Ost-West-Unterschiede in wirtschaftsrelevanten Teilgebieten der

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11 Zusammenfassende Beurteilung und Ausblick
Die vorliegende Untersuchung hat – angesichts des bis heute als äußerst mangelhaft zu
bezeichnenden Forschungsstands zu der hier untersuchten Problematik – maßgeblich zu einer
differenzierteren Analyse der Auswirkungen der kultur- und systembedingten Ost-WestUnterschiede zum einen auf die Unterschiede in wirtschaftsrelevanten Persönlichkeitsdimensionen
zwischen ost- und westeuropäischen Mitarbeitern, sowie zum anderen auf die Veränderung der
Persönlichkeitsdimensionen im Verlauf des Akkulturationsprozesses bei osteuropäischen
Migranten in Westeuropa beigetragen. In dieser Hinsicht betrat das im Rahmen der vorliegenden
Untersuchung geschilderte Vorhaben tatsächlich Neuland.
Die hier berichteten Resultate vor allem zur zweiten Fragestellung sind nicht nur von theoretischer,
sondern auch von hoher praktischer Relevanz, da sie den Blick auf spezifische Probleme, Barrieren
und Chancen richten, denen osteuropäische IT-Fachkräfte im Verlauf ihrer Akkulturation in
Westeuropa ausgesetzt sind, sowie die Auswirkungen migrationsbedingter Integrationsschwierigkeiten auf die Entwicklung ihrer wirtschaftsrelevanten Persönlichkeitsdimensionen im
Ausland aufzeigen. Vor allem wird es angesichts der berichteten Ergebnisse deutlich, dass
offensichtlich die ersten Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge im Ausland die Weichen für
künftige Auseinandersetzungen mit der gesellschaftlichen Realität des Aufnahmelandes stellen und
dadurch die Verhaltens- und Persönlichkeitsentwicklung der Migranten entscheidend
mitbestimmen. Sowohl die ersten Erfahrungen und die Reaktionen der neuen Umwelt auf diese als
auch die stabilen Persönlichkeitsstrukturen, die noch vor der Migration vorherrschend waren,
entscheiden mit darüber, welche Verhaltensstrategien in der Zukunft favorisiert werden, in welche
Richtung sich die berufserfolgsrelevanten Kompetenzen und Persönlichkeitsdimensionen
entwickeln und ob die migrierte Person optimistisch das eigene Leben in die Hand nimmt oder mit
einer eher rückwärts gewandten Haltung dem weiteren Leben im Aufnahmeland mit Pessimismus
und Resignation entgegensieht (vgl. dazu auch Lantermann & Hänze, 1999).
Die vorliegende Studie ist allerdings angreifbar, da sie zum einen auf einer nicht repräsentativen
Stichprobe und zum anderen auf einer Querschnittuntersuchung beruht, womit die Aussagekraft der
hier ermittelten Befunde stark eingeschränkt ist. Um zuverlässigere Aussagen vor allem in Bezug
auf die Veränderung der Persönlichkeitsdimensionen im Ausland treffen zu können, ist eine
Längsschnittstudie unabdingbar. Daher wäre es lohnenswert, die vorliegende Studie im Rahmen
einer Längsschnittuntersuchung an der vorhandenen Stichprobe weiterzuführen, sowie eine weitere
Stichprobe in die Vergleichsanalysen mit aufzunehmen, die vor allem aus nicht
migrationsorientierten in Osteuropa lebenden Probanden besteht. Zusätzlich sollten repräsentativere
Vergleichsuntersuchungen an Migrantengruppen aus verschiedenen osteuropäischen Ländern – als
Ergänzung zur deutlichen Überbesetzung durch die GUS-Länder im Rahmen der vorliegenden
Studie – zur Absicherung der Ergebnisse, sowie zur Evaluation der Wirksamkeit der hier
vorgeschlagenen Interventionsmaßnahme durchgeführt werden.
Trotz der ohnehin äußerst umfangreichen Untersuchungsanlage konnten im Rahmen der
vorliegenden Untersuchung nicht alle in Frage kommende Aspekte ausreichend geklärt werden, die
im Zusammenhang mit den persönlichkeitsrelevanten Auswirkungen der Akkulturation bei osteuropäischen IT-Fachkräften im Westeuropa stehen. Daher wären für die nachfolgende Forschung vor
allem folgende weiterführende Maßnahmen vom besonderen wissenschaftlichen Erkenntniswert:
Sehr empfehlenswert und interessant wäre eine Längsschnittuntersuchung, die die
Integrationsverläufe und die damit einhergehenden Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen
der in Westeuropa lebenden osteuropäischen IT-Fachkräfte systematisch, idealerweise mit
mehreren Erhebungszeitpunkten, untersuchen und dabei den Einfluss unterschiedlicher
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Bedingungen des Akkulturationserfolgs auf die Persönlichkeitsentwicklung systematisch
herausrechnen würde. In diesem Zusammenhang wäre von höchster wissenschaftlicher Relevanz,
die Entwicklungsverläufe und deren Bedingungen bei den erfolgreich und weniger erfolgreich bzw.
arbeitslos gewordenen IT-Fachkräften in Deutschland zu vergleichen. Dabei sollten u.a. Analysen
angestrebt werden, die eine klare Trennung zwischen den Veränderungen auf der Ebene des
beruflichen Verhaltens und der Persönlichkeitsebene ermöglichen würden.
Weiterhin wäre ein Vergleich der Integrationsentwicklungsverläufe auf der Verhaltens- und
Persönlichkeitsebene und deren differentiellen Bedingungen zwischen den – nach der Green-CardRegelung oder anderweitig in Deutschland beschäftigen – IT-Fachkräften aus Osteuropa mit denen
aus anderen nicht europäischen Ländern sehr interessant. Vor allem wäre es interessant, den Befund
von Venema (2004), nachdem es erstaunlich geringe Unterschiede zwischen den Green-CardArbeitnehmern aus den osteuropäischen und den außereuropäischen Staaten gibt, auch auf der
Persönlichkeitsebene zu replizieren. Denn nicht nur aufgrund der Kulturunterschiede, sondern auch
der systembedingten Sozialisationsunterschiede zwischen den unterschiedlichen Ländern in und
außerhalb Europas wäre die von Venema (2004) angeführte Annahme – die Gruppe der
hochqualifizierten IT-Spezialisten wäre so speziell und die Probleme und Wünsche so ähnlich, dass
die Unterschiede zwischen den einzelnen Herkunftsländern kaum ins Gewicht fallen würden –
zumindest in Bezug auf die persönlichkeitsrelevanten Auswirkungen einer längerfristigen
Auslandstätigkeit in Deutschland als äußerst zweifelhaft zu bezeichnen.
Des Weiteren konnte im Rahmen der vorliegenden Untersuchung die vorgeschlagene
Personalentwicklungsmaßnahme zur Förderung der Integrationsfähigkeit der osteuropäischen ITFachkräfte in westeuropäischen Unternehmen nur ansatzweise und daher nicht systematisch
evaluiert werden.
Um die Sinnvolligkeit und Effektivität der hier vorgeschlagenen Personalentwicklungsmaßnahme
aus der Sicht der deutschen Arbeitgeber umfassend zu evaluieren, wäre eine systematische
Befragung der Unternehmen zur Integrationsstituation der bei ihnen beschäftigten IT-Fachkräfte
aus Osteuropa sehr wichtig. Der Zugang zu den Unternehmen, die osteuropäische IT-Fachkräfte
beschäftigen, könnte durch den Rückgriff auf die Bestände der Bundesanstalt für Arbeit, die
Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Bonn (ZAV) oder die Arbeitsagenturen vor Ort erfolgen.
Darüber hinaus besteht eine Möglichkeit, über den E-Mail-Verteiler des Bundesverbandes
Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. BITKOM direkt mit den
Unternehmen Kontakt aufzunehmen, die Green-Card-Inhaber beschäftigen.
Um im Gegenzuge die Sinnvolligkeit und Effektivität der hier vorgeschlagenen
Personalentwicklungsmaßnahme aus der Sicht der Hauptzielgruppe, der osteuropäischen ITFachkräfte selbst, zu untersuchten, wäre ebenfalls eine größer angelegte systematische Befragung
aller in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern beschäftigten IT-Fachkräften aus
Osteuropa wichtig. Hoch interessant wäre außerdem ein Vergleich der in Deutschland erzielten
Evaluationsergebnisse mit denen, die in anderen westeuropäischen Ländern erzielt wurden. Die
Kontakte zu solchen Fachkräften könnten neben der Jobbörse der Bundesanstalt für Arbeit, sowie
den einschlägigen Internet-Foren der Green-Card-Inhaber in Deutschland und deren E-MailVerteiler über die Regionalgruppen der Gesellschaft für Informatik geknüpft werden.
Schließlich wäre vor allem angesichts der kommenden gesetzlichen Veränderungen zur Steuerung
der Arbeitsmigration in Deutschland ein Vergleich der Befragungsergebnisse der IT-Fachkräfte und
der diese beschäftigten Arbeitgeber zu Zeiten der Green-Card-Regelung mit den
Befragungsergebnissen, die nach der Einführung des neuen Zuwanderungsgesetzes im Januar 2005
zustande kommen werden, sehr interessant. Erkenntnisreich in diesem Zusammenhang wäre zu
untersuchen, ob sich durch veränderten gesetzlichen Einreise- und Integrationsbestimmungen auch
die Zufriedenheit osteuropäischer IT-Fachkräfte in deutschen Unternehmen erhöht, sowie ob diese
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Verbesserung auch auf der Ebene des Leistungsverhaltens und der wirtschaftsrelevanten
Persönlichkeitsdimensionen wirksam wird.
Insgesamt ist die Aufgabe der Personalverantwortlichen in Unternehmen, die osteuropäische
Mitarbeiter (für eine längere Zeit) beschäftigen und von diesen eine den westlichen Standards
entsprechende (wenn nicht eine höhere) Arbeitseffektivität erwarten, für diese Mitarbeiter solche
Arbeits- und Erfahrungsbedingungen zu schaffen, die laut Wottawa (1994) deren Veränderung im
Bereich der sozialen Kompetenzen, Persönlichkeit und Werthaltungen nicht in Form einer
äußerlichen Anpassung, sondern vielmehr als eine innerlich akzeptierte notwendige
Sozialisationsleistung innerhalb des neuen gesellschaftlichen Rahmens ermöglichen sollen.
Die Trainingserfahrungen mit Bewerbern aus neuen Bundesländern von Stratemann (1992) zeigen,
dass das Hauptproblem bei osteuropäischen Mitarbeitern in besonderem Maße durch die Barriere
im Übergang vom „Verstehen“ zum „Verändern der eigenen Person“ gekennzeichnet ist. Viele
Trainingsinhalte wurden angenommen und als sinnvoll akzeptiert, aber gleichzeitig auch als „etwas
für die anderen“ gesehen und nicht zur eigenen Verhaltens- oder gar Persönlichkeitsoptimierung
genutzt. Die dadurch ausgelöste Veränderungsresistenz bildet ein erhebliches Problem zur
Sicherung des Transfers der Trainingsmaßnahmen in das normale betriebliche Verhalten
osteuropäischer Mitarbeiter in deutschen Unternehmen. Schon aus diesen Gründen darf man von
Trainingsmaßnahmen allein (mit Ausnahme der Vermittlung von Fachkenntnissen und technischen
Fertigkeiten) keinen voll befriedigenden Erfolg erwarten, sondern muss begleitende Maßnahmen
der Transfersicherung insbesondere durch entsprechendes Verhalten des Vorgesetzten (siehe dazu
Kap. 10.1) sicherstellen (vgl. Stratemann, 1992).
Trainings, so notwendig sie auch sind, werden vieles an äußerlich sichtbaren Fertigkeiten
vermitteln und die Sensibilität für praktische Erfahrungen erhöhen können. Tiefergehende
Persönlichkeitsveränderungen bei osteuropäischen Mitarbeitern in Deutschland sind aber nur
langfristig, aufgrund der Anpassung an die konkreten Auswirkungen des neuen gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Systems zu erwarten (Wottawa, 1994). Bei „guter“, auf Personalentwicklung
hin orientierter und an spezifischen systemgeprägten Persönlichkeitsstrukturen osteuropäischer
Mitarbeiter angepassten Führung werden sich sehr schnell positive Effekte zeigen, bei „schlechter“
Führung sind keine Effekte oder sogar Verschlechterungen (im Sinne einer Anpassung an
missverstandene Erwartungen des westlichen Vorgesetzten oder depressive Rückzugshaltung bzw.
eine nach innen oder nach außen gerichtete Aggressivität) die nahe liegende Konsequenz (vgl. dazu
auch Wottawa, 1994).
Entscheidend ist dabei vor allem, den Teufelskreis in der Einstellung und dem Verhalten deutscher
Arbeitgeber gegenüber den osteuropäischen planwirtschaftlich geprägten Mitarbeitern
durchzubrechen, welcher anstatt ihre aktiven Verhaltensstrategien in der marktwirtschaftlich
orientierten Arbeitsumgebung zu fördern, ganz umgekehrt die sozialisationsbedingte Passivität
solcher Mitarbeiter durch dieselben Wirkungsmechanismen wie unter den planwirtschaftlichen
Strukturen noch mehr verstärkt. Eine solche Führung, die – wie die hier angeführten Zitate der
osteuropäischen Untersuchungsteilnehmer verdeutlichen – bei den migrierten Fachkräften den
Eindruck entstehen lässt, die Eigeninitiative würde in deutschen Unternehmen nicht begrüßt und
eher negativ honoriert, kann unter keinen Umständen die positive Persönlichkeitsentwicklung der
osteuropäischen Fachkräfte in Richtung der marktwirtschaftlich geprägten Persönlichkeitsstrukturen in Westeuropa fördern. Denn eine fortschreitende Entfaltung der wirtschaftsrelevanten
Persönlichkeitsdimensionen bei osteuropäischen Mitarbeitern kann nur bei dem ihrerseits
wahrgenommenen Vertrauen an ihre Kompetenzen seitens der neuen Arbeitsumwelt erwartet
werden, welches ihnen in Form von erweiterten Handlungs- und Entscheidungsspielräumen, sowie
anderer wie hier vorgeschlagenen Personalentwicklungsmaßnahmen signalisiert werden sollte.
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