Predigttext 2. Könige 1,2-17: (Luther-Übersetzung) Predigt zum Eidg. Dank-, Buss- und Bettag Predigt vom ökumenischen Gottesdienst vom Sonntag, 21. September 2014 über 2. Könige 1,2-17: „Zu wem beten wir?“ Das Bild wurde aus Urheberrechtsgründen für die Onlineversion entfernt. 2 Und Ahasja fiel durch das Gitter in seinem Obergemach in Samaria und wurde krank. Und er sandte Boten und sprach zu ihnen: Geht hin und befragt Baal-Sebub, den Gott von Ekron, ob ich von dieser Krankheit genesen werde. 3 Aber der Engel des HERRN redete mit Elia, dem Tischbiter: Auf und geh den Boten des Königs von Samaria entgegen und sprich zu ihnen: Ist denn nun kein Gott in Israel, dass ihr hingeht, zu befragen Baal-Sebub, den Gott von Ekron? 4 Darum spricht der HERR: Du sollst nicht mehr von dem Bett herunterkommen, auf das du dich gelegt hast, sondern sollst des Todes sterben. Und Elia ging. 5 Und als die Boten zum König zurückkamen, sprach er zu ihnen: Warum kommt ihr zurück? 6 Sie sprachen zu ihm: Es kam ein Mann herauf uns entgegen und sprach zu uns: Geht wieder hin zu dem König, der euch gesandt hat, und sprecht zu ihm: So spricht der HERR: Ist denn kein Gott in Israel, dass du hinsendest, zu befragen Baal-Sebub, den Gott von Ekron? Darum sollst du nicht mehr herunterkommen von dem Bett, auf das du dich gelegt hast, sondern sollst des Todes sterben. 7 Er sprach zu ihnen: Von welcher Art war denn der Mann, der euch begegnete und das zu euch sagte? 8 Sie sprachen zu ihm: Er hatte langes Haar und einen Ledergurt um seine Lenden. Er aber sprach: Es ist Elia, der Tischbiter. 9 Und der König sandte zu Elia einen Hauptmann über fünfzig samt seinen fünfzig Mann. Und als der zu ihm hinaufkam, siehe, da sass er oben auf dem Berge. Er aber sprach zu ihm: Du Mann Gottes, der König sagt: Du sollst herabkommen! 10 Elia antwortete dem Hauptmann über fünfzig: Bin ich ein Mann Gottes, so falle Feuer vom Himmel und fresse dich und deine fünfzig Mann. Da fiel Feuer vom Himmel und frass ihn und seine fünfzig Mann. 11 Und der König sandte wiederum einen andern Hauptmann über fünfzig zu ihm samt seinen fünfzig Mann. Der kam zu ihm hinauf und sprach zu ihm: Du Mann Gottes, so spricht der König: Komm eilends herab! 12 Elia antwortete: Bin ich ein Mann Gottes, so falle Feuer vom Himmel und fresse dich und deine fünfzig Mann. Da fiel das Feuer Gottes vom Himmel und frass ihn und seine fünfzig Mann. 13 Da sandte der König wiederum den dritten Hauptmann über fünfzig samt seinen fünfzig Mann. Als der zu ihm hinaufkam, beugte er seine Knie vor Elia und flehte ihn an und sprach zu ihm: Du Mann Gottes, lass mein Leben und das Leben deiner Knechte, dieser fünfzig, vor dir etwas gelten! 14 Siehe, Feuer ist vom Himmel gefallen und hat die ersten zwei Hauptleute über fünfzig mit ihren fünfzig Mann gefressen; nun aber lass mein Leben etwas gelten vor dir. 15 Da sprach der Engel des HERRN zu Elia: Geh mit ihm hinab und fürchte dich nicht vor ihm! Und er machte sich auf und ging mit ihm hinab zum König. 16 Und er sprach zu ihm: So spricht der HERR: Weil du Boten hingesandt hast und hast befragen lassen BaalSebub, den Gott von Ekron, als wäre kein Gott in Israel, dessen Wort man erfragen könnte, so sollst du von dem Bett nicht mehr herunterkommen, auf das du dich gelegt hast, sondern sollst des Todes sterben. 17 So starb Ahasja nach dem Wort des HERRN, das Elia geredet hatte. Und Joram wurde König an seiner statt im zweiten Jahr Jorams, des Sohnes Joschafats, des Königs von Juda; denn Ahasja hatte keinen Sohn. Predigt Liebe ökumenische Bettags-Gemeinde Der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag ist für uns immer auch eine Gelegenheit, über das Gebet, den Glauben und die Frömmigkeit nachzudenken. In einer Zeit der Globalisierung und der Internationalität sind die etablierten Religionen auf dem Prüfstand. Interreligiosität, Multireligiosität und Areligiosität sind im Trend: Vermischung, totale Toleranz und auch radikale Abwehr alles Religiösen – diese drei Strömungen sind heute allesamt sehr verbreitet in der Schweiz. In unserem Bibeltext, der von einer Begebenheit im 9. Jahrhundert vor Christus berichtet, haben wir also eine ganz moderne Erscheinungsform von Religion: Der israelitische König Ahasja, Sohn des viel berühmteren Königs Ahab, schickt seine Boten aus, um den kanaanäischen Gott BaalSebub über die Zukunft zu befragen. Denn Ahasja ist nach einem dummen Unfall im eigenen Heim – bekanntlich sind ja Unfälle im eigenen Haushalt die gefährlichsten – krank oder schwer verletzt, und er ahnt wohl, dass er nicht mehr auf seine Beine kommt. Ahasja wendet sich also nicht an JHWH, den eigentlichen Gott Israels, den Gott der Bibel, sondern an einen fremden, trendigen, modernen Fruchtbarkeitsgott, an den zu glauben ihn wohl schon seine Eltern Ahab und Isebel lehrten – jedenfalls deutlich mehr als den Glauben an JHWH. Er wendet sich an Baal-Sebub, eine Lokalerscheinung des bekannten Baal, dessen Tempel oder Orakel oder was auch immer offenbar in der Philisterstadt Ekron stand. Die Philister, welche noch hundert Jahre zuvor die grossen Feinde der Könige Saul und David gewesen waren, sind jetzt also bereits zu solchen Freunden geworden, dass man auch gleich deren Götter befragen geht. Ein Gebet zu Baal, ein Orakelspruch – Ahasja will wissen, ob es ihm wieder besser gehen wird. Diese alte Geschichte von König Ahasja und dem Propheten Elia, die wir nicht bis ins letzte Detail besprechen wollen und können, lehrt uns in der Zielrichtung des Textes drei Dinge: 1. Alle beten zu irgendjemandem oder zu irgendetwas. Es gibt sie zwar, die radikalen Atheisten, die im Ernst behaupten, dass der Mensch durchaus ohne Gott leben kann, und dass es keinen Gott braucht, um glücklich und zufrieden zu sein. Aber das ist natürlich ein Irrtum. Klar, mit traditioneller Religiosität können viele Menschen nichts mehr anfangen. Aber dennoch haben alle auf ihre Art ihren Glauben. Statistiken zeigen, dass praktisch alle Menschen ab und zu beten – mindestens in der Notsituation. Man stellt auch leicht fest, dass alle Menschen irgendetwas verehren und anbeten – auch wenn es „nur“ materielle Güter sind wie das Geld, den Luxus, die Wohnungseinrichtung. Schon Luther sagte ja: „Woran du dein Herz hängst, das ist in Wahrheit dein Gott.“ Alles andere würde ja auch keinen Sinn machen. Diejenigen, die behaupten, dass mit dem Tod alles vorbei sei, dass jegliche Gottesvorstellungen menschliche Projektionen seien, dass es keinen Sinn gäbe, der über den Tod hinaus Bestand hat, diese Menschen verdrängen ganz einfach ihre eigene Vergänglichkeit und sind im Grunde genommen arme Teufel, wenn es ihnen dann wirklich ans Lebendige geht. Aber da gibt es auch noch die anderen: Diejenigen mit dem Glücksstein in der Hosentasche, diejenigen, die jeden Tag ihr Horoskop lesen in der Zeitung, diejenigen, die Karten legen oder ein sogenanntes Medium befragen – diejenigen also, die an ein Schicksal des Menschen glauben und hoffen, das Schicksal selber beeinflussen oder mindestens richtig deuten zu können. Ja, alle beten irgendetwas oder irgendjemanden an. Und wenn es auch nur der eigene Fussballclub ist. Denn einen Sinn im Leben braucht jeder Mensch. Einen Sinn, der über das irdische Dasein hinausgeht. So waren auch die alten israelitischen Könige wie Ahasja nicht einfach gottlose Ty- pen, wie man schnell mal sagt, sondern durchaus religiöse Männer. Alle beten zu irgendjemandem oder zu irgendetwas. Aber – und damit sind wir beim zweiten Punkt, den uns diese Geschichte lehrt: 2. Der Adressat ist entscheidend! Ahasja will den ausländischen Gott Baal-Sebub befragen. Er erwartet also von diesem Gott eher Hilfe als von Jahwe. „Baal-Sebub“ bedeutet übersetzt vermutlich „Herr der Fliegen“. Weil das eher eine seltsame, ja lächerliche Gottesbezeichnung ist, gehen viele Ausleger davon aus, dass der Verfasser unseres Textes mit diesem Gott hier ein bewusstes Wortspiel macht, nämlich eine sogenannte „Verballhornung“. Dieser Gott hiess vermutlich „Baal-Sebul“: „Herr des Fürsten“, eine Gottesbezeichnung, die man auch in ausserbiblischen Texten des Alten Orients findet. Interessant ist, dass Baal-Sebub einen Weg ins Neue Testament gefunden hat. Im Neuen Testament ist Beelzebul eine Bezeichnung für den obersten Chef der bösen Geister (Mt 12,24). Jesus selber setzt in einer Stelle Satan mit dem Beelzebub gleich. Darum braucht man bis heute die Redewendung „den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“ – das bedeutet, etwas Schlimmes mit etwas anderem Schlimmem beseitigen zu wollen. Und in verschiedenen Geschichten von Hexen bis hin zu Comics heisst der Besen der Hexe „Beelzebub“, zum Beispiel bei der Hexe Hicksi von Walt Disney. König Ahasja will sich also an diesen Fliegengott BaalSebub wenden. Das führt ihn ins Verderben. Obwohl es schliesslich gar nicht soweit kommt, dass er den Baal-Sebub befragen kann, da seine Boten ja aufgehalten werden von Elia, ist das Gericht über ihn beschlossene Sache: „So spricht der HERR: Weil du Boten hingesandt hast und hast befragen lassen Baal-Sebub, den Gott von Ekron, als wäre kein Gott in Israel, dessen Wort man erfragen könnte, so sollst du von dem Bett nicht mehr herunterkommen, auf das du dich gelegt hast, sondern sollst des Todes sterben.“ (V.16) Und so passiert es wenig später: Ahasja stirbt nach nur zwei Jahren Regierungszeit. Dieses dramatische Ende, das uns vielleicht auch ziemlich brutal erscheint, zeigt uns auf: Der Adressat unseres Gebets, das Objekt unseres Glaubens ist entscheidend! Es geht nicht darum, einfach irgendetwas zu glauben! Es gibt Glauben und es gibt auch Aberglauben. Es geht im christlichen Glauben auch nicht darum, einfach einigermassen gut zu leben und anständig zu sein, es geht nicht um Meditation und innere Versenkung, sondern es geht um das Vertrauen auf Jesus Christus, der für unsere Schuld am Kreuz gestorben und von den Toten auferstanden ist. Es geht um eine Beziehung zum lebendigen Gott, dem Schöpfer von Himmel und Erde, dem Herrn über Leben und Tod. Es geht nicht darum, irgendetwas zu glauben und sozusagen einfach ein offenes Auge für das Spirituelle zu haben, sondern es geht darum, an Jesus Christus zu glauben, der alles für uns getan hat und unser Herr werden und bleiben will. Der Adressat des Gebets ist entscheidend. Darum braucht ein Gebet auch eine richtige Anrede. Es gibt in den Liturgiebänden für Pfarrer viele Gebetsvorlagen, die schon in diesem Punkt scheitern: Weil sie keinen Adressaten nennen oder so schwammig formuliert sind, dass man keine Ahnung bekommt, zu wem da eigentlich gebetet wird. Einzelne negative Beispiele finden Sie auch im Kirchengesangbuch, zum Beispiel bei der Nummer 655. Eigentlich schöne Worte von Silja Walter – doch wer ist da überhaupt angesprochen? Wer ist das „du“? Gott? Oder ein Mensch? Oder einfach die Natur? Beten heisst doch nicht, ein schönes Gedicht ins Niemandsland auszusprechen, sondern Reden mit Gott. (Ich möchte an dieser Stelle aber klar stellen, dass die meisten Gebete im Kirchengesangbuch sehr gut und brauchbar sind! Ich verwende sie regelmässig in Gottesdiensten oder bei anderen Anlässen.) Also: Ahasja will Baal-Sebub befragen, Elia sagt ihm klar: Du hättest Jahwe fragen und zu ihm beten sollen. Der Adressat des Gebets ist entscheidend! 3. Eidgenössischer Bettag – Beten zum einen Gott. Unser eidgenössischer Dank-, Buss- und Bettag wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts richtig eingeführt und etabliert in der Schweiz. Das war natürlich eine völlig andere Zeit. Es gab kaum andere Religionen als das Christentum. Nur die konfessionellen Gräben zwischen Reformiert und Katholisch waren noch viel grösser. Da wollte der Bettag als ökumenischer Feiertag eine Brücke schlagen. Deshalb war bei der Einführung des Bettages auch sonnenklar, zu wem gebetet wird: Nämlich zum Gott der Bibel! Zu Jesus Christus! Die alten Schweizer wussten, wem sie den Frieden und Segen im Land zu verdanken hatten. Es ist zwar aufgrund der alten Quellen erwiesen, dass beispielsweise der Gottesdienstbesuch in früheren Jahren auch längst nicht immer besser gewesen ist als heute. Aber es war doch eine viel stärkere Alltagsfrömmigkeit vorhanden. Davon zeugen bis heute fromme Sprüche an alten Bauernhäusern und das Bibelwissen der älteren Generation, welches noch heute gross ist, aber nun doch auch langsam am Abbröckeln. Es steht fest: Am Bettag wollte man zum biblischen Gott beten. Anweisung von oben! Schon bald gaben die staatlichen Behörden sogar selber ein Bettagsmandat heraus und begründeten so aktuell, warum man auch im jeweiligen Jahr den Bettag feiern soll. Die Tendenz wird dahin gehen, dass man den Bettag entweder auch auf die anderen Religionen in der Schweiz ausdehnen wird – was wohl friedensstiftend und völkerverbindend wirken sollte, faktisch aber nur für Vermischung und Verwirrung sorgen wird – oder dass man ihn abschaffen will, weil er in einer multireligiösen Gesellschaft keinen Sinn mehr machen kann. Dagegen halten wir fest: Der Bettag macht durchaus Sinn, aber nur als Tag des Gebets zum Gott der Bibel. Man kann das nicht umbiegen oder verwässern. Denn der Adressat des Gebets ist entscheidend. Was mit einem Land passiert, in dem der Adressat des Gebets nicht mehr so klar ist, sehen wir in der Geschichte des Reiches Israel und des Königs Ahasja. Rund hundert Jahre später und nach einigen anderen gottlosen oder multireligiösen Königen ist das Land durch die Assyrer aufgerieben und vernichtet worden. Aber auch schon was mit Ahasja selbst geschehen ist, zeigt ein deutliches Bild: Der Prophet Elia muss ihm den Tod ankünden, weil er sich von Gott abgewendet und bei Baal-Sebub, beim „Herr der Fliegen“, Rat gesucht hat. Es ist ein Vorrecht des Menschen, dass wir mit Gott Kontakt haben dürfen. Es ist ein Vorrecht, dass wir beten können. Gott hätte das nicht nötig. So wollen wir dem Gebet auch den ihm gebührenden Raum geben und uns bewusst sein, wie und zu wem wir beten. Das Gebet ist ein Vorrecht – das zeigt auch die kurze Geschichte zum Schluss, welche ich bei anderer Gelegenheit auch schon erzählt habe: Ein Bauer kam einst in eine Wirtschaft, in welcher schon viele Gäste an den Tischen sassen, darunter auch einige vornehme Herrschaften aus der Stadt. Der Bauer setzte sich und bestellte sein Essen. Als man ihm das Menu brachte, faltete er seine Hände und sprach das Tischgebet. Darüber machten sich die Leute aus der Stadt lustig, dass hier einer in der heutigen Zeit noch betet vor dem Essen, und ein junger, gut gekleideter Mann fragte den Bauern: „Bei euch zuhause macht man das wohl noch so, nicht wahr? Da betet wohl noch alles zum Herrgott?“ Und er lachte. Der Bauer, der inzwischen seelenruhig zu essen begonnen hatte, antwortete dem Spötter: „Nein, nein, auch bei uns geht man mit der Zeit, es betet auch bei uns nicht alles.“ Da fragte der junge Mann weiter: „Ach so ist das, aber wer betet dann nicht?“ – „Nun“, meinte der Bauer, „zum Beispiel mein Ochse, mein Esel und meine Sau im Stall. Diese gehen alle ohne Gebet an ihre Futterkrippe.“ Das ist das Vorrecht des Menschen: Dass wir beten können und dürfen. Beten zum lebendigen Gott und nicht zu Baal-Sebub. Am Bettag und auch im Alltag. Amen Pfarrer Christian Bieri