
Raum zu bestimmen und unerwünschte
Störgeräusche zu unterdrücken.
Bau und Funktion des Hörorgans
Das periphere Hörorgan (Abb.1) dient
der Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung von Schallwellen. Hierzu gehören Sprache, Musik oder Umweltgeräusche. Anatomisch gliedert es sich in
die drei Abschnitte des Außen-, Mittelund Innenohres und enthält neben der
Hörschnecke (Cochlea) auch die Strukturen des Gleichgewichtsorgans (Vestibularorgan). Im Laufe der Evolution hat
sich das Hörorgan so entwickelt, dass es
wie eine Antenne am empfindlichsten
auf die Frequenzen der menschlichen
Stimme (im Bereich von 1–4 kHz) reagiert.
Das sehr individuell geformte Außenohr
stellt mit seiner Ohrmuschel und dem
äußeren Gehörgang eine Art Trichter
dar, der den Schall an das Trommelfell
weiterleitet. Besonders die Frequenzen
10
im Hauptsprachbereich werden dabei
richtungsabhängig um bis zu 20 Dezibel
verstärkt, was einer Verhundertfachung
des Schalldruckes in diesem Bereich
entspricht. Dies ist ein wichtiger Grund
dafür, dass Lärm besonders in diesem
empfindlichen Frequenzbereich seine
schädigende Wirkung entfaltet.
Das Außenohr
Auch wenn wir nicht mehr wie viele
andere Säugetiere unsere Ohrmuscheln
bewegen können, hat das Außenohr
eine große Bedeutung für die Raumorientierung und das Richtungshören.
Durch seine leicht abstehende Form
sowie durch die Falten und Leisten der
knorpeligen Ohrmuschel werden die
Anteile des Schalls – je nachdem aus
welcher Raumrichtung sie eintreffen –
Bau und Funktion des Hörorgans
Abb. 1: Anatomie des peripheren Hörorgans.
verstärkt, abgeschwächt oder auch
leicht verzögert. Zusätzlich werden
kleinste Intensitäts- und Laufzeitunterschiede zwischen beiden Ohren im
Gehirn miteinander verrechnet, so dass
ein genaues akustisches Bild unserer
Umwelt entsteht. So lernen wir im Laufe des Lebens, Ort und Bewegung von
Schallquellen wahrzunehmen. Die seltsame Form unserer Ohrmuschel sorgt
darüber hinaus auch für Verwirbelungen von Luft und damit zu einer Brechung des Luftschalls, so dass keine unerwünschten Resonanzeffekte, wie z. B.
Pfeif- oder Windgeräusche, entstehen.
Eine wichtige Aufgabe des Außenohres
ist der Schutz des empfindlichen Mittelund Innenohres. Der etwa 3,5 cm lange
Gehörgang verjüngt sich trichterförmig.
Er ist außen im knorpeligen Bereich mit
feinen Härchen ausgekleidet und wird
im Übergang zum knöchernen, abgewinkelten Teil zu einer Engstelle, durch
die das Eindringen von Fremdkörpern
weitgehend verhindert wird. Das Ohrenschmalz dient dazu, feine Partikel
festzuhalten, den Gehörgang vor dem
Austrocknen zu schützen, auf chemischem Wege Bakterien und kleinste
Tierchen abzuwehren, Entzündungen
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왘
Was bedeutet Schwerhörigkeit?
vorzubeugen und auch das Trommelfell
elastisch und geschmeidig zu halten.
Das Mittelohr
Die Hauptaufgabe des Mittelohres besteht darin, die über das Außenohr zugeführten Schallwellen in Schwingungen
des Trommelfells und der daran angeschlossenen Gehörknöchelchenkette
zu überführen und diese in die flüssigkeitsgefüllten Räume der Hörschnecke
weiterzuleiten. Die Gehörknöchelchenkette besteht aus Hammer, Amboss und
dem Steigbügel, die die kleinsten Knochen des menschlichen Körpers sind.
Sie befinden sich in der luftgefüllten
von Schleimhaut ausgekleideten Paukenhöhle, die über die Eustachische
Röhre mit dem Nasen- und Rachenraum
verbunden ist.
Da das Innenohr mit Flüssigkeit gefüllt
ist, dient das Mittelohr der sogenannten
Impedanzwandlung, in dem der hohe
Schallwellenwiderstand der Flüssigkeit
überwunden wird. Dies geschieht insbesondere dadurch, dass die Schallenergie
vom großen Trommelfell auf die kleine
Steigbügelfußplatte übertragen wird,
was den Schalldruck um das 20-Fache
verstärkt. Einen weiteren Beitrag zur
Schalldruckverstärkung leistet die Hebelwirkung der Gehörknöchelchenkette. Mit der Entwicklung des Mittelohres
ist es der Natur auf geniale Weise gelungen, dass ein großer Teil der Schall12
energie nicht durch Reflektion verloren geht, sondern an die Hörschnecke
weitergegeben wird. Die Eustachische
Röhre sorgt dafür, dass im Mittelohr
stets ein Druckausgleich stattfindet, damit das Trommelfell optimal schwingen
kann.
Weiterhin dienen die Gelenke zwischen
den Gehörknöchelchen dem Schutz
des Innenohres vor zu hohen Druckbelastungen, wie sie beim Husten, Niesen oder auch beim Fliegen auftreten
können. Eine gewisse Regulation der
Schallübertragung auf das Innenohr
nehmen auch die beiden Mittelohrmuskeln wahr. Der Trommelfellspanner
sorgt für eine optimale Spannung und
der am Steigbügel ansetzende Stapediusmuskel zieht sich reflektorisch bei
starker Schallbelastung zusammen, damit das empfindliche Innenohr vor zu
starker Lärmbelastung geschützt wird.
Unwirksam ist dieser Schutzmechanismus jedoch bei impulshaften Schallbelastungen, wie sie durch Explosionen,
Knallkörper, Schusswaffen oder Spielzeugpistolen erzeugt werden.
Das Innenohr
Die mit Flüssigkeit gefüllte Hörschnecke (Cochlea) des Innenohres ist der
Sitz des eigentlichen Hörorgans, das
nach seinem Entdecker, Alfonso Corti,
auch Cortisches Organ genannt wird.
Entlang der zweieinhalb Schnecken-
Bau und Funktion des Hörorgans
windungen sind auf einer Länge von
ca. 32 mm sehr regelmäßig drei Reihen äußerer sowie eine Reihe innerer
Haarsinneszellen angeordnet. Die von
Stützzellen umgebenen Haarsinneszellen haben ihren Namen von den feinen
Härchen (Stereozilien), die teilweise mit
der darüberliegenden Deckmembran in
Verbindung stehen. Sie spielen für den
Hörvorgang eine große Rolle. Bei Bewegungen der Gehörknöchelchenkette
wird durch Schwingungen des Steigbügels eine Wanderwelle ausgelöst, die
auf Grund der Schwingungseigenschaften der Schnecke an einem bestimmten
Ort ein Maximum hat. Die Wanderwelle
wird durch aktive Bewegung der äußeren Harrsinneszellen verstärkt, so dass
die inneren Haarsinneszellen erregt
werden. Dadurch werden in den nachgeschalteten Hörnervenfasern Nervenimpulse erzeugt, die der zentralen Hörbahn zugeleitet werden und dort die
Hörempfindungen auslösen.
beidohrigen (binauralen) Signalverarbeitung ermöglicht. Dabei werden feinste Signalunterschiede, die zwischen
beiden Ohren bei seitlichem Schalleintritt bestehen, miteinander verrechnet.
Das geübte Ohr ist so in der Lage, die
Abweichung einer Schallquelle von nur
einem Grad bei bestimmten Frequenzen
wahrzunehmen.
Die zentrale Hörbahn mit ihrer komplizierten Verschaltung dient anschließend
dazu, aus dem umfangreichen Informationsstrom, der über beide Hörnerven
übertragen wird, die für uns bedeutsamen Informationen herauszufiltern.
Das Richtungshören und die akustische
Raumwahrnehmung, durch die sich
zum Beispiel bewegende Schallquellen verfolgen lassen, werden besonders durch die zentralen Prozesse der
All diese zentralen Verarbeitungsprozesse unterliegen einem langen Reifungsprozess, der bei der Geburt keineswegs abgeschlossen ist, sondern
sich weit bis in die Pubertät hinzieht.
Vor diesem Hintergrund ist es umso bedeutsamer, von Geburt an für eine ausreichende Hörfähigkeit des Kindes zu
sorgen und durch rechtzeitige Therapie
der Schwerhörigkeit einem Sinnesentzug vorzubeugen.
Die zentrale Hörbahn liefert vielseitige
Informationen. Auf allen Ebenen sind
durch absteigende, sogenannte efferente Nervenfasern, bis in die Hörschnecke
hinein, eine Beeinflussung und damit
eine Kontrolle des Informationsstroms
möglich. So werden die äußeren Haarsinneszellen in der Hörschnecke auf die
optimale Empfindlichkeit eingestellt.
Auch das gezielte Lauschen auf bedeutsame für uns interessante Schallereignisse durch Ausblenden unerwünschter
Information ist ein Beispiel für diese
Kontrolle.
13
왘
Glossar
Stichwortverzeichnis
A
Aktionspotentiale 27, 46
Audioeingang 22
AudioProcessor 45
Außenohr 10
B
BERA 34
Bilaterale Implantation 53,
60
Bimodale Hörversorgung 69
Binaurales Hören 13
C
Chorda tympani 57
Chronischen Belüftungsstörungen 44
Cochlea 10, 12
Cochlea-Implantat 27, 28, 44
Cochleostomieöffnung 58
Cortisches Organ 12
Hirnstammaudiometrie 24, 34
Hochtonbereich 42
Hörgeräte 19, 78
Hörnerv 13
Hörnervenfasern 13, 16
Hörprothesen 44
Hörschnecke 10, 12
Hörvermögen 9
I
Impedanzaudiometrie 30
Implantatmigration 58
Innenohr 12
Insertion 57
K
Kernspintomografie 55
Knochenverankerte Hörhilfen 44
Kompression 19
Kortison 60
D
M
Dezibel 10
Mastoid 58
Mastoidektomie 57
Mehrmikrofontechnologie 21
Mittelohr 12
Mittelohrimplantat 27, 29,
42, 50
Mittelohrknöchelchen 12
E
EAS, Elektrisch-Akustische
Stimulation 25, 38, 44
Elektrisches Pulsmuster 45
Elektrodenträger, Elektrodenarray 45, 47
Eustachische Röhre 12
N
FM-Anlagen 46
Frequenz, Frequenzbereich
10, 19, 38, 69
Nervenimpulse 13
Nervus facialis 56, 65
Neugeborenenhörscreening
15
Neuropathie 16, 25
G
O
Gleichgewichtsorgan 10, 35
Ohrpassstück 42
Okklusionseffekt 77
Otoakustische Emissionen
(OAEs) 30
Otoplastik 20
Ototoxisch 14
F
H
Haarzellen 27, 30
Hauptsprachbereich 10, 17
Hautinzision 56
Hirnhautentzündung 37
P
Plastizität 14
posteriore Tympanotomie 57
Promontorialtest 33
R
Recessus facialis 58
Reflexe der Mittelohrmuskeln 30
Reifung der Hörbahn 37
Resthörigkeit 38
Richtungshören 13, 69
Rückkopplungspfeifen 20
S
Schallempfindungsschwerhörigkeit 16
Schallleitungsschwerhörigkeit 16
Schneckenbasis 57
Schwerhörigkeit 9
Signalverabeitungsstrategie
19
Sinustöne 20
Sprachaudiogramm 32
Sprachentwicklung 37, 83
Sprachprozessor 45
Stapediusmuskel 12
Stimulation
– bipolar 64, 65
– monopolare 64, 65
Störgeräusch 21, 65
Störschallunterdrückung 21
T
Tieftonschwerhörigkeit 42
Tinnitus 16, 86
Tonaudiogramm 31
Trommelfell 10, 12
V
Vestibularorgan 10
Z
Zentrale Hörbahn 13
93
왗
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