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MICHAEL KLÖCKER | UDO TWORUSCHKA (HG.) HANDBUCH DER RELIGIONEN SC
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Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutschsprachigen Raum Ausgabe: 21
Thema: IX | Neuere religiöse Bewegungen
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Titel: Freimaurer (33 S.)
Produkthinweis Der vorliegende Beitrag ist Teil des Standardwerkes »Handbuch der Religionen« der Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG*. * Ausgaben 1997 bis 2015 erschienen bei OLZOG Verlag GmbH, München Das »Handbuch der Religionen« ist ein in Anspruch und Umfang einzigartiges, wissen‐
schaftlich fundiertes Nachschlagewerk über orthodoxe, römisch-katholische und reformatorische Kirche/n, weitere transkonfessionelle Bewegungen, ökumenische Bestrebungen, Christliche Glaubensgemeinschaften außerhalb der Großkirchen, Judentum, Islam, aus dem Islam hervorgegangene Gemeinschaften (z.B. Ahmadiyya, Aleviten), weitere kleinere Religionen (z.B. Yezidi, Mandäer), Buddhismus, asiatische bzw. von Asien ausgehende Gruppen, neue Bewegungen (z.B. Fiat Lux, Scientology u.a.), Sikhismus, Jainismus, ethnische Religionen (z.B. Neugermanische Gruppierungen, Wicca u.a.) sowie über Ethik und das Verhältnis von Religion/en zu Kunst, Politik, Medien oder Psychologie. Erarbeitet von einem Team kompetenter Experten aus namhaften Herausgebern, Fachgebietsleitern und mittlerweile über 200 Autoren bietet es Ihnen wissenschaftlich fundiertes Orientierungswissen über Geschichte, religiöse Kernaussagen und Autoritäten, Organisationen und Verbreitung, Glaubenspraxis, das Verhältnis zum Staat und zu anderen Religionen sowie kontinuierliche Informationen zu neuen Entwicklungen, wichtigen Persönlichkeiten, Literatur und Kontaktadressen.  Informationen zum Bezug der mehrbändigen Gesamtausgabe finden Sie hier. (Diesen) Beitrag als Download bestellen  Klicken Sie auf die Schaltfläche Dokument bestellen am oberen Seitenrand.  Alternativ finden Sie eine Volltextsuche unter www.edidact.de/hdr-online. Nutzungsbedingungen Die Materialien dürfen nur persönlich für Ihre eigenen Zwecke genutzt und nicht an Dritte weitergegeben bzw. Dritten zugänglich gemacht werden. Sie sind berechtig, für Ihren eigenen Bedarf Fotokopien zu ziehen bzw. Ausdrucke zu erstellen. Jede gewerbliche Weitergabe oder Veröffentlichung der Materialien  auch auszugsweise  ist unzulässig. Die vollständigen Nutzungsbedingungen finden Sie hier. Haben Sie noch Fragen? Gerne hilft Ihnen unser Kundenservice weiter: Kontaktformular   Mail: [email protected]  Post: Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG E.-C.-Baumann-Straße 5 | 95326 Kulmbach  Tel.: +49 (0)9221 / 949-204   Fax: +49 (0)9221 / 949-377 www.edidact.de | www.mgo-fachverlage.de Handbuch der Religionen www.edidact.de/Suche/index.htm?category=102578&q=D84540211
eDidact - Handbuch der Religionen
IX - 20
DIE FREIMAURER
IX - 20 Die Freimaurer
VON HANS-HERMANN HÖHMANN
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Entstehung und Entwicklung der Freimaurerei
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Freimaurerei (Lehnübersetzung von englisch freemasonry) ist ein weltweiter
symbolischer Freundschaftsbund. Freimaurerei stellt aber auch eine spezifische
kulturelle Methode oder Praxis dar, denn sie verstand sich von Anfang an als
eine auf moralische Einübung angelegte Art und Weise der Lebensführung.
„Freemasonry is a peculiar system of morality, veiled in allegory, and illustrated by symbols“1, lautet eine viel zitierte Definition der englischen Freimaurer,
und für die deutsche Freimaurerei wurde der Bund kürzlich so beschrieben:
„Freimaurerei versteht sich als eine Lebenskunst, die menschliches Miteinander und ethische Lebensorientierung durch Symbole und rituelle Handlungen
in der Gemeinschaft der Loge darstellbar, erlebbar und erlernbar macht.“2
Der Freimaurerbund ist ein Produkt der Moderne. Er entstand – Entwicklungsanstöße und Strukturmaterial aus der älteren Geschichte aufnehmend –
zu Beginn des 18. Jahrhunderts und blickt inzwischen auf eine Entwicklung
von fast 300 Jahren zurück. Die Vorgeschichte des Bundes beginnt mit den
mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Steinmetzbruderschaften und deren
Bauhütten, aus denen sich am Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts fast explosionsartig die modernen Freimaurerlogen entwickelten. Die
Einzelheiten dieser „großen Transformation“ von den Bauhütten zu den Logen
der „Gentleman Masons“ liegen immer noch im Dunkel der Geschichte und
sind Gegenstand wissenschaftlicher Hypothesen sowie vielfältiger Spekulationen. Fest steht jedoch, dass die Symbole und Rituale der Freimaurer, die bis
auf den heutigen Tag in den Logen zur Anwendung kommen, vor allem den
Formen- und Ideenwelten der europäischen Bautradition, ihren organisatorischen Zusammenschlüssen, ihren Legenden (Salomonischer Tempelbau, Quatuor Coronati, Baumeister Hiram) sowie den Verfahren der Bauhütten, sich gegenseitig als Maurer zu erkennen, entstammen und damit insgesamt der Vorgeschichte der Freimaurerei angehören. Dabei sind neben den englischen vor
allem die schottischen Traditionen von besonderer Bedeutung gewesen.3
Die bestimmenden Faktoren für die dynamische Entwicklung der modernen
Freimaurerei in den ersten Jahrzehnten nach ihrer Begründung lassen sich mit
den Stichworten „historische Erinnerung“ und „gesellschaftlicher Wandel“ umschreiben. „Historische Erinnerung“ bedeutet Erinnerung an die europäischen
Klöcker/Tworuschka: Handbuch der Religionen 21. EL 2009
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Religion, Handbuch, Nachschlagewerk, Hintergrundwissen, Religionsforschung, Christentum, Islam u.v.m.
(c) Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG
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Religionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts, die zu einem hohen Toleranzbedarf und zur Sehnsucht nach gesellschaftlichen Brückenschlägen zwischen den
religiös zerstrittenen Parteien geführt hatten. „Gesellschaftlicher Wandel“ meint
zunächst den vieldimensionalen Prozess der Säkularisierung, Individualisierung
und Autonomisierung, der im 18. Jh. mit Macht einsetzte. Dieser Wandel der
Sinnstrukturen und Weltdeutungen ging mit tief greifenden Veränderungen der
sozialen und ökonomischen Verhältnisse einher. Die zunehmende standesmäßige und berufliche Differenzierung der Gesellschaft, die sozio-politischen Funktionsverlagerungen auch beim Adel, das allmähliche Entstehen von Bürgertum
und modernen kapitalistischen Wirtschaftsformen, das erhöhte Bildungsangebot, die Urbanisierung und die – unter dem Vorzeichen des europäischen Kolonialismus – sich auch international, ja interkontinental verstärkende räumliche
Mobilität, all das führte dazu, dass Menschen aus ihren traditionellen Bindungen und sozialen Verankerungen gelöst wurden und auch in der Wahrnehmung
ihres eigenen Selbst über Generationen hinweg praktizierte Deutungsmuster
ablegen mussten. Diese Veränderungen führten nicht nur zu Verunsicherungen,
ja Krisen. Sie ließen auch eine ausgeprägte Neigung entstehen, neue Einstellungs-, Bindungs- und Verhaltensoptionen aufzuspüren und zu nutzen. Es entwickelte sich eine Nachfrage nach neuen Formen von gesellschaftlichen Vernetzungen – modern ausgedrückt nach neuen Formen von „sozialem Kapital“ –,
und so wurde das 18. Jh. zur Epoche der Assoziationsbildung und Geselligkeit.
Die Freimaurerei erwies sich offensichtlich als eine besonders attraktive Form
neuer gesellschaftlicher Einbindung. Dies resultierte ebenso aus der breiten
Nutzbarkeit des Bundes für die Befriedigung vieler sozialer, weltanschaulicher, religiöser und politischer Bedürfnisse wie aus der Möglichkeit, die Logen und Logensysteme durch Veränderungen weiter zu entwickeln und an
konkrete Bedürfnisse anzupassen. Es waren vor allem drei Funktionen, welche
die Freimaurerei rasch zu einer gesamteuropäischen sozialen und kulturellen
Bewegung werden ließen:
• die soziale Funktion, Menschen über Standesgrenzen hinweg als „bloße
Menschen“ (Lessing), als Mitmenschen, als Menschenbrüder zusammenzuführen;
• die ideell-geistesgeschichtliche Funktion, Menschen dazu aufzufordern, sich
der eigenen Vernunft zu bedienen und sich am autonomen Gewissen zu orientieren, und
• die religiöse Funktion, Menschen durch ein neues, aber auf alten Wurzeln
beruhendes Symbolsystem eine optimistisch-positive Einstellung zu sich
selbst, zum Kosmos und zur Transzendenz zu vermitteln.
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Olzog Verlag, 81373 München
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IX - 20
DIE FREIMAURER
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Stichtag für den Übergang von der Vorgeschichte zur Geschichte der Freimaurerei ist der 24. Juni 1717, als sich vier Londoner Logen zur ersten Großloge der Welt zusammenschlossen. Diese Großloge gab sich 1723 ihre erste
Verfassung, die nach ihrem Verfasser, dem aus Schottland stammenden presbyterianischen Geistlichen James Anderson, die „Andersonschen Konstitutionen“ genannt werden und in Deutschland als die „Alten Pflichten“ bekannt
und richtungsweisend geworden sind.
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Programmatisch ist vor allem die erste dieser Pflichten mit der Überschrift:
„Von Gott und der Religion“:4
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„Der Maurer ist als Maurer verpflichtet, dem Sittengesetz zu gehorchen; und
wenn er die Kunst recht versteht, wird er weder ein engstirniger Gottesleugner, noch ein bindungsloser Freigeist sein. In alten Zeiten waren die Maurer in
jedem Land zwar verpflichtet, der Religion anzugehören, die in ihrem Lande
oder Volke galt, heute jedoch hält man es für ratsamer, sie nur zu der Religion
zu verpflichten, in der alle Menschen übereinstimmen, und jedem seine besonderen Überzeugungen selbst zu belassen. Sie sollen also gute und redliche
Männer sein, Männer von Ehre und Anstand, ohne Rücksicht auf ihr Bekenntnis oder darauf, welche Überzeugungen sie sonst vertreten mögen. So wird die
Freimaurerei zu einer Stätte der Einigung und zu einem Mittel, wahre Freundschaft unter Menschen zu stiften, die einander sonst ständig fremd geblieben
wären.“
Die „Alten Pflichten“ enthalten tatsächlich die bis in die Gegenwart gültigen
Grundlagen der Freimaurerei: Die moralische Verpflichtung des Maurers, den
von ihm geforderten Habitus von Ehre und Anstand, den Verzicht auf trennende religiöse Festlegungen und die Praxis der Toleranz als Grundlage von Einigkeit und Freundschaft.
Nach der Gründung der Londoner Großloge erfolgte eine stürmische Entwicklung der Freimaurerei. In England, Schottland und Irland – als den Heimatländern der modernen Freimaurerei – wuchs die Zahl der Logen bis zum
Ende des 18. Jahrhunderts auf über 1000 an. Schnell griff die Freimaurerei auf
die überseeischen Gebiete Großbritanniens über, insbesondere auf die amerikanischen Kolonien, die späteren Vereinigten Staaten, die unter Mitwirkung
zahlreicher Freimaurer gegründet wurden. Auch auf dem europäischen Kontinent fasste die Freimaurerei rasch Fuß, wobei die französische Freimaurerei in
der weiteren masonischen Geschichte eine besondere Rolle spielen sollte.
Klöcker/Tworuschka: Handbuch der Religionen 21. EL 2009
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Die erste Loge in Deutschland entstand 1737 in Hamburg (Loge d’Hambourg,
heute „Absalom zu den drei Nesseln“). Bald folgten Logengründungen in
Dresden, Berlin, Bayreuth und Leipzig. Der preußische Kronprinz Friedrich
(der spätere Friedrich der Große) wurde bereits 1738 in die Freimaurerei aufgenommen. Die quantitative Dynamik der deutschen Freimaurerei war bis in
die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein beträchtlich. In Deutschland, im
„alten Reich“, wurden in den ersten 50 Jahren der Existenz von Logen, d.h.
von 1737 bis 1787, rd. 400 Logen mit ca. 25.000 Mitgliederaufnahmen gegründet. Zu einer weiteren Gründungswelle kam es im (neuen) Deutschen
Reich nach 1871. Diese Welle hielt bis in die Weimarer Republik an. So entstanden zwischen 1871 und 1925 weitere 300 Logen, und die Zahl der Mitglieder aller deutschen Logen erreichte Mitte der 1920er Jahre ihren Höchststand mit über 80.000. Das deutsche Großlogensystem war dabei stark zersplittert. 1933 – vor dem Verbot in der NS-Zeit – bestanden in Deutschland
11 Großlogen, von denen allerdings zwei – der Freimaurerbund zur Aufgehenden Sonne und die Symbolische Großloge von Deutschland – von den anderen nicht als regulär anerkannt wurden.5
Freimaurerei und Freimaurereien: Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Die Geschichte der Freimaurerei ist immer auch die Geschichte ihrer Veränderung und Differenzierung gewesen, die sich teilweise „von unten“, aus den
Logen heraus, evolutionär und allmählich, nach Orten und Systemen unterschiedlich vollzogen, teilweise aber auch historisch gebündelt, im Kontext gesellschaftlich-politischer Veränderungen, in Schüben größerer und kleinerer
Reformen erfolgten. In Deutschland kam es vor allem in der Mitte und im späten 18. sowie an der Wende zum 19. Jh. zu bedeutenden Veränderungsprozessen, als nach dem Zusammenbruch der Strikten Observanz, einem Freimaurerritterorden, der sich auf den Templerorden zurückführte, epochengleich mit
Johann Wilhelm Zinnendorf, Ignaz Aurelius Feßler und Friedrich Ludwig
Schröder Reformer wirkten, die für die weitere Entwicklung der deutschen
Freimaurerei prägend geblieben sind. Reformen erfolgten auch in den ersten
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, als Reformgroßlogen (Freimaurerbund zur
aufgehenden Sonne und Symbolische Großloge) entstanden, und schließlich
auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als durch (und während der
Großmeisterschaft von) Theodor Vogel und Hans Gemünd eine neue Struktur
zumindest der humanitären Freimaurerei in Deutschland geschaffen wurde.
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