v09_phiosophie

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Professur für
Allgemeine Psychologie
Vorlesung im SS 2013
Kognitionspsychologie:
Denken, Sprache und Problemlösen
Philosophische Grundlagen der
Kognitiven Psychologie und
das Leib-Seele-Problem
Prof. Dr. Thomas Goschke
1
Literaturempfehlungen




2
Bieri, P. (Hg.) (1981). Analytische Philosophie des Geistes. Weinheim: Beltz
Athenäum (3. unveränderte Auflage)
Pauen, Michael (2001). Grundprobleme der Philosophie des Geistes. Eine
Einführung. Frankfurt a. Main, Fischer.
Beckermann, A. (2008). Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes (3.
Auflage). Berlin: De Gruyter.
Beckermann, A. (2008). Das Leib-Seele-Problem. Eine Einführung in die
Philosophie des Geistes. (utb 2983) W. Fink 2008
Gedankenexperimente
3
Das Leib-Seele-Problem
Materielle Entitäten
„Leib“, Körper, Gehirn
(elektrochemische Prozesse im
Gehirn, Aktionspotentiale,
Nervenzellen, Synapsen etc.)
Mentale Entitäten
?
„Seele“, Geist, Psyche
(Überzeugungen, Wünsche,
Gefühle, Gedanken, Schmerz
etc.)
Wie können physikalische (neuronale) Prozesse mentale Prozesse hervorbringen?
Wie können mentale Prozesse physikalische Prozesse (z.B.
Körperbewegungen) verursachen?
6
Was ist das Problem?


8
Ontologische Fragen

Welche Arten von Entitäten / Substanzen gibt es?

In welcher Relation stehen geistige (mentale) und materielle (physikalische,
chemische, neurophysiologische) Entitäten?
Erkenntnistheoretische Fragen

Wie können wir Zugang zu den mentalen Zuständen anderer Personen
erlangen?

In welchem Verhältnis stehen Erkenntnisse über das Gehirn aus der
Perspektive der „dritten Person“ zum bewussten Erleben aus der Perspektive
der „ersten Person“?
Das Leib-Seele (Gehirn-Geist) Problem
Leib-SeeleProblem
Monismus
Dualismus
(Es gibt nur eine Art von
Substanz)
(Es gibt physische u. nichtphysische Substanzen)
Materialismus
10
Idealismus
Interaktionistischer
Dualismus
Parallelismus
Epiphänomenalismus
Dualismus

Geistige und materielle Entitäten als zwei qualitativ
unterschiedliche Arten von Entitäten

Häufig vorgebrachte Gründe für den Dualismus

11

Unsterbliche Seele / Leben nach dem Tod

Freier Wille

Erste Person-Perspektive (Bewusstseinszustände erscheinen uns als etwas
qualitativ anders als materielle Dinge in der Welt)

Unbezweifelbarkeit des Bewusstseins (Descartes)
Zentrale Frage: Können sich geistige und materielle Zustände
wechselseitig beeinflussen und wenn ja, wie?
Interaktionistischer Dualismus
12

Mentale Ereignisse sind keine physischen Ereignisse

Mentale Ereignisse wirken kausal auf physische Ereignisse

Mentale Ereignisse wirken kausal auf andere mentale Ereignisse

Mentale Ereignisse werden von physischen und mentalen
Ereignissen verursacht
Interaktionistischer Dualismus:
René Descartes (1596-1650)

Annahme zweier Substanzen



„Ich erkenne aber nur zwei oberste
Gattungen von Dingen an: die der geistigen
oder denkenden Dinge […] und die der
körperliche Dinge […].“ (Prinzipien I 48)

Zentrales Argument:


13
res extensa: ausgedehnte (materielle) Substanz
res cogitans: Nicht ausgedehnte immaterielle
(denkende) Substanz
Wir können die Existenz der materiellen Welt
bezweifeln
Aber wir können nicht die Existenz des
Bewusstseins bezweifeln, da das Zweifeln selbst
ein Bewusstseinsakt ist
Interaktionistischer Dualismus: René Descartes

14
„[…] aber es gibt doch für jede Substanz eine vorzügliche
Eigenschaft, welche ihre Natur und ihr Wesen ausmacht […]. So
bildet die Ausdehnung […] die Natur der körperlichen Substanz,
und das Denken macht die Natur der denkenden Substanz aus.
Denn alles, was sonst dem Körper zugeteilt werden kann, setzt die
Ausdehnung voraus und ist nur ein Zustand der ausdehnten Sache;
ebenso ist alles, was man im Geiste antrifft, nur ein besonderer
Zustand des Denkens.“ (Prinzipien I 53)
Interaktionistischer Dualismus: René Descartes

„…gerade daraus, daß ich weiß, ich existiere, und daß ich bisher
nichts anderes als zu meiner Natur oder meinem Wesen gehörig
bemerke, außer daß ich ein denkendes Ding bin, eben daraus
schließe ich mit Recht, daß mein Wesen allein darin besteht, daß
ich ein denkendes Ding bin.

… da ich auf der einen Seite eine klare und deutliche Idee von mir
selbst habe, insofern ich nur ein denkendes, nicht ausgedehntes
Ding bin, und auf der anderen Seite eine deutliche Idee vom
Körper, insofern dieser nur ein ausgedehntes nicht denkendes Ding
ist, so ist, sage ich, gewiß, daß ich von meinem Körper wirklich
verschieden bin und ohne ihn existieren kann.“
(6. Med., AT VII 77 f., IX.1 62, PhB 250a 140 f.)
17
Interaktionistischer Dualismus: René Descartes


Alle Phänomene der materiellen Welt einschließlich der Vorgänge in
Lebewesen können allein aus der Gestalt, Konfiguration und Bewegung
der an ihnen beteiligten Körper oder Körperteile erklärt werden
Die organische wie die unorganische Natur unterliegt den denselben
mechanischen Prinzipien
„[…] der soeben erklärte Mechanismus [des Herzens ergibt] sich allein aus der
Einrichtung der Organe […], die man im Herzen mit seinen Augen sehen, aus der
Wärme, die man dort mit seinen Fingern spüren, und aus der Natur des Blutes, die
man durch Erfahrung kennenlernen kann, und dies mit der gleichen Notwendigkeit,
wie der Mechanismus einer Uhr aus der Kraft, Lage und Gestalt ihrer Gewichte und
Räder folgt.“ (Discours 5.6, AT VI 50 f., PhB 261 80 ff.)

20
Aber: Menschen haben Fähigkeiten, die sich nicht mechanisch erklären
lassen: zu denken und zu sprechen
Interaktionistischer Dualismus: René Descartes


21
„Wenn es Maschinen mit den Organen und der Gestalt eines Affen oder
eines anderen vernunftlosen Tieres gäbe, so hätten wir gar kein Mittel zu
erkennen, daß sie nicht von genau derselben Natur wie diese Tiere wären.
[…] gäbe es dagegen Maschinen, die unseren Körpern ähnlich wären und
unsere Handlungen insoweit nachahmten, wie dies für Maschinen
wahrscheinlich möglich ist, so hätten wir immer zwei ganz sichere Mittel,
um zu erkennen, daß sie keineswegs wahre Menschen sind. Erstens
könnten sie nämlich niemals Worte oder andere Zeichen dadurch
gebrauchen, daß sie sie zusammenstellen, wie wir es tun, um anderen
unsere Gedanken mitzuteilen […]
[Und zweitens:] Sollten diese Maschinen auch manches ebenso gut oder
sogar besser verrichten als irgendeiner von uns, so würden sie doch
zweifellos bei vielem anderen versagen, wodurch offen zutage tritt, daß
sie nicht aus Einsicht handeln, sondern nur aufgrund der Einrichtung ihrer
Organe. Denn die Vernunft (raison) ist ein Universalinstrument, das bei
allen Gelegenheiten zu Diensten steht, während diese Organe für jede
besondere Handlung einer besonderen Einrichtung bedürfen […]”
(Discours 5.10, AT VI 57, PhB 261 92 f.)
Interaktionistischer Dualismus: René Descartes


Descartes’ Argument

Es gibt keine Maschine, die sprechen und denken kann.

Da der Mensch sprechen und denken, ist er keine Maschine
Konsequenz

22
Um zu erklären, was die spezifisch menschlichen Fähigkeiten (Denken und
Sprache) erklärt, muss eine (immaterielle) Seele angenommen
Das Problem der Interaktion


Der Körper soll auf den Geist wirken

Z.B. physische Reizungen der Sinnesorgane führen zu bewussten
Wahrnehmungen

Z.B. Verletzungen führen zu Schmerzempfindungen
Der Geist soll auf den Körper wirken

wenn ich zornig bin, erhöht sich der Blutdruck

Wenn ich mich entscheide, den Arm zu heben, kontrahieren bestimmte
Muskeln
Mentale
Zustände
m1
m2
verursachen
verursachen
Physische
Zustände
23
p1
p2
Das Problem der Interaktion
„Nachdem ich aber die Sache sorgfältig
untersucht habe, bin ich mir gewiß, erkannt zu
haben, daß der Körperteil, über den die Seele
ihre Funktionen unmittelbar ausübt, keineswegs
das Herz ist, noch auch das ganze Gehirn,
sondern nur der Innerste von dessen Teilen,
welches eine gewisse sehr kleine Drüse ist, die
inmitten der Hirnsubstanz liegt und so oberhalb
des Wegs, den die Lebensgeister von dessen
vorderen Kammern zu den hinteren nehmen,
Zirbeldrüse
hängt, daß ihre kleinsten Bewegungen sehr stark
den Strom der Lebensgeister zu verändern
vermögen und daß umgekehrt die geringsten
Veränderungen, die im Strömen der
Lebensgeister vorkommen, sehr viel dazu
beitragen, die Bewegungen dieser Drüse zu
verändern.“ (Leidenschaften, § 31)
24
Interaktionistischer Dualismus

Wahrnehmungen: die von den
Sinnesorganen kommenden
Nerven erzeugen auf der
Zirbeldrüse ein ‚Abbild‘ der
wahrgenommenen Dinge, welches
unmittelbar auf die Seele einwirkt
und sie die Gestalt der
wahrgenommenen Dinge sehen
lässt

Willenshandlungen: der Geist
vollzieht einen Willensakt, der eine
Bewegung der Zirbeldrüse bewirkt,
die ihrerseits zur Folge hat, dass
sich die spiritus animales im Gehirn
genau in die Nerven bewegen, die
zu den entsprechenden Muskeln
führen.
27
Argumente gegen den Dualismus
29

Es gibt keine empirischen Belege für eine Wirkung eines
immateriellen Geistes auf das Gehirn

Es gibt keine empirischen Befunde, die belegen, dass etwas
Nichtmaterielles körperliche Bewegungen verursacht

Vielmehr sprechen die empirischen Befunde dafür, dass sich
körperliche Reaktionen und Verhalten vollständig auf
physiologische Ursachen zurückführen lassen
Probleme des Dualismus






30
Kraft welcher Mechanismen können nicht materielle geistige Zustände
überhaupt auf neuronale Prozesse im Gehirn einwirken (und umgekehrt)?
Wie wäre eine solche Interaktion mit den Erhaltungssätzen der Physik
vereinbar?
Wie kann der Geist in die Welt des Physischen eingreifen, wenn diese
kausal geschlossen ist?
Warum kann der Geist nur auf die Zirbeldrüse und nicht auf anderen
Körperteile einwirken?
Warum benötigt „der Geist“ bzw. „das Bewusstsein“ überhaupt ein
Gehirn, um Bewegungen in Gang zu setzen (bzw. warum braucht das
Gehirn dazu ein separates Bewusstsein)?
Woher weiß der ort- und ausdehnungslose Geist eigentlich, zu welchem
Gehirn er gehört? Warum wirkt mein Geist nur auf mein Gehirn und nicht
auf die Gehirne anderer Menschen?
s.a. Beckermann, 2003
Parallelismus

Körper und Geistig wechselwirken nicht kausal
miteinander

Sondern: scheinbare Interaktion beruht auf einer
prästabilierten Harmonie

Gott hat es so eingerichtet, dass körperliche und
geistige Zustände einander entsprechen, so wie
ein Uhrmacher dafür sorgt, dass zwei Uhren
synchron laufen, ohne dass zwischen ihnen ein
kausaler Zusammenhang bestünde.
Gottfried Wilhelm Leibniz
1646-1716
36
Mentale
Zustände
m1
Physische
Zustände
p1
Mentale
Kausalität
Physikalische
Kausalität
m2
p2
Epiphänomenalismus
Körperliche Zustände verursachen zwar geistige
Zustände, umgekehrt hat der Geist aber
keine kausale Wirkung.
(Bild vom Rauch einer Lokomotive)
Thomas H. Huxley
1825-1895
Mentale
Zustände
m1
Scheinbare.
Kausalität
Kausalität
Physische
Zustände
p1
m2
Kausalität
Physikalische
Kausalität
p2
39
Fazit
42

Es gibt schwerwiegende theoretische Einwände gegen den
Dualismus

Der Dualismus bietet keine entscheidenden Vorteile z.B. für die
Begründung der Willensfreiheit gegenüber monistischen Ansätzen

Es gibt bislang keinen empirischen Nachweis der kausalen
Wirksamkeit nichtmaterieller Ereignisse
Monistische Positionen:
Identitätstheorie und Funktionalismus
44
Das Leib-Seele (Gehirn-Geist) Problem
Leib-SeeleProblem
Monismus
Dualismus
(Es gibt nur eine Art von
Substanz)
(Es gibt physische u. nichtphysische Substanzen)
Materialismus
45
Idealismus
Interaktionistischer
Dualismus
Parallelismus
Epiphänomenalismus
Bieris Trilemma
(1) Mentale Phänomene sind nichtphysische Phänomene.
(2) Mentale Phänomene sind im Bereich physischer Phänomene kausal
wirksam.
(3) Der Bereich physischer Phänomene ist kausal geschlossen
Nur zwei der drei Sätze können gleichzeitig wahr sein:
48

Wenn nichtphysische (mentale) Phänomene auf die physische Welt
einwirken, kann diese nicht kausal geschlossen sein (1&2 schließen 3 aus).

Wenn Satz 1 und Satz 3 richtig sind, kann es keine Wirkung mentaler
Phänomene auf die physische Welt geben (also ist Satz 2 falsch).

Wenn die physische Welt kausal geschlossen ist und mentale Phänomene
kausal wirksam sind, dann müssen sie physische Phänomene sein (2&3
schließen 1 aus)
Bieris Trilemma: Mögliche Auflösungen

Aufgabe der Geschlossenheit der physikalischen Welt:


Aufgabe mentaler Verursachung:


Parallelismus und Epiphänomalismus
Aufgabe des ontologischen Dualismus

49
Interaktionistischer Dualismus
Monismus
Monismus
50

Es gibt nur eine Art von Entitäten

Materialismus: mentale Zustände sind identisch mit physikalischen
(z.B. neurophysiologischen) Zuständen oder das Resultat bzw. eine
Erscheinungsform physikalischer Zustände

Generelles Problem: Erklärung subjektiver Erlebnisqualitäten
(„qualia“)
Monistische Positionen
Materialistischer
Monismus
Logischer
Eliminativer
Behaviorismus
Materialismus
Identitätstheorie
Token-Identität
Funktionalismus
52
Typen-Identität
Anomaler
Monismus
Monistische Positionen
Materialistischer
Monismus
Logischer
Eliminativer
Behaviorismus
Materialismus
Identitätstheorie
Token-Identität
Funktionalismus
53
Typen-Identität
Anomaler
Monismus
Logischer Behaviorismus: Ryle
55

Gilbert Ryle (1949): Kritik am Cartesianischen Dualismus

Die Vorstellung, dass es neben dem öffentlich beobachtbaren Körper
einen Geist gibt, zu dem wir einen privaten und unmittelbaren Zugang
haben, postuliere ein „Gespenst in der Maschine“, das den Gesetzen einer
geheimnisvollen „Paramechanik“ unterliegt

Der Geist soll zwar nicht den Gesetzen der Mechanik unterliegen, beeinflusst aber
den Körper.

Der Geist soll nicht räumlich sein, befindet sich dennoch innerhalb des Körpers.

Der Geist kann nicht wahrgenommen werden, ist aber trotzdem Gegenstand der
Introspektion

Infiniter Regress: Wenn eine Körperbewegung dadurch eine freie Willenshandlung
wird, dass sie durch einen mentalen Willensakt verursacht wird, dann stellt sich die
Frage, durch was dieser Willensakt verursacht wird (ein weiterer Willensakt?)
Logischer Behaviorismus: Einwände

Regress

Übersetzung von mentalen Zuständen in Verhaltensdispositionen setzt immer
schon Verweis auf andere mentale Zustände voraus


Qualia


Wir meinen mit mentalen Zuständen (z.B. Schmerzen) im Alltagsverständnis
innere subjektive Erfahrungen und nicht Verhaltensdispositionen (z.B. eine
Schmerztablette zu nehmen)
Dissoziation von mentalen Zuständen und Verhaltensdispositionen

63
Z.B. Mary‘s Überzeugung, dass es regnen wird, wird sie nur dann disponieren, einen
Schirm einzustecken, wenn sie zugleich glaubt, dass Regenschirme vor Nässe
schützen, wenn sie sich wünscht, nicht nass zu werden etc.
Es ist möglich, sich Menschen vorzustellen, die mentale Zustände (z.B.
Schmerzempfindungen) haben, ohne dies im Verhalten zu zeigen
Methodologischer Behaviorismus





Leugnen nicht die Existenz geistiger Vorgänge
Aber: um Verhalten wissenschaftlich zu erklären und
vorherzusagen, sei der Verweis auf mentale
Phänomene überflüssig
Annahme mentaler Zustände als Verhaltensursachen
(z.B. Absichten, Wünsche) verlagere nur das Problem
(was verursacht diese Zustände?)
Alles Verhalten sei das Resultat von Lernerfahrungen
in Verbindung mit genetischen Anlagen
Die Psychologie solle sich daher darauf beschränken,
Beziehungen zwischen beobachtbaren Reizen und
Reaktionen und die Gesetzmäßigkeiten des Lernens
von Reiz-Reaktions-Assoziationen zu erforschen
John B. Watson
1878 - 1958
John B. Skinner
1904 - 1990
64
Monistische Positionen
Materialistischer
Monismus
Logischer
Eliminativer
Behaviorismus
Materialismus
Identitätstheorie
Token-Identität
Funktionalismus
65
Typen-Identität
Anomaler
Monismus
Eliminativer Materialismus





67
Wichtige Vertreter: Patricia und Paul Churchland
These: Es gibt keine mentalen Phänomene
Ausdrücke für Mentales beziehen sich auf nichts Existierendes,
sondern werden in der Alltagspsychologie (folk psychology)
verwendet, um Verhalten zu erklären, indem wir Personen
Wünsche, Absichten und Überzeugungen zuschreiben
Die Alltagspsychologie ist aber eine (weitgehend) falsche Theorie,
die langfristig durch Theorien der Kognitions- und
Neurowissenschaft ersetzt werden wird
Alltagspsychologische Begriffe werden durch Begriffe der
Neurowissenschaft ersetzt (statt von „Schmerzen“ oder
„Wünschen“ werden wir dereinst nur noch von den neuronalen
Prozessen sprechen, die die eigentlichen Ursachen unseres
Verhaltens sind)
Eliminativer Materialismus

Paul Churchlands (1989) Argumente gegen die Alltagspsychologie


68
„Wir müssen feststellen, dass die Alltagspsychologie mit ihren Erklärungen auf
ganzer Breite versagt hat, dass die seit zweieinhalb Jahrtausenden stagniert
und dass ihre Begriffe (bislang) unvereinbar mit den Begriffen der
physikalischen Hintergrundtheorien zu sein scheinen, deren langfristiger
Anspruch, das menschliche Verhalten zu erklären, kaum zu bestreiten ist.“
Wissenschaftlicher Realismus: Welche Entitäten es gibt, legen die
jeweils fortschrittlichsten wissenschaftlichen Theorien fest (Quine;
Sellars)

Besessenheit durch Dämonen wurde durch psychiatrische Theorien ersetzt

Annahme eines Élan vital wurde durch Evolutionstheorie ersetzt

„Phlogiston“ wurde durch Oxydationstheorie ersetzt
Einwände gegen den eliminativen Materialismus

Fraglich, ob Alltagspsychologie tatsächlich durch
neurophysiologische Theorien ersetzt werden wird (statt „Ich habe
Angst“  „Region X in meinem Gehirn ist aktiv“)

Qualia-Problem: Was ist mit subjektiven Erlebnisqualitäten?

Fortschritt der Neurowissenschaften könnten auch dazu führen,
dass mentale Phänomene nicht eliminiert, sondern auf
physikalische Phänomene reduziert werden (d.h. sie wären dann
real, aber würden vollständig auf neuronale Prozesse
zurückgeführt)

72
Analogien: Reduktion der Chemie auf die Physik ; Reduktion der klassischen
Physik auf die Quantenmechanik
Monistische Positionen
Materialistischer
Monismus
Logischer
Eliminativer
Behaviorismus
Materialismus
Identitätstheorie
Token-Identität
Funktionalismus
73
Typen-Identität
Anomaler
Monismus
Identitätstheorie





Identitätstheoretiker gehen von der Existenz mentaler Zustände aus
Mentale Phänomene seien identisch mit bestimmten physischen
Phänomenen (Gehirnprozessen)
Annahme nomologischer (gesetzmäßiger) Korrelationen zwischen
mentalen und physischen (neuronalen) Zuständen
Alle aus der Ersten-Person-Perspektive beschriebenen mentalen
Phänomene können vollständig naturwissenschaftlich (d.h. aus der
Perspektive der dritten Person) beschrieben werden
Analogie:





74
Wasser = H2O
Blitz = elektrische Entladung
Gene = bestimmte DNA-Abschnitte
Schmerz = Feuern bestimmter Neurone
Gedanke = bestimmtes Muster neuronaler Aktivität
Identitätstheorie: „Token-Identität“ und
Funktionalismus

Jede einzelne Instanz („token“) eines mentalen Typs ist identisch
mit einem bestimmten neurophysiologischen Zustand


Multiple Realisierbarkeit: Der gleiche mentale Zustand kann durch
unterschiedliche physische Zustände realisiert sein


Schmerz könnte in unterschiedlichen Gehirnen (oder sogar in künstlichen
Systemen) auf unterschiedliche Weise neuronal realisiert sein
Varianten


77
Mein aktueller Schmerz ist identisch mit einem bestimmten aktuellen
neurophysiologischen Zustand
Funktionalismus (Putnam, Fodor)
Anomaler Monismus (Davidson)
Monistische Positionen
Materialistischer
Monismus
Logischer
Eliminativer
Behaviorismus
Materialismus
Identitätstheorie
Token-Identität
Funktionalismus
83
Typen-Identität
Anomaler
Monismus
Funktionalismus



Mentale Zustände lassen sich aus Verhaltensbeobachtungen aus
der Perspektive der dritten Person erschließen
Mentale Zustände sind durch ihre funktionale / kausale Rolle
bestimmt
Die funktionale Rolle eines mentalen Zustands ergibt sich aus
seinen Relationen zu





84
Inputs (äußeren Reizen, die den Zustand verursachen)
Outputs (Verhalten, das durch den Zustand verursacht wird)
Kausalen Relationen zwischen dem Zustand und anderen mentalen Zuständen
Bsp.: Angst vor einem Bären = mentaler Zustand, der eine
bestimmte funktionale/kausale Rolle hat
Der gleiche mentale Zustand kann auf multiple Weise physikalisch
realisiert sein
Multiple Realisierbarkeit funktionaler Zustände
Grundannahme:
•
•
Der gleiche funktionale Zustand
kann in sehr unterschiedlichen
physikalischen Systemen realisiert
sein
Mentale (=funktionale) Prozesse
verhalten sich zu Gehirnprozessen
wie die Software (Programme) zur
Hardware eines Computers
Funktionalismus und die Computermetapher:
Kognition als Komputation


Computer = Symbolverarbeitungsmaschinen, die Symbole nach formalen
Regeln (Algorithmen) erzeugen und transformieren
Ist ein Computer entsprechend programmiert, kann man sein Verhalten
semantisch (bedeutungshaltig) interpretieren




87
z.B. Taschenrechner = physikalisches System, dessen Verhalten konsistent gemäß
der Regeln der Arithmetik interpretiert werden kann
Das Gehirn kann ebenfalls als Symbolverarbeitungsmaschine interpretiert
werden, wobei die Symbole in einem neuronalen Kode (z.B. dem
Feuerungsmuster von Neuronen) realisiert sind
Kognitive Prozesse sind beim Menschen im Gehirn realisiert, könnten
aber theoretisch auch in anderer Hardware implementiert werden
So wie das gleiche Programm auf unterschiedlichen Maschinen laufen
kann (egal ob diese aus Zahnrädern, hydraulischen Ventilen,
Vakuumröhren oder Siliziumchips bestehen), können kognitive Prozesse in
anderer „Hardware“ realisiert werden ( Prämisse der KI)
Informationsverarbeitungsparadigma:
Kognition als Komputation
 Grundannahme: mentale (kognitive) Prozesse können als
Komputationen (Informationsverarbeitungsprozesse) beschrieben
werden, die sich prinzipiell mechanisieren lassen ( computational
cognitive modeling)
Denken
Problemlösen
Gedächtnis
Aufmerksamkeit
Wahrnehmung
?
Entscheiden
Sprache
Informationsverarbeitungsparadigma:
Kognition als Komputation
 Grundannahme: mentale (kognitive) Prozesse können als
Komputationen (Informationsverarbeitungsprozesse) beschrieben
werden, die sich prinzipiell mechanisieren lassen ( computational
cognitive modeling)
Denken
Problemlösen
Gedächtnis
Aufmerksamkeit
Wahrnehmung
?
Entscheiden
Sprache
Drei Beschreibungsebenen für kognitive Prozesse
(Marr, 1982) ( vgl. erste Vorlesung zu Beginn des Semesters!)
Komputationale Ebene

Welche Input-Output-Funktion wird berechnet?


Lichtverteilung  Repräsentation von 3D-Objekten

Schachkonstellation  nächster Zug
Algorithmische Ebene



Wie wird der Input in den Output transformiert?

Mittels welcher mathematischen Berechnungen können
Objektkonturen aus einer Helligkeitsverteilung ermittelt werden?

Auf welchen Regeln/Algorithmen beruht ein effizientes
Schachprogramm?
Implementationsebene

Wie ist der Algorithmus physikalisch realisiert?

Auf welcher Hardware läuft ein Schachprogramm?

Welche neuronalen Prozesse liegen der Berechnung räumlicher
Tiefe oder einer Kaufentscheidung zugrunde?
Zugehörige Unterlagen
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