13. VORLESUNG / 27.3.2000 / Lenz - poekl

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13. VORLESUNG / 27.3.2000 / Lenz
VERHALTENSTHERAPIE
Vor 15 Jahren auf Betreiben der Krankenkassen Erhebung in Deutschland über
Wirksamkeit der Psychotherapien
=> daraus ergab sich Buch von GRAWE / DONATI / BERNAUER:
Psychotherapie im Wandel. Von der Konfession zur Profession (Hogrefe Verlag)
Festgestellt wurde:
Es gibt viele Psychotherapien, aber nur wenige genügen wissenschaftlichen Standards
Tiefenpsychologische Kurztherapie
sind die einzig wirksamen Verfahren
Kognitive Verhaltenstherapie
Gesprächstherapie
Systemische Therapie
könnten wirksam sein, waren damals aber
Familientherapie
noch zu wenig erforscht
Gestalttherapie
Für Jung’sche Therapie gab es überhaupt noch keine Studien;
autogenes Training in Einzelfällen wirksam, als Therapieverfahren aber ungeeignet
Fazit: Riesenstreiterei (vor allem tiefenpsychologische Langformen regten sich schrecklich
auf...)
Andere Studie von TSCHUSCHE, KÄCHELE & HÖLZER zur Frage:
„Gibt es unterschiedlich effektive Formen der Psychotherapie?“
-> dabei wurde festgestellt: empirische Ergebnisse wurden lange Zeit vernachlässigt.
In Österreich sind viele Verfahren zugelassen, ohne Nachweis der Wirksamkeit
-> Folge: Streiterei mit Krankenkassen, die strengere Kriterien (entsprechend dem deutschen
Modell) an Therapien anlegen wollten als im österreichischen Psychotherapiegesetz
zugelassen.
VERHALTENSTHERAPIE (DEFINITION):
= eine auf empirischer Psychologie basierende psychotherapeutische Grundorientierung.
Umfaßt störungsspezifische und unspezifische Therapieverfahren, die aufgrund von
möglichst hinreichend überprüftem Störungswissen und psychologischem Änderungswissen
eine systematische Besserung der zu behandelnden Problematik anstreben.
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Maßnahmen verfolgen konkrete und operationalisierte Ziele auf verschiedenen Ebenen:
* Ebene des Verhaltens (= kognitive Komponente)
* Ebene des Erlebens (= emotionale Komponente)
* körperliche Ebene
werden berücksichtigt.
Bestimmtes Ziel wird festgelegt; verschiedene Methoden werden angewandt; empirische
Überprüfbarkeit soll abgesichert sein -> Vorher- und Nachher-Messung (problematisch dabei
aber ist: wie stellt man eine Veränderung fest?)
ALLGEMEINE PRINZIPIEN,
DIE ALLEN VERHALTENSTHERAPEUTISCHEN METHODEN ZUGRUNDE LIEGEN:
Verhaltenstherapie
1) orientiert sich an empirischer Psychologie
2) ist problemorientiert
3) setzt an den prädisponierenden, auslösenden und aufrechterhaltenden
Problembedingungen an
4) ist zielorientiert
5) ist handlungsorientiert
6) ist nicht auf das therapeutische Setting begrenzt
7) ist transparent
8) soll Hilfe zur Selbsthilfe sein
9) bemüht sich um ständige Weiterentwicklung
VORURTEILE GEGENÜBER DER VERHALTENSTHERAPIE:
1) Die VHT hat ein allzu einfaches Bild vom Menschen
(basiert angeblich auf reinem Reiz-Reaktions-Modell -> ist falsch!)
2) Die VHT doktert am Symptom herum und geht nicht an die Ursachen
(VHT geht von der Gegenwart aus -> Zurückgehen in Lebensgeschichte ist für
Verständnis wichtig; frühe Kindheit muß aber nicht nachgeholt werden.)
3) VHT beseitigt zwar Symptome, aber dafür treten andere an deren Stelle
(Symptomverschiebung nur bei schlechter VHT, wenn zu schnell irgendein Verfahren
eingesetzt wird.
=> Daher: Notwendigkeit VOR Therapiebeginn = genaue Bedingungsanalyse und
Informationserhebung)
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4) Der VH-Therapeut ist autoritär und der Patient wird manipuliert
(vor allem wegen der diversen Aufgaben und Direktiven an Patienten; aber nur nach
Vereinbarung des Therapieziels. Widerstände des Patienten werden aber genauso beachtet
wie z.B. in der Psychoanalyse. Anweisungen sind nicht autoritäre Anweisungen, sondern
fachlich kompetente Therapieanweisungen)
5) „Die haben für alles ein Programm.“
(vgl. Behandlungspakete für Depressionen, Angststörung, Eßstörung, usw., die aus
verschiedenen Modulen bestehen. Haben sich störungsspezifisch bewährt, trotzdem muß
jeder Patient individuell betrachtet werden; Module sind auch sehr sinnvoll in
Gruppentherapie)
GRUNDLAGEN VON PSYCHISCHEN STÖRUNGEN:
A) Lerntheoretische / kognitive Modelle für psychische Störungen:
1) Störungen als Folgen von Konditionierungsprozessen:
a) Klassische Konditionierungen
b) operante Konditionierungen
2) Störungen als Folge von kognitiven Lernprozessen
3) sozialpsychologische Wirkungsfaktoren
Spielen in VHT zwar noch eine Rolle, aber keine so bedeutende mehr wie noch vor 20 Jahren
B) Kognitive Ansätze (= neuere Modelle):
1) Selbstkontrolle
2) Modell-Lernen:
Modellernen von BANDURA: Person beobachtet Verhalten einer Modellperson und
ändert ihr Verhalten in Richtung des beobachteten Verhaltens
(vgl. Selbstbehauptungstraining)
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3) kognitive Umstrukturierung
(vgl. BECK1 = Begründer der kognitiven Therapie:
dysfunktionale Kognitionen bewirken psychische Veränderungen,
z.B. Stimmungen, Entstehen von Angst, usw.)
VERFAHREN ZUR INFORMATIONSGEWINNUNG IN DER VH-DIAGNOSTIK:
1) Exploration / Interview
2) systematische Verhaltensbeobachtung
3) Selbstbeobachtung und Selbstregistrierung
(Patient beobachtet sich selbst mittels Selbstbeobachtungsbögen; in Rollenspiel)
4) Fremdberichte und externe Datenquellen
5) Situations-Verhaltens-Test (z.B. beim Sozialen Kompetenz-Training)
6) Rollenspiel
7) psychophysiologische Verfahren
(z.B. Hautwiderstandsmessung; Muskelspannungsmessung, Pulsfrequenzmessung,
EEG,...)
8) Verhaltensinventare und Skalen
(zur Dokumentation von Beschwerden und zur Veränderungsmessung)
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BECK: logische Fehler, die von depressiven Personen bei Interpretation der Realität
begangen werden:
* willkürliche Schlüsse (-> aus Einzelereignis wird genereller Schluß gezogen)
* selektive Abstraktion
* Übergeneralisierung
* Über- / Untertreibung
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WICHTIGES PRINZIP / GRUNDLAGE DER THERAPIE:
1) Problemanalyse:
Unter welchen Bedingungen wurde das Verhalten erworben und welche
Faktoren erhalten es aufrecht?
-> Muß zuerst durchgeführt werden! Wenn nicht ordentlich gemacht, kommt es zur
Symptomverschiebung, keine Besserung!
2) Zielbestimmung:
Welche Verhaltensweisen müssen verändert werden (Häufigkeit, Dauer, Intensität,
Bedingungen unter denen sie auftreten?)
-> bewußtes Auswählen in Zielbestimmung
3) Therapieplanung:
Was sind geeignete Methoden, um Therapieziele zu erreichen?
Häufiger Fehler = Ansetzen bei Methoden, ohne Punkt 1) und 2) abgeklärt zu haben.
Merke: Oft ist es notwendig, „am Symptom vorbei zu arbeiten“,
d.h. z.B. bei Zwangsstörung wird nicht diese behandelt, sondern etwas
anderes -> wenn das weggeht, geht auch die Zwangsstörung weg.
SIEBEN PHASEN-MODELL VON KANFER (siehe Zettel!):
Selbstmanagementtherapie; ist modernes Konzept der VHT
=> Verhalten konzipiert als Problem-Löse-Modell; soll Strategie liefern, um selbst
verletzliche Bereiche zu erkennen und um sich bei Rückfall selbst helfen zu können.
ad 1) Eingangsphase:
* Patient soll sich wohl fühlen, soll informiert werden über Therapie und ihre
Möglichkeiten
* Aufgabe von Therapeut und Klient besprechen (beide spiele AKTIVE Rolle!); beide
arbeiten am Ziel mit. Zwischen den Sitzungen ist es notwendig, verschiedene
Aufgaben zu erfüllen.
* Verantwortung für Besserung liegt beim Klienten; Therapeut ist nur eine Art
Katalysator, aber keine Reparaturwerkstätte (ist nicht gleich dem medizinischen
Modell!)
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* Therapiebeziehung ist keine Freundschaftsbeziehung; es geht um die Interessen des
Klienten, nicht um die des Therapeuten.
* Sammlung der Beschwerden; optimale Organisation des Therapiesettings (Therapeut
und Klient sitzen einander gegenüber)
* klare Strukturierung der Therapie (1-2X pro Woche je 1 Stunde; Expositionstherapie
eventuell auch 3 Stunden hintereinander; voraussichtliche Dauer normalerweise 30-50
Stunden2)
ad 2) Aufbau von „Änderungsmotivation“ / vorläufige Auswahl von Änderungsbereichen:
* Abklärung der Motivation des Patienten.
Jeder Patient, der kommt, ist motiviert, oft aber nicht zur Therapie!
(Frage: „Wie wird Ihr Leben ausschauen, wenn Sie z.B. die Ängste nicht mehr haben?“
-> Patient sieht auf einmal, wieviel sekundären Krankheitsgewinn er hat
-> Veränderung könnte somit Nachteil für ihn bringen...).
* Patient soll sich Änderung vorstellen -> soll seine Prioritäten äußern
-> gemeinsam abchecken: Ist das wirklich wichtig?
ad 3) Verhaltensanalyse:
= horizontale und vertikale Verhaltensanalyse:
* horizontale VH-Analyse: bestimmte Situation wird betrachtet; was ist der Auslöser?
(= Mikroanalyse)
BEISPIEL:
Borderline-Patient ärgert sich über ein Telefonat -> kann seinen Ärger
nicht adäquat ausleben -> unerträgliche Spannung -> Selbstverletzung
* vertikale VH-Analyse: Funktion eines Symptoms über die ganze Lebenszeit
betrachten
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z.B. bei Persönlichkeitsstörung ca. 50-100 Stunden
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zum Zettel
„DETERMINANTEN EINER SITUATIVEN VERHALTENSANALYSE AUF HORIZONTALER EBENE“:
1) S... auslösende Situation (z.B. Telefongespräch)
2) O... Organ3- / Personvariable:
* Beta-Variable = psychologische Variable (Kognitions-Gefühl-Muster) (z.B. Ärger)
* Gamma-Variable = körperliche Variable (z.B. Schwitzen, Zittern, usw.)
Aufgrund von * körperlicher Disposition,
* bisheriger Lebenserfahrung und
* aktueller Situation
=> bestimmte Reaktion.
(BEISPIEL:
Borderline-Patienten wurden als Kinder oft mißbraucht -> Aggression
wurde unterdrückt, weil Mißbraucher wichtiger Bezugsperson -> Gefühle
dürfen nicht wahrgenommen werden, es entsteht bloß Spannung
-> Selbstverletzung; ist auch Schuldigfühlen für bestimmte Gefühle,
Selbstverletzung als Bestrafung.
Merke: auch bei Freude -> „ich darf mich nicht freuen“
-> Selbstverletzung!)
3) V... Verhalten:
* Alpha-Variable = unmittelbare Verhaltensvariable (ad Beispiel: Selbstverletzung)
* Beta-Variable = bestimmtes Gedankenmuster (ad Beispiel: „ich fühle mich dieser
Spannung hilflos ausgeliefert“)
* Gamma-Variable = körperliche Variable (ad Beispiel: Herzklopfen, Schwitzen, usw.)
4) K... Konsequenz:
Wie reagiert die Umwelt?
* negative Reaktion:
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Umwelt reagiert ablehnend, beschimpfend
(bei Selbstbeschädigungstendenz häufig! Patient macht
„Scherereien“)
bei körperlicher Erkrankung, Unfall, etc. -> andere Voraussetzungen z.B. für Beziehung
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* positive Reaktion:
Umwelt reagiert mit vermehrter Zuwendung (Gespräch mit
wichtigen Personen wird eher möglich...)
-> Rückkoppelung auf Situation/Objektvariable/Verhalten:
d.h. „immer, wenn ich mich verletze, kümmert sich
jemand um mich“ -> häufiger Verletzungen, um das zu
bekommen, was man möchte!)
=> Daher: bei Borderline zwar medizinische Versorgung,
aber KEINE vermehrte Zuwendung, sondern
Stop aller therapeutischen Maßnahmen, bis
Patient allein oder in der Gruppe Selbstanalyse
seines Verhaltens gemacht hat!
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Film über einen Patienten mit Zwangsstörung aus VHT-Ambulanz in Hamburg
Ergänzungen aus der Diskussion:
Indikation der VHT:
Angst, Zwang, Depression, Eßstörung, somatoforme Störung;
auch für Persönlichkeitsstörung
(Borderline -> „bioleptische VHT“),
narzißtische Persönlichkeitsstörung
(von YOUNG; hier spielt therapeutische Beziehung, die
früher eher abgetan wurde, eine wichtige Rolle)
Kontraindikationen:
im Grunde keine; außer bei schwerer kognitiver Beeinträchtigung
(z.B. bei Alkoholisierung, schwerer Depression, akuter Psychose)
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