ORIGINALARBEIT ❚ H. M. Schaffner, N. Behneke, F. Müller, H. Scheller1 Klinische Untersuchungen zur Versorgung mit ProceraAllCeram-Kronen auf natürlichen Zähnen und Implantaten Vollkeramische ProceraAllCeram-Kronen weisen aufgrund ihres industriell gefertigten Hartkerns aus dicht gesinterter Aluminiumoxidkeramik eine hohe Festigkeit auf. Ziel dieser Studie war es, die klinische Gewebeverträglichkeit, die Zuverlässigkeit in der frühen Gebrauchsphase und die Ästhetik dieses Vollkeramiksystems auf natürlichen Zähnen und Implantaten im Front- und Seitenzahnbereich zu überprüfen. Insgesamt wurden 24 Patienten mit 38 ProceraAllCeram-Kronen konsekutiv in die Untersuchung aufgenommen, davon konnten 33 Kronen, 25 auf natürlichen Zähnen und acht auf Implantaten, nach sechs Monaten und einem Jahr Liegedauer nachuntersucht werden. Aufgrund der parodontalen Parameter ließ sich eine gute Gewebeverträglichkeit feststellen. Es kam zu keinen absoluten Misserfolgen, was die klinische Zuverlässigkeit der Festigkeit der Hartkernkappe und das Indikationsspektrum für Front- und Seitenzähne bestätigte. Die subjektive Bewertung von Patient und Zahnarzt bezogen auf Farbe, Form, mukogingivale Kontur und Ästhetik zeigte ein sehr gutes Ergebnis. Die Betrachtung der Randspalten mit Hilfe des konfokalen Laser-Scanning-Mikroskopes nach Herstellung einer Replik ließ keine Strukturmängel am Kronenrand erkennen. Schlüsselwörter: Einzelzahnkrone, Vollkeramik, Restauration, Aluminiumoxidkeramik, Ästhetik, ProceraAllCeram Clinical investigations of ProceraAllCeram restorations on natural teeth and implants. Full ceramic ProceraAllCeram crowns feature a high strength durability due to their industrially-manufactured hard core from aluminium-oxide ceramic. The aim of the present study was to investigate clinical tissue tolerance, reliability during early use and aesthetics of full-ceramic crowns on natural teeth and implants in both, anterior- and posterior teeth. A total of 38 ProceraAllCeram crowns were placed by one single operator in 24 patients. After 6 and 12 months 33 of these crowns, 25 on natural teeth and 8 on implants, were reexamined. Periodontal parameters revealed a favourable tissue tolerance of the ProceraAllCeram crowns in the initial year after insertion. No absolute failures occurred, which confirmed the clinical reliability with regard to the strength of the hard core cap from aluminium-oxide ceramic and the indication for both, front and side teeth. Subjective assessments from patient and operator in relation to colour, shape, muco-gingival contour and appearance yielded very good results. The investigation of the marginal gaps by means of a confocal laser-scan microscope following the construction of a replica-cast did not discern any shortcomings of the marginal structure. Keywords: Single tooth restoration, full ceramic restoration, aluminium-oxide ceramic, aesthetic, ProceraAllCeram 1 Poliklinik für Prothetik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Direktor: Univ.-Prof. Dr. H. Scheller) Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 59 (2004) 1 1 Einleitung Die Ansprüche unserer Patienten an einen ästhetisch gelungenen Zahnersatz insbesondere bei Frontzahnversorgungen des Oberkiefers sind deutlich gestiegen, was zur Folge hat, dass neben der Wiederherstellung der Funktion ein adäquates Ergebnis der dentalen und mukogingivalen Ästhetik im Vordergrund steht (Abb. 1a, b). Um die Lichtleitfähigkeit und Abbildung 1a Ausgangssituation mit Metallkeramikkronen auf 13, 12, 11, 21 Abbildung 1b ProceraAllCeram-Kronen auf 13, 12, 11, 21 und 22 Transluzenz natürlicher Zähne nachzuahmen, wurden in den letzten Jahren eine Vielzahl vollkeramischer Systeme entwickelt. Die geringe Tendenz zur Plaqueakkumulation an Vollkeramikversorgungen wirkt entzündlichen Veränderungen der marginalen Gingiva entgegen und kann daher zur parodontalen Gesundheit beitragen. Über die klinische Bewährung dieser neuen vollkeramischen Materialien zur Herstellung von Kronen und Brücken liegen im Vergleich zu herkömmlichen metallkeramischen Kronen nur wenig Langzeiterfahrungen vor. Das CAD/CAM-gefertigte Procera-Käppchen besteht zu 99,5 % aus reinem Aluminiumoxid. Im Drei-Punkt-Biegever- © Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 17 H. M. Schaffner et al.: ProceraAllCeram-Kronen such wird eine Biegefestigkeit von 601 MPa angegeben [2]. Im Test erfüllen Korngröße, Porosität und Reinheit des gesinterten Materials die Standard-ISO-Normen (Tab. 1) [12]. Eine Gerüststärke von 0,5 mm wird, auch in Bezug auf das Abdecken verfärbter Stümpfe [10], als klinisch ausreichend angegeben [1, 5, 19]. Die Passgenauigkeit mit mittleren Randspalten um 58 µm für Procera-Käppchen entspricht den klinischen Anforderungen für konventionelle Rekonstruktionen [9]. ProceraAllCeram-Kronen können auch auf konfektionierten oder individualisierten Implantatdistanzhülsen zementiert werden, was den Vorteil hat, dass keine dunklen Gewindezugänge verschlossen und kaschiert werden müssen (Abb. 2a, b). Zudem lassen sie eine ideale anatomische okklusale Gestaltung zu [20]. Ziel der Untersuchung war es, die Gewebeverträglichkeit, die Zufriedenheit von Patient und Behandler sowie die Randspaltbeschaffenheit der vollkeramischen ProceraAllCeram-Krone über einen Beobachtungszeitraum von 12 Monaten zu ermitteln. ISO 6474 Mindestvoraussetzung Procera® Gerüstkäppchen Dichtigkeit > 3,9 g/cm³ 3,94 g/cm³ Biegefestigkeit > 400 Mpa 601 Mpa Eigenschaft Korngröße Reinheit < 7 µm 4 µm > 99,5 % 99,9 % Tabelle 1 Physikalische Eigenschaften des Procera-Aluminiumoxid-Gerüstes 1. Veränderungen des parodontalen Attachments in Abhängigkeit von: – Lage und Sondierbarkeit des Kronenrandes – Plaqueakkumulation – Gesundheit der marginalen Gingiva 2. Erhalt der Vitalität mit Überprüfung auf: – Sensibilitätsverlust – auftretende Schmerzen – Perkussionsempfindlichkeit 3. Eintreten eines klinischen Misserfolges unterschieden in: – absolute Misserfolge (Verlust, Fraktur, Vitalitätsverlust, Karies, Abplatzung der Keramik mit Erneuerungsbedarf) – relative Misserfolge (dezementierte Kronen, Abplatzungen der Keramik ohne Erneuerungsbedarf) 4. Zufriedenheit des Patienten und des Behandlers bezogen auf: – Farbe der Krone – mukogingivale Kontur – Kronenform – ästhetische Gesamtwirkung 5. Beschaffenheit der Randspalte an Procera®AllCeram-Kronen – nach der Repliktechnik mit Hilfe eines konfokalen Laser Scanning Mikroskopes Tabelle 2 Untersuchungsparameter Abbildung 2a Regio 22 Frialit2-Implantat vor prothetischer Versorgung Abbildung 2b Regio 22 ProceraAllceram-Krone auf Frialit2-Implantat zementiert 2 Material und Methode Patientengut Es wurden 24 Patienten mit insgesamt 38 ProceraAllCeramKronen auf natürlichen Zähnen und Implantaten von einem Behandler im Zeitraum von November 1998 bis Mai 2001 versorgt und nachuntersucht. Das Durchschnittsalter der Patienten war 37 Jahre (± 16), dabei war der jüngste Patient 18 und der älteste Patient 70 Jahre alt. Vierzehn Patienten waren weiblich, zehn männlich. 18 Procera-Kronenpfeiler Zehn ProceraAllCeram-Kronen wurden bei neun Patienten unter Verwendung von Zinkoxid-Phosphatzement auf drei Brånemark-, zwei IMZ twin plus-, vier ITI- und einem Frialit2-Implantat zementiert und zum Zeitpunkt des Einfügens untersucht. Vier Implantate befanden sich in der Frontzahnregion, fünf in der Prämolarenregion und eines in der Molarenregion. 15 Patienten erhielten 28 Kronen auf natürlichen Zähnen, davon waren am Eingliederungstag zehn Zähne vital. Bei den wurzelkanalgefüllten Zähnen waren acht Cosmopost-stiftverankerte Stumpfaufbauten mit Empress-Aufbau, acht metallene CM-stiftverankerte Stumpfaufbauten, ein metallener CM-Stift mit opaquerbrand-verblendetem Aufbau und ein direkter geschraubter Zytco-Anker mit Solitaire-Komposit-Aufbau in situ. In der Gruppe der natürlichen Pfeilerzähne wurden auf 14 Frontzähnen einschließlich Eckzähnen, neun Prämolaren und fünf Molaren ProceraAllCeram-Kronen zementiert. Die klinischen Untersuchungsparameter wurden an den Procera-Pfeilern, am kontralateralen Kontrollzahn, dem Antagonisten und einem überkronten Kontrollzahn erhoben (Tab. 2). Studienprotokoll Alle Patienten stimmten freiwillig einer Teilnahme an der Studie zu. Vor Beginn der Behandlung stand eine professionelle Zahnreinigung mit anschließendem Airflow an den natürlichen Zähnen. Dies wurde an den Implantaten unterlassen, um die Titanoberfläche nicht zu beschädigen. Die Präparation einer ausgeprägten Hohlkehle erfolgte mit einem abgerundeten zylindrischen Diamantschleifer in einer Breite von ca. 0,8 mm. Der zu präparierende Zahn wurde okklusal bzw. inzisal 2 mm, vestibulär 1,5 mm und palatinal 0,7 mm reduziert, damit bei einer Gerüststärke von 0,5 mm ausreichend Platz für die Keramikverblendung geschaffen wurde. Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 59 (2004) 1 H. M. Schaffner et al.: ProceraAllCeram-Kronen In Abhängigkeit von der verbliebenen Stumpfhöhe wurde ein Präparationswinkel von 5° bis 15° eingehalten. Die Präparation erfolgte zunächst zur Schonung des marginalen Parodonts entlang des Verlaufs des Gingivalsaumes, nach ausreichendem vertikalem Substanzabtrag konnte die Präparationsgrenze 0,5 bis 1,0 mm nach subgingival verlagert und finiert werden. Der Sulkus des präparierten Stumpfes wurde mit Fäden (Racestyptine-Faden f, Septodont, Pharma-Dental) für die Abformung ca. 10 Minuten erweitert. Die Abformung wurde mit konfektioniertem Löffel mittels Polyether (Impregum, ESPE) in Monophasentechnik vorgenommen. Die Abformung der Implantate gelang systemabhängig mittels Pick-up-Technik mit perforierten individuellen Löffeln oder über eine Repositionsabformung mit konfektionierten Löffeln ebenfalls mit Polyether (Impregum) in Monophasentechnik. Die Farbauswahl im Seitenzahnbereich für den zweiten Prämolar, dem Sechs- und Zwölf-Jahr-Molar konnte vom Behandler am stehenden Patienten in Augenhöhe dicht am Fenster bei Tageslicht vorgenommen werden. Dabei fand der Farbring Vitapan 3D-Master Verwendung. Die Farbauswahl für Frontzähne und erste Prämolaren erfolgte zusätzlich in Abstimmung mit dem Zahntechniker. Die Anfertigung einer Skizze diente zur Dokumentation charakteristischer Eigenheiten in Farbe und Form sowie transluzenter und transparenter Areale. Alle Procera-Kronen wurden in nur einem zahntechnischen Labor gescannt, verblendet und fertiggestellt. Vor Eingliederung der Kronen erfolgte die Kontrolle der Ränder zunächst mit einer Häkchensonde. Anschließend wurde mit einer Silikonprobe mittels dünnfließendem C-Silikon (Xantopren L blau, Heraeus Kulzer) die Passung überprüft. Ein okklusales Kontrollieren und ggf. Anpassen der Kronen in Statik und Dynamik erfolgte unter Belassung des Xantopren-Käppchens. Die mit Zinkoxid-Phosphatzement (Harvard Cement) beschickte Vollkeramikkrone wurde mit allmählich steigendem manuellen Druck in ihre Endposition gebracht. Die klinischen Untersuchungen erfolgten zum Zeitpunkt des Einsetzens bzw. nach sechs und zwölf Monaten Liegedauer. Anlässlich der Kontrolltermine erfolgte eine professionelle Zahnreinigung und Mundhygieneinstruktionen. Repliken Drei Patienten waren bereit, sich im Rahmen dieser Studie innerhalb der einjährigen Liegedauer zur Abformung des vestibulären Kronenrandes zur Verfügung zu stellen. Zur Herstellung der Repliken wurde ein Zweikomponentenmaterial auf Polyurethanbasis (Mirapont, Hager&Werken) eingesetzt. Ein konfokales Laser Scanning-Mikroskop (CLSM) diente der feinmorphologischen Untersuchung der Übergangszone von der Procera-Krone zum Zahn anhand der gewonnen Replik (Abb. 3a, b). Nach Anfertigung einer Serie von Schnittbildern konnte zusätzlich eine dreidimensionale Darstellung des Untersuchungsobjektes erstellt werden. Der maximale Auflösungsbereich eines CLSM-Mikroskopes liegt etwa bei 100 nm [4]. Statistische Auswertung Die Ergebnisse für die einzelnen Untersuchungsparameter zu den Untersuchungsterminen wurden in Form von Grafiken unter Angabe von Mittelwert und Standardabweichung dargestellt. Eine statistische Überprüfung der Veränderung der Sondierungstiefen an den Pfeilern der Procera-Kronen erfolgte mit dem Wilcoxon-Test für verbundene Stichproben. Dazu wurde nur eine Krone pro Patient gewertet und der p-Wert ≤ 0,05 als statistisch auffällig angesehen. Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 59 (2004) 1 Abbildung 3a Replik Abbildung 3b CLSM-Darstellung der Übergangszone ProceraAllCeram-Krone zu Zahn; Objektiv 2.5 x, Bildgröße 6 x 6 mm 3 Ergebnisse Dropout Von den insgesamt 38 eingefügten Kronen konnten letztendlich 33 nachuntersucht und somit in die Studie einbezogen werden. 3 Patienten, deren Procera-Kronen auf natürlichen Zähnen zementiert waren, erschienen nicht mehr zu Kontrollterminen. Zwei Patienten sind nach dem Studium verzogen, ihre Versorgung bestand aus einer Krone auf vitalem Zahn bzw. einer auf einem CM-Stift-verankertem Stumpfaufbau zementierten Krone. Ein Patient reagierte nicht auf die Einladungen zu den Kontrollterminen; in diesem Fall war die Krone auf einem metallenen CM-Stift-verankerten Stumpfaufbau zementiert. Zwei Implantatpatienten, die mit je einer ProceraAllCeram-Krone auf einem Frialit2- und einem IMZ twin plus-Implantat versorgt waren, konnten aus beruflich bedingten terminlichen Gründen an den Kontrollen nicht teilnehmen. Der Dropout betrug somit 13 %. 19 H. M. Schaffner et al.: ProceraAllCeram-Kronen Lage und Sondierbarkeit des Kronenrandes Es ergab sich kein Hinweis auf Strukturmängel bei den Sondierungen der Kronenränder. Bis auf drei natürliche Pfeiler verblieb der Kronenrand subgingival. An zwei Implantaten in Prämolarenregion befand sich die Implantatschulter und somit die Kronenrandlage bereits bei Kroneninsertion epigingival. Sondierungstiefen Die Sondierungstiefen reduzierten sich an den Pfeilerzähnen der ProceraAllCeram-Kronen über den Beobachtungszeitraum von einem Jahr deutlicher an den oralen und mesialen Messstellen als an den distalen und vestibulären (Abb. 4). Zusätzlich wurde ein Wilcoxon-Test für verbundene Stichproben durchgeführt, wobei nur ein Pfeiler pro Patient ausgewertet wurde (n = 12). Die Ergebnisse der Sondierung der vestibulären und oralen Sulci verfehlten knapp das Signifikanzniveau (p = 0,0679), die Sondierungstiefen mesial (p = 0,2249) und distal (p = 0,1422) waren statistisch unauffälliger. Am kontralateralen Kontrollzahn konnte ebenfalls eine minimale Taschenreduktion festgestellt werden, am überkronten Kontrollzahn und dem Antagonisten blieben die Sondierungstiefen jedoch weitgehend unverändert. Papillenblutungsindex In der Studie wurde ebenfalls der Papillenblutungsindex erhoben, welcher zum Zeitpunkt des Einfügens durch das subgingivale Zementresteentfernen als Grad 2 an allen Pfeilersulci eingestuft wurde. Nach einem Jahr Liegedauer konnte bei einer Hälfte der Kronen eine Verbesserung der Papillenblutungsneigung auf Grad 1 und bei der anderen Hälfte sogar auf Grad 0 festgestellt werden (Abb. 5). Kein Implantat zeigte Anzeichen für eine periimplantäre Mukositis oder eine Periimplantitis. An den kontralateralen Kontrollzähnen stiegen die Zahlen der Zähne, die keine Blutung auf Sondierung zeigten, von 10 zum Zeitpunkt des Einfügens auf 14 sechs Monate nach Einfügen und 17 nach einem Jahr Liegedauer. Am überkronten Kontrollzahn und dem Antagonisten blieb der Papillenblutungsindex weitgehend unverändert. Plaqueindex Bei weniger als der Hälfte der Procera-Kronen war über den Beobachtungszeitraum von einem Jahr der Plaqueindex bis maximal Grad 1 gestiegen, mehr als die Hälfte der Kronen zeigte gleichbleibend Grad 0. Bei den kontralateralen Kontrollzähnen reduzierte sich die Zahl der drei Zähne mit Plaqueindex Grad 2 bereits nach sechs Monaten: es waren nur noch Plaqueindizes Grad 0 und Grad 1 feststellbar. Ebenso war an den antagonistischen Zähnen nach einem Jahr kein Zahn mit Plaqueindex Grad 2 mehr vorhanden. Bei den überkronten Kontrollzähnen waren die Anzahl der Zähne mit Plaqueindex Grad 0 um zwei erhöht (Abb. 6). Vitalität Kein Patient klagte über Schmerzen. Es konnte weder ein Sensibilitätsverlust noch eine Perkussionsempfindlichkeit diagnostiziert werden. Abbildung 4 Sondierungstiefen an den Pfeilerzähnen mit ProceraAllCeramKronen (Mittelwert ± SD) (n = 25) zum Zeitpunkt des Einfügens, nach sechs und 12 Monaten Liegedauer Abbildung 5 Papillenblutungsindex nach Mombelli an den Procera-Kronenpfeilern (n = 33) zum Zeitpunkt des Einfügens, nach sechs und 12 Monaten Liegedauer 20 Abbildung 6 Plaqueindex nach Mombelli (Mittelwert ± SD) (n = 33) Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 59 (2004) 1 H. M. Schaffner et al.: ProceraAllCeram-Kronen Misserfolge Weder ein Implantat noch eine Procera-Krone auf einem Implantat musste als absoluter oder relativer Misserfolg gewertet werden. Zwei Procera-Kronen, deren Pfeiler jeweils ein Frontzahn war, erlitten Keramikabplatzungen im inzisalen vestibulären Bereich in Form eines Zwiebelschalenausbruches, der sich in der Verblendkeramik ohne Beteiligung der Procera-Gerüstkappe befand. Durch Glätten und Politur im Mund konnte die Frakturstelle umkonturiert werden, somit war dieses Ergebnis als relativer Misserfolg ohne Erneuerungsbedarf zu werten. Eine Patientin gab an, „Fingernägel gekaut“ zu haben, dabei wäre es zur Abplatzung gekommen, die zweite Patientin hatte den Defekt selbst nicht bemerkt, er wurde erst im Rahmen der Nachuntersuchung festgestellt. Subjektive Bewertung Farbe, Form und Ästhetik der ProceraAllCeram-Kronen wurden von Patient und Zahnarzt über den Zeitraum von einem Jahr konstant mit der Note „sehr gut“ beurteilt (Abb. 7). Die Abbildung 7 Subjektive Bewertung der Ästhetik der Procera-Krone durch Patient und Behandler (Mittelwert ± SD) (n = 33) zum Zeitpunkt des Einfügens, nach sechs und 12 Monaten Liegedauer subjektive Bewertung durch den Patienten erfolgte mit einer minimal besseren Notengebung als durch den Behandler. Die Benotung der mukogingivalen Kontur verschlechterte sich geringfügig über diesen Zeitraum von „sehr gut“ in Richtung „gut“. Dies ist in Zusammenhang mit der Lage des Kronenrandes zu sehen, der sich infolge rezessiver Vorgänge in drei Fällen in eine epi- bis supramarginale Lage verlagerte. Die Bewertung der Implantatkronen im Vergleich zu den Vollkeramikkronen auf natürlichen Pfeilerzähnen, bezogen auf die Ästhetik, fiel zugunsten des natürlichen Pfeilers aus. Da manche Implantate im Bereich der Implantatschulter einen dunklen Metallschimmer an der dünnen Durchtrittsstelle durch die marginale Gingiva zeigten, wurde dies von einigen Patienten als ästhetisch störend empfunden. Repliken Die CLSM-Darstellungen konnten die klinischen Befunde der Kronenrandsondierung der ProceraAllCeram-Kronen bestätigen und ließen dort keine Strukturmängel erkennen. 4 Diskussion Die Reduktion der Sondierungstiefen an den ProceraAllCeram-Kronenpfeilern lässt sich möglicherweise darauf zu- Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 59 (2004) 1 rückführen, dass streng auf eine möglichst schonende Präparation, provisorische Versorgung und Abformung der Pfeilerzähne geachtet wurde. Die stabilen Weichgewebsverhältnisse weisen darüber hinaus auf eine gute Gewebeverträglichkeit der Aluminiumoxidkeramik der ProceraAllCeram-Hartkernkappe und deren Verblendkeramik hin. Eine saubere, glatte, homogene Oberflächenbeschaffenheit der Verblendkeramik verhindert die Plaqueakkumulation. Geringe Randspalten, achtsames Entfernen von Zementresten nach der Befestigung und korrekt dimensionierte approximale Kontaktpunkte wirken ebenfalls einer Reizung des marginalen Parodonts entgegen und tragen so zur Gesunderhaltung des Parodonts bei. In der Longitudinalstudie von Ödman et al. hingegen zeigten 39 % der ProceraAllCeramKronenpfeiler im Vergleich zu 27 % der kontralateralen Kontrollzähne eine geringfügig verstärkte Blutungsneigung auf Sondierung. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verringerung der Sondierungstiefen, des Papillenblutungsindex und die geringe Plaqueakkumulation auf eine allgemeine Verbesserung der Mundhygiene hinweisen. Dies könnte durch die Motivation der Patienten bedingt sein, die durch die Teilnahme an der Studie und den damit verbunden Nachuntersuchungen ihrer Mundhygiene möglicherweise eine erhöhte Aufmerksamkeit widmeten. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass sowohl anlässlich der Eingliederung der zu untersuchenden Kronen, als auch zu den Untersuchungszeitpunkten eine professionelle Zahnreinigung durchgeführt wurde, was ebenfalls zu einer Reduktion der Sondierungstiefen beigetragen haben könnte. Die letztgenannten Umstände können jedoch nicht alleinig für die Verbesserung der parodontalen Situation verantwortlich gemacht werden, da sich an den überkronten Kontrollzähnen keine wesentliche Veränderung einstellte. Tinschert et al. stellten für die Initialphase von Kronen und Brücken aus In-CeramAlumina ebenfalls für die Parodontalindizes Papillenblutungsindex und Plaqueindex günstigere Werte im Vergleich zu Kontrollzähnen fest und bestätigten somit die gute Gewebeverträglichkeit keramischer Werkstoffe [17]. Scheller et al. konnten in einer multizentrischen Langzeitstudie über fünf Jahre für zementierte Vollkeramikkronen auf CeraOne-Abutments eine Erfolgsrate für Implantate von 95,9 % und für Kronen von 91,9 % nachweisen [15]. Der Aufbau einer resistenten gingivaähnlichen Weichteilmanschette um den Implantatpfeiler als epitheliales Attachment durch regeneriertes Saumepithel entsteht nur nach schonender Operation, abgeschlossener Osseointegration und bei sehr guter Mundhygiene. Aluminiumoxidkeramik an der Durchtrittsstelle Implantat-Mundhöhle scheint durch seine geringe Plaqueakkumulation einer Ausbildung einer faserig-bindegewebigen Gingivamanschette förderlich zu sein [16]. Es ist daher zu vermuten, dass die Biokompatibilität der Vollkeramikkronen zu den beschriebenen Ergebnissen beigetragen hat. In Langzeitstudien konnte das Indikationsspektrum für Front- und Seitenzahnbereich belegt werden, wobei nach fünf Jahren 97,7 % und nach zehn Jahren 93,5 % der Kronen noch in situ waren [3]. Absolute Misserfolge waren nach der Liegedauer von einem Jahr in der vorliegenden Studie nicht zu beklagen, allerdings treten Misserfolge bei festsitzendem Zahnersatz selten bereits innerhalb des ersten Jahres nach Insertion auf. Gründe hierfür wären in einer falschen Indikationsstellung zu suchen, wenn z. B. der parodontale Zustand falsch diagnostiziert worden wäre. Okklusale Traumata, Sensibilitätsverlust nach Präparation oder zahntechnische Verarbeitungsfehler könnten ebenfalls die prothetische Versorgung zum frühzeitigen Scheitern führen [8]. Verstärkt gefährdet sind endodontisch behandelte Zähne [14, 6], insbe- 21 H. M. Schaffner et al.: ProceraAllCeram-Kronen sondere, wenn es durch Retentionsverlust zum Lösen des stiftverankerten Stumpfaufbaus kommt [18]. Bei vitalen Pfeilerzähnen ist hingegen eine signifikant längere Verweildauer zu erwarten [8]. Ebenfalls hat die Pfeilertopographie einen Einfluss auf die Verweildauer: Frontzahnkronen zeigten die schlechtesten Prognosen [8]. Ursächlich für Keramikabplatzungen könnten ungünstige statische und dynamische Okklusionskontakte, Traumata, Fehler bei der Stumpfpräparation, der Gerüstanfertigung und beim Keramikbrand, bei der Anprobe am Patienten sowie der späteren Nachbehandlung und durch unpräzise Kauflächengestaltung mit dabei auftretenden Druckspitzen sein. Während der Gebrauchsphase kann es zu lastinduzierten Rissöffnungs- und Wachstumseffekten kommen, was zu Keramikabplatzungen und Frakturen führen könnte [7, 8, 13, 17]. Die ästhetische Gesamtwirkung der meist mit ZinkoxidPhosphatzement befestigten Vollkeramikkronen in der Studie von Ödman et al. war für Patienten ohne Mängel. Die Patientenaussagen zur subjektiven Bewertung von ProceraKronen der vorliegenden Studie sind schwer beurteilbar, da nicht auszuschließen ist, dass der Patient sich dem Behandler gegenüber keine negativen Äußerungen erlauben wollte. Patienten fehlt häufig das geschulte Auge eines Zahnarztes, um die Restauration sowohl im Farbenspiel mit Transparenz und Transluzenz als auch in der Form dem natürlichen Vorbild entsprechend beurteilen zu können. Meist bestand bei Patienten, die aufgrund eines endodontisch behandelten verfärbten Schneidezahnes oder einzelner ästhetisch nicht mehr ansprechender überkronter Frontzähne zur Behandlung erschienen, der Wunsch, wieder ein harmonisches Lachen zu gewinnen. Bei Procera-Kronen, die auf Implantaten zementiert waren, war die hart- und weichgewebliche Ausgangssitutation nach Zahnverlust dem Untersucher im Gegensatz zum Patienten nicht bekannt, so dass hier individuell am Patientenfall ein Voher-Nachher-Vergleich aussagefähiger wäre. Die Wiederherstellung einer natürlichen „roten“ und „weißen“ Ästhetik durch Einzelzahnimplantate ist von vielen Faktoren abhängig, so z. B. vom Zeitraum zwischen Zahnverlust und Implantation, der Dicke der fixierten Gingiva, der Achsenneigung des Implantates, der Lage der Implantatoberkante zur marginalen Kontur und der Stabilität der Weichgewebearchitektur. Dieser breiten Variabilität der Ausgangssituation stehen die zumeist hohen Erwartungen des Patienten an ein harmonisches Wiedereinfügen des Zahnersatzes in individuelle gegebene Strukturen gegenüber. Präoperativ sollte daher in der Planungsphase die Form und Ausdehnung der geplanten prothetischen Suprastruktur durch ein Wax-up bzw. Set-up imitiert werden, um Information über mögliche ästhetische und funktionelle Probleme zu gewinnen und dabei gleichzeitig dem Patienten eine zu hohe Erwartungshaltung in Bezug auf das Behandlungsergebnis bereits im Vorfeld zu nehmen. In einer In-vivo-Studie von Boening et al. wurden bei Frontzähnen mit Hilfe von Repliken Randspalten im Mittel zwischen 80 µm und 95 µm und im Seitenzahnbereich zwischen 90 µm und 145 µm gemessen [3]. Die Replikbetrachtung bestätigte die Beurteilung der Randspaltmorphologie unter klinischen Bedingungen, jedoch war eine quantitative Bestimmung von Randspalt und Konturfehlern am Kronenrand nicht möglich. Dafür wäre ein In-vitro-Versuch an extrahierten Zähnen mit Hilfe des CLSM in Bezug auf die Randspaltbreite aussagefähiger. 5 Schlussfolgerung Die vorliegende Untersuchung lässt bei gegebener Zurückhaltung bei der Interpretation der Daten aufgrund des eingeschränkten Beobachtungszeitraumes sowie des heterogenen 22 Patientengutes folgende Schlussfolgerung zu: Die Procera AllCeram-Krone stellt durch ihre Biokompatibilität, mechanische Festigkeit und ästhetische Gesamtwirkung eine sinnvolle Erweiterung des Behandlungsspektrums in der zahnärztlichen Prothetik dar. Die Palette des ProceraAllCeram-Verfahrens hat sich von der Vollkeramikkrone auf kurzspannige ProceraAllCeram-Brücken, Veneers und ein vollkeramisches ProceraAbutment für Implantate ausgeweitet, deren klinische Bewährung es zu überprüfen gilt. Danksagung Unser besonderer Dank gilt Herrn Dipl. Phys. Hermann Götz für die Anfertigung der CLSM-Bilder sowie DV-Dental für die Herstellung der Kronen. Literatur 1. Abed, H. M., Razzoog, M. E., Lang, B. R., Yaman, P.: The effect of alumina core thickness on the fracture resistance of all-ceramic crowns. J Dent Res 76, 394 (1997) 2. Andersson, M., Oden, A.: A new all-ceramic crown. A dense sintered, high purity aluminia coping with porcelain. Acta Odontol Scand 51, 59 (1993) 3. Boening, K., Wolf, A., Schmidt, A., Kaestner, K., Walter, M.: Clinical fit of Procera AllCeram crowns. J Prosthet Dent 84, 419 (2000) 4. Duschner, H.: Die dreidimensionale Darstellung mikroskopischer Strukturen mit CLSM. Zahnärztl Mitt 91 (10), 24 (2001) 5. Erneklint, C., Ödman, P., Örtengren, U., Rasmusson, L.: Tolerance test of five different types of crowns on single-tooth implants. Int J Prosthodont 11, 233 (1998) 6. Fritz, U., Kerschbaum, Th.: Langzeitverweildauer von wurzelkanalgefüllten Zähnen. Dtsch Zahnärztl Z 54, 262 (1999) 7. Hüls, A.: Zum Stand der klinischen Bewährung infiltrationskeramischer Kronen. Dtsch Zahnärztl Z 50, 674 (1995) 8. Kerschbaum, Th.: Ergebnisorientierte Versorgung mit Kronen und Brücken. In: Deutscher Zahnärzte Kalender 2000. Deutscher Zahnärzte Verlag DÄV Hanser, Köln, München 2000, S.53-67. 9. May, K., Razzoog, M. E., Lang, B., Wang, R.: Marginal fit: The ProceraAllCeram Crown. J Dent Res 76, 311 (1997) 10. Oden, A., Razzoog, M. E.: Masking ability of ProceraAllCeram copings of various thickness. J Dent Res 76, 310 (1997) 11. Ödman, P., Andersson, B.: Procera AllCeram crowns followed for 5 to 10.5 years: a prospective clinical study. Int J Prosthodont 14, 504 (2001) 12. Prestipino, V., Ingber, A., Kravitz, J.: Clinical and laboratory considerations in the use of a new all-ceramic restorative system. J Esthetic Dent 10, 567 (1998) 13. Pröbster, L.: Survival rate of In-Ceram restorations. J Prosthet Dent 6, 259 (1993) 14. Rocke, H., Kerschbaum, Th., Fehn, C.: Zur Verweildauer wurzelkanalbehandelter Zähne. Dtsch Zahnärztl Z 52, 783 (1997) 15. Scheller, H., Pi Urgell, J., Kultje, C., Klineberg, I., Goldberg, P., Stevenson-Moore, P., Schaller, M., Engquist, B., Toreskog, S., Kastenbaum, F., Smith, C.: A fiveyear multicenter study on implant-supported single crown restorations. Int J Oral Max Impl 2, 212 (1998) 16. Strub, J. R., Türp, J. C., Witkowski, S., Hürzeler, M. B., Kern, M.: Implantatmaterialien und ihre Biokompatibilität. In: Strub, J.R., Türp, J.C., Witkowski, S., Hürzeler, M.B., Kern, M.: (Hrsg.): Curriculum Prothetik, Bd. 3, 2. Aufl. Quintessenz Verlag, Berlin 1999, S.1129. 17. Tinschert, J., Jorewitz, A., Spiekermann, H.: Klinische Langzeiterfahrungen mit vollkeramischen Kronen und Brücken aus In-Ceram Alumina. DGZPW Vortrag in Bad Homburg 2001 18. Torbjuner, A., Karlsson, S., Odman, P. A.: Survivalrate and failure characteristics for two post designs. J Prosthet Dent 73, 439 (1995) 19. Wagner, W. C., Chu, T. M.: Biaxial flexural strength and indentation fracture toughness of three new dental core ceramics. J Prosthet Dent 76, 140 (1996) 20. Winston Chee, D. A., Felton, P. F., Johnson, D. V., Sullivan, C.: Cemented versus screw retained implant protheses: Which is better? Int J Oral Maxillofac Surg 1, 54 (1999) ❚ Korrespondenzadresse: Dr. H. M. Schaffner Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Klinik für Zahn- Mund- und Kieferkrankheiten Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik Augustusplatz 2 D-55131 Mainz Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 59 (2004) 1