Tiergesundheit Foto: Lefting Foto: Werkbild BVD: Kommen schärfere Auflagen? Gängige Praxis: Rinderhalter nehmen von neugeborenen Kälbern Ohrstanzproben, ... Die Bovine Virusdiarrhoe (BVD) wird seit drei Jahren systematisch bekämpft. Doch aktuell treten die Erfolge auf der Stelle. Was künftig auf Rinderhalter zukommt, erklärt Dr. Horst Schirrmeier vom FriedrichLoeffler-Institut (FLI). Unser Autor Foto: FLI Dr. Horst Schirrmeier, Leiter des Nationalen Referenzlabor für Bovine Virus­ diarrhoe/Mucosal Disease (BVD/MD). R 28 top agrar 2/2014 T ..., die sie in speziellen Plastiktüten und Umschlägen an das zuständige Veterinäramt schicken. rotz Ohrstanzproben, Impfungen und der Tötung von infizierten Tieren, kommt es immer wieder zu teils massiven Neuausbrüchen der Bovinen Virusdiarrhoe/Mucosal Disease (BVD/MD) – mit hohen wirtschaftlichen Schäden. Bestes Beispiel ist ein Fall aus Thüringen: In einem Milchviehbestand mit 720 Kühen und 110 entdeckten persistent infizierten (PI)-Tieren betrug der finanzielle Verlust 278 000 €. Das sind 386 € je Kuh im Bestand. Die Infektionskrankheit BVD/MD gehört also nach wie vor zu den wirtschaftlich bedeutendsten Infektionskrankheiten des Rindes. Dabei sind die Symptome äußerst vielseitig: Die BVD verläuft meistens subklinisch und kann zu einem schlechteren Allgemeinbefinden und zu Leistungsabfall führen. Persistent infizierte Tiere können im weiteren Verlauf an MD erkranken. Diese Infektion verläuft tödlich. Die Bekämpfung der BVD ist durch eine seit 2011 gültige Bundesverordnung geregelt. Sie ist darauf ausgerichtet, die in den Beständen kursierende Virus- menge zu reduzieren und die Infektionsgefahr drastisch zu senken. Eine vollständige BVD-Freiheit ist nicht ausdrücklich als Ziel formuliert. Kernpunkte der Verordnung sind: • Pflichtuntersuchung auf BVDV-Antigen bzw. -Genom für Rinder bis zum sechsten Lebensmonat vor dem Verbringen und bei klinischem Verdacht auf Mucosal Disease (MD). • Unverzügliche Tötung von PI-Tieren. • Ausschließlicher Handel mit unverdächtigen Tieren (mit Ausnahmen). Sanierung zu langsam:Seit 2011 wur- den in Deutschland mehr als 42 000 PITiere erkannt und eliminiert. Die Zahl neu entdeckter PI-Tiere pro Quartal ging seit Beginn des Programms bis Mitte 2013 stetig zurück. Im dritten Quartal gab es allerdings in nahezu allen Bundesländern wieder einen Anstieg (Übersicht 1). In mehreren Bundesländern, insbesondere denen mit einem guten Ausgangsstatus, gibt es seit der zweiten Hälfte des Jahres 2012 nur noch geringe Foto: K. Waterschoot Im Labor untersuchen Mitarbeiter die Ohrstanzproben auf BVD. Daran wollen die Behörden auch künftig festhalten. Zudem denken sie über schärfere Hygiene- und Handelsauflagen für Rinderhalter nach, um die BVD-Bekämpfung voranzutreiben. Fortschritte. Die sinkende Anzahl bis Mitte 2013 ist nahezu ausschließlich auf Bayern und Baden-Württemberg zurückzuführen. Der Gesamtabnahme einerseits standen aber auch massive Neuausbrüche mit mehr als 100 PI-Tieren in einzelnen größeren Beständen gegenüber. 2011 wa- ren noch 0,5 % der neugeborenen Kälber betroffen, 2012 sank diese Zahl auf 0,24 %. Für 2013 liegen die Prognosen zwischen 0,1 und 0,15 %. Es gibt für Deutschland keine Angaben über die Gesamtschäden. Berechnungen der wirtschaftlichen Verluste aus anderen Ländern ergeben, dass Kos- Übersicht 1: Anzahl persistent infizierter Tiere sinkt aktuell nicht mehr Zuletzt ist die Anzahl der diagnostizierten PI-Tiere wieder leicht ge­stiegen. ten zwischen 8 und 500 € je geborenes Kalb entstehen. Das wären für Deutschland bei ca. 4,9 Mio. Abkalbungen im Jahr 2012 zwischen 39 und 245 Mio. € insgesamt. Virus-Ausscheider eher erkennen: Es gibt gegenwärtig keinen Anlass, an der Strategie der frühzeitigen Erkennung und Eliminierung von PI-Tieren etwas zu ändern. Allerdings zeigen die Fallzahlen und insbesondere deren Stagnation auf einem niedrigen Stand, dass zusätzliche Maßnahmen diskutiert und möglicherweise auch eine Änderung der BVD-Verordnung durchgesetzt werden muss. Oftmals bleiben PI-Tiere zu lange in den Beständen. So ist es gegenwärtig durchaus möglich, einen Virusdauerausscheider über einen Zeitraum von acht Monaten im Bestand zu „pflegen“ und damit täglich eine enorme Menge an Viren zu verbreiten, ohne dass gegen die BVD-Verordnung verstoßen wird. Eine weitere Schwachstelle ist das Verbringen von nicht untersuchten Tietop agrar 2/2014 R 29 Tiergesundheit Übersicht 2: Auswahl an BVD-Impfstoffen Produkt Zulassungsinhaber Bovidec Virbac Bovilis BVD-MD Vacoviron leb./ inakt. Darreichungsform BVD/MD-Virus; St. KY1203nc inakt. wässrige Suspension MSD BVD/MD-Virus; St. C86 inakt. wässrige Suspension Merial BVD/MD-Virus; leb. St. Oregon C24V lyophil. BVD/MD-Virus; St. 5960, 6308 wässrige Suspension Rispoval Zoetis 3-BRSV-PI3-BVD Impfantigen ren. So wurden laut einer Statistik von HI-Tier 2012 insgesamt 26 059 Rinder ohne Status aus Deutschland ausgeführt und 158 074 im Inland ohne Untersuchung verbracht. Das birgt ein hohes Risiko unerkannter PI-Tiere, die das Virus effizient verbreiten können. Zudem sollten sich Hygienenormen, wie sie in der Schweinehaltung existieren, auch in Rinder haltenden Betrieben durchsetzen. Weiterhin sind strengere Auflagen gegenüber Beständen, in denen sich noch PI-Tiere befinden, denkbar. Das sind in Deutschland für 2013 inakt. Für die BVD-Bekämpfung spielt die Impfung eine wichtige Rolle. Mehre Impfstoffe stehen zur Auswahl. ca. 2 200 Betriebe. Im Jahre 2011 waren es noch mehr als 6 000. Handelseinschränkungen und generelle Verbote, wie sie in der Schweiz gelten, sind auch unter unseren Bedingungen sinnvoll. Sie könnten ein wirksames Gegengewicht zu mangelnder Akzeptanz, Gleichgültigkeit oder gar Sturheit bei einzelnen Landwirten setzen. Nur durch das gewollte und bewusste Zusammenwirken von Rinderhaltern, Verbänden und Veterinären lassen sich Tierseuchen nachhaltig bekämpfen. Das zeigen auch fast drei Jahre BVD-Be- BVD-Typ 2 bleibt ein Rätsel Anfang 2013 traten erst in Nordrhein-Westfalen und später auch in Niedersachsen schwere klinische Erkrankungen mit Sterberaten bis 25 % auf. In Mastbeständen lagen die Zahlen sogar noch deutlich darüber. Es erkrankten zunächst Kälber, später auch Jungrinder und Milchkühe. Im Vordergrund des klinischen Bildes standen Lungenentzündung, blutiger Durchfall, Blutungen und Schleimhautläsionen in Maulhöhle und Verdauungstrakt. Offenbar wurde das Virus mehrfach von Deutschland auch in niederländische Mastbestände verschleppt, wo es ebenfalls massive Krankheitsausbrüche gab. In allen Fällen wurde ein BVD-Virus vom Subtyp 2c festgestellt. Viren dieses Subtyps wurden auch in der Vergangenheit in Deutschland mehrfach nachgewiesen. Die aktuellen BVDV-2c unterscheiden sich auf molekularer Ebene in bestimmten Bereichen von den „klassischen“ Stämmen. Möglicherweise sind diese Veränderungen für die hohe krankmachende Potenz, die wir inzwischen auch in einem Tierversuch nachvollziehen konnten, verantwort- R 30 top agrar 2/2014 lich. Betroffen waren ca. 25 Bestände, ein weiter ausuferndes Geschehen hat nicht stattgefunden. Es gibt allerdings aus der jüngsten Vergangenheit noch einzelne Virusnachweise und auch Kälber, bei denen das Virus in der Ohrstanzprobe gefunden wurde. Die Möglichkeiten der Impfung sind jedoch begrenzt. BVDV-2-Impfstoffe sind in Deutschland nicht verfügbar, der Kreuzschutz durch BVDV-1 enthaltende Impfstoffe ist insbesondere bei Totimpfstoffen unzureichend für eine Verhinderung der Infektion. Praktische Erfahrungen in der Anwendung einer BVDV-1-Lebendvakzine haben aber gezeigt, dass Erkrankungsspitzen abgebaut werden. Gegenwärtig sind Impfmaßnahmen in betroffenen (Lebendimpfstoff unter Auslassen klinisch kranker Tiere) und gefährdeten Betrieben (bestandsspezifisch festzulegendes Impfregime) auf der Basis einer Risikoabwägung unverzichtbar. Mindestens ebenso wichtig sind jedoch strikte Maßnahmen, die das Einschleppen des Virus in Bestände verhindern. kämpfung in Deutschland. Besonders die Erfolgskontrolle ist wichtig. Deshalb muss stichprobenhaft das Blut von sechs bis zwölf Monate alten Tieren (vor evtl. Impfung) auf Antikörper untersucht werden. So können PI-Tiere schnell identifiziert werden. Insgesamt muss deutlich gemacht werden, dass ein sichtbarer Sanierungsfortschritt nicht zu einer vorzeitigen Lockerung des Bekämpfungsprogramms führen darf, damit Erfolge nicht wieder leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Ohrstanzprobe muss bleiben!Neu- ausbrüche führen mit einer zunehmenden Populationsempfänglichkeit zu weitaus größeren Schäden als in einer teilweise durchseuchten Population. Deshalb wird auch die Ohrstanzprobe für das Gesamtprogramm in absehbarer Zeit nicht überflüssig. Wohl aber kann man über veränderte Lösungen für Bundesländer nachdenken, die sich mit größeren Beständen auf einem guten Weg befinden (z. B. Sachsen, Sachsen-Anhalt). Die BVD-Freiheit ist noch nicht in Sicht und ist auch nicht das ausgewiesene Ziel des in der Verordnung festgeschriebenen aktuellen Bekämpfungskonzeptes. Zu berücksichtigen ist bei einer solchen Zielsetzung auch, dass die BVD auf EU-Ebene nicht übergreifend bekämpft wird, und wirksame Maßnahmen zum Schutz vor Viruseinschleppungen aus anderen Ländern schwierig durchzusetzen sind. Positiv ist aber, dass auch andere Länder in Europa begonnen haben, nationale Bekämpfungsprogramme durchzuführen bzw. in finaler Diskussion darüber sind. Im Übrigen hat die Bekämpfung auch in Ländern, die eine erfolgreiche BVD-Sanierung hinter sich haben, mehr als 10 Jahre gedauert. Schnell gelesen • Die Infektionskrankheit BVD führt zu hohen wirtschaftlichen Verlusten. • Seit 2011 ist die Bekämpfung der Tierseuche in einer Bundesverordnung geregelt. • Die Zahl der persistent infizierten Tiere nimmt ab. Es gibt aber immer wieder teils massive Neuausbrüche. • Virus-Ausscheider müssen schneller eliminiert werden. • Rinderhaltern drohen schärfere Hygiene- und Handelsvorschriften.