00.008 s Gen-Lex-Vorlage (HAFTPFLICHTRECHT)

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Ständerat
Conseil des Etats
Consiglio degli Stati
Cussegl dals stadis
00.008 s Gen­Lex­Vorlage (HAFTPFLICHTRECHT)
Herbstsession
Bericht der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur vom 27. 8. 2001
1. Stand der Beratungen
In der Plenardebatte vom 14.6.01 wurde der Antrag von Frau SR Beerli auf Einfügung eines Artikels 27bis GTG an die Kommission zur
Überprüfung und Stellungnahme zurückgewiesen, weil sich in der Debatte verschiedene offene Fragen über die Auslegung von Art. 27
Abs. 1 und 2 GTG stellten. Die WBK­S hat am 27.8.01 folgenden Bericht ihrer Subkommission, der Verwaltung und des Experten
genehmigt.
2. Bedeutung von Art. 27 GTG für in Verkehr gebrachte GVO bzw. für in Verkehr gebrachte Erzeugnisse von GVO
Die bisherigen Beratungen haben klar gestellt, dass es bei der Gefährdungshaftung (oder strengen Kausalhaftung) nach Art. 27 GTG um
eine Haftung des Inhabers von Anlagen und Betrieben geht, in denen sich wegen des Umgangs mit GVO eine besondere Gefahr
verwirklicht bzw. ein Schaden verursacht wird. Anvisiert wird damit eigentlich eine wirtschaftliche oder berufliche Aktivität, für die der
tatsächliche Betreiber der Anlage oder des Betriebes einstehen soll.
Bei Gefährdungshaftungen ist es üblich, dass ausschliesslich der Inhaber des Betriebes oder der Anlage haftet, in dem bzw. in der sich
die Gefahrenquelle befindet. Der Inhaber haftet aber nur, wenn sich die besondere Gefahr im Betrieb oder der Anlage verwirklicht.
Zur Beantwortung der Frage nach der Anwendbarkeit von Artikel 27 GTG im Falle des Inverkehrbringens von GVO sind somit zwei Fälle zu
unterscheiden:
Der Inhaber des Betriebs, der GVO in Verkehr bringt, haftet für den Schaden, der bis zum Zeitpunkt verursacht wird, zu dem die GVO in
einen anderen Betrieb oder eine andere Anlage (z.B. Lagerhaus, Lastwagen einer Transportfirma) übergehen. Von diesem Zeitpunkt an
haftet ausschliesslich der Inhaber des übernehmenden Betriebs oder der übernehmenden Anlage.
Besteht das Inverkehrbringen in der Übergabe an einen privaten Verbraucher (nach Art. 5 fällt auch Schenken darunter), so gilt die Haftung
des Betriebsinhabers bis zum Zeitpunkt der Übergabe; der Verbraucher selber haftet nicht, da er weder Betriebs­ noch Anlageninhaber ist
und somit nicht der Haftung nach GTG untersteht.
Dies hat beispielsweise zur Folge, dass ein Spital für eine hier erfolgte Therapie mit gentechnisch veränderten Organismen nach GTG
haftet, nicht aber, wenn die Schädigung die Folge eines dem Patienten nach Hause mitgegebenen Medikaments ist. Im zweiten Fall
haftet das Spital ausschliesslich nach Obligationenrecht (Verschuldenshaftung, Geschäftsherrenhaftung, Haftung aus Schlechterfüllung
des Vertrages) und nach (modifiziertem) Produktehaftpflichtgesetz; im ersten Fall haftet es kumulativ auch nach GTG.
3. Gesetzliche Umschreibung der besonderen Gefahr von GVO
3.1 Ausgangslage
Die besondere Gefahr von GVO wurde schon verschiedentlich umschrieben (vgl. Botschaften des Bundesrates zur Revision USG von 1993
bzw. zur Gen­Lex von 2000). Art. 27 Abs. 2 GTG (in der Fassung vom 30.4.01) hat mit dem Verweis auf die Bewilligungspflicht oder
besondere Vorschriften für den Umgang mit GVO nur indikativen Charakter. Irrelevant ist im weiteren, ob die aufgrund des Umgangs
verursachten Schädigungen absichtlich oder unbeabsichtigt erfolgen und irrelevant ist im Übrigen, ob der GVO als fehlerhaft (im Sinne des
Produktehaftpflichtrechtes) oder nicht angesehen wird.
3.2 Die "besondere Gefahr" gentechnisch veränderter Organismen
Die besondere Gefahr gentechnisch veränderter Organismen beruht auf zwei Elementen:
die neuen Eigenschaften des Organismus aufgrund der Neukombination des Erbmaterials und
dessen anschliessende Vermehrung, Veränderung und Weitergabe.
3.2.1 Neukombination des Erbmaterials
Die Besonderheit gentechnisch veränderter Organismen besteht darin, dass sie als Folge der gentechnischen Veränderung neue
Eigenschaften, hervorgerufen durch eine neue, bisher nicht vorkommende Kombination von Erbmaterial, besitzen. Entscheidend dabei ist,
dass diese Kombination unter natürlichen Bedingungen nicht von selbst hätte entstehen können (vgl. Art. 5 Abs. 2 GTG­E).
Die Möglichkeiten der Neukombination des Erbmaterials durch eine gentechnische Veränderung sind sehr weitreichend. Im Gegensatz
zur klassischen Zucht können Teile des Erbmaterials von Menschen, Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen praktisch unabhängig von
ihren verwandtschaftlichen Verhältnissen neu miteinander kombiniert werden.
Die Neukombination umfasst nicht notwendigerweise bloss das Erbmaterial von zwei Organismen. Im Gegenteil wird in den meisten
Fällen gleichzeitig Erbmaterial von mehreren völlig unterschiedlichen Organismen neu kombiniert. Das Gen einer Qualle kann also in
einem Baum unter der Kontrolle eines viralen Steuerelementes (z.B. Promotorsequenz) aktiv sein, ein menschliches Gen unter Kontrolle
einer viralen Steuersequenz in einem Bakterium.
Die besondere Gefahr gentechnisch veränderter Organismen liegt also zum einen in den potentiellen schädlichen Effekten dieser
natürlicherweise nicht vorkommenden Neukombinationen. Für deren Beurteilung fehlen in den meisten Fällen ausreichende praktische
Erfahrungen oder Methoden für eine zuverlässige Voraussage indirekter oder spät eintretender Folgen.
3.2.2 Vermehrung, Veränderung und Weitergabe
Das zweite Element: Organismen sind dadurch definiert und unterscheiden sich darin von toter Materie, dass sie ihr Erbmaterial und
damit auch ihre Eigenschaften vermehren, verändern oder aktiv an andere, meist mit ihnen verwandte Organismen weitergeben können.
Geschieht ein Chemieunfall, so bleibt die Menge des Stoffes, der das Schadensereignis bestimmt, konstant. Der Stoff wird höchstens
dadurch verändert, dass er in der Umwelt abgebaut wird. Bei Lebewesen ist dies nicht der Fall. Das Gefährdungspotenzial kann sich
nachträglich vergrössern, in seiner Qualität verändern oder in anderen Bereichen neu auftreten:
Alle Organismen sind fähig, sich zu vermehren. So kann ein einzelnes Bakterium unter geeigneten Bedingungen
innert einer halben Stunde sein Erbmaterial kopieren und sich anschliessend verdoppeln. Innert Tagesfrist kann so
aus einem Bakterium eine Bakterien­Population mit mehr als einer Milliarde Bakterien entstehen. Mit dieser
Vermehrung der Organismen geht parallel immer auch eine Vermehrung eines allfälligen Gefährdungspotenzials
einher. So ist es z. B. wahrscheinlich, dass sich gentechnisch veränderte, metallresistente Bakterien nach einer
Freisetzung in einer metallhaltigen Umgebung stark vermehren werden, da ihnen diese Eigenschaft einen Vorteil
gegenüber den anderen, natürlicherweise vorkommenden Bakterien verleiht. Damit ist die Gefahr verbunden, dass
Letztere von den gentechnisch veränderten Bakterien verdrängt werden. Eine ähnliche Situation könnte mit
transgenen, wärmeresistenten Fischen auftreten. Bei der derzeitigen globalen Erwärmung der Gewässer würden
diese einen grossen Vorteil in Wachstum und Vermehrung haben und würden sich, wenn sie unbeabsichtigt
freigesetzt würden, wahrscheinlich stark vermehren und ausbreiten. Die Folge wäre eine Verdrängung von natürlich
vorkommenden, kälteliebenden Fischarten und damit ein Verlust von Artenvielfalt. Auch Pflanzen können unter
günstigen Bedingungen verstärkt wachsen und sich unkontrolliert vermehren, sie werden dann als invasiv
bezeichnet. Aktuelle Beispiele sind die Killeralge C. taxifolia im Mittelmeer und die kanadische Goldrute S.
canadiensis in der Schweiz. Gentechnisch veränderte, frostresistente oder salztolerante Pflanzenarten könnten
plötzlich invasiv werden, da sie mit diesen Eigenschaften in neue Habitate vordringen können, in denen sie bis dahin
nicht überleben konnten.
Spontan auftretende Mutationen und natürliche Rekombination des Erbmaterials führen im Erbmaterial
natürlicherweise zu genetischen Veränderungen. In der Population der erwähnten Milliarde Bakterien, die auf ein
einzelnes Eltern­Bakterium zurückgeht, sind somit nicht alle Nachkommen genetisch absolut identisch. Die meisten
genetischen Veränderungen bleiben ohne sichtbare Folgen, einzelne können jedoch auch zu wesentlichen
Veränderungen der Eigenschaften und damit des Gefährdungspotenzials der Organismen führen. Bekanntes
Beispiel für solche natürlichen Veränderungen sind die Grippeviren, die sich von Jahr zu Jahr genetisch so
verändern, dass die letztjährigen Impfstoffe ihre Wirksamkeit weitgehend verlieren und die veränderten Viren neue
Infektionen auslösen können.
Organismen können ihr Erbmaterial weitergeben (Gentransfer). Ein Gentransfer erfolgt einerseits durch sexuelle
Prozesse (Befruchtung der Eizellen durch Pollen oder Spermien, sogenannter vertikaler Gentransfer), bei Bakterien
auch durch andere Rekombinationsvorgänge. Vertikaler Gentransfer findet in der Regel nur innerhalb der gleichen
biologischen Art oder zwischen eng verwandten Arten von Organismen statt. Ein Beispiel hierfür wäre der Pollenflug
innerhalb der Pflanzenfamilie der Kreuzblütler. Zu dieser Familie gehören viele unserer Kulturpflanzen wie Raps, die
bekannten Kohlarten (Blumenkohl, Rosenkohl oder Kohlrabi) oder auch der Ackersenf. Wird nun z.B. gentechnisch
veränderter Raps angebaut und sind derartige Rapsfelder neben Feldern, auf denen Bauern Raps nach biologischen
Richtlinien anbauen, so ist zu erwarten, dass die gentechnische Veränderung via Pollenflug auf den ​Bio­Raps"
übertragen wird. Damit würde der Bio­Bauer finanzielle Einbussen erleiden, da er seinen Raps nicht mehr als Bio­
Produkt verkaufen kann.
3.3 Vorschlag für Artikel 27 GTG
Nach der bisherigen Fassung von Artikel 27 GTG ist die Gefährdungshaftung auf Betriebe und Anlagen beschränkt, in denen mit
gentechnisch veränderten Organismen umgegangen wird, wenn wegen einer besonderen Gefahr, die mit diesen Organismen verbunden
ist, ein Schaden entsteht (Abs. 1). Als mit einer besonderen Gefahr verbunden gelten Betriebe und Anlagen, für welche der Bundesrat
eine Bewilligungspflicht einführt oder andere besondere gesetzliche Vorschriften erlässt (Abs. 2).
Nach dem Willen der WBK wird die besondere Gefahr nicht mehr als abstrakte Generalklausel formuliert, sondern neu konkret in den
Gesetzestext integriert.
Die WBK beantragt folgende Neufassung von Artikel 27 Absatz 1 und 2 GTG:
1 Der Inhaber von Betrieben oder Anlagen, in denen mit gentechnisch veränderten Organismen umgegangen wird, haftet
für Schäden, die bei diesem Umgang wegen der Veränderung des genetischen Materials entstehen.
2
2 Der Schaden muss dabei entstanden sein, wegen:
a. der neuen Eigenschaften der Organismen; oder
b. der Vermehrung oder Veränderung der Organismen; oder
c. der Weitergabe des veränderten Erbmaterials der Organismen.
Gentechnisch veränderte Organismen können an sich eine besondere Gefahr bilden. Diese Gefahr manifestiert sich darin, dass durch
gentechnische Veränderung entstandene Eigenschaften sowie die Vermehrung, Veränderung oder Weitergabe des veränderten
Erbmaterials den Menschen und die Umwelt gefährden können (siehe oben Ziff. 3.2). Wird die besondere Gefahr daher in diesem Sinn
näher ausgeführt, so entfällt die Notwendigkeit einer Norm mit indikativem Charakter im Sinne vom bisherigen Artikel 27 Absatz 2 GTG.
Der bisherige Absatz 2 kann deshalb durch den neuen Absatz 2 ersetzt werden.
Der Textvorschlag hat zur Folge, dass neu auch für Schäden, die von Betrieben oder Anlagen mit GVO verursacht wurden, die von der
Melde­ und der Bewilligungspflicht im Sinne von Artikel 12 GTG ausgenommen sind, nach der Gefährdungshaftungsnorm von Artikel 27
GTG gehaftet wird.
4. Ausnahmebestimmung für Heilmittel
4.1 Problem
Frau Ständerätin Beerli hat am 14.6.01 im Plenum des Ständerates einen Artikel 27bis GTG beantragt, der lautet:
Wer mit einem rechtmässig in Verkehr gebrachten Lebens­ oder Heilmittel, das nicht als land­ oder forstwirtschaftlicher
Hilfsstoff verwendet wird, bestimmungsgemäss umgeht, haftet nicht nach Artikel 27.
Damit sollte vor allem erreicht werden, dass die Haftung für deklarierte Nebenwirkungen von Heilmitteln, die GVO sind oder solche
enthalten, nicht der Gefährdungshaftung nach Gentechnikgesetz, sondern der Haftung für fehlerhafte Produkte gemäss
Produktehaftpflichtgesetz untersteht. Eine Ausnahmebestimmung bezüglich Heilmittel hat daraufhin Herr Nationalrat Jost Gross
vorgeschlagen (Papier Schweizer vom 25.6.01, S. 5):
Schädigende Nebenwirkungen, die mit der Heilanwendung eines Medikaments mit oder aus gentechnisch veränderten
Organismen untrennbar verbunden sind und über die die Patientin oder der Patient rechtsgenüglich aufgeklärt worden ist,
sind von der Gefährdungshaftung ausgenommen.
An der Sitzung der Kommission vom 26. Juni hat Herr Ständerat David den Antrag Nr. 96 zu Art. 27 Absatz 2bis (neu) GTG eingereicht:
Hat der Geschädigte in eine deklarierte besondere Gefahr, bewirkt durch gentechnisch veränderte Organismen, die
Heilmittel sind oder in Heilmitteln enthalten sind, eingewilligt, entfällt die Haftung nach Absatz 1 bei Verwirklichung der
Gefahr.
Die Verwaltung hat am 26.6 01 die Auffassung vertreten, die Ausnahme von der Haftung bei Aufklärung und Einwilligung des Patienten
gelte auch ohne Erwähnung im Gentechnikgesetz, gestützt auf Artikel 44 Absatz 1 OR. Die Kommission wünschte jedoch eine
ausdrückliche Regelung im Gentechnikgesetz. In der Kommission ging die Tendenz dahin, die Ausnahmebestimmung nur für Heilmittel,
nicht für Lebensmittel vorzusehen.
Bei der gesetzlichen Regelung ist darauf zu achten, dass sie für alle GVO gilt, die bei einer medizinischen Behandlung von Menschen
verwendet werden, also nicht nur für GVO, die in Heilmitteln enthalten sind, sondern auch für gentechnisch veränderte Zellen, die auf den
Menschen übertragen werden (Gentherapie) sowie für Organe von gentechnisch veränderten Tieren, die auf Menschen übertragen werden
(Xenotransplantation).
Wie erwähnt (vgl. vorne Ziff. 2), gehen wir davon aus, dass die Haftung nach Art. 27 GTG nur für den Umgang mit GVO innerhalb eines
Betriebs oder einer Anlage gilt. Beim Inverkehrbringen gilt die Haftung also nur für Schäden, die bis zur Übergabe an den Inhaber eines
anderen Betriebs oder einer andern Anlage oder eben bis zur direkten Abgabe an einen Verbraucher verursacht werden. Die Haftung der
Herstellerin von Heilmitteln ist, also beschränkt. Für GVO, die als Heilmittel verwendet werden, haftet der Inhaber eines Betriebs
(Arztpraxis, Spital), soweit sie im Rahmen einer medizinischen Behandlung im Betrieb dem Patienten verabreicht werden (Impfung,
Einspritzung, Gentherapie, Verabreichung von Tabletten zur unmittelbaren Einnahme).
4.2 Ausnahme von der Haftung für Nebenwirkungen bei Einwilligung des Patienten
Nach dem Willen der WBK­S untersteht die medizinische Behandlung mit GVO, die Heilmittel sind oder in Heilmitteln enthalten sind,
grundsätzlich der Gefährdungshaftung. Ist aber der Patient über die Gefahr einer Schädigung aufgeklärt worden und hat er daraufhin in die
Behandlung eingewilligt, so entfällt die Haftung des Arztes und des Spitals nach Artikel 27 GTG. Die Haftung von Spital und Arzt wegen
Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten besteht aber selbstverständlich weiter.
Eine Regelung in Artikel 27 GTG, welche die von der Kommission gewünschten Elemente enthält, könnte in Anlehnung an Artikel 44 OR
lauten:
2bis Der Inhaber haftet nicht für den Schaden aus einer unerwünschten Wirkung gentechnisch veränderter
Organismen, die bei einer Person zu einem medizinischen Zweck verwendet wurden, wenn die Person oder ihr
gesetzlicher Vertreter nach ordnungsgemässer Aufklärung über diese Wirkung in die Behandlung eingewilligt
hat.
Der Ausdruck "unerwünschte Wirkung" ist Synonym von "Nebenwirkung" und wird im Heilmittelgesetz verwendet (Art. 11 Abs. 1 Bst. e,
3
BBl 2000 6115). In der EG­Richtlinie 75/319 wird der Begriff Nebenwirkung ("effet indésirable") definiert als "eine Reaktion, die schädlich
und unbeabsichtigt ist und bei Dosierungen auftritt, wie sie normalerweise beim Menschen zur Prophylaxe, Diagnose oder Therapie von
Krankheiten oder für die Änderungen einer physiologischen Funktion verwendet werden."
Mit der Formulierung "ordnungsgemäss aufgeklärt" wird auf die ärztliche Aufklärungspflicht verwiesen, wie sie das Bundesgericht
umschrieben hat (BGE 113 Ib 424; 115 Ib 182; 117 Ib 200; vgl. auch A. KELLER, Haftpflicht im Privatrecht I, 5. Aufl. Bern 1993, 418 f.).
So darf die Aufklärung insbesondere keinen für die Gesundheit schädlichen Angstzustand hervorrufen (BGE 108 II 61;113 Ib 426). Ob die
Aufklärung "ordnungsgemäss" ist, muss nach einem objektivierten Massstab beurteilt werden, wie er in der verschuldensunabhängigen
Staatshaftung gilt, auf der ein Teil der zitierten Bundesgerichtsurteile beruht (113 Ib 424; 115 Ib 182). Bei GVO­Heilmittel oder Therapien
mit GVO ist sicher eine qualifizierte Aufklärung zu verlangen.
Die Einwilligung des Patienten schliesst die Rechtswidrigkeit der Schädigung aus. Dies gilt jedoch nur, wenn die Einwilligung gültig ist,
d.h. im Einklang mit der persönlichen Freiheit des Patienten stand. Andernfalls liegt eine Verletzung von Artikel 27 des Zivilgesetzbuchs
vor. Diese Bestimmung schliesst eine rechtlich relevante Einwilligung in beliebige, im Zeitpunkt des Eingriffs noch gar nicht bekannte
unerwünschte Wirkungen gentechnisch veränderter Organismen (Entwicklungsrisiken) aus. Neben der Gefährdungshaftung nach Art. 27
GTG haben geschädigte Patienten jederzeit die Möglichkeit die allgemeinen schuldrechtlichen Haftungsnormen, denen Spitäler oder Ärzte
bei Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten unterliegen, anzurufen.
5. Zusammenfassende Empfehlungen
Die WBK­S beantragt, die besondere Gefahr gentechnisch veränderter Organismen wie folgt in Artikel 27 Gentechnikgesetz (GTG) zu
konkretisieren:
1 Der Inhaber von Betrieben oder Anlagen, in denen mit gentechnisch veränderten Organismen umgegangen
wird, haftet für Schäden, die bei diesem Umgang wegen der Veränderung des genetischen Materials
entstehen.
2 Der Schaden muss dabei entstanden sein, wegen:
a. der neuen Eigenschaften der Organismen; oder
b. der Vermehrung oder Veränderung der Organismen; oder
c. der Weitergabe des veränderten Erbmaterials der Organismen.
Damit wird abschliessend festgelegt, auf welche Weise ein Schaden im Zusammenhang mit GVO entstanden sein muss, damit die
Haftpflichtnormen des GTG zur Anwendung gelangen können.
Die WBK­S beantragt weiter, zur ausdrücklichen Klärung der Fragen im Medizinalbereich in Artikel 27 GTG einen neuen Absatz 2bis wie
folgt aufzunehmen:
2bis Der Inhaber haftet nicht für den Schaden aus einer unerwünschten Wirkung gentechnisch veränderter
Organismen, die bei einer Person zu einem medizinischen Zweck verwendet wurden, wenn die Person oder
ihr gesetzlicher Vertreter nach ordnungsgemässer Aufklärung über diese Wirkung in die Behandlung
eingewilligt hat.
Diese Bestimmung bildet entgegen dem Wortlaut einiger Pressekommentare kein ​Aerzteprivileg", sondern stellt nur im Zusammenhang
mit der Gefährdungshaftung des GTG die allgemeinen Grenzen einer solchen Haftung bei medizinischen Anwendungen von GVO klar.
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