BVD: Kommen schärfere Auflagen?

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Tiergesundheit
Foto: Lefting
Foto: Werkbild
BVD: Kommen
schärfere Auflagen?
Gängige Praxis: Rinderhalter nehmen von neugeborenen Kälbern
Ohrstanzproben, ...
Die Bovine Virusdiarrhoe
(BVD) wird seit drei Jahren
systematisch bekämpft.
Doch aktuell treten die
Erfolge auf der Stelle. Was
künftig auf Rinderhalter
zukommt, erklärt Dr. Horst
Schirrmeier vom FriedrichLoeffler-Institut (FLI).
Unser Autor
Foto: FLI
Dr. Horst
Schirrmeier,
Leiter des
Nationalen
Referenzlabor für
Bovine Virus­
diarrhoe/Mucosal
Disease (BVD/MD).
R 28
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T
..., die sie in speziellen Plastiktüten und Umschlägen
an das zuständige Veterinäramt schicken.
rotz Ohrstanzproben, Impfungen
und der Tötung von infizierten
Tieren, kommt es immer wieder
zu teils massiven Neuausbrüchen der
Bovinen Virusdiarrhoe/Mucosal Disease
(BVD/MD) – mit hohen wirtschaftlichen Schäden. Bestes Beispiel ist ein Fall
aus Thüringen: In einem Milchviehbestand mit 720 Kühen und 110 entdeckten persistent infizierten (PI)-Tieren betrug der finanzielle Verlust 278 000 €.
Das sind 386 € je Kuh im Bestand.
Die Infektionskrankheit BVD/MD
gehört also nach wie vor zu den wirtschaftlich bedeutendsten Infektionskrankheiten des Rindes. Dabei sind die
Symptome äußerst vielseitig: Die BVD
verläuft meistens subklinisch und kann
zu einem schlechteren Allgemeinbefinden und zu Leistungsabfall führen. Persistent infizierte Tiere können im weiteren Verlauf an MD erkranken. Diese
Infektion verläuft tödlich.
Die Bekämpfung der BVD ist durch
eine seit 2011 gültige Bundesverordnung
geregelt. Sie ist darauf ausgerichtet, die
in den Beständen kursierende Virus-
menge zu reduzieren und die Infektionsgefahr drastisch zu senken. Eine
vollständige BVD-Freiheit ist nicht ausdrücklich als Ziel formuliert. Kernpunkte der Verordnung sind:
• Pflichtuntersuchung auf BVDV-Antigen bzw. -Genom für Rinder bis zum
sechsten Lebensmonat vor dem Verbringen und bei klinischem Verdacht
auf Mucosal Disease (MD).
• Unverzügliche Tötung von PI-Tieren.
• Ausschließlicher Handel mit unverdächtigen Tieren (mit Ausnahmen).
Sanierung zu langsam:Seit 2011 wur-
den in Deutschland mehr als 42 000 PITiere erkannt und eliminiert. Die Zahl
neu entdeckter PI-Tiere pro Quartal
ging seit Beginn des Programms bis
Mitte 2013 stetig zurück. Im dritten
Quartal gab es allerdings in nahezu allen Bundesländern wieder einen Anstieg (Übersicht 1).
In mehreren Bundesländern, insbesondere denen mit einem guten Ausgangsstatus, gibt es seit der zweiten
Hälfte des Jahres 2012 nur noch geringe
Foto: K. Waterschoot
Im Labor untersuchen Mitarbeiter die Ohrstanzproben auf BVD. Daran wollen die Behörden auch künftig festhalten. Zudem denken
sie über schärfere Hygiene- und Handelsauflagen für Rinderhalter nach, um die BVD-Bekämpfung voranzutreiben.
Fortschritte. Die sinkende Anzahl bis
Mitte 2013 ist nahezu ausschließlich auf
Bayern und Baden-Württemberg zurückzuführen.
Der Gesamtabnahme einerseits standen aber auch massive Neuausbrüche
mit mehr als 100 PI-Tieren in einzelnen
größeren Beständen gegenüber. 2011 wa-
ren noch 0,5 % der neugeborenen Kälber
betroffen, 2012 sank diese Zahl auf
0,24 %. Für 2013 liegen die Prognosen
zwischen 0,1 und 0,15 %.
Es gibt für Deutschland keine Angaben über die Gesamtschäden. Berechnungen der wirtschaftlichen Verluste
aus anderen Ländern ergeben, dass Kos-
Übersicht 1: Anzahl persistent
infizierter Tiere sinkt aktuell nicht mehr
Zuletzt
ist die
Anzahl der
diagnostizierten
PI-Tiere
wieder
leicht
ge­stiegen.
ten zwischen 8 und 500 € je geborenes
Kalb entstehen. Das wären für Deutschland bei ca. 4,9 Mio. Abkalbungen im
Jahr 2012 zwischen 39 und 245 Mio. €
insgesamt.
Virus-Ausscheider eher erkennen: Es
gibt gegenwärtig keinen Anlass, an der
Strategie der frühzeitigen Erkennung
und Eliminierung von PI-Tieren etwas
zu ändern. Allerdings zeigen die Fallzahlen und insbesondere deren Stagnation auf einem niedrigen Stand, dass zusätzliche Maßnahmen diskutiert und
möglicherweise auch eine Änderung
der BVD-Verordnung durchgesetzt werden muss.
Oftmals bleiben PI-Tiere zu lange in
den Beständen. So ist es gegenwärtig
durchaus möglich, einen Virusdauerausscheider über einen Zeitraum von
acht Monaten im Bestand zu „pflegen“
und damit täglich eine enorme Menge
an Viren zu verbreiten, ohne dass gegen
die BVD-Verordnung verstoßen wird.
Eine weitere Schwachstelle ist das
Verbringen von nicht untersuchten Tietop agrar 2/2014
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Übersicht 2: Auswahl an BVD-Impfstoffen
Produkt
Zulassungsinhaber
Bovidec
Virbac
Bovilis BVD-MD
Vacoviron
leb./
inakt.
Darreichungsform
BVD/MD-Virus;
St. KY1203nc
inakt.
wässrige
Suspension
MSD
BVD/MD-Virus;
St. C86
inakt.
wässrige
Suspension
Merial
BVD/MD-Virus;
leb.
St. Oregon C24V
lyophil.
BVD/MD-Virus;
St. 5960, 6308
wässrige
Suspension
Rispoval
Zoetis
3-BRSV-PI3-BVD
Impfantigen
ren. So wurden laut einer Statistik von
HI-Tier 2012 insgesamt 26 059 Rinder
ohne Status aus Deutschland ausgeführt und 158 074 im Inland ohne Untersuchung verbracht. Das birgt ein hohes Risiko unerkannter PI-Tiere, die das
Virus effizient verbreiten können.
Zudem sollten sich Hygienenormen,
wie sie in der Schweinehaltung existieren, auch in Rinder haltenden Betrieben
durchsetzen. Weiterhin sind strengere
Auflagen gegenüber Beständen, in denen sich noch PI-Tiere befinden, denkbar. Das sind in Deutschland für 2013
inakt.
Für die
BVD-Bekämpfung
spielt die
Impfung
eine
wichtige
Rolle.
Mehre
Impfstoffe
stehen zur
Auswahl.
ca. 2 200 Betriebe. Im Jahre 2011 waren
es noch mehr als 6 000.
Handelseinschränkungen und generelle Verbote, wie sie in der Schweiz gelten, sind auch unter unseren Bedingungen sinnvoll. Sie könnten ein wirksames
Gegengewicht zu mangelnder Akzeptanz, Gleichgültigkeit oder gar Sturheit
bei einzelnen Landwirten setzen.
Nur durch das gewollte und bewusste
Zusammenwirken von Rinderhaltern,
Verbänden und Veterinären lassen sich
Tierseuchen nachhaltig bekämpfen.
Das zeigen auch fast drei Jahre BVD-Be-
BVD-Typ 2 bleibt ein Rätsel
Anfang 2013 traten erst in Nordrhein-Westfalen und später auch in
Niedersachsen schwere klinische Erkrankungen mit Sterberaten bis 25 %
auf. In Mastbeständen lagen die Zahlen sogar noch deutlich darüber. Es
erkrankten zunächst Kälber, später
auch Jungrinder und Milchkühe. Im
Vordergrund des klinischen Bildes
standen Lungenentzündung, blutiger
Durchfall, Blutungen und Schleimhautläsionen in Maulhöhle und Verdauungstrakt. Offenbar wurde das
Virus mehrfach von Deutschland
auch in niederländische Mastbestände verschleppt, wo es ebenfalls
massive Krankheitsausbrüche gab.
In allen Fällen wurde ein BVD-Virus vom Subtyp 2c festgestellt. Viren
dieses Subtyps wurden auch in der
Vergangenheit in Deutschland mehrfach nachgewiesen. Die aktuellen
BVDV-2c unterscheiden sich auf molekularer Ebene in bestimmten Bereichen von den „klassischen“ Stämmen. Möglicherweise sind diese Veränderungen für die hohe krankmachende Potenz, die wir inzwischen auch in einem Tierversuch
nachvollziehen konnten, verantwort-
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lich. Betroffen waren ca. 25 Bestände,
ein weiter ausuferndes Geschehen
hat nicht stattgefunden. Es gibt allerdings aus der jüngsten Vergangenheit
noch einzelne Virusnachweise und
auch Kälber, bei denen das Virus in
der Ohrstanzprobe gefunden wurde.
Die Möglichkeiten der Impfung
sind jedoch begrenzt. BVDV-2-Impfstoffe sind in Deutschland nicht verfügbar, der Kreuzschutz durch
BVDV-1 enthaltende Impfstoffe ist
insbesondere bei Totimpfstoffen unzureichend für eine Verhinderung
der Infektion. Praktische Erfahrungen in der Anwendung einer
BVDV-1-Lebendvakzine haben aber
gezeigt, dass Erkrankungsspitzen abgebaut werden.
Gegenwärtig sind Impfmaßnahmen in betroffenen (Lebendimpfstoff unter Auslassen klinisch kranker Tiere) und gefährdeten Betrieben
(bestandsspezifisch festzulegendes
Impfregime) auf der Basis einer
Risikoabwägung unverzichtbar.
Mindestens ebenso wichtig sind jedoch strikte Maßnahmen, die das
Einschleppen des Virus in Bestände
verhindern.
kämpfung in Deutschland. Besonders
die Erfolgskontrolle ist wichtig. Deshalb
muss stichprobenhaft das Blut von
sechs bis zwölf Monate alten Tieren
(vor evtl. Impfung) auf Antikörper untersucht werden. So können PI-Tiere
schnell identifiziert werden. Insgesamt
muss deutlich gemacht werden, dass ein
sichtbarer Sanierungsfortschritt nicht
zu einer vorzeitigen Lockerung des Bekämpfungsprogramms führen darf, damit Erfolge nicht wieder leichtfertig
aufs Spiel gesetzt werden.
Ohrstanzprobe muss bleiben!Neu-
ausbrüche führen mit einer zunehmenden Populationsempfänglichkeit zu
weitaus größeren Schäden als in einer
teilweise durchseuchten Population.
Deshalb wird auch die Ohrstanzprobe
für das Gesamtprogramm in absehbarer
Zeit nicht überflüssig. Wohl aber kann
man über veränderte Lösungen für Bundesländer nachdenken, die sich mit größeren Beständen auf einem guten Weg
befinden (z. B. Sachsen, Sachsen-Anhalt).
Die BVD-Freiheit ist noch nicht in
Sicht und ist auch nicht das ausgewiesene Ziel des in der Verordnung festgeschriebenen aktuellen Bekämpfungskonzeptes. Zu berücksichtigen ist bei
einer solchen Zielsetzung auch, dass die
BVD auf EU-Ebene nicht übergreifend
bekämpft wird, und wirksame Maßnahmen zum Schutz vor Viruseinschleppungen aus anderen Ländern schwierig
durchzusetzen sind.
Positiv ist aber, dass auch andere Länder in Europa begonnen haben, nationale Bekämpfungsprogramme durchzuführen bzw. in finaler Diskussion darüber sind. Im Übrigen hat die Bekämpfung auch in Ländern, die eine erfolgreiche BVD-Sanierung hinter sich
haben, mehr als 10 Jahre gedauert.
Schnell gelesen
• Die Infektionskrankheit BVD
führt zu hohen wirtschaftlichen Verlusten.
• Seit 2011 ist die Bekämpfung
der Tierseuche in einer
Bundesverordnung geregelt.
• Die Zahl der persistent
infizierten Tiere nimmt ab. Es
gibt aber immer wieder teils
massive Neuausbrüche.
• Virus-Ausscheider müssen
schneller eliminiert werden.
• Rinderhaltern drohen
schärfere Hygiene- und
Handelsvorschriften.
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