U M W E LT P R A X I S Nr. 15 / März 1998 Seite 23 BODEN Hohe Bodenbelastungen – ein Problem für die Landwirtschaft: Ein Fallbeispiel Grundlagen Belastungsfläche, Probenahme, Probenaufbereitung und Analytik des Bodens Die drei betroffenen Stellen wiesen eine Fläche von ca. elf Aren auf. Zur Abklärung der Höhe der Belastung und der Ursachen wurden je eine Mischprobe aus den belasteten Stellen und einer Referenzfläche innerhalb dersel-ben Parzelle entnommen. Probenahme und Probenaufbereitung erfolgten gemäss der entsprechenden Wegleitung des Bundes (BUWAL / FAC 1987 / 89). Die chemischen Analysen der Bodenproben wurden gemäss Verordnung über Schadstoffe im Boden (VSBo) 1986 beziehungsweise Methodenhandbuch FAC (1989) durchgeführt. Ertragserhebungen, Probenahme und Analytik der Pflanzen Zur Ermittlung der Erträge wurde auf den belasteten Flächen je eine Are (Wintergerste und Winterweizen) bzw. ein Quadratmeter (Gras) abgeerntet. Die Erträge der unbelasteten Flächen wurden bei der Ernte ebenfalls bestimmt. Die Schwermetallgehalte wurden an Durchschnittsproben von einem Kilogramm Getreide-Körner bzw. Mischproben von zwei Kilogramm Gras (14 bis 16 Entnahmepunkte) bestimmt. Die Proben wurden durch das Kantonale Labor Zürich ungewaschen aufbereitet (interne Labormethode) und nach dem Schweizerischen Lebensmittelbuch, Kap. 45 Spurenelemente (BAG 1989) analysiert. Redaktionelle Verantwortung für diesen Beitrag: AWEL Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft Fachstelle Bodenschutz Thomas Schmid 8090 Zürich Telefon 01 259 31 89 Beurteilungsmassstäbe Die Beurteilung der Schwermetallgehalte im Boden erfolgte anhand der Richtwerte der Das Wachstum bei Winterweizen und Gras war durch die löslichen Schwermetallgehalte (vor allem Zink) stark beeinträchtigt. Foto: Mitte Juli; Fachstelle Bodenschutz BODEN Verschiedene Kulturpflanzen einer landwirtschaftlich genutzten Parzelle wuchsen auffallend schlecht. Abklärungen ergaben, dass diese Wachstumsstörungen nicht aufgrund von Nährstoffmangel beziehungsweise allfälligen Bodenverdichtungen auftraten. Vielmehr schien die durch das Ausbringen von Gerbereiabwässern entstandene Bodenbelastung mit Schwermetallen dafür verantwortlich zu sein. Die Flächen wurden saniert und sind heute wieder uneingeschränkt landwirtschaftlich nutzbar. U M W E LT P R A X I S Nr. 15 / März 1998 Seite 24 BODEN Tabelle 1: Bodenanalysen und Bodenkenngrössen Standort- Probenahmetiefe Totalgehalte Nummer cm 2M HNO3 Zink Chrom mg/kg mg/kg 1 2 3 Referenz 0 bis 20 20 bis 40 40 bis 60 0 bis 20 0 bis 20 0 bis 20 VSBo-Richtwert Kat. II (VSBo-Mitteilung Nr. 4) Median Landwirtschaft Rasternetz Kanton Zürich 986.0 1007.0 710.0 473.0 196.0 116.0 873.0 786.0 561.0 379.0 Bewirtschafter in den vergangenen Jahren folgende Wachstumsstörungen (Tabelle 2): Lösliche Gehalte 0,1M NaNO3 Zink Chrom mg/kg mg/kg Bodenkenngrössen pH-Wert KAK eff. CaCl2 mmol/z/100 g 22.5 20.0 3.2 66.5 35.7 0.066 0.020 0.008 0.070 0.027 5.3 5.7 5.6 4.7 4.8 12.6 – 7.8 9.6 10.0 73.4 43.1 0.6 0.005 5.1 10.5 200.0 350.0 62.1 75.0 200.0 30.7 0.5 1 ca. 0.1 – 0.06 – ca. 6.8 ca. 19 Verordnung über Schadstoffe im Boden, der Mitteilung Nr. 4 zum qualitativen Bodenschutz und zur Verordnung über Schadstoffe im Boden (VSBo-Mitteilung Nr. 4; BUWAL/ FAC 1993), der Eidgenössischen Technischen Verordnung über Abfälle (TVA) und dem Median der Messwerte landwirtschaftlich genutzter Flächen aus dem Zürcher Rasternetz (FaBo 1989). Zur Beurteilung der Schwermetallgehalte in den Pflanzen dienten, wo vorhanden, Erfahrungswerte des Kantonalen Labors Zürich. Die Zink-Gehalte waren in allen Proben deutlich erhöht. Die Gehalte an Chrom und Kupfer waren in Weizen und Gerste nicht auffällig, allerdings fehlten genügend Vergleichsuntersuchungen. Im Gras schien der Gehalt an Chrom und Kupfer höchstens leicht erhöht. Auch hier waren aber keine gesicherten Aussagen möglich. Gemäss Kantonalem Labor Zürich zeigten die Schwermetallgehalte der untersuchten Nahrungs- (Weizen) und Futtermittel (Wintergerste, Gras) keine erhöhten Werte für Blei und Cadmium. Ergebnisse Wachstumsstörungen Bodenuntersuchungen Die relevanten Schwermetalle der belasteten Flächen waren vor allem Zink und Chrom (Tabelle 1). Sowohl die Totalgehalte als auch die löslichen Gehalte lagen teilweise um ein Mehrfaches über den entsprechenden Richtwerten gemäss VSBo. Die Werte der Referenzfläche lagen im Bereich der Mediane landwirtschaftlich genutzter Flächen im Kanton Zürich. Alle Standorte wiesen tiefe pHWerte und tiefe effektive Kationenaustauschkapazitäten (KAK eff.) auf (Tabelle 1). Beide Parameter lagen bei allen Proben deutlich unter den Vergleichswerten aus dem Zürcher Rasternetz. Ertragserhebungen und Pflanzenuntersuchungen Basierend auf den untersuchten Flächen war je nach Kultur mit durchschnittlichen Ertragseinbussen zwischen 50 und 75 Prozent zu rechnen. Die auf den belasteten Flächen angebauten Kulturpflanzen zeigten nach Aussagen der Gefährdungsabschätzung und Massnahmen Gefährdungsabschätzung Zur Abklärung des Handlungsbedarfes wurde in Zusammenarbeit mit den zuständigen Amtsstellen eine Gefährdungsabschätzung bezüglich den Schutzgütern Mensch, Tier, Pflanze, Grundwasser und Boden vorgenommen. Unter den aktuellen Nutzungsverhältnissen konnte eine Gefährdung für Mensch und Tier praktisch ausgeschlossen werden. Da eine Grundwasser-Gefährdung aufgrund der vorliegenden Bodenanalysen nicht ausgeschlossen werden konnte, wurden die in der Nähe liegenden Grundwasser-Pumpwerke auf die kritischen Parameter Zink und Chrom untersucht. Dabei konnten im Grundwasser keine erhöhten Schwermetallbelastungen festgestellt werden. Nach Aussage der zuständigen Amtsstelle war nicht mit einer Gefährdung des Grundwassers zu rechnen. Hingegen waren die Kulturpflanzen und der Boden selbst durch die löslichen Schwermetallgehalte, vor allem Zink, stark beeinträchtigt. Massnahmen aus umweltrechtlicher Sicht Aufgrund der Gefährdungsabschätzung und der geltenden Rechtslage ergab sich folgender Handlungsbedarf: Tabelle 2: Beobachtete Wachstumsstörungen bei Kulturpflanzen auf belasteten Flächen Kultur Gerste… Beschreibung lief normal auf (Nährstoffe aus Keimling); wurde gelb und starb teilweise ganz ab; deutlich kleinere Pflanzen, lockerer Bestand Hafer… ertrug Schwermetallbelastung von allen Kulturen am besten; keine offensichtlichen Ertragseinbussen Weizen… lief normal auf; wurde gelb und starb teilweise ganz ab; deutlich kleinere Pflanzen, lockerer Bestand Mais… erreichte nicht normale Höhe Raps… lief bereits schlecht auf und starb teilweise ganz ab; praktisch kein Ertrag Kartoffeln… Kümmerwuchs Futterrüben… liefen auf und starben allmählich ab; verpflanzte Setzlinge starben ebenfalls wieder ab Wicken-HaferMischung… Wicken starben ab; Hafer wächst Gras… Klee (Rot- und Weissklee) starb praktisch vollständig ab; die Gräser wiesen einen deutlich geringeren Wuchs auf U M W E LT P R A X I S Nr. 15 / März 1998 Seite 25 Auswirkungen der Schwermetallgehalte im Boden (vor allem Zink) auf das Wachstum der Wintergerste (links unbelastet, rechts belastet; Foto: Mitte April, Fachstelle Bodenschutz) l l l Keine Sofortmassnahmen wie z. B. unverzügliche Nutzungsänderung, Abschrankung der belasteten Fläche oder Bodenaustausch Allfällige Bodenverschiebungen aus der Parzelle müssen gemäss der VSBo-Mitteilung Nr. 4 erfolgen. Dies bedeutet, dass insbesondere das Bodenmaterial der belasteten Flächen andernorts nicht wiederverwendet werden darf, sondern gemäss TVA entsorgt werden muss. Die belasteten Flächen dürfen nicht mit zugeführtem, unbelastetem Bodenmaterial überschüttet werden, damit eine Verunreinigung von unkontaminiertem Bodenmaterial verhindert wird (Vermischungsverbot). Allfällige weiterführende Massnahmen wie Immobilisierung der löslichen Schadstoffe, Nutzungsänderung, Bodenüberwachung (periodisches Überprüfen des pH-Wertes) oder gar Bodenaustausch waren Gegenstand der Verhandlungen mit den betroffenen Parteien. Entscheid der betroffenen Parteien Unter Berücksichtigung der im konkreten Fall schwierigen Sachlage haben sich die Parteien geeinigt, die belasteten Flächen zu sanieren. Das belastete Bodenmaterial wurde in Absprache mit den zuständigen Amtsstellen gemäss TVA in einer Deponie fachgerecht entsorgt. Die betreffenden Flächen konnten gleichzeitig bei trockener Witterung mit sauberem Bodenmaterial rekultiviert werden, so dass heute wieder eine unbeeinträchtigte landwirtschaftliche Nutzung der Flächen möglich ist. Fazit Schwermetalle, unter anderem Zink, können in Kombination mit tiefen pH-Werten zu Ertragseinbussen führen. Bei höheren Belastungen sind auch Nutzungseinschränkungen BODEN nicht auszuschliessen. Schwermetallbelastungen im Boden können somit für die Landwirtschaft ein Problem darstellen. Zudem darf belastetes Bodenmaterial nicht frei verschoben werden, was insbesondere bei allfälligen Bauvorhaben zu entsprechenden Auflagen führen kann. Im übrigen ist es bei Güterzusammenlegungen empfehlenswert, auch die Nutzungsgeschichte zu beachten, damit zumindest höhere Schadstoffbelastungen bei der Bodenbonitierung berücksichtigt werden können. Bei Bodenbelastungen ist der Handlungsbedarf aufgrund von Gefährdungsabschätzungen bezüglich Mensch und Umwelt abzuklären, damit verhältnissmässige Massnahmen durchgeführt werden. Zeigt sich, dass das Umweltrisiko von belastetem Bodenmaterial an Ort toleriert werden kann, soll es nach Möglichkeit nicht verschoben werden. Im Einzelfall können gegebene Umstände dennoch dazu führen, dass das Bodenmaterial an Ort nicht belassen werden kann. Soll Bodenmaterial verschoben werden, ist der langfristigen Vorsorge zu genügen (Vorsorgeprinzip). Das heisst, das Bodenmaterial darf nur gemäss der VSBo-Mitteilung Nr. 4 an andern Standorten wiederverwertet werden. Ist die Bodenbelastung so hoch, dass ein Wiederverwertung nicht in Frage kommt, muss das Bodenmaterial nach den Vorschriften der TVA entsorgt werden, was in der Regel mit beträchtlichen Kosten verbunden ist.