Hämostasestörungen durch Antibiotika

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© 2001
Schattauer GmbH
Hämostasestörungen durch Antibiotika
K. Schrör
Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Schlüsselwörter
Keywords
Antibiotika, Plättchenfunktionsstörungen, Vitamin-Kabhängige Gerinnungsfaktoren, Thrombozytopenie,
erworbene Gerinnungsstörungen
Antibiotics, disturbed platelet function, vitamin
K-dependent coagulation factors, thrombocytopenia,
acquired hemostatic disorders
Zusammenfassung
Summary
Hämostasestörungen durch Antibiotika können sowohl
die plasmatischen Komponenten des Gerinnungssystems
als auch die Thrombozyten betreffen. Ersteres beinhaltet
eine verminderte Bildung von Vitamin-K-abhängigen
Gerinnungsfaktoren durch Zerstörung der Vitamin-K-bildenden Darmflora (z.B. ß-Laktamantibiotika) und/oder
Hemmung der Vitamin-K-Epoxidhydrolase (NMMT-substituierte Zephalosporine) mit nachfolgender Hypoprothrombinämie. Eine Immunthrombozytopenie tritt vor
allem nach Trimethoprim/Sulfmethoxazol und anderen
Sulfonamidantibiotika auf, ist aber auch für andere
Antibiotika gut dokumentiert. Darüber hinaus wird eine
direkte Hemmung der Plättchenfunktion durch Interferenz mit der Bindung von Agonisten (ADP, Adrenalin)
vorwiegend für Penizilline und einige Zephalosporine
beschrieben. Das klinische Bild dieser erworbenen
Hämostasestörungen ist zusätzlich durch Risikofaktoren
seitens des Patienten bestimmt. Erschwerend wirken
schlechter Ernährungsszustand (Hypalbuminämie),
parenterale Ernährung (niedriger Vitamin-K-Plasmaspiegel), Niereninsuffizienz (reduzierte Antibiotika-Clearance)
und Komedikation zytotoxischer Substanzen (Zytostatika).
Therapieoptionen sind neben dem Absetzen der Substanz in Abhängigkeit von Ursache und Schweregrad der
Hämostasestörung Vitamin K1, Plättchenkonzentrate
oder Frisch-(gefrorenes)Plasma.
Disturbed hemostasis subsequent to intake of antibiotics
might affect both the plasmatic coagulation as well as
platelet aggregation. Disturbed plasmatic coagulation is
caused by reduced generation of vitamin K-dependent
clotting factors subsquent to elimination of vitamin
K-producing microorganisms in the gut (e. g. ß-lactam
antibiotics) and/or inhibition of the vitamin K-epoxyidhydrolase (NMMT-substituted cephalosporins), eventually
resulting in hypoprothrombinemia. Immunthrombocytopenias are observed particularly with the use of
trimethoprime/sulfmethoxazole and other sulfonamides,
but have also been described for a variety of other
antibiotics. In contrast, direct inhibition of platelet
function caused by interference with platelet agonists
(ADP, adrenaline) appears to be specific for penicillines
and several cephalosporins. The clinical picture of these
acquired disorders in hemostasis is additionally determined
by risk factors at the patient´s site. Aggravation is seen
in malnutrition (hypalbuminemia), parenteral nutrition
(reduced vitamin K-plasma level), renal failure (reduced
antibiotic clearance) and comedication of cytotoxic
drugs (cytostatics). Therapeutic options besides removal
of the drug in dependency on cause and severity of the
disease include vitamin K1 administration, administration
of platelet concentrates and of fresh-frozen plasma.
Disturbed hemostasis subsequent to antibiotics
Hämostaseologie 2001; 21: 12–6
A
ntibiotika können über verschiedene Mechanismen zu Hämostasestörungen mit dem Auftreten von
Blutungen führen. Für die in dieser Hinsicht am besten untersuchten ß-Laktamantibiotika (Penizilline, Zephalosporine) wurden Störungen der Plättchenfunktion, Reduktion der Synthese Vitamin-K-abhängiger
Gerinnungsfaktoren mit nachfolgender
Hypoprothrombinämie und Hemmung der
Fibrinpolymerisation beschrieben (Tab. 1).
Obwohl dies nicht in jedem Fall zu klinisch
relevanten Blutungen führt, ist zweifellos
eine hämorrhagische Diathese gegeben.
Diese wird unter erschwerenden klinischen
Bedingungen, wie Hemmung der Antibiotika-Clearance mit erhöhten Plasmaspiegeln
der Substanzen (Urämie, hepatische Insuffizienz), chronische Erkrankungen mit
schlechtem Ernährungszustand (Hypalbu-
minämie) oder parenterale Ernährung
(reduzierte Plasmaspiegel von Vitamin K1)
sowie Komedikation von antihämostatischen Arzneimitteln (Heparin, orale Antikoagulanzien) und Zytostatika im Rahmen
einer Chemotherapie (Knochenmarkdepression), verstärkt (19).
Neben einer thrombozytären Dysfunktion sind antibiotikainduzierte Thrombozytopenien eine weitere Ursache thrombozytenassoziierter
Hämostasestörungen.
Diese können Folge einer langdauernden,
hochdosierten Antibiotikatherapie sein
oder auch immunologisch ausgelöst
werden. Thrombozytopenien müssen bei
ansonsten normaler Plättchenfunktion
nicht mit Blutungen einhergehen, diese
sind erst bei Thrombozytenzahlen von
≤ 10000/µl zu erwarten (20).Aber auch hier
ist eine hämorrhagische Diathese zweifellos gegeben, die unter den beschriebenen
besonderen klinischen Bedingungen zum
Auftreten von Blutungen führen kann.
Pathophysiologisch kann man zwischen
Störungen der plasmatischen Koagulation,
Störungen der Thrombozytenfunktion und
Thrombozytopenien unterscheiden .
Interferenz mit der Synthese
Vitamin-K-abhängiger
Gerinnungsfaktoren
Klinik
Antibiotika, vorzugsweise aus der Reihe
der ß-Laktame, können auf verschiedenen
Wegen mit der Synthese Vitamin-K-abhängiger Gerinnungsfaktoren (vorzugsweise
Prothrombin) interferieren. Klinisch
kommt es zu einer Hypoprothrombinämie, vor allem unter Bedingungen eines
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Tab. 1
Mechanismen von Hämostasestörungen durch Antibiotika
latenten Vitamin-K-Mangels, zum Beispiel
bei Patienten mit Ernährungsstörungen
bzw. reduziertem Vitamin-K1-Spiegel im
Serum (21). So kam es bei allen 7 parenteral ernährten Patienten unter Anwendung
von Latamoxef zu einer Hypoprothrombinämie, Abfall von Vitamin K im Plasma
und Abfall von Protein C innerhalb von
4 Tagen, die durch Gabe von Vitamin K1
behoben werden konnte (22).
(Cefazolin) im Molekül. Alle diese Substanzen führen nach Gabe von Vitamin K1
zu einem Anstieg des Plasmaspiegels von
Vitamin-K1-2,3-Epoxid, während Zephalosporine ohne dieses Strukturelement
(Cefotaxim, Cefoxitin) keine solche Wirkung zeigen (22, 25). Außerdem können
Zephalosporine zumindest in höheren
Konzentrationen wie auch andere ß-Laktamantibiotika direkt die Plättchenaggregation hemmen (1) (Tab. 1).
Pathophysiologie
Verschiedene Mechanismen werden für
die Störung der Synthese von VitaminK-abhängigen Gerinnungsfaktoren nach
Antibiotika verantwortlich gemacht. Hierzu gehört zunächst die Elimination der
Vitamin-K-synthetisierenden Darmflora
durch alle Antibiotika, die über ein entsprechendes Wirkungsspektrum verfügen
(23). Ein weiterer Mechanismus ist die
Hemmung der hepatischen Vitamin-KEpoxidreduktase und damit eine »kumarinartige« Hemmung der Synthese Vitamin-K-abhängiger Gerinnungsfaktoren
(24). Über einen solchen Wirkmechanismus verfügen Zephalosporine mit einer
N-Methyl-thiotetrazol- (Latamoxef, Cephmenoxim, Cefoperazon, Cefotetan, Cefamandol) oder Methyl-thiadiazol-Seitenkette
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Thrombozytopenien
durch Antibiotika
für die meisten anderen Penizilline einschließlich Ticarcillin, Methicillin, Ampicillin,
Oxacillin (19) gefunden.Auch Zephalosporine wie Cephalothin (19) und Cefotetan
(26) können Thrombozytopenien auslösen.
Signifikante Blutungen treten vor allem bei
Dauerbehandlung und hohen Dosierungen
(≥ 12 g/Tag) auf, wobei vor allem Patienten mit schlechtem Ernährungszustand
(Hypalbuminämie) und Niereninsuffizienz
besonders gefährdet sind (1). Weitere
aggravierende Faktoren sind höheres Alter
und zusätzliche Chemotherapie sowie
Hypoprothrombinämie (27) .
In einer bemerkenswerten Übersicht
haben George et al. (28) unter Zugrundelegung strenger Bewertungskriterien 515
Berichte über isolierte Thrombozytopenien
bei Anwendung von 152 unterschiedlichen
Substanzen über 32 Jahre (1966-1997) im
englischsprachigen Schrifttum verfolgt
(Heparin wurde als bereits bekanntes
Agens ausgeschlossen). Nur 247 dieser
Berichte wurden als sicher (positiver Auslaßversuch) oder wahrscheinlich arzneimittelinduziert angesehen und immerhin 96 als
unwahrscheinlich. Die Diagnosestellung
erfolgte in der Regel aufgrund von Blutungen geringen Grades (Schleimhäute,
Nasenbluten). Zwischen den einzelnen
Substanzen bestanden allerdings erhebliche Unterschiede im Zeitpunkt des Auftretens im Bezug zur Einnahme: weniger als
1 Tag bis zu 3 Jahre (Median 14 Tage) (bei
gesicherten Fällen) und Wiedererreichen
des normalen Plättchen-Count innerhalb
von weniger als 1 Tag bis zu 60 Tagen (Median 5 Tage). Bei erneuter Substanzgabe
nach Auslaßversuch kam es zur erneuten
Thrombozytopenie innerhalb von weniger
als 1 bis zu 60 Tagen (Median 3 Tage).
Klinik
Thrombozytopenien
(Plättchenzahlen
< 100000/µl) entstehen entweder durch
eine unzureichende Bildung (Knochenmarkdepression) oder zu rasche Zerstörung (pathologische Immunreaktionen)
von Thrombozyten. Zahlreiche Antibiotika
können eine Thrombozytopenie auslösen.
Am besten untersucht sind in dieser Hinsicht ß-Laktamantibiotika. Als erstes wurde
für Penizillin G (6) und Carbenicillin (7)
eine Thrombozytopenie gezeigt und später
Pathophysiologie
Thrombozytopenien können toxisch oder
immunologisch bedingt sein. Penizillinund Zephalosporin-induzierte Antiplättchen-Antikörper (11, 26) wurden nachgewiesen. Der Patient wird durch Erstexposition sensibilisiert gegenüber der Substanz,
bei erneuter Exposition kommt es dann
zu einem Abfall der Plättchenzahl, häufig einhergehend mit Blutungen. Beides ist nach
Absetzen der Substanz reversibel.
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Hämostasestörung durch Antibiotika
Unterschiedliche Mechanismen werden
für die Arzneimittel-induzierte Immunthrombozytopenie verantwortlich gemacht
(29). Prinzipiell lassen sich drei Formen
unterscheiden: Knochenmarksuppression,
Antikörper-mediierte Zellzerstörung und
Thrombozytenaggregation (30). Penizilline
wirken wahrscheinlich als Haptene, die
nach kovalenter Bindung an Glykoproteine
der Plättchenmembran die Bildung von
Antikörpern initiieren. Diese sind spezifisch für den Penizillin-Protein-Komplex.
Im Falle dieser Membranproteine ermöglicht der Arzneimittel-Protein-Komplex die
Antikörper-Bindung mit nachfolgender
Zellzerstörung. Klinisch kommt es zu einer
geringgradigen hämolytischen Anämie
nach hohen Dosen von Penizillinen oder
anderen ß-Laktamantibiotika (10-12).
Thrombozytopenie durch Arzneimittelspezifische Antikörper ist ein seltener Mechanismus von Arzneimittel-induzierten
Thrombozytopenien und im Gegensatz zu
anderen Penizillin- oder Zephalosporin-induzierten Antikörpern plättchenspezifisch.
Eine Thrombozytopenie tritt nur in Anwesenheit der freien Substanz im Plasma auf.
Sulfonamid-Antibiotika binden nichtkovalent an Membranglykoproteine und
induzieren ebenfalls die Bildung von
Antikörpern, die an Plättchen nur in Gegenwart der gelösten Substanz binden (31).
Dabei besteht eine Kreuzreaktion zwischen Penizillinen und Zephalosporinen
(26).
Immunthrombozytopenien wurden vor
allem für das Kombinationspräparat Trimethoprim/Sulfmethoxazol beschrieben (14,
15). Von den 98 Thrombozytopenien mit
sicherem oder wahrscheinlichem Bezug zu
Arzneimitteleinnahme in der Studie von
George et al. (28) rangierte Trimethoprim/
Sulfmethoxazol mit 10 Fällen nach Chinidin (38 Fälle) und Goldsalzen (11 Fälle)
an dritter Stelle (Tab. 2). In einer epidemiologischen Untersuchung aus Dänemark
über das Auftreten von Thrombozytopenien nach nichtzytotoxischen Substanzen
gehören Sulfonamid-Antibiotika nach
Goldsalzen und nichtsteroidalen Antiphlogistika zu den wichtigsten Präparaten (32).
Auch für Vancomycin (16, 28) sowie Clarithromycin (33) wurden Immunthrombozytopenien berichtet.
Tab. 2
Thrombozytopenien durch
Antibiotika, publiziert in englischsprachigen Zeitschriften
nach einer MEDLINE-Recherche für die Zeit von 1966
bis 1997
Evidenzniveau sicher: (i) Therapie mit jeweiliger Substanz ging Thrombozytopenie voraus und verschwand nach Absetzen; (ii) Kandidatensubstanz
wurde als einzige vor Beginn der Thrombozytopenie gegeben bzw. weiterre Substanzen wurden weiter verordnet ohne Effekt beim Auslaßversuch;
(iii) andere Ursachen einer Thrombozytopenie wurden ausgeschlossen;
(iv) Reexposition gegenüber der fraglichen Substanz führte erneut zur
Thrombozytopenie. Evidenzniveau wahrscheinlich: Kriterien (i) bis (iii)
erfüllt.
Ausschlußkriterien: Heparingabe; Komedikation von toxischen Substanzen für das Knochenmark (Zytostatika), Überdosierung der jeweiligen
Substanz; Thrombozytopenie als Begleitsymptom einer anderen Abnormalität (aplastische Anämie, TTP); Alter <16 Jahre.
Insgesamt 515 Berichte mit 152 unterschiedlichen Substanzen (komplette
Liste unter http://moon.ouhsc.edu/jgeorge), darunter 87 Patienten »sicher«
und 160 Patienten »wahrscheinlich« (28).
Thrombozytenfunktionsstörungen durch Antibiotika
Klinik
Penizillin führt bei therapeutisch erreichbaren Konzentrationen (0,1-1 mM) ex vivo
zu einer Hemmung von Plättchenaggregation
und -sekretion (6, 7, 34). In vitro genügen
15 min Exposition gegenüber Penizillin für
eine maximale Hemmung von Aggregation
und Sekretion. Ein vergleichbarer Effekt
wird beobachtet nach 48 h in vivo (4, 7). Die
inhibitorischen Wirkungen von Penizillin
auf die Aggregation in vitro sind sofort
reversibel nach Entfernung der Substanz,
während in vivo eine Erholung der Plättchenfunktion nach Absetzen 3-10 Tage
erfordert (4, 7, 35). Hypalbuminämie führt
Abb. 1
Unterschiedliche Beeinflussung der ADP-induzierten
Plättchenaggregation in
plättchenreichem Plasma in
vitro nach Zusatz von
Cephalothin (200 µg/ml):
Keine Hemmung bei Patienten mit Normalbuminämie (n = 6), komplette
Hemmung bei allen Patienten mit Hypoalbuminämie
(n = 4 ) (mod. nach 36)
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zu einer Verstärkung der Plättchenfunktionsstörung bei gleichzeitiger Behandlung mit
Zephalosporinen und anderen ß-Laktamantibiotika (36) (Abb. 1). Eine Hemmung
der ADP-induzierten Plättchenaggregation
ex vivo wurde auch für Moxalactam gefunden und weitere 26 ß-Laktamantibiotika
von insgesamt 34 untersuchten Substanzen
(13). Allerdings wurde zumindest für Cefotetan gezeigt, daß auch bei Patienten mit
hepatobiliären Funktionsstörungen unter
konventioneller Dosierung keine Hemmung der Plättchenfunktion eintritt (37).
Der rasche Beginn und die Reversibilität
der Plättchenfunktionsstörung in vitro
sprechen für einen reversiblen Plättchendefekt, während die In-vivo-Wirkung eher
irreversibel erscheint. In Bestätigung dessen korreliert die Antiplättchenwirkung
von Penizillin in vitro nicht mit der Verlängerung der Blutungszeit in vivo (19).
Pathophysiologie
Schon in frühen Untersuchungen über die
Antiplättchenwirkung von Penizillinen war
vermutet worden, daß die Substanzen die
Bindung und damit Wirkung stimulatorischer Agonisten (Adrenalin, ADP) hemmen und in der Folge die Anschaltung
innerthrombozytärer Signalwege und Verstärkungsmechanismen (z.B. Thromboxanbildung) ebenfalls gehemmt (38) wird.
Neuere Arbeiten haben außerdem gezeigt,
daß Exposition von Plättchen in vitro gegenüber Penizillin G für 15 min die Thrombininduzierte Modulation der Glykoproteine
Ib, Ib/IX, IIb/IIIa und P-Selectin hemmt
und darüber die Plättchenadhäsion und
-aggregation. Diese Penizillin-Wirkungen
waren partiell reversibel durch Erhöhung
der Agonistenkonzentration (39). Eine
zeitabhängig irreversible Bindung von
Penizillin an Plättchen in vitro wurde ebenfalls gefunden. Die Bindung erreichte erst
nach mehr als 8 h eine Sättigung (40) und
könnte vielleicht zur Akkumulation der
Substanz an Plättchen in vivo beitragen.
Spezifische Bindungsstellen für Penizillin G wurden an Humanthrombozyten
nachgewiesen. Ca. 4800 Bindungsstellen
pro Plättchen bei einer Dissoziationskonstanten von 200 nM wurden gefunden.Albuminzusatz (1-4 g/dl) führte konzentrationsHämostaseologie 1/2001
abhängig zu einer letztlich vollständigen
Verdrängung von Penizillin G aus der Bindung an Plättchenproteinen (36). In vitro
wurde eine Abnahme der thrombozytären
2-Rezeptoren nach Inkubation mit hohen
Penizillinkonzentrationen (20 mM) gezeigt.
Keine derartigen Veränderungen fanden
sich bei Patienten nach 3-17tägiger
Behandlung mit intravenösem Penizillin,
Oxacillin oder Mezlocillin, obwohl die
Adrenalin-induzierte Plättchenaggregation
gehemmt war (40).
Zwei biochemische Post-Rezeptoreffekte
werden durch Penizillin in vitro oder ex
vivo irreversibel gehemmt: die Thromboxan-Synthese und die Agonisten-induzierte
Zunahme der zytosolischen Ca++-Konzentration (40). Beides ist vermutlich Folge
einer Hemmung der Agonistenbindung
bzw. –wirkung an der Zellmembran. Diese
Effekte erfordern allerdings hohe Konzentrationen (20 mM). Trotzdem wird dies als
mögliche Erklärung für die irreversible
Hemmung der Plättchenfunktion durch
ß-Laktamantibiotika nach längerdauernder Anwendung in vitro oder in vivo angesehen (41).
Damit führen ß-Laktamantibiotika zu
Störungen der Plättchenaggregation, die
besonders dann gravierend sein können,
wenn weitere Funktionsstörungen seitens
der Koagulation (siehe oben) und seitens
des Patienten hinzukommen.
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Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. K. Schrör
Heinrich-Heine-Universität
Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie, Geb. 22.21
Moorenstr. 5, D-40225 Düsseldorf
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