Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik 2. Vorlesung - 14.10.2016 Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik Axiomatische Definition der Wahrscheinlichkeit 1933 hat der russische Mathematiker Andrei Nikolaevici Kolmogorov im Buch ”Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung” die axiomatische Definition der Wahrscheinlichkeit eingeführt. Die Wahrscheinlichkeit ist eine Funktion P : K → R so dass: jedem zufälligen Ereignis A ∈ K der Wert P(A) zugeordnet wird K hat die Struktur einer σ-Algebra (siehe Definition 1) P erfüllt bestimmte Axiome (siehe Definition 2) Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik σ-Algebra Definition 1 Eine Familie K von Ereignissen aus der Grundmenge Ω wird σ-Algebra genannt, wenn: (i) K 6= ∅; (ii) wenn A ∈ K, dann A ∈ K; (iii) wenn An ∈ K, n ∈ N, dann ∞ [ An ∈ K. n=1 Das Paar (Ω, K) nennt man messbarer Raum. Beispiele: • A ⊂ Ω ⇒ K = {∅, A, Ā, Ω} ist eine σ-Algebra. • Die Menge aller Teilmengen aus Ω ist eine σ-Algebra und wird mit P(Ω) bezeichnet. Wenn Ω endlich ist, wie viele Elemente hat P(Ω)? Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik Eigenschaften einer σ-Algebra Mit Hilfe von Definition 1 und den Gesetzen von De Morgan kann man beweisen: Satz 1 Wenn K eine σ-Algebra in Ω ist, so gelten folgende Eigenschaften: (1) ∅, Ω ∈ K; (2) A, B ∈ K =⇒ A ∩ B, A \ B ∈ K; ∞ \ (3) An ∈ K, n ∈ N =⇒ An ∈ K. n=1 Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik σ-Algebra Satz 2 Sei A eine Familie von Teilmengen aus Ω. Man definiert \ σ(A) := {F : A ⊆ F, F ist eine σ-Algebra}. ⇒ σ(A) ist die kleinste σ-Algebra in P(Ω), die A enthält. Beweisidee: • σ(A) 6= ∅, weil F := P(Ω) eine σ-Algebra ist welche A enthält • σ(A) ist eine σ-Algebra (anhand Def. 1) • A ⊆ σ(A) und σ(A) is minimal, laut (1). Definition 2 σ(A) heisst die von der Menge A erzeugte σ-Algebra Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik (1) Spezielle σ-Algebren: Borel-σ-Algebren • Seien Ω := [a, b] (mit a < b) A=die Menge aller abgeschlossenen Intervalle aus [a, b] B([a, b]) := σ(A) heisst Borel-σ-Algebra auf [a, b] und ist die kleinste σ-Algebra, die die Menge aller abgeschlossenen Intervalle aus [a, b] enthält ⇒ [a, b], B([a, b]) ist ein messbarer Raum • Seien Ω := R A=die Menge aller abgeschlossenen Intervalle aus R B(R) := σ(A) heisst Borel-σ-Algebra auf R und ist die kleinste σ-Algebra, die die Menge aller abgeschlossenen Intervalle aus R enthält ⇒ R, B(R) ist ein messbarer Raum Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik Axiomatische Definition der Wahrscheinlichkeit Definition 3 Sei K eine σ-Algebra in Ω. Eine Funktion P : K → R wird Wahrscheinlichkeitsmaß genannt, wenn folgende Axiome gelten: (i) P(Ω) = 1 (ii) P(A) ≥ 0 für alle A ∈ K; (iii) jede Folge (An )n∈N von paarweise disjunkten Ereignissen (d.h. Ai ∩ Aj = ∅ für alle i 6= j) aus K gilt P ∞ [ n=1 ∞ X An = P(An ) n=1 Das Tripel (Ω, K, P) heisst Wahrscheinlichkeitsraum. Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik Eigenschaften des Wahrscheinlichkeitsmaßes Satz 3 Sei (Ω, K, P) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Es gilt: (1) P(A) = 1 − P(A) şi 0 ≤ P(A) ≤ 1 (2) P(∅) = 0 (3) P(A \ B) = P(A) − P(A ∩ B) (4) A ⊆ B =⇒ P(A) ≤ P(B), d.h. P ist monoton. (5) P(A ∪ B) = P(A) + P(B) − P(A ∩ B). Übung: P(A ∪ B ∪ C ) =??? Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik Folgen von Ereignissen aus der σ-Algebra K (An )n ist eine wachsende Folge von Ereignissen, wenn An ∈ K und An ⊆ An+1 (Bn )n ist eine fallende Folge von Ereignissen, wenn Bn ∈ K und Bn+1 ⊆ Bn Beispiele: 1. Seien Ω := [0, 1], K := B([0, 1]) Borel-σ-Algebra auf [0, 1] ∞ [ 1 1 1 , − ,n ≥ 4 ⇒ An =? An = n 2 n n=4 2. Seien Ω = [−1, 2], K := B([−1, 2]) Borel-σ-Algebra auf [−1, 2] ∞ \ 1 1 An = − , 1 + ,n ≥ 1 ⇒ An =? n n n=2 Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik Satz 4 Sei (Ω, K, P) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Es gelten folgende Eigenschaften: (1) Wenn (An )n eine wachsende Folge von Ereignissen aus K ist, dann lim P(An ) = P n→∞ ∞ [ An . n=1 (2) Wenn (Bn )n eine fallende Folge von Ereignissen aus K ist, dann lim P(Bn ) = P n→∞ ∞ \ Bn . n=1 Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik Beispiel 1. Ω := [0, 1] Grundraum, K := B([0, 1]) Borel-σ-Algebra auf [0, 1]; sei P das Wahrscheinlichkeitsmaß auf [0, 1], d.h. für jede α < β aus [0, 1] berechnet man P [α, β] = P [α, β) = P (α, β] = P (α, β) := β − α P entspricht dem Lebesgue Maß 1 1 1 für An = , − ,n ≥ 4 ⇒ P(An ) =? n 2 n ! ∞ [ ⇒P An =? n=4 Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik