Kurzstellungnahmen zur Bayerischen Nachhaltigkeitsstrategie zu den Kapiteln Nachhaltige Wirtschaft und nachhaltiger Konsum Ernst Friedrich Schuhmacher Gesellschaft für politische Ökologie, e.V.; Dr. Ulrich Mössner Nachhaltige Wirtschaft Die theoretische Einführung klingt gut, und auch viele der vorgeschlagenen Maßnahmen gehen in die richtige Richtung. Dennoch ist in drei Bereichen grundsätzliche Kritik angebracht: Zwar ist im Text viel von qualitativem Wachstum und ressourcenschonendem Wirtschaften die Rede, doch wird dies konterkariert durch die sich durchziehende Zielvorgabe, Bayern müsse seine Position als „Wachstumsspitzenreiter“ ausbauen. Die Prognose von „Prognos“ mit ca. 1,2% Wachstum p.a. für das nächste Jahrzehnt wird als nicht ausreichend angesehen und soll auf jeden Fall überboten werden.. Und dies ist eben materielles und exponentielles Wachstum. Für eine wirklich nachhaltige Wirtschaftspolitik müsste klare Zielvorgabe sein, künftig nur noch nachhaltiges Wachstum anzustreben, das ohne zusätzliche Emissionen und sonstigen Umweltverbrauch auskommt. Die dargestellten Maßnahmen für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik gehen vom „Leitbild Soziale Marktwirtschaft“ aus, als ob unsere Wirtschaft aktuell noch nach diesem Leitbild funktioniere. Es ist doch aber offenkundig, dass wir in Deutschland – wie in fast der ganzen Welt - seit mindestens zwei Jahrzehnten nach dem Leitbild der Neoliberalen Wirtschaft agieren: Mit Wachstum “auf Pump“ (Ursache für die Schuldenberge in Deutschland und anderswo), Deregulierung der Märkte (insbesondere der Finanzmärkte, was die Welt in die Finanz- und Wirtschaftskrise gestürzt hat), ungebremstes Größenwachstum von Konzernen, (was zu Oligopol-Bildungen auf fast allen Märkte führt), Shareholder Value mit kurzfristiger Gewinnmaximierung Wirtschaftens), und exorbitanten steigendem Boni (das Ressourcenverbrauch exakte und Gegenteil einer extrem nachhaltigen steigenden Einkommens- und Vermögensschere (seit 1995 Stagnation der Reallöhne bei gleichzeitiger Explosion der Manager- und Bankergehälter und der Finanzeinkommen). Dies alles hat mit der ordo-liberalen Sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards nahezu nichts mehr zu tun - und mit nachhaltiger Wirtschaftspolitik schon gar nicht. Eine nachhaltige Marktwirtschaft braucht klare soziale und ökologische Leitplanken und Spielregeln, die in der neoliberalen Ägide weitgehend erodiert sind. Diese Leitplanken und Spielregeln einzuziehen, das wäre die politische Gestaltungsaufgabe einer Nachhaltigkeitsstrategie. Aber davon ist auch bei den folgenden „Schwerpunkten“ leider wenig zu finden. Um seiner Verantwortung hinsichtlich nachhaltigem Konsum nachkommen zu können, braucht der Verbraucher mehr und bessere Informationen über Produkte und Herstellerfirmen. Der Freistaat sollte sich in diesem Zusammenhang sowohl in Bayern – als auch über die Verbraucherschutz-Ministerin Aigner im Bund - dafür einsetzen, dass die Produktkennzeichnungspflicht verbessert wird, bzgl. Inhaltstoffen, Schadstoffgehalt, Gentechnik, Massentierhaltung, Bio-Landwirtschaft, CO2- bzw. Energieverbrauch etc..Die Politik könnte auch dafür Sorge tragen, dass Verbraucher mehr und leichter Informationen bekommen über die Hersteller, deren Produktionsweise und den sozialen Standards in den Werken (gerade bei ausländischer Produktion/ solche Standards gibt es bei der UNO). Entweder sollten die Produzenten angehalten werden, diese Informationen regelmäßig zu veröffentlichen, oder es müssten Institute (wie test o. dgl.) unterstützt werden, auch solche Informationen zu recherchieren. Damit der Verbraucher wirklich autonome Entscheidungen treffen kann, müsste auch über eine sinnvolle Begrenzung und Umsteuerung der Werbung nachgedacht werden. Mehr Produktinformation (im obigen Sinne), weniger Beeinflussung, Verbot von Werbung, die sich an Kinder wendet. Ist es zu verantworten, dass z.B. Pharmafirmen mehr Geld für Werbung (inkl. Ärzte-Kongresse in Davos und anderen schönen Orten) ausgeben als für Forschung und Entwicklung und wir dies zahlen durch unsere Krankenkassen-Beiträge? Notwendig ist auch eine Verbesserung der VerbraucherschutzBestimmungen, z.B. auch im Nahrungsmittel- und im Bankenbereich. Überall dort, wo der Verbraucher nicht in der Lage ist, die Schädlichkeit von Produkten selbst zu beurteilen. sowie: Nachhaltige Finanzpolitik Die hier dargestellten Ziele und Inhalte einer Nachhaltigen Finanzpolitik können auch von Nachhaltigkeits-Initiativen grundsätzlich unterstrichen werden. Bayern hat seit 2006 einen ausgeglichenen Haushalt (Ausnahme 2008 wegen dem Landesbank-Debakel) und die niedrigste Zinsausgabenquote und die höchste Investitionsquote unter den Bundesländern. Aus unserer Sicht gäbe es aber noch wesentliche Ergänzungen: 1. Angesichts der bereits angehäuften immensen Staatsschulden, insbesondere auf Bundesebene, reicht es für eine wirklich nachhaltige Finanzpolitik nicht aus, keine Nettoneuverschuldung mehr zu machen. Der Staat muss sich auch endlich daran machen, die Schuldenberge konsequent abzubauen, weil sie die künftigen Generationen bereits zu stark belasten und deren politische Gestaltung einengen. Darauf sollte die Bayrische Staatsregierung hinwirken und in Bayern mit gutem Beispiel vorangehen und dabei darauf achten, dass nicht bei jedem Aufschwung gleich wieder – leider meist Klientel-orientiert (vgl. Mehrwertsteuer-Absenkung für Hotels) – über Steuerentlastungen diskutiert wird. 2. Zu einer nachhaltigen Finanzpolitik gehört auch, dass die Zeit des billigen Geldes durch die Notenbank sobald als möglich beendet wird, ehe hiermit neue Finanzblasen und Inflationstendenzen generiert werden. Auch hierauf kann die Bayrische Staatsregierung nur hinwirken. 3. Direkt mitwirken kann sie jedoch bei der Gestaltung und Regulierung des Finanzsektors, der in die letzte Krise geführt hat. Hierbei hat auch die Bayrische Landesbank eine doppelt unrühmliche Rolle gespielt, durch Spekulation mit strukturierten amerikanischen Hypothekenpapieren und den Kauf der Kärntner Bank Hypo- Alpe-Adria. Beides hatte mit der eigentlichen Aufgabe einer Landesbank, nämlich der nachhaltigen Finanzierung der regionalen Wirtschaft, auch als Großdienstleister für die Sparkassen, nichts zu tun und hat den bayrischen Staat zudem Milliarden gekostet. Hier haben die bayrischen Finanzpolitiker im Aufsichtsrat der BLB grundlegend versagt. Aufgabe einer nachhaltigen Finanzpolitik wäre, dem künftig einen Riegel vorzuschieben, die Bankenstruktur in Bayern zu optimieren und für eine effiziente Bankenregulierung Sorge zu tragen. 4. Weitere Aufgabe einer nachhaltigen Finanzpolitik wäre – und zwar im Rahmen der o.g. Schuldenabbau-Politik – durch Prioritätensetzung die Gestaltung und solide Finanzierung einer nachhaltigen Entwicklung des Freistaats zu ermöglichen. Beispiele für solche nachhaltigen Erfolgspotentiale wären etwa Bildung und Forschung, Innovationen und innovative Unternehmen (vorwiegend mittelständische) sowie erneuerbare Energien. Dr. Ulrich Mössner