Psychoanalyse G laub e Politik Diese Tagung ist als Vorbereitung gedacht für einen Kongress, der vom 10. Bis 12. November 2017 in Zürich stattfindet und in grösserem Rahmen den Stand von Aufklärung und Glaube in Psychoanalyse und Politik zum Thema hat. Dabei ist klar, dass wir hierfür über den engen psychoanalytischen Rahmen hinaus mit Wissenschaftlern unterschiedlicher Provenienz, mit Künstlern und anderen den Austausch suchen. Das aktuell herausgeforderte, »unvollendbare« Projekt von Aufklärung und Demokratie braucht immer wieder »endliche Umschreibungen«. So wollen wir uns mit dem Thema »Psychoanalyse, Glaube, Politik« beschäftigen. Dabei haben wir Begriffe wie Glaube, Unterwerfung, Autoritätshörigkeit, Namen des Vaters, Genießen, Gewalt, das Heilige, Tabu und Ritual herausgegriffen, die wir an einer Vorbereitungstagung anhand kurzer Inputreferate diskutieren wollen. Folgende Schwerpunkte sind bislang angedacht: • • • • • • Teilnahmegebühr: SFR 70 bei Bezahlung bis 31. März, danach SFR 120 inkl. Kaffee, Gipfeli und Sandwich/Getränke am Samstag (ohne Abendessen am Freitag) Die postfaktische Welt: zur Politik des blinden Glaubens. Abdankung der »diensthabenden« klinischen Struktur der Neurose (KJP, RW) Übertragungsorte: Kanalisation der Übertragung. Kirche und SocialMedia. Politiken des Glaubens (KJP) Der Durst nach Unterwerfung und das Problem des Autoritätsverfalls (ES) Das Ding der Religion. Die Namen-des-Vaters (MW) Der gläubige Aufgeklärte: Zum Glauben in der Psychoanalyse (RW) Angaben für Einzahlungen: PostFinance, zugunsten Psychoanalytisches Seminar Zürich, PSZ, 8005 Zürich IBAN CH04 0900 0000 6073 3657 1 Anmeldung: [email protected] Teilen Sie uns bei der Anmeldung doch mit, ob Sie am Abend-essen in der Nähe des Tagungsortes teilnehmen wollen. I Tagungsprogramm MIT BEITRÄGEN VON Die Tagung ist so konzipiert, dass wir die einzelnen Themen (Gott/Vater, Glaube, Gesetz, Unterwerfung, Psychoanalyse, Politik) nicht als Einheit in einem Block abhandeln, sondern einzeln in jedem Block wieder neu aufeinandertreffen lassen wollen. Die Referate sind als Denkanregungen konzipiert mit direkt anschliessender Diskussion sowie Überlegungen zum »Zwischenstand«. Dies wird dann hoffentlich am Ende der Tagung dazu führen, dass die Ausrichtung unseres Kongresses im November 2017 in Zürich mehr Kontur erhält. Prof. Dr. Felix Ensslin (Professor für Kunstvermittlung und Ästhetik, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart) | Dr. med. Christian Kläui (Psychiater, Psychoanalytiker und Supervisor in Basel) | Peter Passett (Psychoanalytiker, Zürich) | P. Dr. Christian M. Rutishauser SJ (Provinzial der Schweizer Jesuiten, Zürich) | Lic. phil. Regula Schindler (Psychoanalytikerin, Zürich) | Michael Seemann (Blog CTRL-Verlust, mspr0.de, Lehre: Universität zu Köln, UdK Berlin) | Dr. phil. Martin Treml (Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin, Religionswissenschaftler/Judaist) Freitag, 21.04.17 Samstag, 22.04.17 17.30 Türöffnung 09.30 Kaffee und Gipfel 18.00 Begrüssung 10.00 – 11.30 3. Block 18.30 – 20.00 1. Block Karl-Josef Pazzini: Übertragung und Glaube Christian M. Rutishauser: Mystik und Fundamentalismus: Rückkehr der Religionen? Felix Ensslin: Vom Ende der Lebensformen: Pasolinis Salò und Benjamins Kapitalismus als Religion Michael Seemann: Das Regime der demokratischen Wahrheit – Wie alternative Realitäten generiert werden Regula Schindler: »Die Stabilität der Religion ergibt sich daraus, dass der Sinn immer religiös ist« Mai Wegener: Das Brüllen Gottes 11.45 – 13.15 4. Block 20.15 – 21.45 2. Block Edith Seifert: Autoritätsverfall vs. Unterwerfungslust Martin Treml: Gottesgehorsam und Sohnesopfer in Judentum, Christentum, Islam Rony Weissberg: Vater-/Mutter-Sehnsucht, Aufklärung und das Elend mit dem Tod Gottes. Peter Passett: Glaube jenseits von religiöser Konfession und populistischer Verführung Anschliessend: Überlegungen zum »Stand der Dinge« 13.30 – 14.45 Mittagspause (Sandwhich und Getränke) Anschliessend: Überlegungen zum »Stand der Dinge« 15.00 – 16.00 5. Block 22.00 Abendessen in der Nähe des PSZ Christian Kläui: Die Rückkehr der lebenden Väter André Michels: Zur Aktualität von Abrahams »Verzicht« 16.00 – 17.30 Ausblick auf den Kongress im November 2017 II 17.30 Schluss Abstracts Felix Ensslin VOM ENDE DER LEBENSFORMEN: PASOLINIS SALÒ UND BENJAMINS KAPITALISMUS ALS RELIGION André Michels ZUR AKTUALITÄT VON ABRAHAMS »VERZICHT« In meinem Beitrag möchte ich auf die Akedat Itz’hak eingehen, auf das Spezifische einer Bindung aufgrund einer Dreierbeziehung zwischen Abraham, Itz’hak und Opfer. Ausgehend von Lacan werde ich auf die jüdischen Kommentare zurückzukommen und nach der Aktualität von Abrahams »Verzicht« fragen. Des Weiteren beschäftigen mich die Fragen: In welchem Verhältnis steht die Abraham-Figur bei Lacan zur MosesFigur bei Freud? Wie ist Lacans Kritik an Freuds Religionskritik zu verstehen? Pasolinis filmisches Vermächtnis wird in seiner nüchternen und ernüchternden Analyse der aufkommenden Kultur dessen, was man nur um den Preis der Verkürzung »Konsumkapitalismus« nennen kann, oft verkannt. Um die kaum zu ertragenden poetische Behauptung im Herzen des Filmes abzuwehren, nämlich die dort aufgezeigten Verhältnisse wären gleichsam eine Dokumentation der Verhältnisse in eben jenem »Konsumkapitalismus«, wird der Film entweder als Menetekel des kurz darauf sich ereignenden Mordes an Pasolini verstanden oder unter Abstraktion des tatsächlich in ihm Gezeigten und Ritualisierten unmittelbar als Mahnung zur Menschlichkeit im Allgemeinen. Benjamins kurze Notiz über den Kapitalismus als Religion ist immer wieder Gegenstand von Interpretationen geworden, allerdings wurde dabei der Aspekt der »Religion« meistens eher ebenso allgemein und abstrakt verstanden und weniger als Hinweis auf die Idee einer nur in Konkretion und praktischer Hinsicht darstellbaren Vorstellung. Ich möchte in kurzer, thesenhafter Form versuchen, beides, den Film und die schriftliche Notiz, als ein Forschungsprogramm zu lesen, in dem es darum geht, was passiert, wenn die Möglichkeit einer sich immanent transzendierenden Lebensform jenseits der »realen Abstraktion unter das Kapital« geschichtlich tatsächlich verworfen wird; d.h. also nur noch im Realen wiederkehren kann, ohne tatsächlich symbolische Wirksamkeit zu entfalten. Peter Passett GLAUBE JENSEITS VON RELIGIÖSER KONFESSION UND POPULISTISCHER VERFÜHRUNG Jenseits der aktuellen Problematik von Glauben, welche v. a. die Glaubwürdigkeit populistischer Politiker und die wiedererstarkte Position religiöser Bekenntnisse in der Weltpolitik betrifft, ist daran zu erinnern, dass ganz grundsätzlich der Glaube jedes noch so gut rational abgestützte Urteil als der entscheidende Akt des Für-Wahr-Haltens erst gültig macht. Nicht nur der absurde Glaube der von Populisten verführten Massen und religiöser Gemeinschaften ist reflexionsbedürftig, sondern auch unser eigener Glaube an das, was uns unproblematisch erscheint, z.B. an die Psychoanalyse und ihre Glaubenssätze (Schibboleth). Wir wären dann vielleicht vorsichtiger, psychoanalytische Konzepte vorschnell aufklärungsbedürftigen Phänomenen überzustülpen und könnten die Reflexion unserer eigenen, unerkannten Glaubensakte zum Ausgangspunkt für eine adäquate Kritik der politisch-gesellschaftlichen Phänomene machen. Christian Kläui DIE RÜCKKEHR DER LEBENDEN VÄTER Was als Gesetz und Gott über den einzelnen Menschen steht und Allgemeingültigkeit und Bindung unter ihnen garantiert, hat bei Freud und bei Lacan einen besonderen Bezug zu Funktion und Platz des Vaters. Bei Freud ist es als toter, bei Lacan als symbolischer Vater gedacht. Ich werde die Hypothese vortragen, dass in parastaatlich agierenden Grosskonzernen und in unguter Allianz damit in reaktionären, führerzentrierten Parteien eine Rückkehr lebender Väter an Stelle des Freudschen toten Vaters zu beobachten ist und dass damit eine Verschiebung im Verhältnis von Recht und Geniessen einhergeht. Karl-Josef Pazzini ÜBERTRAGUNG UND GLAUBE »Sie (Pater Beirnaert, kjp) haben einmal gesagt, fides sei das, was für Sie am besten das Sprechen übersetze.« (Lacan Sem 2, 359) fides lat.: Vertrauen, Glaube, Kredit, Versprechen, Wort. – »Das Subjekt hat die Artikulation selbst in der Hand, wodurch die Wahrheit, die es herausfindet, nicht zu trennen ist von dem Tun selbst, das davon zeugt.« (Lacan Sem 2, 367) Die Artikulation geht mit einem Tun einher, das Zeugnis gibt. – Pragmatisch braucht es dafür Medien. Diese werden durch Übertragung geschaffen und umgekehrt Kanäle der Übertragung. Politisch und gesellschaftlich III braucht es Aufführungsorte und Kanäle, um fides wahrscheinlich zu machen. Es war einmal die Kirche, es sind die social media. – Dazu eine Andeutung aus der Kunst: Conversion. Recycle Group (Collateral Event of the 56th International Art Exhibition 2015 – la Biennale di Venezia. Saint Antonin Church). die Behauptung im Seminar Le sinthome, dass ein Subjekt ohne Vater-Symptom der paranoischen Psychose preisgegeben sei, das Subjekt mit Vater-Symptom bloß der allgemeinen (commune) Paranoia. Michael Seemann DAS REGIME DER DEMOKRATISCHEN WAHRHEIT – WIE ALTERNATIVE REALITÄTEN GENERIERT WERDEN Dr. Christian M. Rutishauser SJ MYSTIK UND FUNDAMENTALISMUS: RÜCKKEHR DER RELIGION? In der Postmoderne versuchten uns die Philosophen aufzuzeigen, wie sozial konstruiert und somit auch fragil unsere Vorstellungen von Wahrheit sind. Heute denken wir uns: So fühlt sich das also an. Wir spüren, wie uns die Gewissheiten wie Sand durch die Finger rieseln. Wir erleben einen epistemologischen Kontrollverlust. Und tatsächlich sind es soziale Formationen, die diesen Kontrollverlust vorantreiben. Ich habe mich einige Zeit mit der amerikanischen Alt-Right-Bewegung befasst und untersucht, wie sie alternative Realitäten produzieren. Darüber wird zu sprechen sein. Säkularisierung kann als Ausdifferenzierungsprozess verstanden werden. Dabei wird Religion einerseits privatisiert und transformiert ihre Erscheinungsform in Spiritualität und Mystik. Andererseits wird sie aus dem öffentlichen Raum verdrängt und kehrt in der Zerrform von Fundamentalismus zurück. Die »Rückkehr der Religionen« verweist nicht in die Vormoderne, sondern ist als die Folge der Säkularisierung zu verstehen. Martin Treml GOTTESGEHORSAM UND SOHNESOPFER IN JUDENTUM, CHRISTENTUM, ISLAM Edith Seifert AUTORITÄTSVERFALL VS. UNTERWERFUNGSLUST Die biblische Geschichte der Gehorsamsprüfung in Genesis 22 spielt in den drei westlichen Religionen eine wichtige, jedoch jeweils anders akzentuierte Rolle, die auch Auskunft darüber gibt, wie sich die jeweilige Religion zu ihrer Vorlage verhält: ob als Kommentar (Judentum), Supplement (Christentum) oder Palimpsest (Islam). Dieses Verhältnis wird dann nicht nur als beliebige Text-, sondern auch als grundlegende religionskulturelle Praktik verstanden, aus der sich auch die (vorherrschende) Triebstruktur der jeweiligen Religion ableiten lässt. Vor dem Hintergrund des fortgeschrittenen Autoritätsverfalls möchte ich der Frage nachgehen, wie sich Unterwerfung – als ein Aspekt des Glaubens – begründet und inwiefern sie, allen kulturell-historischen Abwertungen und Manipulationen zum Trotz, als notwendiges Attribut von (symbolischer) Ordnung anzusehen ist. Mai Wegener DAS BRÜLLEN GOTTES Anhand von Lacans Interpretation des Abraham Opfers werde ich zur Figur des Vaters und ihrer Aufspaltung bei Lacan sprechen. Mich interessiert, wie in diesem Text der religiösen Überlieferung die Frage des Begehrens auftaucht, gemeinsam mit der Gewalt. Regula Schindler »DIE STABILITÄT DER RELIGION ERGIBT SICH DARAUS, DASS DER SINN IMMER RELIGIÖS IST« Rony Weissberg VATER-/MUTTER-SEHNSUCHT, AUFKLÄRUNG UND DAS ELEND MIT DEM TOD GOTTES Dieser Satz aus der »Lettre de la dissolution«, 05.01.1980, folgt auf die Bemerkung, dass die Kirche, die »wahre«, den Marxismus unterstütze über die Auffrischung (sang nouveau) eines neuen Sinns. Warum nicht die Psychoanalyse, wenn sie »zum Sinn dreht«? Das sei keine Persiflage – und der Grund dafür, dass er, Lacan, in seiner Arbeit an den Mathemen perseveriere (pèresévère). Die westliche »Werte-Gemeinschaft« hält sich für a-religiös. Was bringt uns hier und jetzt die Setzung und Entwicklung des/ der Namen-des-Vaters? Diskutieren möchte ich insbesondere IV Ausgangspunkt bildet die These, wonach es einen gemeinsamen infantilen Ursprung gibt der Hinwendung an Gott und an einen Analytiker. Worin aber liegt die Differenz des Glaubens, des Aufsuchens dieser beiden? Und was heißt diese Differenz in Bezug auf das Verhältnis des Subjekts zu sich, zum Anderen und zur Gewalt?