Technisches Forum Sicherheit: Fragen und Antworten

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Technisches Forum Sicherheit:
Fragen und Antworten
Stand:
17. Dezember 2012
Inhaltsverzeichnis
Seite
VI
Fragekatalog
Abkürzungsverzeichnis und Glossar
Thema A: Fragen zu Wirtgesteinen
Frage Fragesteller
Stichwort
1
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
1
LK Waldshut
Eignung von Opalinustonschichten bzgl.
Tiefenlage
Nagra
A-1
2a
LK Waldshut
Auswahl von Mergel Formationen
Nagra
A-3
A-4
2b
LK Waldshut
Auswahl von Mergel Formationen
KNE und Stellungnahme der Nagra
3
LK Waldshut
Auswahl von Molassesedimenten
Nagra
A-6
4
Ausschuss der
Kantone
Auswahl von Molassesedimenten
Nagra und KNE
A-6
5
Ausschuss der
Kantone
Pro und Contra von tonigen Flyschen
Nagra und KNE
A-9
6
Ausschuss der
Kantone
Frühzeitiges Zurückstellen von möglichweise geeigneten Formationen
KNE
A-12
30
Kanton Zürich
Eignung von sandigen Opalinustonschichten
Nagra und
swisstopo
A-13
31
Kanton Zürich
Selbstabdichtungsvermögen von
Opalinuston
Nagra und
swisstopo
A-20
Kanton Zürich
Abbildungsvermögen von Verwerfungen
durch Seismik
Nagra
A-22
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
32
Thema B: Fragen zur Bautechnik
Frage Fragesteller
Stichwort
7
LK Waldshut
Verwendung von Beton zur Stabilisierung
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Frage Fragesteller
Stichwort
KNE und Ergänzungen der Nagra
Beantwortende
Organisation(en)
B-1
Seite
8
LK Waldshut
Auswahlverfahren und Schutzziele
ENSI
C-1
9
LK Waldshut
Vorgehensweise beim Auswahlverfahren
ESchT
C-2
36
Jura-Südfuss
Nutzungsbeschränkung in den Standortgebieten
I
BFE
C-3
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Frage Fragesteller
Stichwort
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
40
Österreich
Lagerkonzept (kontrollierte geologische
Langzeitlagerung)
41
Österreich
Möglichkeit der Errichtung eines Kombilagers für HAA und SMA
Nagra
42
Österreich
Methodik der Bewertung von Grossräumen, Wirtsgesteinen, Bereichen und geologischen Standortgebieten
Nagra und Kommentar ENSI
C-11
43
Hr. StüssiLauterburg
Nutzungsbeschränkung in den Standortgebieten
BFE
C-14
54
Gemeinderat
Gipf-Oberfrick
Ressourcen für die Forschung
BFE
C-16
59
KAIB
Zeitplan geologische Untersuchungen
(2D- /3D-Seismik)
ENSI (a) und Nagra
C-18
60
KAIB
Zeitplan Oberflächenanlagen
Nagra und BFE
C-21
78
AG SiKa / KES
Begriffsdefinitionen
BFE und ENSI
C-23
77
U. Krieger,
Bürgermeister
Laufenburg (D)
Vorgehen bei der Suche nach Oberflächenstandorte
ENSI und BFE
C-28
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Frage Fragesteller
Stichwort
ENSI
C-4
C-9
10
Herr M. Thiel
Dichtigkeit und Langzeitsicherheit der
Lagerstätte
ENSI
D-1
11
Herr M. Thiel
Haltbarkeit der Lagerbehälter
ENSI
D-3
12
LK Waldshut
Notwendigkeit weitergehender Untersuchungen
ENSI und KNS
D-4
13
LK Waldshut
Dichtigkeit des Tongesteins bei Gasfreisetzung, Sicherheit der Lagerbehälter
Nagra
D-6
14
LK Waldshut
Zurückstellen des Oberbauenstocks
BFE und Nagra
D-7
15
LK Waldshut
Tektonik im Zeitraum von 100'000 bis
1'000'000 Jahren
ENSI und KNS
D-11
16
Ausschuss der
Kantone
Einfluss der Tektonik auf Lagergeometrie,
Lagergrösse und mögliche Freilegung
ENSI und KNS
D-13
17
Ausschuss der
Kantone
Umgang mit austretenden Lagergasen
und Anforderungen an das Wirtgestein
ENSI und KNS
D-15
18
Ausschuss der
Kantone
Eigenschaften und Grundwasserführung
in den Rahmengesteinen
ENSI und KNS
D-18
19
Ausschuss der
Kantone
Einfluss der Grundwassersituation auf den
Bau und Betrieb
ENSI und KNS
D-20
II
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Frage Fragesteller
Stichwort
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
20
Ausschuss der
Kantone
Abstand zu Trinkwasseraquiferen im
Lockergestein
ENSI und KNS
D-21
21
Ausschuss der
Kantone
Abstand zu zukünftigen Nutzungspotentialen
ENSI und KNS
D-23
22
Ausschuss der
Kantone
Risiken von tiefliegenden Erdgasvorkommen
ENSI, Nagra und
KNS
D-25
25
Kantone AG & TG
Wirksamkeit der Bentonit-Verfüllung
ENSI und KNS
D-27
26
Klar! Deutschland
Berücksichtigung von richtungsabhängigen Faktoren
BFE
D-32
27
Kanton ZH
Quartärgeologie/Erosionsproblematik
ENSI und Nagra
D-33
28
Kanton ZH
Lagersicherheit
ENSI und Nagra
D-35
29
Kanton ZH
Gasproblematik
ENSI und Nagra
D-37
37
Jura-Südfuss
Einfluss von Störungszonen auf das Tiefenlager
ENSI und KNE
D-41
38
Jura-Südfuss
Bedeutung von "grossräumig-geologische
Veränderungen"
ENSI und KNE
D-42
39
LK Waldshut
Leukämie-Risiko
ENSI
D-43
44
Sovita
Risiken durch Erdbeben und Tektonik
ENSI
D-44
46
AG SiKa
Überdeckung des Tiefenlagers – bautechnische Machbarkeit
ENSI und KNE
D-45
47
AG SiKa
Tektonische Verhältnisse in den
Standortregionen
KNE und
swisstopo
D-51
50
Herr F. Schenker
Auswirkungen der natürlich vorkommenden Gase im Tiefenlager
Nagra und ENSI
D-63
51
Medienstelle NL
und ZNO
Behältermaterial für radioaktive Abfälle
Nagra und ENSI
(b)
D-70
53
Gemeinderat
Gipf-Oberfrick
Thermal- und Trinkwasserquellen
ENSI und Nagra
D-74
56
Gemeinderat
Stadt Laufenburg
(AG)
Naturgefahren während der Bauphase
ENSI und Nagra
D-79
57
Gemeinderat
Gipf-Oberfrick
Massnahmen zur Verhinderung von Sicherheitsproblemen
ENSI und KNS
D-82
58
Herr F. Schenker
Shale-Gas Potential des Opalinustons
Nagra
D-86
62
Österreich
Verfahren mit den Empfehlungen der KNS
ENSI und Nagra
D-89
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
Thema E: Fragen zu radioaktiven Abfällen
Frage Fragesteller
Stichwort
23
BUND BW
Verantwortlichkeit für radioaktive Abfälle
III
BFE
E-1
Thema E: Fragen zu radioaktiven Abfällen
Frage Fragesteller
Stichwort
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
24
Klar! Deutschland
Verantwortlichkeit für Kernmaterialien
BFE
E-2
63
SES
Umpackung in der Oberflächenanlage
Nagra
E-4
Thema F: Fragen zum Standortgebiet Jura-Südfuss
Frage Fragesteller
Stichwort
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
33
Jura-Südfuss
Berücksichtigung der Eppenberg-Struktur
ENSI und KNE
F-1
34
Jura-Südfuss
Wasserwegsamkeiten in den Kalkbankabfolgen der Effinger-Schichten
ENSI und KNE
F-3
35
Jura-Südfuss
Einfluss von bestehenden Erdwärmesonden
ENSI und KNE
F-6
Thema G: Fragen zum Standortgebiet Zürich Nordost
Frage Fragesteller
Stichwort
45
Herr H. Bühl
Langzeitszenarien und Tiefenerosion im
Standortgebiet Zürich Nordost
Thema H: Fragen zum Standortgebiet Jura Ost
Frage Fragesteller
Stichwort
48
49
61
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
ENSI und Nagra
G-1
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
Herr O. Baldinger
Eigenschaften des Standortgebiets Jura
Ost
ENSI
H-1
Herr J. Wyder
Bergwasser mit einem hohen Chlorid- und
Sulfatgehalt
ENSI
H-7
AG SiKa/KES
Problematik von aggressiven Bergwässern
und Schlussfolgerungen zu deren Herkunft und Fliesswegen
ENSI
H-10
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
Thema I: Fragen zur Kernenergiegesetzgebung
Frage Fragesteller
Stichwort
55
Gemeinderat
Gipf-Oberfrick
Versicherung/Haftung
BFE
I-1
64
SES
Umgang mit ungelösten Fragen beim
Entsorgungsnachweis
BFE und ENSI
I-3
71
SES
Unabhängigkeit der Nagra-Forschung
BFE
I-5
SES
Unabhängigkeit und Fachkompetenz des
Kontrollbehörde ENSI
BFE
I-7
73
IV
Thema I: Fragen zur Kernenergiegesetzgebung
Frage Fragesteller
Stichwort
75
SES
67
SES, U. Krieger,
Bürgermeister
Laufenburg
69
SES
Beantwortende
Organisation(en)
Berücksichtigung Bevölkerungswille für
geol. Tiefenlager
Markierung des Lagers
Umgang mit neuen Erkenntnissen und
Flexibilität des Sachplanverfahrens
V
BFE
Seite
I-9
KNS, Nagra und
BFE
I-11
BFE und ENSI
I-15
Fragenkatalog
Frage
Fragesteller
Stichwort
Beantwortende
Organisation(en)
1
LK Waldshut
Eignung von
Opalinustonschichten bzgl. Tiefenlage
Nagra
A-1
2a
LK Waldshut
Auswahl von Mergel Formationen
Nagra
A-3
2b
LK Waldshut
Auswahl von Mergel Formationen
KNE und Stellungnahme der Nagra
A-4
3
LK Waldshut
Auswahl von Molassesedimenten
Nagra
A-6
4
Ausschuss der
Kantone
Auswahl von Molassesedimenten
Nagra und KNE
A-6
5
Ausschuss der
Kantone
Pro und Contra von tonigen Flyschen
Nagra und KNE
A-9
6
Ausschuss der
Kantone
Frühzeitiges Zurückstellen von möglichweise geeigneten Formationen
KNE
7
LK Waldshut
Verwendung von Beton zur Stabilisierung
KNE und Ergänzungen der Nagra
B-1
8
LK Waldshut
Auswahlverfahren und Schutzziele
ENSI
C-1
9
LK Waldshut
Vorgehensweise beim Auswahlverfahren
ESchT
C-2
10
Herr M. Thiel
Dichtigkeit und Langzeitsicherheit der
Lagerstätte
ENSI
D-1
11
Herr M. Thiel
Haltbarkeit der Lagerbehälter
ENSI
D-3
12
LK Waldshut
Notwendigkeit weitergehender Untersuchungen
ENSI und KNS
D-4
13
LK Waldshut
Dichtigkeit des Tongesteins bei Gasfreisetzung, Sicherheit der Lagerbehälter
Nagra
D-6
14
LK Waldshut
Zurückstellen des Oberbauenstocks
BFE und Nagra
D-7
15
LK Waldshut
Tektonik im Zeitraum von 100'000 bis
1'000'000 Jahren
ENSI und KNS
D-11
16
Ausschuss der
Kantone
Einfluss der Tektonik auf Lagergeometrie, Lagergrösse und mögliche Freilegung
ENSI und KNS
D-13
17
Ausschuss der
Kantone
Umgang mit austretenden Lagergasen
und Anforderungen an das Wirtgestein
ENSI und KNS
D-15
18
Ausschuss der
Kantone
Eigenschaften und Grundwasserführung in den Rahmengesteinen
ENSI und KNS
D-18
19
Ausschuss der
Kantone
Einfluss der Grundwassersituation auf
den Bau und Betrieb
ENSI und KNS
D-20
VI
Seite
A-12
Frage
Fragesteller
Stichwort
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
20
Ausschuss der
Kantone
Abstand zu Trinkwasseraquiferen im
Lockergestein
ENSI und KNS
D-21
21
Ausschuss der
Kantone
Abstand zu zukünftigen Nutzungspotentialen
ENSI und KNS
D-23
22
Ausschuss der
Kantone
Risiken von tiefliegenden Erdgasvorkommen
ENSI, Nagra und
KNS
D-25
23
BUND BW
Verantwortlichkeit für radioaktive Abfälle
BFE
E-1
24
Klar! Deutschland
Verantwortlichkeit für Kernmaterialien
BFE
E-2
25
Kantone AG &
TG
Wirksamkeit der Bentonit-Verfüllung
ENSI und KNS
D-27
26
Klar! Deutschland
Berücksichtigung von richtungsabhängigen Faktoren
BFE
D-32
27
Kanton ZH
Quartärgeologie/Erosionsproblematik
ENSI und Nagra
D-33
28
Kanton ZH
Lagersicherheit
ENSI und Nagra
D-35
29
Kanton ZH
Gasproblematik
ENSI und Nagra
D-37
30
Kanton Zürich
Eignung von sandigen Opalinustonschichten
Nagra und
swisstopo
A-13
31
Kanton Zürich
Selbstabdichtungsvermögen von Opalinuston
Nagra und
swisstopo
A-20
32
Kanton Zürich
Abbildungsvermögen von Verwerfungen
durch Seismik
Nagra
A-22
33
Jura-Südfuss
Berücksichtigung der Eppenberg-Struktur
ENSI und KNE
F-1
34
Jura-Südfuss
Wasserwegsamkeiten in den Kalkbankabfolgen der Effinger-Schichten
ENSI und KNE
F-3
35
Jura-Südfuss
Einfluss von bestehenden Erdwärmesonden
ENSI und KNE
F-6
36
Jura-Südfuss
Nutzungsbeschränkung in den Standortgebieten
BFE
C-3
Jura-Südfuss
Einfluss von Störungszonen auf das Tiefenlager
ENSI und KNE
D-41
38
Jura-Südfuss
Bedeutung von "grossräumiggeologische Veränderungen"
ENSI und KNE
D-42
39
LK Waldshut
Leukämie-Risiko
ENSI
D-43
40
Österreich
Lagerkonzept (kontrollierte geologische
Langzeitlagerung)
ENSI
C-4
Österreich
Möglichkeit der Errichtung eines Kombilagers für HAA und SMA
Nagra
C-9
37
41
VII
Fragesteller
Stichwort
Beantwortende
Organisation(en)
Seite
42
Österreich
Methodik der Bewertung von Grossräumen, Wirtsgesteinen, Bereichen und
geologischen Standortgebieten
Nagra und Kommentar ENSI
C-11
43
Hr. StüssiLauterburg
Nutzungsbeschränkung in den Standortgebieten
BFE
C-14
44
Sovita
Risiken durch Erdbeben und Tektonik
ENSI
D-44
Herr H. Bühl
Langzeitszenarien und Tiefenerosion im
Standortgebiet Zürich Nordost
ENSI und Nagra
46
AG SiKa
Überdeckung des Tiefenlagers – bautechnische Machbarkeit
ENSI und KNE
D-45
47
AG SiKa
Tektonische Verhältnisse in den
Standortregionen
KNE und swisstopo
D-51
48
Herr O. Baldinger
Eigenschaften des Standortgebiets Jura
Ost
ENSI
H-1
49
Herr J. Wyder
Bergwasser mit einem hohen Chloridund Sulfatgehalt
ENSI
H-7
50
Herr F. Schenker
Auswirkungen der natürlich vorkommenden Gase im Tiefenlager
Nagra und ENSI
D-63
51
Medienstelle NL
und ZNO
Behältermaterial für radioaktive Abfälle
Nagra und ENSI
(b)
D-70
53
Gemeinderat
Gipf-Oberfrick
Thermal- und Trinkwasserquellen
ENSI und Nagra
D-74
54
Gemeinderat
Gipf-Oberfrick
Ressourcen für die Forschung
BFE
C-16
55
Gemeinderat
Gipf-Oberfrick
Versicherung/Haftung
BFE
I-1
56
Gemeinderat
Stadt Laufenburg
(AG)
Naturgefahren während der Bauphase
ENSI und Nagra
D-79
57
Gemeinderat
Gipf-Oberfrick
Massnahmen zur Verhinderung von
Sicherheitsproblemen
ENSI und KNS
D-82
58
Herr F. Schenker
Shale-Gas Potential des Opalinustons
Nagra
D-86
59
KAIB
Zeitplan geologische Untersuchungen
(2D- /3D-Seismik)
ENSI (a) und
Nagra
C-18
60
KAIB
Zeitplan Oberflächenanlagen
Nagra und BFE
C-21
61
AG SiKa/KES
Problematik von aggressiven Bergwässern und Schlussfolgerungen zu deren
Herkunft und Fliesswegen
ENSI
H-10
62
Österreich
Verfahren mit den Empfehlungen der
KNS
ENSI und Nagra
D-89
63
SES
Umpackung in der Oberflächenanlage
Nagra
Frage
45
VIII
G-1
E-4
Frage
Fragesteller
Stichwort
Beantwortende
Organisation(en)
64
SES
Umgang mit ungelösten Fragen beim
Entsorgungsnachweis
BFE und ENSI
67
SES, U. Krieger,
Bürgermeister
Laufenburg
69
SES
Markierung des Lagers
Umgang mit neuen Erkenntnissen und
Flexibilität des Sachplanverfahrens
71
SES
Unabhängigkeit der Nagra-Forschung
BFE
I-5
73
SES
Unabhängigkeit und Fachkompetenz
des Kontrollbehörde ENSI
BFE
I-7
75
SES
Berücksichtigung Bevölkerungswille für
geol. Tiefenlager
BFE
I-9
77
U. Krieger,
Bürgermeister
Laufenburg (D)
Vorgehen bei der Suche nach Oberflächenstandorte
ENSI und BFE
C-28
78
AG SiKa / KES
Begriffsdefinitionen
BFE und ENSI
C-23
IX
Seite
I-3
KNS, Nagra und
BFE
I-11
BFE und ENSI
I-15
Abkürzungsverzeichnis und
Glossar
AdK
Ausschuss der Kantone
AfU
Amt für Umwelt
AG SiKa
Arbeitsgruppe Sicherheit der Kantone
Agneb
Arbeitsgruppe des Bundes für die nukleare Entsorgung
Anhörung
Am Ende jeder Etappe werden der Ergebnisbericht sowie die
Objektblätter den betroffenen Kantonen zugestellt und während
mindestens 20 Tagen öffentlich aufgelegt. Das Anhörungsverfahren
dauert in der Regel 3 Monate (Art. 19 RPV).
ARE
Bundesamt für Raumentwicklung
ATA
Alphatoxische Abfälle: Radioaktive Abfälle mit einem hohen Gehalt an
Alphastrahlern.
AUZ
Auflockerungszone, diese Zone umgibt im Tunnelbau den Hohlraum.
Korn und Flächengefüge des Gebirges sind dabei gestört.
AWEL
Amt für Wasser, Energie und Luft
BAG
Bundesamt für Gesundheit
Barrieren
Barrieren bilden das passive Sicherheitssystem eines Lagers zum
Schutz von Mensch und Umwelt. Es sind technische und natürliche
(geologische) Einschluss- und Rückhaltesysteme, welche die radioaktiven Abfälle nach dem Multibarrieren-Konzept von der Biosphäre isolieren.
BE
Brennelement: Eine Anordnung von Brennstäben, in welcher der
Kernbrennstoff in den Kernreaktor eingesetzt wird. Ein Brennelement
eines Druckwasserreaktors enthält rund 530 kg, das eines Siedewasserreaktors rund 190 kg Uran.
BeKo
Begleitkommission Schweiz
BFE
Bundesamt für Energie
BGR
Bundesgesellschaft für Rohstoffe
CANUPIS-Studie
Childhood Cancer and Nuclear Power Plants in Switzerland, ist eine
Studie, bei der Krebserkrankungen von Kindern in der Nähe von Kernkraftwerken untersucht wurden, da diese strahlungempfindlicher sind
als Erwachsene.
1
DHM25
Das digitale Höhenmodell DHM25 ist ein Datensatz, welcher die dreidimensionale Form der Erdoberfläche ohne Bewuchs und Bebauung
beschreibt. Er wurde im Wesentlichen aus der Höheninformation der
Landeskarte 1:25 000 (LK25) abgeleitet.1
DTM
digitales Terrainmodell, welches die natürliche Erdoberfläche bildlich
darstellt
EDI
Eidg. Departement des Innern
EDZ
Auflockerungszone um den Lagerstollen
EGT
Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung, ehemals KNE
EGTS
Engineered Gas Transport System. Das EGTS bezweckt, die Gastransportkapazität der verfüllten Untertagebauwerke zu erhöhen, ohne die
Radionuklid-Rückhaltefunktion der technischen Barrieren zu beeinträchtigen.2
Einschlusswirksamer
Gebirgsbereich
Teil der geologischen Barrieren, der bei normaler Entwicklung des
geologischen Tiefenlagers für den betrachteten Isolationszeitraum –
im Zusammenwirken mit technischen und geologischen Barrieren –
den Einschluss der Abfälle sicherstellt.
EKRA
Expertengruppe „Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle“
ENSI
Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, ehemals: HSK
Das eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI ist die Aufsichtsbehörde des Bundes für die nukleare Sicherheit und Sicherung
der schweizerischen Kernanlagen. Aufgaben des ENSI:
Entsorgungskonzept

Inspektionen

Revision

Strahlenüberwachung

Sicherheitsbewertung

Erstellen von Sicherheitsgutachten

Freigaben zur Bewilligung von Kernanlagen
Nach heutigem Wissensstand ist die geologische Endlagerung die
einzige Methode zur Beseitigung der radioaktiven Abfälle, die auch
den Anforderungen an die Langzeitsicherheit entspricht. Konzepte,
deren Sicherheit auf ständiger Überwachung durch den Menschen
beruht, erfüllen diese Anforderungen nicht. Die Schweiz hat sich aus
diesem Grund für das Konzept des geologischen Tiefenlagers entschieden. Nach dem Verschluss ist der Bund für das Lager verantwortlich.
1
http://www.swisstopo.admin.ch/internet/swisstopo/de/home/products/height/dhm25.html
2
NTB 08-07
2
Entsorgungsnachweis
Der Entsorgungsnachweis ist der Nachweis über die grundsätzliche
Machbarkeit der Entsorgung radioaktiver Abfälle in einer bestimmten
geologischen Schicht. Der Entsorgungsnachweis soll aufzeigen, dass in
der Schweiz ein genügend grosser Gesteinskörper mit den erforderlichen Eigenschaften existiert. Der Entsorgungsnachweis ist sowohl für
SMA als auch für HAA erbracht worden.
Entsorgungspflichtige
Wer eine Kernanlage betreibt oder stilllegt, ist verpflichtet, die aus
der Anlage stammenden radioaktiven Abfälle auf eigene Kosten sicher
zu entsorgen (Art. 31 KEG). Der Bund entsorgt die radioaktiven Abfälle, die nach Artikel 27 Absatz 1 StSG abgeliefert worden sind (Art. 33
KEG). Im Hinblick auf die dauernde und sichere Entsorgung von radioaktiven Abfällen haben die Betreiber der fünf schweizerischen Kernkraftwerke und die Schweizerische Eidgenossenschaft 1972 die Nagra
gegründet.
Entsorgungsprogramm Die Entsorgungspflichtigen haben gemäss Artikel 52 der Kernenergieverordnung im Entsorgungsprogramm Angaben zu machen über:
a. Herkunft, Art und Menge der radioaktiven Abfälle;
b. die benötigten geologischen Tiefenlager einschliesslich ihres
Auslegungskonzepts;
c. die Zuteilung der Abfälle zu den geologischen Tiefenlagern;
d. den Realisierungsplan für die Erstellung der geologischen
Tiefenlager;
e. die Dauer und die benötigte Kapazität der zentralen und der
dezentralen Zwischenlagerung;
f. den Finanzplan für die Entsorgungsarbeiten bis zur
triebnahme
Ausserbe-
der Kernanlagen, mit Angaben über:
1. die zu tätigenden Arbeiten;
2. die Höhe der Kosten;
3. die Art der Finanzierung;
4. das Informationskonzept.
Zudem haben die Entsorgungspflichtigen das Programm alle fünf Jahre anzupassen. Zuständig für die Überprüfung und für die Überwachung der Einhaltung des Programms sind die HSK und das federführende Bundesamt.
ESchT
Expertengruppe-Schweizer-Tiefenlager
FEBEX
Full-scale High Level Waste Engineered Barriers Experiment
Mit dem Versuch FEBEX überprüfen Forscher ein mögliches Einlagerungskonzept für verbrauchte Brennelemente im Massstab 1:1. Die
Wärmeproduktion der verbrauchten Brennelemente wird durch zwei
Heizelemente simuliert, die in Bentonit eingebettet sind.3
3
http://www.nagra.ch/g3.cms/s_page/86460/s_name/bilderdownloadgrimsel oder http://www.grimsel.com/gts-phase-
v/febex/febex-i-introduction-
3
FORGE
Fate Of Repository Gases ist ein Projekt der EU mit 24 Teilnehmern. Es
soll die sicherheitstechnische Bedeutung der durch Gase verursachten
Prozesse im Nah- und Fernfeld eines Tiefenlagers untersuchen.4
Geologisches Standortgebiet
Das geologische Standortgebiet wird durch die für die Lagerung der
radioaktiven Abfälle geeigneten geologischen Gesteinskörper im Untergrund definiert.
Geologisches Tiefenlager
Anlage im geologischen Untergrund, die verschlossen werden kann,
sofern der dauernde Schutz von Mensch und Umwelt durch passive
Barrieren sichergestellt wird.
GIS
Geo-Informationssysteme sind rechnerbezogene Systeme, die im
Wesentlichen zur Erfassung, Modellierung, Speicherung, Reorganisation, zur Analyse und Präsentation von geographischen Daten dienen.
GPS
Global Positioning System, durch diese Navigationssatellitensysteme
lassen sich Positionen genau bestimmen und festhalten.
HAA
Hochaktive Abfälle: Darunter fallen abgebrannte Brennelemente und
verglaste Spaltprodukte aus der Wiederaufbereitung. Durch den radioaktiven Zerfall entsteht eine grosse Wärmeentwicklung.
HSK
Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen, heute: ENSI
IAEA
International Atomic Energy Agency
KEG
Kernenergiegesetz vom 21. März 2003: Das Kernenergiegesetz regelt
die friedliche Nutzung der Kernenergie und bestimmt das Vorgehen
bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle.
KES
Kantonale Expertengruppe Sicherheit
KEV
Kernenergieverordnung vom 10. Dezember 2004
KiKK
"Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken"
KKW
Kernkraftwerk
KNE
Kommission Nukleare Entsorgung, heute EGT
KNS
Kommission für nukleare Sicherheit, ehemals: KSA
KSA
Eidg. Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen, heute: KNS
LGRB
Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau
LIDAR
Light detection and ranging
Durch Absorptions-und Streuungsprozesse von Licht können mit Hilfe
des LIDAR Aussagen über atmosphärische Parameter getroffen werden. Das LIDAR sendet elektromagnetische Strahlung aus, die von
Teilchen (Moleküle, Partikel) durch Absorption und Streuung zurück
geworfen wird und vom Gerät detektiert wird.5
LMA
langlebige mittelaktive Abfälle
4
http://www.ensi.ch/de/kernanlagen/sicherheitsforschung/entsorgung/forge/
5
http://www.iac.ethz.ch/staff/krieger/pdf/Gruppe_LIDAR_Bericht.pdf
4
MEG
Most Extensive Glaciation
NAB
Nagra Arbeitsbericht
Nagra
Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle. Im
Hinblick auf die dauernde und sichere Entsorgung von radioaktiven
Abfällen haben die Betreiber der fünf schweizerischen Kernkraftwerke
und die Schweizerische Eidgenossenschaft 1972 die Nagra gegründet.
NEA
Nuclear Energy Agency
NTB
Nagra Technischer Bericht
OECD
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
OMM
Obere Meeresmolasse
Opalinuston
Vor mehr als 175 Mio. Jahren, während der Jurazeit, lagerte sich am
Grund eines flachen Meeres feiner Schlamm aus Tonpartikeln ab.
Daraus entstand der Opalinuston. Das tonige Sedimentgestein ist in
Teilen der Nordschweiz gleichförmig abgelagert.
OSM
Obere Süsswassermolasse
PEBS
Long-term performance of Engineered Barrier Systems (vorgeschlagenes EU-Projekt und Versuch im Felslabor Mont Terri).
Planungsperimeter
Der Planungsperimeter bezeichnet den geographischen Raum, welcher durch die Ausdehnung des geologischen Standortgebiets unter
Berücksichtigung von möglichen Anordnungen der benötigten Anlagen an der Oberfläche festgelegt wird.
PSI
Paul Scherrer Institut
RD&D
Research, Development & Demonstration
Rückholbarkeit
Mit Rückholbarkeit wird die Möglichkeit bezeichnet, radioaktive Abfälle aus einer offenen, teilweise oder ganz verschlossenen Anlage mit
mehr oder weniger grossem finanziellem und technischem Aufwand
zurückzuholen.
SEFV
Stilllegungs- und Entsorgungsfondsverordnung
Seismische
Bei seismischen Untersuchungen werden an der Erdoberfläche künstlich Schwingungen erzeugt. Diese breiten sich wellenförmig in die
Tiefe aus und werden an Gesteinsschichten reflektiert. Die reflektierten Wellen werden an der Oberfläche aufgezeichnet und ermöglichen
eine räumliche Abbildung der geologischen Strukturen.
Untersuchungen
SELFRAC
Fractures and Self-healing within the Excavation Disturbed Zone in
Clays
SES
Schweizerische Energie-Stiftung
SGT
Konzept Sachplan geologische Tiefenlager
SIA
Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein
SMA
Schwach- und mittelaktive Abfälle: Diese Abfälle enthalten vorwiegend kurzlebige radioaktive Stoffe mit kleinerer Halbwertszeit. Sie
stammen vom Betrieb und späterem Abbruch der Kernkraftwerke und
aus Medizin, Industrie und Forschung.
5
SMA-EFF-SJ-O
schwach- und mittelaktive Abfälle- Effinger Schichten- subjurassischOst
SMA-EFF-SJ-W
schwach- und mittelaktive Abfälle- Effinger Schichten- subjurassischWest
SMA-OPA-SJ-W
schwach- und mittelaktive Abfälle- Opalinuston- subjurassisch- West
SÖW
sozioökonomisch-ökologische Wirkungsstudien
Standortgemeinde
Gemeinde, unterhalb deren Gemeindegrenze ein geologisches
Standortgebiet ganz oder teilweise liegt.
Standortkanton
Kanton mit einer oder mehreren Gemeinden in einer Standortregion
Standortregion
Die Standortregion setzt sich zusammen aus den Standortgemeinden
sowie den Gemeinden, welche ganz oder teilweise im Planungsperimeter liegen. Zusätzlich und in begründeten Fällen können weitere
Gemeinden zur Standortregion gezählt werden.
SUVA
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
TBM
Tunnelbohrmaschine
TFS
Technische Forum Sicherheit
TH Profil
Das Toussaint-Heintzmann-Profil gewährleistet, mit Reibungslaschen
in druckhaften Gebirgen einen konstanten Ausbauwiderstand, was zu
einer Reduktion des Gebirgsdruckes führt.
TOC
total organic carbon beschreibt die Summe des gesamten organischen
Kohlenstoffs
USM
Untere Süsswassermolasse
UVEK
Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und
Kommunikation
UVP
Umweltverträglichkeitsprüfung
UVPV
Verordnung vom 19. Oktober 1988 über die Umweltverträglichkeitsprüfung
Verfüllung
Verfüllen der Lagerkavernen und -stollen nach Einlagerung der Abfallgebinde (Art. 67 KEV)
Verschluss
Verfüllen und Versiegeln aller untertägigen Teile und des Zugangsstollens des geologischen Tiefenlagers nach Abschluss der Beobachtungsphase (Art. 69 KEV)
Wirtgestein
Das Wirtgestein ist die Gesteinsformation, welche das Lager mit seinen Abfällen aufnimmt. Als Wirtgestein wird derjenige Bereich der
Geosphäre bezeichnet, der für den Schutz der technischen Barrieren,
für die Begrenzung des Wasserzuflusses zum Lager und für die Rückhaltung der Radionuklide massgebend ist.
Zusammenarbeit
Um allfällige Konflikte im Rahmen der Planung rechtzeitig erkennen
und lösen zu können, werden die betroffenen Behörden des Bundes,
der Kantone und des benachbarten Auslands sowie betroffene Organisationen und Personen des öffentlichen und privaten Rechts, soweit
sie mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut sind, frühzeitig einbezogen (Art. 18 RPV).
6
ZWIBEZ
Zwischenlager Beznau
ZWILAG
Zwischenlager
7
Thema
A: Fragen zu Wirtgesteinen
Thema A: Fragen zu Wirtgesteinen
Nr.
1
Frage
Eignung von Opalinustonschichten bzgl. Tiefenlage
Warum kommen im Schweizer Mittelland die tief liegenden
Schichten des Opalinustons nicht als Endlagerstandorte in
Betracht, müssen diese wirklich wegen den von der Schweiz
geltend gemachten bautechnischen Anforderungen sowie
technischen Schwierigkeiten ausscheiden?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Waldshut
Nagra
Beantwortet am: 18.12.2009
Antwort der Nagra:
Bei der Abgrenzung der bevorzugten Bereiche beziehungsweise der Standortgebiete ist gemäss Konzept SGT (vgl. Tabelle 1) die bautechnische Machbarkeit ein wichtiger zu berücksichtigender Aspekt.
Die maximale Tiefenlage unter Terrain ist einer der für die bautechnische Machbarkeit massgebenden Faktoren. Für die Festlegung der maximalen Tiefenlage sind vor allem die geomechanischen Bedingungen massgebend. Ab Überschreitung einer kritischen Tiefe wäre auch die in-situ-Temperatur
mit zu betrachten; in der Nordschweiz werden kritische Temperaturen (> 55°C) zwischen 1'100 m
und 1'300 m unter Terrain erwartet, bei lokalen Anomalien schon in geringeren Tiefen.
Bezüglich der geomechanischen Bedingungen sind einerseits die Stabilität der untertägigen Bauten
(v.a. Lagerkammern) und andererseits die Auflockerung des Gebirges in der Umgebung der Lagerkammern und der Verschlussbauwerke massgebend. Für Tongesteine, wie z.B. den hier angesprochenen Opalinuston, ergibt sich eine maximale Tiefe, unterhalb derer eine grösserräumige Auflockerung des Gebirges in der direkten Umgebung der Hohlräume – auch mit massiven Stabilisierungsmassnahmen – nicht mehr vermieden werden kann. Während ein erhöhter Aufwand für die Stabilisierung der Hohlräume bei der Abgrenzung der geologischen Standortgebiete in Kauf genommen
wird, kann die grösserräumige Auflockerung wegen potenziell ungünstiger Auswirkungen auf die
Langzeitsicherheit nicht akzeptiert werden.
Aus diesen Gegebenheiten und Überlegungen ergeben sich in der Nord-Schweiz für das potenzielle
Wirtgestein Opalinuston Maximaltiefen von < 800 m (SMA) und < 900 m (für HAA). Dadurch fallen die
tiefer liegenden Vorkommen im Molassebecken ausser Betracht (Figur 1-1).
Figur 1-1:
Schematischer Profilschnitt durch die Nordostschweiz zur Herleitung der Verbreitungsbereiche der möglichen Wirtgesteine aufgrund der gegebenen Einschränkungen (Figur 4-15 aus NTB 05-02; nicht massstäblich, stark überhöht).
A-1
Zum Vergleich: In anderen Ländern mit Tiefenlager-Projekten in Tongesteinen mit vergleichbaren
Gesteinsfestigkeiten, wie z.B. Frankreich und Belgien, sind die Maximaltiefen (für HAA) bei < 600 m
festgelegt.
Im HAA-Lager sind ab ca. 650 m zusätzlich zu Felsankern und Netzen flächige Stützmittel (z.B. Liner
aus Spritzbeton) notwendig. Dieses Ausbaukonzept hat die Nagra den Behörden in einem ergänzenden Bericht ( 09-07) vorgelegt.
Die Nagra hat die Sensitivität der Tiefenlage geprüft und festgestellt, dass bei einer Erhöhung der
maximalen Tiefenlage um 100-200 m keine grundsätzlich neuen Standortgebiete dazu kommen.
A-2
Thema A: Fragen zu Wirtgesteinen
Nr.
Frage
2a)
Auswahl von Mergel Formationen
Ausser dem Wellenberg gibt es noch weitere Mergel Formationen in der Schweiz, welche für Endlagerung geeignet sein könnten.
Neben dem Wellenberg werden im Nagra - Bericht NTB 08-03
(Seite 220) ausdrücklich das Muotathal und Wartau als Vorkommen bezeichnet, welche die Mindestanforderungen an ein
Endlager erfüllen. Aufgrund von „Ungewissheiten betreffend
Geometrie der Akkumulation“ schlägt die Nagra diese jedoch
nicht vor. Ist die Einschätzung zutreffend, dass der Wellenberg
vorgeschlagen wurde, da dieser bereits eingehend untersucht
ist, Muotathal und Wartau hingegen nicht vorgeschlagen wurden, da vergleichbare Untersuchungen dort nicht unternommen
wurden?
Eingangsdatum: 18.06.2006
Fragesteller
Beantwortet durch
Waldshut
Nagra
Beantwortet am: 26.03.2010
Antwort Nagra:
Bei allen drei genannten Vorkommen sind die Mindestanforderungen erfüllt.
Informationen zur Geometrie der tektonischen Mergel-Anhäufungen Muotathal und Wartau basieren auf Profilkonstruktionen.
Die Erfahrungen am Wellenberg haben gezeigt, dass die obersten 400 m des Wirtgesteins aufgrund
von Dekompaktionseffekten eine stark erhöhte hydraulische Durchlässigkeit aufweisen. Ab 400 m
nehmen die Durchlässigkeiten ab, die Dekompaktionseffekte sind aber noch bis in Tiefen von rund
600 m erkennbar (siehe Figur 4.3-24 in NTB 08-04). Diese Gegebenheit wurde auch bei der Bewertung der übrigen Vorkommen berücksichtigt (verschärfte Anforderungen).
Unter Berücksichtigung der verschärften Anforderungen und der Maximaltiefe im Hinblick auf die
bautechnische Machbarkeit ist das Platzangebot in den Vorkommen Muotathal und Wartau für ein
Tiefenlager sehr knapp und demzufolge das Realisierungsrisiko aus Sicht der Nagra zu gross. Im Fall
Muotathal stellt das von der Nagra in NTB 08-04 gezeigte Profil eine optimistische Ergänzung des
Profils von Oberholzer (1933) dar. Weiter östlich verlaufende Profile aus Oberholzer (1933) zeigen,
dass durchaus mit der Einschuppung und Einfaltung grosser kalkiger Deckensegmente gerechnet
werden muss, wodurch das Platzangebot für ein Lager drastisch reduziert würde. Auch im Fall von
Wartau sind die Ungewissheiten bezüglich Platzverhältnisse aufgrund der schräg einfallenden Schichtung so gross, dass das Realisierungsrisiko als zu hoch eingestuft wird.
Bei beiden Vorkommen ist zudem die Situation bezüglich Explorierbarkeit sehr schwierig. Die potenziellen Vorkommen müssten mit stark geneigten Schrägbohrungen (Fallwinkel bis 30°) von z.T. mehr
als 1500 m Länge erkundet werden. Im Fall von Muotathal würden die Bohrungen durch grossblockigen Gehängeschutt führen, im Fall von Wartau sind die Bohransatzpunkte z.T. in schwer zugänglichem, hochgelegenen Gelände. Insgesamt müssen die Explorationsverhältnisse im geologischen Untergrund sowie die Explorationsbedingungen an der Oberfläche als sehr ungünstig bewertet werden.
Die Etappe 1 SGT geht vom aktuellen Stand der geologischen Kenntnisse aus; zusätzliche Untersuchungen stehen in dieser Etappe nicht zur Diskussion
A-3
Thema A: Fragen zu Wirtgesteinen
Nr.
Frage
2b)
Auswahl von Mergel Formationen
In NTB 08-03 steht auch: „Es ist nicht auszuschliessen, dass
wegen ungünstiger Aufschlussverhältnisse (Schuttbedeckung)
und der komplexen tektonischen Verhältnisse im Helvetikum
noch weitere, heute nicht bekannte Mergel-Akkumulationen
von grösserem Ausmass existieren. Aufgrund der heutigen
Kenntnisse können solche Vorkommen aber auch nicht annäherungsweise lokalisiert werden“ (Seite 219). Teilt die KNE die
Auffassung der Nagra, dass weitere Vorkommen mit heute
verfügbaren Methoden nicht zu lokalisieren sind?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Waldshut
Beantwortet durch
KNE
Nagra
(Stellungnahme)
Beantwortet am: 26.032010
Antwort der Kommission der Nuklearen Entsorgung (KNE):
Im Rahmen der Etappe 1 des SGT haben die Entsorgungspflichtigen vom heutigen geologischen
Kenntnisstand auszugehen. Zusätzliche Felduntersuchungen sind in Etappe 1 nicht vorgesehen. Für
Etappe 1 ist demzufolge zu prüfen, ob die in Figur 5.2.-19 in NTB 08-03 ausgeschiedenen Standorte
vollständig sind. Diese Überprüfung der Mergel-Formationen im Helvetikum erfolgte durch die
swisstopo und nicht durch die KNE. swisstopo betrachtet die ausgeschiedenen MergelAkkumulationen im Helvetikum als vollständig. Sie hält in ihrem Expertenbericht (swisstopo 2010,
Seite 38) vom Februar 2010 fest, dass aufgrund der heute vorhandenen geologischen Kenntnisse von
den 18 geprüften grösseren Mergel-Akkumulationen im Helvetikum nur die Palfris-Formation beim
Standortgebiet Wellenberg die verschärften Anforderungen an die räumlichen Verhältnisse erfüllt.
Die KNE hat die sicherheitstechnische und bautechnische Eignung aller Standortgebiete überprüft
und kommt bei den Mergel-Akkumulationen im Helvetikum zum Teil zu anderen Bewertungen als die
Nagra. Insbesondere scheint es der KNE wichtig, dass nur schwach tektonisierte Gebiete mit möglichst unbedeutender neotektonischer Aktivität als bevorzugte Standortregionen in Betracht gezogen
werden. Dies führt dazu, dass die KNE das Standortgebiet Wellenberg trotz einiger sehr positiver
Eigenschaften (grosse Mächtigkeit und gute Barriereneigenschaften in einer Tiefe von > 550 m u.T.)
als deutlich weniger geeignet einstuft als die bevorzugten Standortgebiete in der Nordschweiz. Diese
Bewertung wird in der Stellungnahme der KNE (KNE 2010, Kapitel 5, Abschnitt 5.3) im Detail erklärt
und vertieft begründet.
Referenzen
KNE (2010): Sachplan Geologische Tiefenlager, Etappe 1 - Stellungnahme der KNE zur Sicherheit und
bautechnischen Machbarkeit der vorgeschlagenen Standortgebiete, Expertenbericht Kommission Nukleare Entsorgung, Brugg.
swisstopo (2010): Beurteilung der Sammelprofile und der hergeleiteten Wirtgesteine sowie der
Grundlagen für die Herleitung von Standortgebieten im Sachplan geologische Tiefenlager, Expertenbericht Bundesamt für Landestopographie swisstopo, Wabern.
A-4
Stellungnahme der Nagra zur Antwort der KNE:
Die Nagra ist mit dem ersten Teil der Antwort der KNE grundsätzlich einverstanden. Im zweiten Teil
ihrer Antwort befasst sich die KNE noch mit der Bewertung des Wellenbergs als Standort. Da dieser
Aspekt jedoch nicht Gegenstand der eigentlichen Frage ist, bezieht die Nagra dazu auch keine Stellung.
A-5
Thema A: Fragen zu Wirtgesteinen
Nr.
3
Frage
Auswahl von Molassesedimenten
Im Optionenbericht der Nagra aus dem Jahr 2005 war die
untere Süsswasser Molasse als Reserveoption genannt. Nun
soll (gemäss Nagra) die Süsswasser Molasse als Option mangels Eignung ausscheiden. Begründet wurde die Nicht-Eignung
auf öffentlichen Informationsveranstaltungen und im Bauund Umweltausschuss des Landkreises Waldshut stets mit
geologischem Wissen, welches bereits im Jahre 2005 bekannt
war. Wie ist die geänderte Einschätzung bezüglich der Eignung der unteren Süsswasser Molasse bei gleichem geologischem Wissen (das heisst bei unveränderter Bewertungsgrundlage) zu begründen?
Eingangsdatum: 18.06.2009
4
Beantwortet durch
Waldshut
Nagra
Ausschuss der
Kantone
Nagra
KNE
Beantwortet am: 18.12.2009
Auswahl von Molassesedimenten
Welche Vorteile der besten Wirtgesteine des westlichen Molassebeckens (insbesondere Marnes Bariolées des Chattien)
im Vergleich zu den durch die Nagra ausgewählten Wirtgesteinen für SMA-Lager (insbesondere brauner Dogger, Effinger
Schichten und Mergel-Formationen des Helvetikums) stehen
welchen entsprechenden Nachteilen gegenüber?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet am: 26.03.2010
Antwort der Nagra (zu Frage 3 und 4):
Von den 180-360 m mächtigen Marnes Bariolées s.l. kommen nur die 130 – 200 m mächtigen, tonreichen Marnes Bariolées s.str. als potenziell mögliches Wirtgestein in Frage (siehe Figur 5.3-31 in
NTB 08-04). Die anderen Bereiche enthalten reichlich Sandsteine, welche ein Lager verunmöglichen.
Gegenüber dem Kenntnisstand 2005 (Optionenbericht NTB 05-02) stehen aufgrund umfangreicher
Zusatzarbeiten (Kompilation aller verfügbaren Ergebnisse von hydraulischen Tests, synthetische 3DSeismik, Feldbegehung mit Prof. Matter/Schlunegger, Universität Bern, hydraulische Tests in drei
Bohrungen in der vergleichbaren OSM, etc.) neue Unterlagen zur Verfügung (siehe Kapitel 4.3.5 in
NTB 08-04).
Es verbleibt als einziger Vorteil der Marnes Bariolées ihre grossräumige Verbreitung im westlichen
Molassebecken. Nachteilig für die Marnes Bariolées sind die darin enthaltenen durchlässigen Rinnengürtel (Ablagerungen mäandrierender Flusssysteme); auch wenn diese weniger häufig auftreten
als in der übrigen USM (siehe Figur 4.3-32 in NTB 08-04).
Die Mindestanforderung an die (vertikale) hydraulische Durchlässigkeit ist zwar knapp erfüllt, die
verschärften Anforderungen an die horizontale Durchlässigkeit jedoch nicht; deshalb wurde die Option Marnes Bariolées in der USM zurückgestellt ('Ausweichen' mit Lagerkammern schwierig).
Die Exploration einzelner Rinnengürtel mit 3D-Seismik ist in der Praxis nicht möglich (zu geringe
Mächtigkeit, unterschiedliche seismische Impedanz der verschiedenen Rinnengürtel aufgrund unterschiedlicher diagenetischer Zementation).
Weiter bestehen Hinweise auf grossräumigen ('langsamen') Stofftransport: Die verbreiteten Öl- und
Gas-Anzeichen (das Öl stammt aus einem marinen Muttergestein aus dem tieferen Molassebecken)
A-6
und das Fehlen grösserer Kohlenwasserstoff-Vorkommen hat dazu geführt, dass die Erdölgeologen
die USM als leaky cap rock bezeichnen (Greber et al. 2004). Bei der Migration der Kohlenwasserstoffe
tragen vermutlich auch Störungen mit einer erhöhten Transmissivität bei. Ein weiterer Hinweis auf
grossräumigen langsamen advektiven Stofftransport ist die schief zu Formationsgrenzen verlaufende
hydrochemische Zonierung (Schmassmann 1990).
Referenzen
Greber, E., Leu, W. & Schegg, R. (2004): Hydrocarbon Habitat and Potential of Switzerland – An evaluation of the oil and gas potential of Switzerland based on public well data, seismic lines and
basin modelling results. Unpubl. Int. Rep., Geoform Ltd., Minusio.
Schmassmann, H. (1990): Hydrochemische Synthese Nordschweiz: Tertiär- und Malm-Aquifere.
Nagra Tech. Ber. NTB 88-07.
Antwort der Kommission der Nuklearen Entsorgung (KNE) zu Frage 4:
Grundlagen
Die tonreichen Sedimente der Unteren Süsswasser Molasse (auch 'Marnes Bariolées') wurden in Talauen von mäandrierenden Flüssen abgelagert. Die Sedimentation erfolgte jeweils in Zusammenhang
mit Hochwasserereignissen in diesen Flüssen. Bei Hochwasser tritt ein Fluss nicht nur über die Ufer,
sondern auch die natürlichen Uferwälle brechen. Dann wird nicht nur feine Schwebfracht in die Talaue transportiert, sondern auch eine erhebliche Menge an Sand, der in Fächerform akkumuliert.
Unabhängig davon pendelt der Lauf mäandrierender Flüsse über weite Bereiche einer Talaue und
hinterlässt sogenannte Rinnengürtel-Sandsteine. Rinnengürtel-Sandsteinkörper stehen oft vertikal
miteinander in Verbindung, da sich die Talaue kontinuierlich während mehrere Millionen Jahre absenkte. Rinnengürtel-Sandsteine weise zudem eine erhöhte hydraulische Leitfähigkeit auf. Die 'Marnes Bariolées' wurden in einem solchen Milieu gebildet. An sich ist diese tonreiche Abfolge mächtig,
es ist aber aufgrund der Genese höchst wahrscheinlich, dass Sandsteinkörper (RinnengürtelSandsteine und Durchbruchsfächer-Sandsteine) eingeschaltet sind. Die lithologischen Abfolgen der
'Marnes Bariolées' sind nur aus wenigen Bohrungen bekannt. Das Auftreten von Sandsteinkörpern
lässt sich nicht geophysikalisch explorieren.
Die grossräumigen Durchlässigkeiten solcher Abfolgen lassen sich nicht direkt messen, sondern nur
modellmässig berechnen. Darum hat im Jahr 2006 die Proseis im Auftrag der HSK stochastische Simulationen der Architekturelemente und hydraulischen Durchlässigkeiten in den Marnes Bariolées ausgeführt. Die Daten dieser Modellierung basieren auf Keller (1992), Meier (1994), Strunck (2001) und
Küpfer (2005). Basierend auf diesen stochastischen Modellen hat anschliessend die ETH Durchflüsse
durch ein modellmässiges Tiefenlager für HAA-Abfälle berechnet (Fidelibus und Löw 2007). Die aus
diesen Durchflüssen abgeleiteten grossräumigen vertikalen Durchlässigkeiten liegen zwischen 1.7E-8
und 3E-10 m/s. Die horizontalen Durchlässigkeiten wurden nicht berechnet sind aber vermutlich
noch grösser. Die Marnes Bariolées erfüllen demzufolge die Verschärften Anforderungen an die hydraulische Durchlässigkeit nicht.
A-7
Vorteile
Die Marnes Bariolées bilden eine rund 200 m mächtige pelit - dominierte Abfolge der distalen Unteren Süsswasser Molasse. Es kann eine weite Verbreitung sowie ein Vorkommen in geeigneter Tiefenlage angenommen werden.
Nachteile
Einschaltungen von mehreren Meter mächtigen, hydraulisch durchlässigen Sandsteinlagen sind nicht
prognostizierbar und können aus genetischen Gründen vertikal und lateral miteinander vernetzt sein.
Die Verschärften Anforderungen an die hydraulische Durchlässigkeit werden nicht erfüllt.
A-8
Thema A: Fragen zu Wirtgesteinen
Nr.
Frage
5
Pro und Contra von tonigen Flyschen
Welche Vorteile der tonigen Flysche in den Alpen im Vergleich
zu den durch die Nagra ausgewählten Wirtgesteinen für SMALager stehen welchen entsprechenden Nachteilen gegenüber?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Ausschuss der
Kantone
Nagra
KNE
Beantwortet am: 26.05.2010
Antwort der Nagra:
Die Nagra hat zur Frage der Eignung von Flysch - Formationen als Wirtgesteine für das SMA-Lager
ergänzend zu den bereits publizierten Unterlagen im Rahmen der Beantwortung von Behördenfragen
ausführlich Stellung genommen (vgl. Frage 78 in 09-29).
Flysch – Formationen sind im Alpenraum zwar relativ weit verbreitet, sie haben aber eine Reihe gewichtiger Nachteile: Flysch - Formationen enthalten per Definition Sandsteineinschaltungen, die als
ausgedehnte Ablagerungen grosser submariner Schlammlawinen entstanden sind (Turbidite). Tektonisch oft verschuppte, schwer prognostizierbare, geklüftete Sandsteineinschaltungen bilden präferenzielle Fliesspfade mit unzulässig erhöhter hydraulischer Durchlässigkeit.
Neue Beobachtungen bestätigen, dass diese Sandstein-Einschaltungen kontinuierliche Fliesswege
über grössere Distanzen bilden können:

Aus dem Nordhelvetischen Flysch unterhalb des Wirtgesteins am Wellenberg wurden
40'000 m3 Methangas aus einer Kluftzone mit K=10-8–10-7 m/s abgefackelt (Figur 4.3-22 in
NTB 08-04); diese Menge weist auf ein grossräumig verbundenes System mit hoher Durchlässigkeit hin.

In einer mehr als 1 km langen Strecke im Lötschbergtunnel, in welcher sich der Flysch der
Doldenhorn-Decke als viel geringer durchlässig erwies als erwartet, zeigten 2 Quellwasserzutritte eine geringe Mineralisation (nur wenige mg Chlorid pro Liter), trotz rund 500 m Felsüberdeckung; dies weist auf eine aktive Wasserzirkulation, resp. eine geringe Barrierenwirkung der Formation hin.
In den verschiedenen Flysch - Einheiten sind keine genügend mächtigen und ausgedehnten sandsteinfreien Tonmergel- oder Tonschieferabfolgen bekannt, weshalb sich eine Weiterverfolgung dieser Option schon aus diesem Grunde erübrigt. Zudem nimmt der Metamorphosegrad generell gegen
Süden zu; infolge der damit einher gehenden Einbusse der Quellfähigkeit der Tonminerale müssen
auch grosse Bereiche der Flysch - Formationen analog den kristallinen Gesteinen als spröde Gesteine,
ohne Potenzial zur Selbstabdichtung von Rissen und Klüften, behandelt werden.
Die in der Frage angesprochenen bevorzugten Wirtgesteine 'Tongesteinsabfolge Brauner Dogger' und
'Effinger Schichten' unterscheiden sich von den Flysch - Formationen in erster Linie durch den viel
geringeren Deformationsgrad. Dadurch ist es möglich, den horizontal gelagerten, potenziell wasserführenden, kalkig-sandigen Einschaltungen bei der Platzierung des Lagers durch Wahl einer geeigneten Tiefenlage auszuweichen, weil sich diese innerhalb eines Lagergebiets aufgrund mehrerer Bohrungen mit genügender Zuverlässigkeit korrelieren lassen. Wegen der im Vergleich mit dem Flysch
geringeren Zerklüftung der Kalk- und Sandkalklagen im 'Braunen Dogger' und in den Effinger Schichten ist auch ihre Wasserführung im Allgemeinen geringer als diejenige der Flysch - Sandsteine.
A-9
Als Vorteil der Flysch - Formationen wurde auch schon die erleichterte Freisetzung von Gas aus dem
SMA-Lager aufgrund der lokal erhöhten Durchlässigkeiten angeführt. Dazu ist festzuhalten, dass bei
den vorgesehenen Lagerkonzepten auch bei Wirtgesteinen mit sehr geringer Durchlässigkeit die Gasbildung beziehungsweise die Gasfreisetzung die Sicherheit nicht in Frage stellt, sodass der Aspekt der
lagerinduzierten Gase bei der Evaluation der Wirtgesteine aus Sicht der Nagra nicht ausschlaggebend
ist. Entscheidend ist hingegen, dass – wie oben ausgeführt – die Flysch - Formationen mit grösster
Wahrscheinlichkeit die Mindestanforderungen an die hydraulische Durchlässigkeit, resp. an die
Transmissivität präferenzieller Fliesspfade nicht erfüllen und demzufolge als Wirtgesteine ausgeschlossen werden müssen.
A-10
Antwort der Kommission der Nuklearen Entsorgung (KNE):
Grundlagen
Die alpinen Flysche wurden in der Tiefsee vor aktiven Kontinentalrändern in Bereich von Subduktionszonen abgelagert. Die Sedimente wurden in Form von Massenverlagerungen und Suspensionsströmen transportiert. Die Zufuhrwege sind gemeinhin als Canyons in den Kontinentalrand eingeschnitten, die dann in Tiefsee-'channels' übergehen. Diese enden in Schüttungskegeln mit verzweigten Kanälen. Die kanalisierten 'channels' sind zu einem sehr hohen Grad mit Sand gefüllt. Die Schüttungskegel enthalten Sand und Ton, in distaler Richtung zunehmend Ton. Da aber die Schüttungskegel auf dem Tiefseefächer – dem Prinzip des Reliefausgleichs folgend – pendeln, sind die Sand-freien
Intervalle eher gering mächtig. Für die kanalisierten Abschnitte besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Sandsteinkörper miteinander verbunden sind.
Flysch - Einheiten im alpinen Bereich sind ausnahmslos tektonisch beansprucht worden. SandsteinSchichten sind aufgrund ihres spröden Verhaltens anfällig für die Bildung von Klüften. Aufgrund des
geringen Gehalts an Tonfraktion und Tonmineralen weisen sie zudem ein geringes Selbstabdichtungsvermögen auf, auch wenn die kompetenten Bänke in Tongesteine eingebettet sind. Zudem sind
Flysche aufgrund der Einschuppung in einen Akkretionskeil diagenetisch hoch beansprucht, wodurch
das Selbstabdichtungsvermögen zusätzlich verringert ist.
Der Frutigen-Flysch repräsentiert eine Untereinheit des Niesen-Flysches. Der Frutigen-Flysch ist weitgehend sandig-konglomeratisch entwickelt, nur im Profil Rauflihorn-Gsür-Hahnenmoos sind basal
mächtigere (~150-200 m) Pelite vorhanden. Allerdings ist aufgrund der topographischen Verhältnisse
wenig über die räumliche Ausdehnung dieser Pelite bekannt. Der Grad der Tektonisierung ist nicht
unerheblich und spröde Deformationsstrukturen sind recht häufig, zum Teil durch Wasseraustritte
gekennzeichnet. Schlechte Explorierbarkeit und Auftreten spröder Deformationsstrukturen rechtfertigen, den Frutigen-Flysch als Wirtgestein für in Lager mit radioaktiven Abfällen als nicht geeignet zu
bezeichnen.
Vorteile
Flysche sind durch grosse Mächtigkeiten charakterisiert und treten im Alpenraum flächenhaft weit
verbreitet auf.
Nachteile
Die Flysche im alpinen Raum sind häufig metamorph und haben deshalb ein geringes Selbstabdichtungsvermögen; zudem sind sie tektonisch verschuppt und durchzogen mit vermutlich wasserdurchlässigen Fliesspfaden in sandigen Kanälen. Die nicht-metamorphen Flyschvorkommen, so z.B. der
Schlieren-Flysch und Gurnigel-Flysch, sind mächtig, flächenhaft verbreitet, aber sehr sandig. Die
Mächtigkeiten der tonigen Abfolgen sind gering, das heisst die Formations- und Schichtnamen suggerieren z.T. fälschlicherweise tonreiche Abfolgen. Durchgängige Tonlagen im Zehner-Meter Bereich
sind selten, im Hundert-Meter Bereich gar nicht zu erwarten. Eine erhöhte (positive) Gasdurchlässigkeit der sandigen Flysche zieht in der Regel auch eine erhöhte (negative) Wasserdurchlässigkeit nach
sich.
A-11
Thema A: Fragen zu Wirtgesteinen
Nr.
6
Frage
Frühzeitiges Zurückstellen von möglichweise geeigneten
Formationen
Ist das Zurückstellen der beiden erwähnten Gesteinsformationen (Marnes Bariolées und tonige Flysche) als möglicherweise geeignetes Wirtgestein für SMA-Lager zu früh erfolgt?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Ausschuss der
Kantone
KNE
Beantwortet am: 26.05.2010
Antwort der Kommission der Nuklearen Entsorgung (KNE):
Nein, siehe Begründung auf die Frage 4 und 5.
A-12
Thema A: Fragen zu Wirtgesteinen
Nr.
Frage
30
Eignung von sandigen Opalinustonschichten
Fragen zum Opalinuston:
a) Der Opalinuston hat eine unterschiedliche fazielle Ausbildung (tonig bis sandig). Inwieweit wurde diese Eigenschaft in der bisherigen Arbeit berücksichtigt?
b) Wie gut ist der Selbstabdichtungseffekt in der „sandigen
Fazies“ im Vergleich zum tonig ausgebildeten Opalinuston?
Eingangsdatum: 09.10.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Kanton ZH
Nagra
swisstopo
Beantwortet am: 04.11.2010
Antwort der Nagra:
a) und b)

Die unterschiedliche fazielle Ausbildung des Opalinustons wurde sowohl in der Nordschweiz
wie im Felslabor Mont Terri beschrieben und wurde in allen Arbeiten berücksichtigt. In der
Bohrung Benken liess sich der Opalinuston in 6 Untereinheiten unterteilen (siehe Figur 30-1),
welche sich über weite Gebiete korrelieren lassen (vgl. Figur 3.2-4 in Nagra NTB 02-03). Die
tonigste Fazies ist Untereinheit 1, die sandigste Fazies Untereinheit 4. Bei letzterer handelt
sich um siltig-sandige Flasern, welche in einer tonreichen Matrix eingebettet sind.
Figur 30-1: Bohrkernfotos aus dem Wirtgestein Opalinuston der Bohrung Benken (Figur 5.3-1 aus
Nagra NTB 02-03). Die Untereinheit 6 (Murchisonae-Schichten) ist wegen ihrer tonreichen Ausbildung ebenfalls Teil des Wirtgesteins
A-13

Bezüglich der hydraulischen Eigenschaften des Opalinustons haben diese sandigen Flasern
aus zwei Gründen keine Bedeutung. Erstens haben sie nur eine sehr beschränkte laterale
Kontinuität im cm- bis dm-Bereich (gut erkennbar in einem 60 cm Ø Bohrkern im Felslabor
Mont Terri), und zweitens wurde der Porenraum der Sandflasern während der Versenkung
und Verfestigung der Opalinuston-Sedimente (sog. Diagenese) durch Calcit zementiert, was
zu einer Reduktion der Porosität und - als Folge davon - einer sehr geringen hydraulischen
Durchlässigkeit geführt hat. Dies wird durch die Ergebnisse von hydraulische Tests im Opalinuston von Tiefbohrungen der Nordschweiz und im Felslabor Mont Terri bestätigt (vgl. Antwort der swisstopo), welche keine Unterschiede zwischen der sandigen und tonigen Fazies
gezeigt haben (der hydraulische Test in der sandigsten Untereinheit 4 der Bohrung Benken
zeigt beispielsweise einen K-Wert deutlich niedriger als 10-13 m/s, siehe Nagra NTB 02-03,
Figur 4.6-1 und entsprechende Tabelle).

Mehrere Eigenschaften des Opalinustons (z.B. hydraulische Durchlässigkeit, Diffusionskoeffizienten verschiedener Stoffe, Gesteinsfestigkeit) hängen in erster Linie von der Porosität ab,
respektive (bei vollständiger Wassersättigung) vom Wassergehalt. Je niedriger die Porosität
desto niedriger die hydraulische Durchlässigkeit und die Diffusionskoeffizienten, und desto
höher die Gesteinsfestigkeit (vgl. Figur 5.8-8, 5.10-1 und 5.7-14 in Nagra NTB 02-03)

Zwischen dem Sandgehalt und der Porosität besteht beim Opalinuston kein strenger Zusammenhang, insbesondere weil auch der Grad der diagenetischen Zementation eine wichtige
Rolle spielt. Sandigere Proben haben jedoch tendenziell eher etwas niedrigere Porositäten
als tonige Proben (im gleichen Tiefenbereich!) und demzufolge etwas niedrigere Durchlässigkeiten und Diffusionskoeffizienten sowie höhere Gesteinsfestigkeiten. Wenn sich die Porositäten der Proben nicht signifikant unterscheiden, überlappen sich die Bandbreiten der
Messwerte.

Betreffend Selbstabdichtung der natürlichen Störungen wurden bis heute keine Unterschiede
zwischen sandiger und toniger Fazies beobachtet. Möglicherweise spielt dabei die Verschleppung der tonigen Matrix bei der Bildung der Störungen eine Rolle. Bei der Selbstabdichtung der Auflockerungszone (dilatante Strukturen) wird aus theoretischen Überlegungen
erwartet, dass die Selbstabdichtung in der sandigeren Fazies möglicherweise etwas geringer
oder zumindest langsamer ist als in der tonigen Fazies (eventuell geringeres Kriechverhalten).
Referenzen
NTB 02-03 (2002): Projekt Opalinuston: «Synthese der geowissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse – Entsorgungsnachweis für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive sowie langlebige mittelaktive Abfälle». Nagra Technischer Bericht. Wettingen. Schweiz.
Antwort der swisstopo:
a)
Swisstopo beschränkt sich bei der Beantwortung der Frage 30 auf Erkenntnisse aus den Untersuchungen im Felslabor Mont Terri (siehe auch Antwort der Nagra mit Bezug zu weiteren Untersuchungen in der Nordschweiz).
Das Felslabor Mont Terri liegt etwa zu 70% in der tonigen Fazies, zu 25% in der sandigen Fazies und
zu 5% in der karbonatreichen-sandigen Fazies. In der Vergangenheit ist vor allem die tonige Fazies
detailliert untersucht worden. Insgesamt wurden nur wenige Experimente in der sandigen und karA-14
bonatreichen-sandigen Fazies durchgeführt (z.B. WS-A, Investigation Of Wet Spots; EZ-G, Geophysical
Characterisation Of The Excavation Damaged Zone; GP, Hydraulic And Gas Permeability). Die Schlüsselkennwerte der tonigen Fazies sind recht gut bekannt. Diejenigen der sandigen Fazies liegen aber
noch nicht in der gewünschten statistischen Dichte vor; weitere Experimente in der sandigen Fazies
sind deshalb in den kommenden Phasen des Mont Terri Projektes geplant. Kennwerte aus der karbonatreichen-sandigen Fazies sind nicht von Relevanz, da diese Fazies vor allem in der „FrancComtois“ Region der Westschweiz und Frankreich vorkommt und in den Profilen der Nordschweiz
weitgehend fehlt.
Grundsätzliches:
Bei der tonigen Fazies handelt es sich um siltige Tone und siltig-tonige Mergel, bei der sandigen
Fazies um siltige Tone und Mergel mit feinen Siltlagen und bei der karbonatreichen-sandigen Fazies
um sandige Kalke, mergelige Sandsteine und tonig-sandige Mergel. Der Begriff "sandige Fazies" ist
etwas irreführend. Es handelt sich vielmehr um feine, isolierte, nicht miteinander verbundene Siltlinsen. Die Quarzkörner in diesen Linsen sind mit diagenetisch gebildetem Kalzit verkittet, wodurch
Porosität und Durchlässigkeit erniedrigt werden (siehe Figur 30-2).
Figur 30-2: Dünnschliff-Fotos aus der sandigen Fazies im Opalinuston. Links helle siltige Lagen mit
Quarz, Kalzit, Hellglimmer, Biotit und Pyrit – dunkle tonige Bereiche v.a. feinkörnige
Tonmineralien (Bildbreite 6 mm); Rechts Ausschnitt aus einer hellen siltigen Lage mit
diagenetischem Kalzit zwischen den Quarzkörnern (matrixgestütztes Gefüge; Bildbreite
0.8 mm, Mazurek et al., 2009).
Porosität und Hydraulische Durchlässigkeit:

Porositätsmessungen in der sandigen Fazies, welche an hellen siltigen Linsen durchgeführt
wurden, ergaben totale (physikalische) Porositäten von 7 – 10 Vol.% (siehe Figur 30-3). In
den dunklen tonigen Partien der sandigen Fazies sind diese Porositäten aber deutlich höher
und liegen zwischen 10 - 14 Vol.%. Diese Werte verdeutlichen den Einfluss der Zementation
mit Kalzit während der Diagenese (Verfestigung) auf die Porosität (Mazurek et al. 2009). Die
durchschnittliche Porosität eines grösseren Gesteinsvolumens aus der sandigen Fazies (z.B.
Aufschluss) liegt somit zwischen den beiden gemessenen Werten aus den hellen Sandlinsen
und den dunklen, tonigen Partien und beträgt rund 13 Vol.%. Die durchschnittliche totale Porosität der tonigen Fazies beträgt am Mont Terri 18 Vol.% und ist somit deutlich höher als jene der sandigen Fazies.
A-15

Aus dem Mont Terri Felslabor liegen deutlich weniger Werte zur hydraulischen Durchlässigkeit in der sandigen Fazies als in der tonigen vor. Die Durchlässigkeitsbeiwerte der sandigen
Fazies liegen zwischen 1 x 10-13 und 2 x 10-12 m/s und bewegen sich in derselben Grössenordnung wie in der tonigen Fazies (siehe Figur 30-3). Zu berücksichtigen ist die Schichtflächenanisotropie, welche in der tonigen Fazies deutlicher ausgebildet ist als in der sandigen.
Die Durchlässigkeitswerte parallel zur Schichtung sind bei beiden Fazies etwa 5-mal höher als
senkrecht dazu. Bei den in Figur 30-3 dargestellten Durchlässigkeitsbeiwerten (K-Werte)
handelt es sich um die ermittelten Werte aus durchgeführten Hydrotests, aber ohne Aufschlüsselung nach Schichtflächenantisotropie. Generell widerspiegeln die grösseren K-Werte
eher schichtparallele- und die kleineren eher schichtvertikale Durchlässigkeiten.
Figur 30-3: Zusammenstellung der Durchlässigkeitswerte der sandigen und tonigen Fazies aus dem
Felslabor Mont Terri (Nussbaum and Bossart, 2004).
Uniaxiale Druckfestigkeit:

Die uniaxiale Druckfestigkeit beträgt bei der tonigen Fazies parallel zur Schichtung 11 MPa
und senkrecht dazu 15 MPa, immer vorausgesetzt, dass keine Entsättigung stattfindet (bei
einer Entsättigung des Opalinustons steigen die Druckfestigkeiten markant an). Die sandige
Fazies weist rund 2-3-mal höhere uniaxiale Druckfestigkeiten auf. Die Druckfestigkeiten variieren zwischen 25-40 MPa (Bossart und Thury, 2008).

Eine systematische Ermittlung felsmechanischer Kennwerte an Opalinuston Bohrkernen
wurde vom deutschen Partner BGR durchgeführt (Gräsle & Plischke, 2010), u.a. auch an einigen Schichtungsparallelen und -senkrechten Bohrkernen aus der sandigen Fazies, wobei der
Sättigungsgrad, die Temperatur aber auch die Verformugsgeschwindigkeit variiert wurden.
Diese Tests wurden in triaxialen Druckzellen gefahren, um die Festigkeiten auch bei variierendem Umgebungsdrucken zu ermitteln (triaxiale Tests repräsentieren das Gestein um einen Stollen besser als uniaxiale Tests). Die Resultate sind eindeutig: die Werte von Scherfestigkeiten und Steifigkeiten (Elastizitätsmodul) steigen bei Entsättigung der Proben markant
A-16
an. Demgegenüber vermindern sie sich bei einer Erhöhung der Temperatur. Vergleicht man
die Bohrkerne aus der sandigen Fazies mit jenen der tonigen Fazies ist folgendes ersichtlich:
Scherfestigkeiten und Steifigkeiten sind in der sandigen Fazies um Faktoren höher als in der
tonigen.
Fazit:
Es liegen nur wenig direkte Vergleichsdaten zwischen den beiden Faziestypen vor. Die bisherigen
Ergebnisse zeigen tiefere Porositäten für die sandige Fazies sowie Durchlässigkeiten der beiden
Faziestypen in vergleichbarer Grössenordnung. Die uniaxiale Druckfestigkeit ist bei der sandigen
Fazies rund 2-3-mal höher. Um eine Vergleichbarkeit zwischen der tonigen und sandigen Fazies zu
erhalten müssen noch entsprechende Labor- und in-situ Tests in der sandigen Fazies nachgeholt
werden.
b)
Das Selbstabdichtungsvermögen beim Opalinuston hängt direkt vom Quellvermögen der entsprechenden Tonfazies ab und somit vom Gehalt an quellfähigen Tonmineralien. Im Opalinuston sind dies
die so genannten „Smectit-Illit mixed layers“, welche sowohl in der tonigen als auch in der sandigen
Fazies vorkommen.
Mineralogie:
Die „Smectit-Illit mixed layers“ - Gehalte, welche an Proben der tonigen Fazies in zwei Nischen am
Mont Terri gemessen wurden, liegen zwischen 5 und 20 Gew.%. In sandigen Bereichen wurden Werte zwischen 5 und 15 Gew.% gemessen (siehe Figur 30-4). Im Nagra NTB 02-03 (Tabelle 5.3-1) wird
der durchschnittliche Illit/Smektit-Gehalt für Proben der sandigen Fazies mit 11 Gew.% (Pearson et
al. (2003), Tabelle A9.2)angegeben und geben für die sandige Fazies einen Bereich zwischen 5 und
20 Gew.% an.
Quellverhalten:
Messungen des Quelldruckes und der Quellhebung an Proben aus dem Mont Terri Felslabor an der
sandigen und der tonigen Fazies zeigen nahezu identisches Quellverhalten (Vögtli & Bossart, 1999).
Gemessene Quelldrücke liegen zwischen 0.1 und 0.5 MPa für Proben der tonigen Fazies und 0.1 bis
0.6 MPa für die sandige Fazies. Auch hier muss die Anisotropie berücksichtigt werden: Senkrecht zur
Schichtung ist der Quelldruck 2-5-mal höher als parallel dazu. Die Quellhebungen variieren für die
tonige Fazies zwischen 5 und 9% senkrecht zur Schichtung und zwischen 0.4 und 1% parallel zur
Schichtung. Bei der sandigen Fazies variieren die Hebungen zwischen 4 und 8% senkrecht und 0.3 bis
3% parallel zur Schichtung.
Fazit:
Wir beurteilen die Selbstabdichtungseigenschaften in der sandigen Fazies vergleichbar mit denjenigen der tonigen Fazies, da die „Smectit-Illit mixed layers“ - Mineralgehalte sowie das Quellverhalten
in beiden Faziestypen nur unwesentlich voneinander abweicht.
A-17
Figur 30-4: Zusammenstellung der Mineralogie von sandigen und tonigen Proben aus dem Felslabor
Mont Terri. Blau hinterlegte Werte zeigen sandige Proben, beige hinterlegte Werte tonige. (Mazurek et al., 2009).
Referenzen
Bossart, P. & Thury, M. (2008): Mont Terri Rock Laboratory. Project, Programme 1996 to 2007 and
Results. – Rep. Swiss Geol. Surv. 3, swisstopo, 3084 Wabern, Switzerland.
Gräsle, W. & Plischke, J. (2010): Laboratory Testing (LT) Experiment: Mechanical Behaviour of Opalinus Clay, final report from Phases 6-14. Mont Terri Project. Technical Report TR 2009-07.
Mazurek, M., Koroleva, M. & Müller, H. (2009): WS-H Experiment: Boreholes BWS-H1 and BWS-H2:
Results of the mineralogical and petrophysical laboratory programme. Mont Terri Project.
Technical Note TN 2009-14.
A-18
NTB 02-03 (2002): Projekt Opalinuston: «Synthese der geowissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse – Entsorgungsnachweis für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive sowie langlebige mittelaktive Abfälle». Nagra, Nagra Technischer Bericht. Wettingen. Schweiz.
Nussbaum, C. & Bossart, P. (2004): Compilation of K-values from packer tests in the Mont Terri rock
laboratory. Mont Terri Project. Technical Note TN 2005-10.
Pearson, F.J., Arcos, D., Bath, A., Boisson, J-Y., Fernandez, A., Gaebler, H.-E., Gaucher, E., Gautschi, A.,
Griffault, L., Hernan, P. & Waber, H.N. (2003): Geochemistry of Water in the Opalinus Clay
Formation at the Mont Terri Rock Laboratory - Synthesis Report. - Swiss National Hydrological
and Geological Survey, Ittigen-Bern, Switzerland, Geological Report No. 5.
Vögtli, B. & Bossart, P. (1999): Mont Terri Rock Laboratory: Results of the Ghydrgeological, Geochemical and Geotechnical Experiments performed in 1996 and 1997. In Thury, M. & Bossart, P. (editors), Geol. Ger. Landeshydrol. U. –geol. 23 (1999).
A-19
Thema A: Fragen zu Wirtgesteinen
Nr.
Frage
31
Selbstabdichtungsvermögen von Opalinuston
Frage zur Seismik/Opalinuston: Werden bei seismischen Ereignissen verheilte Störungen im Opalinuston reaktiviert oder
ist diese Verheilung so stark, dass neue Störungen an anderen
Orten angelegt werden?
Eingangsdatum: 09.10.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Kanton ZH
Nagra
swisstopo
Beantwortet am: 04.11.2010
Antwort der Nagra:
Die Nagra verwendet die Terminologie, die wegen der unterschiedlichen Handhabung der Begriffe im
Rahmen eines EC-Clusters erarbeitet wurde:

Abdichtung beziehungsweise Selbstabdichtung ist eine Reduktion der Transmissivität eines
Bruchs durch hydromechanische, hydrochemische oder hydrobiochemische Prozesse

Heilung beziehungsweise Selbstheilung ist eine Abdichtung mit Verlust der Erinnerung an
den Zustand vor der Heilung (z.B. in wenig konsolidierten, plastischen Tone, Steinsalz)
Für den Opalinuston muss der Begriff Selbstabdichtung verwendet werden, weil Bruchstrukturen
auch bei einer vollständigen hydraulischen Abdichtung immer sichtbar bleiben (vergleichbar mit einer Narbe).
Selbstabgedichtete Störungen im Opalinuston bleiben eine mechanische Schwachstelle, welche bei
einer Deformation des Gebirges von tektonischen Differenzialbewegungen bevorzugt wird. Aus diesem Grund würden in Bereichen, wo signifikante Störungszonen einen HAA-Lagerstollen durchschlagen, keine Behälter eingelagert, das heisst der betreffende Stollenabschnitt würde nur mit Bentonit
verfüllt, damit – im Falle einer allfälligen späteren Reaktivierung der Störung – keine Behälter direkt
im Bereich von Störungszonen liegen.
Es kann allerdings nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass über sehr lange Zeiträume eine
neue Störung im bisher ungestörten Gestein entsteht (z.B. durch ein grosses seismisches Ereignis an
einer grossen Störung im Grundgebirge; vgl. Frage 32). Aufgrund des Selbstabdichtungsvermögens
des Opalinustons würde auch eine solche neugebildete Störung keinen bevorzugten Fliesspfad für
Radionuklide bilden. Um die Robustheit der Argumentation zu erhöhen wurde der bisher noch nie
beobachtete Fall einer unvollständigen Selbstabdichtung der Störung im Rahmen der Sicherheitsanalyse zum Entsorgungsnachweis sowie in den orientierenden Sicherheitsbetrachtungen für SGT Etappe 1 mit einem sogenannten ’What if?’ -Fall mit einer transmissiven Störung analysiert, welche alle
Lagerstollen durchschlägt und durch welche die Radionuklide aus den im Bereich der Störung liegenden Behältern freigesetzt werden. Auch unter diesen Umständen liegt das resultierende Dosismaximum noch eine Grössenordnung unterhalb des gesetzlichen Schutzziels. Dies ist auf die sehr
günstigen Barriereneigenschaften des Opalinustons zurückzuführen (sehr gute Sorptionseigenschaften, Diffusion von Radionukliden aus der Störung in den angrenzenden ungestörten Opalinuston).
Solche ‘What if?’-Fälle werden auch in Sicherheitsanalysen der folgenden Etappen des Sachplans
Geologische Tiefenlager betrachtet.
A-20
Antwort der swisstopo
Swisstopo beschränkt sich bei der Beantwortung der Frage 31 auf Erkenntnisse aus den Untersuchungen im Felslabor Mont Terri (siehe auch Antwort der Nagra mit Bezug zu weiteren Untersuchungen in der Nordschweiz).

Die Selbstabdichtung („Verheilung“) von Störungen ist keine Selbstheilung s.str., wie dies z.B. bei
Salzgesteinen durch Rekristallisation des Gefüges der Fall ist. Beim Tongestein werden offene
Klüfte und Bruchflächen durch die aufquellenden Tonminerale verschlossen und abgedichtet, es
entstehen aber im Unterschied zum Salz „Narben“. Die Druck- und Zugfestigkeit dieser Narben
sind im Vergleich zum intakten Matrixgestein des Opalinustons reduziert und somit davon ausgegangen werden kann, dass abgedichtete planare Strukturen bei seismischen Ereignissen bevorzugt reaktiviert werden können. Es gab bisher jedoch am Mont Terri kein Experiment, welches die felsmechanischen Kennwerte von abgedichteten Klüften und Bruchflächen ermittelt.
Wichtig zu erwähnen ist die Reduzierung der Durchlässigkeit bei einer Abdichtung von Klüften.
Selbstabdichtungstests in der Auflockerungszone im Felslabor Mont Terri haben bestätigt, dass
die Durchlässigkeiten innerhalb von 3 Jahren um 2 bis 3 Zehnerpotenzen reduziert wurden.
Durch das Schwellen des Bentonits (simuliert mit einer Presse, welche an die Stollenwand gedrückt wurde), wird die Durchlässigkeit nochmals um die gleiche Grössenordnung reduziert.
Damit kommen die Durchlässigkeiten in selbstabgedichteten Klüften und Brüchen in die gleiche
Grössenordnung wie diejenige der undeformierten Tongesteinsmatrix zu liegen.

Spannungsmessungen in Bohrlöchern (Hydraulic Fracturing) haben gezeigt, dass sich bei erhöhtem Wasserdrücken im Bohrloch primär Schichtflächen öffnen können. Abgedichtete Klüfte und
Bruchflächen sind Anisotropieflächen mit reduzierten Festigkeiten, wie dies bei Schichtflächen
auch der Fall ist, weshalb es nahe liegt, dass Schichtflächen ebenfalls bevorzugt reaktiviert werden.
Auch wenn eine abgedichtete Kluft, tektonische Bruchfläche oder Schichtfläche reaktiviert werden
sollte, wird ihre Durchlässigkeit, unabhängig von der Fazies, nach wie vor sehr gering sein, da die
Selbstabdichtungsprozesse wieder aktiviert werden (Selbstabdichtung; siehe Frage 30). Auch die
Rückhalteeigenschaften (Sorption an Tonmineralien) solcher Zonen sind nach wie vor intakt aufgrund
der frischen neuen Oberflächen.
Fazit:
Eine im Vergleich zum ungestörten Matrixgestein präferenzielle Reaktivierung von abgedichteten
Klüften und Bruchflächen kann nicht ausgeschlossen werden. Die hydraulische Durchlässigkeit solch
reaktivierter Strukturen ist jedoch vergleichbar mit jener des undeformierten Matrixgesteins, da die
reaktivierten Strukturen durch Selbstabdichtungsprozesse hydraulisch wieder verschlossen und abgedichtet werden.
A-21
Thema A: Fragen zu Wirtgesteinen
Nr.
Frage
32
Abbildungsvermögen von Verwerfungen durch Seismik
Frage zur Seismik: Können alle grossen Verwerfungen im
tiefen Untergrund (das heisst unter dem Opalinuston) detektiert werden? Da sich solche Störungen bei grossen seismischen Ereignissen bis in den Opalinuston durchpausen können, ist deren Kenntnis unabdingbar, da sich eine entsprechende Relevanz für die Standortwahl oder zumindest für die
Lageranordnung ergibt.
Eingangsdatum: 09.10.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Kanton ZH
Nagra
Beantwortet am: 04.11.2010
Antwort der Nagra:
Im sedimentären Deckgebirge sind grössere Störungen (Verwerfungen) mit 3D-Seismik mit hoher
Zuverlässigkeit erkennbar, weil sich die Gesteinsschichten aufgrund der starken seismischen Impedanzkontraste gut abbilden lassen (Tabelle 32-1; Tabelle 4.1 aus Nagra NTB 00-03, illustratives Beispiel in Figur 32-1; Figur 4.4 aus Nagra NTB 00-03). Auch grosse Transversalverschiebungen mit vorwiegend horizontalem Versatz können erkannt werden, weil es unwahrscheinlich ist, dass die Bewegungsrichtung konstant parallel zu Schichtung verläuft und Störungen mit grosser Längserstreckung
zudem eine entsprechend grosse Breite des gestörten Gesteinsverbandes (fracture process zone)
haben.
Tabelle 32-1: 3D-Seismik im Standortgebiet Zürich Nordost6: Kriterien zur Kartierung strukturgeologischer Elemente (Tabelle 4.1 aus Nagra NTB 00-03)
Störungen im kristallinen Grundgebirge, welche das sedimentäre Deckgebirge nicht durchschlagen,
sind mit den heute zur Verfügung stehenden Methoden oft nicht erkennbar, weil sich die geophysikalischen Gesteinseigenschaften auf beiden Seiten einer Störung kaum unterscheiden (Randstörungen von Permokarbontrögen sind teilweise erkennbar).
6
Auf Wunsch der Standortregion wurde das Standortgebiet Zürcher Weinland in Zürich Nordost umbenannt.
A-22
Figur 32-1: 3D-Seismik im Standortgebiet Zürich Nordost: Abbildung einer Störung in einem vergrösserten 2D-Schnitt nordöstlich der Bohrung Benken (Figur 4.4 aus Nagra NTB 00-03).
Weltweite Studien belegen einen Zusammenhang zwischen der Längserstreckung von Störungen und
der maximalen Magnitude eines Erdbebens. Das heisst grosse Erdbeben mit grossen, nach oben
durchschlagenden Differenzialbewegungen können nur an Störungen mit grosser Längserstreckung
(mindestens mehrere 10er Kilometer) erfolgen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass grosse Störungen unterhalb des Opalinustons – welche diesen nicht
durchschlagen und demzufolge seit mindestens 174 Millionen Jahren nicht mehr aktiv waren – innerhalb der nächsten Million Jahre signifikant reaktiviert werden und nach oben durchschlagen, ist
sehr gering, weil die Richtung der Hauptgebirgsspannung seit der Bildung der Alpen ziemlich konstant ist, das heisst senkrecht zum Alpenbogen (in der Nordschweiz N bis NW). Weil dieser Fall aber
nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, wird er in der Sicherheitsanalyse als ‘What if?’ -Fall
analysiert
(vgl.
Frage 31).
A-23
A-24
Thema
B: Fragen zur Bautechnik
Thema B: Fragen zur Bautechnik
Nr.
7
Frage
Verwendung von Beton zur Stabilisierung
Tiefer gelegene Opalinustonschichten scheiden gemäss Nagra
aus, da die Stollen ab einer gewissen Tiefe mit Beton stabilisiert werden müssten und Beton ungünstige chemische Eigenschaften für ein Endlager aufweisen.
a) Ist die Notwendigkeit der Stabilisierung mit Beton Stand
der Technik oder Stand der Wissenschaft? Besteht in der
Fachwelt Einigkeit über diese Notwendigkeit oder gibt es
andere Möglichkeiten die bauliche Sicherheit der Anlagen zu garantieren?
b) Es fällt auf, dass beim oberflächennahen Felslabor Mont
Terri Spritzbeton verwendet wurde. Kann bei geringeren
Tiefen die Notwendigkeit von Betoneinsatz ausgeschlossen werden?
c) Sind das jetzt vorgesehene Füllmaterial (zur Verfüllung
der Stollen bei Verschluss) sowie andere Materialien,
welche im Untergrund verbaut werden sollen hinsichtlich ihrer chemischen Eigenschaften unproblematisch?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Waldshut
KNE
Beantwortet am: 26.03.2010
Antwort der Kommission der Nuklearen Entsorgung (KNE):
Das Ausbaukonzept der Nagra für HAA-Tiefenlager besteht gemäss NTB 08-04 im intakten Gestein
aus Ankern und Netzen (Kopfschutz). In tektonisch stärker beanspruchten Gebieten und/oder
Formationen mit deutlich herabgesetzter Gesteinsfestigkeit sind Zusatzmassnahmen, bestehend aus
einer gering mächtigen Spritzbetonlage aus niedrig-pH-Zement sowie ein verstärkter Sohlausbau,
vorgesehen (NTB 08-04). Untersuchungen der ETH, welche im Rahmen der Überprüfung des
Sachplans Etappe 1 ausgeführt wurden, kommen zum Schluss, dass die vorgesehenen Tiefenlagen
(Mindestanforderung an die maximale Tiefenlage aus bautechnischer Sicht < 900 m u.T.; Verschärfte
Anforderungen in der östlichen Subjurassischen Zone < 800 m u.T.) für den Opalinuston mit diesem
Ausbaukonzept nicht realisierbar sind (Expertenbericht Amann und Löw, 2009). In der Folge hat die
Nagra in 09-07 neue alternative Ausbaukonzepte vorgelegt. Diese Ausbaukonzepte umfassen:

Kurze Felsanker mit Kopfschutz (Netz) ohne gebirgsstützende Wirkung

Systemankerung aus geneigten Kurzankern mit schnell wirkenden, kurzen Felsankern
(Reibrohranker; L=1.8 m) hinter dem TBM Kopf versetzt

Systemankerung aus radialen Kurzankern mit schnell wirkenden, kurzen Felsankern (Reibrohranker; L=1.8 m) vor der Tunnelvortriebseinrichtung versetzt

Systemankerung aus radialen Langankern (≥ 2.5 m)

Spritzbeton (d=7 cm) mit Stahlfasern oder Armierungsnetz

Stahlträger (Stahlbogen-Ringausbau) aus 1 TH Profil 16/48 pro Laufmeter, eventuell mit Spritzbeton

Tübbingausbau (Spreiztübbings ohne vordefinierten Ringspalt, gegebenenfalls gelochte Tübbingelemente, um die Abdichtung des Ringspaltes zu gewährleisten)
B-1
Gemäss Amann und Löw (2009) werden vollflächige Sicherungskonzepte (Spritzbeton, Stahlträger
oder Tübbings) wahrscheinlich selbst im intakten Material mit nur vereinzelten Klüften (TJ) bei grösseren Überlagerungen (> 700 m) notwendig werden. Innerhalb tektonischer Einheiten, welche Klüfte
in relevanten Abständen und Eigenschaften enthalten (VZ, SJ), muss davon ausgegangen werden,
dass bereits bei geringeren Überdeckungen Ausbaukonzepte mit grosser stützender Wirkung notwendig werden.
Falls Ausbaukonzepte mit konventionellem Spritzbeton oder Tübbings gewählt würden, sind die resultierenden Porenwässer in der Regel hoch-alkalisch (pH > 13) und lösen quellbare Tonmineralien im
Bentonit und Schichtsilikate in tonreichen Wirtgesteinen. Unter diesen Bedingungen erfolgt im Wirtgesteine anschliessend eine Ausfällung von Sekundärminerlien wie Calcit, Zeolit und Ca-Al-SilikatHydraten (CASH Phasen), welche die Selbstabdichtung und Sorptionseigenschaften des Wirtgesteins
reduzieren. Montmorillonit im Bentonit wandelt sich vermutlich in Illit um, was die Permeabilität und
Kationenaustauschkapazität negativ beeinflusst. Da sich die mineralogischen Veränderungen im
Wirtsgestein nur ein paar Meter weit ausbreiten, sind die Auswirkungen dieser zement-gebundenen
Stützmittel auf die Bentonitbarriere grösser als auf die Geosphäre. Massiver Stahleinbau erhöht die
Menge der produzierten Korrosionsgase. Die Auswirkungen der neuen Ausbaukonzepte (insbesondere Tübbing und Spritzbeton) auf die Langzeitsicherheit des HAA-Tiefenlagers sind darum von der
Nagra im Detail zu überprüfen.
Das Ausbaukonzept ist zukünftig genauer zu spezifizieren, da es Auswirkungen auf die Begrenzung
der HAA-Standortgebiete haben kann. Für das bisherige Ausbaukonzept gemäss NTB 08-03 ergibt
sich aus der reduzierten Tiefenlage eine Verkleinerung der Standortgebiete. Für die neuen Ausbaukonzepte (gemäss 09-07) wären vermutlich bautechnisch auch grössere Tiefen für HAA-Lager möglich (mehr als 900 respektive 800 m u.T.). Die HAA-Gebiete Jura Ost7 und Nördlich Lägern werden im
Süden durch den Faltenjura begrenzt. Südlich des Faltenjuras liegt der geringermächtige Opalinuston
in einer Tiefe von 1100-1400 Metern (und mehr). Obwohl nicht im Detail untersucht erscheint diese
Tiefe für ein HAA-Tiefenlager nach dem heutigen Konzept nicht optimal zu sein.
Ergänzungen der Nagra zu Frage 78
Ausbaukonzepte für HAA-Lagerstollen
Grundsätzlich teilt die Nagra die Beurteilung der KNE in Bezug auf die bautechnische Machbarkeit
von HAA-Lagerstollen im Opalinuston in grosser Tiefe. Mit den Aufsichtsbehörden sind denn auch
bereits im Verlauf der Überprüfungsphase mögliche bautechnische Massnahmen diskutiert und in
einem ergänzenden Bericht ( 09-07) dokumentiert worden. Die Vorschläge der Nagra basierten bezüglich der Machbarkeit von Lagerstollen in Tiefen bis 900 m, insbesondere in Gebieten mit weniger
günstigen Gebirgseigenschaften, von Anfang an auch mit der Annahme, dass Lagerstollenausbauten
erforderlich sein könnten.
Bezüglich Ausbaukonzept und Bauvorgang wurden mehrere Ansätze aufgezeigt, wie die Stollen, vor
allem auch im Fokus der Langzeitsicherheit, erstellt und gesichert werden können. Insbesondere
wurde die Möglichkeit untersucht, nach etwa jedem zehnten Behälter einen grösseren Abstand zwischen zwei Behältern vorzusehen, um dort mit speziellen Massnahmen (Einbau einer Zwischenver7
Auf Wunsch der Standortregion wurde das Standortgebiet Bözberg in Jura Ost umbenannt.
8
Gemäss Protokoll der 3. TFS-Sitzung wünschen die Vertreter des LK Waldshut (K. Eschbach) und Österreichs (H. Hirsch)
ergänzende Kommentare der Nagra betreffend die Antwort der KNE auf Frage 7.
B-2
siegelung) allfällige Fliesswege im Grenzbereich Bentonit / Ausbau / Wirtgestein wirkungsvoll zu unterbinden. Das ENSI hat im Rahmen seiner Überprüfung der Nagra-Vorschläge (zu SGT-Etappe 1) u.a.
auch entsprechende Fragen an die Nagra gerichtet. In ihren Antworten hat die Nagra die Ansätze
ihrer Ausbaukonzepte dargelegt und dokumentiert (vgl. untenstehende Figur 7-1; Figur 5 aus dem
09-29).
Figur 7-1 (aus 09-29): Ausbaukonzept BE/HAA-Lagerstollen mit Zwischenversiegelung.
Die langfristig potenziell unerwünschten Auswirkungen alkalischer Porenwässer (von degradierenden
zementhaltigen Ausbauten) auf das Wirtgestein waren bereits vor bald zehn Jahren im Rahmen der
Arbeiten für den Entsorgungsnachweis Gegenstand eingehender Untersuchungen. Die Nagra konnte
darlegen, dass die Auswirkungen auf den Opalinuston räumlich sehr beschränkt sind und die Eigenschaft des Wirtgesteins als effiziente Transportbarriere (in vertikaler Richtung) nicht beeinträchtigen
(z.B. NTB 02-03, Kapitel 7.5.2). Trotzdem werden bereits seit 2005 im Rahmen von internationalen
Forschungs- und Entwicklungsprogrammen diese Fragen, einschliesslich der möglichen Wirkung auf
Bentonit, weitergehend untersucht. Die Arbeiten umfassen namentlich die Entwicklung von NiedrigpH-Zement und -Beton ('ESDRED: Low pH Shotcrete For Rock Support' ). Dazu gehören auch umfangreiche Eignungs- und Demonstrationsversuche mit Niedrig-pH-Spritzbeton zur Felssicherung (u.a.
2006 im Versuchsstollen Hagerbach; siehe 07-02).
Die Verwendung von Niedrig-pH-Spritzbeton wurde schliesslich im Felslabor Mont Terri (bei seiner
Erweiterung im Jahr 2008) getestet und demonstriert: Im „Experiment SR“ ('Low pH Shotcrete for
Rock Support') konnte der Einsatz dieses Betons für die Ausbruchsicherung (von Nische 4) erfolgreich
aufgezeigt werden; die Publikation der Ergebnisse ist in Bearbeitung.
Die Weiterentwicklung von alternativen Ausbaukonzepten für Lagerstollen bleibt ein zentrales Element der Nagra - Planung auf dem Gebiet „Forschung und Entwicklung“ (vgl. NTB 09-06, Seite 96:
„Conceptual design studies will be carried out to develop alternative tunnel lining and support designs
as well as to define optimised construction methods. The safety requirements will be incorporated
into the design studies, including assessment of interactions of low pH shotcrete with bentonite.”). So
B-3
wurden z.B. im Rahmen der Entwicklung von Niedrig-pH-Spritzbeton oder -Zementen bereits weiterführende Projekte in Angriff genommen ('The pH measuring project', Joint venture SKB, Posiva, Enresa, Nagra, NUMO & JAEA). Zurzeit in Planung ist schliesslich der Grossversuch „Full emplacement
experiment“ (FE), wo im Felslabor Mont Terri im Massstab 1:1 die Behältereinlagerung sowie das
Langzeitverhalten von Bentonitverfüllung und Wirtgestein getestet werden sollen; die Vorbereitungsarbeiten untertage beginnen voraussichtlich noch im Jahr 2010.
Diese Entwicklungsarbeiten erlauben im Zuge der weiteren Vertiefung und Reifung der Projekte, die
Ausbaukonzepte schrittweise präziser und vor allem stufengerecht zu spezifizieren, nicht zuletzt unter Berücksichtigung der mit zunehmender Projektdauer ergänzten Datenlage der geomechanischen
Randbedingungen (SGT Etappe 3).
Könnte die Möglichkeit des Baus eines Tiefenlagers in tieferen Lagen zu einer Vergrösserung der
Auswahl an geologischen Standortgebieten führen?
In ihrer Antwort zu Frage 7 schreibt die KNE: „Die HAA-Gebiete Jura Ost und Nördlich Lägern werden
im Süden durch den Faltenjura begrenzt. Südlich des Faltenjuras liegt der geringermächtige Opalinuston in einer Tiefe von 1100-1400 Metern und mehr.“
Figur 7-2: Figur 5.2-6 aus NTB 08-04: Isopachenkarte des Opalinustons. Dargestellt sind die Mächtigkeiten des Opalinustons (inklusive Murchisonae-Schichten in Opalinuston-Fazies) vor der
partiellen postmolassischen Erosion. Das Modell berücksichtigt somit die Mächtigkeitsabnahme im Ausibssbereich nicht. Auch tektonische Verdickungen und Ausdünnungen
sind nicht berücksichtigt.
Diesem Befund schliesst sich die Nagra an (siehe untenstehende Figur 7-2; Figur 5.2-6 aus dem
NTB 08-04).
B-4
Zudem verweist die Nagra auf ihre Antwort zur Frage 1 des TFS. Darin wurde bereits erläutert, nach
welchen Gesichtspunkten und Vorgaben die maximalen Tiefenlagen unter Terrain hergeleitet worden
sind (geomechanische Bedingungen, in-situ-Temperaturen). Im letzten Punkt der Nagra - Antwort zu
TFS – Frage 1 steht denn auch bereits: „Die Nagra hat die Sensitivität der Tiefenlage geprüft und festgestellt, dass bei einer Erhöhung der maximalen Tiefenlage um 100-200 m keine grundsätzlich neuen
Standortgebiete dazu kommen“.
Referenzen
NAB 09-07: Standortunabhängige Grundlagen Anlagen und Betrieb SGT-ZE / SUG 2.3 Alternatives
Ausbaukonzept ("Liner concept") für BE/HAA-Lagerstollen (November 2009).
NAB 07-02: ESDRED: Low pH Shotcrete for Rock Support. Spraying Tests in the Hagerbach Test Gallery (August 2007).
NTB 02-03: Projekt Opalinuston: Synthese der geowissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse. Entsorgungsnachweis für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive sowie langlebige mittelaktive Abfälle (Dezember 2002).
NTB 09-06: The Nagra Research, Development and Demonstration (RD&D) Plan for the Disposal of
Radioactive Waste in Switzerland (November 2009).
NAB 09-29: SGT Etappe 1. Fragen des ENSI und seiner Experten und zugehörige Antworten der Nagra.
B-5
Thema
C: Fragen zum Sachplanverfahren
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Nr.
8
Frage
Auswahlverfahren und Schutzziele
a) Ist das Auswahlverfahren der Nagra rein an den im Sachplan geologische Tiefenlager festgehaltenen Schutzzielen
erfolgt oder wurden bestimmte Ausschlüsse aufgrund
konzeptueller Vorentscheide vorgenommen, die unmittelbar nichts mit den Schutzzielen zu tun haben?
b) b) Könnten insbesondere mit anderen (jetzt ausgeschlossenen) geologischen Formationen die Schutzziele
auch erreicht werden, wenn andere als die jetzt vorgesehenen technischen Barrieren zum Einsatz kämen?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Waldshut
ENSI
Beantwortet am: 26.03.2010
Antwort des ENSI
a)
Das Auswahlverfahren hat gemäss den im Konzeptteil des Sachplans geologische Tiefenlager festgelegten sicherheitstechnischen Kriterien und aufgezeigten Schritten zu erfolgen. Das ENSI prüft in seinem Gutachten, ob diese Vorgaben von der Nagra umgesetzt wurden.
b)
Gemäss den Vorgaben im Konzeptteil erarbeiten die Entsorgungspflichtigen in Etappe 1 diverse Vorschläge für geologische Standortgebiete. Die Auswahl basiert ausschliesslich auf den Kriterien hinsichtlich Sicherheit und technischer Machbarkeit. Die geologischen Standortgebiete werden definiert
durch für die Lagerung der radioaktiven Abfälle geeignete geologische Gesteinskörper im Untergrund.
Die Kernenergieverordnung (Art. 11, Abs. 2 Bestimmung b) schreibt vor, dass die Langzeitsicherheit
eines geologischen Tiefenlagers durch gestaffelte, passiv wirkende, technische und natürliche Barrieren (Mehrfachbarrierensystem) zu gewährleisten ist.
Die Wirksamkeit des Mehrfachbarrierensystems darf nicht hauptsächlich von der Wirksamkeit einer
einzelnen Barriere abhängig sein. Für das ENSI kommen deshalb Lagerkonzepte, die die Langzeitsicherheit ausschliesslich durch technische Barrieren sicherstellen, nicht in Frage. Wegen den sehr
grossen Zeiträumen, über welche die Barrierenwirkung und Langzeitsicherheit aufzuzeigen ist,
kommt der geologischen Barriere eine besondere Bedeutung zu.
Es gilt dabei, die sicherheitstechnischen Anforderungen nicht bloss knapp zu erreichen (beispielsweise mit erweiterten technischen Barrieren), sondern zu zeigen, dass das ganze Tiefenlager samt einschlusswirksamen Gebirgsbereich robust gegenüber möglichen zukünftigen Entwicklungen ist. Das
ENSI gewichtet deshalb die Qualität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs aufgrund der längerfristig beständigen sicherheitsrelevanten Eigenschaften besonders hoch ein.
C-1
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Nr.
9
Frage
Vorgehensweise beim Auswahlverfahren
Die Standorte für die Oberflächenanlagen eines künftigen
Tiefenlagers sollen bisher nur anhand von raumplanerischen
Kriterien festgelegt werden, bei denen die Frage der Sicherheit der Oberflächenanlagen und des Tiefenlagers von der
Schweiz bewusst mit dem Argument ausgeblendet wird, das
Tiefenlager müsse die Sicherheitsanforderungen ja unabhängig vom gewählten Standort erfüllen, so dass bei der raumplanerischen Beurteilung die Sicherheit nicht von Bedeutung
sei.
Diese Vorgehensweise entspricht nicht dem deutschen Verständnis bei der raumplanerischen Beurteilung von Risikoanlagen, bei der beispielsweise Fragen der Risikominimierung,
wie etwa die Anordnung der Anlagen in einem weniger dicht
besiedelten Gebiet, die Einhaltung von Schutz- und Sicherheitsabständen gegenüber einer Wohnbebauung etc, eine
Rolle spielen. Wie wird diese Vorgehensweise der Schweiz
von der ESchT beurteilt?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Waldshut
ESchT
Beantwortet am: 26.05.2010
Antwort der ESchT:
Die Anordnung der Anlagen (an der Tagesoberfläche) ist nicht Gegenstand des Prozesses der Benennung potenzieller Standortgebiete im Rahmen der Etappe 1 des Schweizer Sachplanverfahrens Geologische Tiefenlager und der vorliegenden Stellungnahme der ESchT. Die Identifizierung von Standortgebieten für die Tiefenlagerung in Etappe 1 erfolgt ausschliesslich aufgrund sicherheitstechnischer
und geologischer Kriterien und ist bezogen auf die Langzeitsicherheit. Dies schliesst ein, dass die Sicherheit auch während der Betriebs- und Verschlussphase gewährleistet sein muss. Das im SGT skizzierte Lagerkonzept wird in Etappe 2 bzgl. der provisorischen Sicherheitsanalysen relevant. Der SGT
war bereits Gegenstand einer früheren ESchT - Stellungnahme (ESchT 2007).
Siehe auch:
Stellungnahme der ESchT zur ersten Etappe des Schweizer Standortauswahlverfahrens für ein Geologisches Tiefenlager. Teil III: Erläuterungen zu Fragen der Begleitkommission Schweiz (BeKo),
Frage 9, Seite 13.
Referenz
ESchT 2007: Expertengruppe-Schweizer-Tiefenlager: Stellungnahme zum Konzeptteil „Sachplan Geologische Tiefenlager“ basierend auf dem Entwurf vom 11.01.2007. – www.escht.de, März
2007.
C-2
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Nr.
36
Frage
Fragesteller
Beantwortet
durch
Nutzungsbeschränkung in den Standortgebieten
Müssten hinsichtlich der allfälligen Nutzung als Tiefenlager in
den vorgeschlagenen Standortgebieten nicht schon heute
Nutzungsbeschränkungen
ausgesprochen
werden?
Z.B. Tiefenbeschränkungen von Tiefbohrungen und Erdwärmesonden ?
Jura-Südfuss
BFE
Eingangsdatum: 22.09.2009
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort des Bundesamtes für Energie (zu Fragen 36 und 43):
Der Schutz aller geologischen Standortgebiete muss gewährleistet werden, bis sie als mögliche
Standortgebiete für ein Geologisches Tiefenlager ausscheiden. Es trifft zu, dass gewisse Nutzungen
des Untergrundes die Sicherheit eines geologischen Standortgebietes beeinträchtigen können, namentlich

Abbau von Bausteinen / Erden ab 50 m Tiefe unter Terrain

Erdwärmesonden ab 200 m Tiefe unter Terrain

Tiefbohrungen, welche durch ein Geologisches Standortgebiet führen oder dieses tangieren.
Für die Gewährung entsprechender Konzessionen respektive Bewilligungen sind die Kantone zuständig. Der Bund hat vor Erteilung der Rahmenbewilligung eines geologischen Tiefenlagers keine Kompetenzen, Nutzungen des Untergrundes in den geologischen Standortgebieten zu beschränken. Nach
Kernenergiegesetz (KEG) wird mit der Rahmenbewilligung der vorläufige Schutzbereich festgelegt
(Art. 14 KEG) und mit der Betriebsbewilligung der definitive (Art. 37 KEG). Der Schutzbereich ist der
Raum im Untergrund, wo Eingriffe die Sicherheit eines Lagers beeinträchtigen können. Für die Durchführung von Vorhaben, die den Schutzbereich berühren, braucht es eine Bewilligung des UVEK
(Art. 70 KEV).
Um eine Beeinträchtigung der Sicherheit der geologischen Standortgebiete zu vermeiden, ist vorgesehen, dass die Kantone mit Ende von Etappe 1 des Sachplans geologische Tiefenlager durch den
Bundesrat9 verpflichtet werden, die drei oben genannten Nutzungsvorhaben durch das ENSI prüfen
zu lassen (Einführung einer Meldepflicht). Gehen entsprechende Bewilligungs- oder Konzessionsgesuche bei einem Standortkanton ein, leitet dieser die Gesuche umgehend an das ENSI weiter. Dieses
prüft, ob durch das Vorhaben die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers gefährdet werden könnte und teilt dem Kanton das Resultat seiner Überprüfung spätestens drei Monaten nach Einreichung
mit. Der Kanton hat dann dafür zu sorgen, dass die erteilte Bewilligung oder Konzession jegliche Gefährdung des geologischen Standortgebiets ausschliesst.
9
Laut der heutigen Planung Mitte 2011
C-3
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Nr.
40
Frage
Lagerkonzept (kontrollierte geologische Langzeitlagerung)
Die Expertengruppe „Entsorgungskonzepte für radioaktive
Abfälle“ (EKRA) hat im Auftrag des Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Energie, Verkehr und Kommunikation
(UVEK) das Konzept der „kontrollierten geologischen Langzeit1
lagerung“ entwickelt .
Das EKRA-Konzept wurde in das Kernenergiegesetz von 2003
als „Geologisches Tiefenlager“ aufgenommen. Es wird im
„Sachplan geologische Tiefenlager“ als Lagerkonzept dargestellt (Abschnitt 1.4).
Dieses Konzept liegt bisher nur in allgemeiner Form vor. Der
Sachplan enthält keine Aussagen dazu, wie es zur Anwendungsreife weiterentwickelt werden soll. Dabei besteht noch
erheblichen Entwicklungsaufwand. Im Rahmen des „Forschungsprogramms radioaktive Abfälle“ *UVEK / BFE, 20. April
2009] soll dementsprechend eine Reihe von Projekten bearbeitet werden, die u. a. auch das EKRA - Konzept betreffen.
Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Forschungsprojekte:
 Beobachtungsphase: Regelung, Finanzierung und Organisation (1.1)
 Auslegung und Inventar des Pilotlagers (4.3)
 Monitoringkonzept und –einrichtungen (4.4)
 Schnell-/Selbstverschluss (4.5)
 Erleichterte Rückholbarkeit (4.6)
Die Projekte 4.3 und 4.4 sollen Anfang 2010 anlaufen, die
anderen Anfang 2012.
Weiterhin werden Fragen zu klären sein wie das Vorgehen bei
Errichtung und Betrieb von Haupt- und Pilotlager (Etappierung), Position des Pilotlagers zum Hauptlager, Dauer der
Beobachtungsphase (Vor- und Nachteile verschiedener zeitlicher Horizonte), Vorgehen beim planmässigen Verschluss
des Lagers, günstigste Tiefenlage für ein Endlager nach EKRAKonzept sowie Möglichkeiten der Rückholung der Abfälle
beim Auftreten von Problemen in der Beobachtungsphase
(insbesondere auch Ausarbeitung eines Rückholungskonzeptes).
Alle diese Themen sind im Kontext jener Punkte zu sehen, die
für Opalinuston noch grundsätzlich zu klären sind (insbesondre die Ausgestaltung der baulichen Massnahmen, durch die
die Gasbildung kontrolliert werden soll).
Es ist davon auszugehen, dass die offenen Fragen bis zum
Baubewillungsverfahren geklärt sein müssten. Die bisher
geplanten Projekte stellen Schreibtischarbeiten mit relativ
begrenztem Umfang dar.
a) Welche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sind insgesamt noch erforderlich und vorgesehen? In welchen
Zeiträumen sollen diese durchgeführt werden, bis wann
sollen Ergebnisse vorliegen?
b) Wie würde vorgegangen werden, wenn das Konzept der
kontrollierten geologischen Langzeitlagerung nicht realisiert werden kann, weil im Rahmen seiner Detailentwick-
C-4
Fragesteller
Beantwortet durch
Österreich
ENSI
c)
lung zu viele Probleme auftauchen? Gibt es Alternativkonzepte?
Inwieweit könnte die nähere Ausarbeitung dieses Konzeptes die Standortwahl beeinflussen (unterschiedlich
gute Möglichkeiten der Realisierung an verschiedenen
Standorten)?
1
Dieses Konzept verbindet Endlagerung mit der Möglichkeit der
Rückholung. Vor dem Verschluss des Lagers sind eine längere
Beobachtungsphase sowie der Betrieb eines Pilotlagers, das der
Langzeitüberwachung dient, vorgesehen (Prinzip der Überwachbarkeit). Während dieser Zeit können die Abfälle ohne grösseren Aufwand zurückgeholt werden. Überwachung, Kontrolle und Unterhalt
können für mehrere Generationen vorgesehen werden (Prinzip der
Rückholbarkeit).
Eingangsdatum: 03.12.2009
Beantwortet am: 04.03.2011
Antwort des ENSI
a) Weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten:
Entsorgungsprogramm
Die Kernenergieverordnung schreibt in Art. 52 die Einreichung eines Entsorgungsprogramms vor. Die
Entsorgungspflichtigen haben im Entsorgungsprogramm Angaben zu machen über:

Herkunft, Art und Menge der radioaktiven Abfälle;

die benötigten geologischen Tiefenlager einschliesslich ihres Auslegungskonzepts;

die Zuteilung der Abfälle zu den geologischen Tiefenlagern;

den Realisierungsplan für die Erstellung der geologischen Tiefenlager;

die Dauer und die benötigte Kapazität der zentralen und der dezentralen Zwischenlagerung;

den Finanzplan für die Entsorgungsarbeiten bis zur Ausserbetriebnahme der Kernanlagen,
mit Angaben über die zu tätigenden Arbeiten die Höhe der Kosten und die Art der Finanzierung.

das Informationskonzept
Die Entsorgungspflichtigen haben das Programm alle fünf Jahre anzupassen. Zuständig für die Überprüfung und für die Überwachung der Einhaltung des Programms sind das ENSI und das Bundesamt
für Energie.
Die Nagra hat im Oktober 2008 den Bericht NTB 08-01 „Entsorgungsprogramm 2008 der Entsorgungspflichtigen“ eingereicht. Eine Stellungnahme des ENSI wird voraussichtlich Ende 2010 vorliegen.
Offene Fragen aus dem Entsorgungsnachweis
Der Bundesrat hat in seinem Entscheid über den Entsorgungsnachweis am 28. 6. 2006 verfügt, dass
die Kernkraftwerkgesellschaften gleichzeitig mit dem Entsorgungsprogramm nach Artikel 32 des KEG
dem Bundesrat einen Bericht zu unterbreiten haben, der alle in den Gutachten und Stellungnahmen
C-5
von HSK, KNE, KSA und den OECD/NEA - Experten enthaltenen offenen Fragen, Hinweise und Empfehlungen systematisch erfasst und aufzeigt, wie diese im weiteren Verfahren zeit- und sachgerecht
beantwortet werden.
Die Nagra ist diesem Auftrag mit dem Einreichen des Berichts NTB 08-02 im Oktober 2008 nachgekommen. Dieser Bericht wird gegenwärtig vom ENSI überprüft. Eine Stellungnahme wird voraussichtlich Ende 2010 vorliegen.
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten
Welche weiteren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten die Nagra vorsieht, ist im Bericht NTB 09-06
dokumentiert. Die Nagra hält dort fest: „Die Lagerrealisierung erfolgt in einem schrittweisen Prozess,
der sich über mehrere ahrzehnte erstreckt, was eine umfassende Planung der wissenschaftlichen
und technischen Arbeiten erforderlich macht; diese Planung ist im vorliegenden Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrations-Plan (‚Research, Development & Demonstration’, engl. Abkürzung
RD&D) dokumentiert. Das Hauptziel des RD&D-Plans liegt in der Festlegung des Zwecks, des Umfangs, der Art und der zeitlichen Abfolge der verschiedenen zukünftigen RD&D-Aktivitäten, basierend
auf den entsprechenden Anforderungen und Planungsannahmen für die Lagerrealisierung.“
Projekte der regulatorischen Sicherheitsforschung
Das ENSI hat im Mai 2010 die drei Projekte „Auslegung und Inventar des Pilotlagers“, „Monitoringkonzept und -einrichtungen“ und „Lagerauslegung“ unter Beizug von Vertretern von Bundesbehörden und externen Experten gestartet. Ziel aller Projekte ist eine breite Auslegung des national und
international vorhandenen Wissens und der existierenden Konzepte und das Evaluieren von Tongestein-spezifischen Anforderungen. Die in den Projekten erarbeiteten Resultate sollen dann zur Festlegung von Anforderungen an ein zukünftiges Geologisches Tiefenlager verwendet werden und können mittelfristig in die ENSI Richtlinie G03 einfliessen. Die Projekte sollen im Sommer 2012 (Pilotlager, Lagerauslegung) beziehungsweise Ende 2013 (Monitoring) abgeschlossen werden.
Pilotlager
Ein Geologisches Tiefenlager umfasst das Hauptlager, das Pilotlager und die Testbereiche
(Art. 64 KEV) sowie die erforderlichen unterirdischen Zugangsbauwerke. Ein Geologisches Tiefenlager
und dessen Oberflächenanlagen sind auf die Umsetzung der Leitsätze zur Erreichung des Schutzziels
und die Einhaltung der Schutzkriterien auszulegen. Es gelten die in der Kernenergiegesetzgebung
festgehaltenen Grundsätze der nuklearen Sicherheit und Sicherung.
Das Pilotlager geht auf eine Empfehlung der Expertengruppe Entsorgungskonzept für radioaktive
Abfälle (EKRA) zurück, die darin die Möglichkeit erkannte, die mutmasslichen physikalischen und
chemischen Vorgänge im Hauptlager an einer kleineren, aber realistischen Nachbildung zu beobachten. Für diesen Zweck muss das Pilotlager in der Bauweise und im Inventar für das Hauptlager repräsentativ sein und mit Überwachungseinrichtungen instrumentiert werden. Im Pilotlager und seiner
Umgebung sollen die Wirksamkeit des Barrierensystems überwacht und, durch Übertragung der Ergebnisse, Folgerungen über das korrekte Funktionieren des Hauptlagers gezogen werden.
Die Überwachung im Pilotlager dient dazu, die Prozesse bezüglich der Abfälle und der Sicherheitsbarrieren vor Ort beobachten zu können. Die Resultate dieser Überwachung liefern Grundlagen für den
Verschluss des geologischen Tiefenlagers. Die Überwachung im Pilotlager beginnt nach dessen Beschickung mit Abfällen und endet mit Beginn des ordnungsgemässen Verschlusses des geologischen
Tiefenlagers.
C-6
Um möglichst frühzeitig auf allfällige warnende Erkenntnisse aus der Beobachtung des Pilotlagers
reagieren zu können, sollen die Beschickung und die Überwachung des Pilotlagers vor dem Beginn
der Einlagerung im Hauptlager erfolgen.
Bei der Auslegung des Pilotlagers sind folgende Grundsätze (KEV, Art. 66, Abs. 3) zu beachten:
a) Die geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse müssen mit denjenigen des Hauptlagers vergleichbar sein
b) Das Pilotlager muss vom Hauptlager räumlich und hydraulisch getrennt sein
c) Die Bauweise des Pilotlagers und die Art der Einlagerung der Abfälle und der Verfüllung müssen dem Hauptlager entsprechen
d) Das Pilotlager muss eine repräsentative kleine Menge von Abfällen enthalten
Damit die Auswirkungen der im Pilotlager auftretenden Prozesse und die daraus gewonnenen Erkenntnisse auf das Hauptlager übertragbar sind, müssen im Pilotlager die für das Hauptlager geplante Auslegung der Lagerstollen und Verfüllung übernommen und eine repräsentative Auswahl der
Abfallgebinde eingelagert werden. Die Anzahl, Art und Lagerungsweise der Abfallgebinde müssen die
Verhältnisse im Hauptlager möglichst gut abbilden.
Um die Verhältnisse im Pilotlager zu verfolgen, können z.B. folgende Aspekte überwacht werden:
a) zeitliche Entwicklung der Temperaturverteilung
b) Wasseraufsättigung
c) hydraulische Druckverhältnisse
d) felsmechanisches Verhalten des Gebirges und Mikroseismizität
e) chemische Parameter der Poren- und Kluftwässer
f)
Anzeichen von ungünstiger Wechselwirkung benachbarter Barrieren
g) Gasentwicklung aus den Abfallgebinden
Viele der im Hauptlager erwarteten Prozesse laufen zu langsam ab, als dass sie während der Dauer
der Beobachtungsphase im Pilotlager erfasst werden könnten. Es ist daher zu erwarten, dass nur
ausgewählte Aspekte des Sicherheitsnachweises bestätigt werden können. Die Überwachung kann
aber die Gewissheit geben, dass keine unerwarteten Vorgänge beobachtet werden konnten. Sie bestätigt damit das erwartete Verhalten des Pilotlagers.
Die Überwachungseinrichtungen könnten die langfristige Wirkung der Barrieren des Pilotlagers beeinträchtigen und damit dessen Langzeitsicherheit gefährden. In einem solchen Fall ist vorzusehen,
dass die in das Pilotlager eingebrachten Abfälle zurückgeholt und ordnungsgemäss in das Hauptlager
eingelagert werden.
Die Nagra sieht vor (NTB 08-01, Seite 109), die Ausgestaltung des Pilotlagers (inkl. Instrumentierung)
und der weiteren Elemente der Überwachung für das Rahmenbewilligungsgesuch als Konzepte vorzulegen. Die detaillierte Ausgestaltung erfolgt für das nukleare Baubewilligungsgesuch
C-7
Die Nagra hält in NTB 08-01, Seite 60 zum Betrieb des Pilotlagers folgendes fest: „Im Anschluss an die
Baubewilligung werden die für die Aufnahme des Einlagerungsbetriebs notwendigen Anlagen erstellt
und das Gesuch für die nukleare Betriebsbewilligung ausgearbeitet und zur Bewilligung eingereicht.
Nach Erhalt der Betriebsbewilligung beginnt der Einlagerungsbetrieb. Zuerst werden die Abfälle des
Pilotlagers eingelagert, dann diejenigen des LMA-Lagers. Dann beginnt die Einlagerung der BE und
HAA. Parallel zur Einlagerung werden weitere BE/HAA-Lagerstollen erstellt. Nach Abschluss der Einlagerung beginnt die Beobachtungsphase. Für Planungszwecke wird gemäss SEFV Art. 3 von einer Beobachtungsphase von 50 Jahren ausgegangen; deren Dauer kann aber bei Bedarf angepasst werden.
Während der ganzen Beobachtungsphase müssen das Pilotlager zugänglich und die Rückholung der
Abfälle mit vertretbarem Aufwand möglich sein. Nach Abschluss der Beobachtungsphase wird nach
Anordnung des Verschlusses durch den Bundesrat die Anlage vollständig verschlossen und versiegelt;
anschliessend wird voraussichtlich die Überwachung von der Oberfläche weitergeführt.“
b) und c) Vorgehensweise & Alternativkonzepte
Die Expertengruppe EKRA kam in ihrem Schlussbericht (Januar 2000) zum Schluss, dass einerseits
Zwischenlager das Ziel der Langzeitsicherheit nicht erfüllen und andererseits die geologische Endlagerung die einzige Methode zur Entsorgung der radioaktiven Abfälle ist, welche den Anforderungen
an die Langzeitsicherheit (bis zu mehr als 100‘000 Jahren) entspricht.
Die Empfehlungen der EKRA sind in das Kernenergiegesetz (KEG, 2003) eingeflossen. Die Entsorgungspflichtigen und die Aufsichtsbehörden erfüllen ihre Aufträge gemäss der Kernenergiegesetzgebung (KEG, KEV). Zur Entsorgungspflicht gehören die notwendigen Vorbereitungsarbeiten wie Forschung und erdwissenschaftliche Untersuchungen sowie die rechtzeitige Bereitstellung eines geologischen Tiefenlagers.
Die Entsorgungspflicht ist gemäss Kernenergiegesetz Art. 31 erst erfüllt, wenn die Abfälle in ein Geologisches Tiefenlager verbracht worden sind und die finanziellen Mittel für die Beobachtungsphase
und den allfälligen Verschluss sichergestellt sind. Sollte es sich zeigen, dass das Konzept der geologischen Tiefenlagerung an den im Sachplanverfahren gewählten Standorten nicht umsetzbar ist, müsste der Gesetzgeber das weitergehende Vorgehen bestimmen.
C-8
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Nr.
41
Frage
Möglichkeit der Errichtung eines Kombilagers für HAA und
SMA
Der Sachplan geologische Tiefenlager lässt die Eventualität
offen, statt der Errichtung von zwei Lagern (für HAA und SMA)
ein Lager für alle Abfallkategorien am selben Standort (Kombi10
lager) zu errichten .
Abgesehen von der Erwähnung möglicher Synergien erfolgt
im Sachplan sowie in den vorliegenden Unterlagen der
NAGRA keine Diskussion von potenziellen Vor- und Nachteilen
eines Kombilagers.
Problematisch könnten Wechselwirkungen zwischen den
Lagerteilen sein, beispielsweise aufgrund der Wärmeentwicklung des HAA oder der vielfältigen chemischen Zusammensetzung des SMA (Gasbildung). Andererseits könnte es vorteilhaft sein, dass bei einem Kombilager die geologische(n) Barriere(n) zwischen Tiefenlager und Biosphäre insgesamt nur
zweimal (anstatt, bei getrennten Lagerstandorten, viermal)
durchlöchert wird/werden.
a)
b)
c)
Fragesteller
Beantwortet durch
Österreich
Nagra
Gibt es bisher genauere Überlegungen zu KombilagerKonzepten (Aufbau, Trennung von Feldesteilen usw.)?
Wurden Untersuchungen zu den Vor- und Nachteilen
von Kombilagern im Vergleich zu getrennten Lagern
durchgeführt v. a. bezüglich der Sicherheit?
Nach welchen technischen Kriterien wäre die Entscheidung zwischen beiden zu treffen?
Eingangsdatum: 03.12.2009
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort der Nagra:
Beim Kombilager werden die Lagerfelder mit den Lagerkammern des HAA-Lagers und des SMALagers räumlich getrennt im gleichen oder in verschiedenen Wirtgesteinen angeordnet mit der
Randbedingung, dass es wegen der gegenseitigen Beeinflussung der beiden Lager zu keinen signifikanten Auswirkungen auf die Langzeitsicherheit kommen darf (insbesondere bzgl. Wärmeentwicklung und Gasbildung). Aus Sicht der Langzeitsicherheit sind es also zwei unabhängige Lager.
Zu der Anzahl der Zugänge (Schacht und/oder Rampe) ist festzuhalten, dass bei einem Kombilager
zwar die Zahl der Erschliessungen an der Oberfläche reduziert wird (nur eine Empfangsanlage für
beide Lagerteile) und dass deshalb voraussichtlich in Oberflächennähe die Zahl der Rampen/Schächte
gegenüber zwei einzelnen Lagern reduziert würde. Da jedoch die Lagerfelder für die beiden Lagerteile räumlich getrennt sind, sind auch deren Zugänge separat und die Anzahl Zugänge durch das Wirtgestein/den einschlusswirksamen Gebirgsbereich wird sich bei einem Kombilager grundsätzlich nicht
reduzieren. Konkret heisst dies, dass in den Gesteinsschichten ausserhalb des Wirtgesteins gemeinsam genutzte Schächte und Rampen bestehen, von denen dann pro Lagerteil separate „Abzweiger“
erstellt werden. Im Rahmen von verschiedenen Analysen (Rahmenbewilligungsgesuch Wellenberg
10
Bei einem Kombilager können die Lagerkammern für HAA und SMA entweder in der gleichen, oder aber in unterschied-
lichen geologischen Schichten erstellt werden [NAGRA NTB 08-05, S. 3]. Dadurch wird die Nutzung von Synergien möglich
(z.B. gemeinsame Oberflächenanlagen, evtl. teilweise gemeinsame untertägige Lagerteile) [NAGRA TB 08-03, S. 1].
C-9
(NTB 94-06), Entsorgungsnachweis HAA (NTB 02-05), Unterlagen SGT Etappe 1 ( 09-29)) wurde die
Bedeutung der Zugangsstollen/Schächte untersucht; die Resultate zeigen, dass diese bei geeigneter
Auslegung des Lagers für die Nuklidfreisetzung in die Biosphäre unbedeutend sind.
a) Kombilager-Konzepten
Für die (Teil-)Lager HAA und SMA gelten grundsätzlich die gleichen Überlegungen und Anforderungen wie für den Fall, wo diese Lager an separaten Standorten erstellt werden. Dies betrifft die Anforderungen an die Geologie (Wirtgestein beziehungsweise Einschlusswirksamer
Gebirgsbereich und geologische Situation), die Auslegung der technischen Barrieren und die Versiegelung und Verfüllung der untertägigen Bauten. Innerhalb des Wirtgesteins beziehungsweise des
einschlusswirksamen Gebirgsbereichs sind die Lagerbauten gemäss heutigem Konzept baulich völlig
getrennt.
b) Sicherheit
Bezüglich Sicherheit können die zwei (Teil-)Lager als unabhängig betrachtet werden, und nur die
Nuklidfreisetzung und die resultierenden Dosen der beiden (Teil-)Lager sind gesamthaft zu betrachten. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass es wegen der gegenseitigen Beeinflussung der
beiden Lager zu keinen signifikanten Auswirkungen auf die Langzeitsicherheit kommen darf, ist die
Sicherheit gleich zu beurteilen wie für den Fall, wo die beiden Lager je an einem separaten Standort
errichtet werden. Bezüglich Sicherheit ergeben sich bei einer geeigneten Auslegung der Lager keine
signifikanten Vor- beziehungsweise Nachteile für ein Kombilager.
c) Technischen Kriterien
Aus technischer Sicht sind für die Beurteilung des Kombilagers vor allem die geometrischen Verhältnisse von Bedeutung. Das Platzangebot (unter Berücksichtigung, dass die (Teil-)Lager bei gewissen
Standorten in verschiedenen Wirtgesteinen angeordnet werden können) muss genügend gross sein,
dass die (Teil-)Lager so angeordnet werden können, dass die gegenseitige Beeinflussung der beiden
Lager keine signifikanten Auswirkungen auf die Langzeitsicherheit hat. Die Nagra ist bezüglich des
Kombilagers ergebnisoffen und erwartet diesbezüglich Hinweise aus der Partizipation beziehungsweise den sozioökonomisch - ökologischen Wirkungsstudien.
Weiter werden im Rahmen der provisorischen Sicherheitsanalysen und dem sicherheitstechnischen
Vergleich die Sicherheit und Machbarkeit der beiden Lagerteile der Kombilager und insbesondere
auch das standortspezifische Platzangebot beziehungsweise die gegenseitige Beeinflussung der Lagerteile beurteilt. Die Resultate werden in die Prioritätensetzung in SGT Etappe 2 einfliessen.
C-10
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Nr.
42
Frage
Methodik der Bewertung von Grossräumen, Wirtsgesteinen,
Bereichen und geologischen Standortgebieten
Die Bewertung von Grossräumen, Wirtsgesteinen, Bereichen
und geologischen Standortgebieten durch die NAGRA erfolgte
gemäss Sachplan qualitativ, auf einer vierstufigen Skala (sehr
geeignet … weniger geeignet).
Um auf der Stufe der Indikatoren sowie auf jener der Kriterien
eine einfache Aggregation zu ermöglichen, wurden den vier
Bewertungsstufen Zahlen zugeordnet. Auch bestimmte zahlenmässige Zwischenstufen wurden verwendet. Die Bewertung (Aggregation) erfolgt dann jeweils durch einfache Mittelwertbildung.
Die Zuordnung der Zahlen 1 bis 4 zu den Bewertungsstufen
„ungünstig“ bis „sehr günstig“ ist methodisch unproblematisch; ebenso die Benutzung von Zwischenstufen, wenn nicht
vergessen wird, dass es sich dabei um Ordnungszahlen handelt.
Eine arithmetische Mittelwertbildung aus Ordnungszahlen
erscheint dagegen als problematisch. Eine Skala mit Ordnungszahlen erlaubt lediglich Aussagen über die Rangfolge
von Merkmalen. Zudem kann Mittelwertbildung zu einer
Kompensation von schlechten und guten Merkmalen führen.
(Allerdings nicht bei einer „ungenügenden“ Bewertung; in
diesem Falle wird die entsprechende Variante ausgeschlossen.)
Problematisch ist zusätzlich die Kombination von Eigenschaften, die qualitativ grundlegend unterschiedlich sind. Die „Zuverlässigkeit der geologischen Aussagen“ etwa sagt etwas
über die Genauigkeit, mit der die Bewertung der „Eigenschaften des WG/EG“ und der „Langzeitsicherheit“ vorgenommen
werden kann, liegt also auf einer anderen Betrachtungsebene.
a)
Bestehen bei dem angewandten Verfahren somit nicht
grundlegende methodische Probleme?
b) Wäre es nicht besser angemessen gewesen, die Indikatoren beziehungsweise Kriterien lediglich verbalargumentativ gegeneinander abzuwägen und so die Vorund Nachteile der verschiedenen Alternativen herauszuarbeiten (auch wenn dabei u. U. im Endergebnis eine
grössere Zahl von Standortgebieten ausgewählt worden
wäre)?
Eingangsdatum: 03.12.2009
Beantwortet am: 26.08.2010
C-11
Fragesteller
Beantwortet durch
Österreich
Nagra
Antwort der Nagra:
Wie richtig vermerkt wird, ist es eine Anforderung des Sachplans, für jedes geologische Standortgebiet eine Gesamtbewertung vorzunehmen. Dies verlangt eine Aggregation der Indikatoren zu Kriterien, der Kriterien zu Kriteriengruppen und schliesslich der Kriteriengruppen zu einer Gesamtbewertung. Dabei gibt der Sachplan auch die Gruppierung der Kriterien zu Kriteriengruppen vor. Bei der
Vorbereitung der Etappe 1 SGT wurde untersucht, welche Methoden zur Aggregation in Frage kommen. Dabei hat sich gezeigt, dass die (ungewichtete) arithmetische Mittelbildung eine geeignete
Methode darstellt und gleichzeitig auch die höchste Transparenz bietet. Es ist richtig, dass sich durch
die Mittelbildung gute und schlechte Bewertungen kompensieren können. Damit dies nicht zu Vorschlägen ungeeigneter Optionen führt, wurde das Konzept mit „Mindestanforderungen“ und „verschärften Anforderungen“ eingeführt. Mit der Verwendung von „Mindestanforderungen“ und „verschärften Anforderungen“ für alle wichtigen Merkmale wird sichergestellt, dass für alle vorgeschlagenen Optionen (Grossräume, Wirtgesteine, geologische Standortgebiete) die wichtigen Merkmale in
ihrer Bewertung besser als „ungenügend“ und für die sehr wichtigen Merkmale sogar „günstig“ sind.
Mit diesem Konzept wird sichergestellt, dass nur Optionen zur Bewertung gelangen, die für alle wichtigen Merkmale eine geeignete Bewertung erfahren. Dementsprechend hat die Bewertung für die
Festlegung der Optionen keine grosse Wirkung; sie dient in erster Linie dazu, die vom Sachplan verlangte Gesamtbewertung vornehmen zu können; sie wurde auch benutzt, um dort, wo eine grössere
Anzahl geeigneter Optionen vorlagen, Prioritäten setzen können.
a) Da die Optionen über „Mindestanforderungen“ und „verschärfte Anforderungen“ festgelegt
werden und die Bewertung bei der Einengung einzig dazu dient, zwischen geeigneten Optionen Prioritäten11 zu setzen, spielt die grundsätzliche Möglichkeit der Kompensation von
Merkmalen bei der Festlegung von Optionen keine Rolle. Das angewandte Verfahren zur
Festlegung geologischer Standortgebiete hat deshalb keine grundsätzlichen methodischen
Probleme
b) Das Konzept SGT schreibt vor, dass in Etappe 1 eine Gesamtbewertung vorzunehmen ist. Der
sicherheitstechnische Vergleich von Standorten ist erst in Etappe 2 vorzunehmen. Wie schon
erwähnt, ist der Einfluss der Bewertung auf die Festlegung von Vorschlägen von geologischen
Standortgebieten sehr beschränkt; auch ein verbal-argumentatives Abwägen der Indikatoren
beiziehunsweise Kriterien hätte nicht zu grundsätzlich anderen Vorschlägen geführt.
ENSI - Kommentar zu Frage 42
Die Nagra ergänzt ihre Bewertung der bevorzugten Bereiche im Hinblick auf die Festlegung geologischer Standortgebiete mit einer zusätzlichen wirtgesteinsspezifischen Prioritätensetzung je für SMAund HAA - Lager. Das Ziel dieser Prioritätensetzung wurde für das ENSI erst nach Rückfragen und
Einholen von Zusatzinformationen bei der Nagra nachvollziehbar (Nagra 09-29). Mit der Prioritäten11
Die Bewertung wurde auch verwendet, um bei den bevorzugten Bereichen Prioritäten zu setzen. Die prioritären Bereiche
waren der Ausgangspunkt für die Festlegung der geologischen Standortgebiete. Dabei wurden neben den prioritären Bereichen auch überlappende beziehungsweise in der Nähe liegende bevorzugte Bereiche in die Standortgebiete integriert.
Dieses Vorgehen hat dazu geführt, dass mit Ausnahme von zwei bevorzugten Bereichen (SMA-OPA-SJ-W und
SMA-EFF-SJ-W
) alle bevorzugten Bereiche in eines der geologischen Standortgebiete eingeflossen sind. Es wurden also nur zwei bevorzugte Bereiche unter Beizug der Resultate der Bewertung zurückgestellt und nicht in ein Standortgebiet integriert.
C-12
setzung will die Nagra eine möglichst breite Vielfalt an Wirtgesteinen, eine optimale Abgrenzung der
geologischen Standortgebiete, Flexibilität bezüglich Wirtgesteinen und vergleichbare Sicherheit erreichen.
Das ENSI beurteilt dieses Vorgehens als zielführend und sicherheitsgerichtet. Die Diversität an Wirtgesteinen bleibt mit diesem Vorgehen erhalten und ist auch sinnvoll, da eine vertiefte sicherheitstechnische Analyse und damit ein direkter Vergleich der Eignung des Wirtgesteins erst in Etappe 2
erfolgt. Die Möglichkeit, an einem geologischen Standortgebiet zwei Wirtgesteine für das Lager zur
Verfügung zu haben, ist nach Ansicht des ENSI vorteilhaft, da die jeweiligen sicherheitstechnischen
Stärken der zur Verfügung stehenden Wirtgesteine miteinander verknüpft werden können.
Die Zielsetzung der Nagra, nur geologische Standortgebiete vorzuschlagen, die die Bewertungsstufe
geeignet oder sehr geeignet erreicht haben, beurteilt das ENSI aus Sicht der Sicherheit in Hinblick auf
den sicherheitstechnischen Vergleich in den späteren Etappen des Sachplanverfahrens als zweckmässig und zielführend.
C-13
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Nr.
43
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
Nutzungsbeschränkung in den Standortgebieten
Artikel 40 des Kernenergiegesetzes legt fest, dass jedes Tiefenlager einen Schutzbereich besitzt, in welchem „Tiefenbohrungen, Stollenbauten, Sprengungen und andere Vorhaben
durch die ein Schutzbereich berührt wird“ bewilligungspflichtig sind. Nun liegt es auf der Hand, dass ein Steinbruch, bei
dem 150 Meter mächtige Schichten abgetragen werden, sowohl direkt als auch durch Entlastung, Auflockerung und Steigerung der Durchlässigkeit indirekt die Opalinustonschicht in
500 bis 900 Meter Tiefe beeinträchtigen kann. Dasselbe gilt
für Erdsonden und andere Vorhaben.
Wie wird nun – in Erwartung der bundesrätlichen Antwort auf
die Motion Kathy Riklin zur Regelung der nachhaltigen Nutzung des Untergrundes vom 11. Dezember 2009 – dafür gesorgt, dass nicht durch die Bewilligung von Probebohrungen
oder dergleichen Tatsachen geschaffen werden, welche eines
oder einige der möglichen Standortgebiete gegenüber anderen je nach Standpunkt benachteiligen oder begünstigen?
J. Stüssi
Lauterburg
BFE
Eingangsdatum: 22.09.2009
Beantwortet am: 26.05.2010
Antwort des Bundesamtes für Energie (zu Fragen 36 und 43)
Der Schutz aller geologischen Standortgebiete muss gewährleistet werden, bis sie als mögliche
Standortgebiete für ein Geologisches Tiefenlager ausscheiden. Es trifft zu, dass gewisse Nutzungen
des Untergrundes die Sicherheit eines geologischen Standortgebietes beeinträchtigen können, namentlich

Abbau von Bausteinen / Erden ab 50 m Tiefe unter Terrain

Erdwärmesonden ab 200 m Tiefe unter Terrain

Tiefbohrungen, welche durch ein Geologisches Standortgebiet führen oder dieses tangieren.
Für die Gewährung entsprechender Konzessionen respektive Bewilligungen sind die Kantone zuständig. Der Bund hat vor Erteilung der Rahmenbewilligung eines geologischen Tiefenlagers keine Kompetenzen, Nutzungen des Untergrundes in den geologischen Standortgebieten zu beschränken. Nach
Kernenergiegesetz (KEG) wird mit der Rahmenbewilligung der vorläufige Schutzbereich festgelegt
(Art. 14 KEG) und mit der Betriebsbewilligung der definitive (Art. 37 KEG). Der Schutzbereich ist der
Raum im Untergrund, wo Eingriffe die Sicherheit eines Lagers beeinträchtigen können. Für die Durchführung von Vorhaben, die den Schutzbereich berühren, braucht es eine Bewilligung des UVEK
(Art. 70 KEV).
Um eine Beeinträchtigung der Sicherheit der geologischen Standortgebiete zu vermeiden, ist vorgesehen, dass die Kantone mit Ende von Etappe 1 des Sachplans geologische Tiefenlager durch den
Bundesrat12 verpflichtet werden, die drei oben genannten Nutzungsvorhaben durch das ENSI prüfen
zu lassen (Einführung einer Meldepflicht). Gehen entsprechende Bewilligungs- oder Konzessionsgesuche bei einem Standortkanton ein, leitet dieser die Gesuche umgehend an das ENSI weiter. Dieses
12
Laut der heutigen Planung Mitte 2011
C-14
prüft, ob durch das Vorhaben die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers gefährdet werden könnte und teilt dem Kanton das Resultat seiner Überprüfung spätestens drei Monaten nach Einreichung
mit. Der Kanton hat dann dafür zu sorgen, dass die erteilte Bewilligung oder Konzession jegliche Gefährdung des geologischen Standortgebiets ausschliesst.
C-15
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Nr.
54
Frage
Ressourcen für die Forschung
Wie gross sind die Ressourcen für Forschung nach den besten
Lösungen für die Entsorgung radioaktiver Abfälle? (Aufstellung in 5-Jahres-Schritten: 2001-2005; 2006-2010; 2011-2015;
Prognose 2016-2020)
Wie ist der Prozentsatz im Vergleich zu den übrigen Aufwendungen für den Sachplan geologische Tiefenlager und wie ist
bei den Ressourcen für die Forschung das Verhältnis zwischen
interessengebunden Geldern (Nagra) und unabhängigen Geldern?
Eingangsdatum: 23.02.2011
Fragesteller
Beantwortet durch
Gemeinderat
Gipf-Oberfrick
BFE
Beantwortet am: 01.12.2011
Antwort des BFE:
Allgemeines
Das Kernenergiegesetz legt in Art. 31 „Pflicht zur Entsorgung“ folgendes fest:

Wer eine Kernanlage betreibt oder stilllegt, ist verpflichtet, die aus der Anlage stammenden radioaktiven Abfälle auf eigene Kosten sicher zu entsorgen.

Zur Entsorgungspflicht gehören auch die notwendigen Vorbereitungsarbeiten wie Forschung und
erdwissenschaftliche Untersuchungen sowie die rechtzeitige Bereitstellung eines geologischen
Tiefenlagers.
Es ist deshalb aufgrund dieses gesetzlichen Auftrags klar, dass die finanziellen Aufwendungen zur
Forschung und zur Bereitstellung eines Tiefenlagers zum grossen Teil vom Verursacher der radioaktiven Abfälle getragen werden müssen.
Forschung im BFE und ENSI
Gemäss gesetzlichem Auftrag führt das BFE Ressortforschung im Energiebereich durch. Ressortforschung dient der kompetenten Verwaltungsarbeit und der gezielten Bewältigung komplexer politischer Situationen basierend auf fundierten wissenschaftlichen Kenntnissen. Die Bundesverwaltung
führt die Ressortforschung entweder selbst durch oder vergibt Forschungsaufträge an Hochschulen
oder private Unternehmen. Bei den Forschungsaufträgen handelt es sich in der Regel um interdisziplinäre Forschung, die für die Wahrnehmung der Aufgaben eines modernen Staates eine wesentliche
Funktion zu übernehmen hat. Dabei beschränkt sich die Ressortforschung immer auf sehr kleine Bereiche eines Themenfelds.
Im Sachplanverfahren prüfen die Behörden die Vorschläge der Nagra für Tiefenlagerstandorte. Eigenständige Forschung ist kein Kerngeschäft der Aufsichtsbehörde, hinsichtlich Forschung hält das ENSIGesetz in Art. 2 „Aufgaben“ lediglich fest: „Das ENSI kann Projekte der nuklearen Sicherheitsforschung unterstützen.“
Aufwendungen für die Forschung zu radioaktiven Abfällen
Das BFE betreut im Rahmen der Ressortforschung des Bundes für die Arbeitsgruppe des Bundes für
die nukleare Entsorgung (Agneb) das Sekretariat des Forschungsprogramms Radioaktive Abfälle und
gibt über die finanziellen Aufwendungen im Rahmen dieses Forschungsprogramms Auskunft. Als
C-16
Forschung zu radioaktiven Abfällen werden in der folgenden Aufstellung Aufwendungen für Projekte
aus dem Forschungsprogramm Radioaktive Abfälle definiert. Finanziert wird das Forschungsprogramm aus Steuergeldern, da es sich um regulatorische Forschung handelt.
Das ENSI unterscheidet zwischen generischer Forschung (durch Bund finanziert) und spezifischer
Forschung (von den Abfallverursachenden bzw. über die Nagra finanziert).
Laut der Nagra umfasst die Forschung die Aufwendungen für standortunabhängige Forschung und
die nicht projektbezogenen Entwicklungen. Enthalten sind darin die Arbeiten in Felslabors, Laborarbeiten, Modellentwicklungen und ähnliche Arbeiten z. B. am PSI oder an der Uni Bern. Die Entwicklung von Anlagen und Betriebskonzepten, standortspezifische geologische Untersuchungen (Bohrungen, seismische Messungen) etc. betrachtet die Nagra nicht als Forschungsarbeiten im eigentlichen
Sinne (Grundlagenforschung), sondern als Entwicklung und Untersuchungen im Hinblick auf die Projektrealisierung.
Zeitraum
BFE
2001–2005
ENSI
ENSI
Nagra
Generische Forschung
Spezifische Forschung
(Bund)
(Gebühren-finanziert)
0.194 Mio.
0.484 Mio.
ca. CHF 42 Mio.
2006–2010
CHF 286 838
0.470 Mio.
CHF 1.352 Mio.
CHF 42.8 Mio.
2011–2015
ca. CHF 400 000
ca. 0.35 Mio.
ca. 1.5–2.0 Mio.
CHF 52.5 Mio.
2016–2020
Parlamententscheid
Planung noch nicht
Planung noch nicht
ca. CHF 45 Mio.
ausstehend
abgeschlossen
abgeschlossen
Tabelle 1: Aufwendungen für die Forschung zu radioaktiven Abfällen
Kosten des Sachplans
Das BFE trägt für die Etappen 1 und 2 Sachkosten in der Höhe von insgesamt CHF 3 Mio. in der gleichen Periode finanziert die Nagra Ausgaben für Aufwendungen des BFE (inkl. Aufwendungen für die
Partizipation in den Standortregionen) bis zu einem Kostendach von insgesamt CHF 30 Mio. (davon
CHF 7.3 Mio. Personalkosten BFE). Die Ausgaben für Etappe 3 sind noch nicht festgelegt.
Die Kosten der Nagra für die Tätigkeiten für die Standortwahl im Rahmen des Sachplans geologische
Tiefenlager belaufen sich für schwach- und mittelaktive sowie hochaktive Abfälle zusammen auf rund
20–80 Mio. CHF/Jahr. Neben den Kosten für die geologischen Abklärungen und die Bearbeitung der
Anlagenkonzepte und Sicherheitsanalysen sind darin auch die vom BFE nach dem Verursacherprinzip
der Nagra in Rechnung gestellten Gebühren und die vom ENSI erhobenen Gebühren enthalten. Die
Schwankungsbreite der jährlichen Aufwendungen ist durch die schwankenden Aufwendungen für
Projektierung und erdwissenschaftliche Untersuchungen (z. B. seismische Messungen, Bohrungen,
etc.) und den zugehörigen Synthesen und Beurteilungen bedingt, welche auch von der jeweiligen
Etappe, dem Verlauf und den Ergebnissen des Sachplans beeinflusst werden.
C-17
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Nr.
Frage
59
Zeitplan geologische Untersuchungen (2D- /3D-Seismik)
Was ist geplant betreffend Standortsuche und Untersuchungen
der potentiellen Standorte für ein Geologisches Tiefenlager:
a)
Fragesteller
Beantwortet durch
KAIB
a) ENSI
b) Nagra
Wann sind welche (geologischen) Untersuchungen, z.B.
2D/3D-Seismik, Sondierbohrungen, für die SMA bzw. HAAStandorte vorgesehen in Etappe 1, 2 und 3 des Sachplanverfahrens?
b) Wie ist der geplante zeitliche Ablauf der vor Ostern 2011
angekündigten 2D-Seismik an den Standorten Jura-Ost und
Nördlich Lägern?
Eingangsdatum: 23.05.2011
Beantwortet am: 01.12.2011
Antwort des ENSI zu Teilfrage 59 a)
Der Schwerpunkt von Etappe 1 lag in der Identifizierung geeigneter geologischer Standortgebiete, die
ausschliesslich auf Kriterien für die Sicherheit und technische Machbarkeit basierte. In Übereinstimmung mit den Vorgaben im Sachplan geologische Tiefenlager wurden die geologischen Standortgebiete von der Nagra auf der Grundlage des bestehenden umfangreichen erdwissenschaftlichen
Kenntnisstands vorgeschlagen. In seiner Stellungnahme zu Etappe 1 (ENSI 33/070) kam das ENSI zum
Schluss, dass die Nagra alle verfügbaren relevanten geologischen Informationen berücksichtigt hat
und diese ausreichend für die Bezeichnung der geologischen Standortgebiete war.
Im Hinblick auf die Etappe 2 des Sachplans geologische Tiefenlager musste die Nagra die Notwendigkeit ergänzender Untersuchungen für die provisorischen Sicherheitsanalysen frühzeitig mit dem ENSI
abklären. Die Kenntnisse über die Standorte müssen die Durchführung einer provisorischen Sicherheitsanalyse und den sicherheitstechnischen Vergleich erlauben; gegebenenfalls sind sie durch Untersuchungen zu ergänzen. Die verwendeten geologischen Daten müssen die aktuelle Situation am
Standort für die provisorische Sicherheitsanalyse adäquat wiedergeben und die vorhandenen relevanten Ungewissheiten berücksichtigen. Adäquat bedeutet, dass der von den Entsorgungspflichtigen
dokumentierte Kenntnisstand ausreicht, um zu zeigen, dass die Aussagen zur Langzeitsicherheit des
Tiefenlagers und dem sicherheitstechnischen Vergleich belastbar sind. Eine belastbare Aussage ist
auch unter Berücksichtigung der bestehenden Variabilitäten und Ungewissheiten in Daten und Prozessen gültig (ENSI 33/075).
Um die Frage zusätzlicher Untersuchungen transparent zu klären, hat die Nagra nach Abschluss der
behördlichen sicherheitstechnischen Überprüfungen in Etappe 1 den Bericht NTB 10-01 erstellt, in
dem sie für jedes Standortgebiet darlegt und diskutiert, ob der aktuelle Wissensstand für die Durchführung der erforderlichen provisorischen Sicherheitsanalysen und des sicherheitstechnischen Vergleichs in Etappe 2 SGT ausreichend ist.
Nach der Prüfung dieses Berichts kommt das ENSI zum Schluss, dass zusammen mit den von der
Nagra vorgeschlagenen ergänzenden Untersuchungen und den vom ENSI geforderten Ergänzungen
der notwendige Kenntnisstand erreicht werden kann, um in Etappe 2 belastbare Aussagen zur sicherheitstechnischen Einstufung und zur bautechnischen Machbarkeit machen zu können.
Um stufengerecht in Etappe 3 den geforderten Kenntnisstand zu erreichen, werden für die in Etappe
2 vorgeschlagenen Standorte ergänzende, bewilligungspflichtige Untersuchungen notwendig sein.
Das ENSI fordert deshalb, dass die Nagra zusammen mit den Standortvorschlägen in Etappe 2 entC-18
sprechende Gesuche einreicht. Vor Einreichung der für Etappe 2 SGT erforderlichen Unterlagen
durch die Nagra wird das ENSI im Rahmen einer Grobprüfung feststellen, ob die Unterlagen für die
provisorischen Sicherheitsanalysen die Anforderungen gemäss ENSI 33/075 erfüllen.
Ergänzung der Nagra zu Teilfrage 59 a)
In Etappe 2 darf kein Standort vorgeschlagen werden, der sicherheitstechnisch als eindeutig weniger
geeignet bewertet wird als die anderen. Ebenso darf auch kein Standort ausgeschlossen werden, nur
weil der Kenntnisstand für diesen Standort nicht ausreicht, um seine Eignung stufengerecht schlüssig
zu bewerten. Die Bewertung der sicherheitstechnischen Eignung in Etappe 2 erfolgt prinzipiell anhand provisorischer Sicherheitsanalysen (SGT, S. 69) und eines sicherheitstechnischen Vergleichs
(SGT, S. 72/73) und berücksichtigt mögliche „eindeutige Nachteile gegenüber anderen Standorten“
(SGT, S. 71). Die Anforderungen dazu sind im SGT und durch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) festgelegt worden. Für die provisorischen Sicherheitsanalysen muss der Kenntnisstand einen schlüssigen Vergleich der Standorte erlauben. Dies ist jedoch nicht gleichzusetzen mit
dem Detaillierungsgrad, der für ein Rahmenbewilligungsgesuch in Etappe 3 erforderlich sein wird.
Reichen die vorhandenen Kenntnisse an einem Standort nicht oder nur teilweise, müssen sie durch
weitere Untersuchungen ergänzt werden. Hierzu läuft für Etappe 2 ein stufengerecht fokussiertes
erdwissenschaftliches Untersuchungsprogramm zur Erhöhung des Kenntnisstands von Etappe 1 auf
Etappe 2. Darin berücksichtigt sind auch die (im März 2011) vom ENSI formulierten Forderungen. Das
Untersuchungsprogramm umfasst insbesondere eine Verdichtung der bisher durchgeführten seismischen Messungen in den HAA-Standortgebieten „Nördlich Lägern“ und „ ura Ost“ (siehe Antwort auf
Teilfrage 59 b).
Nach der Überprüfung des NTB 10-01 durch das ENSI haben auch die Arbeitsgruppe Sicherheit der
Kantone (AG SiKa) und die Kantonale Expertengruppe Sicherheit (KES) im Mai 2011 einen Fachbericht
zu den ergänzenden Untersuchungen im Hinblick auf die Einengung in Etappe 2 vorgelegt (Medienmitteilung des Ausschusses der Kantone vom 7. Juni 2011). Auch die Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) hat sich in ihrer Stellungnahme zur Notwendigkeit ergänzender geologischer Untersuchungen in Etappe 2 (KNS 23/247) im Juni 2011 dazu vernehmen lassen. Die Nagra prüft zurzeit, ob
sich daraus Ergänzungen ihres Untersuchungsprogramms für Etappe 2 ergeben.
In Etappe 3 des Sachplans stehen die abschliessende Standortwahl und die Rahmenbewilligungsverfahren an. Für die Standortwahl und zur Ausarbeitung der geologischen Grundlagen für die entsprechenden Rahmenbewilligungsgesuche ist wiederum eine Vertiefung des geologischen Datensatzes
notwendig. „Die Untersuchungen müssen zeigen, dass die Voraussetzungen für die Rahmenbewilligung gemäss Art. 13 KEG erfüllt sind.“ (Konzept SGT S. 74). Dazu werden insbesondere 3D-seismische
Messungen und (nach Kernenergiegesetz bewilligungspflichtige) tiefe Sondierbohrungen erforderlich
sein. Gleichzeitig werden die Untersuchungen in Felslabors, namentlich im Felslabor Mont Terri sowie andere Arbeiten weitergeführt. Vorgesehen ist, dass Teile der Untersuchungen im Hinblick auf
Etappe 3 (z.B. 3D-Seismik) parallel zur Bearbeitung der Etappe 2 durchgeführt werden, wie dies im
Hinblick auf Etappe 2 auch bereits in Etappe 1 erfolgt ist.
Antwort der Nagra auf Teilfrage 59 b)
Für die in der ersten Etappe des Sachplans Geologische Tiefenlager (SGT) bezeichneten HAAStandortgebiete Jura Ost und Nördlich Lägern wurde vom Ausschuss der Kantone (AdK) gefordert,
das bestehende regionale Messnetz reflexionsseismischer Daten zu ergänzen. Die Nagra hat in ihrem
C-19
Bericht NTB 10-01 solche Messungen zur Erfassung des tektonischen Regimes und der geologischen
Strukturen vorgeschlagen, deren Planung weit fortgeschritten ist.
Die Bundes- und Kantonalbehörden wurden frühzeitig über die generelle Messlinienplanung orientiert. Die zuständigen kantonalen Departemente haben die entsprechende Information an die Gemeinden weitergeleitet und die Öffentlichkeit mittels Medienmitteilung vorinformiert. Anschliessend
wurden die Behörden jeder einzelnen Gemeinde von Vertretern der Nagra kontaktiert und persönlich über die bevorstehenden Aktivitäten ins Bild gesetzt.
Die Messkampagne umfasst rund 260 km Profillinien in den Kantonen Aargau und Zürich sowie in der
angrenzenden Gemeinde Hohentengen auf deutschem Gebiet. Nach Abschluss der laufenden Vorbereitungsarbeiten (Information der betroffenen Fach- und Gemeindebehörden) soll im September die
genaue Lage der Messpunkte vermessungstechnisch festgelegt werden. Der Beginn der eigentlichen
seismischen Messungen ist für 2. Hälfte Oktober 2011 vorgesehen. Die Feldmessungen werden in der
Winterperiode durchgeführt, um Beeinträchtigungen der Landwirtschaft zu vermeiden. Mit dem
Abschluss der Messungen kann Ende März 2012 gerechnet werden.
Aktivitäten in der Übersicht:

Information aller übergeordneten Gremien (z.B. Ausschuss der Kantone AdK, 9. Dez. 2010)

Information Startteams Nördlich Lägern / Jura Ost / Zürich Nordost: 19. Jan. / 1. & 3. Feb.
2011

Information Amt für Umwelt (AfU AfUAfUAfUKt. AG, 24. Jan. 2011) & Amt für Wasser, Energie und Luft AWEL (Kt. ZH, 8. Feb. 2011)

Information Waldshut / Hohentengen (27. Jan. 11) & Landesamt für Geologie, Rohstoffe und
Bergbau LGRB (9. März 2011)

Detailplanung Linienführung entlang Strassen und Wege

Medieninformation AdK nach Information aller tangierten Gemeinden (15. April 2011)

Detailinformation der Gemeindebehörden: Mai bis Juli 2011

Einholen der für die Ausführung erforderlichen Zustimmungen

Vermessung und Festlegung der Messpunkte (ab September 2011)

Feldmessungen in der Winterperiode: Mitte Oktober 2011 bis spätestens Ende März 2012
C-20
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Nr.
Frage
60
Zeitplan Oberflächenanlagen
a) Wann wird die Planung der Oberflächenanlagen (Standorte etc.) konkretisiert?
b) Erst, wenn die Standortauswahl definitiv ist oder bereits
während Etappe 2 oder 3?
Eingangsdatum: 23.05.2011
Fragesteller
Beantwortet durch
KAIB
Nagra
BFE
Beantwortet am: 01.12.2011
Antwort der Nagra:
Ausführungen zum Begriff Oberflächeninfrastruktur
Für den Bau, den Betrieb sowie die Überwachung des geologischen Tiefenlagers werden verschiedene Bauten und baubedingte Flächen an der Oberfläche erstellt bzw. genutzt. Diese werden insgesamt
als „Oberflächeninfrastruktur“ bezeichnet und können wie folgt umschrieben werden:
Auf dem Standortareal der Oberflächenanlage sind die nachfolgend beschriebenen Anlageelemente
angeordnet:

Bei beiden Lagertypen (HAA und SMA) wird ein Annahmebereich benötigt, in dem die Transportbehälter mit den Abfällen angeliefert werden. Zudem ist eine Verpackungsanlage geplant, in der die verbrauchten Brennelemente und die Stahlkokillen mit hochaktiven Abfällen
von den Transportbehältern in die Lagerbehälter verpackt und diese dicht verschlossen werden (HAA). Die konditionierten und lagerbereiten Abfallgebinde mit schwach- und mittelaktiven Abfällen werden in einer Verpackungsanlage in Lagerbehälter verpackt und die Hohlräume mit Zementmörtel verfüllt (SMA). Diese Anlageteile werden während der Einlagerungsphase benötigt.

Über die gesamte Dauer vom Erstellen des Felslabors, über den Betrieb, die Beobachtungsphase bis zum Verschluss des Lagers, werden ein Administrationsgebäude, ein Besucherzentrum, die Gebäude für den Betrieb und Unterhalt des Tiefenlagers sowie die Zugänge zu den
unterirdischen Lagerteilen bestehen.
Zusätzlich zu den Bauten auf dem Standortareal der Oberflächenanlage sind weitere Bauten bzw.
Flächen an der Erdoberfläche nötig:

Erschliessung des Standortareals ab dem bestehenden Verkehrsnetz (Schiene oder Strasse).

Für den Bau des Lagers (Bauten über und unter Tage) werden temporär verschiedene Flächen als Installations- und Bauplatz sowie zur Zwischenlagerung von Ausbruchmaterial benötigt.

Die Erschliessung des untertägigen Lagerbereichs erfolgt über Rampe oder Schacht. Nach
heutigem Planungsstand werden zusätzlich zwei Schächte für Bau und Bewetterung (Lüftung)
benötigt. Zumindest ein Schachtkopf wird bis zum definitiven Verschluss des Lagers am Ende
der Beobachtungsphase bestehen bleiben.
Die Nagra erarbeitet die Konzepte und Projekte zu den verschiedenen Anlagenelementen und zu
deren möglichen Anordnung. Die Anordnung sowie die architektonische Ausgestaltung der oberirdischen Bauten sollen den Gegebenheiten vor Ort angepasst werden. Sie sind Teil der Diskussion in
C-21
den Regionalkonferenzen im Rahmen des Sachplans und auch Gegenstand der Zusammenarbeit bei
späteren Planungsschritten.
Antwort des BFE
Ausführungen zum Sachplan und zur Rahmenbewilligung
Die Standortwahl erfolgt gemäss Konzept SGT in drei Etappen und wird mit einem Bundesrats- und
Parlamentsentscheid (mit fakultativem Referendum) zum Rahmenbewilligungsgesuch abgeschlossen.
Zum heutigen Zeitpunkt wird davon ausgegangen, dass die laufende Etappe 1 vermutlich 2011 abgeschlossen wird und die Etappe 2 bis ca. 2015/16 dauert. Der Bundesrats- und Parlamentsentscheid
zur Rahmenbewilligung am Ende der Etappe 3 wird ab dem Jahr 2020 erwartet.
Mit der Rahmenbewilligung werden gemäss Kernenergiegesetz (KEG Art. 14) neben den Abfallkategorien insbesondere der Standort und die Grundzüge des Projektes festgelegt. Zu diesen Grundzügen
gehören die ungefähre Grösse und Lage der wichtigsten Bauten sowie die Kapazität des Lagers. Es
werden also auch mit Abschluss des Sachplan- resp. Rahmenbewilligungsverfahrens noch keine detaillierten Baupläne vorliegen. Diese werden später im Hinblick auf die nukleare Baubewilligung konkretisiert. Vorteil dieser schrittweisen Realisierung ist, dass technische Entwicklungen bis zur Bauerstellung ins Lagerkonzept einbezogen werden können.
Zu Beginn der Etappe 2 des Sachplanverfahrens werden die von der Nagra ausgearbeiteten Vorschläge für mögliche Standortareale für die Oberflächenanlage und deren Erschliessung durch das BFE
bekannt gegeben. Diese sind keine Vorentscheidungen sondern eine Diskussionsgrundlage für die
regionale Partizipation. Jede Regionalkonferenz kann zusätzliche Standortvorschläge einbringen und
der Nagra zur Prüfung der Machbarkeit einreichen.
Die Platzierung des Lagerbereichs im Untergrund wird gestützt auf zusätzliche geologische Untersuchungen für die im Sachplan verbliebenen Standortgebiete in Etappe 3 sowie abschliessend aufgrund
der Untersuchungsresultate der Forschungsarbeiten im vor Ort zu erstellenden Felslabor festgelegt
(etwa 10 bis 20 Jahre nach Erteilung Rahmenbewilligung). Dementsprechend kann auch die definitive
Anordnung aller benötigten Schachtköpfe erst zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden.
Die detaillierte Anordnung und baureife Ausgestaltung der Oberflächeninfrastruktur erfolgt gemäss
den Angaben der Nagra im Entsorgungsprogramm13 mit der Vorbereitung der Unterlagen für das
nukleare Baubewilligungsverfahren frühestens 2026 (SMA) resp. 2040 (HAA). Die Erteilung der nuklearen Baubewilligung durch das UVEK erfolgt frühestens 2030 resp. 2044.
Zusammenfassende Beantwortung
Im Rahmen des Sachplanverfahrens werden gemäss Kernenergiegesetz die Grundzüge der Oberflächeninfrastruktur (Lage des Standortareals, Grösse und Lage der wichtigsten Bauten) für die Rahmenbewilligung erarbeitet. Dies geschieht in den Etappen 2 (Lage des Standortareals) und 3 (Grösse
und Lage der wichtigsten Bauten) in enger Zusammenarbeit mit den Regionen. Die detaillierte Anordnung und baureife Ausgestaltung der Bauten erfolgen mit der Ausarbeitung der Unterlagen für
die nukleare Baubewilligung, mehrere Jahre nach erfolgter Standortwahl.
13
Die Genehmigung des von der Nagra im Oktober 2008 eingereichten Entsorgungsprogramms (NTB
08-01) durch den Bundesrat steht noch aus.
C-22
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Nr.
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
78
Begriffsdefinitionen
Im Zusammenhang mit der Tiefenlager-Diskussion kommt es
sowohl bei Laien als auch bei Experten immer wieder zu Begriffsverwirrungen und -verwechslungen. Grundsätzlich treten
diese Schwierigkeiten schon seit Bestehen des Sachplans
geologische Tiefenlager bzw. des zugehörigen Erläuterungsberichts auf. Bereits dannzumal nahmen die Begriffsverwirrungen ihren Anfang, indem für die gleiche Sache unterschiedliche Bezeichnungen gewählt wurden. Die Situation hat sich
nun mit der im Januar 2012 erfolgten Präsentation der Oberflächenarealstandort-Vorschlägen der Nagra akzentuiert. Um
künftig Verwechslungen zu vermeiden, bedarf es klarer und
eindeutiger Definitionen und Erläuterungen u.a. im Sinne von
"was gehört zu was" (z.B. was gehört alles zu den Oberflächenanlagen) von folgenden Termini (illustrierende Skizzen
dürften zur Veranschaulichung hilfreich sein):
AG SiKa / KES
BFE
ENSI














Standort
geologisches Standortgebiet
Standortregion
Lagerstandort
Lagerperimeter
geologisches Tiefenlager
Planungsperimeter
Standortareal bzw. Standortareal für Oberflächenanlagen
Zugangsbauwerk/Schacht/Rampe/(Zugangs-)
Tunnel/Korridor zur Erschliessung des geologischen Tiefenlagers
Schachtanlagen (Bauschacht, Betriebsschacht, Lüftungsschacht)
Lüftungsbauwerk
Oberflächenanlagen
Pilotlager
Testlager
Eingangsdatum: 07.03.2012
Beantwortet am: 14.09.2012
Antwort des BFE und ENSI:
Geologisches Tiefenlager
Anlage im geologischen Untergrund, die verschlossen werden kann, sofern der dauernde Schutz von
Mensch und Umwelt durch passive Barrieren sichergestellt wird (KEG). Ein geologisches Tiefenlager
besteht aus dem Hauptlager zur Aufnahme der radioaktiven Abfälle, aus einem Pilotlager und aus
Testbereichen(Art. 64 KEV) sowie den erforderlichen unterirdischen Zugangsbauwerken (ENSI G-03).
Gemäss Art. 49 KEG gehören zu einer Kernanlage auch die mit dem Bau und Betrieb zusammenhängenden Erschliessungsanlagen und Installationsplätze (gemäss SGT Konzeptteil Oberflächeninfrastruktur). Zum geologischen Tiefenlager gehören zusätzlich die Standorte für die Verwertung und
C-23
Ablagerung von Ausbruch-, Aushub- oder Abbruchmaterial, die in einem engen räumlichen und funktionalen Zusammenhang mit dem Projekt stehen.
Geologisches Standortgebiet
Die geologischen Standortgebiete werden definiert durch die für die Lagerung der radioaktiven Abfälle geeigneten geologischen Gesteinskörper im Untergrund (SGT, S. 23). Die geologischen Standortgebiete wurden in Etappe 1 SGT festgelegt, deren Anzahl und genauen Umrisse werden spätestens im
Rahmen von Etappe 3 präzisiert werden.
Lagerbereich
Dieser Begriff wird im Kernenergiegesetz bzw. in Etappe 3 SGT in Zusammenhang mit der Rahmenbewilligung verwendet. Mit der Rahmenbewilligung werden Kriterien festgelegt, bei deren Nichterfüllung ein vorgesehener Lagerbereich wegen fehlender Eignung ausgeschlossen wird (Art. 14 Abs. 1
Bst. f Ziff. 1 KEG). Die Kriterien beziehen sich gemäss Artikel 63 KEVauf

die Ausdehnung geeigneter Wirtgesteinsbereiche;

die hydrogeologischen Verhältnisse am Standort;

die Verweilzeit des Tiefengrundwassers.
Lagerstandort
Siehe Standort
Oberflächenanlage
Der Begriff «Oberflächenanlagen» wird (im Plural) im Konzeptteil SGT an verschiedenen Stellen verwendet. Im Zusammenhang mit der Arbeitsaufnahme der Fachgruppen der regionalen Partizipation
und der Bekanntgabe der Standortareale für die Oberflächenanlage ergab sich das Bedürfnis nach
einer Präzisierung. Unter «Oberflächenanlage» (Singular) werden die Gebäude beim Zugang zu den
unterirdischen Lagerbereichen zusammengefasst (Administrations- und Betriebsgebäude, Verpackungsanlage, Besucherzentrum, Anlieferungsterminal usw.). Schachtköpfe, abseits vom Standortareal, gehören zur Oberflächeninfrastruktur, aber gemäss dieser Definition nicht zur Oberflächenanlage.
Oberflächeninfrastruktur
Die Oberflächeninfrastruktur bezeichnet alle Anlagen an der Oberfläche (Oberflächenanlage,
Schachtköpfe, Deponien, Erschliessung).
Planungsperimeter
Der Planungsperimeter bezeichnet den geographischen Raum, welcher durch die Ausdehnung des
geologischen Standortgebiets unter Berücksichtigung von möglichen Anordnungen der benötigten
Anlagen an der Oberfläche festgelegt wird (SGT, S. 23). Die Planungsperimeter wurden im Ergebnisbericht zu Etappe 1 SGT festgelegt und vom Bundesrat 2011 verabschiedet.
C-24
Pilotlager
Eigenständiger, vom Hauptlager abgetrennter Teil des geologischen Tiefenlagers, in dem das Verhalten der Abfälle, der Verfüllung und des Wirtgesteins bis zum Ablauf der Beobachtungsphase überwacht wird (ENSI G-03).
Schachtanlagen (Bauschacht, Betriebsschacht, Lüftungsschacht)
Vertikale Verbindungsstrecken zwischen Oberfläche und geologischem Tiefenlager und deren zugehörige Gebäude. Anzahl und genaue Lage der Schachtanlagen werden mit der Baubewilligung festgelegt. Der Platzbedarf für Infrastrukturbauten bei allfälligen Schachtanlagen mit 2 Schachtköpfen beträgt etwa 2 ha (NTB 11-01).
Schutzbereich
Der Schutzbereich ist gemäss Art. 40 KEG der Raum im Untergrund, in dem Eingriffe die Sicherheit
des Lagers beeinträchtigen könnten. Der Schutzbereich eines geologischen Tiefenlagers ist auf der
Grundlage des zur Bewilligung des Projekts vorgelegten Berichts zur Langzeitsicherheit festzulegen.
Er muss umfassen, alle Teile des Tiefenlagers, inklusive der Zugänge, die Gesteinsbereiche, die den
hydraulischen Einschluss des Tiefenlagers bewirken, die Gesteinsbereiche, die einen wesentlichen
Beitrag zur Rückhaltung der Radionuklide liefern, die im Laufe der Zeit aus dem Lager freigesetzt
werden könnten. Nach Erteilung der Rahmenbewilligung meldet das Bundesamt beim Grundbuchamt auf den vom Perimeter erfassten Grundstücken die Anmerkung «vorläufiger Schutzbereich geologisches Tiefenlager» an. Nach Erteilung der Betriebsbewilligung meldet es die Anmerkung «definitiver Schutzbereich geologisches Tiefenlager » an (Art. 70 KEV).
Standort
Im Konzeptteil SGT wird der Begriff «Standort» mehrdeutig verwendet und im Glossar nicht definiert.
Je nach Verwendung umfasst er:
1. die Lage des Standortareals oder weiterer Teile der Oberflächeninfrastruktur
2. das geologische Standortgebiet (bzw. desjenigen Teils, der für das geologische Tiefenlager
verwendet wird) mit oder ohne die untertägigen Zugangsbauwerke
3. beides gleichzeitig
Der Begriff wird im Konzeptteil SGT erst ab Etappe 2 verwendet. Ziel von Etappe 2 ist die «Auswahl
von mindestens zwei Standorten je für SMA und HAA». Damit ist nicht nur die Wahl von Standortarealen (an der Oberfläche), sondern auch der dazugehörenden geologischen Standortgebiete (im
Untergrund) gemeint.
Bedeutung des Begriffs «Standort» im Zusammenhang mit:


den provisorischen Sicherheitsanalysen:
Diese werden für die geologischen Standortgebiete unter Berücksichtigung der zugehörigen
Standortareale und der jeweils bezeichneten untertägigen Lagerperimeter durchgeführt.
der raumplanerischen Beurteilungsmethodik für den Standortvergleich in Etappe 2:
Die möglichen Auswirkungen eines Tiefenlagers auf die Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft einer Standortregion werden in der sozioökonomisch-ökologischen Wirkungsstudie SÖW ermittelt.
C-25


Aufgrund der Resultate des sicherheitstechnischen Vergleichs (inkl. provisorische Sicherheitsanalysen und Prüfung der bautechnischen Machbarkeit) und nachgeordnet der SÖW wird die Nagra
eine Einengung vornehmen und mindestens je zwei geologische Standortgebiete (inkl. Standortareale) pro Lagertyp vorschlagen. Die am Ende von Etappe 2 festgelegten Standortareale werden
als Zwischenergebnis in den SGT aufgenommen. Die dazugehörenden geologischen Standortgebiete ändern ihren Koordinationsstand und werden ebenfalls zum Zwischenergebnis. Die restlichen geologischen Standortgebiete aus Etappe 1 hingegen bleiben als Vororientierung im SGT
gesichert.
Festsetzung von Standorten in Etappe 3 nach Raumplanungsgesetz bzw. Festlegung von Standorten nach Kernenergiegesetz:
Ende Etappe 3 werden nicht nur die Standortareale bzw. die Oberflächeninfrastruktur festgelegt,
sondern auch das jeweilig dazu gehörende geologische Standortgebiet im Untergrund. In welchem Teil des geologischen Standortgebiets das Tiefenlager angeordnet wird, hängt von den Resultaten der zusätzlichen Untersuchungen in Etappe 3 ab. Zudem wird mit der Rahmenbewilligung ein provisorischer Schutzbereich eingerichtet. Dieser umfasst alle Teile des Tiefenlagers, inklusive der Zugänge; die Gesteinsbereiche, die den hydraulischen Einschluss des Tiefenlagers
bewirken; die Gesteinsbereiche, die einen wesentlichen Beitrag zur Rückhaltung der Radionuklide liefern (einschlusswirksamer Gebirgsbereich, vgl. Art. 70 Abs. 1 Bst. a–c KEV).
Standortareal
Das Standortareal umfasst den Platz für die Oberflächenanlage eines geologischen Tiefenlagers.
Standortregion
Die Standortregion setzt sich zusammen aus den Standortgemeinden (unterhalb deren Gemeindegrenzen ein geologisches Standortgebiet ganz oder teilweise liegt, SGT, S. 91) sowie den Gemeinden,
welche ganz oder teilweise im Planungsperimeter liegen. Zusätzlich und in begründeten Fällen können weitere Gemeinden zur Standortregion gezählt werden (SGT, S. 23).
Testbereiche
Eigenständige Teile des geologischen Tiefenlagers, um die sicherheitsrelevanten Eigenschaften des
Wirtgesteins oder der technischen Barrieren zur Erhärtung des Sicherheitsnachweises vertieft abzuklären, oder um sicherheitsrelevante Techniken zu erproben und deren Funktionstüchtigkeit nachzuweisen (ENSI G-03).
Untertägiger Lagerperimeter
In Etappe 2 muss die Nagra die Relevanz der Variabilität wichtiger Eigenschaften innerhalb des geologischen Standortgebiets prüfen. Für diese Evaluation kann sie bei Bedarf die geologischen Standortgebiete in untertägige Lagerperimeter aufteilen. Allfällige Unterschiede der untertägigen Erschliessung (Rampe, Schacht) der Lagerperimeter werden für die bezeichneten Standortareale evaluiert und je nach Bedeutung bei der Bewertung und Einengung der geologischen Standortgebiete berücksichtigt. Die provisorischen Sicherheitsanalysen werden für die geologischen Standortgebiete
unter Berücksichtigung der zugehörigen Standortareale und der jeweils bezeichneten untertägigen
Lagerperimeter durchgeführt.
Zugangsbauwerke zur Erschliessung des geologischen Tiefenlagers
Ein geologisches Tiefenlager (Hauptlager, Pilotlager und Testbereiche) kann durch Schächte, Zugangstunnel (Rampe) oder Kombinationen von beiden erschlossen werden.
C-26
Referenzen
ENSI-G03: Spezifische Auslegungsgrundsätze für geologische Tiefenlager und Anforderungen an den
Sicherheitsnachweis, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Richtlinie, Würenlingen,
2009.
KEG: Kernenergiegesetz vom 21. März 2003, Schweiz, SR 732.1.
KEV: Kernenergieverordnung vom 10. Dezember 2004, Schweiz, SR 732.11.
NTB 11-01: Vorschläge zur Platzierung der Standortareale für die Oberflächenanlage der geologischen Tiefenlager sowie zu deren Erschliessung – Genereller Bericht und Beilagenband, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra Technischer Bericht, Wettingen, 2011.
SGT: BFE (2008): Sachplan geologische Tiefenlager – Konzeptteil, Bundesamt für Energie, Bern.
C-27
Thema C: Fragen zum Sachplanverfahren
Nr.
Frage
77
Vorgehen bei der Suche nach Oberflächenstandorte
a) Warum werden im Verfahren zuerst die Standorte für
Oberflächenanlagen bestimmt, wenn bezüglich der Zugangsbauwerke (Schacht bzw. Rampe) noch nicht abgeklärt ist, ob diese tatsächlich machbar sind?
b) Hätte man nicht zuerst den genauen Standort für das
Tiefenlager und anschließend die Oberflächenanlage bestimmen müssen?
Eingangsdatum: 02.03.2012
Fragesteller
Beantwortet durch
U. Krieger,
Bürgermeister,
Laufenburg (D)
ENSI, BFE
Beantwortet am: 29.11.2012
Antwort des BFE und des ENSI:
Siehe dazu auch die Antworten auf die Fragen 68 (SES) und 76 (M. Rüetschi) sowie die Antwort des
Bundesrats auf die Motion Geri Müller 12.3309 «Sicherheitskriterien beim Sachplanverfahren Geologische Tiefenlager priorisieren»
www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20123309
a)
Bei der Langzeitsicherheit eines geologischen Tiefenlagers sind das Lagerkonzept, die Wahl eines
geeigneten geologischen Standortgebiets im Untergrund sowie, nach Beendigung des Einlagerungsbetriebes, die Versiegelungsbauwerke des Lagers in Wirts- und Rahmengesteinen von zentraler Bedeutung. Die Art der Erschliessung (Rampe/Schacht) ist primär unter den Aspekten der bautechnischen Machbarkeit, der Betriebssicherheit und der Langzeitsicherheit nach dem Verschluss zu betrachten. Aus der heutigen Sicht der Fachbehörden des Bundes ist eine Erschliessung des geologischen Tiefenlagers sowohl mittels Rampe als auch mittels Schacht grundsätzlich möglich, beide Varianten weisen konzeptuell sicherheitstechnische Vor- und Nachteile auf, aber eine genaue Abklärung
der sicherheitstechnischen Vor- und Nachteile muss später standortbezogen anhand eines konkreten
Projektes evaluiert werden. Bei der Überprüfung des Entsorgungsnachweises im Rahmen des Projekts Opalinuston Zürcher Weinland kamen das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI)
und die zuständigen Kommissionen des Bundes zum Schluss, dass eine Erschliessung mittels Rampe
möglich ist.
b)
Aufgrund der sicherheitstechnischen Überprüfungen durch die Behörden und ihrer Experten wurde
bei der Erarbeitung des Sachplans geologische Tiefenlager von der Machbarkeit beider Erschliessungsarten ausgegangen. Dies wurde im Rahmen des Erarbeitungsprozesses auch nicht in Frage gestellt und in den vom Bundesrat verabschiedeten Konzeptteil festgeschrieben. In Etappe 1 des Sachplans wurden deshalb die Planungsperimeter für die Platzierung der Oberflächenanlagen so ausgeschieden, dass die Erschliessung des Untergrunds mit Rampe oder Schacht möglich bleibt.
Das im Konzeptteil des Sachplan definierte Vorgehen erlaubt es, sowohl an der Oberfläche (hier primär aufgrund raumplanerischer Kriterien) und im Untergrund (hier aufgrund der sicherheitstechnischen Kriterien) optimierte Lösungen zu finden. Grundlage hierfür ist, dass die vorgesehenen Erschliessungsbauwerke sicher gebaut, betrieben und verschlossen werden können
C-28
Die Nagra hat im weiteren Verlauf von Etappe 2 anhand der konkreten Standortvorschläge nachzuweisen, dass die Oberflächenanlage resp. die untertägigen Erschliessungsbauwerke die gesetzlichen
Anforderungen an die nukleare Sicherheit und Sicherung erfüllen. Das ENSI und die zuständigen
Kommissionen des Bundes werden die Vorschläge der Nagra vor der Anhörung zu Etappe 2 im Detail
prüfen, bevor der Bundesrat über deren Abschluss befindet.
C-29
Thema
D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
10
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
Dichtigkeit und Langzeitsicherheit der Lagerstätte
Welche Erkenntnisse hat man in Bezug radioaktiver Abfälle
und der Gesteine (Dichtigkeit)?
Welche Erkenntnisse hat man mit Wasserströmen in den
Tiefen, wo die Lagerstätten geplant sind?
Woher weiss man, dass die jetzt trockene Lagerstätte in 100
oder mehr Jahren nicht durch Erdverschiebungen etc. von
Wasser durchsickert oder geflutet werden?
Woher weiss man, dass sich unterhalb des Lagers in 1500 m 10’000 m Tiefe kein Wasser befindet, welches durch die Gegebenheiten der Erdstruktur sich nur langsam (z.B. 10 m/Jahr)
aufwärts bewegt?
Marcus Thiel
ENSI
Eingangsdatum: 25.09.2009
Beantwortet am: 26.05.2010
Antwort des ENSI:
a) Welche Erkenntnisse hat man in Bezug radioaktiver Abfälle und der Gesteine (Dichtigkeit)?
Die geologische Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle ist seit Jahrzehnten Gegenstand der internationalen Forschung. Das heutige Wissen ist entsprechend umfangreich. Die Nagra hat im Rahmen des
Sachplanverfahrens diese Erkenntnisse im Hinblick auf die Verhältnisse in der Schweiz aktuell zusammengestellt (NTB 08-04). Die Expertinnen und Experten des ENSI haben diese Zusammenstellung
eingehend überprüft (Sicherheitstechnisches Gutachten zum Vorschlag geologischer Standortgebiete, ENSI 33/070, erhältlich unter www.ensi.ch). Für die Lagerung radioaktiver Abfälle kommen mehrere Gesteine in Frage (Opalinuston, Tongesteinsfolge Brauner Dogger, Effinger Schichten, MergelFormationen des Helvetikums), die in der geforderten Tiefe alle sehr gering wasserdurchlässig sind.
b) Welche Erkenntnisse hat man mit Wasserströmen in den Tiefen, wo die Lagerstätten geplant
sind?
Kenntnisse über Tiefengrundwasser werden aus der Exploration von Erdöl und Erdgas schon seit
Beginn der Industrialisierung gewonnen. Dazu liefern Thermalwasserbohrungen und –quellen, Geothermiebohrungen und die Untersuchungen der Nagra seit Jahrzehnten weitere Erkenntnisse. Wasserströme hängen einerseits von der hydraulischen Durchlässigkeit des Gesteins und andererseits
vom hydraulischen Gradienten, der antreibenden Kraft für Grundwasserbewegungen, ab. Die hydraulische Durchlässigkeit kann je nach Gestein um viele Grössenordnungen variieren und in Oberflächennähe durch Verwitterung und Dekompaktion erhöht sein. Die geologischen Tiefenlager sind
deshalb in grösserer Tiefe geplant. Der hydraulische Gradient wird von den hydrogeologischen Randbedingungen (Grundwasserkreislauf, grossräumige Abflussverhältnisse, Neubildungsgebiete etc.)
bestimmt. Er ist viel weniger variabel als die hydraulische Durchlässigkeit des Gesteins und spielt
deshalb für den Vergleich unterschiedlicher Standortgebiete eine untergeordnete Rolle. Die Wirtgesteine in den vorgeschlagenen geologischen Standortgebieten sind teilweise so undurchlässig, dass
das Wasser nicht mehr fliessen kann (es stagniert) und der Transport der Radionuklide im Wesentlichen sehr langsam über die molekulare Diffusion erfolgt.
D-1
c) Woher weiss man, dass die jetzt trockene Lagerstätte in hundert oder mehr Jahren nicht durch
Erdverschiebungen etc. von Wasser durchsickert oder geflutet werden?
Die tieferen Gesteinsschichten im Untergrund sind im Allgemeinen alle mit Wasser gesättigt. Je nach
geologischer Situation können Gesteine aber auch nicht vollständig gesättigt sein (z. B. Karstsysteme).
Die Wirtgesteine wie der Opalinuston sind vor vielen Millionen Jahren entstanden (rund
180 Millionen Jahren). Die von der Geologie überblickbaren Zeiträume sind somit mehr als 100-mal
grösser als der zu prognostizierende Betrachtungszeitraum für geologische Tiefenlager (1 Million
Jahre für hochaktive Abfälle beziehungsweise 100'000 Jahre für schwach- und mittelaktive Abfälle).
Mit dem Verständnis der geologischen Entwicklungsgeschichte kann deshalb für ausgewählte Gebiete zuverlässig das Spektrum möglicher Veränderungen (z.B. Erdverschiebungen, Hebungs- und Erosionsvorgänge, Verwitterung) evaluiert werden und man kann beurteilen, ob langfristig eine Beeinträchtigung des Einschlussvermögens des Wirtgesteins innerhalb des erforderlichen Betrachtungszeitraums zu erwarten ist oder nicht.
Natürliche chemische Tracerstoffe und Isotopensignaturen des Porenwassers wie zum Beispiel das
Chlor belegen, dass die Porenwässer im Opalinuston seit Jahrmillionen eingeschlossen sind und liefern damit den Hinweis, dass die hydraulische Durchlässigkeit des Wirtgesteins dauerhaft sehr gering
war. Zusätzlich weisen die vorgeschlagenen tonreichen Gesteine die Fähigkeit auf, durch Sorption
Radionuklide an sich zu binden. Wegen dem Quellvermögen der Tonmineralien schliessen sich zudem allfällige Risse und Klüfte wieder von selbst ab (Selbstabdichtungsvermögen).
d) Woher weiss man, dass sich unterhalb des Lagers in 1500 m – 10’000 m Tiefe kein Wasser befindet, welches durch die Gegebenheiten der Erdstruktur sich nur langsam (z.B. 10 m/Jahr) aufwärts
bewegt?
Unterhalb des Wirtgesteins kann in grösserer Tiefe durchaus Grundwasser vorkommen, welches sich
in grossräumigen Zirkulationssystemen in Richtung der Vorfluter (z.B. Rhein, Aare) bewegt. So sind
z.B. die Schichten des Muschelkalks, welche in der Nordschweiz unterhalb der vorgeschlagenen Wirtgesteine vorkommen, oder der poröse Buntsandstein sowie das kristalline Grundgebirge als potenzieller Kluftwasserleiter, als Grundwasserleiter bekannt. Diese Tiefenwässer werden heute teilweise
genutzt (z.B. das aus dem Kristallin stammende Mineral- und Thermalwasservorkommen von Zurzach). Für die Langzeitsicherheit eines geologischen Tiefenlagers ist entscheidend, dass sich diese Tiefenwässer innerhalb der Grundwasserleiter bewegen und durch andere dichte Gesteine
(z.B. Evaporite) voneinander getrennt werden und das gering durchlässige Wirtgestein nicht erreichen oder durchdringen können. Man spricht dann von so genannten Grundwasserstockwerken, die
sich durch unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften der Tiefenwässer auszeichnen.
Die in der Frage als langsam angesprochene Aufwärtsbewegung von z.B. 10 m/Jahr wäre für Wirtgesteine im Hinblick auf die geologischen Zeiträume nicht akzeptabel, da dies viel zu schnell ist. Tatsächlich sind die Wirtgesteine in den vorgeschlagenen Gebieten weitgehend so undurchlässig, dass
das Wasser nicht mehr fliessen kann, der Transport erfolgt hauptsächlich durch die Diffusion. Der
Diffusionsvorgang ist ein sehr langsamer Prozess, bei einer Diffusionskonstante von 10-12 m2/s für Cl
beträgt die mittlere Diffusionsweglänge rund 10 Metern in 1 Million Jahren!
D-2
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
11
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
Haltbarkeit der Lagerbehälter
Haben die Behälter nicht eine kleinere Zerfallszeit als der
Abfallstoff selber?
Marcus Thiel
ENSI
Eingangsdatum: 25.09.2009
Beantwortet am: 26.03.2010
Antwort des ENSI
Ja, in den einzulagernden Abfällen können Radionuklide enthalten sein mit deutlich grösseren Halbwertszeiten (Zerfallszeiten) als die zu erwartende Lebensdauer eines Lagerbehälters.
Das Sicherheitskonzept eines geologischen Tiefenlagers beruht deshalb auf dem Multibarrierenprinzip, einer Abfolge von unterschiedlichen technischen und natürlichen Barrieren, die die Ausbreitung
von Radionuklide verhindern oder auf ein ungefährliches Mass verkleinern.
Beispiele für die technischen Barrieren im Falle von hochaktiven Abfällen sind die Abfallmatrix
(Brennstofftabletten oder Glas), die sich unter den Bedingungen im Tiefenlager sehr langsam auflösen, der Einlagerungsbehälter, in dem die Abfälle eingeschlossen sind und die Verfüllung der Lagerstollen. Die ENSI Richtlinie G03 schreibt vor, dass die Lagerbehälter für hochaktive Abfälle auf einen
vollständigen Einschluss der Radionuklide während tausend Jahren ab deren Einlagerung auszulegen
sind.
Die natürlichen Barrieren sind das Wirtgestein und allenfalls zusätzliche Gesteinsformationen, die
durch ihre Einschlussfähigkeit dafür sorgen müssen, dass keine radiologische Gefährdung für Mensch
und Umwelt vom Tiefenlager ausgeht.
D-3
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
12
Notwendigkeit weitergehender Untersuchungen
Kann die sicherheitstechnische Bewertung der vorgeschlagenen Standortregionen im weiteren Einengungsprozess, beziehungsweise die von der NAGRA schon jetzt vorgenommene
Priorisierung hinsichtlich der Eignung der Standorte auf die
vorhandene geologische Datenlage gestützt werden oder sind
hier noch weitere vertiefende Untersuchungen nötig, wie
etwa das Auffahren eines Untersuchungsbergwerkes nötig?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Waldshut
ENSI
(Verfahrensverlauf
in Etappe 2)
Beantwortet am: 26.03.2010
Antwort des ENSI:
Der Sachplan Geologische Tiefenlager legt für das Standortauswahlverfahren einen schrittweisen
Einengungsprozess fest, welcher basierend auf dem aktuellen Stand der geologischen Kenntnisse in
drei Etappen zu Standorten für SMA- und HAA-Lager führt. Etappe 1 führt zu Vorschlägen potentiell
geeigneter geologischer Standortgebiete, innerhalb welcher in den darauf folgenden nächsten Etappen 2 und 3 geeignete Standorte weiter evaluiert und schliesslich ein Standort pro Lagertyp festgelegt werden. Mit dieser schrittweisen Einengung ist eine stufenweise Vertiefung der Sicherheitsbetrachtungen von der Etappe 1 bis Etappe 3 verbunden. Wo nötig, sind in Etappe 2 und Etappe 3 die
geologischen Kenntnisse schrittweise zu ergänzen.
Die generische Sicherheitsbetrachtung in Etappe 1 hat zum Ziel, ausgehend von einem definierten
Abfallinventar die quantitativen Anforderungen und Vorgaben an die geologische Barriere herzuleiten und die standortrelevanten Kriterien soweit möglich zu quantifizieren. Sie gilt nicht als Sicherheitsnachweis für geologische Tiefenlager. Die Analyse stützt sich beim Abfallinventar und den technischen Barrieren soweit möglich auf spezifische Daten oder, falls solche nicht vorliegen oder nicht
einfach zu erheben sind, auf generische (allgemeine, typische) Materialkennwerte. Für die geologischen Barrieren werden generische Eigenschaften verwendet, die durch die vorhandenen Kenntnisse
und Erfahrungen belegbar sind.
Der Konzeptteil des Sachplans geologische Tiefenlager schreibt vor, dass die Entsorgungspflichtigen
für die in Etappe 2 geforderten provisorischen Sicherheitsanalysen die Notwendigkeit ergänzender
Untersuchungen vor Beginn der Etappe 2 mit dem ENSI abklären müssen. Die Kenntnisse über die
Standorte müssen die Durchführung einer solchen Sicherheitsanalyse erlauben; gegebenenfalls sind
sie durch Untersuchungen zu ergänzen. Die verwendeten geologischen Daten müssen die aktuelle
Situation am Standort für die provisorische Sicherheitsanalyse adäquat wiedergeben und die vorhandenen relevanten Ungewissheiten berücksichtigen. Um die Frage allenfalls zusätzlicher Untersuchungen transparent zu klären, werden die Entsorgungspflichtigen nach Abschluss der behördlichen Prüfungen in Etappe 1 einen Bericht erstellen, in dem für jede Standortgebiet anhand des Wissenstands
dargelegt wird, ob und welche ergänzenden Untersuchungen für die Sicherheitsanalysen in Etappe 2
nötig sind. Das ENSI prüft diesen Bericht und hält in seiner Stellungnahme zuhanden der Entsorgungspflichtigen fest, ob und welche Untersuchungen durchzuführen sind.
In Etappe 3 gilt es, die verbliebenen Standorte vertieft zu untersuchen und die standortspezifischen
geologischen Kenntnisse falls nötig mittels erdwissenschaftlichen Untersuchungen (Seismik, Bohrungen) auf einen Stand zu bringen, der im Hinblick auf die Vorbereitung der Rahmenbewilligung einen
vertieften Vergleich aus sicherheitstechnischer Sicht ermöglicht.
D-4
Antwort der Kommission der Nuklearen Sicherheit (KNS):
Das Auffahren eines Untergrundbergwerkes ist zum Zweck der Priorisierung der Standorte nicht
notwendig. Bei allen Standortgebieten ist der Wissenstand geringer als beim Standortgebiet Zürich
Nordost14. Dies liegt daran, dass diese Standortgebiete einerseits weniger untersucht und andererseits geologisch komplexer sind. Gemäss Sachplan ist in Etappe 2 in jedem der jetzt vorgeschlagenen
Standortgebiete mindestens ein Standort auszuwählen und zu jedem dieser Standorte eine provisorische Sicherheitsanalyse zu erstellen. Die Sicherheitsanalysen zu den verschiedenen Standorten müssen hinsichtlich Konservativität und Robustheit vergleichbar sein. Die Frage, ob dies mit dem unterschiedlichen Wissenstand zu den Standortgebieten möglich ist, ist noch nicht beantwortet. Die KNS
geht davon aus, dass für vergleichbare provisorische Sicherheitsanalysen zusätzliche erdwissenschaftliche Untersuchungen (z.B. 3D-Seismik, Tiefbohrungen, Datierungen) erforderlich sind.
14
Auf Wunsch der Standortregion wurde das Standortgebiet Zürcher Weinland in Zürich Nordost umbenannt.
D-5
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
13
Dichtigkeit des Tongesteins bei Gasfreisetzung, Sicherheit
der Lagerbehälter
Bei der Lagerung von hochradioaktiven Atommüll im Tongestein bestehen noch viele offene Fragen, wie z.B. die Frage,
wie sich der beim Durchrosten der Lagerfässer oder Castoren
frei werdende Wasserstoff auf die Dichtheit des Tongesteins
auswirkt.
Lässt der heutige Kenntnisstand schon einen fundierten sicherheitstechnischen Vergleich zwischen Standorten zu oder
sollte im weiteren Einengungsprozess noch einige Jahre zugewartet werden, bis heute noch offene Fragen geklärt sind?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Waldshut
Nagra
Beantwortet am: 18.12.2009
Antwort der Nagra:
Die Behälter für den Transport und für die Zwischenlagerung der hochaktiven Abfälle sind nicht für
den Einsatz im Tiefenlager konzipiert. Dazu werden speziell auf die Anforderungen der Langzeitsicherheit ausgelegte Endlagerbehälter verwendet, für die grundsätzlich verschiedene Materialien in
Frage kommen. Dazu gehört auch der von der Nagra als Referenz - Option vorgesehene Stahl, welcher die behördlichen Anforderungen des Einschlusses über mehr als 1'000 Jahre deutlich übertrifft
(es wird eine Einschlussdauer von mindestens 10'000 Jahren erwartet).
Die Auswirkungen der Gasbildung als Folge der Korrosion von Stahl (für die Option "Behälter aus
Stahl") wurden von der Nagra im Rahmen des Entsorgungsnachweises evaluiert und von den Behörden und ihren Experten geprüft, mit dem Befund dass die grundsätzliche Machbarkeit der sicheren
Lagerung der hochaktiven Abfälle trotz Gasbildung infolge Behälterkorrosion gegeben ist. Bei den
hochaktiven Abfällen (inkl. abgebrannte Brennelemente) würde grundsätzlich auch die Möglichkeit
bestehen, einen Behälter mit Kupferhülle zu verwenden, welcher zu vernachlässigbarer Gasbildung
führt. Diese Alternative wurde auch im Entsorgungsnachweis aufgeführt.
Die Machbarkeit der sicheren Lagerung von HAA im Opalinuston ist also auch unter Berücksichtigung
der Gasbildung durch die Behörden anerkannt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Einfluss der
Gasbildung auf den Opalinuston nicht vom Standort abhängt. Es liegen also alle Unterlagen vor, um
jetzt im laufenden Verfahren eine fundierte Standortevaluation durchzuführen.
Im Rahmen des Entsorgungsnachweises hat die Nagra als alternative Option auch einen Behältertyp
mit Kupferumhüllung in Betracht gezogen und sicherheitstechnisch analysiert (siehe Sicherheitsbericht NTB 02-05). Ein Entscheid, welcher Behältertyp für die Lagerung der HAA verwendet werden
wird, muss erst zu einem viel späteren Zeitpunkt gefällt werden.
D-6
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
14
Frage
Zurückstellen des Oberbauenstocks
Es fällt auf, dass die geologische Formation, mit welcher der
Entsorgungsnachweis für schwach- und mittelaktive Abfälle
(SMA) in den 80er Jahren erbracht wurde, nicht zu den vorgeschlagenen Standortregionen der Nagra gehört.
a) Wie ist zu erklären, dass der Oberbauenstock (mit dem
der Entsorgungsnachweis geführt wurde) nun nicht mehr
die "Minimalkriterien für ein Endlager" (Zitat Dr. Fritschi,
Nagra, im Bau- und Umweltausschuss des Landkreises
Waldshut) erfüllt?
b) Spielt bei dieser Einschätzung über die Eignung des
Oberbauenstocks eine Steigerung des Abfallvolumens
durch drei beantragte neue Kernkraftwerke eine Rolle
(sollten diese bewilligt und gebaut werden)?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Waldshut
a) BFE
a), b) Nagra
Beantwortet am: 18.12.2009
Antwort des Bundesamtes für Energie:
Das BFE weist bei Frage 14a) darauf hin, dass es zu dieser Frage einen Vorstoss von Nationalrat Bastien Girod gegeben hat, welche der Bundesrat bereits beantwortet hat (08.3978 - Radioaktive Abfälle. Beurteilung des Entsorgungsnachweises). Das Dokument befindet sich unter:
http://www.parlament.ch/D/Suche/Seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20083978
(auf der Curia Vista-Datenbank des Parlaments) (siehe auch unten: Zusatz: Interpellation „Radioaktive Abfälle. Beurteilung des Entsorgungsnachweises“)
Kommentar der Nagra zu Frage 14a:
Der Entsorgungsnachweis für die schwach- und mittelaktiven Abfälle (SMA) wurde am Beispiel des
Modellstandortes "Oberbauenstock" erbracht, bei welchem die Mergel-Formationen des Helvetikums das Wirtgestein bilden. Die Mergel-Formationen des Helvetikums werden auch in der Etappe 1
des SGT als bevorzugtes Wirtgestein vorgeschlagen. Es ist jedoch richtig, dass der Standort "Oberbauenstock" nicht als Geologisches Standortgebiet vorgeschlagen wird; für die Mergel-Formationen
des Helvetikums wird einzig das geologische Standortgebiet "Wellenberg" vorgeschlagen. Der ausschlaggebende Grund, den "Oberbauenstock" nicht vorzuschlagen, betrifft die geometrischen Verhältnisse, das heisst die ungenügenden Möglichkeiten zur Anordnung der Lagerkammern.
Wie in NTB 08-03 beschrieben, werden die Platzverhältnisse der Mergel-Akkumulationen fallweise
betrachtet unter Berücksichtigung der Ungewissheiten. Gegenüber den frühen 80er Jahren wird im
jetzigen Sachplanverfahren den Raumreserven in der direkten Umgebung der Lagerkammern ein
höherer Stellenwert gegeben (Mindestabstände zu Wirtgesteinsgrenzen und zu Erschliessungsbauwerken, Überdeckung des Wirtgesteins, etc.). Dies führt gegenüber früher zu erhöhten Anforderungen an die Indikatoren "laterale Ausdehnung" (Mindestanforderung an Fläche > 3 km2 sowie Mindestbreite von > 1 km (Tabelle 2.5-2 in NTB 08-03, Seite 71) oder Möglichkeit zur mehrstöckigen Lageranordnung) beziehungsweise an das "Platzangebot", welche durch den Standort "Oberbauenstock" nicht erfüllt werden, sodass dieser Standort von der Nagra nicht als Geologisches Standortgebiet vorgeschlagen wurde.
D-7
Antwort der Nagra zu Frage 14b
Bei den Indikatoren "laterale Ausdehnung" beziehungsweise "Platzangebot" wird vom "umhüllenden
Abfallinventar" ausgegangen.
Dieses "umhüllende Abfallinventar" geht Konzeptgemäss von den absehbaren Abfällen aus und berücksichtigt den 60-jährigen Betrieb der heute bestehenden KKWs und eine Sammelperiode für die
Abfälle aus den Bereichen "Medizin, Industrie und Forschung" bis 2120 aus und berücksichtigt zusätzlich auch die Abfälle aus der Produktion von 5 GWe während 60 Jahren. Dies entspricht etwa der
Stromproduktion von 3 grossen KKWs mit einer angenommenen Betriebszeit von 60 Jahren und ist in
diesem Sinne kompatibel mit den im Jahr 2008 eingereichten Rahmenbewilligungsgesuchen für neue
KKWs.
Zusatz: Interpellation „Radioaktive Abfälle. Beurteilung des Entsorgungsnachweises“
Eingereicht von Nationalrat Girod Bastien (19. Dezember 2008)
Eingereichter Text
Anlässlich einer öffentlichen Sitzung des Bau- und Umweltausschusses des Landkreises Waldshut
(Deutschland) informierte die Nagra über die Suche in der Schweiz nach einem Endlager für radioaktive Abfälle in der Schweiz. Auf die Frage nach dem Entsorgungsnachweis für SMA-Abfälle antwortete
Dr. Markus Fritschi (Mitglied der Geschäftsleitung der Nagra) gemäss Protokoll, dass der Oberbauenstock „bei der Standortwahl herausfalle, da dieser die Minimalkriterien nicht erfülle".
In diesem Zusammenhang wird der Bundesrat gebeten, folgende Fragen zu beantworten:
1. Aus welchen Gründen erfüllt der Standort Oberbauenstock die Minimalkriterien nicht mehr?
2. Sollte er in Anbetracht dieser Äusserungen des Nagra - Vertreters nicht den 1988 gutgeheissenen Entsorgungsnachweis für schwach- und mittelaktive Abfälle für nichtig erklären und
den Entsorgungsnachweis für SMA erneuern?
3. Offensichtlich hat sich nach nur 20 Jahren die Erfüllung der Mindestkriterien für eine sichere
Lagerung von SMA so stark geändert, dass der 1988 als gut beurteilte Standort heute nicht
mehr als ideal angesehen wird. Wie kann er sicherstellen, dass der am Beispiel des Standort15
gebietes Zürich Nordost erbrachte Entsorgungsnachweis für HAA zu einem zukünftigen
Zeitpunkt nicht mehr als ideal beurteilt wird und somit auch die heute zur Auswahl stehenden Standorte überholt sind?
4. Wie kann er sicherstellen, dass ein möglicher Erkenntnisgewinn und eine neue Einschätzung
der Sicherheit der Lagerung von HAA den Wechsel des Lagerungskonzeptes hin zu einer sichereren Lagerung erlauben?
5. Sollte er nicht aufgrund der Schwierigkeit von Prognosen zur Sicherheit der Lagerung von
HAA einen kompletten Verschluss der Lager für HAA-Abfälle ablehnen und eine gute Rückholbarkeit der Abfälle befürworten?
15
Auf Wunsch der Standort wurde das Standortgebiet Zürcher Weinland in Zürich Nordost umbenannt.
D-8
Antwort des Bundesrates vom 06.03.2009:
Der vom Kernenergiegesetz (KEG) geforderte Entsorgungsnachweis soll zeigen, dass die nukleare
Entsorgung in der Schweiz grundsätzlich möglich ist. Konkret bedeutet dies, dass sich ein Wirtgestein
in einer bestimmten Region vorbehältlich weiterer Untersuchungen für die Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle eignen würde. Der Entsorgungsnachweis ist erforderlich für die bestehenden Kernkraftwerke (Art. 106 Abs. 2 KEG) und eine Voraussetzung für die Erteilung der Rahmenbewilligung von
neuen Kernkraftwerken (Art. 13 Abs. 1 Ziff. KEG). Er ist jedoch kein Standortentscheid und auch kein
Bewilligungsgesuch für ein konkretes Lagerprojekt.
Die Standortwahl erfolgt im Rahmen des mehrstufig angelegten Sachplans geologischer Tiefenlager.
Am 17. Oktober 2008 hat die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra)
ihre Vorschläge für mögliche geologische Standortgebiete beim Bundesamt für Energie (BFE) eingereicht. Die Nagra musste sich dabei ausschliesslich auf die vom Bundesrat im Sachplan festgelegten
sicherheitstechnischen Kriterien stützen. Am Ende von Etappe 1 wird der Bundesrat über die Aufnahme der von der Nagra vorgeschlagenen geologischen Standortgebiete in den Sachplan entscheiden. Voraussetzung ist, dass die strengen Sicherheitsanforderungen für das vorgeschlagene Abfallinventar erfüllt sind. Dies wird zurzeit von den Sicherheitsbehörden geprüft.
Zu den gestellten Fragen nimmt der Bundesrat im Einzelnen wie folgt Stellung:
1. Die Aussage des Nagra - Vertreters steht im Zusammenhang mit der Beurteilung der Standortgebietsvorschläge gemäss Sachplan geologische Tiefenlager und berücksichtigt, dass sich die
Anforderungen bezüglich der Platzverhältnisse und des heute zu betrachtenden grösseren Lagerinventars (längere Betriebsdauer der bestehenden KKW und mögliche neue KKW) inzwischen geändert haben. So zeigt nach den Aussagen der Nagra bei den früheren potenziellen
Standorten schon die Überprüfung der geometrischen Verhältnisse, dass die Ausdehnung der
meisten Vorkommen aufgrund der heutigen Anforderungen ungenügend ist; dies gilt auch für
das von der Nagra untersuchte Gebiet Oberbauenstock (früher Oberbauen) (Nagra NTB 08-03,
Seiten 219/220). Etappe 1 des Auswahlverfahrens soll nämlich zu geologischen Standortgebieten führen, welche maximale Anforderungen erfüllen und langfristig die höchstmögliche Sicherheit gewährleisten.
2. Der Entsorgungsnachweis für schwach- und mittelaktive Abfälle, den die Nagra im Jahre 1985
am Beispiel Oberbauenstock führte, hatte zum Ziel, die grundsätzliche Machbarkeit eines sicheren Endlagers für die schwach- und mittelaktiven Abfälle aufzuzeigen. Dieser Nachweis
wurde 1988 vom Bundesrat nach eingehender Prüfung anerkannt. Da sich an der grundsätzlichen Machbarkeit nichts geändert hat, ist eine Erneuerung nicht notwendig.
Ende 2002 reichte die Nagra den Entsorgungsnachweis für hochaktive Abfälle beim Bund ein.
Nach Abschluss einer umfassenden Überprüfung und einer positiven Bewertung des Nachweises durch die Bundesbehörden sowie aufgrund internationaler Expertisen hat der Bundesrat
den Entsorgungsnachweis am 28. Juni 2006 gutgeheissen.
3. Bei der Wahl eines Standorts für geologische Tiefenlager für schwach- und mittelaktive sowie
für hochaktive Abfälle müssen die bestehenden Kenntnisse im Rahmen des rund 10-jährigen
Auswahl- und Rahmenbewilligungsverfahrens sowie bei den danach folgenden Bau- und Betriebsbewilligungsverfahren schrittweise vertieft und dokumentiert, das heisst aktualisiert
werden. Die maximalen Lagerkapazitäten werden dann in der Rahmenbewilligung für die geologischen Tiefenlager verbindlich festgelegt. In jedem Bewilligungsschritt findet eine sicherheitstechnische Begutachtung durch die Behörden statt. Dieses schrittweise Vorgehen erlaubt
insbesondere, offene Fragen zeitgerecht zu beantworten und neue Erkenntnisse laufend zu
nutzen.
D-9
4. Im Jahr 1999 setzte das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation die Expertengruppe "Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle" (EKRA) ein. Diese erhielt den Auftrag, Grundlagen zu erarbeiten, um die zur Debatte stehenden Entsorgungskonzepte zu vergleichen. Die EKRA kam in ihrem Bericht zum Schluss, dass einzig die geologische Tiefenlagerung den erforderlichen langfristigen Schutz von Mensch und Umwelt gewährleisten kann.
5. Sie entwickelte deshalb das Konzept der "kontrollierten geologischen Langzeitlagerung". Dieses verbindet die Endlagerung mit der Möglichkeit, die radioaktiven Abfälle nach Abschluss der
Einlagerung während einer gewissen Zeit zu überwachen und ohne grossen Aufwand zurückzuholen. Vor dem Verschluss des Lagers sind eine längere Beobachtungsphase sowie der Betrieb eines Pilotlagers vorgesehen. Kontrolle, Unterhalt und Rückholung sind somit während
mehreren Generationen möglich. Das EKRA-Konzept wurde als "Geologisches Tiefenlager" in
das KEG aufgenommen.
D-10
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
15
Tektonik im Zeitraum von 100'000 bis 1'000'000 Jahren
Können in den vorgeschlagenen Standortgebieten tektonische
Verwerfungen für einen Zeitraum von 100’000 oder gar einer
von 1’000’000 ahren wirklich sicher ausgeschlossen werden?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Waldshut
ENSI
Beantwortet am: 18.12.2009
Antwort des ENSI:
Bei der Wahl der Standortgebiete ist gemäss Konzeptteil zum Sachplan Geologisches Tiefenlager das
sicherheitstechnische Kriterium der Langzeitbeständigkeit (Kriterium 2.1) zu berücksichtigen. Beurteilt wird damit die geologische Langzeitstabilität des Standortes und der Gesteinseigenschaften,
insbesondere die Möglichkeit einer Beeinträchtigung und Veränderung des Isolationsvermögens des
Wirtgesteins beziehungsweise des einschlusswirksamen Gebirgsbereiches durch geologische Prozesse wie Störung des Gesteinsverbandes durch differenzielle Bewegungen (Zerscherung, Reaktivierung
von Brüchen und Störungszonen, Bildung neuer Wasser- und Gaswegsamkeiten) verursacht durch
neotektonische Aktivität (unter anderem Seismizität), geochemische Vorgänge (Lösungsprozesse,
Karstbildung, Wasser-Gesteins-Wechselwirkungen) oder seltene geologische Ereignisse wie die
Bruchbildung im Zusammenhang mit starken Erdbeben oder Vulkanismus.
Die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers beruht auf dem Konzept der gestaffelten passiven
Sicherheitsbarrieren. Jede Barriere leistet dabei einen Beitrag zur Langzeitsicherheit. Das Konzept ist
so angelegt, dass mehrfache Redundanzen bestehen müssen. Wird eine einzelne Barriere durch einen Vorgang in der Zukunft geschwächt, muss die Sicherheit des Tiefenlagers immer noch gewährleistet sein. Für die in der Frage angesprochenen sehr langen Betrachtungszeiträumen müssen die
möglichen Risiken, die von tektonischen Bewegungen ausgehen können, anhand einer systematischen Szenarien- und Sicherheitsanalyse qualitativ und quantitativ aufgezeigt und die Ergebnisse an
den in der ENSI Richtlinie G03 festgelegten Schutzkriterien gemessen werden.
Die Suche geologischer Standortgebiete ist mit oben genanntem Kriterium 2.1 so ausgelegt, dass
tektonischen Störungen prinzipiell ausgewichen wird und dass die für die Barrierenwirksamkeit notwendige Stabilität des gewählten Gebietes anhand der erdgeschichtlichen Entwicklung aufgezeigt
und nachgewiesen werden muss.
Antwort der Kommission der Nuklearen Sicherheit:
Für geologische Tiefenlager werden gezielt tektonisch nicht oder wenig beanspruchte Gebiete gesucht. Die von der Nagra vorgeschlagenen Standortgebiete erfüllen mit Ausnahme des Wellenbergs
diese Bedingung.
Bei der Erarbeitung von geologischen Prognosen wird wie folgt vorgegangen: Zunächst werden alle
erfassbaren Beobachtungen aus einer bis weit über 100 Millionen Jahre zurückreichenden Vergangenheit zusammengetragen. Daraus ergibt sich eine geologische Geschichte; diese wird dann in die
Zukunft extrapoliert. Eine absolute Garantie, dass keine tektonischen Störungen über einen Zukunftszeitraum von 1 Million Jahren erfolgen, kann damit aber nicht gegeben werden. Man kann
aber Bedingungen angeben, unter denen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten tektonischer Störungen gering ist. Künftige Spannungsumlagerungen im Untergrund werden sich in erster Linie entlang jener tektonischen Störungen manifestieren, die bereits in der Vergangenheit aktiv waren. DesD-11
halb ist es für Prognosen von sehr grosser Bedeutung, dass man diese Störungen kennt. Man muss
ausschliessen können, dass in einem Standortgebiet grössere Störungen vorhanden sind, die eine
Gesteinsscholle mit einem möglichen Tiefenlager durchschlagen. Dieser Nachweis kann anhand der
geologischen Geschichte eines konkreten Gebietes geführt werden. Dazu sind gezielte Felduntersuchungen erforderlich. Ist dieser Nachweis erbracht, besteht kein Grund zur Annahme, dass eine bisher verschonte Gesteinsscholle von künftigen tektonischen Störungen betroffen wird.
D-12
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
16
Einfluss der Tektonik auf Lagergeometrie, Lagergrösse und
mögliche Freilegung
Welchen Einfluss kann die künftige Tektonik (insbesondere
die Juratektonik in der Vorfaltenzone, der subjurassischen
Zone sowie die Tektonik an Rändern von paläozoischen Trögen) bei konservativen Szenarien auf die Lagergeometrie und
Lagergrösse sowie auf die mögliche Freilegung des Tiefenlagers ausüben?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Ausschuss der
Kantone
ENSI
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort des ENSI:
Neotektonische Fragestellungen wurden seitens des ENSI im Rahmen des Sachplans geologische Tiefenlager (SGT) und im Rahmen der Rahmenbewilligungsgesuche für neue Kernkraftwerke detailliert
untersucht. Die Untersuchungen hatten drei Schwerpunkte:

Rezente Hebung aufgrund von Feinnivellement- und GPS-Messungen (swisstopo)

Verstellungen quartärer Schichten in einem hochauflösenden Geländemodell von swisstopo
(LIDAR)

Geodynamische Situation der Alpen, abgestützt auf die heutige Erdbebenverteilung
Feinnivellements zeigen in der Nordostschweiz beziehungsweise in den Standortgebieten keine Hebungsanomalien quer zu den bekannten Lineamenten der paläozoischen Tröge oder zu den JuraStrukturen. Die Feinnivellements zeigen Hebungsraten von 0.0 mm bis knapp 0.3 mm pro Jahr. GPSMessungen zeigen unterschiedliche, sehr geringe und unter Berücksichtigung der Fehler keine signifikanten Horizontalbewegungen in der Nordschweiz.
Verstellungen quartärer Schichten wurden in etlichen Fällen vermutet, im Gelände überprüft, und
erwiesen sich zumeist als nicht näher spezifizierbare Sackungen. Beispielhaft kann das Vorgehen an
der Mandacher Störung herangezogen werden: Die Mandacher Überschiebung zeigt über 400 m
kumulativen Versatz. Sie entstand während der Jura-Faltung, war aber nachweislich in den letzten
20'000 Jahren nicht aktiv, weil am Aareufer aufgeschlossene Schotter des letzten Hochglazials, die
der Hangendscholle direkt aufliegen, nicht verkippt oder versetzt sind. Aus den Untersuchungen des
ENSI mittels LIDAR ergab sich allein nördlich der Lägern ein Lineament, an dem ein abschiebender
Versatz von 8 Metern ermittelt wurde. Diese Abschiebung befindet sich in der Nähe des ENEstreichenden Baden-Irchel-Herdern-Lineaments am Südrand des Standortgebiets nördlich der Lägern.
Die dort versetzten Höheren Deckenschotter sind vor ca. 2 Millionen Jahren abgelagert worden. Der
maximale Versatz wäre für ein HAA-Lager unproblematisch, zumal einem solchen bestehenden Lineament auf Lagerebene ausgewichen würde. Der Befund belegt auch, dass in Gebieten mit verfestigten Deckenschottern Neotektonik mit Versätzen von mehr als 2 Metern mit LIDAR zuverlässig erkannt werden kann. In den Standortgebieten Jura Ost und Jura-Südfuss sind keine Deckenschotter
erhalten und in den dort vorhandenen Ablagerungen der vorletzten beziehungsweise letzten Eiszeit
konnten auch in landwirtschaftlich nicht genutzten und damit relativ ungestörten Gebieten (Wald)
keine Oberflächenversätze durch tektonische Störungen erkannt werden.
Die geodynamische Situation der Alpen lässt erwarten, dass bei anhaltend hohen Hebungs- und
Erosionsraten im Alpenraum ein Grossteil des plattentektonisch bewirkten Massenüberschusses in
D-13
den Schweizer Alpen durch Erosion abgebaut wird, was den Druck auf das Vorland und die Spannung
reduziert. Man kann daher hinsichtlich einer auf Modellen beruhenden Prognose mit sehr geringen
zukünftigen Bewegungsraten an vorgeprägten Störungen rechnen, die nur einen Bruchteil der vormaligen Bewegungen (vor 5 Millionen Jahren und zuvor) betragen. Dies betrifft sowohl steile Störungen des kristallinen Untergrundes, die bis an die Oberfläche reichen, als auch Ansätze zu Rampenüberschiebungen im Deckgebirge (Jura-Tektonik). Sollten sich entgegen dem erwarteten geodynamischen Trend, z.B. als Folge einer lang anhaltenden Warmzeit durch Treibhausgas - Emissionen, die
Abtragungsraten stark verringern, könnte sich im Verlauf von Millionen Jahren die Spannungsverhältnisse im Alpenvorland verändern und vorhandene tektonische Strukturen reaktivieren.
Die Verteilung der Erdbeben im Nordschweizer Raum zeigt mit wenigen Ausnahmen kaum Erdbeben
an den Jura - Überschiebungen, hingegen erhöhte Erdbebentätigkeit am Nordrand des Faltenjuras
oder im angrenzenden Tafeljura. Die Frage, ob eine thin-skinned-Tektonik (nur Deckgebirge) oder
thick-skinned-Tektonik (Einschluss des kristallinen Untergrundes) vorherrscht, ist Gegenstand der
laufenden wissenschaftlichen Diskussion. Die Datenlage lässt jedoch zurzeit eine Verstärkung der
tektonischen Aktivität am Jura-Südfuss als unwahrscheinlich, hingegen eine tektonisch ruhige Entwicklung als wahrscheinlich erscheinen.
Die Frage wird in den kommenden Etappen des Sachplans vertieft bearbeitet werden.
Antwort der Kommission der Nuklearen Sicherheit (KNS):
Tektonische Bewegungen erfolgen entlang von bestehenden Schwächezonen. Weicht man der Juratektonik und den Rändern von Trögen und Gräben aus, gelangt man zu bisher von tektonischen Störungen nicht betroffenen Gebieten.
Die Prognosen für die Freilegung eines Tiefenlagers durch Erosion und Denudation werden ebenfalls
nach der Methode erstellt, die in der Antwort zu Frage 15 dargelegt ist. Die historische Analyse muss
sicherstellen, dass genügend robuste und konservative Modelle über die Tiefen- und flächenhafte
Erosion vorliegen, die auch eine Extrapolation über eine Zukunft von 1 Million Jahren erlauben. Die
Kommission der Nuklearen Sicherheit hat zu diesem Thema Forschungsprojekte angeregt.
D-14
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
17
Umgang mit austretenden Lagergasen und Anforderungen
an das Wirtgestein
a) Welcher Umgang mit austretenden Lagergasen (vor allem bei SMA-Lager) ist der sicherste?
b) Welche Anforderungen ergeben sich daraus an das Wirtgestein?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Ausschuss der
Kantone
ENSI
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort des ENSI:
a) Umgang mit Lagergasen
Der Fragesteller spricht die durch Korrosionsprozesse im Tiefenlager entstehenden, nicht radioaktiven Gase wie beispielsweise H2 an, das die Barriereneigenschaften des Wirtgesteins möglicherweise
beeinträchtigen kann (z.B. durch die Schaffung neuer Wegsamkeiten).
Der Konzeptteil des Sachplans geologische Tiefenlager schreibt in Kriterium 2.3 Lagerbedingte Einflüsse vor, dass die Auswirkungen des Lagers auf das Wirtgestein zu beurteilen sind. Hier stehen insbesondere die Gasentwicklung der Abfälle, der Gastransport im Wirtgestein, thermisch-hydraulischmechanisch gekoppelte Prozesse, chemische Wechselwirkungen, Ausbildung der Auflockerungszone
im Nahbereich der Untertagebauten, Reversibilität der Veränderungen, Selbstabdichtungsvermögen
im Vordergrund.
Um die Auswirkungen von Lagergasen auf die Langzeitsicherheit zu begrenzen, können folgende Vorgehensweisen in Betracht gezogen werden:

Grundsätzliche Vermeidung oder Minimierung von gasproduzierenden Abfällen (beispielsweise durch vorgängige Verbrennung im Plasmaofen der ZWILAG)

Verwendung von geeigneten Materialien für Einbauten und Lagercontainern

Optimierung der Lagerauslegung (unter Berücksichtigung der technischen Machbarkeit)

Verwendung eines geeigneten Verfüllmaterials (Erhöhung des Speichervolumens für Gas)
und Nachweis der genügenden Gasleitfähigkeit

Optimierung der Versiegelungen auf Gasdurchlässigkeit beispielsweise durch die Verwendung von Sand/Bentonitmischungen.
Eine Abschätzung der in Tiefenlagern produzierten Gasvolumen und ihrer Quellen ist in Tabelle 17
zusammengefasst. Der zeitliche Verlauf der berechneten Gasproduktion für ein SMA-Lager ist in der
unteren Figur abgebildet. Das produzierte CO2 wird grösstenteils in der Zementverfüllung gebunden
(und vermindert dadurch den freien Porenraum).
D-15
Tabelle 17: Abschätzung der Gasproduktion (m3 bei Standard Gasdruck und Temperatur)
Figur 17-1: Zeitlicher Verlauf der Produktion von H2 und CH4 in einem SMA-Tiefenlager (Angaben der
Nagra).
b) Anforderungen an das Wirtgestein
Die systematische Analyse der lagerbedingten Einflüsse ist Teil der Sicherheitsnachweise für Tiefenlager. Zentral bei den sicherheitstechnischen Betrachtungen ist die Relevanz für die Langzeitsicherheit des Lagers. Günstig sind Wirtgesteine, bei welchen lagerinduzierte Prozesse zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung ihrer Barrierenwirkung führen. Günstig sind Gesteine, die ein Selbstabdichtungsvermögen von Rissen und Klüften aufweisen.
Das ENSI stellt keine expliziten Anforderungen an das Wirtgestein hinsichtlich der Auswirkungen der
Gasproduktion oder des Gastransports. Es bewertet vielmehr die operationelle wie die Langzeitsicherheit des gesamten Mehrfachbarrierensystems (Tiefenlager, inkl. technische Barrieren und Geosphäre). In diesem Sinne wird anhand des gewählten Wirtgesteins und dessen geomechanischen
Eigenschaften, der Tiefenlage des Lagers geprüft, ob die durch die Gasproduktion hervorgerufenen
Phänomene die Langzeitsicherheit nicht gefährden und ob die Auslegung und Dimensionierung des
Tiefenlagers und der Versiegelungsbauwerke die Langzeitsicherheit gewährleisten können.
D-16
Für das ENSI stehen deshalb folgende Anforderungen an das Mehrfachbarrierensystem hinsichtlich
der Auswirkungen der Gasproduktion und Gastransport im Vordergrund:

die Erhaltung der hydraulischen Barriereneigenschaften des Wirtgesteins, als auch der Verschluss- oder Versiegelungsbauwerke

die Beschränkung der radiologischen Folgen (Auspressen von Porenwasser, Limitierung der
Bildung neuer Wasserwegsamkeiten)

die Erhaltung des Schutzes der Abfallgebinde durch die Geosphäre und die Verschluss- oder
Versiegelungsbauwerke
Eine vertiefte quantitative Analyse zum Thema „Lagergase“ wird in Etappe 2 im Rahmen der provisorischen Sicherheitsanalysen standortspezifisch erfolgen.
Antwort der Kommission der Nuklearen Sicherheit:
Das Wirtgestein muss primär aufgrund guter Rückhalteeigenschaften, Langzeitbeständigkeit, usw.
ausgewählt werden. Die einzulagernden Abfälle müssen dann den Eigenschaften des gewählten
Wirtgesteins (Dichtigkeit, Geochemie, usw.) Rechnung tragen. Bei einem Tiefenlager muss das Gasproblem in erster Linie dadurch gelöst werden, dass möglichst keine Gas bildenden Stoffe ins Lager
eingebracht werden beziehungsweise in diesem belassen werden; dies gilt insbesondere auch für die
Stützmittel. Es gilt also der Grundsatz der Vermeidung von Gasentwicklung (siehe entsprechende
Priorisierung auch bei den konventionellen Abfällen). Bei den SMA geht es um die Mineralisierung
der Abfälle und bei den HAA um den Ersatz der Lagerbehälter aus Stahl durch solche aus anderen
Materialien wie zum Beispiel Keramik. Der Einbau von EGTS (Engineered Gas Transport System) ist
kritisch zu beurteilen, weil solche potenzielle Schwachstellen bilden. Im Deponiebau haben sich
komplexe technische Lösungen immer wieder als Schwachstellen im Sicherheitssystem erwiesen.
D-17
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
18
Frage
Eigenschaften und Grundwasserführung in den Rahmengesteinen
Welche Qualitäten sollen die Rahmengesteine für einen möglichst sicheren Lagerstandort aufweisen (punkto Mächtigkeit,
Tongehalt, Tektonisierung und Homogenität)?
Mit welchen Problemen ist zu rechnen, wenn die Rahmengesteine Aquifere bilden, das heisst wasserführend und teilweise verkarstet sind?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Ausschuss der
Kantone
ENSI
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort des ENSI:
Die Standortevaluation erfolgt gemäss den Vorgaben des Sachplans geologische Tiefenlager und den
darin festgehaltenen sicherheitstechnischen Kriterien. Die Entsorgungspflichtigen hatten dabei in
Etappe 1 anhand generischer Sicherheitsbetrachtungen quantitative Zielvorgaben bezüglich Mächtigkeit, laterale Ausdehnung und hydraulische Durchlässigkeit des Wirtgestein beziehungsweise des
einschlusswirksamen Gebirgsbereiches herzuleiten. Für die Herleitung dieser Zielvorgaben ist das in
der ENSI Richtlinie G03 festgehaltenes Dosis-Schutzkriterium von 0.1 mSv/Jahr einzuhalten.
Die Rahmengesteine, das heisst die Gesteinsabfolgen, die das Wirtgestein umgeben, können entweder einschlusswirksam wie das Wirtgestein sein (man spricht dann gesamthaft vom einschlusswirksamen Gebirgsbereich) oder aber nur eine geringe oder keine Barriereneigenschaften aufweisen (wie
z.B. Aquifere, wo nur Verdünnung zum Tragen kommt). Falls das Wirtgestein direkt von Aquiferen
begrenzt wird, so reduziert sich die Barrierenwirkung im Wesentlichen auf das Wirtgestein. Ein Nutzungskonflikt durch Wasserführung besteht dabei nur bedingt, da diese Aquifere a) sehr tief sind, b)
das Trinkwasser aus oberflächennahen Aquiferen bezogen wird und c) das Malmwasser als Trinkwasser zu salzhaltig ist. Die bestehende verkarstete Oberfläche der Malmkalke ist heute von einer schützenden Molasseschicht überdeckt.
Die Beurteilung der Qualität von Wirtgesteinen beziehungsweise einschlusswirksamen Gebirgsbereichen geologischer Standortgebieten erfolgt gemäss den Vorgaben des Sachplans anhand der festgelegten 13 sicherheitstechnischen Kriterien. Diese Kriterien, beziehungsweise die zu beurteilenden
Aspekte, sind in der Regel in ihrer sicherheitsbezogenen Wirkung miteinander verknüpft. Die Sicherheit beruht auf dem Zusammenwirken aller Eigenschaften, die jeweils durch ein Kriterium angesprochen werden. Die Qualität eines Wirtgesteins beziehungsweise des einschlusswirksamen Gebirgsbereiches eines Standortgebietes lässt sich deshalb erst aufgrund der Gesamtbewertung aller 13 Kriterien ableiten. Das ENSI hat in seinem Gutachten auf die unterschiedlichen hydrogeologischen Situationen hingewiesen (Kapitel 6.2.5 und 6.3.4). Die spezielle Situation der Effinger Schichten in der
Schichtabfolge des Jura-Südfuss, die praktisch keine Rahmengesteine aufweisen, ist aus der Bewertung des ENSI (Tabellen 6.4-1 und 6.4-2) nur teilweise ersichtlich, da die Bewertung dieses Standortgebiets ja sowohl den Opalinuston als auch die Effinger Schichten umfassen. Hingegen wird der JuraSüdfuss bezüglich räumlicher Platzverhältnisse und Freisetzungspfade weniger günstig als die Standortgebiete im Tafeljura und in der Vorfaltenzone bewertet.
Was die in der Frage aufgeführten Aspekte und Eigenschaften betrifft, so lässt sich festhalten, dass
diese für die Langzeitsicherheit bezüglich Rückhaltung von Radionukliden zentral sind: Mächtigkeit
des einschlusswirksamen Gebirgsbereiches, dessen hoher Tongehalt, eine geringe Tektonisierung
(das heisst Fehlen von Strukturen mit erhöhter Wasserwegsamkeit) und Homogenität sind wichtig für
D-18
die Barrierenwirkung der Geosphäre. Die Homogenität erleichtert die Charakterisier- und Explorierbarkeit der Gesteine.
Antwort der Kommission der Nuklearen Sicherheit (KNS):
Der Beitrag der Geologie zur Sicherheit muss primär vom Wirtgestein erbracht werden. Schlecht
durchlässige Rahmengesteine können zu zusätzlichen Sicherheitsreserven führen. Aus dieser Sicht
sind solche Rahmengesteine durchaus willkommen. Die Beurteilung der effektiven Dichtigkeit solcher
Gesteinskörper ist aber meistens schwierig (Explorierbarkeit) und muss daher sehr vorsichtig erfolgen.
Bei einem direkten Kontakt zwischen Wirtgestein und wasserführenden Rahmengesteinen werden
Diffusions- und Transportprozesse beschleunigt. Standorte, die eine solche Konfiguration aufweisen,
sind sicher weniger geeignet als solche, die mehr Schutz vor Austauschprozessen bieten, im Übrigen
aber vergleichbar sind. Konkret heisst dies für Rahmengesteine: möglichst undurchlässig, möglichst
mächtig, möglichst wenig tektonisch beansprucht, möglichst homogen mit langsamen faziellen
Wechseln, möglichst hohe Gehalte an sorbierenden Tonen und damit möglichst gut prognostizierbar.
Generell ergibt sich die Bedeutung einzelner Barrieren aus einer Sicherheitsanalyse, die alle Barrieren
einbezieht.
D-19
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
19
Einfluss der Grundwassersituation auf den Bau und Betrieb
Welchen Einfluss haben die unterschiedlichen Grundwassersituationen der vorgeschlagenen Gebiete auf den Bau und den
Betrieb eines Tiefenlagers und wie wird die langfristige Risikosituation dadurch beeinflusst?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Ausschuss der
Kantone
ENSI
Beantwortet am: 26.05.2010
Antwort des ENSI:
Dieser Einfluss kann sehr unterschiedlich sein und hängt von der genauen Lage eines Tiefenlagers,
der Oberflächenanlagen und Zugangsbauwerke innerhalb der geologischen Standortgebiete und von
der Lagerauslegung ab. Wenn wasserführende Schichten (z.B. Lockergesteine des Quartärs, schlecht
zementierte Sandsteinschichten der Molasse oder geklüftete und lokal verkarstete Kalksteine des
Malms) durchquert werden müssen, muss die Erstellung der unterirdischen Bauwerke grundsätzlich
so erfolgen, dass die dauerhafte hydraulische Trennung der verschiedenen wasserführenden Schichten untereinander und der Schutz der Grundwässer gewährleistet ist. Die Oberflächenanlagen und
Zugangsbauwerke zum Tiefenlager sind gemäss der ENSI Richtlinie G03 so auszulegen, dass ein Wassereinbruch von der Oberfläche her in das Tiefenlager verhindert wird und die Wasserhaltung im
unterirdischen Bauwerk sichergestellt ist.
Was die Risikosituation während der Betriebsphase des Tiefenlagers betrifft, so hat der Betreiber des
Lagers gemäss der ENSI Richtlinie G03 im Sicherheitsnachweis eine systematische und umfassende
Sicherheitsanalyse sowohl des Normalbetriebes der Anlage wie auch der Auswirkungen von Störfällen vorzulegen. Für die Betriebsphase ist eine probabilistische Sicherheitsanalyse durchzuführen. Die
dazu notwendige Gefährdungsanalyse durch externe Ereignisse ist gemäss Verordnung des UVEK
über Gefährdungsannahmen und die Bewertung des Schutzes gegen Störfälle in Kernanlagen durchzuführen. Dem Einfluss unterschiedlicher Grundwassersituationen auf den Bau und den Betrieb eines
Tiefenlagers in den vorgeschlagenen Gebieten wird in Etappe 1 des Sachplans durch das Kriterium 4.2 „Untertägige Erschliessung und Wasserhaltung“ Rechnung getragen. Eine detaillierte Analyse
erfolgt stufengerecht erst in Etappe 2, wenn konkrete Standorte innerhalb der geologischen Standortgebiete festgelegt und für das geologische Tiefenlager provisorische Sicherheitsanalysen durchgeführt werden. Darin sind die hydrogeologischen Verhältnisse standortspezifisch zu beschreiben, die
realistischerweise zu erwartende Langzeitentwicklung des Barrierensystems darzulegen und die mögliche Freisetzung von Radionukliden (vom Lager bis in die Biosphäre) quantitativ zu bestimmen.
Antwort der Kommission der Nuklearen Sicherheit (KNS):
Ein im Betrieb stehendes offenes Tiefenlager wird grundsätzlich durch Grundwasser gefährdet (sowohl durch darüber liegende Grundwässer als auch durch gespannte Grundwässer unter dem Tiefenlager). Es ist von grosser Wichtigkeit, während des Baus und des Betriebs des Tiefenlagers alle Massnahmen zur Fassung und Ableitung der Grundwässer beim Normalbetrieb und insbesondere bei Störfällen sicherzustellen. Ein Tiefenlager sollte so erstellt und betrieben werden, dass die Risiken minimiert werden. Hierzu gehören insbesondere wenig invasive Techniken, die rasche Versiegelung von
Lagerstollen und wirksame Schutzmassnahmen bei möglichen Wassereinbrüchen. Dies setzt allerdings einen einwandfreien, das heisst dichten Verschluss der Zugänge zum Lager voraus. Dies wird
durch ein Monitoringprogramm kontrolliert. Aus diesem Grund sollten die Eingriffe möglichst kleinräumig bleiben („Wundheilung“ bei kleinen Verletzungen besser).
D-20
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
20
Frage
Abstand zu Trinkwasseraquiferen im Lockergestein
Welche Sicherheitsabstände sind vorzusehen zwischen dem
Wirtgestein und den für die Trinkwassergewinnung genutzten
Schottergrundwasserträgern?
Welche Einschränkungen für die Anordnung der Lagerzugänge
ergeben sich daraus?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Ausschuss der
Kantone
ENSI
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort des ENSI:
Der Schutz des Trinkwassers ist Teil des Schutzes von Mensch, Tier und Umwelt. Geologische Tiefenlager sind grundsätzlich so auszulegen, dass dieser Schutz dauernd gewährleistet ist. In der ENSI
Richtlinie G03 werden die spezifischen Grundsätze für Auslegung, Betrieb und Verschluss eines geologischen Tiefenlagers und die Anforderungen an den Sicherheitsnachweis festgelegt.
Die Entsorgungspflichtigen haben mit einer standortspezifischen Sicherheitsanalyse aufzuzeigen,
welche Abstände eines Tiefenlagers (inklusive seiner Oberflächenanlagen und seiner Zugangsbauwerke) zu einem Trinkwasser führenden Gesteinskörper zu beachten sind, um die in der Richtlinie
festgehaltenen Schutzkriterien einzuhalten. Für die über einem Tiefenlager oder in deren Umgebung
lebende Bevölkerung, dürfen dabei durch die Konsumation von Trinkwasser aus Schottergrundwässer keine radiologischen Konsequenzen entstehen, die mehr als einem kleinen Bruchteil der natürlich
vorhandenen radiologischen Belastung entsprechen (Schutzkriterium 0.1 mSv/Jahr gemäss ENSI
Richtlinie G03).
In den Etappen 2 und 3 des Sachplan geologische Tiefenlager werden die Standorte der Oberflächenflächenanlagen und der Zugangsbauwerke zum Tiefenlager konkretisiert. Das ENSI prüft jeweils die
radiologische Sicherheit eines Tiefenlagers und weist gemäss des sichehrheitstechnischen Kriteriums 2.4 des Sachplans auch auf Nutzungskonflikte hin.
In Etappe 2 nimmt das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) in Zusammenarbeit mit den Standortkantonen eine raumplanerische Beurteilung der Standorte vor. Als Ausgangspunkt der Beurteilung
dient die Erfassung von räumlichen Aspekten durch die Darstellung der Sachbereiche in einem
Raumnutzungskataster. Dabei soll eine möglichst umfassende Beurteilung erreicht werden, die es
erlaubt, denkbare Konflikte bezüglich Raumbedarf, Nutzung, Siedlungsentwicklung und Ressourcenverbrauch, sowie die Koordination mit bestehenden Sachplänen, kantonalen Richtplänen und Nutzungsplänen aufzuzeigen.
Im Hinblick auf die UVP 1. Stufe, die in Etappe 3 durchgeführt wird, klären die Entsorgungspflichtigen
gemäss Artikel 8 UVPV in Voruntersuchungen ab, welche Auswirkungen eines geologischen Tiefenlagers an den vorgeschlagenen Standorten die Umwelt voraussichtlich belasten können und erarbeiten
ein Pflichtenheft. Die erforderlichen Unterlagen für ein Rahmenbewilligungsgesuch sind in Artikel 23
KEV und Artikel 62 KEV aufgelistet. Sie umfassen insbesondere einen Sicherheits- und Sicherungsbericht, einen Umweltverträglichkeitsbericht, einen Bericht über die Abstimmung mit der Raumplanung
sowie einen Bericht zur Begründung der Standortwahl. Die Frage wird in den kommenden Etappen
des Sachplans deshalb weiterhin bearbeitet werden.
D-21
Antwort der Kommission der Nuklearen Sicherheit (KNS):
Die Sicherheitsabstände können nicht generell quantifiziert werden, da sie von lokalen Bedingungen
abhängen. Es sind aber Grundsätze zu beachten wie: Schächte zum Tiefenlager möglichst nicht durch
Trinkwasserreserven bildende regionale Grundwasserströme führen und regionale hydraulische Gegebenheiten beachten. Auch in diesem Bereich ist den Langzeitsicherheitsaspekten erste Priorität
einzuräumen.
D-22
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
21
Frage
Abstand zu zukünftigen Nutzungspotentialen
Welche Sicherheitsabstände sind zwischen einem Tiefenlager
und aktuellen beziehungsweise zukünftigen "UntergrundNutzungen" vorzusehen und welche Einschränkungen für die
Anordnung der Lagerzugänge ergeben sich daraus? Wie gross
sind die Abstände bei:
a) Gesteinsabbau
b) Nutzung von Thermalwasser
c) Erdwärmebohrungen
d) Förderung von Erdgas, Erdöl oder Kohle/Kohlevergasung
e) Einlagerung von CO2
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Ausschuss der
Kantone
ENSI
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort des ENSI:
Artikel 40 des Kernenergiegesetzes schreibt zum Schutz des geologischen Tiefenlagers die Einrichtung eines Schutzbereichs vor. Der Schutzbereich ist der Raum im Untergrund, in dem Eingriffe die
Sicherheit des Lagers beeinträchtigen könnten. Der Bundesrat legt die Kriterien für den Schutzbereich fest.
Der Schutzbereich eines geologischen Tiefenlagers ist auf der Grundlage des zur Bewilligung des Projekts vorgelegten Berichts zur Langzeitsicherheit festzulegen. Er umfasst alle Teile des Tiefenlagers,
inklusive der Zugänge; die Gesteinsbereiche, die den hydraulischen Einschluss des Tiefenlagers bewirken; die Gesteinsbereiche, die einen wesentlichen Beitrag zur Rückhaltung der Radionuklide liefern, die im Laufe der Zeit aus dem Lager freigesetzt werden könnten.
Wer Tiefbohrungen, Stollenbauten, Sprengungen und andere Vorhaben (z.B. Gesteinsabbau oder
Förderung von Kohlenwasserstoffen), die durch einen Schutzbereich berührt werden, durchführen
will, braucht eine Bewilligung des Departments (KEV, Art 70.4). Voraussetzung für die Erteilung einer
solchen Bewilligung ist, dass die langfristige Sicherheit des geologischen Tiefenlagers nicht beeinträchtigt wird.
Was die Nutzung von Thermalquellen betrifft, haben die Entsorgungspflichtigen mit einer standortspezifischen Sicherheitsanalyse aufzuzeigen, welche Abstände eines Tiefenlagers und seiner Zugangsbauwerke zum Einzugsgebiet von Thermalquellen notwendig sind, um deren Nutzung nicht zu
beeinträchtigen.
Hinsichtlich des Schutzes des Grundwassers müssen die Entsorgungspflichtigen aufzeigen, dass die
behördlichen Vorschriften während des Baus, Betriebs und Verschluss des Tiefenlagers eingehalten
werden. Zudem weist das ENSI darauf hin, dass die ENSI Richtlinie G03 fordert, die radiologischen
Auswirkungen durch das geologische Tiefenlager und seine Oberflächenanlagen so weit zu reduzieren, wie dies nach dem Stand von Wissenschaft und Technik möglich und zumutbar ist.
Die in der Richtlinie geforderte Umweltüberwachung eines geologischen Tiefenlagers ist Teil des
Grundwasserschutzes. Sie muss so früh vor Inangriffnahme der Untertagebauten aufgenommen
werden, damit für die Beweissicherung genügend aussagekräftige Daten zur Verfügung stehen und
muss bis zur Entlassung des geologischen Tiefenlagers aus der Kernenergiegesetzgebung fortgeführt
werden. Sie umfasst die Überwachung der Radioaktivität von Quell- und Grundwasser, Böden, GeD-23
wässern und Atmosphäre im Einflussgebiet eines geologischen Tiefenlagers. Gleichzeitig sind die
Schüttung und die chemische Zusammensetzung der Quellwässer zu Beweissicherungszwecken zu
untersuchen.
In den Etappen 2 und 3 des Sachplan geologische Tiefenlager werden die Standorte der Oberflächenflächenanlagen und der Zugangsbauwerke zum Tiefenlager konkretisiert. Das ENSI prüft jeweils die
radiologische Sicherheit eines Tiefenlagers und weist gemäss des sicherheitstechnischen Kriteriums 2.4 des Sachplans auf Nutzungskonflikte hin.
In Etappe 2 nimmt das Bundesamt für Raumentwicklung ARE in Zusammenarbeit mit den Standortkantonen eine raumplanerische Beurteilung der Standorte vor. Als Ausgangspunkt der Beurteilung
dient die Erfassung von räumlichen Aspekten durch die Darstellung der Sachbereiche in einem
Raumnutzungskataster. Dabei soll eine möglichst umfassende Beurteilung erreicht werden, die es
erlaubt, denkbare Konflikte bezüglich Raumbedarf, Nutzung, Siedlungsentwicklung und Ressourcenverbrauch sowie die Koordination mit bestehenden Sachplänen, kantonalen Richtplänen und Nutzungsplänen aufzuzeigen.
Im Hinblick auf die UVP 1. Stufe, die in Etappe 3 durchgeführt wird, klären die Entsorgungspflichtigen
gemäss Artikel 8 UVPV in Voruntersuchungen ab, welche Auswirkungen eines geologischen Tiefenlagers an den vorgeschlagenen Standorten die Umwelt voraussichtlich belasten können und erarbeiten
ein Pflichtenheft.
Die erforderlichen Unterlagen für ein Rahmenbewilligungsgesuch sind in Artikel 23 KEV und Artikel 62 KEV aufgelistet. Sie umfassen insbesondere einen Sicherheits- und Sicherungsbericht, einen
Umweltverträglichkeitsbericht, einen Bericht über die Abstimmung mit der Raumplanung sowie einen Bericht zur Begründung der Standortwahl.
Die Frage wird in den kommenden Etappen des Sachplans deshalb weiterhin bearbeitet werden.
Antwort der Kommission der Nuklearen Sicherheit:
Die Klärung der Nutzungskonflikte ist vor allem bei den Standortgebieten für das HAA-Lager von
grosser Wichtigkeit. Im Vordergrund stehen dabei tief liegende Ressourcen und die Nutzung der Geothermie. Die Frage der Abstände kann nicht generell beantwortet werden. Eine gesetzliche Regelung für die Untergrundnutzung und für die Sicherung von Nutzungszonen ist Voraussetzung, um
solche Konflikte in der Zukunft vermeiden beziehungsweise zweckmässig regeln zu können. Auch bei
der Markierung der Tiefenlager muss diesen Aspekten angemessene Aufmerksamkeit geschenkt
werden; sie sollte deshalb frühzeitig durchdacht werden. Die Markierung bezweckt ein Lager so zu
kennzeichnen, dass künftige Generationen vor den Gefahren gewarnt werden. International steht die
Forschung zur Markierung noch am Anfang. Das Bundesamt für Energie hat im Rahmen seines Forschungsprogramms im Sommer 2010 eine Studie publizieren.
D-24
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
22
Frage
Risiken von tiefliegenden Erdgasvorkommen
Stellen tiefliegende Erdgasvorkommen im Bereich eines Tiefenlagers ein Gefahrenpotenzial dar - auch bereits während
der Betriebszeit?
Wenn ja, wie lassen sich die Risiken beschreiben und welche
Massnahmen sind möglich beziehungsweise nötig, um den
Risiken zu begegnen?
Eingangsdatum: 18.06.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Ausschuss der
Kantone
Nagra
ENSI
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort der Nagra:
Erdgasvorkommen sind bei der Evaluation der geologischen Standortgebiete von Bedeutung. Sie
werden gemäss dem Sachplan geologische Tiefenlager anhand von 2 Kriterien („Nutzungskonflikte"
beziehungsweise „untertägige Erschliessung und Wasserhaltung") berücksichtigt. Für die zu diesen
Kriterien gehörenden Indikatoren („Rohstoffkonflikte innerhalb des Wirtgesteins", „Rohstoffkonflikte
unterhalb des Wirtgesteins" und „Natürliche Gasführung im Wirtgestein") wurden Mindestanforde16
rungen festgelegt, die geologische Standortgebiete erfüllen müssen. Die Anwendung der Mindestanforderungen hat nicht zum Ausschluss von geologischen Standortgebieten geführt. Gemäss Sachplan wurden die geologischen Standortgebiete danach auch noch spezifisch bezüglich dieser Indikatoren bewertet.
Die Bewertung bezüglich des Gasvorkommens im Untergrund (Nutzungskonflikt) zeigt, dass in verschiedenen der vorgeschlagenen geologischen Standortgebiete oder Teilen davon unterhalb des
Wirtgesteins grundsätzlich nutzbare Kohlenwasserstoff-Ressourcen vorkommen können. Deren Nutzung würde aber durch ein allfälliges Tiefenlager nicht ausgeschlossen; die Nutzung des Untergrundes verlangt dort aber eine sorgfältige Koordination sowie gegebenenfalls einen Vorrangentscheid.
Eine Nutzung dieser Ressourcen in der fernen Zukunft könnte zu einem unbeabsichtigten Anbohren
des Lagers führen, falls die Information über die geologischen Tiefenlager verloren gegangen wäre.
Durch eine geeignete Auslegung des Lagers (eine sogenannte Kompartimentalisierung) können jedoch die Konsequenzen eines solchen Anbohrens beschränkt werden, wie dies z.B. die Analysen im
Rahmen des Entsorgungsnachweises zeigen (vgl. NTB 02-05). Die Bewertung der natürlichen Gasführung im Wirtgestein zeigt, dass bei praktisch allen vorgeschlagenen geologischen Standortgebieten
die natürliche Gasführung im Wirtgestein keine Bedeutung hat (ausgenommen Wellenberg). Im geologischen Standortgebiet Wellenberg ist eine natürliche Gasführung bekannt (ebenso in den Seelisberg- und Lötschberg - Tunnels). Daher müssten im Falle einer Weiterverfolgung des Projekts eine
kontinuierliche Gasüberwachung vorgesehen und die Bau- und Betriebseinrichtungen (z.B. Lüftung)
so ausgelegt werden, dass allfällige Gaseintritte sicher beherrscht werden können.
16
Die Mindestanforderungen bezüglich Rohstoffkonflikte sind: In absehbarer Zeit keine schwerwiegenden Konflikte
im Zusammenhang mit der Nutzung von Rohstoffen innerhalb respektive unterhalb des Wirtgesteins. Kein Potential zur Verhinderung der Nutzung von Rohstoffen grosser Bedeutung (Interessensabwägung). - Bezüglich natürliche Gasführung im Wirtgestein sind die Mindestanforderungen folgendermassen definiert: Keine nachgewiesenen Erdgaslagerstätten im Wirtgestein (entsprechend Gefahrenstufe 4 nach SUVA 2002: Gas möglich oder sicher,
mit Gas-Überflutungsgefahr, Ausgasen während langer Zeit). Vgl. Tabelle 2.5-2 in NTB 08-03; Anhänge A1.33,
A1.34 und A1.49 in NTB 08-05.
D-25
Antwort des ENSI:
Allfällige Nutzungskonflikte oder Auswirkungen auf die untertägige Erschliessung und dem Bau des
Tiefenlagers sind gemäss den entsprechenden, im Sachplan geologische Tiefenlager formulierten
Kriterien zu beurteilen. Beurteilt werden die nutzungswürdigen Rohstoffe und die sich daraus allfällig
ergebenden Nutzungskonflikte sowie Komplikationen, die im Rahmen der Lagererstellung auftreten
können. Insbesondere wird beurteilt, ob innerhalb oder unterhalb des Wirtgesteins beziehungsweise
des einschlusswirksamen Gebirgsbereiches aus heutiger Sicht wirtschaftlich nutzungswürdige Rohstoffe (z.B. Salz, Kohlenwasserstoffe, Geothermie, Mineralquellen und Thermen) im besonderen
Mass vorkommen oder ob bereits vorhandene Gasvorkommen im Zuge der Lagererschliessung mobilisiert werden könnten. Zusätzlich wird beurteilt, ob eine Erschliessung und Nutzung der Rohstoffe
die Barrierenwirkung des Wirtgesteins beeinträchtigen (Schichtverletzung) oder das Lager direkt
treffen könnte.
Günstig ist, wenn keine Rohstoffe, deren Nutzung die Barrierenwirkung des Wirtgesteins oder die
Sicherheit bei der Lagererschliessung signifikant beeinträchtigen würde, in besonderem Masse innerhalb des Standortgebietes vorkommen. Beim Einengungsverfahren für die Bestimmung der
Standortregionen muss deshalb auch tief liegenden Erdgasvorkommen ausgewichen werden.
Für den Betrieb eines geologischen Tiefenlagers schreibt die ENSI Richtlinie G03 vor, dass für die Betriebsphase Vorkehrungen zur Begrenzung der Strahlenexposition zu treffen und erforderliche administrative und technische Massnahmen festzulegen und vorzubereiten sind, um Störfälle zu vermeiden, beziehungsweise eingetretene Störfälle zu beherrschen. Insbesondere ist mittels geeigneter
Massnahmen zu verhindern, dass sich in den Untertagebauten durch Gasproduktion der Abfallgebinde oder Gaszutritt aus dem Wirtgestein oder anderen Gesteinsformationen zündfähige Gasgemische
bilden können.
Tief liegende Erdgasvorkommen aus den die Wirtgesteine unterlagernden Schichten (und dem Kristallin) sind in der Schweiz nur aus den Permokarbontrögen bekannt. Aufgrund der geringen hydraulischen Durchlässigkeit der Triasevaporite und der darüber folgenden Wirtgesteine ist kaum damit zu
rechnen, dass tief liegende Erdgasvorkommen in den Lagerbereich vordringen. Solche Vorkommen
hätten in geologischen Zeiträumen zumindest teilweise bereits über die bestehenden Störungszonen
entgasen müssen.
Während des Baus und Betriebs eines geologischen Tiefenlagers ist das Gefahrenpotenzial von Gaszutritten gemäss den gängigen Vorschriften für Untertagebauten (SIA, SUVA) kontinuierlich zu überwachen, beziehungsweise mit den erforderlichen technischen Massnahmen (z.B. Lüftung) zu beherrschen.
Antwort der KNS:
Gas stellt immer ein Risiko für ein Tiefenbauwerk dar. Es lässt sich aber durch Bewetterungsmassnahmen sehr gut in den Griff kriegen. Der Vortrieb muss nach heutigem Stand von Wissenschaft und
Technik erfolgen. Wechseln sich Bau und Betrieb des Tiefenlagers ab, ist der Gasfrage hohe Aufmerksamkeit zu schenken durch entsprechende Bewetterung, Monitoring und Störfallplanung. Erfahrungen hierzu, was gemacht werden darf und was nicht, liegen aus Bergwerken vor. Gasprobleme sind
beherrschbar.
D-26
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
25
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
Wirksamkeit der Bentonit-Verfüllung
Am 13. Juli 2009 fand an der ETHZ (IGT) im Rahmen der "Euratom Research And Training Programme On Nuclear Energy:
Thermal Impact On The Damaged Zone Around A Radioactive
Waste Disposal In Clay Host Rock" ein Kolloquium zum Thema
"A thermo-hydro-mechanical stress-strain framework for
modelling the performance of clay barriers in deep geological
repositories for radioactive waste" statt. Referent war Prof. L.
Laloui von der EPFL.
Darin wurde aufgezeigt, wie in einem HAA/BE-Lager gemäss
Modell die Verformung und Austrocknung des Wirtgesteins
und der Bentonit-Barriere vor sich geht, wie anschliessend die
Aufsättigung mit Wasser einsetzt und wie sich dies auf die
Festigkeit der Bentonit-Barriere auswirkt.
In der anschliessenden Diskussion wurde die Frage gestellt, ob
damit zu rechnen sei, dass die Wärme abgebenden Lagerbehälter nach wenigen Tausend Jahren Lagerzeit nicht mehr im
Zentrum der Bentonit-Barriere sind, sondern am KavernenBoden des Stollens liegen werden. Herr Prof. Laloui hat dies
bejaht; die Behälter würden sich durch den Bentonit-Gürtel
hindurch bewegt haben und dann auf dem Wirtgestein liegen.
Die HAA/BE-Behälter ihrerseits sollen gemäss Nagra rund
10'000 Jahre dicht bleiben. Danach würde gemäss den Berechnungen von Prof. L. Laloui der HAA/BE-Behälter zum
Zeitpunkt seines Undichtwerdens nicht mehr in der BentonitBarriere liegen, sondern zwischen dem Wirtgestein (beziehungsweise in der Auflockerungszone des Wirtgesteins) und
dem deformierten Bentonit.
Fragen: Sind diese Modellierungs-Ergebnisse in die Sicherheitsberechnungen eingeflossen?
Hat die KNS Kenntnis von diesen modellierten Vorgängen?
Wie ist die mittelfristige Wirksamkeit der Bentonit-Barriere zu
beurteilen?
Ist die Aussage in NTB 08-01, Seiten 27 und 28 (jeweils Mitte)
noch zutreffend, dass die Bentonit-Verfüllung als SicherheitsBarriere günstige Bedingungen für die Langzeitstabilität der
Endlagerbehälter schafft?
Genügt die geplante Bentonit-Verfüllung als SicherheitsBarriere dem Leitsatz "Sicherheitsbarrieren" der ENSI Richtlinie G03, Kapitel 4.2ff oder wird dieser Leitsatz verletzt?
Falls er verletzt wird: ist damit die Vorgabe von
Art.11 Abs.2 Bst.b KEV noch eingehalten?
Kantone
Thurgau und
Aargau
ENSI
KNS
Eingangsdatum: 07.09.2009
Beantwortet am: 26.05.2010
Antwort des ENSI:
Sind diese Modellierungs-Ergebnisse in die Sicherheitsberechnungen eingeflossen?
Die Frage des Absenkens eines HAA-Endlagerbehälters in trockenem und gesättigtem Bentonit wurde
seitens des ENSI bereits in seinem Gutachten zum Entsorgungsnachweis (HSK 35/99, Seite 154 - 156)
betrachtet. Dort kommt das ENSI zum Schluss, dass sich ein Absinken des Endlagerbehälters, umgeben von einer ca. einen Meter dicken Hülle von Bentonitgranulat (= getrockneter, dann zu einem
D-27
Granulat hochdruckverpresster Bentonit) beziehungsweise auf einem Sockel von hochdruckverpressten Bentonitblöcken (vgl. HSK 35/99, Figur 4.5-1) auch über einen Zeitraum von einer Million Jahren
auf wenige Millimeter beschränkt. Es wird im Gutachten jedoch darauf hingewiesen, dass die heute
vorhandenen Modelle zur Behälterabsenkung in Zukunft weiterzuentwickeln seien, um die tatsächlich ablaufenden Prozesse im Lagerstollen noch besser abzubilden. Das ENSI geht davon aus, dass die
entsprechenden Arbeiten während des Sachplanverfahrens weitergeführt werden.
Die Untersuchung des Aufsättigungsprozesses im Verfüllmaterial und im Wirtgestein soll gemäss der
Nagra (NTB 08-02, Seite 20) zunächst im Rahmen des EU-Projektvorschlags PEBS 17 erfolgen. Die Verifikation des Prozessverständnisses ist im Rahmen des geplanten 1:1 EinlagerungsDemonstrationsversuchs unter realistischen Bedingungen am Mont Terri geplant. Beide Versuche
werden durch entsprechende numerische Modellierungen begleitet.
Für das schwedische Tiefenlagerprogramm in Auftrag gegebene Berechnungen (SKB 2006) zeigen
ebenfalls, dass auch bei einer Lagerung von Behältern in vertikalen Bohrungen die Behälter nur wenige Millimeter bis Zentimeter absinken können.
Figur 25-1: Bewegung des Endlagerbehälters für alle berechneten Fälle als Funktion des Schwelldrucks der Verfüllung. Rote Linie: Nur Kompaktion und Anschwellen. Grüne Linie: Kompaktion durch das Gewicht des Behälters und Kriechen für 100'000 Jahre. Negative Werte bedeuten ein Absinken. Der Schwelldruck im Referenzfall beträgt 7000 kPa, was zu
einem Anheben des Behälters um einige mm führt (Aus SKB 06-04, Seite 38).
Die Nagra hält in ihrem Bericht zum Umgang mit den Empfehlungen in den Gutachten und Stellungnahmen zum Entsorgungsnachweis (NTB 08-02, Seite 29) fest, dass diese Resultate von der Nagra
überprüft, auf das Lagerkonzept der Nagra (horizontale Lagerung der Behälter) übertragen und im
Hinblick auf das Rahmenbewilligungsgesuch neu beurteilt werden. Eine Verifikation der Modellierungsergebnisse kann voraussichtlich zumindest teilweise für isotherme Bedingungen mit den Daten
17
PEBS : Long-term performance of Engineered Barrier Systems (vorgeschlagenes EU-Projekt und Versuch im Felslabor
Mont Terri).
D-28
des Versuchs EB im Felslabor Mont Terri (ENRESA 2005) erfolgen. Für nicht-isotherme Bedingungen
wird eine Verifikation mit Hilfe der Daten aus dem geplanten EU-Projekt PEBS und dem
1:1 Einlagerungs-Demonstrationsversuch angestrebt.
Wie ist die mittelfristige Wirksamkeit der Bentonit-Barriere zu beurteilen?
Das ENSI hat für ein HAA-Lager im Wirtgestein Opalinuston mit eigenen Berechnungen die Auswirkungen einer dünneren Bentonitbarriere berechnet (HSK 35/100). Dabei wurde die Dicke der Bentonitumhüllung von 62.5 cm auf 10 cm reduziert. Da die Dosen von gutlöslichen, schlecht sorbierenden und langlebigen Nukliden bestimmt wird, erhöht sich die maximale Dosis gegenüber dem Fall mit
einer intakten Umhüllung nicht (siehe Figur 25-2).
Figur 25-2: Berechnung des Dosisbeitrags des dosisdominierenden Nuklids 129I in der Biosphäre bei
Annahme einer intakten Verfüllung (rote Linie) und bei einer stark reduzierten Bentonitumhüllung. (Aus: HSK 35/100)
Nur anfänglich, für Zeiten < 400'000 Jahre, zeigen sich geringfügig unterschiedliche Dosen. Der Grund
für dieses Verhalten ist, dass das Wirtgestein Opalinuston aufgrund seiner Rückhalteeigenschaften
(Sorption, homogen poröses Gestein ohne hydraulisch aktive Klüfte) den massgebenden Beitrag zur
Radionuklidrückhaltung liefert.
Ist die Aussage in NTB 08-01, Seiten 27 und 28 (jeweils Mitte) noch zutreffend, dass die BentonitVerfüllung als Sicherheits-Barriere günstige Bedingungen für die Langzeitstabilität der Endlagerbehälter schafft?
Die Resultate von Prof. Lalouis Arbeiten und weiteren Untersuchungen, wie SKB 2006 und SKB 1999
zeigen, dass mit keinem Absinken des Endlagerbehälters bis zum Wirtgestein zu rechnen ist.
D-29
Das ENSI betrachtet die Verwendung von Bentonit als Verfüllmaterial für ein HAA-Lager als vorteilhaft. Die Bentonitverfüllung übernimmt eine mechanische Schutzfunktion für den Endlagerbehälter
gegen innen sowie das Wirtgestein gegen aussen und schafft eine günstige geo-chemische Umgebung. (ENSI 33/70, Gutachten, Seite 27).
Genügt die geplante Bentonit-Verfüllung als Sicherheits-Barriere dem Leitsatz "Sicherheitsbarrieren" der ENSI Richtlinie G03, Kapitel 4.2f oder wird dieser Leitsatz verletzt? Falls er verletzt wird:
Ist damit die Vorgabe von Art.11 Abs.2 Bst.b der Kernenergie-Verordnung noch eingehalten?
Das ENSI beurteilt das von der Nagra vorgesehene Mehrfachbarrierensystem als geeignet, um den im
KEG und in der ENSI Richtlinie G03 geforderten dauernden Schutz von Mensch und Umwelt zu gewährleisten (ENSI 33/70, Gutachten, Seite 27).
Referenzen
ENSI 33/070: Sicherheitstechnisches Gutachten zum Vorschlag geologischer Standortgebiete, Brugg
2010
HSK 35/99: Gutachten zum Entsorgungsnachweis der Nagra für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive Abfälle sowie langlebige mittelaktive Abfälle (Projekt Opalinuston), Würenlingen, August 2005
HSK 35/100: Projekt Entsorgungsnachweis: Prüfung ausgewählter Ausbreitungsberechnungen der
Nagra, Würenlingen, Januar 2006
ENRESA 2005: Engineered barrier emplacement experiment in Opalinus Clay for the disposal of radioactive waste in underground repositories. Mayor J.-C., García-Siñeriz J.-L., Alonso E., Alheid
H.-J. & Blümling P., Publicación tecnica 02/2005. Empresa Nacional de Residuos Radiactivos
(ENRESA), Madrid, Spain. Auch in: Reports of the Swiss Geological Survey 1, 115-179.
NTB 08-02: Bericht zum Umgang mit den Empfehlungen in den Gutachten und Stellungnahmen zum
Entsorgungsnachweis, Wettingen 2008
SKB 1999: Creep in buffer clay, SKB Technical Report TR-99-32, Stockholm, Sweden
SKB 2006: Canister displacement in KBS-3V: A theoretical study, SKB Technical Report TR 06-04,
Stockholm, Sweden
Statement by Prof. L. Laloui (EPFL Lausanne) concerning question n° 25
Lausanne, March 15th, 2010
The colloquium which is cited in reference did not happen as described in the question. The seminar
given by Prof. Laloui at the ETHZ was an invited seminar at the Geotechnical Institute of ETHZ and not
part of the "Euratom Research And Training Programme On Nuclear Energy: Thermal Impact on the
Damaged Zone Around a Radioactive Waste Disposal in Clay Host Rock" (even if Prof. Laloui is an
active member of this Euratom project). The presentation given was introducing the main concepts
for the thermo-hydro-mechanical performance of nuclear underground facilities with a particular
focus on the effects of saturation and temperature.
The discussed simulation in the question was related to the analysis that was made for the Spanish
concept (FEBEX experiment, ENRESA, 2000). The presented results, hypothesis and discussion of this
D-30
case study constituted the keynote lecture of the Prof. Laloui at the Computational Geomechanics
conference Com-Geo in 2009 and are available in the paper by François & Laloui (2009).
The asked question was whether it could happen after a long time period that the heat emitting canisters would not be located any more in the center of the emplacement tunnel, but would have sunk
to the bottom of the tunnel. Prof. Laloui replied that without running a thermo-hydro-mechanical
analysis for a specific design and including the main physical mechanisms as well as taking into account the weight of the canister, nobody could answer this question, and it is not excluded that a
canister sinking could happen. So contrary to what it is written in the question, the Prof. Laloui never
confirmed that the canister would not be located any more in the centre of the bentonite barrier
when it leaks, and would be located at the interface between the host rock and EDZ. This is simply
due to the fact that the presented results of the FEBEX design were neither taking into account the
gravity effect nor the stress relaxation after the excavation stage. It should also be added that at that
time, at our knowledge nobody had performed a calculation including all couplings and phenomena,
such as thermo-plasticity, swelling, hydro-plasticity, gravity, creep... Given all those premises, it was
stated by Prof. Laloui that canister sinking could not be ruled out in the then-current state of
knowledge.
Simulations have now been performed by Prof. Laloui and his group where thermo-plasticity, swelling, hydro-plasticity and gravity are taken into account. Only visco-plasticity is not taken into account
at this stage. These simulations have been made on a Nagra’s repository design. With the current
knowledge on the behaviour of bentonite (blocks and pellets), it has been found that the canister is
slightly heaved (more than 1 cm) during the resaturation of the bentonite barrier. The swelling pressures developed in the bentonite are of greater magnitude that the other phenomena included in the
simulation (including thermo-plasticity), and ensure the stability of canister position. The internal
stresses due to suction (around 10 MPa) are two orders of magnitude greater than those due to canister weight (around 100 kPa). So based on the considered hypothesis and knowledge, it is possible
now to confirm that in the Nagra’s design there is no real problem with canister sinking.
Referenzen:
ENRESA. (2000). “Febex Project: Full-scale engineered barriers experiment for a deep geological repository for high level radioactive waste in crystalline host rock”. Publicación técnica 1/2000.
François B., Laloui L. “Behaviour of an engineered clay barrier involved in a prospective nuclear waste
isolation system“. Proceedings of the 1st international symposium Com-Geo (Computational
methods in Geomechanics), Juan-Les-Pins, France, 2009.
Antwort der Kommission der Nuklearen Sicherheit:
Fragen über den Einbau von Bentonit im Tiefenlager beschäftigen die Fachwelt seit geraumer Zeit.
Die von Prof. Laloui aufgeworfene Problematik ist dabei nicht die einzige. Es ist deshalb angezeigt, in
Etappe 2 des Sachplans alle technischen Fragen der Lagerauslegung eingehend abzuklären. Dazu
gehören auch die Fragen zum Einbau des Bentonit, zu seiner chemischen Reaktivität und zu seiner
thermo-mechanischen Stabilität. Alle lagerbedingten Einflüsse, welche die Sicherheit eines Tiefenlagers beeinträchtigen können, müssen ausgeschlossen werden können oder beherrschbar sein. Dem
Absinken der Behälter kann auch durch geeignet Wahl der Behälter und Behältermaterialien entgegengewirkt werden. Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass der Bentonit die Aufgabe eines Verfüllmaterials und einer zusätzlichen Barriere hat; die wichtigste Barriere bildet aber das Wirtgestein.
D-31
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
26
Berücksichtigung von richtungsabhängigen Faktoren
In welcher Form werden richtungsabhängige Faktoren, wie
Hauptwindrichtungen oder Grundwasserströmungen bei der
Festlegung der "betroffenen Regionen" berücksichtigt?
Eingangsdatum: 12.08.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Klar!
BFE
Beantwortet am: 26.03.2010
Antwort des Bundesamtes für Energie (BFE):
Das Lager und auch die Oberflächenanlagen müssen so ausgelegt, gebaut und betrieben werden,
dass der allfällige Transport von Radionukliden im Grundwasser, respektive Abgaben der Oberflächenanlagen, nicht zu Dosen führen, die die behördlichen Vorgaben verletzen (die Schutzkriterien
müssen überall eingehalten werden). Im Sachplan geologische Tiefenlager werden nur Standortregionen festgelegt, die diese Voraussetzungen erfüllen. Falls der Frage die mögliche Freisetzung von
Radionukliden zu Grunde liegt, wird deshalb auf die Antworten des ENSI auf die Fragen 19 und 20
(Grundwassersituation, Trinkwassergewinnung) verwiesen.
Die nicht-radiologischen Auswirkungen eines Tiefenlagers auf die Umwelt werden an verschiedenen
Stellen des Sachplanverfahrens und der weiteren Bewilligungsverfahren (erdwissenschaftliche Untersuchungen, Rahmenbewilligung, Baubewilligung) wiederholt und vertieft untersucht und überprüft:

Bei der Festlegung der provisorischen Planungsperimeter in Etappe 1 wurden Grundwasserschutzgebiete I und II erfasst und als zu meidende, respektive als zu prüfende Räume für die
Errichtung von Oberflächenanlagen ausgeschieden.

In Etappe 2 werden sozioökonomisch-ökologische Wirkungsstudien SÖW durchgeführt, welche eine umfassende Bewertung der Auswirkungen eines Lagers auf die Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft zulassen. Eines der Kriterien ist beispielsweise das Vermeiden von Luftbelastung. Diese Effekte werden immer für die drei Phasen Bau-, Betrieb- und
Verschluss des Tiefenlagers ermittelt. Die Standortregionen haben die Möglichkeit, zusätzlich
regionsspezifische Aspekte untersuchen zu lassen.

Ebenfalls in Etappe 2 klären die Entsorgungspflichtigen ab, welche Auswirkungen eines geologischen Tiefenlagers an den vorgeschlagenen Standorten die Umwelt voraussichtlich belasten können und erarbeiten ein Pflichtenheft («Inhaltsverzeichnis») gemäss Artikel 8 der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP
Stufe 1) wird in Etappe 3 durchgeführt und ist Bestandteil des Rahmenbewilligungsgesuchs.
Bei der UVP Stufe 1 für ein SMA-Lager am Wellenberg wurden seinerzeit die Auswirkungen
auf die Lufthygiene, Grundwasser, Meteorwasser, Oberflächenwasser, Boden, Flora, Fauna,
Landschaft, Raumordnung, Siedlungsgebiet, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Lärm, Erschütterungen und Körperschall untersucht und die geplanten Massnahmen beschrieben.

Für die Bewilligung von erdwissenschaftlichen Untersuchungen (z.B. Bohrungen), welche in
Etappe 3 vorgesehen sind, ist ein Bericht über mögliche Auswirkungen auf die Geologie und
Umwelt erforderlich.

Ein Umweltverträglichkeitsbericht (UVP Stufe 2) ist mit dem Baubewilligungsgesuch für eine
Geologisches Tiefenlager einzureichen.
D-32
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
27
Frage
Quartärgeologie/Erosionsproblematik
Neueste quartärgeologische Erkenntnisse von Michele Koppes
und David Montgomery (Universität von British Columbia)
besagen, dass die Erosionsrate von Gletschereis nicht – wie
bisher angenommen – deutlich grösser ist als diejenige von
Wasser, sondern dass beide Erosionsraten in der gleichen
Grössenordnung liegen, nämlich zwischen einem und zehn
Millimetern pro Jahr.
Daraus stellt sich die Frage:
Halten die bisherigen Annahmen und die daraus resultierenden Anforderungen an ein Geologisches Tiefenlager diesen
neuesten Erkenntnissen stand?
Eingangsdatum: 09.10.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Kanton ZH
Nagra
ENSI
Beantwortet am: 26.03.2010
Antwort des ENSI:
Die Erkenntnisse von Koppes & Montgomery (Nature Geoscience, 2009) decken sich im Kern mit seit
langen Jahren gültigen Lehrmeinungen der Fachwelt. In den letzten 10 Jahren hat der der Zweitautor
einige Male die höhere Effektivität der Glazialerosion grundsätzlich in Frage gestellt und sich zunächst auf Modellierungen berufen. Tatsächlich liegt eine Reihe von Missverständnissen vor. Wichtig
ist zunächst, dass nur die Erosionsleistung von Gletschern mit nasser Basis (temperierte Gletscher)
mit der von Flüssen verglichen wird. Die geringe Erosionsleistung kalter Gletscher auf dauergefrorenem Boden, wie beispielsweise in Nordskandinavien ist bekannt.
Die zum Beweis angeführten natürlichen Gebirge mit hohen Hebungs- und Erosionsraten sind alle
durch Massenbewegungen (Hangrutsche) gekennzeichnet und in diesen Fällen macht es in der Tat
keinen Unterschied, ob Gletscher oder Flüsse das lockere Schuttmaterial abtransportieren. Aktive
Tektonik als wichtigster Kontrollmechanismus der Erosion, viel wichtiger als Niederschlagsmengen
oder Relief, ist weithin akzeptiert. Die angegebenen sehr hohen Denudationsraten (flächige Erosion)
von 1 bis 10 mm pro Jahr werden in tektonisch sehr aktiven Gebirgen erreicht, die sehr hohe Hebungs- und Verformungsraten ausweisen und zudem niederschlagsreich sind (z.B. Neuseeland, Taiwan, Syntaxen des Himalaya). Die Hebungsraten übertreffen die der Alpen um den Faktor 5, unter
Abzug der glazialisostatischen Hebungskomponente der Alpen um den Faktor 10.
Die Verformungsraten in den Alpen sind seit 5 Millionen Jahren um den Faktor 10 bis 20 geringer als
in den angesprochenen sehr aktiven Gebirgen. In tektonisch völlig inaktiven Gebirgen mit hohem und
steilem Relief und geringen flächigen Erosionsraten ist die prominente Rolle der Glazialerosion offensichtlich, wobei keine globale Kompilation über solche Beispiele vorliegt. Europa ist voll von Beispielen. Gut untersucht ist Korsika. In den Alpen ist die Effektivität glazialer gegenüber fluvialer Erosion
quantifiziert: Glazialerosion in den Alpen ist auf der Zeitskala von 10'000 Jahren bis 1 Million Jahren
doppelt so effektiv.
Die Bemerkung von Koppes & Montgomery ( 2009) über einen Trend zu abnehmender Erosion über
einen glazialen Zyklus hinweg (ein bis zwei Grössenordnungen auf Zeitskalen bis eine Million Jahre)
ist interessant und neu, dürfte aber Widerspruch hervorrufen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Erkenntnisse von Koppes & Montgomery (2009) keine
direkten Konsequenzen für eine Neubewertung glazialer Tiefenerosion in den Alpen und ihrem Vorland haben. Hingegen sind detaillierte regionale Nachforschungen zum Thema glazialer Tiefenerosion
D-33
weiterhin erforderlich, da dieser Prozess nachweislich hohe Erosionsraten hervorrufen kann. Eine
vorläufige Analyse der Rinnenfüllungen der Nordschweiz sowie Auswertung neuer Literatur über die
Alpen (ENSI 33/48) hat gezeigt, dass Eintiefungsraten 3 bis 5 mm pro Jahr in den Hauptphasen der
Tiefenerosion, bezogen auf ca. 30'000 Jahre pro Eiszeitzyklus von 100'000 Jahren (also langfristig 12 mm pro Jahr, Häuselmann et al. 2007) erreicht werden können. Die Alpen heben sich langfristig als
Folge glazialer Erosion und in geologischer Zukunft kann mit ähnlichen, langfristig (1 - 5 Millionen
Jahre) auf 0.5 bis 1 mm pro Jahr zurückgehenden Einschneidungsraten in den schmalen Tälern gerechnet werden.
Dagegen hebt sich das Alpenvorland um den Faktor 3 bis 5 langsamer und der Prozess der Tiefenerosion scheint sich, mit Ausnahme der alpennäheren Thurtal-Rinne, im Verlauf der Kaltzeiten zu verringern. Als Folge wurde in den letzten 5 Kaltzeitzyklen (seit ca. 350'000 Jahren) selbst die Verfüllung
aus Lockersedimenten nur teilweise ausgeräumt. Entsprechend wird für den Fall eines natürlichen
Klimazyklus mit wiederkehrenden Eiszeiten seitens ENSI nicht mit weiterer Vertiefung der Rinnen im
Felsuntergrund gerechnet (Ausnahme: Thurtal-Rinne). Im Fall eines durch den Ausstoss von Treibhausgasen verlängerten und wärmeren aktuellen Interglazials wird jedoch bei der Umstellung auf
den natürlichen Klimazyklus mit einer starken Vereisung und neuerlicher glazialer Tiefenerosion gerechnet.
Die Sonderstellung der Thurtal-Rinne erklärt sich aus dem Umstand, dass der östliche und zentrale
Teil vermutlich nur Ablagerungen der letzten Eiszeit enthält. Ältere Ablagerungen der nördlich in
Richtung Schaffhausen abzweigenden Rinne sind deutlich oberhalb des heutigen Talniveaus der Thur
gekappt. Daher ist nach Ablagerung dieser Schichten in der vorletzten Eiszeit noch erhebliche Tiefenerosion in der Thurtal-Rinne erfolgt.
Referenzen
ENSI 33/48: Draft: Sachplan geologische Tiefenlager, Etappe 1: Glaziale Tiefenerosion und relative
Datierung von Talfüllungen im nordwestlichen Thurgau und bei Schaffhausen, Eidgenössisches
Nuklearsicherheitsinspektorat, Aktennotiz, Würenlingen, 2009.
Häuselmann P., Granger D.E., Jeannin P.-Y., Lauritzen S.E. (2007): Abrupt glacial valley incision at 0.8
Ma dated from cave deposits in Switzerland. Geology 35, 143–146.
Koppes M.N., Montgomery D.R. (2009): The relative efficacy of fluvial and glacial erosion over modern to orogenic timescales. Nature Geoscience 2, 644-647.
D-34
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
28
Frage
Lagersicherheit
Ein Geologisches Tiefenlager muss so tief angelegt sein, dass
es über einen gewissen Zeitraum erosionsgeschützt ist.
Wie wird hinsichtlich der Lagerdichtheit (und damit der Lagersicherheit) mit der Tatsache umgegangen, dass längs dem,
beziehungsweise rund um den gesamten Zugangsschacht,
beziehungsweise der Zugangsrampe eine Auflockerungszone
entsteht?
(Ein "pfropfenartiger" Verschluss am Eingang reicht nicht aus,
da mit einer erosionsbedingten Verkürzung dieser Zugangswege unbekannten Ausmasses zu rechnen ist.)
Eingangsdatum: 09.10.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Kanton ZH
Nagra
ENSI
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort der Nagra:
Es ist richtig, dass längs der ganzen Zugangsrampe beziehungsweise dem ganzen Zugangsschacht
eine Auflockerungszone entsteht, welche die Rampe beziehungsweise den Schacht in ihrem ganzen
Umfang betreffen. Diese Auflockerungszone ist bei der Versiegelung zu beachten. Für die Langzeitsicherheit ist für die Radionuklidrückhaltung nur das Wirtgestein beziehungsweise der einschlusswirksame Gebirgsbereich (Wirtgestein und Rahmengesteine in Wirtgesteinsqualität) massgebend; das
heisst, dass bei Annahme eines „instantanen“ Transfers der Radionuklide vom Rand des Wirtgesteins
beziehungsweise des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs in die Biosphäre keine unzulässigen Dosen entstehen dürfen. Dies bedeutet, dass für die Versiegelung im Hinblick auf die Radionuklidrückhaltung die Auflockerungszonen von Rampe und Schacht nur im Wirtgestein beziehungsweise im
einschlusswirksamen Gebirgsbereich zu beachten sind, die Auflockerungszone in den Gesteinen ausserhalb des Wirtgesteins beziehungsweise dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich hat für die Radionuklidrückhaltung keine Bedeutung, und an die Verfüllung/Versiegelung von Rampe/Schacht ausserhalb des Wirtgesteins beziehungsweise des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs werden bezüglich Langzeitsicherheit (Radionuklidrückhaltung) keine speziellen Anforderungen gestellt. Für die Versiegelung von Rampe und Schacht im Wirtgestein, beziehungsweise im einschlusswirksamen Gebirgsbereich sind spezielle Bauwerke vorgesehen, und je nach Wirtgestein kann eine Bearbeitung der
Auflockerungszone angebracht sein (teilweises Ausräumen, Verwendung von Schlitzen (vgl. z.B. „Cutoff“-Experiment im Felslabor Mont Terri)). Experimente z.B. im Felslabor Mont Terri zeigen, dass die
Auflockerungszone auch ohne Bearbeitung wegen der günstigen Selbstabdichtungseigenschaften des
Opalinustons nach Verschluss des Lagers eine sehr kleine Durchlässigkeit hat (vgl. z.B. die Resultate
des EU-Projekts SELFRAC). In den Sicherheitsanalysen wurde die Bedeutung der Auflockerungszone
im Detail untersucht, und es wurden auch Rechnungen mit hypothetisch hohen Durchlässigkeiten
durchgeführt (sogenannte „What-if“-Rechenfälle), die zeigen, dass auch mit extrem ungünstigen
Annahmen die Sicherheit nicht beeinträchtigt wird. Eine weitere Funktion des Verschlusses von
Rampe und Schacht besteht darin, das unbeabsichtigte Eindringen des Menschen in das geologische
Tiefenlager zu verhindern. Dazu ist ein mechanisch wirksamer „Pfropfen“ auch beim Eingang von
Rampe und Schacht und die Verfüllung der restlichen Hohlräume vorgesehen. Weiter kann es aus
Gründen des Grundwasserschutzes notwendig sein, in den Aquitarden oberhalb des Wirtgesteins,
beziehungsweise des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs durch Abdichtungen (während des Betriebs), beziehungsweise durch Versiegelungsbauwerke (beim Verschluss des Tiefenlagers) eine ungewollte hydraulische Verbindung zwischen verschiedenen Aquiferen als Folge von Rampe, beziehungsweise Schacht zu verhindern.
D-35
Antwort des ENSI:
Die Lagerkonzepte der Nagra sehen für die Zugänglichkeit des Lagers sowohl Rampen als auch
Schächte vor. Abhängig von den bautechnischen Eigenschaften der bis zum Wirtgestein durchteuften
Gesteinsschichten wird sich entlang der Schächte und Rampen eine für jedes durchfahrene Gestein
individuell ausgebildete Auflockerungszone ergeben. Diese bildet insgesamt eine Zone erhöhter hydraulischer Durchlässigkeit. Es ist aus Sicht des ENSI davon auszugehen, dass in tonreichen Gesteinen
eine solche Auflockerungszone um die Rampe oder den Schacht im Zuge der Aufsättigung wieder
abgedichtet wird, das heisst die Auflockerungszone besteht nur so lange, bis die vollständige Aufsättigung abgeschlossen ist (im Bereich von hunderten bis wenigen tausend Jahren).
Die Zugangsstrecken sollen zusätzlich an verschiedenen Stellen mit quellbarem Material versiegelt
werden. Dabei kann auf Höhe der Siegel gebirgsschonend ein Segment der Auflockerungszone entfernt werden und damit der Rampen- beziehungsweise Schachtparallele Materialfluss unterbrochen
werden. Die Siegelstrecke soll mit quellbarem Siegelmaterial (Bentonit oder Bentonit/SandGemische) verfüllt werden, so dass die Strecke im Fall von eindringendem Wasser selbst abdichtet.
Entsprechende Experimente sind im Felslabor Mont Terri bereits durchgeführt worden, die später in
einem geologischen Tiefenlager anzuwendenden Techniken sind gemäss ENSI Richtlinie G03 vor Ort
zu erproben. Die Anzahl der notwendigen Siegel muss in späteren Schritten standortspezifisch festgelegt werden.
D-36
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
29
Gasproblematik
Wie gross ist der maximal zulässige Gasdruck in Stollen eines
geologischen Tiefenlagers?
Wie wird der Gasdruck "reguliert"?
Können sich in einem Tiefenlager radioaktive Gase bilden?
Eingangsdatum: 09.10.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Kanton ZH
Nagra
ENSI
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort der Nagra:
Im geologischen Tiefenlager entstehen als Folge der anoxischen Metallkorrosion beziehungsweise
Organika-Degradation Gase, die zu einem Gasüberdruck führen. Wegen der kleinen Korrosionsraten
ist die Gasbildung ein länger andauernder Prozess, der dazu führt, dass sich mittel- bis langfristig ein
Gasüberdruck einstellt, bei dem die Gasbildungsrate und die Gasfreisetzungsrate gleich gross sind –
das entstehende Gas wird durch Bildung eines Überdrucks (das heisst eine treibende Kraft) in die
über dem Wirtgestein, beziehungsweise dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich liegenden höher
durchlässigen geologischen Schichten abgeleitet. Die wirksamen Gastransportmechanismen sind
abhängig vom Gasüberdruck; mit zunehmendem Gasüberdruck nimmt die Transportkapazität zu, und
den oberen Eckwert bildet der sogenannte „Gas-Frac“, der jedoch nur bei erheblichen Überdrucken
und einer sehr schnell aufgebrachten Druckerhöhung entstehen kann (vergleichbar mit Erfahrungen
aus der Kohlenwasserstoff-Industrie).
Ein solcher „Gas-Frac“ würde zu einer signifikanten Schädigung der geologischen Barriere führen,
und es ist deshalb nachzuweisen, dass sich der Gasüberdruck nicht so hoch beziehungsweise nicht so
schnell aufbauen kann, dass es zu einem „Gas-Frac“ kommt. Die Höhe des Gasdrucks, welcher zu
einem „Gas-Frac“ führen könnte, hängt von den Gebirgsspannungen auf Lagerebene und der Festigkeit des Wirtgesteins ab, und ist also abhängig vom Standort und der detaillierten Anordnung der
Lagerkammern - es kann also kein genereller Wert angegeben werden.
Experimente (z.B. im Felslabor Mont Terri) und Berechnungen zeigen, dass der Gasdruckaufbau wegen des Speichervolumens im Nahfeld langsam erfolgt. Mit zunehmendem Gasüberdruck ändert sich
der massgebende Gastransportmechanismus und die Gastransportkapazität nimmt zu. Bei niedrigem
Druck erfolgt der Transport durch Diffusion, dann kommt es zu Zweiphasenfluss und bei pessimistisch gewählten Gasbildungsraten kann es zu „pathway dilation“ kommen; das heisst, dass sich durch
den Gasüberdruck insbesondere in der Auflockerungszone kleinste Deformationen ergeben, welche
einen erhöhten Gastransport ermöglichen und auch bei konservativen Gasbildungsraten die Freisetzung des Gases ermöglichen. Bei „pathway dilation“ geht die Gastransportkapazität als Folge von
Deformationen (unterstützt durch den Quelldruck von Versiegelungsmaterial wie Bentonit) wieder
zurück, sobald der Gasdruck zurück geht. Dieser Befund wird auch gestützt durch Erfahrungen in der
Erdgasindustrie (Beobachtungen des Drucks in natürlichen Gasfeldern, untertägige Gasspeicherung).
Weiter besteht auch die Möglichkeit, für die Versiegelung von Rampe und eventuell Schacht
Sand/Bentonit-Gemische zu verwenden, welche bei tiefer Wasserdurchlässigkeit eine erhebliche
Gastransportkapazität aufweisen. Bei Verwendung von Sand/Bentonit-Gemischen kann erreicht werden, dass der Gasdruck unterhalb dem Grenzwert bleibt, wo „pathway dilation“ beginnt; mit der
Rezeptur der Sand/Bentonit-Gemische kann also der maximal erwünschte Gasüberdruck eingestellt
werden.
D-37
Die als Folge der anoxischen Metallkorrosion beziehungsweise Organika-Degradation entstehenden
Gase sind grösstenteils nicht radioaktiv, da das korrodierende beziehungsweise degradierende Ausgangsmaterial zu einem grossen Teil nicht radioaktiv ist. Ein Teil dieser Materialien kann jedoch kontaminiert („mit Radionukliden beladen“) sein und gewisse metallische Bauteile sind aktiviert und
deshalb kann es zu Spurenkonzentrationen an radioaktiven Gasen kommen, aber nur mit Isotopen,
die grundsätzlich gasförmig sein können. Neben Tritium und Radon, welche innerhalb kurzer Zeit
zerfallen und deshalb nicht von Bedeutung sind, ist es einzig C-14, das als Gas auftreten kann und
auch in der Sicherheitsanalyse betrachtet wird. Die Sicherheitsanalysen zeigen, dass die resultierenden Dosen infolge Freisetzung von gasförmigem C-14 kein Problem darstellt.
Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass für SMA und LMA Abklärungen zur Reduktion der Gasbildung laufen, und dass für die BE/HAA-Behälter grundsätzlich alternative Materialien bestehen, wo
die Gasbildungsraten reduziert beziehungsweise die Gasbildung praktisch vollständig eliminiert wird.
Antwort des ENSI:
Die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers beruht darauf, dass die technischen und natürlichen
Barrieren im Zusammenspiel die Freisetzung von Radionukliden auf ein ungefährliches Mass für
Mensch und Umwelt reduzieren. Lagerinduzierte Effekte, wie die Korrosion von eingelagerten Materialien, die zu einem Druckaufbau in Tiefenlagerstollen führt, werden beim Nachweis der Langzeitsicherheit eines Lagers beurteilt.
Wie gross ist der maximal zulässige Gasdruck in Stollen eines geologischen Tiefenlagers?
Der Druckaufbau darf zu keinen Schädigungen des Barrierensystems führen, die die Rückhaltefähigkeit für Radionuklide so stark reduziert, dass die Schutzkriterien der ENSI Richtlinie G03 überschritten
werden. Das ENSI prüft den zeitlichen Verlauf des Druckaufbaus mit unabhängigen Berechnungen
und insbesondere, ob die Schutzfunktion der Geosphäre gewährleistet bleibt.
Bis zu welchem Wert sich ein Druckaufbau nicht auf die Langzeitsicherheit auswirkt, hängt beispielsweise von der Tiefenlage, den mechanischen Eigenschaften der Gesteinsformation, der geologischen
Vorgeschichte ab und ist nicht einfach zu bestimmen. Im Sinne der Robustheit eines Tiefenlagers ist
deshalb bereits bei der Auslegung der Lagerstollen darauf zu achten, dass die gasinduzierten Einflüsse auf das Wirtgestein klein bleiben und die Rückhaltefähigkeit des Barrierensystems gewährleistet
ist.
Um die Auswirkungen von Lagergasen auf die Langzeitsicherheit zu begrenzen, können folgende Vorgehensweisen in Betracht gezogen werden:

Grundsätzliche Vermeidung oder Minimierung von gasproduzierenden Abfällen (beispielsweise durch vorgängige Verbrennung im Plasmaofen der ZWILAG)

Verwendung von geeigneten Materialien für Einbauten und Lagercontainern

Optimierung der Lagerauslegung (unter Berücksichtigung der technischen Machbarkeit)

Verwendung eines geeigneten Verfüllmaterials (Erhöhung des Speichervolumens für Gas)
und Nachweis der genügenden Gasleitfähigkeit

Optimierung der Versiegelungen auf Gasdurchlässigkeit beispielsweise durch die Verwendung von Sand/Bentonitmischungen.
D-38
Wie wird der Gasdruck "reguliert"?
Der zeitliche Verlauf des Gasdrucks hängt von folgenden Aspekten ab: Einerseits von den Korrosionsraten der eingelagerten Materialien, vom zur Verfügung stehenden Porenwasser, respektive Porenraum der Abfallmatrix und Verfüllungen und andererseits von den Gasdurchlässigkeiten der Auflockerungszone um die Einlagerungsstollen, der Versiegelungsstrecken und des Wirtgesteins.
Das ENSI prüft im Rahmen seiner Begutachtung, ob durch eine geeignete Auslegung des gesamten
geologischen Tiefenlager, die Eigenschaften der eingelagerten Abfälle, der Verfüllmaterialien und
dem Wirtgestein dafür gesorgt ist, dass der Gasdruckaufbau die Langzeitsicherheit des Tiefenlagers
nicht gefährdet.
Das ENSI stellt keine expliziten Anforderungen an das Wirtgestein hinsichtlich Gasproduktion oder
Gastransport. Es bewertet vielmehr die operationelle und Langzeitsicherheit des Gesamtsystems
Tiefenlager und Geosphäre. In diesem Sinne wird anhand des gewählten Wirtgesteins und dessen
geomechanischen Eigenschaften, der Tiefenlage des Lagers geprüft, ob die durch die Gasproduktion
hervorgerufenen Phänomene die Langzeitsicherheit nicht gefährden und ob die Auslegung und Dimensionierung des Tiefenlagers und der Versiegelungsbauwerke die Langzeitsicherheit gewährleisten können.
Für das ENSI stehen folgende Anforderungen hinsichtlich der Gasproduktion und Transport im Vordergrund:

die Erhaltung der hydraulischen Eigenschaften des Wirtgesteins, als auch der Verschluss- oder Versiegelungsbauwerke.

die Beschränkung der radiologischen Folgen (Auspressen von Porenwasser, Limitierung der
Bildung neuer Wasserwegsamkeiten)

die Erhaltung des Schutzes der Abfallgebinde durch die Geosphäre und Verschluss- oder Versiegelungsbauwerke
Können sich in einem Tiefenlager radioaktive Gase bilden?
In einem geologischen Tiefenlager können Gase durch die Metallkorrosion und durch die mikrobielle
Zersetzung von organischen Materialien entstehen. In einem Tiefenlager wird hauptsächlich nichtradioaktiver Wasserstoff (H2) durch die Metallkorrosion unter reduzierenden Bedingungen gebildet.
Durch den mikrobiellen Abbau organischer Abfälle kann Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) entstehen, wobei Kohlendioxid in einem SMA-Lager durch die Reaktion mit Zementmineralien gebunden
wird und deshalb kaum zum Druckaufbau beiträgt.
Enthalten die Abfälle 14C (instabiler Kohlenstoff), können auch radioaktive Gase gebildet werden. Der
Anteil des in einem SMA-Lager gebildeten Methans beträgt nur einige Prozent der gesamthaften
möglichen Gasproduktion (siehe auch Antwort 17). Zudem ist der Anteil von 14C gegenüber der im
Tiefenlager vorhanden Menge stabilen Kohlenstoff klein, dementsprechend gering ist der Anteil an
radioaktiven Gasen.
Durch Zerfälle des eingelagerten Urans kann Radon entstehen (vereinfachte Zerfallskette: 238U 
234
U  230Th  226Ra 222Rn). Es ist ein radioaktives chemisches Element mit dem Elementsymbol Rn
und zählt zu den Edelgasen. Alle Isotope des Radons sind radioaktiv. Das stabilste Isotop ist 222Rn mit
einer Halbwertzeit von 3,8 Tagen; es entsteht als Zerfallsprodukt aus Radium (226Ra). Die erzeugte
Menge Radium in einem Tiefenlager ist klein. Die Freisetzung von Radium-Nuklide vom Lager ins
D-39
Wirtgestein entspricht einem berechneten Dosisbeitrag von rund 10-3 mSv/a. (Berechnung für HAALager in Opalinuston, Entsorgungsnachweis, NTB 02-05, Seite 200).
Zum Vergleich: Die mittlere Jahresdosis für die Bevölkerung in der Schweiz beträgt rund 4 mSv. 40%
davon stammt aus Radon in Wohnräumen (=1.6 mSv/Jahr). Durch die Rückhalteeigenschaften des
Wirtgesteins Opalinuston zerfällt das erzeugte Radon komplett in der Gesteinsformation.
D-40
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
37
Einfluss von Störungszonen auf das Tiefenlager
Es wird ausgesagt (NAGRA Regio-Info vom 28. 8. 2009), dass
ein Geologisches Tiefenlager nur dort gebaut werden kann,
wo über extrem lange Zeiträume keine grossräumigen geologischen Veränderungen zu erwarten sind. Wie kann gerade im
Bereich von Störungszonen sichergestellt werden, dass keine
solche erfolgen?
Jura-Südfuss
ENSI
KNE
Eingangsdatum: 22.09.2009
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort des ENSI und der Kommission der Nuklearen Entsorung:
Die im Gestein vorhandenen Störungszonen wurden in der geologischen Vergangenheit durch lokale
relative Bewegungen in der Erdkruste verursacht. Sie stellen Schwächezonen dar, die bei künftigen
grossräumigen-geologischen Veränderungen in einem geeigneten Spannungsfeld wieder reaktiviert
werden könnten. Bei der Einengung und Identifikation geeigneter geologischer Standortgebiete müssen solche Störungszonen deshalb grundsätzlich gemieden werden, da die hydraulischen Durchlässigkeiten im Einflussbereich dieser Störungszonen stark erhöht sein könnten. Zu solchen Störungszonen ist deshalb ein Sicherheitsabstand einzuhalten.
ENSI und KNE haben die Angaben der Nagra zur Tektonik der Nordschweiz überprüft und als vollständig beurteilt. Sie haben insbesondere geprüft, ob die Nagra bei der Identifikation geeigneter
Standortgebiete den regionalen Störungszonen, den diffus gestörten Bereichen und den konzeptionell zu meidenden Zonen (Gräben) ausgewichen ist. Die Überprüfung hat keine massgebenden Differenzen zu den von der Nagra ausgewiesenen bevorzugten Bereichen gezeigt.
Bezüglich der möglichen seitlichen Fortsetzung dokumentierter Störungszonen (Born-Antiklinale)
beurteilt das ENSI im Gebiet Jura-Südfuss die seismischen Profile kritisch, was zu einer Verkleinerung
des Platzangebots untertage und somit zu einer schlechteren Bewertung (nur bedingt günstig) der
Platzverhältnisse im Gebiet SMA-EFF-SJ-O führt (ENSI 33/070, Seite 140).
Referenzen:
ENSI 33/070: Sicherheitstechnisches Gutachten zum Vorschlag geologischer Standortgebiete, Sachplan geologische Tiefenlager, Etappe 1, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Brugg,
2010.
D-41
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
38
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
Bedeutung von "grossräumig-geologische Veränderungen"
Bedeutung von "grossräumig-geologische Veränderungen"
Was heisst „grossräumige geologische Veränderungen“?
Jura-Südfuss
ENSI
KNE
Eingangsdatum: 22.09.2009
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort des ENSI und der Kommission der Nuklearen Entsorgung (KNE):
Dieser Begriff wird im Konzeptteil des Sachplans bei den sicherheitstechnischen Kriterien und der
Vorgabe des schrittweisen Einengungsprozesses geeigneter Standortgebiete erläutert (BFE 2008,
Seite 58). Die grossräumigen geologischen Veränderungen sind für die Bewertung der geologischtektonischen Grossräume massgebend. Die Grossräume werden anhand der Kriterien „Beständigkeit
der Standort- und Gesteinseigenschaften“, „Erosion“ und „Prognostizierbarkeit der Langzeitveränderungen“ bewertet. Beurteilt werden dabei grossräumige-geologische Veränderungen und damit verknüpfte Vorgänge wie:

Geodynamik (grossräumige Entwicklung des geologischen Umfeldes wie z.B. Bewegung der
Kontinentalplatten, Alpenbildung, Jurafaltung)

Bewegungen an überregionalen Bewegungsflächen (Bruchzonen, Überschiebungen), Seismizität und Neotektonik

grossräumig wirksame Erosions- und Akkumulationsvorgänge (Erosionsdynamik einschliesslich Massenumlagerungen und damit verknüpfte langfristige isostatische Ausgleichsbewegungen)

Klimaentwicklung und damit verknüpfte Landschaftsbildung (Warm- und Kaltzeiten, glaziale
Tiefenerosion, fluviatile Eintiefungen und Veränderung des Drainagesystems, etc.)

Grossräumige und langfristige Wasser-Gesteins-Wechselwirkungen (z.B. Verkarstung, Subrosionsvorgänge, etc.)
Mit dem Kriterium „Prognostizierbarkeit der Langzeitveränderungen“ wird geprüft, inwiefern die
Langzeitbeständigkeit der Standort- und Gesteinseigenschaften prognostiziert werden kann (u.a.
Erfassung des ganzen Spektrums möglicher Veränderungen mit „worst-case“-Betrachtungen). Günstig sind Gebiete und Gesteine, für welche Aussagen zu geologischen Veränderungen im Betrachtungszeitraum möglich sind.
Referenzen:
BFE (2008): Sachplan geologische Tiefenlager - Konzeptteil, Bundesamt für Energie, Bern.
D-42
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
39
Frage
Leukämie-Risiko
In der ZDF-Sendung "Abenteuer Wissen" wurde von mehreren
Studien über das erhöhte Leukämie-Risiko bei Kindern in der
Nähe von Kernkraftwerken berichtet, das sich strahlenbiologisch anscheinend nicht erklären lässt. Kann von einem Endlager ein vergleichbares Risiko ausgehen?
Eingangsdatum: 30.11.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Waldshut
ENSI
Beantwortet am: 26.05.2010
Antwort des ENSI:
Die angesprochene deutsche Studie (KiKK ) stellt zwar ein statistisch signifikant erhöhtes Krebs- und
Leukämierisiko für Kinder fest, die in einem Abstand von weniger als 5 km zu einem Kernkraftwerk
wohnen. Wodurch dieses Risiko entsteht, kann die Studie aber nicht erklären, da die errechneten
Dosen durch Direktstrahlung und/oder Abgaben viel zu tief sind, um Krebs- oder Leukämie zu verursachen. Für jemanden, der 50 Jahre in diesem fünf Kilometer Umkreis lebt, akkumuliert sich eine
Dosis zwischen 0,000002 und 0,0003 mSv! Dies ist nur ein Bruchteil der jährlichen natürlichen Belastung von rund 1.5 mSv. Bei Dosen unter 1 mSv kann man zwar mit Annahmen Risiken berechnen,
allfällig hervorgerufene Auswirkungen sind aber aufgrund vieler anderer Einflüsse nicht direkt messbar.
Die Studie berücksichtigte kein Tiefenlager. Bei einem verschlossenen Tiefenlager ist die Direktstrahlung aufgrund der Abschirmung durch die Gesteinsschichten vernachlässigbar. Dosen könnten höchstens durch aus dem Tiefenlager stammende Radionuklide entstehen, die in die Biosphäre gelangen.
Die gesetzlichen Auflagen bestimmen, dass diese allfällig entstehenden Dosen höchstens ein Bruchteil der jährlichen natürlichen Dosis sein dürfen.
Die CANUPIS-Studie des Bundes wird sich auf die Kernkraftwerke der Schweiz beschränken. Resultate
sind nicht vor Mitte 2010 zu erwarten.
Für die Ermittlung der langjährigen Risiken und der Folgedosen, die in der Praxis häufig für einen
Zeitraum von 50 Jahren berechnet oder geschätzt werden, ist die komplexe Durchmischung einer
Population zu beachten, die sich auch zeitlich verändert und die Risiken beeinflusst. So wird ein
Kleinkind, das im Vergleich zu Erwachsenen deutlich strahlenempfindlicher ist, mit den Jahren ebenfalls weniger strahlenempfindlich. Gleichzeitig wird es aber wiederum weitere Kleinkinder geben, die
die Strahlenempfindlichkeit der Population wieder erhöhen können.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass nur sehr wenige konkrete Fakten über die Entstehung
von Leukämie bei Kindern bekannt sind. Man stützt sich gegenwärtig auf Hypothesen, zu denen aber
noch keine konkreten biologischen oder medizinischen Daten vorliegen. So vermuten die Fachleute,
dass die kindliche Leukämie auch durch Viren verursacht werden kann.
D-43
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
44
Risiken durch Erdbeben und Tektonik
Wir fragen uns, was passieren würde falls so ein Geologisches
Tiefenlager schon existieren würde und ein Erdbeben kommen würde.
Würden die verrutschen Steinplatten im Innern der Erde nicht
die Behälter gefüllt mit radioaktiven Müll wieder ans Tageslicht befördern?
Was würde in einem solchen Fall unternommen werden?
Eingangsdatum: 20.02.2010
Fragesteller
Beantwortet durch
Soavita
ENSI
Beantwortet am: 26.05.2010
Antwort des ENSI:
Durch Erdbeben können die in einer Tiefe von mehreren hundert Metern eingelagerten Behälter mit
radioaktiven Abfällen nicht an die Erdoberfläche gelangen. Im Auswahlverfahren für den Standort
eines Tiefenlagers wird die Beständigkeit der Standort- und Gesteinseigenschaften berücksichtigt,
indem zu allen grösseren Störungen (aktive und nichtaktive) ein angemessener Sicherheitsabstand
eingehalten wird.
Erdbeben können neue Wasserwegsamkeiten in den Gesteinsschichten schaffen. Die Wahl eines
geeigneten Wirtgesteins (beispielsweise des Opalinustons mit seinen Selbstabdichtungseigenschaften) und die Bauweise des Tiefenlagers (die Verwendung von abdichtenden Versiegelungs- und Verfüllmaterialien) bieten Gewähr, dass Mensch und Umwelt nicht durch die Auswirkungen eines Erdbebens auf das Tiefenlager geschädigt werden.
Die ENSI Richtlinie G03 schreibt vor, dass Auswirkungen eines Erdbebens während der Betriebsphase
beherrschbar sein müssen. Aufgrund der Lage eines potenziellen Standortgebiets in einem seismisch
ruhigen Gebiet sowie der Lage des Tiefenlagers wird eine Gefährdung des Tiefenlagers durch Erdbeben angemessen berücksichtigt.
Die Langzeitsicherheit eines verschlossenen Tiefenlagers ist gewährleistet, da nach Einbringen der
Abfälle die Lagerstollen und -tunnel mit Bentonit, respektive mit Zementmörtel verfüllt und versiegelt werden. Die Verfüllung und Versiegelung der Zugänge zu einem Tiefenlager erfolgt nach Abschluss der Beobachtungsphase. In verfüllten Untertagebauten sind aufgrund der Stützwirkung des
Verfüllmaterials nur minimale Schäden zu erwarten, welche durch Erschütterungen hervorgerufen
werden können.
D-44
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
46
Frage
Überdeckung des Tiefenlagers – bautechnische Machbarkeit
Entsprechend den Gutachten der KNE und der ESchT zur
Etappe 1 des SGT lässt sich die bautechnische Machbarkeit
eines geologischen Tiefenlagers nur bis maximal 650 m unter
Terrain nachweisen.
Diese Feststellung beruht auf Modellrechnungen und Folgerungen des Gutachtens Amann, F. & Löw, S., 2009 (ENSI
33/065).
Demgegenüber fordert die KNS im Bericht-Nr. 23/219, S 43)
ein Lagerkonzept für grössere Tiefenlagen (bis 900 m unter
Terrain) zu entwickeln. Der Schutz vor allfälligen künftigen
glazialen Tiefenerosionen bedingt gebietsweise eine Standortsuche in Tiefenlagen von mehr als 600 m unter Terrain.
Die Aussagen über die bautechnischen Verhältnisse im Opalinuston basieren auf unterschiedlichen geotechnischen Kennwerten, nämlich teilweise auf solchen, wie sie für die sandige
Fazies und zum Teil auf jenen, wie sie für die tonige Fazies
gelten. Das heisst, es fehlt oft an einer konsequenten, dem
Faziestyp entsprechenden Anwendung geotechnischer Berechnungen, respektive den dazu verwendeten Kenngrössen.
Daraus entsteht die Gefahr, dass Aussagen gemacht werden,
die nur für einen Faziestyp zutreffend sind, fälschlicherweise
dann aber auch für den anderen verwendet werden.
Die Aussagen über die bautechnischen Verhältnisse im Opalinuston basieren auf unterschiedlichen geotechnischen Kennwerten, nämlich teilweise auf solchen, wie sie für die sandige
Fazies und zum Teil auf jenen, wie sie für die tonige Fazies
gelten. Das heisst, es fehlt oft an einer konsequenten, dem
Faziestyp entsprechenden Anwendung geotechnischer Berechnungen, respektiv den dazu verwendeten Kenngrössen.
Daraus entsteht die Gefahr, dass Aussagen gemacht werden,
die nur für einen Faziestyp zutreffend sind, fälschlicherweise
dann aber auch für den anderen verwendet werden.
Diese Gegebenheiten führen zu den folgenden Fragen:
a) Wie wird das ENSI die Beurteilungen zur maximalen
Tiefenlage angehen angesichts der entgegengesetzt stehenden bautechnischen und sicherheitstechnischen
Standortanforderungen?
b) Inwieweit beabsichtigt das ENSI zur Beurteilung des
bautechnischen Verhaltens des Opalinustons, die Eigenschaften der beiden Faziestypen konsequent auseinander zu halten?
c) Inwieweit führt die gezeigte Problematik zu Änderungen
des Lagerkonzepts?
Eingangsdatum: 12.08.2010
Beantwortet am: 04.03.2011
D-45
Fragesteller
Beantwortet durch
AG SiKa
ENSI & KNE
Antwort des ENSI und der Kommission der Nuklearen Entsorgung (KNE):
a)
Die Frage der maximalen Tiefenlage eines HAA-Lagers haben das ENSI und ihre Experten (KNE und
Ingenieurgeologie ETH Zürich) ausführlich überprüft und in ihren Expertenberichten beziehungsweise
im Gutachten dokumentiert (Amann und Löw 2009; ENSI 33/070; KNE 2010). Die wesentliche
Schlussfolgerung im Bericht Amann & Löw 2009 ist, dass mit eingeschränkten Sicherungsmitteln (Anker, Kopfschutz) die bautechnische Machbarkeit der HAA-Lagerstollen im intakten Opalinuston nur
bis in eine Tiefe von 650 m unter Terrain erbracht ist. Für Tiefenlagen > 650 m bis 900 m ist ein vollflächiger Ausbau (z.B. Spritzbeton, Tübbings) notwendig. Für das HAA-Lagerkonzept hat die Nagra ein
entsprechendes neues Ausbaukonzept vorgelegt ( 09-29). Das ENSI und die KNE beurteilen Tiefenlagen von bis zu maximal 900 m als bautechnisch machbar und sinnvoll (vgl. Fachsitzung des Technischen Forums Sicherheit vom 4. 8. 2010). Die sicherheitstechnischen Anforderungen bezüglich Schutzes vor flächenhafter Erosion, Dekompaktion und glazialer Tiefenerosion erfordern nach Ansicht des
ENSI und der KNE keine Tiefenlagen grösser 900 m. Es bestehen daher keine entgegen gesetzten
Anforderungen an die Tiefenlage. Das ENSI und die KNE möchten aber darauf hinweisen, dass in
Etappe 2 SGT für Tiefen > 650 m für HAA-Lagerstollen sowohl bautechnische wie sicherheitstechnische Nachweise der neuen Ausbaukonzepte vorzulegen sind.
b)
Zwischen den felsmechanischen Kennwerten des Opalinustons im Mont Terri (vornehmlich aus der
„Tonigen Fazies“) und den felsmechanischen Kennwerten ermittelt an Bohrkernen der Bohrung Benken bestehen signifikante Unterschiede. Als Beispiel sei die einaxiale Druckfestigkeit senkrecht zur
Schieferung genannt, welche im Mont Terri bei rund 11.6±3.9 MPa und in der Bohrung Benken bei
30.3±6.6 MPa liegt. Letztere Kennwerte wurden für die bautechnische Beurteilung der HAALagerstollen in den potentiellen Standortgebieten Benken, Nördlich Lägern und Jura Ost18 herangezogen.
Das Verständnis der Unterschiede zwischen den felsmechanischen Kennwerten von Benken und
Mont Terri ist zentral für die Beantwortung der Frage 46b und die Begründung der in Etappe 1 SGT
verwendeten Kennwerte. Darum wird im Weiteren auf die wesentlichen Aspekte eingegangen, welche die Festigkeit des intakten Opalinustons beeinflussen.
Wesentliche Einflussfaktoren für die felsmechanischen Eigenschaften
Die felsmechanischen Eigenschaften von intaktem Opalinuston (das heisst nicht geklüftet oder tektonisch überprägt) wird im Wesentlichen von folgenden Faktoren beeinflusst:
18

Wassergehalt

Diagenetischer Zement

Tongehalt und Anordnung der Tonpartikel (z.B. Grad der Ansiotropie)

Gehalt und Verteilung von sedimentären/diagenetischen Heterogenitäten (Quarzkörner, Bioklasten, Silt/Sandsteinlinsen, Sideritkonkretionen, etc.)
Auf Wunsch der Standortregion wurde das Standortgebiet Bözberg in Jura Ost umbenannt.
D-46
Zusätzlich sind für die felsmechanischen Gebirgseigenschaften (diese werden hier nicht weiter behandelt) folgende Einflussfaktoren zu nennen:

Klüftigkeit (Anzahl der Kluftfamilien, Abstand der Trennflächen zueinander)

Geometrie, Durchtrennungsgrad und mechanische Eigenschaften der Trennflächen
Basierend auf verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen lässt sich für intakten Opalinuston
belegen, dass besonders der Wassergehalt, der ebenso wie die Porosität und die Gesteinsdichte im
engen Zusammenhang mit dem Konsolidationsgrad (Belastungsgeschichte) steht, als wesentlichster
Faktor der Festigkeit zu betrachten ist (Figur 46-1).
Figur 46-1: Wassergehalt gegenüber der einaxialen Druckfestigkeit am Beispiel von Tonsteinen. Die
Ziffern 3 und 5 zeigen die Variabilität der Festigkeiten und des Wassergehalts für den
Opalinuston im Mont Terri sowie den Opalinuston in Benken (Quelle: NTB 02-03).
Sedimentologische Aspekte
In der Bohrung Benken (Abschnitt Opalinuston) konnten durch detaillierte sedimentlogische und
mineralogische Untersuchungen nachfolgende unterscheidbare Bereiche ausgeschieden werden (in
Klammern ist vermerkt, welche Institution felsmechanische und mineralogische Untersuchungen
vorgenommen hat; die unterstrichene Einheit liegt in etwa in der Mitte des Opalinustons):

Tonstein mit Sandsteinlagen und Sideritkonkretionen

Tonstein mit zahlreichen Sandsteinlagen (Laborversuche MESY)

Tonstein mit wenig Sandsteinlagen (Laborversuche EPFL, MESY)

Tonstein mit Sideritkonkretionen (Laborversuche MESY)

Tonstein (Laborversuche MESY)
D-47
Eine regionaler Vergleich unter zur Hilfenahme der sogenannten „Dachbankzyklen“ zeigt, dass der
Opalinuston in der Bohrung Weiach (Standort Nördlich Lägern) und der Bohrung Riniken (Standort
Jura Ost19) ähnlich wie in der Bohrung Benken ausgebildet ist. Allerdings ist in Weiach der Quarz- und
Karbonatgehalt etwas tiefer als in Benken. Generell ist festzustellen, dass die mineralogische Zusammensetzung über weite Distanzen extrapolierbar ist, in der quantitativen Zusammensetzung jedoch Unterschiede feststellbar sind. Der Tongehalt nimmt beispielsweise gegen Westen tendenziell
zu, der Quarz- und Karbonatgehalt hingegen ab (Figur 46-2).
Die sogenannte „Sandig-kalkige Fazies“ wie sie im Mont Terri vorzufinden ist, ist in den Nordschweizer Bohrungen nicht zu finden. Dies steht im Zusammenhang mit differentiellen Hebungsraten des
ehemaligen Ablagerungsraum (Becken), was zu einer ausgeprägten Morphologie und zu abgetrennten Faziesräumen führte. Dennoch entspricht die „Tonige Fazies“ im Mont Terri mineralogisch in
etwa den drei unteren, tonreicheren Gliedern der Bohrung Benken (Figur 46-2). Insgesamt ist der
Tonanteil im Mont Terri jedoch deutlich grösser.
Figur 46-2: Korrelationen zwischen den unterscheidbaren Bereichen im Opalinuston der Bohrung
Benken über Weiach zum Mont Terri. Die „Tonige Fazies“ im Mont Terri entspricht rein
mineralogisch den unteren drei Einheiten der Bohrung Benken (Quelle: NTB 02-03).
Versenkungsgeschichte
Bei der Beurteilung der felsmechanischen Kenngrössen des Opalinustons ist besonders der Wassergehalt zu nennen (Figur 46-1). Regionale Unterschiede im Wassergehalt stehen im Zusammenhang
mit der Porosität und Dichte, welche signifikant von der ehemalige Versenkung oder Vorbelastung
(Konsolidationsgrad) des Tongesteins abhängen. Innerhalb der Schweiz lässt sich entlang eines E-WSchnittes (Figur 46-3) beginnend in Herdern (Osten) zum Mont Terri (Westen) eine abnehmende
maximale Versenkungstiefe des Opalinustons feststellen:
19
Auf Wunsch der Standortregion wurde das Standortgebiet Bözberg in Jura Ost umbenannt.
D-48

rund 2850 m Herdern

rund 1700 m Benken

rund 1650 m Weiach

rund 1550 m Riniken

rund 1000 m Mont Terri
Die maximale Versenkungstiefe von 2150 m, welche in Schafisheim ermittelt wurde, zeigt die generelle Zunahme der Versenkungstiefe des Opalinustons gegen Süden infolge der zunehmenden Auflagerung durch Molasse. Als Folge der unterschiedlichen maximalen Versenkungstiefe nimmt die Porosität von Osten nach Westen deutlich zu (Bodenseegebiet rund 4%; Zürich Nordost20 rund 7-12%;
Mont Terri 14-18%), während die Gesteinsdichte und die Durchschallungsgeschwindigkeiten abnehmen.
Als Wesentlich zu betrachten ist die vergleichbare maximale Versenkungstiefe in Weiach, Riniken
und Benken, die auf eine ähnliche Porosität, Gesteinsdichte und Wassergehalt schliessen lässt. Da
sich die mineralogische Zusammensetzung zwischen den Bohrungen sowohl qualitativ als auch quantitativ wenig verändert, ist auch bei den felsmechanischen Kenngrössen von nur geringen Unterschieden auszugehen.
Figur 46-3: Lage der Bohrungen Herdern, Benken (BE), Weiach (WE), Riniken (RI) und Schafisheim
(SH) sowie der in Etappe 1 SGT ausgeschiedenen, potentiellen HAA- Opalinuston Standortgebieten Zürich Nordost, Nörlich Lägern und Jura Ost.
Fazit (Antwort)
Für den momentanen Projektstand (Etappe 1 SGT) erachten ENSI und KNE die Übertragung der felsmechanischen Kennwerte des Opalinustons (intakter Fels) von Benken für die bautechnischen Beurteilung der potentiellen HAA-Opalinuston Standortgebiete als plausibel (vergleichbare Vorbelastung).
Die vom Felslabor Mont Terri („Tonige Fazies Opalinuston“) ermittelten Kennwerte erachten ENSI &
20
Auf Wunsch der Standortregion wurde das Standortgebiet Zürcher Weinland in Zürich Nordost umbenannt.
D-49
KNE als nicht übertragbar. Eine regionale Variabilität der Kennwerte des intakten Opalinustons kann
aufgrund des in der Bohrung Weiach festgestellten tieferen Quarz- und Karbonatgehaltes nicht ausgeschlossen werden und erfordert weiterführende, lokale Untersuchungen (kommende Phasen).
c)
Die aufgeworfenen Fragen zur Bautechnik in Etappe 1 SGT und die Überprüfung durch das ENSI und
seine Experten (ETH, KNE) haben bereits zu einer Änderung beziehungsweise Ergänzung des HAALagerkonzepts geführt (Ausbau der HAA-Lagerstollen im Opalinuston für Tiefen > 650 m mit vollflächige Stützmitteln).
Die Realisierung eines geologischen Tiefenlagers ist ein schrittweiser Prozess, der sich über mehrere
Jahrzehnte erstreckt (drei Etappen SGT, Rahmenbewilligungsverfahren, Bau des Felslabors zur grossräumigen Charakterisierung des Wirtgesteins und Bestätigung der Gesteinseigenschaften → Baubewilligungsverfahren, Betriebsbewilligungsverfahren, etc.). Bei jedem Schritt sind die Lagerkonzepte
nach Stand von Wissenschaft und Technik zu vertiefen und weiter zu konkretisieren (siehe KEG/KEV,
ENSI Richtlinie G03). Gemäss den behördlichen Vorgaben in der ENSI Richtlinie G03 sind bei jedem
Schritt der Realisierung für jede sicherheitsrelevante Entscheidung verschiedene Alternativen und
ihre Bedeutung für die Langzeitsicherheit aufzuzeigen. Dabei ist ein für die Sicherheit günstiger Entscheid zu treffen. Dieses Optimierungsverfahren ist vom Projektanten zu dokumentieren. Mit diesem
Vorgehen wird sichergestellt, dass die Sicherheit in diesem langen schrittweisen Prozess der Lagerrealisierung stets oberste Priorität hat und dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik Rechnung trägt.
Referenzen
Amann F., Löw S. (2009): Vorschlag geologischer Standortgebiete für das SMA- und das HAA-Lager:
Beurteilung und Anwendung der bautechnischen Auswahlkriterien, Expertenbericht ENSI
33/065, ETH, Ingenieurgeologie, Zürich.
ENSI 33/070: Sicherheitstechnisches Gutachten zum Vorschlag geologischer Standortgebiete, Sachplan geologische Tiefenlager, Etappe 1, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Brugg,
2010.
KNE (2010): Sachplan Geologische Tiefenlager, Etappe 1 - Stellungnahme der KNE zur Sicherheit und
bautechnischen Machbarkeit der vorgeschlagenen Standortgebiete, Expertenbericht Kommission Nukleare Entsorgung, Brugg.
KNS (2010): Stellungnahme zum sicherheitstechnischen Gutachten des ENSI zum Vorschlag geologischer Standortgebiete, KNS 23/219, Eidgenössische Kommission für nukleare Sicherheit, Brugg.
09-29: Sachplan geologische Tiefenlager, Etappe 1: Fragen des ENSI und seiner Experten und zugehörige Antworten der Nagra, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle,
Nagra Arbeitsbericht, Wettingen, 2010.
NTB 02-03: Projekt Opalinuston: Synthese der geowissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse –
Entsorgungsnachweis für abgebrannte Brennelemente; verglaste hochaktive sowie langlebige
mittelaktive Abfälle, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra
Technischer Bericht, Wettingen, 2002.
D-50
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung (8)
Nr.
Frage
47
Tektonische Verhältnisse in den Standortregionen
Die im sicherheitsrelevanten Zeitraum (beim HAA-Lager: mindestens 1 Million Jahre) zu erwartenden tektonischen Bewegungen
sind bei den vorgeschlagenen Standortregionen für eine verlässliche Prognose unterschiedlich gut untersucht, bzw. teilweise
kaum bekannt.
Für eine glaubwürdige provisorische Sicherheitsbeurteilung in
Etappe 2 ausreichend tektonisch untersucht ist aus Sicht der
kantonalen Experten eigentlich nur das Standortgebiet Zürich
Nordost. Beim Wellenberg bestehen trotz bereits aufwändiger
Untersuchungen immer noch beträchtliche Unsicherheiten bezüglich des geologischen Aufbaus und der tektonischen Verhältnisse, welche ohne neue Abklärungen in einer provisorischen
Sicherheitsanalyse bei den radiologischen Emissions-Dosen zu
erheblichen Spannweiten führen dürften. Auch bei den übrigen
Gebieten bestehen tektonische Unsicherheiten, insbesondere
sind die beiden in der Vorfaltenzone des Juras gelegenen
Standortregionen "Nördlich Lägern" und "Jura Ost (Bözberg)"
sowie die Standortregion "Jura-Südfuss" tektonisch erheblich
vorbelastet, wobei die Störungen noch unzureichend bekannt
sind. Somit sind in Etappe 2 entsprechende Untersuchungen
erforderlich.
Die beiden in der Vorfaltenzone des Juras gelegenen Standortregionen "Nördlich Lägern" und "Jura Ost" sind im Norden und
Süden weitgehend durch tiefreichende Sockelstörungen begrenzt
(Permokarbon-Trog), welche gemäss diversen Darstellungen der
Nagra gegen oben bis in die Sedimente des Mesozoikums hinein
reaktiviert worden sind (darin liegen auch die Wirtgesteine).
Die Standort-Region "Nördlich Lägern" wird zudem von einer
grossen Störung durchquert (Baden-Irchel-Herdern-Lineament).
Die Standort-Region "Jura Ost" ist ebenfalls von mehreren grossräumigen tektonischen Störungen umgeben, welche zwar an der
Oberfläche sichtbar sind, deren Ausmasse aber im Untergrund
noch wenig bekannt sind.
Fazit: Beide HAA-Standortregionen liegen in einem tektonischen
Spannungsfeld, eingespannt zwischen dem Faltenjura und dem
eher ungestörten nördlichen Teil des Tafeljuras. Auf Grund dieser
Verhältnisse muss in der Vorfaltenzone auch in der nächsten
Million Jahre mit grösseren tektonischen Bewegungen gerechnet
werden.
Ähnlich unklar sind die tektonischen Verhältnisse und Spannungen in der Standortregion "Jura-Südfuss", wo die junge, 15 km
lange und Hunderte von Metern aufragende Born-EngelbergAntiklinale mit ihrem Ostende in die Standortregion hinein abtaucht.
Das Standortgebiet Wellenberg liegt unmittelbar im Überschiebungsbereich zwischen der Drusberg- und der Axen-Decke des
Helvetischen Überschiebungsgürtels. Die Akkumulation der Mergel, welche als einschlusswirksamer Bereich dienen soll, ist sehr
stark deformiert und entsprechend von zahlreichen, teilweise
tiefreichenden Störungen durchzogen. Die Interpretationen zum
geologischen Aufbau anhand der vorhandenen Datenbasis sind je
D-51
Fragesteller
Beantwortet durch
AG SiKa
KNE
swisstopo
nach Bearbeiter bzw. Publikation unterschiedlich. Weitere Seismische
Untersuchungen beim Wellenberg sind - auch nach Aussagen der
Nagra - aufgrund der starken Deformation nicht zielführend.
Die konkreten Fragen zu dieser tektonischen Ausgangslage (inklusive zukünftiger Entwicklung):
a)
Reichen die eher summarischen Kenntnisse über die tektonischen Störungen und Spannungen in den oben genannten
Standortregionen aus, um in Etappe 2 eine glaubwürdige
provisorische Sicherheitsanalyse durchführen zu können,
aufgrund derer dann gewisse Standortgebiete ausgeschieden werden?
Falls "nein" zu Frage a): Ist bei den Standortregionen "Nördlich
Lägern" und "Jura Ost" als nächster Schritt eine 3D-Seismik sachgerecht, um zu den fehlenden Daten zu kommen? Sind dort allenfalls noch weitere geologische Untersuchungen zur Abklärung
der tektonischen Verhältnisse erforderlich? Sind in der Standortregion "Jura-Südfuss" ergänzende 2D-Seismikprofile ausreichend
oder ist hier auch eine 3D-Seismik zur tektonischen Erkundung
sachgerecht? Welche Untersuchungen zur etappengerechten
Abklärung der tektonischen Verhältnisse sind bei den übrigen
Standortgebieten notwendig? Wie werden die Unsicherheiten
zum geologischen Aufbau und den tektonischen Verhältnissen
beim Standort Wellenberg, bei welchem Seismische
Untersuchungen nicht zielführend sind, im Rahmen der Etappe 2
in genügender Tiefe abgeklärt?
b)
Falls "ja" zu Frage a): Wie gross werden bei den Standortregionen die Modell-Unsicherheiten zur tektonischen Situation und zur tektonischen Entwicklung, wenn nur mit den
heute vorhandenen Daten gearbeitet werden darf? Ist es
denkbar, dass bei einer momentanen Zurückstellung von
tektonischen Standortuntersuchungen die Etappe 2 unnötig
verlängert wird, weil in der provisorischen Sicherheitsanalyse vorerst noch kein belastbarer Standortvergleich möglich ist?
Eingangsdatum: 12.08.2010 Beantwortet am: 01.12.2011
Antwort der KNE:
a) Geodynamik
Ausgangslage
Die Standortgebiete Jura-Südfuss, Jura Ost sowie Nördlich Lägern werden von Störungen begrenzt,
welche WSW-ENE oder auch SW-NE streichen. Es sind dies die Lägern, die Stadel-Irchel-Antiklinale
sowie das Baden-Irchel-Herdern-Lineament. Einige dieser Strukturen, insbesondere das Lineament
zwischen Baden und Herdern, haben ihren Ursprung vermutlich in invertierten Sockelsprüngen, welche in das kristalline Grundgebirge unterhalb der mesozoischen Deckschichten reichen. Die Abscherhorizonte der Lägern sowie der Faltenzüge des Jura-Südfusses liegen dagegen in der Trias. Ein östlicher Fortläufer dieser Strukturen findet sich ebenfalls im Zürcher Weinland in Form einer Flexur. Die
D-52
Standortgebiete Südranden und Zürich Nordost dagegen werden im Osten durch die SE-NW streichende Neuhauser Störung begrenzt. Diese Struktur reicht ebenfalls bis in das kristalline Grundgebirge.
Neotektonisches Spannungsfeld
Spannungszustände in der Nordschweiz
Eine mögliche Reaktivierung dieser Strukturen hängt davon ab, wie regionale und lokale Spannungszustände auf die lokalen Bruchstrukturen wirken. Die tektonische Reaktion dieser lokalen Strukturen
ist dabei primär eine Funktion der Scherfestigkeit und Lage der tektonischen Strukturen in Bezug auf
das Spannungsfeld. Dabei können je nach der geometrischen Lage der Störungen sowie der Scherfestigkeit unterschiedliche Versatzrichtungen beobachtet werden. Eine Analyse der heutigen Kenntnisse
der lokalen Spannungsfelder in der Nordschweiz findet sich im Expertenbericht der ETH zur Abklärung der Notwendigkeit ergänzender geologischer Untersuchungen in SGT Etappe 2 (Amann & Löw
2011, ENSI 33/127). Insbesondere für das Standortgebiet Jura-Südfuss bestehen heute beträchtliche
Unsicherheiten in der Charakterisierung der lokalen In-situ-Spannungen. Grundsätzlich ist von grossen vertikalen und horizontalen Variationen der Spannungsverhältnisse, insbesondere in der Sedimentbedeckung des Faltenjuras, auszugehen.
Ursachen des überregionalen Spannungsfeldes
Quantitative Daten über die überregionalen Spannungszustände für den alpinen Raum und das angrenzende Vorland im Norden stehen dank GPS-Messungen (z.B. Calais et al., 2002) und Herdflächenlösungen von Erdbeben (z.B. Pavoni, 1980, 1984 in Diebold und Müller, 1985) zur Verfügung. Diese
Daten wurden während der letzten 15 Jahre kontinuierlich erhoben, und Calais publizierte im Jahre
2002 eine erste Synthese. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Resultate und Interpretationen
findet sich im Aufsatz von D. Champagnac und Mitautoren, publiziert in der Fachzeitschrift Tectonophysics im Jahre 2009. Gemäss diesen Studien führt die apulische Mikroplatte eine Rotationsbewegung im Gegenuhrzeigersinn aus. Das Rotationszentrum liegt in der Region von Turin, und die Rotation erreicht je nach Autor eine Geschwindigkeit zwischen 0.3° und 0.2° pro Million Jahre. Für die
Schweiz resultiert aus dieser Rotationsbewegung eine nach NW gerichtete Konvergenz zwischen der
apulischen Platte und dem nordalpinen Bereich. Mit dieser Konvergenz liessen sich das Muster der
Herdflächenlösungen von Erdbeben in der Schweiz sowie die Orientierung des heutigen Spannungsfeldes erklären. Allerdings liegen die aus GPS-Messungen ermittelten Konvergenzraten im Bereich
von einem Millimeter pro Jahr und damit innerhalb des analytischen Fehlers. Einige Autoren haben
deshalb auch von nicht messbarer Konvergenz zwischen apulischer Platte und Schweizer Mittelland
gesprochen. Dies impliziert, dass die Konvergenzraten entweder zu gering sind, um überhaupt mit
GPS-Methoden erfasst werden zu können, oder der Betrachtungszeitraum noch nicht lang genug ist.
Ein zweiter wichtiger Prozess ist die E-W gerichtete Spreizungsbewegung im zentraleuropäischen
Raum. Dieser Prozess führte zur Bildung des Rhein- und des Rhonegrabens. Diebold und Müller
(1985) kommen in ihrer Synthese zum Schluss, dass diese E-W gerichtete Dehnung des Rheintalgrabens im Laufe des Jungpleistozäns abgeklungen ist. Allerdings zeigen Ablagerungszentren im Bereich
des Sierentzer Grabens und bei Heidelberg, dass noch weiterhin lokal Absenkung auftritt. Eine weitere Reaktivierung kann daher nicht ausgeschlossen werden. Des Weiteren führen das Abschmelzen
der Eiskörper während des Spätglazials und holozäne Erosionsprozesse zu Veränderungen des tektonischen Spannungsfeldes und damit zu möglichen Versätzen entlang tektonischer Strukturen (Champagnac et al., 2009).
D-53
Nachweisbare Deformation als Folge des Spannungsfeldes
Reaktivierung von Brüchen und Falten
Im Norden der Schweiz sind Hebungen von Faltenzügen im Juragebirge, Hebungen des gesamten
alpinen Raums – bezogen auf die Referenzstation in Aarburg – und Erdbeben als neotektonische Signale nachgewiesen worden. Detaillierte Datierungen von alten Mäanderbögen des Doubs im Juragebirge, welche auf dem SW-NE streichenden Scharnier der Citadelle-Falte liegen, ergaben eine Hebung
von <0.15 mm pro Jahr während der letzten ca. 30'000 Jahre (Madritsch et al., 2010). Seismische und
stratigraphische Untersuchungen am nördlichen Rand der Ajoie führten zur Erkenntnis, dass die Faltenzüge am nördlichen Rand des Juragebirges während der letzten 2 bis 3 Millionen Jahre tektonisch
deformiert wurden (Giamboni et al., 2004). Diese nach NW gerichtete Verfaltung wurde als Folge der
Konvergenzbewegung zwischen der apulischen Platte und Kontinentaleuropa interpretiert. Da in
diesem Bereich die Erdbebenherde im kristallinen Sockel liegen und damit unterhalb des Abscherhorizontes des Juragebirges, wurde die Hebung auf eine mögliche Inversion paläozoischer Strukturen
zurückgeführt. Hinweise auf differentielle Bewegungen entlang des Ostrandes des Rheingrabens bei
Basel ergeben sich aus Nivellementdaten, welche während der letzten 100 Jahre erhoben wurden,
sowie aus Verstellungen der Niederterrassenschotter und der Verteilung von Erdbeben-Hypozentren
(Loew et al. 1989).
Die tektonischen Strukturen zwischen Lägern, Jura Ost und Zürich Nordost streichen entweder parallel zur Verkürzungsrichtung oder senkrecht dazu. Dies könnte, analog zur Situation der Citadelle-Falte
(Faltenjura entlang des Doubs), zu Reaktivierungen von Störungen und zur Inversion von Brüchen
führen, welche bis in den kristallinen Sockel hineinreichen. Epizentren von Erdbeben liegen in der Tat
in der entsprechenden Tiefe. In der Nordostschweiz sind allerdings Hebungen und Versätze, welche
auf diese NW-gerichtete Einengung zurückzuführen wären, bis jetzt nicht nachgewiesen worden.
Entweder wären mögliche Deformationsraten zu gering, um mit heute verfügbaren Methoden gemessen werden zu können, oder der Zeitraum der Messkampagnen ist zu kurz. Des Weiteren sind
aufgrund der geometrischen Lage der Faltenzüge und Abschiebungen, bezogen auf die NWgerichtete Einengung, keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Hebungen und Reaktivierungen
zu erwarten.
Grossräumige Hebung
Die geodätischen Daten liefern messbare Unterschiede in der Hebung zwischen dem alpinen Vorland
(Hebungsraten zwischen 0.1-0.6 mm pro Jahr bezogen auf die Referenzstation in Aarburg) und den
Zentralalpen, wo die Hebungsraten zurzeit maximal etwa 1.5 mm pro Jahr betragen (Kahle et al.,
1997). Die Dichte der Messstationen lässt keine Rückschlüsse darüber zu, ob zwischen den Standortgebieten Jura Ost, Nördlich Lägern sowie Zürich Nordost Hebungen unterschiedlich schnell ablaufen.
Die Ursache dieser Hebung könnte in der Konvergenzbewegung zwischen der apulischen und europäischen Platte liegen. Allerdings zeigen Berechnungen, dass die Konvergenzgeschwindigkeit 6 mm pro
Jahr übersteigen müsste (Champagnac et al., 2009), was nicht der Fall ist. Andere in der Literatur
beschriebene Mechanismen umfassen (s. Zusammenstellung in Champagnac et al., 2009): (i) geodynamische Prozesse, welche zur Abtrennung zwischen Mantel und Kruste und damit zur grossräumigen Hebung der Alpen führen (Delamination), (ii) Entlastung durch Erosion, welche vor allem in den
Alpen wirksam wäre, sowie (iii) Resthebung als Folge des Abschmelzens der Eiskörper vor ca. 17'00014'000 Jahren. Da vermutlich der grösste Anteil dieser Hebung durch elastisches Verhalten der Kruste
erklärt werden kann (Champagnac et al., 2009), würden diese drei Mechanismen nicht zu differentiellen Hebungen im Raum zwischen den Standortgebieten Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost führen.
D-54
Fazit der KNE
Da die Alpen neotektonische Bewegungen zwischen der apulischen und europäischen Platte erfahren
und Hebungen während der letzten 30'000 Jahre im Juragebirge nachgewiesen und auf diese Bewegungen zurückgeführt wurden, ist auch im Bereich zwischen den Standortgebieten Jura Ost, Nördlich
Lägern und Zürich Nordost mit tektonischen Bewegungen oder Versätzen zu rechnen. Diese stehen
aber nur bedingt in Beziehung zu den geodätisch gemessenen Hebungsraten in den Alpen und im
angrenzenden Vorland. Die möglichen neotektonischen Versatzraten entlang dieser Strukturen sind
im Gebiet zwischen Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost so gering, dass sie mit den bisher
verfügbaren Methoden und Messreihen nicht zuverlässig gemessen werden konnten. Möglicherweise ergeben neue hochauflösende LIDAR-Geländemodelle und GPS-Langzeitmessungen neue Hinweise auf neotektonische Bewegungen. Die Möglichkeit, dass die Standortgebiete Jura Ost, Nördlich
Lägern sowie Zürich Nordost eine unterschiedliche Deformation und Hebung erfahren könnten, stellt
aus Sicht der KNE zur Zeit kein relevantes Kriterium dar, um die Standortgebiete im Rahmen von
Etappe 2 unterschiedlich zu bewerten.
b) Tektonik
Prinzipielles zur Seismik
Die 2D-Seismik liefert Informationen längs einzelner Profilschnitte. Die Unsicherheiten wachsen dabei mit zunehmendem Profilabstand, insbesondere was die Verknüpfung von Störungen von Profil zu
Profil betrifft. Die 3D-Seismik dagegen liefert Informationen über einen Volumenbereich des Untergrundes, d.h. die einzelnen Strukturelemente werden zusammenhängend und dreidimensional abgebildet. Dies bedeutet eine höhere Sicherheit bei der strukturellen Interpretation.
Dennoch hat auch die 3D-Seismik Grenzen. Nicht fassbar sind z.B.:

Sprunghöhen von weniger als 10 m,

Schichten ohne grössere Impedanzkontraste (z.B. Kalkbänke innerhalb der Effinger Schichten),

kleinräumige Inhomogenitäten (z.B. Kalk- und Sandsteinlagen innerhalb des Braunen Doggers),

kompliziert gebaute, alpine Gebiete (z.B. der Wellenberg) sowie

horizontale Störungen/Überschiebungen (z.B. flache Überschiebungen nördlich des Faltenjuras).
Der 3D-Seismik sind insbesondere in hügeligem Terrain und in dicht besiedelten oder stark bewaldeten Gebieten praktische Grenzen gesetzt, da die Geophon- und Schusslinien-Abstände für die vorliegende Problemstellung weniger als 200 m betragen sollten.
Stellungnahme der KNE zu den von der Nagra geplanten zusätzlichen Seismikuntersuchungen
Das HAA- und SMA-Standortgebiet Zürich Nordost ist für Etappe 2 SGT ausreichend untersucht
(komplett abgedeckt mit 3D-Seismik).
Die für die HAA- und SMA-Standortgebiete Nördlich Lägern und Jura Ost geplante Verdichtung und
Reprozessierung des bestehenden 2D-Netzes zur Einengung der mit 3D-Seismik anschliessend detailD-55
liert zu untersuchenden Gebiete ist sinnvoll und stufengerecht. Der Zeitpunkt der ergänzenden 3DSeismik muss noch vereinbart werden (Ausführung in Etappe 2 oder 3?).
Im SMA-Standortgebiet Südranden wird die geplante Reprozessierung, zusammen mit ergänzenden
strukturellen Felduntersuchungen, voraussichtlich für die Etappe 2 ausreichend adäquate Resultate
liefern. Im generell tektonisch einfach gebauten Gebiet könnten aber durchaus, wie in der Region
Siblingen nachgewiesen, Hinweise auf lokale, bisher nicht bekannte Querbrüche zum Vorschein
kommen. Dies würde gegebenenfalls die Aufnahme zusätzlicher 2D-Linien bedingen. Zudem besteht
noch eine erhebliche Unsicherheit bezüglich der effektiven Mächtigkeit des Opalinustons in diesem
Gebiet.
Im SMA-Standortgebiet Jura-Südfuss fehlt es an seismischen Daten in der östlichen Fortsetzung der
stark zerbrochenen Born-Engelberg-Antiklinale. Eine belastbare Aussage über die Fortsetzung und
Ausgestaltung dieser Struktur ist deshalb nicht möglich. Hier ist eine zusätzliche 2D-Seismiklinie
zwingend. Im Westteil sind zusätzliche regionale Störungen aufgrund der heute vorhandenen Daten
nicht völlig ausschliessbar. Hier muss sich zeigen, ob die Reprozessierung der bestehenden Linien zu
einer genügend belastbaren Aussage führt.
Beim Standortgebiet Wellenberg ist die Seismik erwiesenermassen nicht zielführend. Die Exploration
muss hier neben Bohrungen auch auf Sondierstollen abgestützt werden. Bei den bereits abgeteuften
7 Sondierbohrungen gilt es zu beachten, dass lediglich die Bohrungen SB1 und SB3 einen grösseren,
unterhalb der Auflockerungszone gelegenen Bereich des Wirtgesteins (Palfris-Formation/ViznauMergel) erfasst haben. Die KNE erachtet es bereits heute als offensichtlich, dass das Standortgebiet
Wellenberg trotz einiger sehr positiver Eigenschaften deutlich weniger geeignet ist als die bevorzugten Standortgebiete in der Nordschweiz. Aufwändige tektonische Zusatzuntersuchungen scheinen
deshalb wenig sinnvoll.
Stellungnahme der KNE zu weiteren, die Tektonik betreffenden Untersuchungen
Die Nagra plant neben den Seismikkampagnen noch weitere zusätzliche Feld- und Bürorecherchen,
nämlich

den Einbezug neuer Bohrdaten (z.B. Bohrung Schlattingen),

die Bestimmung der Bruchhäufigkeit und -richtung mit den neusten Fernerkundungsmethoden (inkl. Beurteilung der Neotektonik),

die Analyse der Gebirgsspannungsverhältnisse,

kinematische Bilanzierungen sowie

systematische strukturgeologische Detailaufnahmen in allen Standortgebieten.
Die KNE beurteilt diese neben der Seismik geplanten Zusatzuntersuchungen zur Tektonik als zielführend für Etappe 2, unter dem Vorbehalt, dass die noch bestehenden Wissenslücken damit auch tatsächlich ausreichend belastbar geschlossen werden können.
Referenzen
Diebold, P., Müller, W.H. (1985) Szenarien der geologischen Langzeitsicherheit: Risikoanalyse für ein
Endlager für hochradioaktive Abfälle in der Nordschweiz. Nagra, Wettingen. Nagra Technischer
Bericht 84-26, 110 pp.
D-56
Calais, E. Nocquet, J.-M., Jouanne, F., Tardy, M. (2002) Current strain regime in the Western Alps
from continous Global Positioning System measurements, 1996-2001. Geology 30, 651-654.
Champagnac, J-D., Schlunegger, F., Norton, K., von Blanckenburg, F., Abbühl, L.M., Schwab, M.,
(2009) Erosion-driven uplift of the modern Central Alps. Tectonophysics 474, 236-249.
Giamboni, M., Ustaszweski, K., Schmid, S.M., Schumacher, M.E., Wetzel, A. (2004) Plio-Pleistocene
transpressional reactivation of Paleozoic and Paleogene structure in the Rhine-Bresse transform zone (northern Switzerland and eastern France). International Journal of Earth Sciences
93, 207-223.
Kahle, H.G., Geiger, A., Bürki, B., Gubler, E., Marti, U., Wirth, B., Rothacher, M., Gurtner, W., Beutler,
G., Bauersima, I., Pfiffner, O.A., (1997) Recent crustal movements, geoid and density distribution: contribution from integrated satellite and terrestrial measurements. In: Pfiffner, O.A.,
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20 (NRP 20). Birkhäuser, Basel, pp. 251-259.
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Antwort der swisstopo
Generelles
Tektonische Störungen liegen im Mittelland mehrheitlich unter einer Bedeckung aus quartärem Lockermaterial und sind somit an der Oberfläche nur sehr spärlich aufgeschlossen bzw. erkennbar.
Auswertungen von Oberflächeninformationen (Geologische Karten, Luftbilder, Orthophotos oder
digitale Geländemodelle) können Versätze oder Deformationen an der Oberfläche aufzeigen und so
Hinweise auf Störungen im Untergrund liefern. Auf diese Weise entdeckt man insbesondere grössere
bzw. regionale Störungen. Kleinere Störungen oder Störungen unter mächtigeren jüngeren Sedimenten sind damit jedoch nicht zu erkennen.
Will man einen Einblick in die Tektonik im Untergrund erhalten, kann man mit künstlich erzeugten,
seismischen Wellen den Untergrund „durchleuchten“ und sich entweder einen zweidimensionalen
Profilschnitt anlegen oder ein dreidimensionales Blockmodell erstellen oder man exploriert den Untergrund mittels Exkavation des Materials durch Bohrungen oder durch den Bau eines Sondierstollens. Exkavationen liefern immer nur punktuelle Informationen (Nadelstiche) und sind somit nur für
D-57
die tektonische Situation in der unmittelbaren Umgebung des Bohrlochs oder des Stollens aussagekräftig. Sie eignen sich somit nur begrenzt zur Erkundung grösserer Gebiete und werden in solchen
vor allem zur Eichung seismischer Linien verwendet.
In den Standortgebieten existieren bereits viele seismische Linien und im Falle des Standortgebietes
Zürich Nordost verfügt die Nagra sogar über ein 3D-Blockmodell des Untergrundes. Dieses Modell
sowie die Erkenntnisse aus der Bohrung Benken liefern bereits eine sehr gute Grundlage zur Beurteilung der tektonischen Situation und es wird darum in der weiteren Beantwortung der Frage nicht
mehr auf dieses Standortgebiet eingegangen (siehe auch Einleitung zur Frage).
Bestehende seismische 2D-Profile können dank gesteigerter Rechenleistung und Fortschritten in der
Interpretation „re-processed“ werden, wodurch sich die Auflösung und somit die Aussagekraft der
Seismischen Profile erhöht. Insbesondere können damit auch die störenden Effekte des Quartärs
besser eliminiert werden. In Kombination mit bestehenden Bohrungen (Eichungen) und bei zunehmender Verdichtung der 2D-Seismiklinien können die tektonischen Verhältnisse in einem Standortgebiet bereits gut erkundet werden, auch wenn zwischen den einzelnen Linien noch Interpretationsspielraum vorhanden ist.
3D-Seismik ist zwar aussagekräftiger, aber bedeutend aufwendiger, da ein rechtwinkliges Netz von
2D-Linien erforderlich ist, welches dann in mehreren Rechenschritten zu einem dreidimensionalen
Blockmodell verarbeitet werden kann. Ob eine 3D-Seismik überhaupt durchgeführt werden kann,
hängt zudem insbesondere von der Topographie, der Erschliessung und dem Bebauungsgrad eines
Gebietes ab. Diese Rahmenbedingungen können im Extremfall eine seismische Messkampagne verunmöglichen oder zu immensen Aufwänden führen bzw. die Kampagne zeitlich stark verzögern (u.a.
auch durch Einsprachen).
Standortgebiete Nördlich Lägern, „Bözberg“ (Jura Ost) und Südranden
Die tektonische Situation in den drei Standortgebieten wurde u.E. von der Nagra korrekt erfasst. Aus
heutiger Sicht kann swisstopo dem nichts Neues hinzufügen. Die Interpretationen in den Profilen
decken sich mit den Kenntnissen bzw. Interpretationen von swisstopo21.
Die Durchführung einer 3D-Seismik in diesen Gebieten erachten wir in Etappe 2 als nicht stufengerecht. Aufgrund der topographischen Gegebenheiten sind solche Untersuchungen sehr aufwendig
und für einen Vergleich verschiedener Standortgebiete nicht notwendig, da sich bedeutende Strukturen bereits mit einer 2D-Seismik erkennen lassen. Mit den geplanten zusätzlichen 2D-Linien in den
Standortgebieten Nördlich Lägern und Bözberg wird die Nagra bereits in Etappe 2 über eine ausreichende Anzahl an 2D-Seismiklinien in den drei Standortgebieten verfügen.
Die durch die Nagra geplanten bzw. bereits durchgeführten geologischen Zusatzuntersuchungen zur
Abklärung der tektonischen Verhältnisse in den drei Standortgebieten beinhalten insbesondere

Detailkartierungen an Oberflächenaufschlüssen zur Identifikation von kleineren Störungen
und zur Charakterisierung des Stressfeld sowie

Auswertungen von Orthophotos und digitalen Terrainmodellen (DTM) zur Erfassung von Frequenz und Richtung von Störungszonen, die an der Oberfläche sichtbar sind.
Unter Berücksichtigung der von der Nagra geplanten Untersuchungen und der Verdichtung des bestehenden seismischen Messnetzes und des „Re-processings“ bestehender seismischer Linien kann
21
Im Gebiet Südranden bleibt abzuwarten, ob die Resultate des „Re-prozessings“ allenfalls noch zusätzliche seismische
Abklärungen notwendig machen.
D-58
u.E. in Etappe 2 eine stufengerechte Beurteilung der tektonischen Situation für eine provisorische
Sicherheitsanalyse vorgenommen werden.
Jura-Südfuss
Im südöstlichen Teil des Standortgebietes Jura-Südfuss (roter Kreis in Figur 1) liegen die vorhandenen
seismischen Linien weiter auseinander als in anderen Gebieten. Dies ist vor allem im südlichen Teil
problematisch, da in diesem Teil der Verlauf der abtauchenden Born-Engelberg-Antiklinale im Untergrund ungewiss ist (blauer Pfeil in Figur 47.1).
Profil B
Profil C
Figur 47.1: Übersichtsplan mit Faltenachse der Born-Engelberg-Antiklinale (blauer Pfeil) und der
Lage der vorhandenen seismischen Linien (grüne Linien), Quelle: Nagra.
Die von der Nagra konstruierten geologischen Profile B und C zeigen ein unterschiedliches Bild im
Untergrund betreffend der tektonischen Situation. In Profil B (Figur 47.2) erkennt man westlich von
Kölliken deutliche Bruch- (pop-up) Strukturen im Untergrund, welche mit der im Westen des
Standortgebietes kartierten Born-Engelberg-Antiklinale korreliert werden können.
Figur 47.2:
Profil B (Quelle: Nagra).
In Profil C am östlichen Rand des Standortgebietes ist die Born-Engelberg-Antiklinale nicht mehr erkennbar, was darauf schliessen lässt, dass sich zwischen diesen beiden Profilschnitten innerhalb des
Standortgebietes eine Ablösung der Antiklinale vollzieht. Aufgrund der fehlenden Seismik kann keine
Aussage gemacht werden, wie weit die mit der Antiklinale assoziierten Störungen ins Standortgebiet
hineinreichen.
D-59
Figur 47.3:
Profil C (Quelle: Nagra).
Im Rahmen der Erstellung der Blätter Aarau und Schöftland des geologischen Atlas der Schweiz wurden charakteristische Horizonte in der Molasse detailliert auskartiert. Die entsprechenden Isohypsen
sind in Figur 47.4 für die Grenze USM/OMM sowie die Grenze Luzerner-Formation/St.GallerFormation dargestellt. Daraus geht hervor, dass südöstlich von Kölliken an der Oberfläche eine leichte Aufwölbung der sonst flachliegenden Schichten der Molasse existiert. Diese Flexur ist u.E. in engem Zusammenhang mit dem in der Tiefe angelegten östlichen Ausläufer der Born-EngelbergAntiklinale. In welcher Art die Aufwölbung im Untergrund entstand (Antiklinale mit Brüchen oder nur
Aufbiegen der Schichten) kann nicht festgestellt werden.
Kölliken
LU-Fm./SG-Fm. (OMM)
USM/OMM
Figur 47.4: Isohypsen verschiedener Horizonte in der Molasse: in rot Grenze Untere Süsswassermolasse – Obere Meeresmolasse, in braun Grenze Luzerner- und St.Galler-Formation.
Vergleicht man den Kenntnisstand dieses Standortgebietes mit den anderen Standortgebieten in der
Nordschweiz (Nördlich Lägern, „Bözberg“ ( ura Ost) und Südranden), so ist die vorhandene Datenlage
aus seismischen Erkundungen geringer und, im Gegensatz zu anderen Gebieten gibt es Hinweise an
D-60
der Oberfläche, aufgrund derer tektonische Störungen im Untergrund nicht ausgeschlossen werden
können.
Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass eine Verdichtung der Seismik zwischen den beiden
Linien B und C sowie ein „Re-processing“ der bestehenden Linien auch in diesem Standortgebiet angebracht sind, um eine vergleichbare Grundlage zur tektonischen Situation zu schaffen. Eine 3DSeismik in diesem Gebiet erachten wir in Etappe 2 ebenfalls als nicht stufengerecht.
Wellenberg
Der Wellenberg ist bezüglich Deformationsstil und Tektonik nicht mit den anderen Standorten vergleichbar. Im Mittelland liegen die Wirtgesteine flach und wurden tektonisch nur schwach überprägt.
Flexuren und/oder diskrete Brüche waren die Folge dieser Beanspruchung. Die Mergelformationen
des Helvetikums am Wellenberg sind tektonisch sehr stark überprägt was zu einer grossen Akkumulation der Mergel sowie zu komplexen internen Strukturen führte. Diese intern stark deformierte
Anhäufung an Mergel an der Grenze zwischen Axen- und Drusberg-Decke betrachtet die Nagra als
Gesamtes wiederum als homogen. Auch gemäss ENSI 2010 (S. 105) repräsentiert die Mergelakkumulation am Wellenberg gesamthaft eine diffus gestörte Zone, deren gesteinsspezifische Parameter und
strukturelle Beschreibung nur summarisch erfassbar ist.
Obwohl beim Wellenberg mehrere Bohrungen abgeteuft wurden, existieren grössere Ungewissheiten bezüglich des tektonischen Baus und der Einschaltung wasserführender Malmschollen. Die Explorierbarkeit der tektonischen Verhältnisse am Wellenberg ist aus den oben erwähnten Gründen stark
erschwert, weshalb wir bereits in unserem Expertenbericht zu Etappe 1 („Beurteilung der Sammelprofile und der hergeleiteten Wirtgesteine sowie der Grundlagen für die Herleitung von Standortgebieten im Sachplan geologische Tiefenlager“) bezüglich tektonischem Bau am Wellenberg folgendes
festgehalten hatten:
„Infolge des komplizierten tektonischen Baus und weil Seismische
Untersuchungen zu keinen belastbaren Resultaten führen dürften, ist die detaillierte Abklärung der
lithologischen Grenzen, Faziesänderungen und Störzonen nur mit Bohrungen und Sondierstollen zu
bewerkstelligen. Bei einer Weiterverfolgung dieser Standortregion sind z.B. noch zusätzliche Abklärungen bezüglich wasserführender Störungszonen und Fremdgesteinseinschlüssen notwendig, da
dieselben die Auslegung des Lagers beeinflussen könnten. Zusätzlich wird auch erwähnt, dass die
Globigerinenmergel örtlich synsedimentäre Brekzien aus Kalk- und Sandsteinen aufweisen. Es ist aber
nicht klar, wo und in welchem Umfang diese auftreten können und was für Auswirkungen sie haben.“
Die von der Nagra in Auftrag gegebene Überprüfung der bestehenden tektonischen Profile wird Hinweise zum effektiv verfügbaren Wirtgesteinsvolumen liefern. Über den tektonischen Aufbau des
Gebietes und die Verteilung wasserführender Strukturen wird aber kaum Neues zu tage treten, so
dass auch nach Vorliegen dieser Auswertungen viele offene Fragen zur Tektonik bestehen bleiben.
Ein Sondierstollen könnte dazu Klarheit schaffen, wird aber in Etappe 2 als nicht stufengerecht erachtet.
Modell‐Unsicherheiten zur tektonischen Situation und zur tektonischen Entwicklung
Mit den vorgesehenen Untersuchungen bleiben u.E. folgende Modellunsicherheiten zur tektonischen
Situation bestehen:

Tektonische Brüche mit Versätzen kleiner als 10 m („splays“), welche von grösseren Störzonen abzweigen, können weder mittels 2D-Seismik noch mit einer aufwendigen 3D-Seismik
verlässlich detektiert werden. Es liegt somit in der Natur jedes Tiefenlagers, dass mit solchen
Brüchen auch im finalen Standort gerechnet werden muss, diese jedoch erst beim Bau erD-61
kannt werden. Geeignete Massnahmen (zum Beispiel Abweichungen von der geplanten Anordnung der Lagerkammern) können erst festgelegt werden, wenn solche Brüche angefahren
oder mittels Prospektionsbohrungen detektiert werden.

Interne, schichtparallele Deformationen (z.B. flachliegende Überschiebungen im Norden des
Faltenjuras) sind mit Seismik kaum erkennbar, da die Versätze keinen oder nur einen geringen seismischen Kontrast erzeugen (gleiches liegt auf gleichem, es wurde nur lateral verschoben). Die Bedeutung dieser Brüche für den Radionuklidtransport und somit auch deren
Einfluss auf die provisorische Sicherheitsanalyse erachten wir als gering.

Abweichungen im regionalen und lokalen Spannungsfeld bzw. abweichende Hauptspannungsrichtungen können ebenfalls die Anordnung des Tiefenlagers beeinflussen. Solche Abweichungen können im Vorfeld nur durch Bohrungen und somit nur sehr lokal (Nadelstiche!)
festgestellt werden. Für die in Etappe 2 anstehende provisorische Sicherheitsanalyse sind
solche Untersuchungen jedoch nicht stufengerecht.
Standortvergleich bei einer momentanen Zurückstellung von tektonischen Untersuchungen
Trotz dieser Modellunsicherheiten ist ein Standortvergleich in den 5 Standortgebieten Südranden,
Zürich Nord-Ost, Nördlich Lägern, Jura Ost (Bözberg) sowie Jura Südfuss möglich. Laufende Feldaufnahmen und Auswertungen von topographischen und geologischen Daten sowie das „Re-processing“
bzw. weitere neuen seismische Linien sollten u.E. in die provisorische Sicherheitsanalyse einfliessen
bzw. deren Einfluss auf vorhandene Resultate genau untersucht werden.
Zusammenfassung
swisstopo empfiehlt für das Standortgebiet Jura-Südfuss zusätzliche 2D-Seismiklinien in der Verlängerung der Born-Engelberg-Antiklinale und schliesst sich somit auch der „Forderung-9“ des ENSI an,
den Einfluss der tektonischen Überprägung in der Verlängerung der Born-Engelberg-Antiklinale beim
Standortgebiet Jura-Südfuss abzuklären.
Aufgrund der vorhandenen Kenntnisse bzw. unter Einbezug der laufenden / geplanten Zusatzuntersuchungen durch die Nagra erachten wir 2D-Seismik als ausreichend für die Charakterisierung der
tektonischen Situation für die provisorische Sicherheitsanalyse.
3D-Seismik erachten wir in den Standortgebieten Jura Südfuss, Nördlich Lägern, Bözberg (Jura Ost)
und Südranden in Etappe 2 als nicht stufengerecht. Zuerst sollen die 2-D seismischen Profile ausgewertet und erst dann, unter Berücksichtigung der 2-D Analyse, die 3-D Profile geplant und realisiert
werden.
Der Wellenberg ist verglichen mit den anderen Standortgebieten bezüglich Tektonik ein Spezialfall
und könnte nur mittels weiterer Bohrungen und einem Sondierstollen näher untersucht werden. Dies
erachten wir in Etappe 2 jedoch als nicht stufengerecht.
Referenzen
ENSI (2010): Sicherheitstechnisches Gutachten zum Vorschlag geologischer Standortgebiete: Sachplan geologische Tiefe
D-62
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
50
Frage
Auswirkungen der natürlich vorkommen-den Gase im Tiefenlager
Die Behandlung der Gasproblematik in den Tiefenlagern beschränkt sich nach meiner Wahrnehmung auf jene Gase, welche sich aus den gelagerten Abfällen bilden (Gasproduktion
durch Korrosionsgase). Für diese Gase sieht die Nagra ein
EGTS (engineered gas transport system) vor, mit welchem die
Gastransportkapazität der verfüllten Untertagebauwerke
erhöht wird, ohne dass dabei die RadionuklidRückhaltefunktion der technischen Barrieren beeinträchtigt
wird. Im Gutachten von Emch+Berger zur Beurteilung der
Auswirkungen der Gasentwicklung im Tiefenlager (Dezember
2009) wird die von der Nagra modellhaft kalkulierte Wirksamkeit solcher EGTS in Zweifel gezogen (z.B. Unterkapitel 6.3.5.3
auf Seite 16).
Bei allen Betrachtungen, Modellierungen und Berechnungen
wird aber dem Umstand, dass im Opalinuston zusätzlich noch
natürliche Gase (Methan, höhere Kohlenwasserstoffe, CO2)
auftreten, nicht Rechnung getragen. Dass im Opalinuston
diese Gase vorhanden sind und freigesetzt werden können
geht aus NTB 86-11 hervor.
Fragen:
Wie wird mit den Gasen beim Ausbruch, beim Betrieb und bei
der Verfüllung des Tiefenlagers umgegangen? Welchen Einfluss haben die Formationsgase auf die Sicherheit des abgelagerten Abfalls? Wie wird der Zustrom von oxidierbarem Kohlenwasserstoff die mikrobiologischen Randbedingungen im
Tiefenlager beeinflussen?
Eingangsdatum: 11.01.2011 Beantwortet am: 13.03.2012
Fragesteller
Beantwortet durch
Herr Schenker,
Geologe
ENSI-Kommentar
Antwort Nagra
Kommentar des ENSI:
Fragen zum Gastransport in einem dichten Wirtgestein und das EGTS werden im technischen Bericht
der Nagra NTB 08-07 diskutiert. Das ENSI hat ausgewählte Ergebnisse zum Gasdruckaufbau und Gastransport durch das Wirtgestein der Nagra mit eigenen Berechnungen überprüft und nachvollzogen.
Das ENSI hat zum in der Frage 50 angesprochenen Punkt in seinem Gutachten zum Vorschlag geologischer Standortgebiete (NTB 08-03) in ENSI 33/070 Stellung genommen. Die Funktionsweise des
EGTS wird in NTB 08-07 anhand von verschiedenen Modellrechnungen dargelegt. Der Bericht NTB
08-07 ist vom Ansatz her eine Machbarkeitsstudie, als solche entspricht sie dem Stand der Technik.
Das ENSI bewertet die Darlegungen der Nagra zu den gasinduzierten Auswirkungen auf die Langzeitsicherheit als nachvollziehbar und stufengerecht.
Beim EGTS sind Sand/Bentonitgemische als Verfüllmaterialien für die Verschlüsse der Lagerkammern
sowie der Zugangs- und Betriebstunnel vorgesehen. Der Erhalt der Gastransportkapazität des EGTS
über lange Zeiträume steht dabei für das ENSI im Zentrum. Das ENSI hat deshalb der Nagra bei der
Beurteilung der Standortvorschläge diverse Fragen zum Kenntnisstand zu Sand/Bentonitgemischen
und zur Behandlung von Unsicherheiten gestellt (siehe Fragen 27, 30, 31, 32 und 34. Die Antworten
sind im Arbeitsbericht 09-29 der Nagra dokumentiert). Das Hauptargument der Nagra, dass durch
die Verwendung geeigneter Verfüllmaterialien ein zusätzliches Volumen zur Aufnahme von Korrosionsgasen und so zusätzliche Flächen für die Gasfreisetzung ins Wirtgestein besteht, ist für das ENSI
nachvollziehbar.
D-63
Die Nagra argumentiert hinsichtlich der Reduktion des Porenraums und damit der Gastransportkapazität z.B. infolge geochemischer Reaktionen im Übergangsbereich zwischen verfüllter Lagerkaverne
und Kavernenversiegelung sowie der Übergang in das Wirtgestein, dass dieser Bereich zum Zeitpunkt
hoher Gasproduktionsraten (< 10'000 Jahre) noch nicht völlig aufgesättigt ist. Insbesondere im ungesättigten Firstbereich der Einlagerungsstollen sind daher keine Mineralausfällungen zu erwarten, die
zu einer substantiellen Verringerung der Gasdurchlässigkeit der Versiegelung führen könnten. Deshalb nimmt die Nagra an, dass die Wahrscheinlichkeit eines schlechten Funktionierens des EGTS aufgrund von geochemischer Wechselwirkungen vernachlässigbar ist. Dass diese Annahme auch für
Gesteine mit höherer hydraulischer Durchlässigkeit zutrifft, ist stufengerecht in den Sicherheitsanalysen der weiteren Etappen des Sachplanverfahrens zu demonstrieren.
Um das Funktionieren des EGTS zu belegen, erachtet das ENSI die Untersuchungen der Nagra als
notwendig, das Verständnis der hydrochemischen Prozesse im gesättigten wie ungesättigten Nahfeld
der Einlagerungskavernen durch zusätzliche Modellierungen, Labor- und in-situ-Experimente zu verbessern. In den weiteren Schritten bei der Realisierung eines SMA- und LMA-Lagers ist der Kenntnisstand darzulegen und das Funktionieren eines EGTS stufengerecht und wirtgesteinsspezifisch zu belegen.
Antwort der Nagra:
Natürliche Gase im Opalinuston
Der Opalinuston in der Nordschweiz und am Mont Terri hat während seiner Versenkungs- und Temperaturgeschichte knapp das Oelfenster, sicher nicht das Gasfenster erreicht (vgl. Datensätze in
Nagra 2002, Kap. 3.3.7). Aus diesem Grund ist es nie zu einer signifikanten Bildung natürlicher Kohlenwasserstoffgase gekommen.
Im Opalinuston gibt es unter natürlichen In-situ-Bedingungen keine freie Gasphase, d.h. die natürlichen Gase sind vollständig im Porenwasser gelöst. Es handelt sich um

Stickstoff (Hauptkomponente  aus Luft und org. Material),

Methan und CO2 (rund 10 mal weniger)

Höhere Kohlenwasserstoffe (Ethan>Propan>Butan) in Spuren
Bei Druckentlastung findet an der Stollenwand eine teilweise Entgasung statt. Die Gasflüsse sind
aufgrund der sehr geringen Durchlässigkeit des Opalinustons sehr gering (Fig. 1 und 2). Messungen
während der Betriebs- und Ausbruchsphasen im Felslabor Mont Terri im Opalinuston zeigen, dass die
Methankonzentration in der Stollenluft immer unter der Nachweisgrenze von 0.05 Vol.-% lag
(schriftl. Mitteilung Paul Bossart, swisstopo, 23.02.2011). Die untere Explosionsgrenze für Methan
liegt bei 4.4 Vol.%. Bei anderen Gesteinen in der Schweiz, welche während ihrer Versenkung höhere
Temperaturen erfahren haben als der Opalinuston und somit das Gasfenster erreicht haben (z. B. die
Mergel der Palfris-Formation im Helvetikum), wurde jeweils unmittelbar nach einem Ausbruch eine
flächenhafte Entgasung des Haufwerks und der Stollenwände festgestellt, was zu viel höheren Gaskonzentrationen in der Stollenluft führte (Schneider 1884). Zudem wurden dort auch zahlreiche Gasbläser und Perlstellen in der Sohle beobachtet. In diesen Gesteinen tritt das Gas sowohl in offenen
Klüften wie auch in Fluideinschlüssen in Calcitadern auf (Gautschi et al. 1990), welche beim Sprengvortrieb zum Teil aufgebrochen werden, wodurch das Gas freigesetzt wird.
D-64
a)
b)
Figur -1:
Gasmessungen im Felslabor Mont Terri (Figuren von A. Vinsot, Andra): In einer mit Argon-Gas gefüllten Bohrung (a) wurde die Zunahme der Stickstoff (N2)- und Kohlendioxid
(CO2)-Konzentration im Lauf der Zeit gemessen. Daraus liess sich die Zuflussrate berechnen (b, unten).
Gasmessungen wurden auch in den Nagra-Tiefbohrungen der Nordschweiz während des Bohrens
durch Entgasung der Bohrspülung durchgeführt (Fig. 2). Die Ergebnisse sind als kontinuierliche Logs
der Gas-Konzentrationen dargestellt (Bohrung Benken: Jäggi & Steffen 1999; ältere Bohrungen: Hinze
et al. 1989).
D-65
Figur 50-2: Prinzip der Gasmessung in Tiefbohrungen (Bohrspülungsentgasung an der Oberfläche,
nach Hinze et al. 1989)
Ein spezieller Effekt dieser Gasmessungen sind die sogenannten Tripgas-Spitzen. Es handelt sich um
erhöhte Gaskonzentrationen beim Wiederanfahren der Spülungszirkulation nach einem Unterbruch
(z.B. nach einer Bohrkernentnahme), entweder durch zuströmendes Gas aus einem offenen Bohrlochabschnitt, oder durch Zerbohren von angesammeltem Bohrklein an der Bohrlochsohle.
Die Messungen im Opalinuston zeigten immer Methan-Konzentrationen < 100 ppm (< 0.01 Vol. %).
Es gibt keine Anzeichen auf erhöhte Werte in der sandigen Fazies des Opalinutons. In den Opalinustonstrecken wurden auch keine Tripgas-Spitzen beobachtet (ausgenommen eine kleine Spitze (< 100
ppm) in der untersten tonigen Fazies der Bohrung Riniken). In der Geothemiebohrung Schlattingen/TG (2011) wurden aus dem Opalinuston Bohrkerne entnommen, welche zurzeit entgast werden.
Die Ergebnisse sind noch ausstehend.
Im Vergleich dazu wurden in einigen anderen Gesteinsformationen bedeutend höhere Werte gemessen, z.B im Muschelkalk bis 10'000 ppm Methan, im Permokarbon bis ~50'000 ppm, mit regelmässigen, gut ausgeprägte Tripgas-Spitzen. CO2-Messungen sind in Tiefbohrungen durch Bohrspülungsadditive (Aetznatron etc.) maskiert und sind deshalb nicht repräsentativ für die natürlichen Verhältnisse
im Untergrund.
Schliesslich wurden Zusammenhang mit Spannungsmessungen sowohl im Opalinuston der Bohrung
Benken wie auch im Felslabor Mont Terri mehrphasige Hydro-Frac-Tests mit Wiederholungszyklen
durchgeführt (Nagra 2001 Bossart & Thury 2008). Bei solchen Tests liegt die Fläche der erzeugten
Risse im Bereich von einem bis wenigen m2. Aus dem Testverlauf ergaben sich keine Hinweise auf das
Vorhandensein einer freien Gasphase.
D-66
Mikrobielle Aktivität im Opalinuston und im Bentonit
Das Microbial Activity Experiment im Mont Terri zeigt, dass die mikrobiologische Aktivität im ungestörten Opalinuston sehr gering ist (Stroes-Gascoyne et al. 2007). Die Autoren führen dies darauf
zurück, dass kein zusammenhängender Porenraum im Porengrössenbereich > 0.1 µm besteht und
dass die Wasseraktivität reduziert ist. Im Gegensatz zum Felslabor Mont Terri, lassen sich in Tiefbohrungen ungestörte mikrobielle Verhältnisse wegen zahlreicher Kontaminationsquellen schlechter
untersuchen.
Die heutige Porenwasserzusammensetzung im Opalinuston ist durch die mikrobielle Katalyse chemischer Reaktionen, insbesondere Redox-Reaktionen beeinflusst, welche vor allem vor der fortgeschrittenen Kompaktion (Diagenese) der Tongesteine wirksam war. Dies wird durch eine Studie an Tonsteinen des Callovo-Oxfordien belegt, welche dem Opalinuston sehr ähnlich sind (Lerouge et al.
2011). Das gleiche Team von Wissenschaftlern untersucht derzeit auch Proben aus dem Opalinuston.
Bei erhöhtem Raumangebot (Auflockerung) und bei Vorhandensein von Wasser z.B. bei Experimenten in Bohrungen oder in der Auflockerungszone (AUZ) der verfüllten Untertagebauwerke in der frühen Phase nach der Verfüllung ist die Aktivität heimischer und eingeschleppter Mikroben bedeutend,
vor allem bei geeignetem Nahrungsangebot (vielfältige Erfahrungen im Mont Terri Projekt).
Internationale Erfahrungen belegen, dass die mikrobiologische Aktivität im kompaktierten Bentonit
(Trockendichte >1400 kg/m3) sehr gering ist (Chapelle 1993, Pusch 1999, Pedersen 2000, StroesGascoyne et al. 2002, Stroes-Gascoyne 2011).
Mikrobiell beeinflusste Prozesse und ihre Bedeutung für die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers
HAA-Lager: Es wird erwartet, dass im Bereich der Auflockerungszone kurz nach Verschluss des Lagers, vor Aufsättigung und Aufbau des Quelldrucks und Kompaktion des aufgelockerten Porenraums,
d.h. lange vor der Freisetzung von Radionukliden eine mikrobielle Aktivität stattfindet, welche die
Reduktion von Sulfat im eindringenden Porenwasser und den Abbau von organischem Material im
Bereich der AUZ-Klüfte bewirkt bzw. beschleunigt.
Später unterbindet die Selbstabdichtung der AUZ und der quellende Bentonit die mikrobiologische
Aktivität sulfatreduzierender Mikroben (siehe oben). Ein signifikanter ungünstiger Einfluss auf das
Verhalten der technischen Barrieren und die Radionuklid-Freisetzung wird deshalb nicht erwartet.
SMA- / LMA-Lager: Trotz hohem pH-Wert (Zement) wird eine gewisse mikrobiologische Aktivität im
ganzen Nahfeld eines Lagers erwartet; diese bewirkt folgendes: (i) Beitrag zum Sauerstoff-verzehr
während des Betrieb bis kurz nach Verschluss des Lagers, was zu einer Herabsetzung der Radionuklid-Löslichkeit führt; (ii) Oxidation von Wasserstoffgas aus Stahlkorrosion durch Sulfat (Gas wird vollständig eliminiert), nach vollständigem Sulfatverzehr durch CO2 (Gasmenge wird reduziert); (iii) Abbau der organischen Stoffe im Abfall durch Oxidation mit Sulfat (was zu einer Erhöhung CO2Bildungsrate führt und somit die Zementdegradation beschleunigt) und – nach vollständigem Sulfatverzehr – durch Fermentation, was zu Methan- und CO2-Bildung führt ( Zementdegradation). Alle
Prozesse, welche potenziell einen ungünstigen Einfluss auf die Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers
haben können, werden in der Sicherheitsanalyse quantitativ berücksichtigt. Es werden auch umfangreiche Untersuchungen im Hinblick auf eine Verminderung ungünstiger Effekte durchgeführt (z.B.
Reduktion der Gasbildungsraten durch Pyrolyse der Abfälle, oder durch eine Reduktion der Metalloberfläche durch Schmelzprozesse).
Im Rahmen des Sachplans Geologische Tiefenlager werden diese Prozesse, insbesondere die Rolle
der Mikrobiologie in Etappe 2 und 3 vertieft untersucht.
D-67
Fazit

Dem Umstand, dass im Opalinuston auch natürliche Gase (Methan, höhere Kohlenwasserstoffe, CO2) auftreten, wird Rechnung getragen, d.h. die Gaszusammensetzung, die Konzentration der einzelnen Gase und die Gasflüsse wurden quantitativ erfasst.

Natürliche Gase (Stickstoff, Methan + höhere Kohlenwasserstoffe und CO2) sind im Opalinuston vorhanden, aber in so geringer Konzentration, dass sie nur in gelöster Form auftreten

Bei Druckentlastung kann ein Teil dieser Gase freigesetzt werden, wegen der sehr geringen
hydraulischen Durchlässigkeit des Opalinustons ist der Gasfluss in die Stollen aber unbedeutend

Auch in der sandigen Fazies des Opalinustons wurden in den Tiefbohrungen keine erhöhten
Methankonzentrationen gemessen

Die Methankonzentration in der Stollenluft des Felslabors Mont Terri lag sowohl während
der Betriebs- wie auch der Ausbruchsphasen stets unterhalb der Nachweisgrenze des Kontrollgeräts (d.h. < 0.05 Vol.-%)

Die mikrobielle Aktivität wird – wo potenziell von Bedeutung - in der Sicherheitsanalyse
quantitativ berücksichtigt (CH4 –Bildung, Einfluss von CO2 auf Zementdegradation), der Einfluss natürlicher Gase ist von untergeordneter Bedeutung

Die Aspekte der Gasbildung (natürliche Gase und Korrosions- und Degradationsgase) und des
Gastransports in natürlichen und technischen Barrieren werden sowohl national wie auch im
Rahmen
von
internationalen
Gemeinschaftsprojekten
(zB.
FORGE
http://www.bgs.ac.uk/forge/) weiterhin in grossem Umfang untersucht. Die Ergebnisse werden laufend publiziert.
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D-68
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D-69
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
51
Frage
Behältermaterial für radioaktive Abfälle
a) Welche Materialien stehen für die Einlagerung und Ummantelung der radioaktiven Abfälle zur Verfügung und
welche eignen sich nach aktuellem Wissensstand dazu
am besten?
b) Wann muss diese Frage final beantwortet sein?
Eingangsdatum: 27.01.2011
Fragesteller
Beantwortet durch
Medienstelle
Nördlich
Lägern und
Zürich Nordost
Herr Zuest
a), b) Nagra
b) ENSI
Beantwortet am: 01.12.2011
Antwort der Nagra:
a) Welche Materialien stehen für die Einlagerung und Ummantelung der radioaktiven Abfälle zur
Verfügung und welche eignen sich nach aktuellem Wissensstand dazu am besten?
Die Endlagerbehälter, in welchen die radioaktiven Abfälle eingepackt werden, sind eines von mehreren Elementen des Systems der passiven Sicherheitsbarrieren. Die weiteren Elemente sind die Abfallmatrix (z.B. Glas bei den verglasten hochaktiven Abfällen oder die UO2-Matrix für die verbrauchten Brennelemente), das Verfüllmaterial, welches in den Lagerkammern die Hohlräume um die Endlagerbehälter ausfüllt und das Wirtgestein, in welchem die Lagerkammern erstellt werden, sowie die
Versiegelung und Verfüllung der Zugänge zu den Lagerkammern. Die Lagerkammern werden in einer
geologisch stabilen Situation in einer Tiefe von mehreren hundert Metern unter Terrain angeordnet.
Die Endlagerbehälter für die verbrauchten Brennelemente (BE) bzw. die verglasten hochaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung des verbrauchten Brennstoffs (HAA) sind im Sinne einer Optimierung der Langzeitsicherheit so auszulegen, dass die Radionuklide für mindestens 1000 Jahre vollständig eingeschlossen sind (vgl. ENSI-Richtlinie G03). Damit werden keine radioaktiven Stoffe während
der Zeit der grössten Aktivität aus den Abfällen freigesetzt. Die Sicherheitsanalysen zeigen zudem,
dass für die BE bzw. HAA in einem Lager im Opalinuston die Einschlusszeit im Endlagerbehälter für
die Langzeitsicherheit nur von beschränkter Bedeutung ist; wegen der hervorragenden Wirkung der
anderen Barrieren (insbesondere des Wirtgesteins Opalinuston) ergeben sich auch bei hypothetischer Vernachlässigung der Einschlusswirkung der Endlagerbehälter praktisch gleich tiefe Dosen wie
für den Fall eines wirksamen Einschlusses für 10'000 Jahre. Für die Endlagerbehälter für die schwachund mittelaktiven Abfälle (SMA) wird von den Behörden keine Mindesteinschlusszeit vorgegeben.
Wegen der viel kleineren Radiotoxizität der SMA ist ein länger dauernder Einschluss in den Endlagerbehältern nicht notwendig. Für die SMA sind Endlagerbehälter aus Beton vorgesehen.
Für die Festlegung der Materialien und der Auslegung der Endlagerbehälter für BE bzw. HAA werden
verschiedene Kategorien von Anforderungen berücksichtigt, nämlich Anforderungen bezüglich Langzeitsicherheit, radiologischer Betriebssicherheit und technischer Machbarkeit. Dabei sind neben der
Langzeitbeständigkeit unter den erwarteten Bedingungen (massgebend für die Einschlussdauer) und
der Festigkeit des Behältermaterials (massgebend für die Behälterauslegung mit / ohne Innenbehälter) auch die möglichen Einwirkungen des Endlagerbehälters und seiner Korrosionsprodukte (z.B.
Bildung von Wasserstoffgas als Folge der anoxischen Korrosion von Stahl) auf die anderen Sicherheitsbarrieren sowie die Prognostizierbarkeit des langzeitigen Materialverhaltens und die Zuverlässigkeit von Herstellung und Verschluss des Behälters wichtige Aspekte.
Die verschiedenen Materialien für die BE-/HAA-Endlagerbehälter werden schon seit mehreren 10
Jahren in den verschiedenen Entsorgungsprogrammen bezüglich ihrer Eignung evaluiert. Zu den untersuchten Materialien gehören Kohlenstoffstahl, rostfreier Stahl, Ni-Legierungen, Kupfer, Titan(D-70
Legierungen) sowie verschiedene keramische Werkstoffe. Zurzeit werden Behälterkonzepte mit Kohlenstoffstahl und Kupfer (als Hülle eines Innenbehälters z.B. aus Gusseisen) als geeignet beurteilt
(Prognostizierbarkeit des langzeitigen Materialverhaltens unter den erwarteten in-situ Bedingungen
und Zuverlässigkeit von Herstellung und Verschluss des Behälters, inkl. vorgesehener Prüfungen)).
Andere Materialien sind bezüglich ihres Langzeitverhaltens eher weniger geeignet (z.B. rostfreie
Stähle unter den erwarteten Bedingungen (anoxisch, leicht erhöhte Salinität, etwa neutraler pH)
oder aber die vorhandenen Erfahrungen unter den erwarteten Bedingungen sind für Aussagen zum
Langzeitverhalten noch relativ wenig umfangreich (z.B. Ni-Legierungen). Für gewisse Materialien (z.B.
Keramik) sind weitere Entwicklungen notwendig, um ihre Eignung belastbar beurteilen zu können.
Im gegenwärtigen Nagra-Programm ist Kohlenstoffstahl das Referenzmaterial, als Alternative wird
ein Gusseisen-Innenbehälter mit Kupfermantel betrachtet (Referenzbehälter im finnischen und
schwedischen Entsorgungsprogramm). Weiter wird Keramik geprüft und es ist geplant, die Möglichkeit der Nutzung von Beschichtungen (Keramik, Kupfer, etc.) zu prüfen. Reserveoptionen (ohne aktive Bearbeitung) sind Innenbehälter mit einer Hülle aus Ni-Legierungen bzw. aus Titan(-Legierungen).
b) Wann muss diese Frage final beantwortet sein?
Die abschliessende Festlegung der Behälterauslegung und damit die abschliessende Festlegung des
Behältermaterials erfolgt erst mit der nuklearen Baubewilligung (für das SMA-Lager ab ca. 2030, für
das HAA-Lager ab ca. 2045). Für die Entwicklungsarbeiten und die Erarbeitung der Gesuchsunterlagen müssen die notwendigen Vorentscheide aber früher gefällt werden (für das SMA-Lager ab
ca. 2025, für das HAA-Lager ab ca. 2035). Für das Rahmenbewilligungsgesuch (ab ca. 2018) ist vorgesehen, für die BE-/HAA-Behälter mehr als eine Variante zu betrachten (z.B. Behälter aus Kohlenstoffstahl bzw. Behälter mit Kupferhülle).
Antwort des ENSI:
Die behördlichen Vorgaben zum Behältermaterial sind in der Kernenergieverordnung (KEV) und der
Richtlinie ENSI-G03 festgehalten:
Mehrfachbarrierensystem
Ein Geologisches Tiefenlager ist so auszulegen, dass die Langzeitsicherheit durch gestaffelte, passiv
wirkende, technische und natürliche Barrieren Sicherheitsbarrieren gewährleistet wird (KEV Art.11,
ENSI-G03 Leitsatz Sicherheitsbarrieren). Bei der Auslegung der Lagereinbauten, einschliesslich der
technischen Barrieren, ist auf die physikalische und chemische Verträglichkeit mit den Abfällen und
mit der natürlichen Barriere zu achten (ENSI-G03). Weiterhin sind gemäss KEV Art. 7 bei der Auslegung, beim Bau, bei der Inbetriebnahme und beim Betrieb von Kernanlagen bewährte oder nachweislich hochqualitative Verfahren, Werkstoffe, Techniken sowie Organisationsstrukturen und abläufe einzusetzen.
Zusätzlich dürfen gemäss Richtlinie ENSI-G03 Abfallgebinde nur dann angenommen werden, wenn
ihr chemisches und radiologisches Inventar mit den entsprechenden Voraussetzungen des Sicherheitsnachweises verträglich ist. Die für die Einlagerung von Abfallgebinden in einem geologischen
Tiefenlager erforderlichen Verpackungsverfahren sowie die Nachweise für die Erfüllung der Annahmebedingungen für das vorgesehene geologische Tiefenlager sind dem ENSI zur Prüfung vorzulegen.
D-71
Anforderungen an die Lagerbehälter
Des Weiteren gibt es in der Richtlinie ENSI-G03 spezifische Anforderungen an die Lagerbehälter. Im
Sinne einer Optimierung der Langzeitsicherheit sind die Lagerbehälter für hochaktive Abfälle auf einen vollständigen Einschluss der Radionuklide während tausend Jahren ab deren Einlagerung auszulegen. Die Entsorgungspflichtigen haben die zeitliche Einschlussfähigkeit der Lagerbehälter aufzuzeigen. Lagercontainer für schwach und mittel aktive Abfälle sind bezüglich mechanischer Beständigkeit
so auszulegen, dass sie mindestens bis zum Ende der Beobachtungsphase ohne grossen Aufwand
rückgeholt werden können.
Stellungnahmen des ENSI (bzw. der ehemaligen HSK) zum Entsorgungsnachweis Projekt Opalinuston
Das ideale Behältermaterial gibt es nicht, kein Material hat nur Vorteile. Der von der Nagra vorgeschlagene Stahlbehälter für hochaktive Abfälle wurde vom ENSI im Rahmen des Entsorgungsnachweises Projekt Opalinuston beurteilt. Das Behältermaterial Stahl für hochaktive Abfälle hat Vor- und
Nachteile. Die Vorteile dieses Behältermaterials sind beispielsweise, dass die Eigenschaften des Materials recht gut bekannt sind und sein Verhalten unter Tiefenlagerbedingungen entsprechend gut
vorhersagbar ist. Die Korrosionsprodukte des Eisens und das bei der Korrosion entstehende Wasserstoffgas wirken stabilisierend auf die Redox-Verhältnisse im Tiefenlagernahfeld (HSK 35/99). Ein
wichtiger Nachteil des Stahlbehälters ist hingegen, dass die Korrosionsrate und damit die Bildungsrate des Wasserstoffgases zu hoch sind, als dass das Gas im Porenwasser gelöst bleibt. Die geringe
Gasdurchlässigkeit der Bentonitverfüllung und des Opalinustons behindert das Entweichen des Gases, was zu einem Druckaufbau um den Behälter führt. Ist genügend Druck aufgebaut, beginnt das
Gas sich auszubreiten und muss dabei als erste Barriere die Bentonitverfüllung überwinden. Die
Möglichkeiten des Weitertransportes des Gases im Wirtgestein sind entscheidend, um abzuklären,
ob der Gasdruck am Übergang vom Nahfeld zum Wirtgestein unter Bildung neuer Wegsamkeiten zu
einer irreversiblen Beschädigung des Wirtgesteins führt.
Zusammenfassend lässt sich für den Entsorgungsnachweis Projekt Opalinuston festhalten, dass das
ENSI bezüglich Gastransport im Opalinuston zum Schluss kommt, dass die Nagra das Problem des
Gastransportes umfassend angegangen hat. Die vom ENSI erkannten offenen Fragen werden
dadurch relativiert, dass die Nagra in konservativer Weise von einer kontinuierlich maximalen Gasproduktion ausgeht und die Wasserzehrung sowie den Gastransport entlang der EDZ (Auflockerungszone um den Lagerstollen) nicht berücksichtigt hat. Das ENSI stellt aufgrund eigener Berechnungen
fest, dass der von der Nagra aufgestellte Nachweis generell robust ist und aufzeigt, dass irreversible
Schäden im Wirtgestein durch die auftretenden Gasdrücke nicht zu erwarten sind (HSK 35/99).
Der von der Nagra als Alternative betrachtete Kupferbehälter mit Innenbehälter aus Eisen würde
voraussichtlich während noch längerer Zeit (mehrere 100'000 Jahre) einen absoluten Einschluss gewährleisten. Dank der geringeren Korrosionsrate würde weniger Wasserstoffgas entstehen. Diese
Behältervariante wirft hingegen andere Fragen auf, z.B. zur galvanischen Korrosion von Eisen und
Kupfer oder zur Frage der Sulfidkorrosion von Kupfer, die es zu klären gäbe (HSK 35/99).
Nach Ansicht des ENSI stellen die offenen Fragen bezüglich Materialeigenschaften und Korrosionsverhalten der Behälter die Machbarkeit der Tiefenlagerung nicht in Frage. Sollte sich im Laufe der
weiteren Abklärungen herausstellen, dass bei der Verwendung eines Stahlbehälters der bei der Korrosion entstehende Wasserstoff die Wirkung der technischen und natürlichen Barrieren beeinträchtigen könnte, besteht die Möglichkeit, statt dessen den als Alternative beschriebenen Kupferbehälter
zu verwenden (HSK 35/99).
D-72
Das ENSI hat anlässlich seiner Beurteilung des Entsorgungsnachweises weitere Abklärungen zur Gasproblematik gefordert, darunter auch bezüglich Behältermaterialien und des Gastransports durch die
Bentonitverfüllung und das Wirtgestein. Diese Empfehlungen müssen stufengerecht im Verlauf der
weiteren Realisierungsschritte des Lagerprojektes beantwortet werden. Wenn Behälter aus anderen
Materialien bezüglich Sicherheit klare Vorteile zeigen, soll man diese im Sinne einer Optimierung des
Lagerkonzepts verwenden. Die Nagra muss gemäss Artikel 23 der Kernenergieverordnung im Rahmenbewilligungsgesuch die Grundsätze des Tiefenlagers sowie gemäss Artikel 17 des Kernenergiegesetzes im Baubewilligungsgesuch die wesentlichen Elemente der technischen Verwirklichung angeben. Mit der Baubewilligung wird daher das definitive Behälterdesign festgelegt.
Referenzen
ENSI-G03: Spezifische Auslegungsgrundsätze für geologische Tiefenlager und Anforderungen an den
Sicherheitsnachweis, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Richtlinie, Würenlingen,
2009.
HSK 35/99: Gutachten zum Entsorgungsnachweis der Nagra für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive sowie langlebige mittelaktive Abfälle (Projekt Opalinuston), Hauptabteilung
für die Sicherheit der Kernanlagen, Würenlingen, 2005.
KEG: Kernenergiegesetz vom 21. März 2003, Schweiz, SR 732.1.
KEV: Kernenergieverordnung vom 10. Dezember 2004, Schweiz, SR 732.11.
D-73
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
53
Frage
Thermal- und Trinkwasserquellen
a) Sind Thermal- und Trinkwasserquellen auch über lange
Zeiträume (10'000 Jahre) stabil?
b) Wenn nicht: was ergeben sich für Konsequenzen daraus
auf die Modellierung von Freisetzungspfaden radioaktiver Stoffe?
c) Ist zu erwarten, dass im Falle eines Tiefenlagers in der
Region bestimmte tiefliegende und bislang nicht genutzte Grundwasservorkommen eine Nutzungseinschräkung
erfahren?
Eingangsdatum: 23.02.2011
Fragesteller
Beantwortet durch
Gemeinderat
Gipf-Oberfrick
ENSI
Nagra
Beantwortet am: 15.09.2011
Antwort des ENSI:
Im Technischen Forum Sicherheit wurden bereits mehrere Fragen zum Grundwasser gestellt und
beantwortet (Fragen 10, 18, 19, 20, 33, 34 und 49). Nutzungskonflikte, die während der Vorbereitung, des Baus und des Betriebs bis zum Verschluss eines Tiefenlagers auftreten können, werden in
den Fragen 21, 35 und 36 angesprochen. Frage 53 bezieht sich auf die Langzeitstabilität von Grundwasservorkommen sowie langfristige Nutzungskonflikte. Das ENSI geht deshalb in dieser Antwort auf
den Zeitraum nach dem Verschluss des Tiefenlagers ein.
Grundwasser tritt in Quellen natürlich an der Oberfläche aus. In der Schweiz bestehen ausserdem
zahlreiche Bohrungen, mit denen das Grundwasser direkt aus dem Untergrund gewonnen wird. Deshalb betrachtet das ENSI in der Antwort neben natürlichen Quellen auch Bohrungen.
Eine Unterscheidung verschiedener Grundwasservorkommen nach ihren Eigenschaften oder nach
ihrer Nutzung (z.B. Thermalwasser, Mineralwasser, Trinkwasser, Bäderbetrieb) ist für die Frage der
Stabilität von Grundwasservorkommen über lange Zeiträume (10'000 Jahre) ohne Bedeutung. In der
Antwort unterschied das ENSI darum nicht zwischen den verschiedenen Arten von Grundwasservorkommen.
Die mit der Frage angesprochene Modellierung von Freisetzungspfaden betrifft nur einen kleinen,
sehr speziellen Ausschnitt des Themas der Freisetzung radioaktiver Stoffe aus einem geologischen
Tiefenlager. Die Modellierung der Freisetzungspfade betrachtet das ENSI im Rahmen einer umfassenderen Betrachtung der Freisetzung.
a) Sind Thermal- und Trinkwasserquellen auch über lange Zeiträume (10‘000 Jahre) stabil?
Die Stabilität von Grundwasservorkommen ist quantitativ (Strömung, Fliessgeschwindigkeit, Quellschüttung) und qualitativ (natürlich enthaltene Stoffe, Verschmutzungen) zu betrachten. Sowohl die
Quellschüttung als auch die Wasserqualität sind im Laufe von Jahrtausenden natürlichen, geologischen und klimatischen Veränderungen unterworfen (Figur 53-1): Quellen können aufgrund steigender Temperaturen und dadurch verstärkter Verdunstung austrocknen. Nach Erdrutschen können sich
Quellen verlagern. Und schliesslich kann auch der Mensch das Grundwasser beeinflussen, z.B. durch
Wasserentnahmen oder durch das Stauen von Gewässern.
D-74
Wasserspiegel
Druckwassers
piegel
Quelle
Quelle
Gru
ndw
a
Grundwasserleiter
sser
le
iter
GW-leiter
Grundwasserstauer
Figur 53-1: Links: Überlaufquelle - der Wasserspiegel und die Quellschüttung unterliegen jahreszeitlichen Schwankungen.
Rechts: Störungsgebundene Quelle mit artesisch auslaufendem Wasser aus tiefer Zirkulation - der Wasserspiegel und die Quellschüttung ändern sich weniger.
Eine langfristige Prognose der Grundwasservorkommen ist schwierig, weil die äusseren Einflüsse
nicht genau prognostiziert werden können. Die Sicherheitsanalyse für ein Geologisches Tiefenlagers
muss deshalb die gesamte Bandbreite möglicher Entwicklungen der Grundwasserverhältnisse, des
Lebensraums und der Umwelt (Biosphäre) in ihrer Analyse enthalten.
Grund- und Thermalwasserquellen beziehen ihr Wasser aus gut durchlässigen Gesteinen (Grundwasserleitern). In einem geologischen Tiefenlager werden die radioaktiven Abfälle hingegen in sehr gering durchlässigen Wirt- und Rahmengesteinen eingeschlossen. Durch diesen Einschluss ist die Lagerzone von den darüber und darunter liegenden Grundwasserleitern hydraulisch getrennt und die
Grundwasserströme werden von der verfüllten Lagerzone nicht beeinflusst (siehe Figur 53-2).
Deckschichten (u.a.
Grundwasserleiter
hydraulisch getrennt
Gering durchlässiger
einschlusswirksamer
Gebirgsbereich (Wirt- und
Rahmengesteine)
Figur 53-2: Die Lagerzone des geologischen Tiefenlagers ist hydraulisch von den darüber und darunter liegenden Deckschichten getrennt (Bild: umgezeichnet aus Nagra-Broschüre).
Direkt im Bereich der Lagerzone eines Tiefenlagers aufsteigende Wässer belegen eine erhöhte hydraulische Durchlässigkeit des Gesteins (unvollständige hydraulische Barriere) und sind nicht zulässig.
Solche Gebiete werden bei der Standortsuche ausgeschlossen.
Unterirdische Lagerbauwerke müssen ebenso wie Verkehrstunnel grundsätzlich so gebaut werden,
dass die dauerhafte hydraulische Trennung der verschiedenen wasserführenden Schichten untereinander und der Schutz des Grundwassers gewährleistet sind. Dies wird im Rahmenbewilligungsverfahren (Umweltverträglichkeitsprüfung UVP) beurteilt.
D-75
b) Wenn nicht: Was ergeben sich für Konsequenzen daraus auf die Modellierung von Freisetzungspfaden radioaktiver Stoffe?
Die Freisetzung von radioaktiven Stoffen aus dem Tiefenlager wird an der Grenze des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs beim Eintritt in den Lebensraum und die Umwelt (Biosphäre) ermittelt (Figur 53-3). Die darüber oder darunter liegenden Gesteinsschichten, in denen Grundwasser zirkulieren
kann, bewirken zwar eine Verdünnung, sie halten die radioaktiven Stoffe jedoch nicht zurück
(Barrierenfunktion): Es wird konservativ davon ausgegangen, dass diese Stoffe nach ihrer Freisetzung
aus dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich direkt in die Biosphäre eintreten. Im Sicherheitsnachweis sind auch Varianten zu berücksichtigen, bei denen die radioaktiven Stoffe schneller freigesetzt
werden, z.B. durch Brüche im Gestein.
Figur 53-3: Freisetzung radioaktiver Stoffe an der Grenze des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs
und direkter Übergang in die Biosphäre.
Für die Freisetzung von Radionukliden (Emission) gibt es keine Grenzwerte. Es gilt jedoch, eine möglichst geringe Freisetzung anzustreben (Optimierungsgebot). Für die Einwirkungen auf den Menschen
(Immission) wird in der Richtlinie ENSI-G03 «Spezifische Auslegungsgrundsätze für geologische Tiefenlager und Anforderungen an den Sicherheitsnachweis» verlangt, dass die individuelle Strahlendosis von 0.1 mSv pro Jahr nicht überschritten werden darf. Dieser Grenzwert ist ein Bruchteil der
Strahlendosis aus natürlichen und anderen Quellen (kosmische Strahlung, Hintergrundbelastung aus
natürlichen Böden, medizinische Vorsorge und Behandlung).
Die ENSI Richtlinie G03 enthält auch Vorgaben zur Ermittlung der Individualdosis. Im Übergang von
der Freisetzung bis zur Einwirkung auf den Menschen spielen Betrachtungen der Umwelt und der
Lebensweise der Menschen eine Rolle (Nutzungsszenarien): Wasser kann direkt getrunken oder zur
Bewässerung von Anbauflächen genutzt werden. Klima- und Umweltveränderungen können deshalb
die Individualdosis beeinflussen und sind in den Prognoserechnungen zu berücksichtigen.
D-76
c) Ist zu erwarten, dass im Falle eines Tiefenlagers in der Region bestimmte tiefliegende und bislang nicht genutzte Grundwasservorkommen eine Nutzungseinschränkung erfahren?
Nutzungskonflikte werden mit dem Kriterium 2.4 im Sachplanverfahren für geologische Tiefenlager
berücksichtigt. Sie sind im Verlauf des Auswahlverfahrens stufengerecht in allen 3 Etappen zu bearbeiten, zu beurteilen und im sicherheitstechnischen Vergleich abzuwägen. Günstiger sind Gebiete, in
denen weniger Nutzungskonflikte zu erwarten sind.
In der Langzeitbetrachtung nach dem Verschluss des Tiefenlagers ergeben sich Einschränkungen bei
der Erschliessung tiefliegender Grundwasser- und anderer Rohstoffvorkommen unterhalb des Lagers:
Ein Geologisches Tiefenlager darf nicht durchbohrt werden. Im Kernenergiegesetz ist dafür ein
Schutzbereich für geologische Tiefenlager vorgeschrieben. Der Schutzbereich umfasst den gesamten
Raum im Untergrund, in dem Eingriffe die Sicherheit des Lagers beeinträchtigen könnten, also auch
oberhalb eines geologischen Tiefenlagers liegende Schichten.
Unbeabsichtigtes Anbohren, z.B. bei der Suche nach Rohstoffen, ist in der Sicherheitsanalyse als Variante zu berücksichtigen. Auch in diesem Fall müssen die Dosisschutzkriterien der ENSI Richtlinie G03 eingehalten werden.
Tiefliegende Grundwasservorkommen sind allerdings nur in Ausnahmefällen nutzbar: Oft sind die
Strömungsmengen und -geschwindigkeiten zu gering oder die chemischen Zusammensetzung des
Wassers ist ungünstig für eine wirtschaftliche Nutzung. Die Ausführungen zu Nutzungskonflikten
hinsichtlich Grundwasser gelten jedoch auch für weitere, tiefliegende Ressourcen wie Öl, Gas, Kohle,
Erz, geothermische Energie, Baustoffe oder Raumnutzung, z.B. zur Speicherung von Kohlendioxid im
tiefen Untergrund.
Antwort der Nagra:
a) Sind Thermal- und Trinkwasserquellen auch über lange Zeiträume (10‘000 Jahre) stabil?
Bei Trinkwasserquellen beziehungsweise Trinkwasserentnahmebohrungen handelt es sich in der
Regel um schwach mineralisierte, oberflächennahe Grundwasserzirkulationssysteme aus quartären
Lockergesteinen oder geklüfteten Festgesteinen. Die Thermal- und Mineralwässer im tieferen Untergrund werden nur in seltenen Fällen als Trinkwasser verwendet (z.B. Aquarena, Zurzach), weil die
Salinität der Tiefengrundwässer meistens zu hoch ist.
Die oberflächennahen Grundwassersysteme unterliegen gewissen Schwankungen, welche in erster
Linie von den jahreszeitlichen und klimatischen Veränderungen beeinflusst sind. Frühestens im Falle
einer Eiszeit (aus heutiger Sicht nicht vor 50'000 Jahren zu erwarten) würden die oberflächennahen
Systeme durch Erosions- und Ablagerungsvorgänge komplett verändert.
Tiefengrundwassersysteme sind viel stabiler als die oberflächennahen Systeme. Durch Erosionsprozesse können sich natürliche Austrittstellen von Thermalwasser (z.B. Thermalquellen Baden) örtlich
etwas verschieben, weil sich der Schnittpunkt des Grundwasserleiters oder einer transmissiven Störungszone mit der Erdoberfläche verschiebt, die Eigenschaften der Tiefengrundwasserleiter (z.B. ihre
Durchlässigkeit) bleiben aber stabil.
Über sehr lange Zeiträume (zehn- bis hunderttausende von Jahren) kann sich – je nach hydrogeologischem System – die chemische Zusammensetzung der Wässer kontinuierlich verändern; in stark gegen oben abgeschirmten Grundwasserleitern können die chemischen Verhältnisse auch über Millionen von Jahren stabil sein.
D-77
b) Wenn nicht: Was ergeben sich für Konsequenzen daraus auf die Modellierung von Freisetzungspfaden radioaktiver Stoffe?
Zuerst muss festgehalten werden, dass ein Geologisches Tiefenlager in einer sehr geringdurchlässigen Gesteinsformation platziert wird, in welcher eine Freisetzung von Radionukliden nur sehr langsam erfolgt (v.a. durch Diffusionsprozesse, sehr geringer advektiver Fluss), welche über geologische
Zeiträume stabil ist. Praktisch alle Radionuklide werden in den technischen Barrieren und im lagernahen Wirtgestein sorbiert und zerfallen dort. Der sehr kleine Anteil von Radionukliden (vgl. zitierte
Figuren), welcher aufgrund ihrer langen Halbwertszeit, ihres fehlenden Sorptionsvermögens im Nahfeld beziehungsweise im Wirtgestein / einschlusswirksamen Gebirgsbereich nicht vollständig zurückgehalten wird (NTB 02-05, Fig. 6.6-2; NTB 08-05, Fig. 4.7-2b), gelangt in der Regel über einen Tiefengrundwasserleiter in ein oberflächennahes Grundwasser oder in ein Oberflächengewässer.
In den Sicherheitsanalysen berücksichtigt die Nagra nur die Rückhaltung im Nahfeld sowie im Wirtgestein beziehungsweise einschlusswirksamen Gebirgsbereich. Für die Berechnung der Dosen für die
freigesetzten Radionuklide werden die Wasserflüsse in den Tiefengrundwasserleitern und im oberflächennahen Grundwasser beziehungsweise Oberflächengewässer berücksichtigt
Wegen der sehr kleinen Durchlässigkeit der Wirtgesteine / einschlusswirksamen Gebirgsbereiche und
der gewählten langzeitstabilen geologischen Situation ist für die Evaluation der Radionuklidrückhaltung die Langzeitstabilität gegeben
Für die Berechnung der Dosen für die freigesetzten Radionuklide hingegen berücksichtigt die Nagra
wegen den über die langen Zeiträume zu erwartenden, räumlich nicht genau vorhersagbaren Veränderungen der hydrogeologischen Verhältnisse in den Grundwasserleitern in der Sicherheitsanalyse
ein sehr breites Spektrum von zukünftig möglichen Situationen (Austritt von Radionukliden in ein
grösseres Tal mit mächtigeren Grundwasserströmen beziehungsweise in ein kleines Nebental mit
kleinem Grundwasserstrom)
Eine Sicherheitsanalyse muss zeigen können, dass die Sicherheit eines Tiefenlagers für das ganze
Spektrum der möglichen Situationen gewährleistet ist, das heisst, dass das Schutzziel von
0.1 mSv/Jahr (ca. 1/50 der heutigen durchschnittlichen Strahlenbelastung des Menschen in der
Schweiz (Durchschnitt: 5.5 mSv/a, in Einzelfällen bis 200 mSv/a oder mehr (BAG 2009)) nicht überschritten wird.
c) Ist zu erwarten, dass im Falle eines Tiefenlagers in der Region bestimmte tiefliegende und bislang nicht genutzte Grundwasservorkommen eine Nutzungseinschränkung erfahren?
Ja – Gemäss Kernenergie-Gesetz wird es einen Schutzbereich für ein Geologisches Tiefenlager geben.
Die genaue Definition des Schutzbereichs und die damit verbundenen Einschränkungen werden
durch die Behörden im Rahmen der Bewilligungen (Rahmenbewilligung, etc.) festgelegt.
D-78
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
56
Naturgefahren während der Bauphase
Welche Auswirkungen können Naturereignisse auf ein im Bau
befindliches Tiefenlager haben und wie aufwändig sind entsprechende Schutzvorkehrungen?
Folgende Naturereignisse sind von Interesse:
a) Erdbeben der Intensität 7.5 oder mehr auf der Richterskala
b) Lokaler Erdrutsch
c) Regionales Hochwasser
d) Dammbruch des Schluchsees
Gemeinderat
Stadt Laufenburg (AG)
ENSI
Nagra
Eingangsdatum: 23.02.2011
Beantwortet am: 01.12.2011
Antwort des ENSI:
Gemäss Artikel 8 der Kernenergieverordnung sind bei Kernanlagen Schutzmassnahmen gegen Störfälle mit Ursprung innerhalb oder ausserhalb der Anlage zu treffen. Als Störfälle mit Ursprung ausserhalb der Anlage gelten insbesondere Störfälle, die ausgelöst werden können durch Erdbeben,
Überflutung, unfallbedingten Absturz von zivilen und militärischen Flugzeugen auf die Anlage,
Sturmböe, Blitzschlag, Druckwelle, Brand, Verlust der externen Stromversorgung und Beeinträchtigung oder Unterbruch der externen Kühlwasserzufuhr. Die in der gestellten Frage 56 genannten „Naturereignisse“ werden durch Artikel 8 der Kernenergieverordnung abgedeckt.
Ein Geologisches Tiefenlager ist eine Kernanlage. Gemäss ENSI-Richtline G03 ist für die Betriebsphase
eine probabilistische Sicherheitsanalyse durchzuführen. Die dazu notwendige Gefährdungsanalyse
durch extern ausgelöste Ereignisse wie Erdbeben, Überflutung, usw. ist gemäss Verordnung des
UVEK über die Gefährdungsannahmen und die Bewertung des Schutzes gegen Störfälle in Kernanlagen durchzuführen. Folglich müssen oberflächennahe Naturgefahren beherrscht werden. Der Gesuchsteller (Nagra) hat entsprechende Sicherheitsnachweise zur Beherrschung dieser Auswirkungen
auf Oberflächenanlagen und Untertagebauten für die Betriebsphase und Nachverschlussphase zu
erbringen.
Da es sich bei einem im Bau befindlichen geologischen Tiefenlager vor der Betriebsphase um eine
konventionelle Baustelle handelt, gilt der Fokus unserer Antwort der Betriebsphase von Oberflächenund Untertagebauwerke. Die Betriebsphase der Anlage beginnt, wenn die ersten radioaktiven Abfälle
angeliefert werden. Bau und Betrieb der Anlage werden zeitlich einige Jahre überlappen. Für die
Erdbebengefährdung von Untertagebauwerke während der Nachverschlussphase wird an dieser Stelle auf die Antwort zur TFS-Frage 44 verwiesen.
Antwort zu a)
Die von der Nagra vorgeschlagenen Standortgebiete der Nordschweiz liegen in seismisch ruhigen
Gebieten. Trotzdem ist über lange Zeiträume damit zu rechnen, dass auch Erdbeben mittlerer und
grosser Stärke auftreten. Für die Betriebsphase der Oberflächenanlagen und Untertagebauwerke
sind probabilistische Sicherheitsanalysen bzgl. Erdbeben basierend auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik durchzuführen. Die Anlagen werden auf die Wirkung des von der Behörde
definierten Sicherheitserdbeben ausgelegt (grösstmögliches Erdbeben in 10'000 Jahren).
Für die Auswirkungen eines Erdbebens auf die Oberflächenanlagen eines geologischen Tiefenlagers
ist nicht primär dessen Magnitude (d.h. der Wert der freigesetzten Energie, angegeben in arabischen
D-79
Zahlen) relevant, sondern die Intensität der Bodenerschütterung vor Ort (angegeben in römischen
Ziffern). Ein grosses Erdbeben in grösserer Distanz kann weniger Auswirkungen haben als ein kleines,
aber nahes Erdbeben. Erdbeben mit Magnituden von 7.5 oder stärker kommen in der Schweiz nur
mit sehr geringen Wahrscheinlichkeiten vor und werden entsprechend in den notwendigen probabilistischen Sicherheitsanalysen berücksichtigt.
Die Auswirkungen von Erdbeben auf Oberflächenanlagen umfassen z.B. Erschütterungen, Bodenverflüssigungen, Bodensetzungen, Oberflächenverschiebungen, Erdrutsche und Felsstürze, Überflutung.
Sie können zum Verlust von wichtigen Versorgungssystemen führen sowie Brände und Explosionen
auslösen. In den Untertagebauten sind vor allem Auswirkungen wie Gebirgsschlag, erdbebeninduzierte Wasser- oder Gaszutritte zu berücksichtigen. Bei der Beherrschung dieser Phänomene und der
Gewährleistung der Sicherheit von Untertagebauwerke kann auf weltweite Erfahrungen (z.B. in tiefen Bergwerken und Tunneln) zurückgegriffen werden. Die Untertagebauten sind grundsätzlich weniger von Erdbebenschäden betroffen, da hier die Hohlräume vom Gebirge fest umschlossen sind
und nicht wie an der Oberfläche frei schwingen können.
Antwort zu b bis d)
Mit Erdrutschen und Überflutungen durch lokale Hochwasser sind weitere Naturgefahren aufgelistet.
Mit dem Dammbruch des Schluchsees wird ein durch den Menschen mitverursachtes Ereignis genannt, welches in seinen Auswirkungen einer Überflutung gleichkommt. Die Oberflächenanlagen
eines geologischen Tiefenlagers sind dem gesamten Spektrum von Naturgefahren ausgesetzt und
müssen entsprechend ausgelegt werden. Der entsprechenden Gefahr kann entweder ausgewichen
oder, falls dies nicht möglich ist, die Anlage gegen die bestehende Gefahr ausgelegt werden.
Die Hochwasser- und Bergsturzgebiete sind räumlich begrenzt und werden auf entsprechenden Gefährdungskarten der Kantone dargestellt. Bei der Wahl des Standortes für die Oberflächenanlagen
wird diesen Zonen ausgewichen oder die Anlagen werden gegen die entsprechenden Gefahren ausgelegt. Bezüglich eines Dammbruches am Schluchsee ist zu bemerken, dass der Standort des Kernkraftwerks Leibstadt auf diesen Fall hin bereits untersucht worden ist. Dabei wurde festgestellt, dass
ein Brechen der rheinischen Stauwehre (insbesondere Eglisau) deutliche grössere Überflutungen
verursacht als ein Dammbruch am Schluchsee.
Für die untertägigen Anlagen des geologischen Tiefenlagers sind oben genannte Naturgefahren –
abgesehen von Erdbeben – nach Verschluss des Lagers grundsätzlich durch die räumliche Trennung
zur Oberfläche nicht mehr relevant.
Antwort der Nagra:
Während der effektiven Bauphase können Naturereignisse zwar die im Bau befindlichen Bauwerke
beschädigen; diese können aber wieder instand gestellt oder im Extremfall ersetzt werden. Dies gilt
insbesondere für Gebäude an der Oberfläche. Für die Untertagbauten ist eine Flutung der in Bau
befindlichen Lagerkammern zu vermeiden, weil diese im Extremfall so beschädigt werden können,
dass sie ihre Funktion bzgl. Langzeitsicherheit nicht mehr zuverlässig wahrnehmen können und deshalb aufgegeben werden müssten. Diesbezüglich sind nur Überflutungen (Hochwasser, Dammbrüche) relevant, wobei durch Anordnung und Ausgestaltung des Zugangs Untertag (Schacht und/oder
Rampe) eine Flutung relativ einfach und ohne grossen Aufwand ausgeschlossen werden kann.
In der Betriebsphase (die wohl mit der Frage gemeint ist) werden die Abfallgebinde und die technischen Barrieren in die Lagerkammern eingebracht und diese sukzessive verschlossen. In der BeD-80
triebsphase sind Naturereignisse im Zusammenhang mit der (radiologischen) Betriebssicherheit zu
betrachten.
Zur Gewährleistung der (radiologischen) Betriebssicherheit gibt es verschiedene Möglichkeiten, mit
Einwirkungen von Aussen – wie es Naturereignisse darstellen – umzugehen:

Man kann dem Naturereignis im Rahmen der Wahl der Standortareale für die Oberflächenanlage ausweichen (z.B. Meidung von Flächen, wo es zu erheblichen Überschwemmungen
kommen kann)

Man kann das Naturereignis bei der Auslegung der Anlage berücksichtigen, indem man verhindert, dass es auf die sicherheitsrelevanten Anlagenteile einwirkt (z.B. Schutzbauten zur Verhinderung der Überflutung von sicherheitsrelevanten Anlagenteilen)

Man kann das Naturereignis bei der Auslegung der sicherheitsrelevanten Anlagenteile berücksichtigen (z.B. Ausgestaltung der sicherheitsrelevanten Anlagenteile so, dass eine Überflutung
keine sicherheitsrelevanten Folgen hat)

Man kann aufzeigen, dass das Naturereignis irrelevant für die Sicherheit der Anlagen ist (Auswirkungen zu klein, Eintretenswahrscheinlichkeit vernachlässigbar)
In der gegenwärtigen Phase sind diejenigen Naturereignisse relevant, welche einen Einfluss auf die
Festlegung der Standortareale für die Oberflächenanlage haben. Nachfolgend werden die in der Frage aufgelisteten Naturereignisse diesbezüglich kurz diskutiert.
Erdbeben: Erdbeben sind nicht lokal sondern grösserräumig wirksam, sodass die Auswirkungen von
Erdbeben durch die Wahl der Standortareale nicht eliminiert werden können. Die sicherheitsrelevanten Anlagenteile der Oberflächenanlage können auch gegen schwere Erdbeben ausgelegt werden,
wobei dazu die lokalen Baugrundbedingungen berücksichtigt werden. Die Grundlagen dazu sind vorhanden. Erdbeben sind deshalb bei der Festlegung der Standortareale für die Oberflächenanlage nur
von beschränkter Bedeutung; die Baugrundeigenschaften werden schon durch andere Aspekte berücksichtigt.
Für die Lagerkammern im Wirtgestein in einigen hundert Metern Tiefe werden Erdbeben im Zusammenhang mit Verschiebungen an Störungszonen explizit berücksichtigt. Dazu sind nur grössere reaktivierbare Störungszonen relevant, da es nur bei solchen Störungszonen zu grösseren Verschiebungen kommen kann. Solche Störungszonen werden im Rahmen der Exploration lokalisiert und ihnen
wird mit den Lagerkammern ausgewichen.
Erdrutsche: Erdrutsche sind lokal wirksam, und ihnen kann grundsätzlich durch geeignete Wahl der
Standortareale ausgewichen werden. Erdrutsche bzw. ihre Auswirkungen können häufig auch durch
bauliche Massnahmen beherrscht werden. Erdrutsche werden bei der Festlegung der Standortareale
betrachtet.
Überflutung: Überflutungen als Folge von Hochwasser oder als Folge des Versagens einer Stauanlage
sind lokal wirksam. Die Auswirkungen von Überflutungen auf die sicherheitsrelevanten Anlagenteile
können in vielen Fällen durch bauliche Massnahmen verhindert oder eingeschränkt werden. Überflutungen werden bei der Festlegung der Standortareale betrachtet und ihre Bedeutung für die grundsätzliche Auslegung der Anlagen beurteilt. Bezüglich Hochwasser und Überflutung als Folge des
Bruchs von Absperrbauwerken sind die entsprechenden Unterlagen vorhanden. Dies gilt auch für den
Schluchsee.
D-81
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
57
Massnahmen zur Verhinderung von Sicherheitsproblemen
Heute fehlt es an Beispielen für die erfolgreiche Realisierung
von geologischen Tiefenlagern und deshalb an entsprechender „best practice“.
Welche Massnahmen sind vorzusehen, um zu verhindern,
dass später beim Bau, Betrieb und Verschluss eines Tiefenlagers Sicherheitsprobleme auftreten, die dazu führen, dass das
Lager den sicherheitstechnischen Anforderungen nicht mehr
entspricht und rückgebaut werden muss?
Eingangsdatum: 23.02.2011
Fragesteller
Beantwortet durch
Gemeinderat
Gipf-Oberfrick
ENSI
KNS
Beantwortet am: 31.05.2012
Antwort des ENSI:
Die Realisierung eines geologischen Tiefenlagers erfolgt gemäss Sachplan geologische Tiefenlager
und Kernenergiegesetzgebung in mehreren Schritten (3 Etappen des Sachplans, Rahmen-, Bau-, und
Betriebsbewilligung, Verfügung zum Verschluss). Für jeden Realisierungsschritt gemäss KEG sind Sicherheitsnachweise für die Betriebs- und Langzeitsicherheit gemäss der Richtlinie ENSI-G03 vorzulegen. Dabei richtet sich der Detailierungsgrad der Nachweise an die jeweilige Projektstufe. Die Sicherheitsnachweise sind periodisch gemäss aktuellem Zustand der Anlage und dem Stand von Wissenschaft und Technik zu ergänzen. Die Sicherheitsnachweise sind in einem Sicherheitsbericht zu dokumentieren und werden vom ENSI geprüft.
Weiterhin ist für die sicherheitsrelevanten Arbeiten zu den Phasen Projektierung, Bau, Betrieb, Beobachtung und Verschluss eines geologischen Tiefenlagers ein nach internationalen Standards anerkanntes Qualitätsmanagementprogramm zu erarbeiten, anzuwenden und dessen Umsetzung zu dokumentieren (vgl. Art. 16 & 20 KEG; Art. 25 & 31 KEV). Das Qualitätsmanagementprogramm muss vor
der Ausführung der entsprechenden Arbeiten dem ENSI zur Stellungnahme eingereicht werden.
D-82
Zentral ist das Verständnis der in einem Tiefenlager ablaufenden Vorgänge. Die Nagra führt deshalb
entsprechende Experimente durch. Experimente in einem entsprechenden Felslabor tragen dazu bei,
allfällige Hinweise für eine Verbesserung der Lagerauslegung zu erhalten und insbesondere die Belastbarkeit der Sicherheitsanalysen zu erhöhen.
In der Rahmenbewilligung werden von den Bundesbehörden Eignungskriterien festgelegt (Art. 14
KEG, Art 63 KEV). Diese Kriterien beziehen sich auf die Ausdehnung geeigneter Wirtgesteinsbereiche,
die hydrogeologischen Verhältnisse am Standort und die die Verweilzeit des Tiefengrundwassers. Bei
Nichterfüllung dieser Kriterien wird ein vorgesehener Lagerbereich wegen fehlender Eignung ausgeschlossen.
Nach Erteilung der Rahmenbewilligung werden ein Felslabor bzw. Testbereiche im geologischen
Standortgebiet erstellt. Dieses dient einerseits dazu die Eigenschaften des Standorts bzgl. der Eignungskriterien zu überprüfen und andererseits nach Art. 65 KEV in den Testbereichen die sicherheitsrelevanten Eigenschaften des Wirtgesteins zur Erhärtung des Sicherheitsnachweises standortspezifisch vertieft abzuklären.
Zusätzlich sind vor Inbetriebnahme des Tiefenlagers die sicherheitsrelevanten Techniken (Einbringen
des Verfüllmaterials, Entfernen des Verfüllmaterials, Techniken zur Rückholung von Abfallgebinden)
zu erproben und deren Funktionstüchtigkeit zu dokumentieren. Während des Betriebes des Tiefenlagers ist die Versiegelung von Kavernen und Stollen zu erproben und auch hier ist deren Funktionstüchtigkeit nachzuweisen.
Ein wichtiges Element eines Tiefenlagers ist das Pilotlager. Im Pilotlager Ist nach Art. 66 KEV das Verhalten der Abfälle, der Verfüllung und des Wirtgesteins bis zum Ende der Beobachtungsphase zu
überwachen. Das Überwachungsprogramm eines Pilotlagers muss Messungen zur zeitlichen Entwicklung eines Pilotlagers und seines geologischen Umfeldes vorsehen, so dass Aussagen möglich sind
über die sicherheitsrelevanten Zustände und Vorgänge in einem Pilotlager und in dessen geologischem Umfeld, über die frühzeitige Erkennung unerwarteter, Entwicklungen und über die Wirksamkeit des Barrierensystems. Bei der Überwachung sind im Hinblick auf den Verschluss Daten zur Erhärtung des Sicherheitsnachweises zu ermitteln. Die daraus gewonnenen Ergebnisse bilden eine Grundlage für den Entscheid über den Verschluss des Tiefenlagers. Die beobachteten Vorgänge und Systeme (z.B. Barrierensystem) müssen dabei gemäss ENSI-G03 auf das Hauptlager übertragbar sein.
Ein weiteres Element zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht ist die Kontrolle der Abfallgebinde im Hinblick auf die Einlagerung. Es dürfen nur Abfallgebinde eingelagert werden, bei welchen das chemische und radiologische Inventar mit den Voraussetzungen des Sicherheitsnachweises verträglich ist.
Der Eigentümer des Tiefenlagers hat hierzu entsprechende Annahmebedingungen zu erlassen. Die
für die Einlagerung erforderlichen Verpackungsverfahren sowie der Nachweis für die Erfüllung der
Annahmebedingungen muss dem ENSI zur Überprüfung vorgelegt werden. Eine erstmalige Einlagerung eines Abfallgebindetyps erfolgt erst nach Freigabe durch das ENSI (Richtlinie ENSI-G03). Zusätzlich wird daraufhin gewiesen, dass für jeden radioaktiven Abfall, bevor er produziert wird, eine Bescheinigung für die Zwischenlagerung-, Transport- und Tiefenlagerfähigkeit gemäss Richtlinie ENSIB05 seitens Nagra ausgearbeitet und vom ENSI die Endlagerfähigkeit geprüft wird.
Nach Art. 37 KEG muss die Rückholung der Abfälle bis zum Verschluss ohne grossen Aufwand möglich
sein, die Lagerbehälter sind dementsprechend mechanisch auszulegen. Die Massnahmen zur Sicherstellung der Rückholbarkeit dürfen nach Art. 11 KEV die passiven Barrierensysteme nicht beeinträchtigen.
D-83
Stand internationaler Erfahrungen:
Weltweit sind bereits einige geologische Tiefenlager für SMA/LMA seit mehreren Jahrzehnten in Betrieb (u.a. Schweden, Finnland, USA). Projekte für die geologische Tiefenlagerung von HAA sind in
Frankreich, Finnland und Schweden weit fortgeschritten (Standortfestlegung), wobei in Finnland die
untertägige Charakterisierung (Felslabor) zur Bestätigung der Standorteigenschaften kurz vor dem
Abschluss steht. All diese Projekte liefern wichtige wertvolle Informationen und Erfahrungen, die in
internationalen Fachgremien, wo auch die Schweiz vertreten ist, diskutiert und ausgetauscht werden.
Fazit
In der Schweizer Gesetzgebung und in den behördlichen Anforderungen sind entsprechende Massnahmen (z.B. Errichtung eines Felslabors, Qualitätsmanagementprogramm, Pilotlager, stufenweise
Bewilligungsschritte) vorgesehen, bei denen die Sicherheit bei jedem Realisierungsschritt eines geologischen Tiefenlagers kritisch überprüft wird. Das ENSI verfolgt ferner den internationalen Stand der
Arbeiten auf diesem Gebiet und berücksichtigt die dabei gewonnen Erfahrungen. Dies ermöglicht
neue Erkenntnisse von Wissenschaft und Technik bei den Vorschlägen der Entsorgungspflichtigen
und bei der sicherheitstechnischen Überprüfung der Aufsichtsbehörde bei jedem Realisierungsschritt
einzubeziehen.
Antwort der KNS:
Die Feststellung, dass bis heute kein Tiefenlager für wärmeentwickelnde hochaktive Abfälle realisiert
worden ist und erfolgreich betrieben wird, ist ausserordentlich wichtig. Konkret bedeutet dies, dass
alle Schritte, von der Planung bis zur Realisierung eines Tiefenlagers, sehr sorgfältig durchgeführt
werden müssen, damit die Anlage industrielle Reife erreicht und auch wie vorgesehen funktioniert.
Zentral für die Langzeitsicherheit von geologischen Tiefenlagern ist, dass das Lagerkonzept optimal
auf die Eigenschaften des Wirtgesteins abgestimmt ist. Dabei sind insbesondere negative Einflüsse
des Lagers auf das Wirtgestein möglichst zu vermeiden und alle Techniken und Prozesse - vom Auffahren der Anlage bis zum Verfüllen und zum Verschluss der untertägigen Bauten - mit Hilfe von klar
definierten Verfahren soweit als möglich experimentell und mit Modellrechnungen zu überprüfen
(validiert).
Besonders anspruchsvoll ist die Validierung, weil die natürlichen Prozesse im Tiefenlager (Aufsättigung des Lagers, Korrosion usw.) sehr langsam ablaufen. Eine experimentelle Validierung der Dichtheit eines Tiefenlagers ist damit erst im Laufe von Tausenden von Jahren möglich. Den resultierenden Unsicherheiten muss daher auf andere Weise Rechnung getragen werden.
So sind verschiedene qualitätssichernde Massnahmen erforderlich und möglich, um negativen Entwicklungen im Lager vorzubeugen und die Wahrscheinlichkeit von schwerwiegenden Planungs- und
Ausführungsfehlern zu minimieren. Dazu gehören:

Damit diese Massnahmen greifen und ihre optimale Wirkung entfalten können, ist eine Sicherheitskultur erforderlich, in der zum einen eine Sensibilität für die Abläufe und für mögliche Fehler besteht ("hinterfragende Grundhaltung") und zum anderen eine offene Kommunikation über erkannte Fehler und deren sicherheitsgerichtete Bewältigung gepflegt wird.

Ein Planungskonzept, das alle essentiellen Fragestellungen einer Lagerplanung umfasst, die
kritischen Punkte identifiziert und das Vorgehen bei der Entwicklung des Tiefenlagers aufD-84
zeigt (Prozessplanung). Hierzu gehört auch die Frage der methodischen Bewertung verschiedener Lagerkonzepte und Techniken.

Eine hochqualifizierte Planung des Tiefenlagers (Lagerplanung) durch ausgewiesene Fachleute.

Eine breit angelegte Forschung und Entwicklung, die unterschiedliche Lagerkonzepte sowie
Bau- und Einlagerungstechniken einschliesst.

Die laufende Begleitung und Überprüfung aller Arbeiten durch die zuständigen Behörden und
externe Fachleute.

Die experimentelle Validierung der essentiellen Fragestellungen des Lagerkonzepts, soweit
dies möglich ist.
Erfahrungen aus anderen Projekten werden, sofern übertragbar, laufend berücksichtigt.
D-85
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
Frage
58
Shale-Gas Potential des Opalinustons
Wie gross ist das Potential des Opalinus-Tons für seine Nutzung "Play" für shale-gas?
Als dichtes Gestein könnte ja der Opalinuston als Barriere für
aufsteigende Kohlenwasserstoffe aus tieferen Formationen
wirken. Mit Horizontalbohrungen und Fracs, resp. auch durch
die Anlage von Kavernen für das geologische Tiefenlager
könnten sich ja diese Kohlenwasserstoffe in den Hohlräumen
aufkonzentrieren.
Eingangsdatum: 23.05.2011
Fragesteller
Beantwortet durch
Herr Schenker,
Geologe
Nagra
Beantwortet am: 31.05.2012
Antwort der Nagra:
Einleitung
Die Antwort zu dieser Frage betreffend das Schiefergas22 bzw. Shale Gas Potenzial des Opalinustons
ist eine Zusammenfassung des Berichts Leu & Gautschi (2012), der auf Verlangen in elektronischer
Form abgegeben wird.
Das Schiefergas-Konzept für die Gasförderung
Schiefergas ist zur Hauptsache Methan, das sich im Mikroporenraum und adsorbiert an organischen
Partikeln in tonigen Gesteinen befindet. Das Gas entsteht durch biogene oder thermogenetische
Prozesse während der geologischen Versenkung und Aufheizung „in-situ“ im Gestein (Muttergestein). Ein Teil des Gases ist aus dem tonigen Gestein entwichen und in porösere, meist untiefer gelegene Gesteinsschichten migriert (klassische Gasvorkommen). Schiefergas ist der Gasanteil, der im
dichten, feinkörnigen Gestein "hängen“ bleibt und ohne künstliche Stimulation normalerweise nicht
entweichen kann. Bei den weltweit genutzten Schiefergasvorkommen handelt es sich durchwegs um
in-situ generiertes Gas, nicht um von unten zugeströmtes Gas aus einem tiefer liegenden reiferen
Muttergestein.
Das im dichten Tonschiefer gefangene Gas wird mit Bohrungen gefördert, wobei jedoch das Reservoir stimuliert werden muss. Um die Zuflussrate des Gases vom Gestein ins Bohrloch zu erhöhen,
werden in der Anfangsphase sogenannte Hydro-Fracs durchgeführt. Dabei wird das Gestein durch
Einpressen von Wasser mit Zusätzen (Gels und Stützmittel) unter hohem Druck schlagartig aufgeweitet, um die Wegsamkeit für das Gas zu erhöhen (auch Stimulation genannt). Für eine wirtschaftliche
Förderung werden heute mehrere horizontal abgelenkte Bohrungen abgeteuft, die ab einer bestimmten Tiefe parallel in der Schiefergasschicht liegt.
Das Schiefergas-Potenzial des Opalinustons in der Nordschweiz
22
Der Der Begriff Schiefergas entstammt der umgangssprachlichen Verwendung des Begriffs Schiefer für feinkörnige Sedimentgesteine in der Ton-/Siltsteinfraktion. Der Begriff Schiefer wird in der geologischen Fachsprache aber nicht mehr für
feinkörnige, gut spaltbare Sedimentgesteine sondern nur noch als Sammelbegriff für metamorphe Gesteine verwendet.
Letztere enthalten meist kein Gas mehr. Dennoch hat sich der Begriff Schiefergas auch in der Fachsprache durchgesetzt. Als
weiterer Grund kann die wörtliche Übersetzung aus dem Englischen (Schiefergas = Shale Gas) angenommen werden. Gasschiefer werden heute neben Kohleflözgas (Coal Bed Methane) und Ölschiefern als "unkonventionelle" Lagerstättentypen
bezeichnet (Resource Plays).
D-86
Der Opalinuston der Nordschweiz ist durch zwei Gesteinsparameter charakterisiert, die ungeeignet
sind für eine zukünftige Schiefergasförderung. Weil der Opalinuston während seiner Versenkungsgeschichte das Gasfenster nicht erreicht hat (Maturitätswerte für das organische Material deutlich unterhalb des Gasfensters, s. Fig. 58-1) ist es nie zu einer signifikanten Gasbildung gekommen. Die vorhandenen mineralogischen Analysen belegen zudem, dass die durchschnittlichen TOC-Werte im
Bereich von 0.7% liegen, d.h. weit unterhalb einer ökonomisch interessanten Untergrenze (in der
Regel deutlich höher als 1%, vgl. Burri et al. 2011). Es ist zudem zu erwähnen, dass der unterhalb des
Opalinustons liegende Posidonienschiefer (Toarcien) zwar TOC-Werte von bis zu 10 Gew.% aufweisen
kann, aber mit seinen maximal 5 – 10 m Mächtigkeit für eine wirtschaftliche Nutzung eindeutig zu
dünn ist. Zudem ist auch seine Maturität im Bereich der geologischen Standortgebiete in der Nordschweiz wie beim Opalinuston zu gering. Beobachtungen in Tiefbohrungen der Nordschweiz und im
Felslabor Mont Terri (Gasführung der Bohrspülung, Hydrofrac Tests im Rahmen von Spannungsmessungen, Gaskonzentration der Stollenluft beim Ausbruch) ergaben keine Hinweise auf eine erhöhte
Gasführung des Opalinustons.
Das Potenzial des Opalinuston für eine kommerzielle Gasförderung ist gegen Süden und gegen die
Westschweiz wahrscheinlich tendenziell grösser, da die Maturität bis ins Gasfenster zunimmt (Fig.
58-1) und die TOC-Werte teilweise über 1.0% liegen.
Referenzen
Burri, P. Chew, K., Jung, R. & Neumann, V. (2011): The Potential of Unconventional Gas – energy
bridge to the future. Swiss Bull. angew. Geol. 16/2, 3-55
Leu, W. & Gautschi, A. (2012): Das Shale Gas (Schiefergas)-Potenzial des Opalinustons in der
Nordschweiz. Nagra Arbeitsbericht NAB 11-23.
D-87
Figur 58-1: Maturitätskarte des Übergangs Basis Opalinuston / Top Toarcien (aus Leu & Gautschi
2012). Die geologischen Standortgebiete der Nordschweiz sind grün umrandet.
D-88
Thema D: Fragen zur sicherheitstechnischen Bewertung
Nr.
62
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
Verfahren mit den Empfehlungen der KNS
Zur Stellungnahme der Eidgenössischen Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) betr. die Notwendigkeit ergänzender
geologischer Untersuchungen in Etappe 2 des Sachplans geologische Tiefenlager vom Juni 2011, KNS 23/47
In der o.g. Stellungnahme macht die KNS fünf Empfehlungen:
 Zusätzliche 2D-Seismik in den Standortgebieten JuraSüdfuss und Südranden.
 Umfassende Lagebeurteilung nach erfolgter Auswertung
der von Nagra vorgesehenen Arbeiten sowie ergänzenden weiteren Arbeiten – Bewertung, ob die Datengrundlagen für die Zielsetzung der Etappe 2 ausreichen.
 Die Methodik des qualitativen sicherheitstechnischen
Vergleichs soll vorgängig zur Einengung in Etappe 2 genauer spezifiziert werden.
 Erschliessungsvarianten mit Vertikalschächten ohne
Rampen sollen umfassend abgeklärt werden.
 Auf der Basis des EKRA-Konzeptes sollen die Lagerkonzepte noch in Etappe 2 einer grundsätzlichen Überprüfung unterzogen und die entsprechenden Forschungsprojekte mit hoher Priorität bearbeitet werden.
Von der Arbeitsgruppe Sicherheit Kantone (AG SiKa) und der
Kantonalen Expertengruppe Sicherheit (KES) wurden bereits
in einem Fachbericht vom Mai 2011 Schlussfolgerungen gezogen, die in die gleiche Richtung wie die o.g. Empfehlungen 1 –
3 gehen. Weiterhin wird auch in der Stellungnahme der deutschen Expertengruppe-Schweizer-Tiefenlager (ESchT) vom
Mai 2011 u.a. empfohlen, die Methodik zur qualitativen sicherheitstechnischen Bewertung vor ihrer Anwendung in
Etappe 2 festzulegen.
Zum Lagerkonzept, insb. zum EKRA-Konzept, wurde von Österreich bereits eine Frage in das TFS eingebracht (Frage 40
vom 03.12.2009), die von ENSI bereits 2010 beantwortet
wurde. In der Antwort wird u.a. auf des Entsorgungsprogramm 2008 und Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der
Nagra, auf Projekte der regulatorischen Sicherheitsforschung
und das weitere Vorgehen eingegangen.
Österreich
Dr. Helmut
Hirsch
ENSI
Nagra
Fragen dazu – primär an ENSI, auch Nagra wird um Stellungnahme gebeten:
a) Wie werden die fünf Empfehlungen der KNS bewertet –
inwieweit wird diesen Empfehlungen gefolgt werden?
b) Falls bestimmte Empfehlungen nicht aufgegriffen werden – wie wird dies begründet?
c) Soweit den Empfehlungen gefolgt wird – in welcher
Form soll dies geschehen, haben entsprechende Aktivitäten bereits begonnen? Lt. Kurzprotokoll der 9. TFSSitzung wird das Vorgehen bei der sicherheitstechnischen Bewertung im Rahmen von Fachsitzungen von
ENSI mit KNE, AG SiKa/KES und ESchT diskutiert. Stellt
dies bereits eine Reaktion auf die entsprechende
Schlussfolgerung im o.g. Fachbericht der AG SiKa/KES
vom Mai 2011 dar?
D-89
d) Gibt es zu den Lagerkonzepten unabhängig von der Empfehlung der KNS neue Entwicklungen bzw. Stellungnahmen, die von der o.g. Antwort des ENSI auf Frage 40
noch nicht abgedeckt waren?
e) Welcher Zeitaufwand wird für die Umsetzung der Empfehlungen der KNS jeweils angesetzt; inwieweit sind
dadurch Auswirkungen auf den zeitlichen Ablauf der
Etappen 2 und 3 des Sachplans geologische Tiefenlager
zu erwarten?
Eingangsdatum: 14.09.2011
Beantwortet am: 31.05.2012
Antwort des ENSI:
a) Wie werden die fünf Empfehlungen der KNS bewertet – inwieweit wird diesen Empfehlungen
gefolgt werden?
Zur ersten Empfehlung der KNS
Die erste Empfehlung der KNS beinhaltet die Forderung nach zusätzlichen 2D-seismischen Untersuchungen in den Standortgebieten Jura-Südfuss und Südranden. Dies wurde im Auftrag der Nagra im
Frühjahr 2012 durchgeführt und wird für die sicherheitstechnischen Unterlagen für Etappe 2 ausgewertet.
Zur zweiten Empfehlung der KNS
Die zweite Empfehlung der KNS beinhaltet den Vorschlag einer umfassenden Lagebeurteilung nach
erfolgter Auswertung der von der Nagra vorgesehenen Arbeiten sowie ergänzender weiterer Arbeiten und die Bewertung der Frage, ob die Datengrundlage für die Zielsetzung der Etappe 2 SGT ausreicht. Das ENSI hat in ENSI 33/115 (Stellungnahme zu NTB 10-01) 41 Forderungen an die Nagra formuliert und wird vor Einreichung der Nagra-Unterlagen für die Etappe 2 SGT prüfen, ob die Unterlagen die behördlichen Anforderungen erfüllen. Das ENSI wird - nach Diskussionen mit Vertretern der
AG SiKa, der KES, der KNS und der EGT - das Vorgehen bei der Überprüfung des Kenntnisstands in der
Aktennotiz ENSI 33/155 festlegen.
Zusammengefasst wird wie folgt vorgegangen werden: Im Rahmen von „ZwischenhaltFachsitzungen“ werden die im Pflichtenheft des Konzeptteils Sachplan aufgeführten Behörden und
Gremien (ENSI, KNS, EGT, AG SiKa/KES) über die Ergebnisse der zusätzlichen Untersuchungen der
Nagra für Etappe 2 SGT informiert. In diesen Sitzungen wird diskutiert, ob der geologische Kenntnisstand, respektive die verwendeten Modelle den behördlichen Anforderungen (ENSI 33/075 und ENSI
33/115) genügen und ob der sicherheitstechnische Vergleich in Etappe 2 durchgeführt werden kann.
Falls das ENSI nach den jeweiligen Zwischenhalt-Fachsitzungen zum Schluss kommt, dass der Kenntnisstand ausreichend ist, vervollständigt die Nagra die sicherheitstechnische Dokumentation für
Etappe 2.
Vor der Einreichung der Nagra-Unterlagen beim BFE führt das ENSI eine Grobprüfung der Dokumentation durch. Das ENSI prüft, ob die formellen Vorgaben des Konzeptteils des Sachplans und die Vorgaben des ENSI erfüllt sind. Falls dies zutrifft, informiert das ENSI das BFE, dass die Nagra ihren Auftrag zur Abklärung des Kenntnisstands gemäss Sachplan erfüllt hat. Falls dies nicht zutrifft und die
Dokumentation noch Lücken aufweist, muss die Nagra diese noch schliessen.
D-90
Die Aktennotiz ENSI 33/155 wird vor Einreichung der sicherheitstechnischen Unterlagen der Nagra
vorliegen und im Technischen Forum vorgestellt werden.
Zur dritten Empfehlung der KNS
Drittens empfiehlt die KNS eine genaue Spezifizierung der Methodik des quantitativen sicherheitstechnischen Vergleichs vorgängig zur Einengung in Etappe 2 SGT. Das ENSI hält fest, dass das grundsätzliche Vorgehen des Einengungsverfahrens in Etappe 2 SGT im Konzeptteil des Sachplans sowie in
ENSI 33/075 definiert ist. Die Fragen zur Bewertungsmethodik für Etappe 2 werden in Fachsitzungen
mit der EGT, AG SiKaund KES diskutiert. Aufgrund dieser Diskussionen wird das ENSI die Aktennotiz
ENSI 33/154 verfassen, in der das Vorgehen beim sicherheitstechnischen Vergleich präzisiert wird.
Diese Aktennotiz dient neben dem Konzeptteil des SGT und ENSI 33/075 der Nagra bei der Festlegung der Bewertungsmethodik für die Einengung in Etappe 2.
Die Aktennotiz ENSI 33/154 wird vor Einreichung der sicherheitstechnischen Unterlagen der Nagra
vorliegen und im Technischen Forum vorgestellt werden.
Zur vierten Empfehlung der KNS
Die vierte Empfehlung der KNS beinhaltet die Forderung nach einer umfassenden Abklärung der Erschliessungsvarianten mit Vertikalschächten ohne Rampen.
Es bestehen grosse nationale und internationale Erfahrungen beim Bau von untertägigen Bauwerken,
beispielsweise aus dem Bau und Betrieb von Minen und Tunnel. Die Erschliessung des geologischen
Tiefenlagers mittels Rampe oder Schacht ist aus der heutigen Sicht der Fachbehörden des Bundes
grundsätzlich möglich. Beide Varianten weisen Vor- und Nachteile auf. Bei seiner Beurteilung zum
Entsorgungsnachweis für hochaktive Abfälle im Jahre 2005 hat das ENSI das von der Nagra vorgelegte Lagerkonzept mit Hilfe von unabhängigen Experten geprüft (Bericht Emch+Berger AG 2005). Dieses sieht einen Zugang zum Tiefenlager mit einer Rampe und Schächte für die Belüftung vor. Gemäss
ENSI ist das vorgeschlagene Konzept der Anlage zweckmässig. Auch Kommissionen des Bundes wie
die Kommission für die Sicherheit der Kernanlagen und die Kommission Nukleare Entsorgung kamen
damals zum Schluss, dass die bautechnische Machbarkeit grundsätzlich erbracht ist.
Das ENSI wird während der weiteren Standortsuche im Sachplanverfahren in jeder Etappe überprüfen und neu bewerten, ob der vorgeschlagene Zugang zum Tiefenlager die Sicherheitsanforderungen
erfüllt und ob er sicher verschlossen werden kann. Das ENSI kann sich dabei auch auf die unabhängige Beurteilung der Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung (EGT) abstützen.
In Etappe 2 werden die bautechnischen Risiken stufengerecht und für die jeweiligen Standorte analysiert. Das ENSI hat die entsprechenden Anforderungen zusammen mit seinen Experten der Ingenieurgeologie der ETH Zürich entwickelt und wird diese in der Aktennotiz ENSI 33/170 dokumentieren.
Die Erschliessungsvarianten eines Tiefenlagers werden im Agneb-Forschungsprojekt „Lagerauslegung“ vertieft diskutiert, um den regulatorischen Bedarf für die Realisierung eines Tiefenlagers zu
klären. Das ENSI wird über die Ergebnisse des Projekts im Laufe der Etappe 2 SGT informieren.
Zur fünften Empfehlung der KNS
Inhalt der fünften Empfehlung der KNS ist die Forderung nach der Überprüfung der Lagerkonzepte
während Etappe 2 SGT. Das ENSI führt die Überprüfung der Eignung von vorgeschlagenen LagerkonD-91
zepten aufgrund der gesetzlichen Vorgaben (KEG und die KEV) sowie der ENSI-Richtlinie ENSI-G03
durch. Zusätzlich werden spezifische Fragen zu den Lagerkonzepten im Rahmen des AgnebForschungsprojekts „Lagerauslegung“ diskutiert und damit abgeklärt, ob regulatorischer Reglungsbedarf für das ENSI besteht. Das ENSI wird im Technischen Forum über die Resultate dieses Forschungsprojekts berichten.
b) Falls bestimmte Empfehlungen nicht aufgegriffen werden – wie wird dies begründet?
Das ENSI prüft generell Empfehlungen auf ihre sicherheitstechnische Relevanz und trägt diesen stufengerecht Rechnung. Weiterhin werden Empfehlungen von Stellungnehmenden in die Anhörungsberichte des BFE zu den Ergebnissen jeder Etappe aufgenommen und gewürdigt.
c) Soweit den Empfehlungen gefolgt wird – in welcher Form soll dies geschehen, haben entsprechende Aktivitäten bereits begonnen? Lt. Kurzprotokoll der 9. TFS-Sitzung wird das Vorgehen bei
der sicherheitstechnischen Bewertung im Rahmen von Fachsitzungen von ENSI mit KNE, AG SiKa/KES und ESchT diskutiert. Stellt dies bereits eine Reaktion auf die entsprechende Schlussfolgerung im o.g. Fachbericht der AG SiKa/KES vom Mai 2011 dar?
In Bezug auf Frage 62c verweist das ENSI auf seine Ausführungen zu Frage 62a.
d) Gibt es zu den Lagerkonzepten unabhängig von der Empfehlung der KNS neue Entwicklungen
bzw. Stellungnahmen, die von der o.g. Antwort des ENSI auf Frage 40 noch nicht abgedeckt waren?
Das ENSI weist darauf hin, dass Entwicklungen auf internationaler Ebene stattfinden (NEA, IAEA) und
verweist auf den internationalen Stand von Lagerprojekten (z.B. Finnland, Schweden, Frankreich und
Kanada). Ebenfalls ist zu erwähnen, dass die Ergebnisse der derzeit laufenden Agneb-Projekte „Lagerauslegung“, „Auslegung und Inventar des Pilotlagers“ und „Monitoring“ voraussichtlich bis Ende
2013 vorliegen werden.
e) Welcher Zeitaufwand wird für die Umsetzung der Empfehlungen der KNS jeweils angesetzt; inwieweit sind dadurch Auswirkungen auf den zeitlichen Ablauf der Etappen 2 und 3 des Sachplans
geologische Tiefenlager zu erwarten?
Die Empfehlungen 1-3 werden mit Einreichung der Unterlagen für Etappe 2 abgeschlossen bzw. umgesetzt sein, während zu den Empfehlungen 4 und 5 das Agneb-Projekt „Lagerauslegung“ noch während der Etappe 2 Ergebnisse liefern wird. Die Lagerauslegung ist ein Prozess, der bei der schrittweisen Realisierung eines Tiefenlagers stetig optimiert wird.
Der in der Antwort zur Frage 40 definierte Zeitrahmen musste modifiziert werden. Zum einen wartet
das ENSI noch auf Resultate aus europäischen Projekten, zum anderen hat die Etappe 1 SGT und die
Stellungnahme zum NTB 10-01 Ressourcen gebunden. Die drei Projekte „Pilotlager“, „Lagerauslegung“ und „Monitoring“ sind aber bereits angelaufen und Zwischenergebnisse sind bereits vorhanden.
Die Stellungnahmen zum Entsorgungsprogramm (NTB 08-01) und zu den Empfehlungen zum Entsorgungsnachweis (NTB 08-02) werden voraussichtlich im Mai 2012 veröffentlicht.
D-92
Referenzen
Emch+Berger AG (2005): Beurteilung der bautechnischen Machbarkeit eines geologischen Tiefenlagers für BE/HAA und LMA und der durch das Lager induzierten Prozesse, Expertenbericht HSK
35/97, Emch+Berger AG, Bern. http://static.ensi.ch/1333622493/emch-berger-abschlber-8-4-05.pdf
ENSI 33/115: Stellungnahme zu NTB 10-01 «Beurteilung der geologischen Unterlagen für die provisorischen Sicherheitsanalysen in Etappe 2 SGT», Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Stellungnahme, Brugg, 2011.
ENSI 33/154: Etappe 2 des Sachplans geologische Tiefenlager: Präzisierungen zur Bewertungsmethodik der Nagra (Entwurf), Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Aktennotiz, Brugg,
2012.
ENSI 33/155: Ablauf der Überprüfung des geologischen Kenntnisstands vor Einreichung der Unterlagen für Etappe 2 des Sachplans geologische Tiefenlager (Entwurf), Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Aktennotiz, Brugg, 2012.
ENSI 33/170: Bautechnische Risikoanalysen in Etappe 2 SGT (Entwurf), Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Aktennotiz, Brugg, 2012.
NTB 10-01: Beurteilung der geologischen Unterlagen für die provisorischen Sicherheitsanalysen in
SGT Etappe 2 – Klärung der Notwendigkeit ergänzender geologischer Untersuchungen, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra Technischer Bericht, Wettingen, 2010.
Ergänzung der Nagra:
Zur ersten Empfehlung der KNS
Die Nagra bestätigt, dass im Zeitraum vom 17.02.2012 - 27.02.2012 seismische Profile mit einer Gesamtlänge von etwa 27 km im geologischen Standortgebiet „ ura-Südfuss“ und zwischen 29.02.2012
– 07.03.2012 weitere 18 km im Standortgebiet „Südranden“ gemessen wurden.
Zur vierten Empfehlung der KNS
Zu dieser Empfehlung hält die Nagra ergänzend fest, dass die Lagerkonzepte für den Zugang Untertag
sowohl Schacht als auch Rampe enthalten. In diesem Sinne ist auch die Option eines Zugangs nur mit
Schächten in den Abklärungen enthalten.
D-93
D-94
Thema
E: Fragen zu radioaktiven
Abfällen
Thema E: Fragen zu radioaktiven Abfällen
Nr.
23
Frage
Verantwortlichkeit für radioaktive Abfälle
Gemäss `Basler Zeitung` vom 05.07.09 exportiert die Schweiz
radioaktiven Abfall in erheblichen Mengen zwecks Wiederaufarbeitung nach Russland.
Hier meine Frage an die NAGRA :
Zwecks Abschätzung des in der Schweiz anfallenden AbfallInventars von radioaktivem Material bitte ich um eine Auflistung des nach Russland exportierten Materials `genauestens`
nach
 Herkunft
 Klassifizierung
 Menge
 Zeitraum
 der in Russland angewendeten Wiederaufbereitungstechnik nach Abfall-Klassifizierung und Menge
 von Russland zurückgeliefertes Restmaterial nach Klassifizierung, Menge und Zeitraum
Eingangsdatum: 12.08.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
BUND BW
BFE
(Nagra)
Beantwortet am: 26.03.2010
Antwort des Bundesamtes für Energie (BFE):
Diese Aussage ist falsch.
Die Schweiz respektive Schweizerische Firmen haben weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart radioaktive Abfälle exportiert. Exportiert wurden jedoch abgebrannte Brennelemente aus
Kernkraftwerken zur Wiederaufarbeitung.
Verträge zur Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen wurden von Schweizerischen
Firmen nur mit Frankreich und England abgeschlossen, nicht jedoch mit Russland. Nach dem Kernenergiegesetz Art. 106 Abs.4 ist seit dem 1. Juli 2006 die Ausfuhr von abgebrannten Brennelementen
zur Wiederaufarbeitung untersagt. Dieses Moratorium gilt vorerst für 10 Jahre.
Seit 2005 veröffentlicht das BFE jährlich die Kernmaterialbestände im Ausland, die sich im Eigentum
von Schweizerischen Firmen befinden. Dieses Material befindet sich in Deutschland, Frankreich,
Grossbritannien, Schweden und in den USA; bisher gab es in Russland keine Kernmaterialien, die
Schweizerischen Firmen gehörten.
E-1
Thema E: Fragen zu radioaktiven Abfällen
Nr.
Frage
24
Verantwortlichkeit für Kernmaterialien
"In der Schweiz sind die Verursacher radioaktiver Abfälle dazu
verpflichtet, die technisch-wissenschaftlichen Voraussetzungen für eine sichere Entsorgung zu erarbeiten, die nötigen
Lager zu bauen und auch die Kosten dafür zu übernehmen."
a) Inwieweit müssen die, laut Recherchen der "Sonntagzeitung" nach der Umarbeitung im Ausland verbleibenden,
grossen radioaktiven Abfallmengen aus Schweizer
Atomanlagen (bis zu 80% des verschickten Material)
mengenmässig und zusammensetzungsmässig im Abfallinventar der NAGRA berücksichtigt werden?
b) Inwieweit ist von Schweizer Seite sichergestellt, dass das
im Ausland verbleibende und dort weiter eingesetzte
Kernmaterial nicht in falsche Hände gerät und z.B. zur
Waffenherstellung verwendet werden kann?
Eingangsdatum: 12.08.2009
Fragesteller
Beantwortet durch
Klar!
BFE
Beantwortet am: 26.03.2010
Antwort des BFE:
Die Behauptungen der Sonntagszeitung sind falsch. (Siehe Antwort auf Frage 23)
a)
Es gibt in Russland weder Kernmaterialien noch Abfall im Eigentum von Schweizerischen Firmen.
Daher ist es auch nicht möglich, dass diese Materialien zurückkommen oder dass Waffen daraus hergestellt werden; diese müssen daher auch nicht im Abfallinventar der NAGRA berücksichtigt werden.
b)
Dieser Teil der Frage ist somit obsolet.
Richtig ist hingegen bei Kernmaterialien:
Kernmaterialien sind ein Wirtschaftsgut das gehandelt werden kann, wenn gewisse Bedingungen, die
z.B. in internationalen Verträgen festgelegt sind, eingehalten werden. Der Gesetzgeber lässt nur
Handel mit jenen Staaten zu, welche wie die Schweiz die folgenden Bedingungen erfüllen:

Mitglied im Kernwaffensperrvertrag

Kontrolle aller Kernmaterialien durch den Staat und die IAEA

Mindestanforderungen an den physischen Schutz der Kernmaterialien

Keine Weitergabe an Dritte, die diese Kriterien nicht erfüllen
E-2
Richtig ist hingegen bei radioaktiven Abfällen:
Radioaktive Abfälle, die in der Schweiz anfallen, müssen auch hier entsorgt werden.
Das Kernenergiegesetz erlaubt zwar in Art. 34 Abs. 4 ausnahmsweise die Ausfuhr von Abfällen, dazu
sind jedoch Völkerrechtliche Vereinbarungen erforderlich. Von diesem Artikel wurde bisher kein Gebrauch gemacht.
E-3
Thema E: Fragen zu radioaktiven Abfällen
Nr.
63
Frage
Umpackung in der Oberflächenanlage
Wie kann die Radioaktivität eingeschlossen werden, wenn
diese Castor-Behälter aufgemacht werden? Wie funktioniert
eine solche heisse Zelle, sodass keine Radioaktivität austritt?
Und wie kann vermieden werden, dass der Behälter, der später aus der Zelle kommt nicht kontaminiert wird?
Eingangsdatum: 30.11.2011
Fragesteller
Beantwortet durch
SES
Nagra
Beantwortet am: 31.05.2012
Antwort der Nagra:
Zur Diskussion der Verpackungsanlagen ist es nützlich, zwischen den verschiedenen übergeordneten
Abfallarten zu unterscheiden: die schwach- und mittelaktiven Abfälle (SMA), die langlebigen mittelaktiven Abfälle (LMA), die verglasten hochaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung der verbrauchten Brennelemente (HAA) und die verbrauchten Brennelemente (BE). Diese verschiedenen Abfallarten werden in unterschiedlichen Verpackungsanlagen gehandhabt (SMA und LMA in ähnlichen Anlagen, BE und HAA in gleicher Anlage, aber bei der Verpackung im Ablauf räumlich bzw. zeitlich getrennt).
Bei den SMA, LMA und HAA handelt es sich um speziell hergestellte Abfallgebinde; d.h. die Abfälle
sind für die Zwischenlagerung, den Transport und die geologische Tiefenlagerung in einer geeigneten
Art behandelt, verfestigt und in dichten Gebinden (Behältern) verpackt, die nicht mehr geöffnet werden müssen. Dabei wird unter anderem auch verlangt, dass die Abfallgebinde entsprechend den
gesetzlichen bzw. behördlichen Vorgaben kontaminationsfrei sind. Damit können diese Gebinde kontaminationsfrei in die Transportbehälter eingeladen und auch wieder kontaminationsfrei entladen
werden. Dies gilt auch für die in Stahlkokillen (entspricht einem dünnwandigen Stahlbehälter) verpackten verglasten hochaktiven Abfälle.
Für die verbrauchten BE ist die Situation anders, indem diese ohne weitere Behandlung (Konditionierung) nach ihrem Einsatz im Reaktor und einer Abklingzeit im Brennelementbecken in die Transportbehälter eingeladen werden, die im ZWILAG/ZWIBEZ auch als Lagerbehälter dienen. Für diese mit
verbrauchten Brennelementen beladenen Behälter sind durch Auslegung der Behälter die sichere
Zwischenlagerung und der sichere Transport gewährleistet. Bei der Handhabung der Brennelemente
wie auch bei der Entladung in der Verpackungsanlage ist wesentlich, dass auch bei den Brennelementen die Radioaktivität eingeschlossen bzw. fixiert ist: Der allergrösste Teil der Radioaktivität der
verbrauchten Brennelemente ist in der UO2-Matrix (Brennstofftabletten) fest eingebettet und die
UO2-Matrix wiederum ist in den Hüllrohren eingeschlossen. Ein vergleichsweise kleiner Teil der Aktivität ist auch in den Hüllrohren (Zirkaloy-Metall) und in den Strukturteilen (Stahl) enthalten, die
durch Neutronenbestrahlung im Reaktor aktiviert wurden. Diese Radioaktivität ist ebenfalls nicht
frei, weil die Radionuklide in der Metallmatrix fest eingebettet sind. Schliesslich gibt es aus dem Einsatz im Reaktor auf den Hüllrohren eine sehr dünne Schicht mit fest haftenden Ablagerungen von
Verunreinigungen aus dem Kühlwasser, die auch radioaktive Substanzen enthalten. Von dieser
Schicht kann es z.B. bei der Handhabung zu kleinen Abplatzungen kommen. Weiter wird für die Auslegung der Verpackungsanlage angenommen, dass es zu kleinsten Undichtheiten bei den Hüllrohren
kommen kann.23 Deshalb ist für die Auslegung der Umladung der Brennelemente von einer Kontami23
Allfällige während des Reaktorbetrieb beschädigte Brennelemente werden speziell behandelt (z.B. Spezialverpackung schon vor der Lagerung im Brennelementbecken)
E-4
nation der Brennelemente und des Behälterinnern auszugehen, und es wird mit technischen Massnahmen sichergestellt, dass beim Umladen der Brennelemente keine radioaktiven Stoffe in die Umwelt entweichen bzw. die Aussenseite des Behälters kontaminieren können.
Während Transport und Zwischenlagerung sorgt der dichte Transport- und Lagerbehälter für den
zuverlässigen Einschluss der Radioaktivität auch bei Unfällen oder Flugzeugabsturz. Wird der Behälter
in der Brennelementverpackungsanlage geöffnet, muss das Gebäude diese Einschlussfunktion übernehmen. Das Umladen der Brennelemente vom Transportbehälter in den Endlagerbehälter erfolgt
daher in einer hermetisch geschlossenen, massiv ausgelegten Umladezelle („heisse Zelle“). Ein Austritt von Aktivität aus dieser Umladezelle wird durch Unterdruckhaltung und ein überwachtes Filtersystem verhindert.
Um eine Kontamination der Behälteraussenseite bei der Entladung zu vermeiden, wird der noch geschlossene Behälter an die Umladezelle angedockt. Der obere Teil des Behälters mit dem Deckel wird
dabei - nach aussen abgedichtet - mit der Umladezelle verbunden. Damit sind der Bereich des Deckels und die Öffnung des Behälters vom Rest des Behälters und der „Aussenwelt“ isoliert und Radioaktivität kann nicht aus der Umladezelle bzw. dem Behälter entweichen und beispielsweise die Behälteraussenseite kontaminieren. Dazu wird in der Umladezelle auch ein kleiner Unterdruck erzeugt.
Diese Aspekte sind in der untenstehenden Figurensequenz (Figur 63a) – e)) dargestellt.
Zusatzbemerkung zur Bedeutung der heissen Zelle: Die Umladezelle hat in erster Linie die Funktion
der Abschirmung der Strahlung. Bei den HAA und BE ist die Abschirmung notwendig, denn diese haben eine sehr hohe Oberflächendosisleitung (Strahlung der HAA bzw. BE; nicht zu verwechseln mit
Radioaktivität, die freigesetzt wird). Bei den SMA bzw. LMA ist die Abschirmung im Sinne der strahlenschutztechnischen Optimierung nur zum Teil notwendig, in jedem Fall aber sinnvoll.
Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass das Umladen von BE von einem Behälter in einen anderen
Behälter heute routinemässig erfolgt (vgl. „heisse Zelle“ im ZWILAG) und dass in Schweden und Finnland die Projektierung von Verpackungsanlagen sehr weit fortgeschritten ist.
E-5
Figur 63a): Endlagerbehälter an Umladezelle
luftdicht angedockt (vergleiche Dichtung);
Transportbehälter (verschlossen) vor dem
Andocken
Figur 63b): Transportbehälter luftdicht angedockt (vergleiche Dichtung), aber noch
verschlossen; ebenso ist Zellenöffnung noch
verschlossen
Figur 63c): Transportbehälter und Endlagerbehälter beide angedockt; Öffnungen zu
Umladezelle offen und Deckel des Transportbehälters entfernt
E-6
Figur 63d): Umladen der Brennelemente
aus dem Transportbehälter in Endlagerbehälter
Figur 63e): Transportbehälter leer; Deckel
aufgesetzt und Öffnungen zu Umladezelle
verschlossen. Der Transportbehälter kann
jetzt abgedockt werden
Figur 63a) - e): Schematische Darstellung verschiedener Schritte des Umladens der verbrauchten
Brennelemente aus den Transportbehältern in die Endlagerbehälter.
E-7
E-8
Thema
F: Fragen zum geologischen
Standortgebiet Jura-Südfuss
Thema F: Fragen zum geologischen Standortgebiet Jura-Südfuss
Nr.
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
33
Berücksichtigung der Eppenberg-Struktur
Warum wird explizit im Bereich Aarau – Eppenberg –
Wöschnau – Schönenwerd – Unterentfelden ein Tiefenlager
für die Lagerung von schwach- bis mittelaktiven Abfällen vorgeschlagen, obwohl in diesem Bereich alles auf eine W – E
verlaufende Störungszone im Untergrund hindeutet (Bericht
EBERHARD & Partner AG vom 18.7.07) ?
In einer kürzlich in dieser Zone niedergebrachten Erdwärmesonde auf 300 m (Endtiefe in Effingerschichten) trat viel
Grundwasser aus.
Jura-Südfuss
ENSI
KNE
Eingangsdatum: 22.09.2009
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort des ENSI und der Kommission der Nuklearen Entsorgung (KNE):
Die Identifikation und Einengung potenzieller geologischer Standortgebiete erfolgt schrittweise gemäss den Vorgaben des Sachplans geologische Tiefenlager SGT und den darin vorgegebenen sicherheitstechnischen Kriterien und Indikatoren. Im letzten und fünften Schritt des Einengungsprozesses
der Etappe 1 werden dabei innerhalb der evaluierten geologisch-tektonischen Grossräumen geeignete Konfigurationen von Wirtgesteinen (u.a. laterale Ausdehnung, Mächtigkeit, Tiefenlage, Abstand zu
regionalen Störungszonen, Meidung von Zonen mit Anzeichen erhöhter Zergliederung, Abstand zu
glazial übertieften Felsrinnen, bautechnische Machbarkeit) identifiziert. Die Nagra hat diese Einengung mit Hilfe eines Geographischen Informationssystems (GIS) durchgeführt und dokumentiert
(NTB 08-03). Aus diesem Einengungsprozess resultieren in der Nordschweiz bevorzugte Bereiche für
HAA- und SMA-Lager in den Wirtgesteinen Opalinuston, Brauner Dogger und Effinger Schichten, darunter auch der bevorzugte Bereich SMA-EFF-SJ-O im geologischen Standortgebiet Jura-Südfuss.
Das ENSI hat das GIS-Einengungsverfahren zusammen mit der KNE und einem externen Experten,
Büro Dr. von Moos AG, überprüft und nachvollzogen (Dr. von Moos AG 2009; ENSI 33/070; KNE
2010).
Die Überprüfungen des ENSI und der KNE zeigen, dass

alle verfügbaren geologischen Grundlagedaten aus Bohrungen, Seismiklinien, geologischtektonischen Kartierungen und publizierten Isohypsen- und Isopachenkarten berücksichtigt
wurden

der Einengungsprozess nachvollziehbar und unter Berücksichtigung der sicherheitstechnischen Kriterien durchgeführt wurde

und der daraus resultierende bevorzugte Bereich SMA-EFF-SJ-O nachvollziehbar ist
Die Eppenberg-Struktur wurde von der Nagra bei der Kompilation der tektonischen Strukturen als
Zone mit Anzeichen erhöhter tektonischer Zergliederung berücksichtigt und bildet die Nordgrenze
des bevorzugten Bereiches SMA-EFF-SJ-O (NTB 08-03, Figur 5.7-6). Das ENSI beurteilt aufgrund von
Anzeichen erhöhter tektonischer Zergliederung (Seismiklinie 83-SE-12, NTB 08-04) und einer möglichen Fortsetzung der Born-Engelberg-Antiklinale nach Osten den Indikator „Platzangebot untertage“
für das Gebiet SMA-EFF-SJ-O im Gegensatz zur Nagra nur als bedingt günstig.
(Die Frage betreffend Wasserführung der Effinger Schichten erfolgt in der Antwort zur Frage 34).
F-1
Referenzen:
Dr. von Moos AG (2009): Sachplan Geologische Tiefenlager (SGT) Etappe 1: Überprüfung des GISVerfahrens der Nagra und der verwendeten Datensätze im Standortauswahlverfahren SGT
Etappe 1, Expertenbericht Dr. von Moos AG Beratende Geologen und Ingenieure, Zürich.
ENSI 33/070: Sicherheitstechnisches Gutachten zum Vorschlag geologischer Standortgebiete, Sachplan geologische Tiefenlager, Etappe 1, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Brugg,
2010.
KNE (2010): Sachplan Geologische Tiefenlager, Etappe 1 - Stellungnahme der KNE zur Sicherheit und
bautechnischen Machbarkeit der vorgeschlagenen Standortgebiete, Expertenbericht Kommission Nukleare Entsorgung, Brugg.
NTB 08-03: Vorschlag geologischer Standortgebiete für das SMA- und das HAA-Lager - Darlegung der
Anforderungen, des Vorgehens und der Ergebnisse, Nationale Genossenschaft für die Lagerung
radioaktiver Abfälle, Nagra Technischer Bericht, Wettingen, 2008.
F-2
Thema F: Fragen zum geologischen Standortgebiet Jura-Südfuss
Nr.
34
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
Wasserwegsamkeiten in den Kalkbankabfolgen der EffingerSchichten
Warum wird in den Effingerschichten ein solches Tiefenlager
geplant, obwohl bekannt ist, dass die Effinger Schichten viele
Kalkbänke aufweisen, welche teilweise stark geklüftet sind
und in diesem Zustand als Karstwasserleiter anzusehen sind
(diverse Bohrungen beim Tunnel Horental in Küttigen – Staffeleggzubringer). Es wurden mittels Pumpversuchen in diesen
Schichten Durchlässigkeitsbeiwerte von 4.5 x 10−3 m/s ermittelt.
Jura-Südfuss
ENSI
KNE
Eingangsdatum: 22.09.2009
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort des ENSI und der Kommission der Nuklearen Entsorgung (KNE):
Kalkbankabfolgen in den Effinger Schichten sind auch gemäss Nagra in oberflächennahen Vorkommen (Steinbrüche, Tunnels) und im Bereich der Dekompaktionszone (bis gegen 300 m Tiefe u. Terrain) oft höher durchlässig (Kluftwasserleiter). Hohe Durchlässigkeiten betreffen oft tektonisch stärker überprägte Gebiete (Faltenjura, steil stehende Schichten und Überschiebungszonen).
Für die Eignung der Effinger Schichten als Wirtgestein sind Vorkommen in geologisch möglichst ungestörten Verhältnissen, bei flacher Lagerung und in grösseren Tiefen unterhalb von 300 m unter Terrain zu beurteilen. Tatsächlich liegen ca.80% des bevorzugten Bereichs SMA-EFF-SJ-O tiefer als 450 m
unter Terrain.
Unter diesen Verhältnissen zeigen die vorhandenen Daten für die Effinger Schichten:
24

geringe hydraulische Durchlässigkeiten (≤ 1.3∙10−11 m/s, Figur 34-1)

in den Porenwässern der Bohrung Oftringen Chlorid- und Heliumgehalte, die auf sehr lange
Verweilzeiten im Gestein schliessen lassen (Diffusionsprofile) und die sehr geringe hydraulische Durchlässigkeit bestätigen (Figur 34-2),

ähnliche Diffusionsprofile auch in der Bohrung Gösgen-Niederamt (Mäder et al. 2010).

Vereinzelte Adern und Klüfte, welche im Zuge der geologischen Entwicklung (mehrere Millionen Jahre) mit Mineralen gefüllt wurden und somit hydraulisch nicht mehr wirksam sind
(NTB 08-04),24

Tongehalte in den Kalkmergelfolgen, die ein gewisses Selbstabdichtungsvermögen erwarten
lassen. Für die Kalkbänke wird hingegen kein Selbstabdichtungsvermögen erwartet.
NTB 08-04, S.165: „Eine der Ursachen ist die Abdichtung von potenziell wasserführenden Strukturen durch Mineraladern,
welche sich während der Diagenese der Effinger Schichten bei erhöhten Temperaturen und Drücken über sehr lange (geologische) Zeiträume bildeten (Figur 4.3-18)
F-3
Tiefe = 300 m
K-Wert = 10-9 m/s
Effinger Schichten
Figur 34-1: Ergebnisse hydraulischer Tests in den Effinger Schichten (aus NTB 08-04). Das Lager für
schwach- und mittelaktive Abfälle muss gemäss Nagra tiefer als 300 m unter Terrain liegen. Die hydraulische Durchlässigkeit muss kleiner als 1 x 10−9 m/s sein.
Figur 34-2: Bohrung Oftringen: Cl- und He-Gehalte der Porenwässer der Effinger Schichten ( 08-18)
F-4
Zur Datenlage: Für das Kantonsgebiet Aargau liegen dem ENSI Bohrprofile von 64 Bohrungen in den
Effinger Schichten vor. Keine dieser Bohrungen liegt innerhalb des bevorzugten Bereichs SMA-EFF-SJO. Drei Bohrungen liegen allerdings innerhalb des geologischen Standortgebiets Jura-Südfuss. Zwei
dieser Bohrungen weisen innerhalb der Effinger Schichten keinen Wasserzufluss auf (Effinger Schichten bis maximal 160 m Tiefe). Eine einzige Bohrung erreicht 300 m Tiefe, was der minimalen Tiefenlage des SMA-Lagers in der subjurassischen Zone entspricht. Das Wasser tritt dort bei 234 m unter
Terrain an der Grenze zu den darüber liegenden Kalksteinen der Geissberg-Schichten zu, die Schüttung ist dem ENSI nicht bekannt („viel Grundwasser?“). Im Kantonsgebiet Solothurn sind 271 maximal 235 m tiefe Erdwärmesonden bekannt. Insgesamt gibt es heute keine Belege für eine Wasserführung innerhalb der Effinger Schichten unterhalb 300 m und innerhalb des geologischen Standortgebiets Jura-Südfuss.
Die Skepsis betreffend einer möglichen erhöhten Wasserwegsamkeit in tektonisch überprägten und
damit geklüfteten Kalkbankabfolgen der Effinger Schichten ist nach Ansicht des ENSI und der KNE
berechtigt, da sich die Kalkbänke spröd verhalten. Da Kalkbankabfolgen mit seismischen Erkundungsmethoden nur schwer abzubilden sind, wird die Explorierbarkeit der Kalkbankabfolgen in den
Effinger Schichten seitens ENSI und KNE als nur bedingt günstig beurteilt. Im Massstab „Tiefenlager“,
das heisst über mehrere hundert Meter, lassen sich die Kalkbank dominierten Abfolgen recht gut
verfolgen. Im Zuge einer späteren Detailerkundung (Bohrungen, 3D-Seismik, Felslabor) können diese
Abfolgen daher identifiziert und die Lagerkavernen ausserhalb dieser Bereiche platziert werden.
Die Effinger Schichten sind von keinen zusätzlichen Rahmengesteinen umgeben, welche zur Barrierenwirkung beitragen könnten. Das Standortgebiet Jura-Südfuss enthält jedoch auch das Wirtgestein
Opalinuston und bietet die Möglichkeit, Teile oder das gesamte SMA-Lager im Opalinuston zu platzieren. Diese Option war ein wesentliches Argument für den Vorschlag des Standortgebietes JuraSüdfuss.
Referenzen:
Mäder U., Koroleva M., Waber H.N., Haller A.d., Mazurek M. (2010): Pore water chemistry of the
calcareaous/marly rocks of the Effingen Member: A field, laboratory, and modelling study,
Clays in Natural & Engineered Barriers for Radioactive Waste Confinement - 4th International
Meeting.
NAB 08-18: Borehole Oftringen: Mineralogy, Porosimetry, Geochemistry, Pore Water Chemistry,
Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra Arbeitsbericht, Wettingen, 2008.
NTB 08-04: Vorschlag geologischer Standortgebiete für das SMA- und das HAA-Lager - Geologische
Grundlagen (Texband & Beilagenband), Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra Technischer Bericht, Wettingen, 2008.
F-5
Thema F: Fragen zum geologischen Standortgebiet Jura-Südfuss
Nr.
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
35
Einfluss von bestehenden Erdwärmesonden
Im besagten Bereich sind schon heute Erdwärmesonden in
Betrieb, welche Tiefenbereiche von 300 und mehr Metern
erschliessen. Ist dies im Hinblick auf die mögliche Realisation
eines solchen Tiefenlagers nicht ein wesentliches Sicherheitsrisiko (400 m tiefe Anlage)?
Jura-Südfuss
ENSI
KNE
Eingangsdatum: 22.09.2009
Beantwortet am: 26.08.2010
Antwort des ENSI und der Kommission der Nuklearen Entsorgung (KNE):
271 Erdwärmesonden (EWS) auf dem Kantonsgebiet Solothurn, die sich in oder in der Nähe des
Standortgebiets befinden, sind bis 235 m tief. Dabei ist in den letzten 30 Jahren generell eine Zunahme der Bohrtiefe festzustellen (siehe Figur 35-1).
Figur 35-1: Tiefenverteilung von 271 EWS im SMA-Gebiet Jura-Südfuss des Kt. Solothurn.
Zwei der 64 Erdwärmesondenbohrungen auf dem Kantonsgebiet Aargau erreichen 300 beziehungsweise 330 m Tiefe. Über noch tiefere Erdwärmesonden (> 330 m) im Untersuchungsgebiet liegen
dem ENSI und der KNE gegenwärtig keine Informationen vor.
Eine genauere Analyse der Auswirkungen von tiefen Erdwärmesonden auf ein SMA-Tiefenlager steht
noch aus. Zur Langzeitentwicklung von Erdwärmesonden liegen heute auch noch keine Erkenntnisse
vor. Für die sicherheitstechnische Beurteilung der Auswirkungen sind neben der lokalen Hydrostratigraphie die Anzahl, die Tiefe und die Art der Verfüllung der Erdwärmesonden ausschlaggebend. Da
Erdwärmesonden oftmals unvollständig verfüllt sind, stellen sie ein mögliches Risiko für hydraulische
Kurzschlüsse dar. Als kritische Tiefenlage kann heute eine Tiefe grösser als die maximale Dekompaktionszone angesehen werden.
F-6
Nach Ansicht des ENSI und der KNE ist der Einfluss von Erdwärmesonden auf die Sicherheit eines
geologischen Tiefenlagers in Etappe 2 anhand der provisorischen Sicherheitsanalysen aufzuzeigen
und zu quantifizieren. Daraus abgeleitet ergeben sich Hinweise auf die zu treffenden Schutzmassnahmen bei der späteren Standortfestlegung (Rahmenbewilligung mit provisorischem Schutzbereich).
F-7
F-8
Thema
G: Fragen zum geologischen
Standortgebiet Zürich NordOst
Thema G: Fragen zum geologischen Standortgebiet
Zürich Nordost25
Nr.
45
Frage
Langzeitszenarien und Tiefenerosion im Standortgebiet Zürich Nordost
In der Region Schaffhausen postuliert die Nagra im Technischen Bericht 99-08 mittlere Hebungsraten von 80 – 110 m in
1 Million Jahren (abgeleitet aus geomorphologischen Kriterien). Im selben Raum sind im Untergrund in den MalmkalkFels eingeschnittene Schluchten/Täler bekannt, mit einer
Tiefe ab Felsschulter von 50 m (Rheinfallrinne) bis 100 m
(Klettgaurinne) und Sohlenhöhen unter 350 m ü.M. (Schindler
C., 1982: Baugrundkarte der Stadt Schaffhausen). Heute stürzt
der Rhein am Rheinfall über eine solche Felsschulter in das
teilweise ausgeräumte frühere Tal. Die Bildung dieser Rinnen
wird der grössten Vereisung (Riss, ca. 350’000 bis 125’000
Jahre vor heute) zugeordnet, dies aufgrund der Altersstellung
der Füllsedimente (Rinnenschotter), welche ebenfalls noch als
risseiszeitlich angesehen werden. Die Eintiefungsraten sind
daher deutlich höher als die Hebungsrate (ca. Faktor 3-5,
eventuell noch höher).
Das führt zu Fragen nach dem Prozess der Tiefenerosion bei
der Rinnenbildung im Raum Schaffhausen und nach dessen
Relevanz für die Tiefenerosion im Rahmen von Langzeitszenarien für Zürich Nordost:
a)
Fragesteller
Beantwortet durch
Herbert Bühl
Mitglied Beirat
UVEK
a) ENSI und Nagra
b) ENSI
Wie lässt sich die grosse Eintiefung der Rinnen in den
harten Fels in einem Zeitraum in der Riss-Kaltzeit von
50 – 100 m Tiefe aus Sicht der Nagra beziehungsweise
des ENSI erklären. Welche Argumente sprechen für, welche gegen eine subglaziale Tiefenerosion. Welche (andere) Talbildungsprozesse erscheinen aus Sicht Nagra/ENSI
am wahrscheinlichsten und aus welchen Gründen?
b) Wie beurteilt ENSI die Wahrscheinlichkeit, dass analoge
Erosionsprozesse wie die Rinnenbildung im Raum
Schaffhausen (Tiefenerosion sehr deutlich unter die
Malm-Obergrenze) im Standortgebiet Zürich Nordost im
Rahmen der zu betrachtenden Langzeitszenarien auftreten können. Welches sind die Folgerungen von ENSI für
die Langzeitsicherheit eines Lagerstandortes für HAA im
Standortgebiet Zürich Nordost?
Eingangsdatum: 27.04.2010
25
Beantwortet am: 04.03.2011
Auf Wunsch der Standortregion wurde das Standortgebiet Zürcher Weinland in Zürich Nordost umbenannt.
G-1
Antwort der Nagra:
a)
Die Basis der Klettgau- und der Rheinfallrinne liegt gemäss den heutigen Erkenntnissen (vgl.
z.B. Schindler 1982, 1985, Kempf et al. 1986, Jordan 2008) westlich beziehungsweise südwestlich von
Schaffhausen ca. 325 – 350 Meter über Meer (siehe Figur 45-1). Heute sind die ehemaligen Täler
aufgefüllt und liegen zum Teil unter Hügeln, wo die quartäre Felsüberdeckung mehr als 100 m erreichen kann. Der heutige Rheinlauf liegt bei Schaffhausen bei ca. 385 m über Meer, das heisst deutlich
höher als zur Zeit der Paläotäler (Figur 45-1).
Figur 45-1: Abbildung 7 aus Jordan (2008)
Bei Vorliegen deutlicher Talübertiefungen kann von einer glazialen Bildung ausgegangen werden. Die
Tatsache, dass im Raum Schaffhausen die Talsohlen sowohl der Klettgau- als auch der Rheinfallrinne
nach heutigem Kenntnisstand nicht übertieft sind, deutet auf eine fluviatile Erosion hin. Ob diese
fluviatile Erosion rein subaerisch oder teils subglazial stattfand, ist aber nicht abschliessend geklärt.
Die Höherlegung des Flussniveaus und die Umleitung des Rheins in ein neues Bett bei Schaffhausen
sind durch ein Verschliessen der alten Täler durch Moränenbildung, Seebildung und Aufschotterung
bedingt. Dadurch musste sich der Rhein einen neuen Weg suchen. Neue Rinnen wurden jeweils dort
gebildet, wo die bestehende Topographie am niedrigsten war, das heisst im untiefsten Bereich eines
präexistierenden, aber im Vergleich zur ursprünglichen Situation (vor Moränenbildung, Seebildung
und Aufschotterung) höher gelegenen Tals. Dieses Tal wurde in der Folge eingetieft. Die fluviatilen
Eintiefungen in den Malmkalken führen zu eher schmalen Rinnen, wie das Beispiel der heute aufgefüllten Rinne bei Neuhausen zeigt. Diese Rinnen sind – bis zu einer Aufschotterung – wohl ziemlich
lagekonstant. Wo der Rheinlauf an der Grenze zwischen Malmkalken und Molasse liegt, wie heute
zwischen Flurlingen und dem Rheinfall (steiler Molassehang auf der Luvseite), kann es aufgrund der
unterschiedlichen Erosionsresistenz zu einer bevorzugten seitlichen Erosion Richtung Molassefels
und damit zu einer Verschiebung des Flusslaufs Richtung Süden kommen.
G-2
Verschliessen von Tälern mit Moränenmaterial (oder auch Bergsturzmaterial) ist relativ häufig. Erreicht der entstehende See (oder eine Aufschotterungsebene) ein Niveau, welches ein Überlaufen
gestattet, so kann sich in relativ kurzer Zeit ein neuer Flusslauf bilden mit entsprechender Erosion.
Dieser Prozess kann auch in kompetenten Kalken relativ schnell ablaufen, er ist jedoch durch das
regionale Vorflutniveau limitiert.
Im Gebiet des Rheinfalls weist das Längsprofil des Rheins zurzeit einen Knickpunkt auf, bedingt durch
die Schwelle der Malmkalke. Zur Zeit der alten Rinnen bestand dieser Knick in der Region Schaffhausen offensichtlich nicht. Durch Prozesse wie Moränenbildung und Aufschotterung wurden die alten
Rinnen aufgefüllt und der Rhein fand nicht in sein altes Bett zurück beziehungsweise hat noch kein
neues Bett in die Malmkalke eingeschnitten. Ein Rückerodieren des Rheinfalls und damit verbundener Ausgleich des Flussprofils ist in den Szenarien des NTB 99-08 explizit berücksichtigt, indem bei
der Betrachtung der zukünftigen Erosion neben der mittleren Hebungsrate 80 – 110 m in einer Million Jahren (abgeleitet aus geomorphologischen Kriterien) zusätzlich ein Wert von 100 m für zusätzliche Eintiefung des Rheins berücksichtigt.
Referenzen:
Jordan, P. (2008): Digitales Höhenmodell – Am Beispiel der Felsoberfläche der Nordschweiz. GWA
6/2008, 444-449.
Kempf, Th., Freimoser, M., Haldimann, P., Longo, V., Müller, E., Schindler, C., Styger, G. & Wyssling, L.
(1986): Die Grundwasservorkommen im Kanton Zürich. Erläuterungen zur Grundwasserkarte
1:25'000. Beitr. Geol. Schweiz, geotech. Ser., Lfg. 69.
Schindler, C. (1982): Baugrundkarte Schaffhausen 1:10'000.
Schindler, C. (1985): Geologisch-geotechnische Verhältnisse in Schaffhausen und Umgebung (Erläuterungen zur Baugrundkarte Schaffhausen 1:10'000, 1982), Beiträge zur Geol. der Schweiz, Kleinere Mitteilung 74.
Antwort des ENSI:
Der aktuelle Wissensstand zu den Rinnenfüllungen in der Nordschweiz ist in Expertenberichten (z.B.
Dr. von Moos AG 2010, Dr. von Moos AG 2009) zuhanden des ENSI und in Aktennotizen dargelegt.
Das Alter der Rinnenfüllungen, soweit in Kiesgruben aufgeschlossen, reicht nach derzeitigem Wissen
mindestens bis 250'000 Jahre zurück (pers. Mitt. H. Graf, F. Preusser). Weitere Datierungen von Rinnenfüllungen sind seitens der Universität Bern in Arbeit (Nagra- und Nationalfonds-finanziertes Forschungsprojekt).
a)
Die Übertiefung von Rinnen durch glaziale Tiefenerosion ist etabliertes Wissen, da sie nicht durch
Oberflächenabstrom von Wasser sondern nur unter Eisüberlagerung erfolgen kann. Umstritten ist
weiterhin der Beitrag des Gletschereises zur Rinnenübertiefung, da der Felsuntergrund übertiefter
Rinnen meist von Grundmoräne bedeckt ist. Der genaue Zeitrahmen und die Prozessraten der Übertiefung im Verlauf der Kaltzeiten sind nicht bekannt, nur die Gesamteintiefung und der späteste Zeitpunkt der primären Eintiefung im harten Felsuntergrund. Der späteste Zeitpunkt wird durch das
Mindestalter der ältesten Verfüllung festgelegt, also 250'000 Jahre in den externen (westlichen) Ausläufern der Rinnen.
G-3
Eine alternative Erklärung für Übertiefungen wäre im Mittelland eine zeitweilige tektonische Hebung
quer zu den Rinnen und eine spätere Absenkungen am gleichen Ort.
Störungssysteme in Streichrichtung des Bodensee-Grabens (östlich Neuhauser Störung), schräg zum
Verlauf der Hochrhein-Rinne, sind zwar vorhanden, aber es besteht angesichts des NW- bis NNWausgerichteten Stressfeldes (Reinecker et al. 2010) kein Grund, eine Umkehr der schwachen lokalen
Absenkungsbewegungen anzunehmen. Die flachwellige mögliche Faltung des Alpenvorlandes in
Oberschwaben nördlich des Bodensees, die sich in Feinnivellements andeutet ( 07-27), ist in der Ostschweiz nicht nachweisbar und eine zeitweilige Umkehr tektonischer Bewegungen ist nicht anzunehmen (Reinecker et al. 2010).
Die Entstehung der Klettgau-Rinne geht überwiegend auf fluviale Erosion zurück. Ihr Felsuntergrund
weist ein gleichmässiges und geringes Gefälle von Neuhausen nach Tiengen auf und ist von ca. 70 90 Meter mächtigen Ablagerungen der Riss-Kaltzeiten und vermutlich auch älteren Kaltzeiten verfüllt. Diese Rinne könnte rein fluvial durch den Rheinvorläufer entstanden sein. Die Konsequenzen
dieser Möglichkeit sind erheblich, da das geringe Gefälle auf die Vorflut bei Laufenburg eingestellt ist.
Da das Klettgau durch glaziale Sedimente der Riss-Eiszeiten - an der Basis möglicherweise über
300'000 Jahre alt - plombiert ist, und das geringe Gefälle der Klettgau-Rinne kontinuierlich weiter bis
Laufenburg zu verfolgen ist, wäre bei Laufenburg seither praktisch keine Eintiefung im Fels erfolgt.
Vertikale tektonische Bewegungen haben zwischen der Dinkelsberg-Scholle (Westen) und der Neuhauser Störung (Osten) die Deckenschotter des Hochrheingebiets nicht versetzt (Kock 2008). Dann
hätte der Rhein in den Warmphasen zwischen den Eiszeiten gerade den Schutt der jeweils letzten
Kaltzeit ausgeräumt und kaum in den Fels geschnitten. Entsprechend wäre die zukünftig zu erwartende Tieferlegung der Vorflut bei Laufenburg, bei Annahme eines natürlichen Wechsels aus Kaltund Warmzeiten, minimal.
Die Klettgau-Rinne ist sicher bereits im Frühquartär fluvial angelegt worden, da in ihrem Verlauf Tiefere Deckenschotter (gemäss ENSI - Überlegungen zwischen 1.2 und 0.8 Millionen Jahre alt) einige
Zehnermeter über dem heutigen Talniveau abgelagert worden sind. Die Eintiefung vom Basisniveau
der Tieferen Deckenschotter bis auf die Felssohle 80-90 m unter dem heutigen Talniveau (also um ca.
110 m) hat demnach zwischen 0.8 und 0.4 (0.3) Million Jahren stattgefunden, da die komplexe Füllung der Rinne möglicherweise mehr als 300'000 Jahre alt ist. Da die fluviale Eintiefung im Altquartär
(ca. 110 m zwischen ca. 2.1 und ca. 1.2 Millionen Jahren) ca. 0.13 mm pro Jahr beträgt, ergäbe sich
im Mittelquartär (0.78 - 0.12 Millionen Jahren; vermutlich aber bis 0.4 Millionen Jahren, s.o.) eine
Eintiefungsrate von durchschnittlich ca. 0.25 - 0.3 mm pro Jahr, plus der Eintiefung zur Basis der Tieferen Deckenschotter. Es ist daher plausibler, die beschleunigte Tiefenerosion überwiegend durch
subglaziale Tiefenerosion zwischen 0.8 und 0.4 Millionen Jahren, z.B. in der Grössten Eiszeit (MEG),
zu erklären. Es fällt auf, dass in der Felsoberfläche der Klettgau-Rinne bislang keine Übertiefungen
nachgewiesen wurden, wie sie im Bereich östlich und südlich von Schaffhausen typisch sind.
Die Situation in der Hochrhein-Rinne unterhalb von Schaffhausen ist schwieriger zu beurteilen, da die
ältesten Füllungen auf der Basis der heutigen Datenlage nur bis in die vorletzte Eiszeit zurückreichen.
Der kontinuierliche Tiefenverlauf der Rinnen westlich von Schaffhausen gegenüber der Übertiefung
im Molasseuntergrund östlich von Schaffhausen deutet aus Sicht des ENSI darauf hin, dass die Molasse als relativ weicher Felsuntergrund durch subglaziales Wasser breiter und lokal tiefer ausgeschürft wurde als der im Klettgau anstehende Malmkalk.
G-4
b)
Das ENSI hält es für gesichert, dass die komplexe Verfüllung der glazialen Rinnen nördlich der Thurtal-Rinne und der Hochrhein-Rinne östlich von Schaffhausen eine Ausräumung durch Kaltzeiten im
natürlichen Eiszeitzyklus unwahrscheinlich macht. Die Erhaltung der Lockersedimente in den glazial
übertieften Rinnen zeigt, dass die effiziente Übertiefung der Täler am nördlichen Alpenrand
(Häuselmann et al. 2007) und vermutlich auch im Molassevorland in einer frühen Phase des Mittelpleistozäns erfolgte und sich in der Folge (späteres Mittelpleistozän) in die Alpen talaufwärts verlagerte. Der veränderte Gradient der inneralpinen Täler und der Rinnen im Alpenvorland bewirkte offenbar, dass die externen Enden der Vorlandrinnen nicht weiter vertieft, sondern dauerhaft verfüllt
wurden. Die Thurtal-Rinne nimmt gemäss heutigem Kenntnisstand eine Sonderstellung ein, da ihre
heutige Form des Felsuntergrundes im östlichen und mittleren Teil anscheinend erst in der vorletzten
Eiszeit gestaltet worden ist, da ältere Schotter durch Tiefenerosion im Ausmass von 150 bis 200 m
abgeschnitten worden sind (Dr. von Moos AG 2010). Eine allgemeingültige Aussage zur Thurtal-Rinne
müsste im tiefsten Trog am Westende der Rinne validiert und durch eine Bohrung und Datierungen
überprüft werden. Der westliche Teil dieser Rinne ist in der letzten Eiszeit anscheinend nicht völlig
ausgeräumt worden, da dort kompaktierte Sande in Bohrungen, die den Felsuntergrund nicht erreichten, angetroffen wurden.
Hinweise auf eine natürliche Tiefenbegrenzung der Tiefenerosion ergeben sich aus Sicht des ENSI aus
der mit ca. 300 - 400 m relativ bescheidenen Eismächtigkeit (Züricher Weinland) in der vorletzten
Eiszeit. Die tiefsten Rinnen Norddeutschlands und der Nordsee in Lockersedimenten greifen etwa
500 m tief (M. Frechen, persönliche Mitteilung) und entstanden unter einer Eisbedeckung von vermutlich über 1’000 m (z.B. Rinne bei Gorleben, ca. 380 m tief, angenommene Überlagerung in der
vorletzten Eiszeit 900 m). Die Bedeutung eines Aufschwimmens von Gletschern auf Grundwasser bei
zunehmender Rinnenübertiefung und dadurch verringerte Erosionseffizienz wäre als Ursache zu diskutieren. Bei grösserer Gletschermächtigkeit wie am Südostende des Bodensees (Eisoberfläche bei
ca. 1200 m ü.NN. Schlüchter et al. 2009), Eisdicke ca. 1700 m,) besteht ein deutlich höheres Potenzial
für Tiefenerosion (ca. 500 m, Haeberli 2004). Erosionsmodellierungen in homogenem Untergrund
des Antarktischen Schelfs weisen auf eine Rückwärtsverlagerung glazialer Rinnen und eine praktisch
konstante Tiefenlage der Rinnen auf dem Schelf (Nagra-Workshop 28.4.-1.5.2010) hin. Die Verlagerung des starken Gefälles hin zum Nährgebiet des Gletschers vermindert offenbar die Erosion im
Zehrgebiet und fördert die Ablagerung von Sediment, so wie es in den relativ fernen Rinnen des Alpenvorlands zu beobachten ist. Das ENSI geht von der Naturbeobachtung gewisser Mindestabstände
von subglazialen Entwässerungsrinnen aus (Selbstorganisation) und stellt fest, dass vorhandene Rinnen in der Regel wiederholt von Gletschern benutzt worden sind.
Hinsichtlich der Lagerung von HAA im Standortgebiet Zürich Nordost folgert das ENSI, dass von der
Thurtal-Rinne und der abzweigenden flachen Marthalen-Rinne eine potenzielle Gefährdung des südlichen Anteils des Standortgebiets ausgehen könnte und daher ein angemessener Abstand zur tiefen
Thurtal-Rinne und eine Sicherheitszugabe in der Tiefenlage unter der Marthalen-Rinne einzuhalten
ist. Das ENSI hält die potenzielle Gefährdung mit der geforderten Tiefenlage des Lagers von > 700 m
unter Terrain (das heisst 200 m u.NN.) für angemessen berücksichtigt. Die Anlage einer neuen Rinne
zwischen der Marthalen-Rinne und Schaffhausen bei Wildensbuch (Dr. von Moos AG 2010) hält das
ENSI nach detaillierter Abwägung aufgrund des geringen Abstandes einer solchen Rinne von existierenden Rinnen und der geringen Wahrscheinlichkeit der nötigen Vorprägung durch eine fluviale
(Schmelzwasser-) Rinne durch Moränenabdämmung des Thurtals und des Hochrheintals im Bereich
des Cholfirstes (Denkschrift von E. Müller zuhanden des ENSI 2010, Vortrag an der TFS-Fachsitzung
„Glaziale Tiefenerosion“, Protokoll Beilage 8) für denkbar, aber unwahrscheinlich. Das Szenario einer
möglichen Rinnenvorprägung durch Schmelzwasser wird in seinen Folgen durch die Aufschotterung
und Verfüllung des Hochrheintals begrenzt, die mit einem Gletschervorstoss bis zum Cholfirst einherG-5
gehen würde. Das aktuelle Niveau des Rheintals wäre also ein zu tiefer Bezugshorizont als Vorflut
einer solchen Schmelzwasserrinne. Zudem ist angesichts der Reliefverhältnisse im Züricher Weinland
zwar die Bildung eines Schmelzwasser-Tors im Moränenriegel selbst, aber im vorgelagerten Flachland
eher die Bildung eines Sander-Schwemmfächers als einer Rinne zu erwarten. Das Szenario nimmt in
der Folge an, dass eine vorgeprägte Rinne, wenn denn eine gebildet würde, in einer weiteren Eiszeit
von Gletschereis erweitert und vertieft werden könnte. Eine direkte glaziale Rinnenanlage quer
durch das Standortgebiet in einem einzigen Eiszeitzyklus erscheint dem ENSI noch weniger wahrscheinlich, da das Relief des Cholfirstes und südlich angrenzender Moränen den potenziellen Eisstrom aufteilen sollte.
Referenzen
Dr. von Moos AG (2009): Sachplan Geologische Tiefenlager (SGT) Etappe 1: Beurteilung der glazialen
Tiefenerosion im Rahmen der Festlegung der geologischen Standortgebiete, Expertenbericht
Dr. von Moos AG Beratende Geologen und Ingenieure, Zürich.
Dr. von Moos AG (2010): Schottersysteme zwischen dem Thurtal und Schaffhausen, Expertenbericht
Dr. von Moos AG Beratende Geologen und Ingenieure, Zürich.
Haeberli W. (2004): Eishaus + 1'000'000a: Zu Klima und Erdoberfläche im Zürcher Weinland, während
der kommenden Million Jahre, Expertenbericht
Häuselmann P., Granger D.E., Jeannin P.-Y., Lauritzen S.E. (2007): Abrupt glacial valley incision at 0.8
Ma dated from cave deposits in Switzerland. Geology 35, 143–146.
Kock S. (2008): Pleistocene terraces in the Hochrhein area – formation, age constraints and neotectonic implications. Basel, 99 p.
07-27: Auswertung von wiederholten Präzisionsnivellements im südlichen Schwarzwald, Bodenseeraum sowie in angrenzenden schweizerischen Landesteilen, Nationale Genossenschaft für die
Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra Arbeitsbericht, Wettingen, 2007.
Reinecker J., Tingay M., Müller B., Heidbach O. (2010): Present-day stress orientation in the Molasse
Basin. Tectonophysics 482, 129-138.
Schlüchter C.E., Bini A., Buoncristiani J.-F., Couterrand S., Ellwanger D., Felber M., Florineth D., Graf
H.R., Keller O., Kelly M., Schoeneich P. (2009): Die Schweiz während des letzteiszeitlichen Maximums (LGM) 1:500'000., Bundesamt für Landestopografie swisstopo, Wabern
G-6
Thema
H: Fragen zum geologischen
Standortgebiet Jura-Ost
Thema H: Fragen zum geologischen Standortgebiet Jura Ost26
Nr.
48
Frage
Eigenschaften des Standortgebiets Jura Ost
Das Sicherheitstechnische Gutachten zum Vorschlag geologischer Standortgebiete, Sachplan Geologisches Tiefenlager
Etappe 1 des ENSI hat nicht einmal MASSSTÄBLICHE QUERSCHNITTE der ganzen Region Jura Ost (zwischen Hausen und
Waldshut) mit Tiefenmassstab, der Lage des Opalinustons,
der Lage des Tiefenlagers, des Lagerzugangs, des Abraumberges, der Geothermie und Angabe der Ortschaften.
Gemäss einem ENSI-Mitarbeiter sei die Nagra im Besitze dieser Daten. Das nennt sich Sicherheit! Und dazu soll sich die
Bevölkerung in einem kurzfristigen Hauruck-Verfahren äussern können. Genau so schnell wie diese Hauruckübung
durchgezogen werden soll, werden nun UMGEHEND diese
Darstellungen vom ENSI, der Nagra und dem BFE angefordert.
Und bitte keine Pseudo-3D-Darstellungen.
Eingangsdatum: 26.09.2010
Fragesteller
Beantwortet durch
Hr. Baldinger
geotherma.ch
ENSI
Beantwortet am: 10.06.2011
Antwort des ENSI:
Das ENSI gliedert die Beantwortung der Frage in drei Teile:
Teil 1 der Frage an das Technische Forum:
Das „Sicherheitstechnische Gutachten zum Vorschlag geologischer Standortgebiete, Sachplan geologische Tiefenlager Etappe 1“ des ENSI hat nicht einmal massstäbliche Querschnitte der ganzen Region
Jura Ost (zwischen Hausen und Waldshut) mit Tiefenmassstab, der Lage des Opalinuston und Angabe
der Ortschaften.
Antwort des ENSI zu Teil 1 der Frage:
Angaben zur Tiefenlage werden für alle Standortregionen ausführlich im Expertenbericht „Überprüfung des GIS-Verfahrens der Nagra und der verwendeten Datensätze im Standortauswahlverfahren
SGT Etappe 1“ ENSI 33/64 dargelegt. Dieser Bericht wurde mit dem Sicherheitstechnischen Gutachten des ENSI im Februar 2010 veröffentlicht und ist im Internet aufgeschaltet. Als Beispiel ist unten
die Figur 5.16 aus diesem Bericht abgebildet, wo die Angaben zur Tiefenlage des Opalinuston in Form
einer Karte abgebildet sind.
26
Auf Wunsch der Standortregion wurde das Standortgebiet Bözberg in Jura Ost umbenannt.
H-1
Figur 48-1: (Abbildung 5.16) Dr. von Moos AG, Zürich, Detailkarten Tiefenlage unter Terrain.
Teil 2 der Frage an das Technische Forum:
Das „Sicherheitstechnische Gutachten zum Vorschlag geologischer Standortgebiete, Sachplan geologische Tiefenlager Etappe 1“ des ENSI enthält keine Angaben zur Lage des Tiefenlagers, des Lagerzugangs, des Abraumberge und der Geothermie.
Antwort des ENSI zu Teil 2 der Frage:
Tiefenlage
Der Konzeptteil des Sachplans geologische Tiefenlager vom 2. April 2008 hält das Vorgehen des
Standortauswahlverfahrens wie folgt fest:
In Etappe 1 identifiziert die Nagra aufgrund der Kriterien hinsichtlich Sicherheit und technischer
Machbarkeit geologische Standortgebiete. Sie dokumentiert, beurteilt und begründet ihre Vorschläge in einem Bericht und informiert das Bundesamt für Energie über die getroffene Auswahl.
Die Beurteilung hinsichtlich Sicherheit und technischer Machbarkeit erfolgt aufgrund der definierten
Kriterien unter Berücksichtigung des vorgesehenen Abfallinventars und der provisorischen Auslegung
der technischen Barrieren. Dabei ist von den Entsorgungspflichtigen insbesondere auch aufzuzeigen,
welche geologischen Standortgebiete für die Lagerung aller Abfallkategorien (Kombilager) vorgesehen sind respektive in Frage kommen.
In Etappe 2 erarbeitet die Nagra unter Beizug der Standortregionen und abgestimmt auf die bautechnische Machbarkeit Vorschläge zur Anordnung und Ausgestaltung der notwendigen Oberflächeninfrastruktur und ordnet die untertägigen Teile des Lagers an.
H-2
Die Nagra hat in Etappe 1 bei der Bestimmung der Standortregionen die jeweiligen Bereiche der Tiefenlage für ein Tiefenlager bezeichnet. Im Technischen Bericht der Nagra NTB 08-03, Seite 184 wird
zu diesem Thema folgendes festgehalten:
„Zur Identifikation potenziell möglicher Bereiche wird in einem ersten Teilschritt für jedes bevorzugte
Wirtgestein seine Verbreitung unter Berücksichtigung der Tiefenlage und der Mächtigkeit untersucht.
Dabei gelten folgende Mindestanforderungen: Das Wirtgestein – zusammen mit allenfalls vorhandenen geringdurchlässigen Rahmengesteinen – soll eine Mächtigkeit von mindestens 100 m aufweisen
und sich in einer Tiefe von mindestens 200 m (für ein SMA-Lager) beziehungsweise 400 m (für ein
HAA-Lager) unter Terrain befinden. Die Lagerebene darf höchstens 800 m unter Terrain (für ein SMALager) beziehungsweise 900 m unter Terrain (für ein HAA-Lager) liegen. Die Mindestanforderung zur
Mächtigkeit verhindert kurze Freisetzungspfade und wird deshalb für einen wirksamen Einschluss
verlangt. Die Mindestanforderung zur minimalen Tiefenlage verhindert, dass das Lager in oberflächennahe Zonen zu liegen kommt, welche im Betrachtungszeitraum (100'000 Jahre für ein SMALager, 1 Million Jahre für ein HAA-Lager) durch flächenhafte Erosion gefährdet sein könnten oder in
welchen die hydraulische Durchlässigkeit infolge Dekompaktion stark erhöht sein könnte. Die Mindestanforderung zur maximalen Tiefenlage der Lagerebene sorgt andererseits dafür, dass keine Bereiche vorgeschlagen werden, in denen die zuverlässige Erstellung des Lagers entsprechend den Anforderungen bezüglich der Betriebs- und Langzeitsicherheit in Frage gestellt sein könnte; bautechnische Erschwernisse (inkl. resultierender Zeitaufwand und Kosten) werden hingegen in Kauf genommen.“
Die in der Frage angesprochenen Punkte wie der Lagerzugang oder bezeichnete Räume für den Abraum sind gemäss Sachplan Aufgaben, die in Etappe 2 des Sachplans zu betrachten sind.
Geothermie
Fragen zur Geothermie im Standortgebiet Jura Ost werden vom ENSI im sicherheitstechnischen Gutachten zur Etappe 1 (ENSI 33/70) diskutiert. Die Nagra hält in NTB 08-03 fest, dass „potenzielle Nutzungskonflikte bestehen aufgrund vermuteter Vorkommen von Kohlenwasserstoffen, eines möglichen, tief liegenden Salzvorkommens und eines mässigen bis erhöhten geothermischen Potenzials.
Die Nagra beurteilt das geologische Standortgebiet in dieser Hinsicht als bedingt geeignet. Mineralquellen und Thermen sind in der Nähe vorhanden, aber aufgrund hydraulischer Entkoppelung unproblematisch. Aufgrund des teilweise erhöhten geothermischen Potentials, insbesondere im Bereich der
südlich begrenzenden Störung, ist der Indikator 'Geothermie' nur als bedingt günstig bewertet. Das
Kriterium 'Nutzungskonflikte' wird insgesamt günstig bewertet.“
Der differenzierten Bewertung der von der Nagra genannten Nutzungskonflikte kann das ENSI grundsätzlich folgen. Allerdings wird seitens der Nagra der Abbau von Kalk und Mergel für die Zementindustrie hier nicht berücksichtigt. Ein Gebiet am Homberg ist für den Abbau von Effinger Schichten
projektiert. Falls ein Abbau bis zum heutigen Talgrund erfolgen würde, dann wären als Schutz des
Wirtgesteins Opalinuston hier nur noch ca. 135 m «Brauner Dogger» in kalkiger, potenziell wasserführender Ausbildung plus ein Rest der Effinger Schichten vorhanden, die dann zur Dekompaktionszone zu zählen wären. Ein grossräumiger Abbau der Effinger Schichten für die Zementherstellung
stellt langfristig eine Beeinträchtigung des geologischen Standortgebiets Jura Ost dar (ENSI 33/70,
Seite 163).
H-3
Abraumvolumen eines HAA-Lagers
Die Ausbruchsmengen und deren Abtransport werden durch das einzulagernde Abfallinventar und
die Bauweise eines Tiefenlagers bestimmt. Die Nagra hat Angaben zum Ausbruchsvolumen eines
Tiefenlagers für hochaktive Abfälle im Rahmen des Projekts Entsorgungsnachweis im Zürcher Weinland im Technischen Bericht NTB 02-02 dokumentiert. Unten angefügt sind Zitate zum Thema aus
diesem Bericht:
(Seite 36, 3.2.3 Anlagen im Schachtkopfbereich): Der Schachtkopfbereich wird in der Phase des Lagerbaus mit einer Strasse erschlossen, sodass sich der Unternehmer für den Schachtbau einrichten
und den Schacht erstellen kann. Neben der Aufnahme von Installationen dient der Platz insbesondere dem Materialumschlag, vor allem von Ausbruchmaterial.
Als dominanter Teil der Installation ist der Förderturm zu nennen, welcher zum Ein- und Ausfahren
von Personen und Material benötigt wird und zur Abgabe der Abluft in die Umgebung konzipiert wird
(Figur 48-2). Weitere Installationen sind ein Gebäude mit Baubüro, Mannschaftsräumen, Werkstatt,
Trafoanlage etc., ein überdachtes Ausbruchmaterialdepot sowie eine Geräte- und Materialhalle. Der
Platzbedarf für die Anlagen im Schachtkopfbereich dürfte mit ca. 100 m x 100 m grosszügig bemessen sein.
(Seite 76, 4.4.3 Transporte und Deponien): Beim Bau der Lageranlage sind es vor allem die Anlagenteile unter Tag, welche das Gros der Transporte bedingen. Dies deshalb, weil dort die Massengüter
Ausbruchmaterial und Beton anfallen. Um die Grössenordnung der zu erwartenden Transporte abzuschätzen, wurden je Bauetappe die diesbezüglichen Mengen ermittelt (Tabelle 48-3).
Obwohl zu diesen Transporten noch Personentransporte für die Baumannschaft sowie weitere
Transporte wie z.B. für Armierungen oder Felsanker, sowie für den Bau der Aussenanlagen dazukommen, ist das durch den Bau eines geologischen Tiefenlagers BE/HAA/LMA verursachte Verkehrsaufkommen als gering zu bezeichnen.
H-4
Figur 48-2: Figur 3.4
Tabelle 48-3: Transporte von Ausbruchmaterial und Beton für Untertageanlagen in den Bauetappen
1, 2, und 3 (Mittelwerte)
H-5
Die Abschätzung in Tabelle 48-3 zeigt, dass in der Bauetappe 1, der Explorationsphase, mit
ca. 420'000 m3 (lose) zwar die grösste Materialmenge verschoben werden muss, erwartungsgemäss
aber in der kürzeren Bauetappe 2, dem eigentlichen Lagerbau, mit ca. 50–60 Lastwagen pro Tag die
meisten Transporte pro Zeiteinheit im Portalbereich anfallen. In der Bauetappe 3 ist die zu verschiebende Materialmenge gering und das bauinduzierte Verkehrsaufkommen sehr gering; die Transporte
erfolgen in dieser Etappe zudem im Schachtkopfbereich. Der Portalbereich ist in dieser Zeit für den
Betrieb reserviert (Kapitel 5.3.1).
Die ermittelten Transportfrequenzen basieren auf Lastwagen mit einer Zuladung von 12 m3. Für diese
Schätzung wurde der Strassentransport gewählt, weil dieser überall machbar ist und im Vergleich zu
anderen Möglichkeiten, konservative (hohe) Frequenzwerte ergibt. Als reelle Alternative für den
Abtransport von Ausbruchmaterial bietet sich, bei nicht allzu langen Transportdistanzen, der Einsatz
von Förderbändern an. Der Bahntransport ist nur zu empfehlen, wenn die Deponieorte bahntechnisch erschlossen sind. Für den Antransport von Beton beziehungsweise Kies und Zement ist bei vorhandenem Bahnanschluss ein Schienentransport z.B. für Zement, eventuell auch für Kies denkbar,
wenn beim Absender ein entsprechender Anschluss besteht.
Gemäss Tabelle 48-3 ist ein Ausbruchvolumen von insgesamt ca. 1'000'000 m3 lose, (ca. 550'000 m3
fest) einer Deponie zuzuführen. In diesem Wert sind das Überprofil mit 10% und die Auflockerung
mit einem Faktor 1.7 berücksichtigt. Als Deponiemöglichkeit bieten sich diverse, im Zürcher Unterland vorhandene Kiesabbaugebiete an, wo das Gros des Ausbruchmaterials eingebracht und damit
ein Beitrag zur Renaturierung solcher Anlagen erbracht werden könnte. Der zur späteren Verfüllung
des Zugangstunnels benötigte Opalinuston von ca. 130'000 m3 (fest) ist in einer geschützten Deponie
einzubringen.
Teil 3 der Frage an das Technische Forum:
Gemäss einem ENSI-Mitarbeiter sei die Nagra im Besitze dieser Daten. Das nennt sich Sicherheit! Und
dazu soll sich die Bevölkerung in einem kurzfristigen Hauruck-Verfahren äussern können. Genau so
schnell wie diese Hauruckübung durchgezogen werden soll, werden nun umgehend diese Darstellungen vom ENSI, der Nagra und dem BFE angefordert. Und bitte keine Pseudo-3D-Darstellungen.
Antwort des ENSI zu Teil 3 der Frage:
Neben dem sicherheitstechnischen Gutachten (ENSI 33/70) und dem Expertenbericht zur „Überprüfung des GIS-Verfahrens der Nagra und der verwendeten Datensätze im Standortauswahlverfahren
SGT Etappe 1“ (ENSI 33/64) sind auf der Webseite des ENSI weitere Expertenberichte zur sicherheitstechnischen Beurteilung zu finden, beispielsweise die Beurteilung der stratigraphischen Sammelprofile und der hergeleiteten Wirtgesteine und die Beurteilung der verwendeten geologischen Grundlagen für die Herleitung von Standortgebieten durch die Landestopographie swisstopo (ENSI 33/67).
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der behördlichen Begutachtung der Vorschläge der Nagra in
Etappe 1 ist im Erläuterungsbericht und im Ergebnisbericht für die Anhörung des Bundesamts für
Energie (BFE) zu finden. Der Erläuterungsbericht gibt eine Übersicht über den bisherigen Verlauf des
Auswahlverfahrens sowie über die Berichte, Gutachten und Stellungnahmen, die in Etappe 1 erstellt
worden sind. Er soll allen Interessierten den Zugang zu den umfangreichen Dokumenten und den
anspruchsvollen technischen und raumplanerischen Sachverhalten erleichtern. Schliesslich dient der
Erläuterungsbericht als Hilfe für das Verfassen von Stellungnahmen bei der formellen Anhörung über
die Festlegungen und Objektblätter zu Etappe 1, bevor der Bundesrat darüber befindet. Im Ergebnisbericht werden Festlegungen und Objektblätter für das weitere Verfahren, das heisst für Etappe 2,
verbindlich festgesetzt. Diese müssen vom Bundesrat genehmigt werden.
H-6
Thema H: Fragen zum geologischen Standortgebiet Jura Ost27
Nr.
Frage
49
Bergwasser mit einem hohen Chlorid- und Sulfatgehalt
a) Im Artikel TIEFBAU 1/98, Seiten 33-35, wird darauf hingewiesen, dass beim Bau des Strassentunnels im Bözberg unerwartet Bergwasser mit einem hohen Chloridund Sulfatgehalt (bis 10 g/l) aufgetreten ist. Besteht die
Wahrscheinlichkeit, dass beim Bau eines Endlagers im
Bözberg ebenfalls mit diesem Bergwasser zu rechnen
ist?
b) Wenn ja, welche Massnahmen müssen ergriffen werden,
um die Bauwerke, aber auch die Behälter für die radioaktiven Abfälle und die Abfälle selbst zu schützen? Die
Lösung mit Folien ist vielleicht eine Lösung für Strassenund Bahntunnels, welche nach einigen Jahrzehnten sowieso total saniert werden.
c) Wie würde das stark salzhaltige Wasser entsorgt? Im
Falle, dass dieses Wasser nach 200 Jahren nicht nur salzhaltig wäre, sondern noch radioaktiv verseucht würde,
wie könnte das Wasser entsorgt werden?
d) Der Bericht sagt auch, dass gemäss einer Studie der ETH
80% der Schäden durch Planungs- und Ausführungsfehler entstanden sind. Ich gehe davon aus, dass gerade im
Bau von Autobahnen und Eisenbahnen relativ zuverlässig
gearbeitet wird und dass auch verschiedene mehrstufige
Kontrollmechanismen zum Einsatz kommen. Das dürfte
auch beim Bau eines Endlagers der Fall sein, vielleicht ist
das Monitoring noch strenger. In Anbetracht der Problematik eines Endlagers für radioaktive Abfälle müsste
eigentlich die Toleranz für Planungs- und Ausführungsfehler gleich null sein, was natürlich illusorisch ist. Mit
welchen Massnahmen wird versucht, Planungs- und Ausführungsfehler möglichst tief zu halten?
Eingangsdatum: 05.10.2010
Fragesteller
Beantwortet durch
Hr. Wyder
KAIB
Kein Atommüll
im Bözberg!
ENSI
Beantwortet am: 10.06.2011
Antwort ENSI:
a)
Grundwasserzuflüsse (Bergwasser) werden im Untertagebau häufig beobachtet. Der in der Frage
zitierte Artikel listet verschiedene Tunnelprojekte auf, bei denen mineralisierte Wässer angetroffen
wurden. Der Artikel spricht jedoch nicht von unerwartetem Bergwasser oder unerwarteter Mineralisation, sondern von ungewöhnlichen Ablagerungen aus solchen Zuflüssen. Die Ablagerungen wurden
durch aggressives Tiefengrundwasser mit hohem Chlorid- und Sulfatgehalt verursacht. Durch die
mineralisierten Bergwässer war vor allem die Dauerhaftigkeit der Tunnelausbauten beeinträchtigt,
welche langfristig zu einem erhöhten Instandsetzungsbedarf geführt hätten. Die Vorkommnisse im
Bözbergtunnel konnten durch zusätzliche technische Massnahmen (Abdichtungen, Einbau eines zusätzlichen Tübbings) gelöst werden.
27
Auf Wunsch der Standortregion wurde das Standortgebiet Bözberg in Jura Ost umbenannt.
H-7
Bezüglich Geologie und Tektonik unterscheidet sich das vorgeschlagene geologische Standortgebiet
Bözberg (neu Jura Ost) stark vom Bözberg-Autobahntunnel. Es liegt ausserhalb des komplex aufgeschobenen Faltenjuras, die Gesteinsschichten des Deckgebirges sind hier flach und relativ ruhig gelagert (Herznach-Bözberg-Tafel, siehe Geologischer Atlas der Schweiz, Kartenblatt Frick, 1:25'000, von
2006). Im Gegensatz dazu führt der Autobahntunnel durch die Aufschiebungen des Faltenjuras.
Hydrogeologisch zeichnet sich die Bözberg-Tafel durch einen ausgeprägten Grundwasserstockwerkbau aus, bei dem die wasserführenden Schichten (Aquifere) durch dichte, praktisch wasserundurchlässige Gesteinsschichten (Aquitarden) voneinander getrennt werden. Der Opalinuston ist eines dieser dichten Gesteine, weshalb er als Wirtgestein vorgeschlagen wurde.
Beim Bau eines geologischen Tiefenlagers muss zwischen den Zugangsbauwerken (Rampen und/oder
Schächten), welche wasserführende Schichten durchqueren, und den eigentlichen Lagerkammern im
dichten Opalinuston unterschieden werden. In den Zugangsbauwerken ist im Bereich wasserführender Schichten (Quartär, Molasse, Malm, Hauptrogenstein) mit Wasserzutritten zu rechnen, wobei die
Mineralisation je nach Herkunft des Wassers sehr unterschiedlich sein kann. Vor dem Bau eines Tiefenlagers sind die lokalen hydrogeologischen und hydrochemischen Bedingungen am Standort mittels Bohrungen sorgfältig abzuklären.
b)
Die sichere Durchquerung wasserführender Schichten im Bereich der Zugangsbauwerke stellt erhöhte Anforderungen an Planung, Bau, Betrieb und Unterhalt dieser Bauwerke. Diese können jedoch mit
dem heutigen Stand des Wissens, den heute verfügbaren Technologien und Erfahrungen zuverlässig
beherrscht werden. Die Massnahmen reichen von einer sorgfältigen Planung (Vorauserkundung,
Wahl der Streckenführung) über die von der Aufsichtsbehörde kontrollierte Ausführung der Massnahmen bis hin zu laufenden Instandhaltungs- und Erneuerungsarbeiten. Die angesetzten Massnahmen werden sich an den örtlichen Gegebenheiten zu orientieren haben und zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt (Baubewilligungsverfahren).
Ein denkbares Gefährdungsbild im Einlagerungsbereich des dichten Opalinustons ist ein allfälliger
Wassereinbruch aus den überlagernden wasserführenden Gesteinsschichten entlang von Rampe
oder Schacht. Die behördlichen Anforderungen (ENSI Richtlinie G03) verlangen deshalb, dass die
Auslegung eines geologischen Tiefenlagers so erfolgt, dass ein Wassereinbruch entlang der Zugangsbauwerke grundsätzlich verhindert wird. Dazu ist es wichtig, Wasserzutritte in den Zugangsbauwerken bereits bei deren Bau durch technische Massnahmen zu unterbinden oder zu minimieren. Anders
als in durchgehenden Verkehrs-tunneln kann zuströmendes Wasser nicht frei an einem Portal auslaufen, sondern muss in einem Sumpf oberhalb des Wirtgesteins gesammelt und dann nach oben gepumpt werden (vgl. Alptransit Gotthard Basistunnel Zwischenangriff in Sedrun). Anders als in durchgehenden Verkehrstunneln werden die Untertagebauten nach Abschluss der Einlagerungs- und Beobachtungsphase wieder verfüllt und versiegelt. Mit der Verfüllung und Versiegelung der Zugangsbauwerke muss die dauerhafte hydraulische Trennung der Aquifere untereinander und gegenüber
dem Tiefenlager wiederhergestellt werden.
c)
Die Entsorgung von salzhaltigem Wasser aus den Zugangsbauwerken muss während des Lagerbetriebes gemäss den behördlichen Vorgaben erfolgen (z.B. Gewässerschutzgesetz). Technische Lösungen
und Erfahrungen sind bereits heute vorhanden. Da die Wasserzutritte nur in den Zugangsbauwerken
auftreten, das heisst oberhalb des dichten Wirtgesteins gesammelt werden, können diese zuströmenden Wässer nicht radioaktiv kontaminiert sein. Nach Abschluss der Betriebsphase des Lagers
H-8
werden alle Untertagebauten verfüllt und versiegelt, so dass über die Zugangsbauwerke keine Bergwässer eindringen können.
d)
Ein Geologisches Tiefenlager ist eine Kernanlage und untersteht den hohen Anforderungen der Kernenergiegesetzgebung. Entsprechend sorgfältig werden Planung und Ausführung überwacht und gesteuert. Das ENSI verlangt in seiner Richtlinie G03 zur geologischen Tiefenlagerung qualitätssichernde
Massnahmen bei allen Schritten der Realisierung. Diese Massnahmen umfassen die organisatorische
Qualitätssicherung, die Zertifizierung, die Qualitätssicherung bei den technischen Arbeiten, Vorkommnisanalysen, Inspektionen und Freigabeverfahren zu den sicherheitsrelevanten Schritten bei
der Erstellung der Bauwerke.
Die Realisierung eines geologischen Tiefenlagers erfolgt in vielen Teilschritten. Jeder Schritt wird
jeweils von der Aufsichtsbehörde und Expertengremien beurteilt. Da die Zugangsbauwerke flexibel
gestaltet werden können (im Unterschied zu einem Verkehrstunnel), ist ihre Linienführung so zu planen, dass das Risiko von grossen Wasserzutritten minimiert werden kann.
H-9
Thema H: Fragen zum geologischen Standortgebiet Jura Ost28
Nr.
Frage
Fragesteller
Beantwortet durch
61
Problematik von aggressiven Bergwässern und Schlussfolgerungen zu deren Herkunft und Fliesswegen
Die Arbeitsgruppe Sicherheit Kantone/Kantonale Expertengruppe Sicherheit (AG SiKa / KES) hielt in ihrem Fachbericht
vom Mai 2011 fest, dass „ein einziger durchlässiger Freisetzungspfad als Pforte für die Ausbreitung von radioaktiven
Stoffen wirken kann. Auch die ‚What-if’-Fälle, welche die
Nagra definiert, werden einem solchen Szenario nicht gerecht, da ein allfälliger Mangel an Systemwissen auch nicht
durch noch so ausgefallene Szenarien kompensiert werden.“
Als Beispiel für mangelndes Systemwissen kann das Auftreten
von hochsalinarem, vermutlich aus dem Muschelkalk stammendem Tiefengrundwasser verstanden werden, das im Bözberg-Tunnel beim Durchörtern in einer über dem Opalinuston
gelegenen Schicht (Molasse) festgestellt wurde.
In der Antwort des ENSI auf Frage 49 von Herrn Wyder zum
im Bözberg-Tunnel (A3) angetroffenen Bergwasser mit hohen
Chlorid- und Sulfat- Gehalten wurde zwar auf die Herkunft der
Wässer (ENSI: "aggressives Tiefengrundwasser") eingegangen
und die Frage somit beantwortet.
Das ENSI ging dabei nicht auf die für die Sicherheit wesentlicheren Fragen bezüglich der Transportmechanismen dieser
Tiefengrundwässer ein.
In Ergänzung zur Antwort des ENSI auf die Frage 49 (hochsalinare Bergwässer im Bözberg-Autobahntunnel) interessieren
deshalb auch die Transportmechanismen und Transportwege
der aggressiven Tiefengrundwässer nach oben und die Ansammlungsprozesse in oberen Grundwasseraquiferen (z.B.
Molasse) nördlich der Jura-Hauptüberschiebung.
Zudem besteht ein besonderes Interesse am Prozess der Passage durch den Opalinuston und den damit verbundenen
Gesteins-Wasser-Wechselwirkungen. Es stellen sich daher die
folgenden Teilfragen:
a) Geht das ENSI davon aus, dass die im BözbergAutobahntunnel angetroffenen aggressiven Tiefengrundwässer aus Schichten des Muschelkalks oder aus
noch tieferen Schichten stammen?
b) Was lässt sich über die Aufstiegswege dieser Wässer
sagen? Gibt es dazu in Etappe 2 des SGT weitere Abklärungen?
c) Falls die Aufstiegswege den Opalinuston durchqueren,
welches sind anzunehmende oder bekannte Wechselwirkungen zwischen den aggressiven Tiefenwässern und
dem Opalinuston?
d) Falls räumlich konzentrierte Aufstiegswege der aggressiven Tiefengrundwässer angenommen werden müssen
oder bereits bekannt sind, sind diese primär an tektonische Störungszonen gebunden?
e) Könnten diese Tiefengrundwässer zeitweise in hydraulischer Verbindung stehen mit thermalwasserführenden
AG SiKa/KES
ENSI
28
Auf Wunsch der Standortregion wurde das Standortgebiet Bözberg in Jura Ost umbenannt.
H-10
Aquiferen der Nordschweiz (z.B. Muschelkalk)?
Wie schätzt das ENSI die Wahrscheinlichkeit ein, dass
hohe Bergwasserdrücke im Bereich von tektonischen
Störungen dazu führen, dass künftige Gebirgsspannungen bevorzugt in solchen unter hydraulischem Druck
stehenden Störungszonen abgebaut werden?
Zur Veranschaulichung wäre als Antwortbeilage ein Profilschnitt durch den Tunnel erwünscht.
f)
Eingangsdatum: 15.09.2011
Beantwortet am: 14.09.2012
Antwort des ENSI:
Generelle Bemerkungen
Der Bözberg-Autobahntunnel wurde Anfang der 1990er Jahre erbaut. Er wurde von Südwesten nach
Nordosten ansteigend aufgefahren (Figur 61-1) und erschliesst geologisch das Grenzgebiet von Falten- und Tafeljura. Die durchfahrenen Sedimentgesteine gehören dem Mesozoikum und dem Tertiär
an, welche im südöstlichen Tunnelbereich (Faltenjura) tektonisch stark gestört sind (Aufschiebungen,
Verschuppungen, überkippte Lagerung, Figur 61-2).
Figur 61-1: Lage des Bözberg-Autobahntunnels
Im Zusammenhang mit der Fragestellung stehen verschiedene Beobachtungen, die während und
nach dem Bau des Bözberg-Autobahntunnels gemacht wurden:

Die angetroffenen Wässer waren teilweise hochsalinar.

Wasserzutritte wurden in den Bereichen des Faltenjuras und des Tafeljuras beobachtet.

Die Wässer waren aggressiv gegenüber Beton und Stahl (Korrosion).

Die Wassermengen waren vor allem im Bereich des Tafeljuras sehr gering.
H-11
Figur 61-2: Profil entlang des Bözberg-Autobahntunnels, nach Wegmüller 2001
Das ENSI betrachtet «Tiefengrundwasser» als dasjenige Grundwasser, das in Festgesteinen auftritt,
d.h. unterhalb einer allfälligen quartären Lockergesteinsbedeckung und der teilgesättigten Bodenzone. Zum Tiefengrundwasser zählen daher Wässer oberhalb des Opalinustons (Molasse, Malm, Hauptrogenstein) und unterhalb des Opalinustons (Muschelkalk, Kristallin). Zum Tiefengrundwasser können auch Mineral- und Thermalwasser zählen.
Die Region Jura-Ost (Bözberg) lag vor Beginn des Sachplans geologische Tiefenlager nicht im Fokus
der Untersuchungen für geologische Tiefenlager. Herkunft und Entwicklung der im Bözbergtunnel
angetroffenen Wässer sind noch nicht geklärt. Das ENSI hat darum entsprechende Untersuchungen
für Etappe 2 des Sachplans gefordert (hydrogeologische Synthesen, ENSI 33/115). Die folgenden Ausführungen sind daher noch nicht abschliessend und zeigen somit einen Zwischenstand der Untersuchungen auf. Es wird erwartet, dass künftige Ergebnisse eine präzisere Antwort erlauben werden.
a) Geht das ENSI davon aus, dass die im Bözberg-Autobahntunnel angetroffenen aggressiven Tiefengrundwässer aus Schichten des Muschelkalks oder aus noch tieferen Schichten stammen?
Die bisherigen Untersuchungen zeigen eine ausgeprägte Stockwerktrennung im Bereich des Tafeljuras. Die Erkenntnisse stützen sich auf:

Tracerprofile

hydraulische Durchlässigkeiten (hydraulische Tests, Quellhorizonte)

hydraulische Potenziale (Wasserdrücke)

hydrochemische Interpretationen
Beim Bau des Bözbergtunnels stand eine hydrochemische Interpretation nicht im Vordergrund, vor
allem nicht im Bereich des Tafeljuras ausserhalb der Schutzzone für das Thermalwasser von Bad
Schinznach. Die Beobachtungen des Wassers aus dem Bözbergtunnel sind unvollständig dokumentiert und sorgfältig zu interpretieren: Der Einsatz einer Tunnelbohrmaschine erschwerte eine fachgeH-12
rechte Probenahme. Die hinter Tübbingen und Schneidrad entnommenen Proben konnten oft nicht
gut den tatsächlichen Wasserzutritten zugeordnet werden (Umläufigkeiten). Baustoffe (Zement, Beton) konnten den Wasserchemismus beeinflussen. Querkontaminationen konnten durch Mischungen
verschiedener Wässer entstehen (Ablaufen längs des geneigten Tunnels).
Figur 61-3: Ausscheidungen im Bereich der Schuppenzone (links) und der Vorfaltenzone (rechts),
verändert nach Wegmüller 2001
Die Wässer im Bereich der Schuppenzone («Gipswässer») sind jung und werden vom Niederschlag
bestimmt. Im Bereich der Schuppenzone existieren Wasserwegsamkeiten, die zu einer Mischung aus
Muschelkalkwasser, anderen Tiefenaquiferen und jungen Wässern (Tritium nachgewiesen) führen
(Figur 61-3). Das Wasser kann sich beim Aufsteigen im Bereich des Exfiltrationsgebiets (Aare, Bad
Schinznach) mischen (z.B. NTB 92-08) Ähnliche Verhältnisse wurden auch im SBB-Tunnel angetroffen
(Hauber 1991, 1994).
Die Tiefengrundwässer im Bereich des Tafeljuras sind anderen sedimentären Na-ClTiefengrundwässern der Nordschweiz ähnlich. Ihre Verweilzeit ist beträchtlich (> 1000 Jahre, vermutlich voreiszeitlich, Wegmüller 2001, vgl. Figur 61-2). Die Wässer können Anteile aus der Molasse enthalten.
Die im Bözbergtunnel beobachteten Bergwasserzuflüsse sind in den Figuren 61-4 bis 61-6 dargestellt.
H-13
Figur 61-4: Befundprofil Bözbergtunnel, nach Hauber 1994.
Figur 61-5: Bergwasserzuflüsse Bözbergtunnel von Aug. 1990 bis Nov. 1991, nach Hauber 1994
H-14
Figur 61-6: Bergwasserzufluss als Funktion des Vortriebsstands bis Tm 2600, nach Hauber 1994
b) Was lässt sich über die Aufstiegswege dieser Wässer sagen? Gibt es dazu in Etappe 2 des SGT
weitere Abklärungen?
d) Falls räumlich konzentrierte Aufstiegswege der aggressiven Tiefengrundwässer angenommen
werden müssen oder bereits bekannt sind, sind diese primär an tektonische Störungszonen gebunden?
Bedeutende Wasseraufstiege sind nach heutiger Kenntnis an aufgelockerte Störungszonen gebunden. So können im Bereich der Schuppenzone (Figur 61-2) Wässer aus tieferen Grundwasserleitern
aufsteigen (Thermalquellen Bad Schinznach). Im Opalinuston wurden solche Zonen auch in tektonisch gestörter Lage bisher nicht beobachtet. Als Ursache wird das Selbstabdichtungsvermögen angesehen (vgl. Situation im Felslabor Mont Terri oder Opalinuston im Bözbergtunnel). Im Tafeljura und
der Vorfaltenzone sind derartige Fliesswege unwahrscheinlich, aber heute nicht auszuschliessen.
Eine genauere Abklärung der tektonischen Situation wird von den seismischen Untersuchungen in
Etappe 2 erwartet. Für Etappe 2 wurden ausserdem hydrogeologische Synthesen (u.a. für das Standortgebiet Jura-Ost) gefordert, welche die aktuellen Daten (also auch die Erkenntnisse aus dem Bau
des Bözbergtunnels) berücksichtigen (Nachweis des Stockwerkbaus, ENSI 33/115).
Ein bereits bestehendes seismisches Profil mit seiner geologischen Interpretation ist in Figur 61-7
dargestellt.
c) Falls die Aufstiegswege den Opalinuston durchqueren, welches sind anzunehmende oder bekannte Wechselwirkungen zwischen den aggressiven Tiefenwässern und dem Opalinuston?
Heute geht das ENSI nicht von Aufstiegswegen (aktive hydraulische Verbindungen) aus, die den
Opalinuston im Bereich der geologischen Standortgebiete (Tafeljura) durchqueren. Im Einengungsverfahren wird hydraulisch wirksamen Störungszonen ausgewichen.
e) Könnten diese Tiefengrundwässer zeitweise in hydraulischer Verbindung stehen mit thermalwasserführenden Aquiferen der Nordschweiz (z.B. Muschelkalk)?
Im Bereich der Jura-Hauptüberschiebung und des Rands des Permokarbontrogs sind hydraulische
Verbindungen bekannt. Hydraulische Fliesssysteme sind über lange Zeiträume stabil.
H-15
Figur 61-7: Seismik-Linien 83-NF-15 ST und 83-NF-15 HR
f) Wie schätzt das ENSI die Wahrscheinlichkeit ein, dass hohe Bergwasserdrücke im Bereich von
tektonischen Störungen dazu führen, dass künftige Gebirgsspannungen bevorzugt in solchen unter
hydraulischem Druck stehenden Störungszonen abgebaut werden?
Mögliche Ursachen aufsteigender Tiefenwässer sind erhöhte hydraulische Potenziale (piezometrische Druckhöhen, evtl. artesisch gespannt wie Muschelkalk bei Schinznach, Baden und Zurzach)
und/oder thermische Effekte (instabile Dichteschichtung). Erhöhte hydraulische Potenziale in Störungen entsprechen erhöhten Porenwasserdrücken gegenüber den um- und überliegenden Schichten. Es bestehen Rückkoppelungen zwischen Porenwasserdrücken, Reaktivierung und Durchlässigkeit
von Störungen. Das entsprechende gekoppelte Verhalten von Tonsteinen ist komplex – insbesondere
aufgrund rasch ablaufender chemischer Prozesse (Selbstheilung durch Quellung, Mineralreaktionen
auf Kluftoberflächen).
In der Nordschweiz gemessene Überdrücke sind teilweise artesisch (Druckhöhe über Oberkante Terrain, ü OKT), teilweise gespannt (Druckhöhe oberhalb Grundwasserleiter):
Artesisch
Gespannt





Gansinger Dolomit Bohrung Riniken:
75 m ü OKT*
Stubensandstein Bohrung Benken: 60 m
ü OKT
Gipskeuper Bohrung Benken: 135-365 m
ü OKT (abnormal)
Oberer Muschelkalk Bohrung Riehen:
25 m ü OKT
H-16
Alle Tiefengrundwässer der Bohrung Siblingen: z.B. Muschelkalk (64 m), Buntsandstein (≈ 100 m), Oberstes Kristallin
(≈ 60 m)
Störungen können reaktiviert werden, wenn ihre Scherfestigkeit überschritten wird, wobei erhöhte
Porenwasserdrücke das Scherpotenzial (Slip Potential) vermindern. Das Scherpotenzial hängt ausserdem von der Lage der Hauptspannungsrichtungen ab (Figur 61-8).
Figur 61-8: Scherfestigkeit von Störungszonen, Reaktivierung von Störzonen, falls S>0.65-0.85. Mit
Porenwasserdurck p: σn’=σn-p (σn = Normalspannung, p = Porenwasserdruck, τ = Scherspannung).
Im Tafeljura und der Vorfaltenzone variieren die horizontalen Hauptspannungsrichtungen (σH, σh)
substanziell. Die bevorzugte Orientierung der maximalen Horizontalspannung (σH) ist in Richtung NS
(Evans und Roth 1998). In den mesozoischen Sedimenten werden die lokalen Spannungen stark von
den mechanischen Eigenschaften der Gesteine (Wileveau et al. 2007) und der Versenkungsgeschichte kontrolliert. Benken: σH = 1.3σV, σh = 0.9σV (NTB 00-01, Blattverschiebung?)
Die artesischen Überdrücke in tiefen Grundwasserleitern betragen etwa 1 MPa (100 m). Diese Überdrücke verändern die Stabilitätsverhältnisse tiefreichender Störungen nur marginal (Figur 61-9). Die
grössten Einflüsse auf die mögliche Reaktivierung bestehender Störungen (oder den Spannungsabbau) haben die relative Orientierung der Störungen gegenüber den Hauptspannungen sowie die Beträge der Deviatorspannungen. Im Tafeljura sind in dieser Hinsicht die rheinisch orientierten Störungen möglicherweise kritisch orientiert. Diese zeigten z.T. Hinweise auf neotektonische Bewegungen.
Analysen der heutigen und zukünftigen Spannungsvariationen innerhalb der mechanisch heterogenen Schichtabfolgen im Tafeljura sind wichtig.
Figur 61-9: Stabilitätsverhältnisse (1000 m Tiefe, S=0.65)
H-17
Ausblick
Die Region Jura-Ost (Bözberg) lag vor Beginn des Sachplans geologische Tiefenlager nicht im Fokus
der Untersuchungen für geologische Tiefenlager. Herkunft und Entwicklung der im Bözbergtunnel
angetroffenen Wässer sind noch nicht geklärt. Das ENSI hat darum entsprechende Untersuchungen
für Etappe 2 des Sachplans u.a. für das Standortgebiet Jura-Ost gefordert (hydrogeologische Synthesen, Nachweis des Stockwerkbaus, ENSI 33/115). Die Erkenntnisse aus dem Bau des Bözbergtunnels
sind dabei zu berücksichtigen.
Eine genauere Abklärung der tektonischen Situation wird von den seismischen Untersuchungen in
Etappe 2 erwartet.
Analysen der heutigen und zukünftigen Spannungsvariationen innerhalb der mechanisch heterogenen Schichtabfolgen im Tafeljura sind ebenfalls wichtig und werden durch Experten des ENSI beurteilt.
Referenzen
ENSI 33/115: Stellungnahme zu NTB 10-01 «Beurteilung der geologischen Unterlagen für die provisorischen Sicherheitsanalysen in Etappe 2 SGT», Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat,
Stellungnahme, Brugg, 2011.
Evans K.F., Roth P. (1998): The state of stress in northern Switzerland inferred from earthquake
seismological data and in-situ stress measurements - Final report.
Hauber L. (1991): Geologie des Bözbergtunnels, Frühjahrstagung des Schweizerischen Ingenieur- und
Architekten-Vereins – N3: Bözberg- und Habsburgtunnel.
Hauber L. (1994): Die Geologie des Bözbergtunnels der Nationalstrasse N3. Brugger Neujahrsblätter
104, 85-104.
NTB 00-01: Sondierbohrung Benken – Untersuchungsbericht (Textband & Beilagenband), Nationale
Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra Technischer Bericht, Wettingen,
2001.
NTB 92-08: Hydrochemische Synthese Nordschweiz – Dogger-;Lias-;Keuper- und MuschelkalkAquifere, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra Technischer
Bericht, Wettingen, 1993.
Wegmüller M.C. (2001): Einflüsse des Bergwassers auf Tiefbau / Tunnelbau. Zürich, Stäubli AG.
Wileveau Y., Cornet F.H., Desroches J., Blümling P. (2007): Complete in situ stress determination in an
argillite sedimentary formation. Physics and Chemistry of the Earth 32, 566-878.
H-18
Thema
I: Fragen zur Kernenergiegesetzgebung
Thema I: Fragen zur Kernenergiegesetzgebung
Nr.
Frage
55
Versicherung/Haftung
Mit welchen ungefähren Schadens-Beträgen werden mögliche
leichte, mittlere und schwere Schadenfälle im Zusammenhang
mit einem Tiefenlager versehen und welche Eintretenswahrscheinlichkeiten werden dazu angenommen?
Welche Versicherungsprämien können daraus errechnet werden und wie sind die entsprechenden Versicherungsleistungen abgedeckt?
Eingangsdatum: 23.02.2011
Fragesteller
Beantwortet durch
Gemeinderat
Gipf-Oberfrick
BFE
Beantwortet am: 15.09.2011
Antwort des Bundesamtes für Energie (BFE):
Zur Kernenergiehaftpflicht im Allgemeinen:
Die Kernenergiehaftpflichtgesetzgebung regelt die Haftung (inkl. der Versicherungspflicht) für nukleare Schäden, die durch Kernanlagen oder den Transport von Kernmaterialien verursacht werden.
Als nukleare Schäden gelten sogenannte Drittschäden («Schäden an Dritten»). Schäden an der Kernanlage selber gelten nicht als nukleare Schäden. Die Rückholung von radioaktiven Abfällen aus einem
Tiefenlager stellt, sofern dies nicht aufgrund eines nuklearen Ereignisses erforderlich wird, ebenfalls
keinen nuklearen Schaden dar.
Heute gilt in der Schweiz das Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 1983 (KHG; SR 732.44). Danach haftet der Inhaber einer Kernanlage für Nuklearschäden unbeschränkt. Es handelt sich um eine
sogenannte Kausalhaftung, das heisst die Haftung trifft den Inhaber allein schon aufgrund des Kausalzusammenhanges zwischen dem Betrieb der Kernanlage einerseits und dem Schaden andererseits.
Er haftet, weil er eine Gefahr geschaffen hat, und zwar sogar dann, wenn der Schaden ausschliesslich
durch ausserordentliche Naturvorgänge oder durch kriegerische Ereignisse ausgelöst wird.
Der Inhaber einer Kernanlage muss eine Versicherungsdeckung für 1 Milliarde Schweizer Franken
haben. Wenn die Nuklearschäden grösser sind als die Versicherungsdeckung, haftet der Inhaber der
Kernanlage mit seinem ganzen Vermögen. An weitergehende Schäden kann der Bund im Rahmen
einer vom Parlament zu beschliessenden Grossschadensregelung weitere finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.
Am 13. Juni 2008 verabschiedete das Parlament das revidierte Kernenergiehaftpflichtgesetz. Dieses
basiert auf den revidierten internationalen Übereinkommen zur Haftung auf dem Gebiet der Kernenergie (Pariser Übereinkommen, Brüsseler Zusatzübereinkommen). In Anlehnung an diese internationalen Übereinkommen legt das revidierte Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 13. Juni 2008 die Versicherungsdeckung auf 1,2 Milliarden Euro fest. Zusätzlich sind weitere 300 Millionen Euro Entschädigung vorgesehen, die in einem Schadenfall von allen Vertragsstaaten gemeinsam nach einem bestimmten Verteilerschlüssel aufgebracht werden. Wie bisher haftet der Inhaber einer Kernanlage für
darüber hinaus gehenden nuklearen Schaden mit seinem ganzen Vermögen und ist die Möglichkeit
einer Grossschadenregelung vorgesehen. Das revidierte Kernenergiehaftpflichtgesetz kann vom Bundesrat erst in Kraft gesetzt werden, wenn das Pariser Übereinkommen in Kraft getreten ist und die
revidierte Kernenergiehaftpflichtverordnung vorliegt; dies wird frühestens 2012 der Fall sein.
I-1
Zu geologischen Tiefenlagern im Besonderen:
Bei einem geologischen Tiefenlager handelt es sich ebenfalls um eine Kernanlage.
Nach dem geltenden KHG haftet für nukleare Schäden vor dem Verschluss eines Tiefenlagers die
Betreibergesellschaft. Nach dem ordnungsgemässen Verschluss eines Tiefenlagers sowie nach Ablauf
einer allfälligen zusätzlichen Überwachungsfrist wird festgestellt, dass das Lager nicht mehr der
Kernenergiegesetzgebung untersteht; ab diesem Zeitpunkt kann sich die Betreibergesellschaft auflösen (Art. 38 Abs. 3 und Art. 39 Abs. 4 des Kernenergiegesetzes vom 21. März 2003 [KEG; SR 732.1]).
Nach dem revidierten Kernenergiehaftpflichtgesetz haftet für nukleare Schäden der Inhaber eines
Tiefenlagers. Bis zur Entlassung eines Tiefenlagers aus der Kernenergiegesetzgebung ist dies die Betreibergesellschaft. Anschliessend gilt der Bund als Inhaber des Tiefenlagers (Art. 2 Bst. b des revidierten Kernenergiehaftpflichtgesetzes i.V.m. Art. 39 Abs. 4 KEG).
Die Versicherungsdeckung in der Höhe von 1 Milliarde Schweizer Franken (geltendes Gesetz) beziehungsweise 1,2 Milliarden Euro (revidiertes Gesetz) wird zu einem Teil von der Privatassekuranz und
zu einem Teil vom Bund übernommen. Die Privatassekuranz ist zurzeit in der Lage, 1 Milliarde
Schweizer Franken zu decken. Zudem sind gewisse Risiken (z.B. Naturgefahren) von der privaten Deckung ausgeschlossen. Die von der Privatassekuranz nicht gedeckten Risiken übernimmt der Bund.
Die Deckung für nukleare Schäden bleibt, auch nachdem ein Geologisches Tiefenlager verschlossen
wurde, bestehen. Der Bund übernimmt aber, sobald das Lager aus der Kernenergiegesetzgebung
entlassen wird, auch die bis anhin durch die Privatassekuranz gewährte Deckung (Art. 16 Abs. 1 Bst. c
KHG bzw. Art. 10 Abs. 1 des rev. Kernenergiehaftpflichtgesetzes).
Prämien der Inhaber:
Der Bund erhebt für die Finanzierung seiner Deckung von den Inhabern eines Tiefenlagers wie ein
Versicherer Prämien (Art. 14 Abs. 1 KHG bzw. Art. 12 Abs. 1 des rev. Kernenergiehaftpflichtgesetzes).
In der geltenden Kernenergiehaftpflichtverordnung vom 5. Dezember 1983 (KHV; SR 732.441) werden
die aktuellen Prämien für die Deckung des Bundes von nuklearen Schäden, welche durch Kernkraftwerke sowie das Zwischenlager Würenlingen verursacht werden könnten, in Frankenbeträgen festgelegt (Art. 5 KHV).
In der revidierten Kernenergiehaftpflichtverordnung ist – anstelle von Frankenbeträgen – die Bemessungsgrundlage für die Höhe der Beiträge festzulegen. Diese muss versicherungstechnischen Grundsätzen entsprechen (Art. 12 Abs. 2 des revidierten Kernenergiehaftpflichtgesetzes). Mit der in der
Verordnung festzulegenden Berechnungsmethode sollen die Prämien für die Deckung von nuklearen
Schäden für alle derzeit bestehenden Kernanlagen (Kernkraftwerke, Anlagen zur Nuklearforschung,
Zwischenlager) sowie für Transporte von Kernmaterialien bestimmt werden können. Geologische
Tiefenlager werden in der Verordnung nicht berücksichtigt. Zurzeit kann offen gelassen werden, ob
diese Berechnungsmethode auch für die Berechnung der Prämien der Tiefenlager verwendbar sein
wird. Diese Frage muss erst im Hinblick auf die Erteilung der Betriebsbewilligung geklärt werden. Bis
dahin dauert es noch einige Zeit (Tiefenlager gehen frühestens um 2030/2040 in Betrieb). Auf Basis
welcher Annahmen die Privatassekuranz dann ihre Prämien vom Inhaber eines Tiefenlagers erheben
wird, kann nicht vorausgesagt werden.
I-2
Thema I: Fragen zur Kernenergiegesetzgebung
Nr.
Frage
64
Umgang mit ungelösten Fragen beim Entsorgungsnachweis
Weshalb ist der Entsorgungsnachweis trotz ungelöster Fragen
akzeptiert worden?
Obwohl der Bundesrat am 28. Juni 2006 den Entsorgungsnachweis für hochaktive Abfälle akzeptiert hat, sind bis heute
wichtige und vor allem sicherheitsrelevante technische Fragen
unbeantwortet und es kamen und kommen laufend sogar
neue dazu.
Der Entsorgungsnachweis wurde namentlich von der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK), der Eidgenössischen Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen
(KSA), der Kommission Nukleare Entsorgung (KNE) sowie der
internationalen Expertengruppe der OECD / NEA geprüft.
Die Gutachten und Stellungnahmen enthalten zahlreiche
Hinweise und rund 200 Empfehlungen. Die für die Sicherheit
schwerwiegendsten ungelösten technischen Aspekte sind
unter anderem:
 Gasentwicklung
 Wärmeentwicklung
 Behältermaterial
 Verschliessmechanismen Opalinuston
 Einfluss des Lagerbaus (geophysischer Eingriff) auf das
Verhalten des Tongesteins
 Methodik der Überwachung
 Rückholbarkeit
 Auswirkungen möglicher glazialer Tiefenerosionen und
anderer Naturereignisse auf ein Atommülllager
Eingangsdatum: 09.02.2012
Fragesteller
Beantwortet durch
SES
BFE, ENSI
Beantwortet am: 31.05.2012
Antwort des BFE:
Ein Teil der von SES gestellten Frage ist gleichlautend mit der Interpellation 11.3278 von Geri Müller
und der identischen Interpellation 11.3459 von Martin Bäumle. Die Antwort des BFE besteht aus
Auszügen der Antwort des Bundesrats auf diese Vorstösse. Die Vorstösse mit den entsprechenden
Antworten des Bundesrats befinden sich auf der Website des schweizerischen Parlaments:
www.parlament.ch/d/suche/Seiten/curia-vista.aspx
Ende 2002 reichte die Nagra den Entsorgungsnachweis für hochaktive Abfälle beim Bund ein. Das
ENSI (Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat), die KNE (Kommission Nukleare Entsorgung),
die KNS (Eidgenössische Kommission für nukleare Sicherheit) sowie ein internationales Expertengremium der OECD/NEA kamen zum Gesamturteil, dass der geforderte Entsorgungsnachweis für hochaktive Abfälle mit dem Projekt Opalinuston Zürcher Weinland erbracht ist. Sie formulierten verschiedene technische Fragestellungen, die im Hinblick auf die Realisierung eines Lagers näher zu untersuchen sind, jedoch die grundsätzliche Machbarkeit eines Tiefenlagers nicht infrage stellen. Der Bundesrat hat den Entsorgungsnachweis am 28. Juni 2006 gutgeheissen.
Mit seinem Entscheid zum Entsorgungsnachweis verfügte der Bundesrat, dass die Kernkraftwerksgesellschaften gleichzeitig mit dem Entsorgungsprogramm nach Artikel 32 des Kernenergiegesetzes
I-3
vom 21. März 2003 (KEG; SR 732.1) einen Bericht zu unterbreiten haben, der alle in den Gutachten
und Stellungnahmen von ENSI, KNE, KNS und den OECD/NEA-Experten enthaltenen offenen Fragen,
Hinweise und Empfehlungen systematisch erfasst und aufzeigt, wie diese im weiteren Verfahren zeitund sachgerecht beantwortet werden. Die Nagra hat das Entsorgungsprogramm (Nagra Technischer
Bericht NTB 08-01) und den Bericht zum Umgang mit den offenen Fragen aus dem Entsorgungsnachweis (Nagra Technischer Bericht NTB 08-02) den Bundesbehörden im Oktober 2008 eingereicht.
Die Stellungnahmen von ENSI, BFE und KNS zu beiden Berichten liegen vor und werden voraussichtlich im Mai 2012 publiziert. Danach werden sie – zusammen mit den Nagra-Berichten – öffentlich
aufgelegt, bevor der Bundesrat darüber befindet.
Der Entsorgungsnachweis ist der Nachweis über die grundsätzliche Machbarkeit der Entsorgung radioaktiver Abfälle in einer bestimmten geologischen Schicht. Er ist weder eine atomrechtliche Bewilligung noch eine Standortwahl. Der Gesetzgeber wollte sich mit diesem Vorgehen frühzeitig vergewissern, dass eine spätere sichere Entsorgung der radioaktiven Abfälle grundsätzlich in der Schweiz
gewährleistet ist. Der Entsorgungsnachweis ist ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg hin zur
Realisierung von geologischen Tiefenlagern.
Referenzen
NTB 08-01: Entsorgungsprogramm 2008 der Entsorgungspflichtigen, Nationale Genossenschaft für
die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra Technischer Bericht, Wettingen, 2008.
NTB 08-02: Bericht zum Umgang mit den Empfehlungen in den Gutachten und Stellungnahmen zum
Entsorgungsnachweis, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra
Technischer Bericht, Wettingen, 2008.
Ergänzung des ENSI:
Standortwahl, Bau, Betrieb, Überwachung und Verschluss eines geologischen Tiefenlagers ist ein
über Jahrzehnte dauernder, schrittweiser Prozess. Im Rahmen des Auswahl- und Rahmenbewilligungsverfahrens sowie bei den danach folgenden Bau- und Betriebsbewilligungsverfahren wird der
Kenntnisstand stufenweise vertieft. In jedem Bewilligungsschritt findet eine sicherheitstechnische
Begutachtung durch die Behörden statt.
Dieses Vorgehen erlaubt es, offene Fragen stufen- und zeitgerecht zu beantworten und neue Erkenntnisse zu nutzen. Aus diesem Grund muss der Entsorgungsnachweis nicht infrage gestellt werden.
I-4
Thema I: Fragen zur Kernenergiegesetzgebung
Nr.
Frage
71
Unabhängigkeit der Nagra-Forschung
Die Nagra wird von den AKW-Betreibern finanziert und kann
damit gar nicht unabhängig forschen. Zu oft sind Sicherheit
und Kosten gegenläufige Trends: je sicherer, desto teurer.
Zum Beispiel schlägt die Nagra im Entsorgungsnachweis Stahl
als Behältermaterial vor. Stahl ist billiger als Kupfer. Es ist aber
bekannt, dass Stahl schneller korrodiert und deshalb weniger
bis gar nicht geeignet ist. Ein weiteres Beispiel: Die Nagra
beharrt darauf, eine Rampe als Zugang für das Tiefenlager zu
bauen. Ein Schacht wäre allerdings sicherer, denn das Gestein
wird weniger verletzt und bleibt somit dichter. Für die Einlagerung mit einem Schacht müsste die Nagra den Müll allerdings neu verpacken, was höhere Kosten verursachen würde.
Zudem existiert keine Zweitmeinung. Die Nagra hat sozusagen
ein Forschungs-, Wissens- und Entscheidungsmonopol, was
für ein derart sicherheitsrelevantes, komplexes und neuartiges Vorhaben nicht zielführend ist.
Wie soll die Nagra unabhängige Forschung betreiben, wenn
sie am Tropf der AKW-Betreiber hängt?
Eingangsdatum: 09.02.2012
Fragesteller
Beantwortet durch
SES
BFE
Beantwortet am: 14.09.2012
Antwort des BFE:
Gute Forschung zeichnet sich durch ihre wissenschaftliche Qualität aus. Werden Forschungsresultate
der Überprüfung durch die «Wissenschafts-Community» unterzogen und halten dieser stand, kann
davon ausgegangen werden, dass es sich um fundierte Ergebnisse handelt. Zu diesem internationalen Reviewprozess (Peer Review) gehört die Publikation von Artikeln in Fachzeitschriften sowie die
Präsentation an Tagungen und Kongressen. Entscheidend für unabhängige Forschung ist, dass die
Resultate weder beeinflusst noch manipuliert werden, sei es durch die forschende Person selber
oder die Geldgebenden. Das ENSI unterzieht nicht sämtliche wissenschaftliche Artikel der Nagra einer Prüfung und ist auch nicht an allen Kongressen und Tagungen anwesend, wenn Vertretende der
Nagra ihre Ergebnisse zur Diskussion stellen. Im Detail geprüft durch die Fachbehörden des Bundes
wurden und werden jedoch von der Nagra eingereichte Projekte – so der Entsorgungsnachweis, die
Gesuche für erdwissenschaftliche Bewilligungen, die Vorschläge der Nagra im Rahmen des Standortauswahlverfahrens sowie das Entsorgungsprogramm. Ergibt die Überprüfung, dass die Sicherheit
nicht gewährleistet ist, werden entsprechende Bewilligungen nicht erteilt sowie Vorschläge und Berichte zurückgewiesen. Bei der Überprüfung werden auch Zweitmeinungen aus dem In- und – falls
vorhanden – aus dem Ausland mitberücksichtigt. Gemäss Kernenergiegesetz sind die Abfallverursacher verantwortlich für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle, die Aufsichtsbehörden prüfen eingereichte Projekte und Bewilligungen werden je nachdem vom UVEK, Bundesrat oder Parlament erteilt
(die Nagra hat entgegen der Formulierung in der Fragestellung kein Entscheidungsmonopol). Damit
wird verhindert, dass eine dieser Stellen im Alleingang über die Tiefenlagerung befinden kann.
Weitere Hinweise:


«Stand und Perspektiven der Forschung und Entwicklung zur Entsorgung radioaktiver Abfälle»,
Studie des BFE vom 2. September 2004
Stahl- vs. Kupferbehälter: siehe Antwort auf Frage 75 (eingereicht von KLAR! Schweiz) im Technischen Forum Entsorgungsnachweis
www.bfe.admin.ch/radioaktiveabfaelle/01276/01295/02650/index.html?lang=de
I-5

Rampe vs. Schacht: siehe Antwort Bundesrat auf Frage 3 der Motion Geri Müller 12.3309 «Sicherheitskriterien beim Sachplan geologische Tiefenlager priorisieren»
www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20123309 und Antwort auf Frage
68, 76, 77 Technisches Forum Sicherheit
I-6
Thema I: Fragen zur Kernenergiegesetzgebung
Nr.
Frage
73
Unabhängigkeit und Fachkompetenz des Kontrollbehörde
ENSI
Die Schweizer Atomaufsicht weist strukturelle Schwächen auf.
Die Nagra sollte vom ENSI (Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat), der KNS (Kommission für nukleare Sicherheit)
und der KNE (Kommission Nukleare Entsorgung) kontrolliert
werden. Die KNE wurde im Dezember 2011 zu einer Expertengruppe reduziert. Die KNS ist viel zu klein und hat zu wenig
Mittel, um eine echte Kontrolle zu gewährleisten. Zudem hat
sie nur beratende Funktion, sprich keine Entscheidungskompetenz. Es fehlt also eine Zweitmeinung, die dem ENSI wissenschaftlich Paroli bieten kann. Das ENSI kann als einzige Aufsichtsbehörde mit Entscheidungskompetenz konkurrenzlos
und eigenmächtig darüber entscheiden, ob ein Atommülllager
sicher ist oder nicht. Die Nähe zur Nagra und zur Atomindustrie ist dabei problematisch: Die Unabhängigkeit des ENSI-Rats
ist bereits durch die Affäre Peter Hufschmied in die Kritik
geraten, weil dieser ein Geschäftsverhältnis zur BKW hat.
Hufschmied ist mittlerweile zurückgetreten. Auch HorstMichael Prasser ist am 2. November 2011 zurückgetreten. Der
ETH-Professor verletzte eindeutig die gesetzlichen Anforderungen, denn sein Lehrstuhl wird von der Swissnuclear, der
Vereinigung der Schweizer AKW-Betreiber, bezahlt. Der ENSIRat wurde Ende November 2011 neu gewählt. Es bleibt zu
hoffen, dass dieser in seiner neuen Zusammensetzung der
notwendigen Unabhängigkeit gerecht werden kann.
Wie können die Kontrollbehörden ihren Aufgaben nachkommen, wenn sie weder stark genug noch unabhängig sind?
Eingangsdatum: 09.02.2012
Fragesteller
Beantwortet durch
SES
BFE
Beantwortet am: 14.09.2012
Antwort des BFE:
Bezüglich Unabhängigkeit des ENSI und der Struktur der Atomaufsicht hat der Bundesrat im Jahr
2011 zahlreiche Vorstösse beantwortet (z. B. 11.3913, 11.3816, 11.3772, 11.3771, 11.3520, 11.3249,
11.3250, 11.3164). Diese sind abrufbar in der Curia vista-Datenbank unter www.parlament.ch/d/
suche/Seiten/curia-vista.aspx und den entsprechenden Geschäftsnummern.
Das ENSI ist mit allen zur Erfüllung seiner Aufgabe nötigen fachlichen Kompetenzen und rechtlichen
Befugnissen ausgestattet. Seine Unabhängigkeit ist gesetzlich verankert. Es ist eine öffentlichrechtliche Anstalt des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit. Das ENSI untersteht der Aufsicht des
Bundesrates.
Das ENSI verfügt neben der Geschäftsleitung auch über ein strategisches Organ, den ENSI -Rat. Dieser
amtet ebenfalls als internes Aufsichtsorgan. Die Mitglieder des ENSI -Rates dürfen weder eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben noch ein eidgenössisches oder kantonales Amt bekleiden, welche geeignet sind, ihre Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. Von den derzeit rund 140 Angestellten des ENSI
arbeiteten vorher weniger als 10 % in einer vom ENSI beaufsichtigten Anlage oder bei der Nagra;
rund ein Drittel der Belegschaft stammt aus dem Ausland.
Die Aufsicht über die Sicherheit der Kernanlagen in der Schweiz liegt in der Verantwortung einer einzigen Behörde – dem ENSI. Dies ist kein struktureller Mangel, sondern im Gegenteil eine zwingende
I-7
Voraussetzung für die effektive Durchsetzung der Schutzinteressen der Bevölkerung. Wo immer
grosse Risiken und komplexe Sachverhalte im Spiel sind – z. B. bei der Flugsicherung, bei der Finanzmarktaufsicht oder bei der Lebensmittelsicherheit – kann es nur eine massgebliche Aufsichtsinstanz
geben. Die Aufteilung der Verantwortung auf mehrere, mit gleichwertigen Kompetenzen und Befugnissen ausgestatteten Aufsichtsinstanzen wäre der nuklearen Sicherheit nicht förderlich, sondern
würde im Gegenteil das Risiko mit sich bringen, dass die Sicherheitsaufsicht generell beeinträchtigt
und schlimmstenfalls in einer Notsituation handlungsunfähig wäre. Hingegen wurde im schweizerischen System der Nuklearaufsicht vom Gesetzgeber eine institutionalisierte Zweitmeinung zu grundsätzlichen Fragen der nuklearen Sicherheit vorgesehen. Die Kommission für nukleare Sicherheit (KNS)
steht dem Bundesrat, dem UVEK und dem ENSI als unabhängiges beratendes Organ zur Verfügung.
I-8
Thema I: Fragen zur Kernenergiegesetzgebung
Nr.
Frage
75
Berücksichtigung Bevölkerungswille für geol. Tiefenlager
2005 hat das Parlament im neuen Kernenergiegesetz das
Vetorecht der Standortkantone gestrichen. Damit ist es möglich, einem Kanton ein Atommülllager gegen den Willen der
Bevölkerung aufzuzwingen, anstatt die Bevölkerung von einem guten und sicheren Lagerkonzept zu überzeugen. Dieses
Verfahren hebelt möglicherweise gerechtfertigte Kritik am
Lagerkonzept aus und kann zu Schwierigkeiten führen. Offenbar geht der Bundesrat davon aus, dass ein Lager und die
dazugehörigen oberirdischen Anlagen gegen den Willen der
lokalen Bevölkerung gebaut werden kann.
Zudem: Im Rahmen der regionalen Partizipation befassen sich
die einberufenen Regionalkonferenzen in den potenziellen
Standortregionen bereits heute eingehend mit sekundären
Aspekten eines Tiefenlagers für eine künftige Standortregion.
Es sind dies z.B. die Akzeptanz eines Lagers und dessen Oberflächenanlagen, künftige regionale Entwicklungsstrategien
und mögliche sozioökonomisch-ökologische Auswirkungen.
Wenn diese Regionalkonferenzen tatsächlich einen Einfluss
auf den Standortentscheid haben, gefährden sie die Eingrenzung möglicher Standorte nach streng wissenschaftlichen,
sicherheitsrelevanten Voraussetzungen. Anderenfalls ist die
Arbeit aller Beteiligten wertlos und es muss von einer Scheinpartizipation gesprochen werden.
Kann ein Lager gegen den Willen der lokalen Bevölkerung
gebaut werden?
Eingangsdatum: 09.02.2012
Fragesteller
Beantwortet durch
SES
BFE
Beantwortet am: 14.09.2012
Antwort des BFE:
Rechtlich gesehen könnte ein Lager gegen den Willen der lokalen Bevölkerung gebaut werden, da mit
dem neuen Kernenergiegesetz alle nötigen Bewilligungen durch den Bund erteilt werden und der
Entscheid über Standorte von Tiefenlagern bei einem Referendum durch das Schweizer Stimmvolk
gefällt wird. Die demokratische Legitimation ist damit gegeben. Praktisch gesehen jedoch ist eine
Realisierung ohne ausreichende Akzeptanz in der betroffenen Region schwierig. Der Sachplan geologische Tiefenlager (SGT) sieht deshalb vor, dass mit der regionalen Partizipation die Interessen, Bedürfnisse und Forderungen der Standortregion direkt ins Verfahren eingebracht werden können.
Der Beweggrund des Eidgenössischen Parlaments, die Bewilligungen beim Bund zu konzentrieren
war, dass es sich bei der Entsorgung der radioaktiven Abfälle um eine nationale Aufgabe handelt, die
nur gesamtschweizerisch gelöst werden kann. Es bestand die Befürchtung, dass jeder betroffene
Kanton ein Tiefenlager auf seinem Territorium ablehnen würde – ungeachtet davon, ob dieser selber
Aktionär von Kernkraftwerken ist und/oder vom Nutzen der Kernenergie profitiert hat. Das Konzept
der geologischen Tiefenlagerung und das Verfahren wurden im Kernenergiegesetz und seinen Verordnungen festgelegt. Wie im Schweizerischen Gesetzgebungsprozess üblich, unterstand dieses Gesetz dem fakultativen Referendum, welches damals nicht ergriffen wurde.
Dennoch ist es die Aufgabe des Bundes, die Bevölkerung (nicht nur die lokale) vom Konzept der geologischen Tiefenlagerung zu überzeugen. Einen wesentlichen Beitrag soll dazu das Standortauswahlverfahren leisten: Einerseits durch eine nachvollziehbar und transparente Standortsuche, andererI-9
seits durch einen frühen und umfassenden Einbezug der Behörden, der Bevölkerung und Interessensgruppen.
Der rechtliche Rahmen ist bezüglich regionaler Partizipation ganz klar: Der letztendliche Standortentscheid liegt nicht in der Kompetenz der Regionen. Dies ergibt sich aus dem unbestrittenen Grundsatz,
dass die Sicherheit bei der Standortsuche oberste Priorität hat. Sozioökonomische und ökologische
Aspekte werden in Etappe 2 des Standortauswahlverfahrens unter sicherheitstechnisch vergleichbaren Standorten zur Anwendung kommen. Die Standortregionen haben die Aufgabe, ein allfälliges
Tiefenlager möglichst gut in die Region zu integrieren, dazu gehört die Erarbeitung von Massnahmen
und Projekte zur Abfederung von Auswirkungen. Die dabei erarbeiteten Stellungnahmen sind Grundlagen für den weiteren Entscheidungsprozess, werden öffentlich gemacht und fliessen am Ende von
Etappe 2 in die Gesamtbeurteilung des Bundes ein. Wer dies als «Scheinpartizipation» bezeichnet,
verkennt die grosse Bedeutung dieser Arbeiten sowie die Leistung der Beteiligten.
I-10
Thema I: Fragen zur Kernenergiegesetzgebung
Nr.
Frage
67
Markierung des Lagers
Im Kernenergiegesetz Art. 40, Abs. 7: «Der Bundesrat schreibt
die dauerhafte Markierung des Lagers vor.» ist klar geregelt,
dass das Lager dauerhaft, also für eine Million Jahre, markiert
werden muss. Es ist völlig unklar, wie man 33‘000 künftigen
Generationen klar machen kann, dass im Untergrund giftiger
Atommüll lagert. Schriften, Sprachen und Zeichen verändern
sich. Möglicherweise geht das Wissen um radioaktiven Müll
ganz verloren, wenn Atomenergie nicht mehr genutzt wird.
Es besteht die Gefahr von Interessenkonflikten im Untergrund, z.B. bei Geothermiebohrungen oder anderen Untersuchungen. Es bestehen weder rechtliche Grundlagen noch
Konzepte, wie Zielkonflikte mit kommenden Generationen
durch den Bau eines Atommülllagers im Untergrund geregelt
werden können. Dazu bräuchte es eine «Raumplanung in der
3. Dimension», welche auch garantieren muss, dass der Lebensraum kommender Generationen nie gefährdet wird.
Unsere Nachkommen sollen die gleichen Rechte und Sicherheiten über die Nutzung des Untergrundes haben, wie wir sie
uns ganz selbstverständlich für unsere Generation herausnehmen.
a) Wie soll ein Lager für eine Million Jahre dauerhaft verständlich markiert werden?
b) b) Wie gedenkt das BFE und die Nagra eine Lösung zu
finden?
Eingangsdatum: 09.02.2012
Fragesteller
Beantwortet durch
SES,
U. Krieger,
Bürgermeister,
Laufenburg (D)
a) KNS
b) Nagra, BFE
Beantwortet am: 29.11.2012
Antwort der KNS:
a)
Die Möglichkeiten zur Markierung von Endlagern wird seit 30 Jahren von verschiedenen Ländern
untersucht. Keines dieser Länder und keines der Projekte, die bisher verfolgt wurden, geht von einer
Markierungsdauer von 1 Mio. Jahre aus. Der generell akzeptierte Zeitraum für die Markierung liegt
im Bereich von 10'000 Jahren (Grössenordnung der Zeitspanne seit dem Umbruch der Jungsteinzeit).
Dies kann unter anderem auch durch Überlegungen zur Abnahme der Radiotoxizität der eingelagerten Abfälle gestützt werden. So hat nach etwa 10‘000 ahren die Radiotoxizität des vorgesehen Tiefenlagers für hochaktive Abfälle bereits so weit abgenommen, dass sie vergleichbar ist mit jener von
natürlich vorkommendem Uranoxid mit einer hohen Urankonzentration. Wären beispielsweise die
Einlagerungstunnel des geplanten HAA-Lagers mit Uranerz aus der kanadischen Uranmine Cigar Lake
mit einer Urankonzentration von 55 % verfüllt, wäre die resultierende Radiotoxizität, dargestellt über
den Radiotoxizitätsindex RTI, vergleichbar mit jener der Abfälle des HAA-Lagers nach rund 10‘000
Jahren. Infolge des radioaktiven Zerfalls nimmt die Radiotoxizität mit fortschreitender Einlagerungsdauer weiter stetig ab.
Grundsätzlich gilt als akzeptiert, dass Warnungen gegenüber unbeabsichtigtem Eindringen (Human
Intrusion) durch künftige Gesellschaften sinnvoll sind und umgesetzt werden sollen. Möglichkeiten
sowie Art und Weise, wie dies umgesetzt werden könnte, werden im Rahmen der Expertengruppe
"Preservation of Records, Knowledge and Memory across Generations" der Atomenergieagentur NEA
I-11
der OECD erörtert. Diverse Kernenergie nutzende Staaten untersuchen die Strategien der Markierung sowie die Anforderungen an die Archivierung von Daten und die Förderung einer Kultur der
Erinnerung [Buser 2010]. Die Forschung für Projekte dieser Art steht aber noch am Anfang.
Die KNS begrüsst, wenn der Bund schon heute weitere Ressourcen für die Bearbeitung des Projektes
"Erhaltung von Aufzeichnungen, Wissen und Erinnerung" zur Verfügung stellt, um Anforderungen
und Tragweite eines solchen Projektes besser zu definieren. Diese Forschungsarbeiten sollten in vertiefter Art und Weise fortgeführt werden, damit die Anforderungen an die Dokumentation und Archivierung bereits frühzeitig eingeleitet werden können. Die konkrete Ausgestaltung eines Programms zur Markierung wird im Rahmen der Detailplanung des Tiefenlagers festzulegen sein. Wer
die Markierung schliesslich ausführen wird, wird erst während des Baus bzw. nach dem Verschluss
des Tiefenlagers zu bestimmen sein.
Referenz:
Buser, M. (2010): Forschungsprogramm Radioaktive Abfälle, Literaturstudie zum Stand der Markierung von geologischen Tiefenlagern, erstellt im Auftrag des Bundesamts für Energie BFE.
Antwort des BFE:
b)
Fragen der Langzeitarchivierung von Informationen und der Markierung von geologischen Tiefenlagern werden sowohl in der Schweiz als auch auf internationaler Ebene von Behörden und Fachexpertinnen und -experten diskutiert. Zum Thema «Markierung» sind in den letzten 40 Jahren Hunderte
von wissenschaftlichen Studien und Fachartikeln veröffentlicht worden. Im Rahmen des Forschungsprogramms «Radioaktive Abfälle» veröffentlichte das BFE im Juli 2010 eine Literaturstudie, welche
einen Überblick über den Stand von Wissenschaft und Technik bezüglich Markierung und Wissenserhalt im Zusammenhang mit geologischen Tiefenlagern gibt. Diese Literaturstudie ermöglicht es, die
Fragen der Markierung grundsätzlich und systematisch auszuleuchten. Eine wichtige Erkenntnis ist,
dass eine ganzheitliche Betrachtung eines Konzepts unter Einbezug aller technischen und nichttechnischen Faktoren erfolgen muss. Die Erkenntnisse der Studie fliessen zurzeit in die internationale
Diskussion ein. Das BFE beteiligt sich ausserdem an einem Projekt der OECD mit dem Titel «Preservation of Records, Knowledge and Memory Across Generations» («Erhalt von Aufzeichnungen, Wissen
und Daten über verschiedene Generationen hinweg»).
Es ist unbestritten, dass Wissen zum Standort und zum Inhalt von geologischen Tiefenlagern für radioaktive Abfälle für künftige Generationen erhalten bleiben muss. Das KEG schreibt deshalb die Festlegung eines Schutzbereichs um das Lager vor, der im Grundbuch angemerkt und im Richt- bzw. Nutzungsplan eingetragen werden muss. Weiter sorgt der Bundesrat dafür, dass die Informationen über
das Lager, die eingelagerten Abfälle und den Schutzbereich aufbewahrt werden und die Kenntnisse
darüber erhalten bleiben. Er kann entsprechende Daten anderen Staaten oder internationalen Organisationen mitteilen. Zudem schreibt der Bundesrat gemäss KEG die dauerhafte Markierung vor. Die
KEV verpflichtet deshalb den Eigentümer eines Tiefenlagers, eine Dokumentation zu erstellen, die für
eine langfristige Sicherstellung der Kenntnisse über das geologische Tiefenlager geeignet ist. Die Dokumentation muss die Lage und Ausdehnung der Untertagebauten, das Inventar der eingelagerten
radioaktiven Abfälle (in Art und Menge aufgeteilt nach den Lagerräumen), die Auslegung der technischen Sicherheitsbarrieren einschliesslich der Versiegelung der Zugänge sowie die Grundlagen und
Ergebnisse der endgültigen Analyse der Langzeitsicherheit umfassen. Nach dem Verschluss des Lagers oder nach Ablauf der Überwachungsfrist muss die Dokumentation dem Bund übergeben werI-12
den. Was diese Dokumentation im Detail beinhaltet und in welcher Form sie zu erstellen ist, ist Inhalt
der laufenden Forschungsprojekte, deren Ergebnisse spätestens dann vorliegen müssen, wenn Baugesuche für geologische Tiefenlager eingereicht werden.
Antwort der Nagra:
b)
Das Kernenergiegesetz verlangt die dauerhafte Markierung der geologischen Tiefenlager [KEG, Art.
40, Abs. 7]. Der für die Dauer der Markierung betrachtete Zeitraum wird in den meisten wissenschaftlichen Studien auf 10`000 Jahre - was 300 Generationen entspricht - angesetzt [siehe u.a. G.
Benford et al. 1991] und unterschiedlich begründet (weitere Literaturhinweise siehe die Referenzbibliographie des NEA/RK&M-Projektes und M. Buser (2010)). Die Kernenergieverordnung besagt, dass
der Eigentümer des geologischen Tiefenlagers eine dauerhafte Markierung mit dessen Verschluss zu
gewährleisten hat [KEV, Art. 69, Abs. 3c]. Der Verschluss eines geologischen Tiefenlagers wird erst in
vielen Jahrzehnten aktuell. Laut der ENSI-Richtlinie hat der Eigentümer im Rahmen des Baugesuches
für das geologische Tiefenlager ein Konzept für dessen dauerhafte Markierung vorzulegen [ENSI-G03,
2009]. Die Einreichung des Baugesuches für das HAA-Lager erfolgt gemäss dem Entsorgungsprogramm 2008 der Entsorgungspflichtigen frühestens ab 2030, für das SMA-Lager frühestens ab 2025;
der Zeitpunkt der Implementierung der Markierung (gemäss KEG bei Verschluss des Lagers) erst nach
2115 (HAA-Lager) bzw. nach 2100 (SMA-Lager), vgl. NTB 08-01, Fig. 5-1a bzw. b.
Die Thematik einer dauerhaften Markierung der geologischen Tiefenlager wird international in der
sogenannten Nuklearsemiotik wissenschaftlich untersucht. Die Nagra engagiert sich diesbezüglich
beim Radioactive Waste Management Committee (RWMC) der Nuclear Energy Agency (NEA) der
Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD): Sie bringt sich pro-aktiv beim
internationalen Projekt Preservation of Records, Knowledge and Memory (RK&M) across generations
ein und beteiligt sich. Eine erste Erkenntnis des laufenden Projektes ist, dass die dauerhafte Markierung des geologischen Tiefenlagers per se nur ein Instrument unter vielen ist, um den in der Kernenergieverordnung gesetzlich verankerten Informations- und Wissenstransfer an kommende Generationen nach dem Verschluss des geologischen Tiefenlagers zu gewährleisten [KEV Art. 27, 41 und 71].
Der dauerhafte Wissenserhalt über ein geologisches Tiefenlager kann verhindern, dass Menschen
unbeabsichtigt in ein verschlossenes geologisches Tiefenlager eindringen (siehe Technisches Forum
Entsorgungsnachweis (2005): Antwort der HSK und der Nagra auf die Frage Nr. 26). Zusätzlich zum
Informations- und Wissenstransfer (inkl. Markierung) analysiert die Nagra die Bedeutung des unbeabsichtigten Anbohrens der geologischen Tiefenlager. Um die Konsequenzen eines solchen Anbohrens zu beschränken, verwendet die Nagra das Konzept der Kompartmentalisierung der Lagerkammern. Die Berechnungen mit der hypothetischen Annahme eines Anbohrens zeigen, dass die Konsequenzen damit wirkungsvoll beschränkt werden können (vgl. Entsorgungsnachweis, NTB 02-05).
Literatur:
Benford Gregory, Kirkwood Craig, Otway Harry, Pasqualetti Martin (1991): Ten Thousands Years of
Solitude? On Inadvertent Intrusion into the Waste Isolation Pilot Project Repository, Los Alamos LA12048-MS / DE 91 010299
Buser, Marcos (2010): Forschungsprogramm Radioaktive Abfälle, Literaturstudie zum Stand der Markierung von geologischen Tiefenlagern, erstellt im Auftrag des Bundesamts für Energie BFE.
I-13
ENSI-G03 (2009): Spezifische Auslegungsgrundsätze für geologische Tiefenlager und Anforderungen
an den Sicherheitsnachweis, Richtlinie für die schweizerischen Kernanlagen.
Nagra (2002): Project Opalinus Clay – Safety Report «Demonstration of Disposal feasibility for spent
fuel, vitrified high-level waste and long-lived intermediate level waste (Entsorgungsnachweis)».
Nagra Technical Report NTB 02-05. Nagra, Wettingen, Switzerland.
Nagra (2008): «Entsorgungsprogramm 2008 der Entsorgungspflichtigen». Nagra Technischer Bericht
NTB 08-01. Nagra, Wettingen, Schweiz.
Technisches Forum Entsorgungsnachweis (2005): Thematisch gegliederte Antworten zu den im Technischen Forum diskutierten Fragen.
Preservation of Records, Knowledge and Memory (RK&M) Across Generations: A project of the
OECD/NEA Radioactive Waste Management Committee (RWMC). Die aktuelle Referenzbibliographie
ist im Internet unter http://www.oecd-nea.org/rwm/rkm/ zu finden.
I-14
Thema I: Fragen zur Kernenergiegesetzgebung
Nr.
Frage
69
Umgang mit neuen Erkenntnissen und Flexibilität des Sachplanverfahrens
Als die Nagra 1978 in der Schweiz zu bohren begann, um das
beste Wirtgestein zu finden, behauptete sie, das kristalline
Gestein sei am besten geeignet. Wegen des grossen Widerstandes in Nidwalden und auf Druck des Bundesrates musste
die Nagra ihre Untersuchungen auf weitere Gesteinsarten
ausweiten. Lange galt der Wellenberg als Topfavorit, sogar für
hochradioaktive Abfälle. 1992 gibt die Nagra jedoch bekannt,
dass sie im Wellenberg doch nur schwach- und mittelaktive
Abfälle einlagern will. Es kam zu zwei Abstimmungen für ein
schwach- und mittelaktives Lager. Die Bevölkerung sagte
zweimal Nein. Trotzdem ist der Standort Wellenberg wieder
im Rennen. Die neuen Erkenntnisse zeigen allerdings, dass
dieser Standort weniger gut bis gar nicht geeignet ist, nicht
einmal für schwach- und mittelaktiven Müll.
Hätte sich die Bevölkerung nicht gewehrt, wäre heute hochaktiver Atommüll im Wellenberg vergraben. Ist auch der Opalinuston, das aus heutiger Sicht beste Wirtgestein, nicht der
Weisheit letzter Schluss?
a) Wie wird mit neuen Erkenntnissen umgegangen oder
wie wird sichergestellt, dass eine weitere Lösung, die sicherer ist, nicht übersehen wird?
b) Welche Kriterien und Beispiele machen eine Änderung
des Sachplanes notwendig. Bitte begründen Sie, weshalb
nicht schon heute die erkannten Schwächen des Sachplans verändert werden (z.B. das verkehrte Vorgehen
bzgl. Oberflächenanlagen)?
Eingangsdatum: 09.02.2012
Fragesteller
Beantwortet durch
SES
a) BFE, ENSI
b) BFE
Beantwortet am: 29.11.2012
Antwort des BFE:
a)
Nationale Parlamentarier sind in der Vergangenheit mit ähnlich lautenden Fragen wie der vorliegenden an den Bundesrat herangetreten. Die Antwort des BFE bezieht sich auf die Antworten des Bundesrats auf die entsprechenden Vorstösse. Namentlich sind dies die Anfrage 08.1135 «Atommülllager
am Wellenberg» von Josef Lang und die beiden identischen Interpellationen 11.3278 «Entsorgungsnachweis für hoch radioaktive Abfälle durch technische Probleme infrage gestellt» von Geri Müller
bzw. 11.3459 von Martin Bäumle. Fragen und Antworten zu allen parlamentarischen Vorstössen befinden sich auf der Website des schweizerischen Parlaments:
www.parlament.ch/d/suche/Seiten/curia-vista.aspx
Zum Kristallin: im Hinblick auf das Projekt «Gewähr» stand in den achtziger Jahren das kristalline
Grundgebirge der Nordschweiz im Fokus der erdwissenschaftlichen Untersuchungen der Nagra. Die
Sondierbohrungen brachten aber eine grosse Überraschung, indem anstelle des Kristallin ein mehrere Kilometer breiter und sehr tiefer Trog mit Sedimenten (Permokarbontrog) nachgewiesen wurde.
Damit verkleinerte sich das potenziell geeignete Gebiet auf einen schmalen Streifen. Die Entstehung
I-15
des Troges hat zudem zu einer starken tektonischen Zergliederung des kristallinen Grundgebirges
geführt, was zum Teil mit einer grossen Wasserführung (Thermalwasser) entlang der Trogränder
verknüpft ist. Bei der Überprüfung des Projektes Gewähr kam die HSK (die Vorgängerorganisation
des ENSI) zum Schluss, dass die Suche nach einem geeigneten Standort in diesem Gebiet schwierig,
aufwändig und ohne Garantie auf Erfolg ist. Der Bundesrat schloss sich diesem Urteil an und forderte
deshalb in seinem Entscheid zum Projekt Gewähr vom 3. Juni 1988 eine Ausweitung der Forschungsarbeiten auf nichtkristalline Wirtgesteine, d. h. auf sehr geringdurchlässige Sedimentgesteine.
Zum Wellenberg: Der Wellenberg war nie für die Entsorgung hochaktiver Abfälle vorgesehen. Es
handelt sich beim Wellenberg nicht um kristalline Gesteine, sondern um tonreiche Mergel. Nach der
zweiten Abstimmung in Nidwalden vom 22. September 2002 hat der Bundesrat bei der Beantwortung der Interpellation Marty Kälin 02.3592 geschrieben, dass es «im Wellenberg kein SMATiefenlager (SMA: schwach- und mittelaktive Abfälle) geben wird». Diese Aussage stützte sich auf das
damals geltende Atomgesetz, wonach die Realisierung eines geologischen Tiefenlagers kantonaler
und kommunaler Bewilligungen bedurfte. Die eidgenössischen Räte haben im neuen Kernenergiegesetz – auch wegen der Entscheide des Kantons Nidwalden zum Wellenberg – festgelegt, dass es für
geologische Tiefenlager nur noch Bundesbewilligungen braucht.
Zum Sachplanverfahren: Im Zusammenhang mit den Endlagerprojekten im Wellenberg wurde zu
Recht kritisiert, dass damals ein transparentes und offenes Auswahlverfahren mit klar festgelegten
Kriterien und Entscheidungsschritten fehlte. Aus diesem Grund hat der Bundesrat am 2. April 2008
mit dem Sachplan geologische Tiefenlager ein Auswahlverfahren festgelegt, welches diese Anforderungen erfüllt und in drei Etappen zu Standorten für geologische Tiefenlager führen soll. Im Konzeptteil wurden bewusst keine Einschränkungen bezüglich Regionen und Wirtsgesteine gemacht.
Im Rahmen von Etappe 1 dieses Verfahrens reichte die Nagra am 17. Oktober 2008 sechs Standortgebietsvorschläge ein. Die Überprüfung durch das ENSI und die Kommissionen des Bundes ergab,
dass das Standortgebiet «Wellenberg» die sicherheitstechnischen geologischen Anforderungen an
ein geologisches Tiefenlager, wie sie für Etappe 1 definiert wurden, erfüllt. Am 30. November 2011
hat der Bundesrat deshalb das Standortgebiet Wellenberg mit fünf weiteren Standortgebieten in den
Sachplan aufgenommen und damit entschieden, dass die sechs Gebiete weiter untersucht werden. In
Etappe 2 erfolgt ein sicherheitstechnischer Vergleich der Standortgebiete.
Standortwahl, Bau, Betrieb, Überwachung und Verschluss eines geologischen Tiefenlagers ist ein
über Jahrzehnte dauernder, schrittweiser Prozess. Im Rahmen des rund 10- bis 12-jährigen Auswahlund Rahmenbewilligungsverfahrens sowie bei den danach folgenden Bau- und Betriebsbewilligungsverfahren wird der Kenntnisstand stufenweise vertieft. In jedem Bewilligungsschritt findet eine sicherheitstechnische Begutachtung durch die Behörden statt. Dieses Vorgehen erlaubt es, offene
Fragen stufen- und zeitgerecht zu beantworten und neue Erkenntnisse einzubeziehen.
Wie mit Ungewissheiten und neuen Erkenntnissen umgegangen wird, ist im Konzeptteil, Kapitel 3.5
(S. 39), festgehalten: «Beim Auswahlverfahren treten Ungewissheiten auf, die in den folgenden
Etappen und Bewilligungsverfahren (Rahmenbewilligung, Bau- und Betriebsbewilligung) durch zusätzliche Untersuchungen und Forschungsarbeiten verringert werden. Am Ende jeder Etappe müssen
die Entsorgungspflichtigen Ungewissheiten identifiziert haben und aufzeigen, wie diese im weiteren
Verfahren berücksichtigt werden. Das Auswahlverfahren kann unter Umständen zu Standorten führen, die aufgrund von neuen Erkenntnissen die vorab formulierten Anforderungen nicht bzw. nicht
vollständig erfüllen. In diesen Fällen werden die früheren Entscheide überprüft und gegebenenfalls
revidiert. Sowohl in den Etappen als auch zwischen den Etappen besteht die Möglichkeit eines Rückgriffs auf geologische Standortgebiete oder Standorte, die bei einem Einengungsentscheid zurückgestellt wurden.»
I-16
b)
Änderungen des Konzeptteils des Sachplans sind notwendig bei Änderungen der politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben, und wenn sich herausstellen sollte, dass das Verfahren so nicht durchführbar wäre. Für geringfügige und unbestrittene Anpassungen braucht es dazu
keinen Beschluss des Bundesrates. Zurzeit wird eine Aktualisierung des Konzeptteils mit einigen Anpassungen durchgeführt (unter anderem wurde vom Bundesrat bei seinem Entscheid zu Etappe 1 am
30. November 2011 verfügt): Übernahme der Aufgaben der KNE im Auswahlverfahren durch die EGT,
dementsprechende Anpassung des Anhangs V Pflichtenhefte.
Änderungen der gesetzlichen Grundlagen der Entsorgung radioaktiver Abfälle (z. B. aufgrund politischer Vorstösse) sind denkbar und hätten je nachdem eine Anpassung des Konzeptteils des Sachplans zur Folge. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Gesetzgeber beschliessen würde, dass
schwach- und mittelaktive Abfälle nicht in ein Tiefenlager zu verbringen sind oder grundsätzlich eine
Auslandlösung zu bevorzugen wäre. Ebenso würde der Konzeptteil des Sachplans eine Änderung
erfahren, wenn das kantonale Veto eingeführt würde.
Das Standortauswahlverfahrens kritisch zu hinterfragen gehört zur Funktion und Verantwortung des
BFE als leitende Behörde. Im Zusammenhang mit den Abklärungen über die Notwendigkeit von Sondierbohrungen für die Durchführung provisorischer Sicherheitsanalysen in Etappe 2 hat das BFE beispielsweise mit den involvierten Stellen intensiv über eine Zusammenlegung der Etappen 2 und 3
nachgedacht und diskutiert. Die Bundesbehörden (BFE, ENSI, Beirat Entsorgung) und der Ausschuss
der Kantone kamen zum Schluss, dass keine Zusammenlegung der Etappen erfolgen soll. Ebenso hat
das BFE geprüft, ob der Unfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Auswirkungen auf den Konzeptteil des Sachplans hat – was nicht der Fall war.
Bisher hat sich der Sachplan als gangbares Instrument für die Standortwahl von geologischen Tiefenlagern erwiesen. Es gibt wohl in der Schweiz kein Infrastrukturprojekt, welches sich in einem ähnlichen Spannungsfeld zwischen Sicherheit, Politik und Gesellschaft bewegt. Die Erfahrungen zeigen,
dass genügend Spielraum und Flexibilität innerhalb des Sachplanverfahrens besteht, um auf Anliegen
der Standortkantone und –regionen einzugehen und diese berücksichtigen zu können. Neben der
klaren Regelung bezüglich Kriterien, Pflichtenheften und Auswahlschritten ist dies die grosse Stärke
dieses Auswahlverfahrens.
Weshalb aus Sicht des BFE und ENSI das Sachplanverfahren bezüglich der Bezeichnung von Standortarealen für die Oberflächenanlage nicht nur sicherheitsgerichtet, sondern auch partizipativ ist, wird
zum Beispiel in der Antwort auf die Frage 77 begründet.
Antwort des ENSI:
a)
Die Langzeitsicherheit eines verschlossenen geologischen Tiefenlagers wird mit einer Gesamtbewertung, dem Sicherheitsnachweis aufgezeigt. Er stützt sich auf die Ergebnisse einer umfassenden Sicherheitsanalyse, in der das Langzeitverhalten eines geologischen Tiefenlagers und die daraus resultierenden radiologischen Auswirkungen untersucht werden. Der Sicherheitsnachweis ist gemäss aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik zu führen.
Der Umgang mit neuen Erkenntnissen leitet sich aus deren sicherheitstechnischen Bedeutung ab. Die
technisch-wissenschaftlichen Daten müssen auf einem Stand sein, der die Beurteilung des RückhalteI-17
vermögens des Barrierensystems und der für die Begrenzung der Freisetzung von Radionukliden aus
einem geologischen Tiefenlager wichtigen Prozesse und Parameter ermöglicht.
Im Sicherheitsnachweis werden der aktuelle Kenntnisstand und die Bedeutung verbleibender Ungewissheiten aufgezeigt. Ungewissheiten in den Daten, Prozessen und Modellkonzepten sowie in der
zukünftigen Entwicklung eines geologischen Tiefenlagers sind unvermeidlich. Ungewissheiten sind
soweit notwendig durch Forschung und Datenerhebung zu reduzieren. Wo Ungewissheiten bestehen, sind in der Sicherheitsanalyse die maximalen radiologischen Konsequenzen durch die Berechnung umhüllender Varianten oder durch konservative Annahmen abzuschätzen. Der Einfluss von
Ungewissheiten auf die berechneten Ergebnisse ist systematisch aufzuzeigen, und die daraus gezogenen Schlüsse für die Langzeitsicherheit sind darzulegen.
Die Richtlinie ENSI-G03 schreibt vor, dass bei jedem Schritt zur Realisierung eines geologischen Tiefenlagers für jede sicherheitsrelevante Entscheidung verschiedene Alternativen und ihre Bedeutung
für die Langzeitsicherheit in qualitativer Weise zu betrachten sind und ein insgesamt für die Sicherheit günstiger Entscheid zu fällen ist. Dieses Optimierungsverfahren ist zu dokumentieren. Die radiologischen Auswirkungen durch das geologische Tiefenlager und seine Oberflächenanlagen sind so
weit zu reduzieren, wie dies nach dem Stand von Wissenschaft und Technik möglich und zumutbar
ist.
Durch das schrittweise Vorgehen bei der Realisierung eines Tiefenlagers wird bei jedem Bewilligungsschritt der von der Nagra eingereichte Sicherheitsnachweis von den Behörden überprüft. Mit den
Bewilligungsgesuchen (Rahmen-, Bau- und Betriebsbewilligungsgesuch) und mit dem Gesuch zum
Verschluss des geologischen Tiefenlagers sind gemäss KEG für die Betriebsphase (Betriebssicherheit)
und für die Nachverschlussphase (Langzeitsicherheit) eines geologischen Tiefenlagers entsprechende
Sicherheitsnachweise vorzulegen. Mit dem Gesuch um Feststellung des ordnungsgemässen Verschlusses ist ein weiterer Langzeitsicherheitsnachweis vorzulegen. Der erforderliche Detaillierungsgrad des Sicherheitsnachweises hängt von der Stufe des Bewilligungsverfahrens ab.
I-18
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