Revisionsendoprothetik am Kniegelenk

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Revisionsendoprothetik am Kniegelenk
Revisionsendoprothetik am Kniegelenk
V. Gärtner, H.−P. Scharf
Orthopädisch−Unfallchirurgisches Zentrum, Universitätsklinik Mannheim
Der künstliche Kniegelenkersatz zählt zu den erfolgreichs−
ten Behandlungen im orthopädisch−unfallchirurgischen
Fachgebiet. Nach 10 ± 15 Jahren mittlerer Prothesenstand−
zeit kommt es jedoch in 3 ± 8 % zu Versagensfällen, die eine
Wechseloperation notwendig machen. Bei ca. 125 000
Implantationen von Kniegelenken im Jahr in Deutschland
(www.bqs−qualitaetsreport.de/2006) ist die Revisions−
endoprothetik mit 8546 Operationen im Jahr 2006 von
zunehmender Bedeutung.
Revisionsoperationen sind für den Operateur intellektuell
und handwerklich anspruchsvoller als die primäre Implan−
tation einer Knieendoprothese. Sie benötigen ein höheres
Maß an Prozesskoordination und eine breitere Palette von
Instrumenten und Implantaten, um ein optimales Ergebnis
für den Patienten zu erzielen. Somit zählen Revisionsein−
griffe auch zu den finanziell aufwendigen Eingriffen.
chenbeschichtungen und zur Entwicklung spezieller Revi−
sionsendoprothesen.
Lockerungen der Prothesen sollten rechtzeitig erkannt
werden, damit eine Wechseloperation vor einer ausge−
dehnten Destruktion des Knochenlagers durchgeführt
werden kann. Wenn die an die Prothese angrenzenden
Knochenareale bereits erheblich geschädigt sind, werden
aufwendige Rekonstruktionen mit Knochentransplanta−
tionen oder die Verwendung von Spezialimplantaten
notwendig.
Eine krankengymnastische Nachbehandlung zunächst in
der behandelnden Klinik und anschließend in speziellen
ambulanten oder stationären Rehabilitationseinheiten
sollte stets erfolgen.
Die intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit
den Ursachen des Implantatversagens und seiner Vermei−
dung führt aktuell zur Untersuchung neuartiger Oberflä−
Nach der Revision einer Endoprothese entscheiden die
Wundheilung, die knöcherne Integration der Implantate
und das intraoperative bzw. schon vorhandene Weichteil−
trauma über den Erfolg der Operation.
Einleitung
Ätiologie
Epidemiologie
Angaben über Revisionsraten in der Knieendoprothetik
schwanken in der Literatur je nach Primärimplantat
zwischen 1,4 % und 31 %. Aufgrund der fortschreitenden
Alterung der Bevölkerung ± 80 % der Arthrosepatienten
sind aktuell älter als 40 Jahre und voraussichtlich wird
im Jahr 2050 jeder Dritte unter Gelenkproblemen leiden
± ist zu erwarten, dass sich der Bedarf an künstlichem
Kniegelenkersatz in den nächsten 50 Jahren verdoppeln
wird. Bei derzeit ca. 125 000 Implantationen von Knie−
endoprothesen jährlich ist deshalb auch mit einer
weiteren Steigerung der Revisionseingriffe zu rechnen.
Trotz der stetigen Optimierung der Implantate, der
Operationstechniken und des perioperativen Manage−
ments steigt die Zahl der Revisionen im Vergleich zu
den Primärimplantationen überproportional an. Dieser
Trend ist unter anderem Folge der Verbreiterung der
Alterspyramide mit zunehmender Versorgung beson−
ders alter (> 80 Jahre) und junger (< 60 Jahre) Patienten.
Die häufigsten Ursachen für eine Wechseloperation
sind nach Angaben des schwedischen Endoprothesen−
registers
n
Lockerungen der Endoprothesenkomponenten
(40 %),
n
Instabilität der Endoprothese (33 %),
n
Patellaprobleme (17 %),
n
Infektionen (8 %),
n
periprothetische Frakturen (3 %),
n
Polyethylenabrieb (2 %).
Wie alle technischen Gelenke unterliegen auch die
Knieendoprothesen dem normalen mechanischen Ver−
schleiß und der Materialermüdung (Abb. 1). Deren Aus−
maß wird im Wesentlichen durch die Qualität und
Quantität der Beanspruchung der einzelnen Kompo−
nenten bestimmt. Dem Polyethylenabrieb kommt dabei
eine besondere Bedeutung zu.
Der mechanische Verschleiß korreliert mit dem Ak−
tivitätsgrad und dem Gewicht des Patienten. Allein die
regelhafte Nutzung des Implantates führt zwangsläufig
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
ê2008 ê233 ± 246 êDOI 10.1055/s−2008−1077515
233
Beckengürtel und untere Extremität
im Laufe von Jahren zur Alterung der Implantatmate−
rialien und zur Entstehung von Abriebpartikeln. Letzte−
re induzieren eine Fremdkörperreaktion, die eine Akti−
vierung der Osteoklastentätigkeit bewirkt und zur
lokalen Osteodestruktion führt, die als Hauptursache
der Lockerungsvorgänge gesehen wird (Abb. 2).
Neben diesem normalen, gebrauchsbedingten
Verschleiß kann das Versagen insbesondere des Poly−
ethyleninlays durch eine falsche Implantatpositionie−
rung (31 %), ein unausgewogenes Weichteilbalancing
oder durch die Verwendung eines zu dünnen Inlays
beschleunigt werden (Abb. 3). Deshalb wird eine Min−
destdicke von 8 mm für ein Polyethyleninlay empfoh−
len, um das Risiko einer oberflächennahen Delamina−
tion zu reduzieren.
Lockerungsprozesse können frühzeitig auch durch
Früh−, Spät− oder Low−Grade−Infekte bzw. seltene aller−
gische Reaktionen ausgelöst werden. Durch hohe hy−
gienische Ansprüche an das Operationspersonal und
das Operationsumfeld konnte die Infektionsrate bei
Prothesenimplantationen auf 0,5 ± 2 % gesenkt werden.
Die klinische Relevanz von Metallallergien bleibt da−
gegen umstritten.
Abb. 1 n Bruch
des Inlays bei
Abnutzung (a)
und korrespon−
dierender Scha−
den am Tibia−
plateau (b).
Diagnostik
Abb. 2 n Fremd−
körperreaktion
durch Abrieb−
partikel.
Diagnostisches Vorgehen
In Anbetracht der Tragweite einer Wechseloperation
sollten wenigstens ein klinisches Kriterium und ein
röntgenologisches Kriterium (z. B. Lockerungszeichen
im Röntgenbild) oder ein labordiagnostisches Kriterium
(z. B. Entzündungsmarker) erfüllt sein. Neben dem kli−
nischen Untersuchungsbefund geben Veränderungen
im Röntgenbild am besten Aufschluss über die Diagno−
se. Dazu sollte eine Aufnahme des Kniegelenkes in
2 Ebenen und der Patella axial erfolgen, ggf. im Stehen
oder zusätzlich als Ganzbeinstandaufnahme, um zu−
nehmende Achsabweichungen feststellen zu können.
Zusätzlich sollten möglichst lang zurückliegende Rönt−
genuntersuchungen zum Vergleich vorliegen. Anhand
dieser Vergleichsaufnahmen können eine Migration der
Prothesenkomponenten oder Lysesäume um die Pro−
these bzw. knöcherne Defekte erkannt werden. Radio−
logische Aufhellungszonen von mehr als 2 mm und eine
veränderte Implantatlage korrelieren in hohem Maße
mit einer klinischen Lockerung (Abb. 4).
Die Interpretation der Röntgenbilder wird oft
durch eine unzureichend genaue Projektion der Bilder
erschwert. Im seitlichen Strahlengang verdeckt das
Femurschild, bei Rotation bzw. im a.±p. Strahlengang
das Tibiaplateau die Implantat−Knochen−Grenze.
Abb. 3 n Abrieb
des Polyethylen−
inlays.
234
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
ê2008 ê233 ± 246
Revisionsendoprothetik am Kniegelenk
" Cave. Die radiologischen Anzeichen können in Abhän−
gigkeit von der angewandten Röntgentechnik variieren,
die Befunde sind nicht immer eindeutig zu interpretieren.
So ist man z. B. im schwedischen Knieendoprothesenre−
gister davon abgekommen, prä− und postoperative Rönt−
genbilder zu beurteilen, da vergleichbare Standards für
die Aufnahmetechniken nicht vorlagen.
Die aufflammende Frühinfektion ist klinisch zumeist
deutlich erkennbar. Besonders schwierig ist das klini−
sche Erkennen einer chronischen oder ¹Low−Grade−In−
fektion“. Diese kann, bedingt durch die meist geringe
Virulenz der Erreger, klinisch, radiologisch und labor−
chemisch inapparent verlaufen.
Zum Ausschluss einer allergischen Implantatlocke−
rung sollte eine Epikutantestung mit den Endoprothe−
senmetallen erfolgen, hierzu gibt es von den Herstellern
geeignete Metallplättchen.
Klinik
Die Diagnose einer Knieendoprothesenlockerung ist
selten eindeutig, in aller Regel resultiert sie aus der
Zusammenfassung der einzelnen Befunde. In der
Anamnese stehen meist persistierende oder erneut
aufgetretene, häufig belastungsabhängige Schmerzen
im Vordergrund. Es können auch eine Schwellneigung,
Gelenkergüsse sowie Bewegungseinschränkungen und
oft auch Instabilitäten des betroffenen Gelenkes hin−
weisend sein. Es kann ein Rüttel− und Stauchungs−
schmerz auslösbar sein. Bei einem Infekt können häufig
auch zusätzlich eine Überwärmung und Rötung auftre−
ten. Fehlen diese Zeichen, ist ein Infekt jedoch keines−
falls dadurch auszuschließen.
Labor
Die Bestimmung der Leukozytenzahl, die BSG und das
C−reaktive Protein (CRP) sind Standards der serologi−
schen Infektionsdiagnostik. Bei Patienten ohne weitere
entzündliche Erkrankungen und klinischem Verdacht
auf eine periprothetische Infektion wird über eine Sen−
sitivität von 82 % und Spezifität von 85 % der BSG sowie
eine Sensitivität von 96 % und Spezifität von 92 % des
CRPs berichtet. Diese Einschätzung ist aber für Patien−
ten mit Komorbiditäten sehr optimistisch. Entschei−
dend sind hier vielmehr der Verlauf dieser Parameter
und deren Korrelation zu anderen Untersuchungser−
gebnissen. Zur Beurteilung des postoperativen Verlaufs
sind sie unverzichtbar.
Abb. 4 n Typische Lockerungszeichen im Röntgenbild: Lysesaum > 2 mm und eine zuneh−
mende Achsabweichung.
Mikrobiologie
Der präoperativen Keimidentifizierung kommt eine
entscheidende Bedeutung zu, da die Art der Erreger das
peri− und postoperative Antibiotikaregime bestimmt.
Leider gelingt eine Keimbestimmung nicht zuverlässig,
insbesondere bei wenig virulenten Keimen der Low−
Grade−Infektionen kann der Versuch eines mikrobiolo−
gischen Nachweises des Erregers misslingen.
Bildgebende Verfahren
Röntgen. Für die Beurteilung einer symptomatischen
Endoprothese ist das Röntgenbild essenziell. Ein Inlay−
verschleiß, Lysesäume, Knochendefekte und Lage−
änderungen der Implantate und zunehmende Achs−
abweichungen können erkannt werden. Spezifische
Veränderungen, die eine Infektion beweisen, gibt es
jedoch nicht. Zu den möglichen radiologischen Ver−
änderungen bei chronischer Infektion zählen:
n
Osteopenie
n
End− und Periostitis
n
auffällige und teils rasch progrediente Osteolysen
n
eine Migration der Prothese (> 2 mm/6 Monate)
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
ê2008 ê233 ± 246
235
Beckengürtel und untere Extremität
Die Osteolysen können aber auch Ausdruck von Fremd−
körpergranulomen sein. Das Vorliegen einer septischen
Lockerung sollte bei einem derartigen Befund in Be−
tracht gezogen werden, insbesondere wenn keine wei−
teren mechanischen Ursachen augenscheinlich sind.
Magnetresonanztomografie (MRT). Die MRT wird zur
Diagnostik der Prothesenlockerung oder der peri−
prothetischen Infektion noch nicht angewendet. Die
Metallartefakte erlauben keine sichere Beurteilung
des periprothetischen Gewebes. Arbeiten zur Verbes−
serung der Bildqualität und Reduktion der Artefakt−
beladung zeigen aber ein mögliches zukünftiges
Potenzial dieser Technik.
Computertomografie (CT). Auch die CT ist nicht frei von
Artefakten. Sie kann jedoch in gewissen Grenzen einen
Überblick über den Knochenstatus geben und kann
Weichteilabszesse, Gelenkergüsse, Knochenerosionen
und Lysesäume um Endoprothesen durchaus zuverläs−
sig darstellen. Eine spezifische Information zur mögli−
chen septischen Genese liefert diese Untersuchung
nicht.
Nuklearmedizin. Die Dreiphasenskelettszintigrafie mit
99mTechnetium wird häufig angewendet. Sie zeichnet
sich durch eine hohe Sensitivität und nur geringe Spe−
zifität aus. Zudem schränkt eine physiologische Erhö−
hung des Knochenstoffwechsels im ersten postoperati−
ven Jahr um eine Endoprothese herum die Aussagekraft
dieser Untersuchungstechnik ein.
Eine höhere Spezifität von 86 % hat die 111Indium−
markierte Leukozytenszintigrafie, die jedoch zeitauf−
wendig und mit hohen Kosten verbunden ist. Die An−
wendung einer FDG−Positronenemissionstomografie
(FDG−PET) wird kontrovers diskutiert. Ein unspezifi−
sches Signal ist auch mehr als 3 Jahre nach Endoprothe−
senimplantation sichtbar. Die Aussage hinsichtlich der
Spezifität ist eingeschränkt.
Therapie
Therapieprinzipien
Revisionseingriffe sind wesentlich schwieriger als die
primäre Implantation einer Kniegelenkendoprothese
aufgrund der Änderung der anatomischen Gegebenhei−
ten, der Knochensubstanzverluste und durch die meist
bestehende Laxizität der Bandstrukturen. Zwar sind die
Seitenbänder in aller Regel erhalten, der Streck− und
Beugespalt ist aber durch knöcherne Defekte und nar−
bige Kontrakturen meist ungleich.
236
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
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Hintergrund
Algorithmus bei Kniegelenkrevisionen
n
Ausschluss einer Infektion
n
Identifikation und Analyse der Versagensursache
n
Planung des Revisionseingriffes (Implantate, Knochenbank)
n
Anwendung von adäquaten Revisionssystemen
Therapeutisches Vorgehen
Die Wechseloperationen bringen eine Vielzahl von
Problemen mit sich. Es fehlen die anatomischen Land−
marken und die klassischen Operationstechniken
(measured resection, gap balancing) können nur be−
dingt eingesetzt werden. Deshalb sind auch die klini−
schen Ergebnisse nach Revisionen weniger reprodu−
zierbar und den Resultaten primärer Implantationen
teilweise unterlegen. Bei einem nachgewiesenen Infekt
wird ein zweizeitiges Vorgehen mit dem Ausbau der
Prothese und einer temporären Spacerimplantation
favorisiert. Eine erregerspezifische Antibiose sollte für
2 ± 3 Monate durchgeführt werden. Nach Absetzen der
Antibiose wird anhand einer Verlaufskontrolle des
CRPs, der Leukozytenzahl und durch eine Gelenkpunk−
tion die aktuelle Infektlage abgeschätzt und bei klinisch
und laborchemisch blandem Ergebnis die Reimplanta−
tion geplant.
Operationsvorbereitung
Aufklärung. Über folgende allgemeine Komplikationen
sollte wie bei der primären Implantation aufgeklärt
werden:
n
Wundheilungsstörung
n
Bewegungseinschränkung
n
Restbeschwerden
n
Blutung
n
Hämatom
n
Infektion mit Ausbau und Spacereinlage
n
Verletzung von Gefäßen, Nerven, Muskeln
n
sensible und motorische Ausfälle
n
Änderung der Beinachse
n
Achsenasymmetrie
n
periprothetische Frakturen
n
Polyethylenabrieb
n
erneute Prothesenlockerung und Wechseloperation
n
Patellaluxation
n
fehlerhaftes Alignment
Blutsperre. Die Wechseloperation der Knieprothese
erfolgt in der Regel unter Blutsperre.
Revisionsendoprothetik am Kniegelenk
" Cave. Kontraindikationen für die Verwendung einer
" Cave. Bei der Lagerung und Abdeckung muss darauf
Blutsperre sind
± das Vorliegen einer höhergradigen peripheren
Verschlusskrankheit,
± ein Popliteaaneurysma,
± Z.n. Thrombose,
± Thrombophilien,
± das Vorliegen einer septischen Lockerung.
Dies sollte in der Anamnese und der klinischen Unter−
suchung berücksichtigt werden.
geachtet werden, dass Außen− und Innenknöchel gut
tastbar sind.
Vorteile dieser Technik sind eine verbesserte Übersicht
und eine bessere Verbindung des Knochenzements mit
dem Knochen. Nebenbei ist der Blutverlust bei der
Operation geringer. Es gibt keine exakte zeitliche Be−
grenzung für die Dauer der Blutsperre, unter Berück−
sichtigung der Extremitätenischämiezeit sollte eine Zeit
von 2,5 Stunden möglichst nicht überschritten werden,
ggf. muss die Blutsperre zwischenzeitlich intraoperativ
geöffnet werden.
Blutkonserven. Trotz der geringen Transfusionshäufig−
keit sollte bei allen Patienten präoperativ die Blutgrup−
pe bestimmt und Blutkonserven routinemäßig ausge−
testet werden. Diese können dem Patienten bei Bedarf
intraoperativ oder postoperativ auf Abruf transfundiert
werden. Prinzipiell sind hierzu Eigenblut− oder Fremd−
blutkonserven geeignet. Bei einer Transfusionshäufig−
keit von über 10 % sollte dem Patienten nach dem Ver−
ständnis der derzeit gültigen Rechtsprechung die
Möglichkeit zur Eigenblutspende angeboten werden,
sofern keine Kontraindikationen (z. B. kardiale Erkran−
kungen, maligne Grunderkrankungen, Anämien) vor−
liegen.
Narkose. Für die Narkose sind unterschiedliche Verfah−
ren geeignet. Knieendoprothesenwechsel können so−
wohl in Spinalanästhesie als auch in Intubationsnarkose
erfolgen. Für die postoperative Analgesie bieten der
Femoralis− und/oder Ischiadikusblock in Form einer
einmaligen Injektion oder eines Schmerzkatheters dem
Patienten Vorteile. Mithilfe der peripheren Nervenblo−
ckaden kann der Bedarf an zentral wirkenden Analge−
tika deutlich reduziert und entsprechende Nebenwir−
kungen vermieden werden.
Operationsablauf
n
Lagerung
n
Zugang
Es erfolgt ein ca. 20 cm langer Hautschnitt in der Mit−
tellinie, wann immer möglich im Verlauf der alten Nar−
be. Sollte es nicht möglich sein, die alte Narbe in den
Zugangsweg mit einzubeziehen, muss auf einen ausrei−
chenden Abstand geachtet werden, um spätere Haut−
nekrosen zu vermeiden. Anschließend erfolgt ein me−
dialer parapatellarer Zugang. Die Patella wird nach
lateral luxiert und eine Beugestellung von 90 ± 1208
eingestellt. Bei kontrakter Valgusdeformität kann auch
ein lateraler Zugang mit Luxation der Patella nach me−
dial gewählt werden. Bei der Eröffnung der Gelenkhöhle
sollte ein Abstrich aus dem Gelenkraum entnommen
und ggf. eine Synovektomie durchgeführt werden. Das
entnommene Material kann zur mikrobiologischen und
histologischen Untersuchung verwendet werden.
n
Operationstechnik
Arthrofibrotisches Narbengewebe wird sorgfältig ent−
fernt. Im Anschluss werden die Prothesenkomponenten
und Zementreste entfernt. Dabei muss sorgfältig auf
eine Schonung des periprothetischen Knochens geach−
tet werden. Um möglichst wenig Knochen zu verletzen,
kann es notwendig werden, unmittelbar an der Grenze
zwischen der Prothese und dem Knochen mit einer os−
zillierenden Säge einzugehen. Falls notwendig, wird der
Markraum aufgefräst.
Wiederherstellung der Beinachse. Nach dem Entfernen
der Implantate kann die Reimplantation in der ¹Femur−
oder Tibia−first“−Technik erfolgen. Die Autoren bevor−
zugen die ¹Tibia−first−Technik“, da der Ausgleich von
Streck− und Beugespalt in dieser Technik leichter fällt.
Die korrekte Beinachse beträgt 5 ± 78 Valgus und wird
durch eine rechtwinklige Tibiaosteotomie und die val−
gisierende Osteotomie des distalen Femurs erreicht. Die
Resektion mit intramedullären Resektionslehren ist in
der Regel bei den fehlenden anatomischen Orientie−
Therapieziele
n
n
Der Patient wird auf dem Rücken gelagert. Das Bein
wird steril abgewaschen und vom Fuß bis zum Unter−
schenkel mit einem Fußsack bedeckt. Vor dem Schlie−
ßen der Blutsperre erfolgt die intraoperative Antibioti−
kaprophylaxe.
n
n
Wiederherstellen der Beinachse in 3 Ebenen
Wiederherstellen der Gelenkstabilität durch die
Weichteilspannung/Quadrizepsfunktion/gekoppelte
Prothese
Erhalt oder Rekonstruktion der Gelenklinie
Ersatz oder Rekonstruktion knöcherner Defekte
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
ê2008 ê233 ± 246
237
Beckengürtel und untere Extremität
Abb. 6
Abb. 5 n Revisionsendoprothese mit tibialem diaphysärem Schaft und tibiomedialem
Metallaufbau.
rungspunkten leichter, wobei gilt, soviel wie nötig und
so wenig Knochen wie möglich zu entfernen.
n
Gekoppelte Prothese.
Bei einem dekompensierten, nicht zu korrigierendem
Verhältnis zwischen Streck− und Beugespalt kann die
Implantation einer gekoppelten Prothese im Sinne eines
Rotating−Hinge notwendig werden (Abb. 6).
Die Indikation zu einer achsgeführten Endoprothese
besteht bei einem insuffizienten Kapsel−Band−Apparat
oder einer hochgradigen Inkongruenz des Beuge−
Streck−Spaltes. Liegt eine achsgeführte Prothese mit
langstreckiger Verankerung im Ober− und Unterschen−
kelknochen ein, ist in aller Regel nur der Wechsel auf
eine neue achsgekoppelte Prothese möglich (Abb. 7).
" Cave. Die achsgeführte Prothese hat geringere Rück−
Instabilität der Bandstrukturen. Ein schwieriger Teil des
Revisionseingriffes ist das Erreichen eines guten ¹rota−
tional alignment“. Kritisch ist dabei, wie viel Knochen
von den posterioren Femurkondylen beim primären
Gelenkersatz reseziert wurde. Aufgrund der Knochen−
defekte neigt der Operateur zur Implantation kleinerer
Komponenten, was insbesondere beim Femur zu einer
erheblichen Vergrößerung des Beugespaltes bei unver−
ändertem Streckspalt führt. Über tibiale und femorale
Releasetechniken können diese Unterschiede nur
schwer ausgeglichen werden. Alternativ werden die
entstandenen Defekte durch Metallkeile in der Femur−
komponente ausgeglichen, die dann den Einsatz der
korrekten Implantatgröße erlauben und damit eine
ligamentäre Stabilität in Streckung und Beugung er−
reichen.
Revisionsendoprothesen. Knochensubstanzdefekte oder
der Verlust der Bandführung können den Einsatz von
gekoppelten Implantaten, diaphysären Verankerungen
(stems) oder sog. Metallaufbauten (wedges) notwendig
machen (Abb. 5).
238
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
ê2008 ê233 ± 246
zugsmöglichkeiten durch die meist langstielige zemen−
tierte Verankerung im Schaft. Es kommt bei der hohen
Belastung zu einem schnellen Verschleiß der Komponen−
ten und zu Lockerungen. Bessere Ergebnisse erzielen
achsgeführte Modelle mit Rotationsmöglichkeit.
Spezialimplantate mit überlangen Stielen können als
Sonderanfertigung bestellt werden. Die Herstellung
dieser individuell angefertigten Prothese kann Zeit in
Anspruch nehmen.
Resektionsendoprothesen. Bei ausgedehnten Knochen−
substanzverlusten fehlt aufgrund der bestehenden Län−
gendefizite oft die Möglichkeit, sich auf eine Arthrodese
zurückzuziehen, sodass die Implantation von Resek−
tionsendoprothesen oder Arthrodesestäben notwendig
werden kann. Bei diesen Versorgungen werden das ge−
samte diaphysäre Femur und/oder die Tibia durch eine
Resektionsendoprothese ersetzt. Die Verankerung er−
folgt rein diaphysär. Voraussetzung ist der Erhalt und
die Funktion des Streckapparates, sonst bleibt nur der
Rückzug auf die Arthrodese.
Revisionsendoprothetik am Kniegelenk
Patellaproblematik. Beschwerden der Patella können
eine patellare oder auch femorale Ursache haben. Als
patellare Ursache kann ein Abkippen (Tilting) der Pa−
tella oder eine Lateralisation genannt werden. Bei einer
Fehlrotation der femoralen Komponente kommt es
sekundär zu einer fehlerhaften Führung (Subluxation,
Luxation) der Patella.
Navigationssysteme. Hilfreich können zusätzliche intra−
operative Informationen durch moderne Navigations−
systeme sein. Insbesondere bei Einstellung des Streck−
und Beugespaltes wie auch bei der Vermessung der
anatomischen Landmarken zur Bestimmung der Ge−
lenklinie sollen die erzielten Ergebnisse zum Teil dem
konventionellen Vorgehen überlegen sein. Eine ab−
schließende Bewertung ist allerdings aufgrund fehlen−
der Daten derzeit nicht möglich. Navigationssysteme
bestehen aus drei wesentlichen Komponenten:
n
Infrarot−3−D−Kamera mit Infrarotsender
n
optische Reflektoren (Arrays) am Patienten oder am
Instrument des Operateurs
n
Rechner, der das virtuelle Objekt darstellt
Die Arrays sind mit jeweils drei reflektierenden Kugeln
in unterschiedlicher, bestimmter geometrischer Anord−
nung versehen. Sie werden starr an Tibia und Femur
angebracht. Die Anordnung der Kugeln ist dem Objekt
eindeutig zugeordnet: Das T−förmige Array befindet
sich am Unterschenkel, das Y−förmige am Oberschenkel.
An den verschiedenen Instrumenten finden sich andere
Anordnungen der Kugeln. Die Kamera erkennt im drei−
dimensionalen Raum nur diese Reflektoren.
Knochensubstanzverlust. Schwierigkeiten bei Revisions−
operationen am Kniegelenk bereiten vor allem Kno−
chensubstanzdefekte, die durch avaskuläre Osteo−
nekrosen, Granulome, Osteolysen, Infektionen, oder im
Rahmen der Revisionseingriffe bei der Entfernung des
Implantats entstehen können.
Defekte unterhalb von 5 mm können mit Zement,
zwischen 5 und 10 mm mit Aufbauten (Wedges) oder
autogenen bzw. allogenen kortikospongiösen Trans−
plantaten aufgebaut werden. Bei noch größeren Defek−
ten werden metallische Aufbauten und ggf. Allografts
verwendet. Bei Defekten > 10 mm empfiehlt sich zu−
sätzlich der Einsatz von Implantaten mit einer medul−
lären diaphysären Krafteinleitung.
Knöcherne Defekte, bei denen die Kortikalis noch
steht und tragfähig ist (¹contained“ Defekt), werden mit
Knochenspänen aufgefüllt.
Defekte, bei denen ein tragender Kortikalisrahmen
fehlt (¹uncontained“ Defekt), zwingen zur Rekonstruk−
tion mit strukturellen Knochentransplantaten, die eine
zusätzliche Osteosynthese des eingebrachten Knochens
notwendig machen können. Bei sehr ausgedehnten os−
Abb. 7
n
Achsgeführte Endoprothese.
Hintergrund
Knieendoprothesentypen
Knieendoprothesentypen
Oberflächenersatzprothese
Scharnierprothese
teilgekoppelt
ungekoppelt
kreuzbandersetzend
mit rotierender
Plattform
kreuzbanderhaltend
ohne rotierende
Plattform
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
mit und
ohne
rotierende
Plattform
ê2008 ê233 ± 246
mit
mobile
bearings
239
Beckengürtel und untere Extremität
Abb. 8 n
Knöcherner zysti−
scher Defekt der
lateralen Femur−
kondyle (a),
Auffüllung mit
Knochenspan (b)
und Resultat (c).
Nachteile sind die geringe Gefahr einer Krankheits−
übertragung von z. B. HIV (1 : 1000 000) und die sehr
lange Dauer der Integration (Abbau des Transplantats
und gleichzeitiger Aufbau durch körpereigenen Kno−
chen) zu erwähnen.
n
sären Defekten, die nicht ausreichend durch autogenes
Knochenmaterial ersetzt werden können, gibt es die
Möglichkeit zur Defektauffüllung mit Knochenchips
oder Blöcken aus Spenderknochen (¹strukturelle Allo−
grafts“; Abb. 8).
Für die Knochentransplantation kann Spenderkno−
chen, z. B. Hüftköpfe von ausgewählten Koxarthrose−
patienten, aus einer Knochenbank verwendet werden.
Vorteile des Allografts liegen in seiner Biokompatibilität
und der Möglichkeit der ossären Reintegration. Als
240
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
ê2008 ê233 ± 246
Weitere Operationsverfahren
Neben dem Prothesenwechsel sind Arthrodese, Resek−
tionsarthroplastik oder Amputation als weitere Verfah−
ren zu nennen. Anzustreben ist der Prothesenwechsel
zur Erhaltung der Kniegelenkfunktion und damit einer
besseren Lebensqualität des Patienten. Die Arthrodese
und die Resektionsarthroplastik sind letzte operative
Maßnahmen zum Erhalt eines tragfähigen Beines.
Die Indikation zur Arthrodese besteht bei starker Zer−
störung des Gelenkes durch Infekte, Tumoren oder nach
multiplen Voroperationen mit kritischer Weichteil−
situation oder bei neuropathischen Erkrankungen, wie
z. B. fehlender Quadrizepsfunktion bei Poliomyelitis.
Eine Kontraindikation ist die ipsilaterale Hüftgelenk−
arthrodese.
Der Erfolg einer Arthrodese ist abhängig vom Im−
plantattyp. So zeigen sich deutliche Unterschiede nach
Entfernung bikondylärer Prothesen mit 81 bzw. 56 %
und nach Entfernung achsgekoppelter Totalprothesen
Revisionsendoprothetik am Kniegelenk
OP−Schritte und Tricks
Problemlösungen
Bei der Wechseloperation von einer Schlitten−/unikondy−
Knochendefekt/Gelenklinie
lären Prothese zu einem Oberflächenersatz kann der Kno−
chen des intakten Kompartiments zum Auffüttern des
knöchernen Defektes im Bereich der Prothese verwendet
werden (Abb. 9).
Kleine Defekte
< 50 mm, < 50 % des
Tibiaplateaus
Höheres
Inlay
Metallaugment
Große Defekte
> 50 mm, > 50 % des
Tibiaplateaus, >15 mm
Bone
graft
Allograft
Composit
spezielle
Prothese
Gefahren und Risiken
n
Bei der Resektion des Tibiaplateaus
evertierung oder ein lateral ein−
sollte unbedingt ein dorsal einge−
gesetzter Hohmann−Haken zum
setzter Haken das Gefäß−Nerven−
Bündel schützen, um Verletzungen
Abb. 9 Große knöcherne Defekte nach Ausbau einer medialen
Schlittenprothese an der medialen Femurkondyle und dem me−
dialen Tibiaplateau.
Patellarsehnenabriss führen.
n
zu vermeiden.
n
n
Bei osteoporotischem Knochen
besteht die Gefahr der periprothe−
fraktur.
n
tischen Femur−/Tibiafraktur.
mit 50 bzw. 20 %. Nicht nur das Ausmaß des beim Pro−
thesenausbau entstehenden Knochendefektes, sondern
auch die Wahl des Arthrodeseverfahrens beeinflusst
das Ergebnis. Schlechte Aussichten auf Erfolg zeigt der
Fixateur externe mit Literaturangaben bei 38 ± 66,7 %
knöcherner Konsolidierung. Den größten Erfolg haben
Doppelplattenarthrodesen mit 65 ± 100 % und die intra−
medulläre Nagelung mit 89 ± 100 %.
n
Bei Unter− oder Überdimensio−
nierung besteht die Gefahr des
Ohne Mobilisation der Patella und
Weichteilimpingements oder
proximales Release kann eine
Einsinken des Plateaus.
forcierte Beugung, eine Patella−
OP−Schritte und Tricks
n
Komplikationen
Daten zu Komplikationsraten in der Revisionsendopro−
thetik liegen nur vereinzelt vor. Die in der internationa−
len Literatur angegebene Zahl von Komplikationen bei
Revisionen von Knietotalendoprothesen schwankt zwi−
schen 0 und 18 %.
Die häufigsten Komplikationen, die zu einer erneu−
ten Revision in 2,1 ± 16,7 % führten, waren
n
Wundheilungsstörungen,
n
tiefe Infektionen,
n
Implantatlockerung,
n
periprothetische Frakturen,
n
Streckdefizit,
n
persistierende Schmerzen.
Bei starker Ausdünnung der Patella
besteht die Gefahr der Patella−
Bei unzureichender Beugung ist ein
Kompresse an den dorsalen Rand
maximales laterales Release oder
gelegt werden, um das Austreten
¹Quadrizeps−Snip“ möglich, ggf.
des Zements in die Kniekehle zu
Tuberositasosteotomie.
n
Bei einer Nachresektion des Tibia−
verhindern.
n
Korrekte Beinachse kontrollieren
n
Auch bei gekoppelten Systemen
plateaus werden Beuge− und
Streckspalt immer gleichzeitig
n
bei der Probereposition!
vergrößert.
muss auf eine korrekte Rotation
Bei einer Zementierung der Tibia−
geachtet werden, um eine Fehl−
komponente kann eine feuchte
führung der Patella zu vermeiden.
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
ê2008 ê233 ± 246
241
Beckengürtel und untere Extremität
Nachbehandlung
Hintergrund
Heparininduzierte Thrombozytopenie
Eine sehr seltene Komplikation der Hepa−
rinbehandlung ist die sog. ¹heparinindu−
zierte Thrombozytopenie“ (HIT), ein durch
Heparin ausgelöster plötzlicher Mangel an
Blutplättchen. Es gibt 2 Formen der HIT:
n Typ I ist nur vorübergehend und
harmlos.
n Typ II kann lebensgefährlich sein. Die
Blutplättchenzahl muss deshalb in den
ersten 3 Wochen regelmäßig kontrol−
liert werden.
Da das Risiko einer Thrombose ohne
Heparin hochgerechnet bei Knieendopro−
thesen bis zu 22 ± 35 % beträgt und das
Risiko einer tödlichen Lungenembolie bei
etwa 1 ± 4 % liegt, fällt dieses überaus sel−
tene Risiko einer HIT Typ II für die Ent−
scheidung zur effektiven Thrombosepro−
phylaxe mit niedermolekularem Heparin
nicht ins Gewicht.
Hintergrund
Sportarten mit einliegender Prothese
bedingt geeignet:
empfohlen:
ungeeignet:
n
alpiner Skilauf
n
Laufen und Walking
n
Golf
n
Wandern
n
Kegeln/Bowling
n
Fußball
n
Skilanglauf
n
Tennis
n
Handball
n
Radfahren
n
Tischtennis
n
Volleyball
n
Schwimmen
n
Basketball
n
Tanzen
n
Reiten
Frakturen der Patella werden in der Literatur unter−
schiedlich mit 0,1 ± 8,5 % angegeben. Dabei ist die Frak−
turgefährdung bei ersetzter Patellagelenkfläche 6−mal,
nach Revisionseingriffen 12−mal höher einzustufen.
Periprothetische Frakturen werden mit 0,6 ± 2,5 %
angegeben.
Nervenschädigungen (0,1 ± 2 %) sind in der Revisions−
endoprothetik gefürchtete, teils multifaktoriell beding−
te Komplikationen, die den betroffenen Patienten durch
Parästhesien, Schmerzen und funktionelle Defizite
kurzzeitig oder dauerhaft erheblich beeinträchtigen
können. Die Art der Präparation, ein schonender Ausbau
und Wiedereinbau der Prothese tragen zur Reduzierung
von Nervenschäden bei.
Bei einer vorbestehenden Kontraktur oder bei er−
heblichen Achsenabweichungen muss auf einen mode−
raten Beinlängenausgleich geachtet werden.
" Cave. Eine chirurgische Exploration sollte durchge−
führt werden, wenn ein ausgedehntes Hämatom, eine
deutliche Beinverlängerung oder eine Irritation durch
Knochenzement, Implantat− oder Nahtmaterial vorliegt.
Die Prognose von Nervenschäden variiert erheblich,
eine spontane Erholung ist nicht selten, sie kann aber
bis zu 2 Jahre dauern.
242
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
ê2008 ê233 ± 246
Postoperativ sollte ein Kompressionsverband bis zum
Oberschenkel angelegt werden. Eine flache Lagerung
des Beines, eine lokale Eisbehandlung und die Schmerz−
medikation mit Antiphlogistika führen zum schnelleren
Abschwellen.
Eine Thromboseprophylaxe ist empfohlen bis zur
Vollbelastung oder über einen Zeitraum von 3 ± 6 Wo−
chen, je nach Risikoprofil und Mobilität des Patienten.
Wenn keine Kontraindikationen bestehen (wie z. B.
eine periphere Verschlusskrankheit), sollten zusätzlich
Kompressionsstrümpfe getragen werden.
Am 1. postoperativen Tag erfolgt die Mobilisation an
Unterarmgehstützen oder einem Gehwagen. Eine fest
verankerte Knieprothese kann in der Regel sofort voll
belastet werden. Andernfalls sollten bei komplizierten
Revisionseingriffen unmittelbar postoperativ Angaben
bezüglich der Belastbarkeit und Beweglichkeit verfüg−
bar sein, die vom Operateur festgelegt werden sollten.
" Cave. Bei Verwendung postoperativer Schmerzkathe−
ter muss der Patient über die mögliche Insuffizienz der
Muskulatur hingewiesen werden, um Stürze zu vermei−
den.
Am 2. postoperativen Tag erfolgen der erste Verbands−
wechsel, die Entfernung der Redon−Drainage und ein
postoperatives Röntgenbild in 2 Ebenen.
Eine erneute Röntgenverlaufskontrolle erfolgt nach
einer Woche mit zusätzlich einer Ganzbeinstandauf−
nahme im Stehen. Die Fäden können nach 12 ± 14 Tagen
postoperativ gezogen werden.
Um den 10. postoperativen Tag kann der Patient aus
dem Krankenhaus entlassen werden.
An die Akutbehandlung schließt sich eine 3 ± 4−wö−
chige stationäre oder teilstationäre Rehabilitation an.
Die Anschlussheilbehandlung ist zu empfehlen. Eine
postoperative physikalische Therapie hat die Wieder−
herstellung der Beweglichkeit, die Beseitigung von
muskulären Dysbalancen und Atrophien sowie die Ver−
besserung der Koordination und des Gangbildes zum
Ziel. Durch die Zusammenarbeit von Operateur, weiter−
behandelndem Arzt und Therapeut kann ein optimales
Behandlungsergebnis erreicht werden.
Auch nach der Therapie in der Rehabilitationsein−
richtung ist eine Fortführung der Krankengymnastik
manchmal notwendig. Es werden 30 Behandlungen ±
5−mal 6 Verordnungen ± von der Krankenkasse bezahlt.
Sollte darüber hinaus eine längerfristige Behandlung
notwendig sein, muss auf einem Rezept dies begründet
und von der Kasse genehmigt werden.
Weitere regelmäßige ambulante Vorstellungen zur
klinischen und radiologischen Verlaufskontrolle nach
6 Monaten, 1 Jahr, 5 und 10 Jahren werden empfohlen.
Revisionsendoprothetik am Kniegelenk
Prognose
Literatur
Nach erneuter Implantation einer Knieendoprothese
entscheiden der Verlauf der Wundheilung, die knö−
cherne Integration der Implantate sowie der intraope−
rativ gesetzte oder aber schon vorhandene Muskel−
defekt über den Erfolg der Operation.
Die Wundheilung ist vom Operationstrauma und der
Mikrozirkulation im Bereich der Wundränder abhängig.
Relevant für die knöcherne Integration ist die meist
verminderte Knochenhomöostase, da Knochendefekte
durch allogene oder autogene Spongiosa gefüllt werden,
oder bislang unbelasteter Knochen Remodelingvorgän−
gen unterworfen ist.
Wechseloperationen bei bikondylärem Primärim−
plantat hatten in der Vergangenheit Erfolgsaussichten,
ein gut bis sehr gut funktionierendes Kniegelenk zu
erhalten, von 46 ± 76 %. Dahingegen berichten einige
neuere Studien bei Verwendung tibialer Allografts oder
distaler Femurallografts zur Rekonstruktion ossärer
Defekte von guten und sehr guten Resultaten zwischen
84 und 97 %.
Schwedisches Endoprothesenregister: www.ort.lu.se/knee
www.bqs−outcome.de/qualrep/2004/ergebnisse/leistungsbereiche/
knie_tep_wechsel/19Knie−TEP−Wechsel.pdf/download
www.bqs−qualitaetsreport.de
Korrespondenzadresse
Dr. med. Vera Gärtner
Orthopädisch−Unfallchirurgisches Zentrum
Universitätsklinikum Mannheim
Theodor−Kutzer−Ufer 1±3
Telefon: 0621/383−4506
Telefax: 0621/383−4549
E−Mail: [email protected]−heidelberg.de
Perspektiven
Die Funktion eines Kunstgelenkes hängt nur gering vom
Design und Material, sondern mehr von der Positionie−
rung und in überwiegendem Maße von der Muskel− und
Weichteilfunktion des Patienten ab. Während bislang
von der Forschung und vor allem der Industrie die Wei−
terentwicklung des Designs und dem Material vorange−
trieben wurde, wird die Muskel− und Weichteilbalance
als kaum beeinflussbare Größe gesehen. Die Schonung
der vorhandenen Muskulatur durch weichteilschonen−
des minimalinvasives Operieren bietet hier Perspekti−
ven.
Mittel− bis langfristig ist durch die Führung eines
Endoprothesenregisters eine Langzeitverlaufsbeobach−
tung endoprothetisch versorgter Patienten möglich. So−
mit können neben Aussagen zur Ergebnisqualität der
Behandlung auch Aussagen zur Implantatqualität er−
möglicht werden.
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
ê2008 ê233 ± 246
243
Beckengürtel und untere Extremität
CME−Fragen
Die folgenden Fragen beziehen sich auf den vorangehenden Beitrag. Sie können uns die entsprechenden
Antworten entweder online unter http://cme.thieme.de oder durch das CME−Teilnahmeheft hinten in dieser
Zeitschrift zukommen lassen. Jeweils eine Antwort ist richtig.
Die Vergabe von CME−Punkten ist an die korrekte Beantwortung der Multiple−Choice−Fragen gebunden.
Welche Aussage zur Ätio−
logie und Epidemiologie
Revisionsendoprothetik
am Kniegelenk ist nicht
zutreffend?
Welche Aussage zu den
Symptomen, die zur
Indikation eines Prothe−
senwechsels führen
können, trifft nicht zu?
Welche Aussage/n
zu Infekten in der
Revisionsendoprothetik
trifft/treffen zu?
Welche Aussage
zur Diagnostik bei
V.a. Infektion einer
Knieendoprothese
trifft nicht zu?
244
1
A Bei einer mittleren Knieendoprothesenstandzeit von 10 ± 15 Jahren kommt es in 3 ± 8 %
zu Versagensfällen.
B 80 % der Arthrosepatienten sind aktuell älter als 40 Jahre.
C Die Zahl der Revisionen fällt im Vergleich zu den Primärimplantationen überproportional
ab.
D Der mechanische Verschleiß korreliert mit dem Aktivitätsgrad und dem Gewicht des
Patienten.
E Das Versagen des Polyethyleninlays wird beschleunigt durch eine falsche Implantat−
positionierung.
2
A Es können persistierende oder erneut aufgetretene, häufig belastungsabhängige
Schmerzen vorliegen.
B Häufig bestehen Schwellneigungen, Gelenkergüsse, Bewegungseinschränkungen und oft
auch Instabilitäten des betroffenen Gelenkes.
C Es kann ein Rüttel− und Stauchungsschmerz auslösbar sein.
D Fehlen Zeichen der Überwärmung und Rötung, ist ein Infekt sicher auszuschließen.
E Bei Patienten ohne weitere entzündliche Erkrankungen und klinischem Verdacht auf eine
periprothetische Infektion wird über eine hohe Sensitivität und Spezifität von BSG und
CRP berichtet.
3
1. Früh−, Spät− oder Low−Grade−Infekte können der Grund für eine frühzeitige Lockerung sein.
4
2. Besonders schwierig ist das klinische Erkennen einer chronischen oder
¹Low−Grade−Infektion“.
3. Spezifische Veränderungen im Röntgenbild, die eine Infektion beweisen, sind Lysesäume.
A Nur die Aussage 1 ist richtig.
B Nur die Aussagen 1 und 2 sind richtig.
C Nur die Aussagen 2 und 3 sind richtig.
D Alle Aussagen sind richtig.
E Alle Aussagen sind falsch.
A Die Sensitivität der BSG wird mit 82 % und die Spezifität mit 85 % angegeben.
B Im Röntgenbild können der Inlayverschleiß, Lysesäume, Knochendefekte und
Lageänderungen der Implantate und zunehmende Achsabweichungen erkannt werden.
C Die Magnetresonanztomografie wird zur Diagnostik der Prothesenlockerung oder der
periprothetischen Infektion noch nicht angewendet.
D Die Dreiphasenskelettszintigrafie mit 99mTechnetium zeichnet sich durch eine hohe
Sensitivität und nur geringe Spezifität aus.
E Bei der Positronenemissionstomografie ist ein unspezifisches Signal maximal ein halbes
Jahr nach Endoprothesenimplantation sichtbar.
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
ê2008 ê233 ± 246
Revisionsendoprothetik am Kniegelenk
Welche Aussage/n über
das präoperative und
operative Vorgehen
trifft/treffen nicht zu?
Welche Aussage zu den
Therapiezielen in der
Revisionsendoprothetik
des Kniegelenkes trifft
nicht zu?
Welche Aussage
zu Revisionsendo−
prothesen trifft
nicht zu?
Welche Aussage/n zu
Infekten in der
Revisionsendoprothetik
ist/sind zutreffend?
Navigationssysteme
bestehen aus 3 wesent−
lichen Komponenten:
5
1. Bei allen Patienten sollte präoperativ die Blutgruppe bestimmt und das Blut auf eventuelle
Antikörper untersucht werden.
2. Nach dem Schließen der Blutsperre erfolgt die Gabe eines i. v. Antibiotikums.
3. Bei der Lagerung und Abdeckung muss darauf geachtet werden, dass Außen− und
Innenknöchel gut tastbar sind.
4. Es erfolgt ein medialer oder parapatellarer Zugang. Nur bei kontrakter Varusdeformität
kann auch ein lateraler Zugang gewählt werden.
A Nur die Aussage 1 ist richtig.
B Nur die Aussagen 1 und 2 sind richtig.
C Nur die Aussagen 1 und 3 sind richtig.
D Alle Aussagen sind richtig.
E Alle Aussagen sind falsch.
6
A Wiederherstellen der Beinachse in 3 Ebenen
B Wiederherstellen der Gelenkstabilität durch Weichteilspannung/Quardizepsfunktion/
gekoppelte Prothese
C Erhalt oder Rekonstruktion der Gelenklinie
D Ersatz oder Rekonstruktion knöcherner Defekte
E Anstreben einer Arthrodese
7
A Die Indikation zu einer achsgeführten Endoprothese besteht bei einem insuffizienten
Kapsel−Band−Apparat.
B Die Indikation zu einer achsgeführten Endoprothese besteht bei einer hochgradigen
Inkongruenz des Beuge−Streck−Spaltes.
C Liegt eine achsgeführte Prothese mit langstreckiger Verankerung im Ober− und Unter−
schenkelknochen ein, kann kein Wechsel auf eine neue achsgekoppelte Prothese erfolgen.
D Die Indikation zu einer achsgeführten Prothese besteht bei Rotationsfehlstellungen
zwischen Femur und Tibia.
E Die Indikation zu einer achsgeführten Prothese besteht bei einem zerstörten Streck−
apparat.
8
1.
2.
3.
A
B
C
D
E
Infrarot−3−D−Kamera mit Infrarotsender
optische Reflektoren (Arrays) am Patienten oder am Instrument des Operateurs
Rechner, der das virtuelle Objekt darstellt
Nur die Aussage 1 ist richtig.
Nur die Aussagen 1 und 2 sind richtig.
Nur die Aussagen 2 und 3 sind richtig.
Alle Aussagen sind richtig.
Alle Aussagen sind falsch.
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
ê2008 ê233 ± 246
245
Beckengürtel und untere Extremität
Welche Aussage
zu weiteren
Verfahren in der
Revisionsendo−
prothetik trifft
nicht zu?
9
Welche Aussage/n
zu Ergebnissen in
der Revisionsendo−
prothetik ist/sind
zutreffend?
246
10
A Neben dem Prothesenwechsel sind die Arthrodese, die Resektionsarthroplastik oder eine
Amputation als weitere Verfahren zu nennen.
B Anzustreben ist der Prothesenwechsel zur Erhaltung der Kniegelenkfunktion und damit
einer besseren Lebensqualität.
C Die Arthrodese und die Resektionsarthroplastik sind letzte operative Maßnahmen zum
Erhalt eines tragfähigen Beines.
D Der Erfolg einer Arthrodese ist abhängig vom Implantattyp.
E Der Fixateur externe zeigt bessere Ergebnisse bei einer Arthrodese als die Doppelplatten−
arthrodesen oder die intramedulläre Nagelung.
1. Die Wundheilung ist vom Operationstrauma und der Mikrozirkulation im Bereich der
Wundränder abhängig.
2. Eine Schlüsselrolle haben die Osteoklasten als Synthesequellen anorganischer Knochen−
matrix.
3. Bei Verwendung tibialer Allografts oder distaler Femurallografts zur Rekonstruktion
ossärer Defekte kommt es in 84 ± 97 % zu guten und sehr guten Resultaten.
4. Die Funktion eines Kunstgelenkes hängt nur gering vom Design und Material,
sondern mehr von der Positionierung und in überwiegendem Maße von der muskulären
Situation ab.
A Nur die Aussagen 1 und 3 sind richtig.
B Nur die Aussagen 1, 2 und 3 sind richtig.
C Nur die Aussagen 2 und 4 sind richtig.
D Nur die Aussagen 1, 3 und 4 sind richtig.
E Alle Aussagen sind richtig.
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3
ê2008 ê233 ± 246
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