Elterliche Komorbidität - Prof. Dr. Michael Klein

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Sucht, Gewalt und Familie –
Zusammenhänge, Risiken,
Konsequenzen
Vortrag zur DO-Jahrestagung am 22. April
2015 in Düsseldorf
Michael Klein, Köln
Sucht, Gewalt und Familie –
Zusammenhänge, Risiken,
Konsequenzen
(1) Einführung, Problemlage
Kindeswohl als Leitmotiv
(„child protection and mental health
mainstreaming“; „health in all policies“)
Das Kindeswohl muss als prioritäres Leitmotiv in allen
gesundheits- und sozialbezogenen Hilfebereichen verankert
und umgesetzt werden.
Dies betrifft Kinder- und Jugendhilfe ebenso wie Schule,
Prävention, Psychiatrie, Psychotherapie und Suchthilfe.
Ohne Kindeswohl langfristig keine gelingende Entwicklung
und keine Reduktion der Zahl psychischer Störungen.
Suchtstörungen spielen dabei eine zentrale Rolle, da
süchtiges Verhalten meist zur Selbstmedikation von frühen
Verhaltens- und Erlebensstörungen eingesetzt wird.
Vorbemerkung:
Suchtstörungen gehören zu den
wichtigsten und häufigsten
psychischen Störungen – Die
Frage nach ihren Auswirkungen
auf die Familie sollte Regel
und nicht Ausnahme sein.
Klassifikation von Gewaltformen
sexuell
psychisch,
verbal
physisch
autoaggressiv
strukturell
6
Welche Substanzen?
Als besonders riskant für die Ausübung
gewalttätigen Verhaltens können die
folgenden Substanzen angesehen werden:
Alkohol
Kokain
Amphetamine
Opiate
ggf. Halluzinogene
7
Welche Effekte?
Akute, chronische und komorbide Effekte
Neben den Effekten akuter Intoxikation auf
das Sozial- und Interaktionsverhalten sind –
besonders bei Suchterkrankungen – die
chronischen Effekte (zB
Entzugs“stimmungen“) sowie die
komorbiden Effekte (zB
Persönlichkeitsveränderungen,
neuropsychologischer Abbau, prämorbide
Störungen) zu beachten.
8
Kindesmisshandlung (WHO, 2006)
USA: 35% der Täter(innen) hatten zum Tatzeitpunkt
Alkohol oder Drogen konsumiert.
Deutschland: 32% der Täter(inne) tödlicher
Kindesmisshandlungen waren zum Tatzeitpunkt unter
Alkoholeinfluss. 37% waren alkoholabhängig.
Kanada: Alkohol- und Drogenkonsum wurde in 34% aller
Fälle von „child welfare investigation“ berichtet.
London: Elterlicher Substanzmissbrauch wurde in 52%
aller Fälle von Familien des „child protection register“
berichtet, wobei Alkohol am häufigsten als Substanz
benannt wurde.
1: http://www.who.int/violence_injury_prevention/publications/violence/en/index.html
9
Partnergewalt (WHO, 2006)
USA: Opfer berichten von Alkoholisierung des
Täters in 55% aller Fälle.
England/Wales: Opfer berichten von
Alkoholisierung des Täters in 32% aller Fälle.
Australien: In 36% aller Fälle von Todschlag der
Partnerin stand der Täter unter Alkoholeinfluss.
Deutschland: 55% aller Fälle von Gewalt gegen
Frauen werden vom Täter unter Alkoholeinfluss
begangen.
1: http://www.who.int/violence_injury_prevention/publications/violence/en/index.html
10
12. Mai 2015
Epidemiologie von
Suchtstörungen
11
Direkte und indirekte Effekte
können Kinder Suchtkranker betreffen
Direkte (substanzbezogene) Indirekte Effekte:
Effekte:
• Behinderungen und Retardierung durch
FAS(D)
•Neonatales Abstinenzsyndrom
•Retardierung durch andere
Substanzwirkung (z.B. Tabakrauchen)
•Schädigung durch Alkoholvergiftungen
in Kindheit und Jugend
•Familiale Gewalt
• Unfälle, Verletzungen
• Broken home
• Vernachlässiguung, Misshandlung,
Missbrauch
• Soziale Isolation, sozialer Abstieg
• Familiale Disharmonie
• Partnerprobleme
• Negative Familienatmosphäre
• Zahlreiche negative (kritische)
Lebensereignisse
• Leistungsprobleme in der Schule
Sucht, Gewalt und Familie –
Zusammenhänge,
Risiken,
Konsequenzen
(2) Auswirkungen elterlichen Substanzkonsums
auf exponierte Kinder:
Stress, Volatilität, Rollenfixierungen,
Coping(versuche), Entwicklungspsychopathologie
Was einem Kind eines
drogenabhängigen Elternteils
passieren kann?
(1) Direkte Folgen des elterlichen Drogenkonsums:
Drogennotfall eines Elternteils, Unfälle/Vergiftungen des
Kindes
(2) Indirekte Folgen des Drogenkonsums auf das elterliche
Verhalten: Suizidalität, Sedierung, Unberechenbarkeit,
Unzuverlässigkeit, Unerreichbarkeit, Kindesvernachlässigung
etc.
(3) Folgen für die Familie: Verarmung, Marginalisierung,
Stigmatisierung
Kindliche Wahrnehmung und Verarbeitung des
elterlichen Suchtverhaltens ist der Schlüssel zur
psychischen Gesundheit der Kinder
Historische Darstellung:
Alkohol und Gewalt in der
Familie, ca. 1880
Claudia Black, Sharon Wegscheider, Janet
Woititz, ab ca. 1969
Elterliche Verhaltensstressoren für die
(psychische) Gesundheit von Kindern in
Familien: Risikotrias
Psychische Krankheiten
Suchtstörungen
Gewaltverhalten
(vgl. Cleaver et al., 1999)
Risikoverstärker
Lange und intensive Exposition des Kindes
(Quantität, Qualität)
Beide Elternteile betroffen > Mutter > Vater
Einzelkind (?)
Frühe > mittlere > späte Kindheit
Alleinerziehendes Elternteil
Hohe Zahl negativer Lebensereignisse im
Krankheitsverlauf (Unfälle, Verletzungen,
Suizidversuche, Inhaftierungen)
Was beeinflusst das Transmissionsrisiko
(erhöhend, abschwächend)?
(1) Dauer und Intensität der Exposition
(2) Schwere der elterlichen psychischen Störung und
Komorbidität
(3) Genetisches Risiko (Vulnerabilität)
(4) Alter des Kindes
(5) Stressbewältigungskompetenzen/Resilienzen
(6) Kranke/gesunde Modellpersonen (vor allem Verwandte) im
Umfeld
(7) Intermittierende Lebensereignisse (z.B. Traumatisierung)
(8) Mangel an elterlicher Kompetenz (z.B. Einfühlsamkeit,
Wärme, sichere Bindung)
Frequency of alcohol problems in parents
(N = 2.427; Lifetime, %w; source: EDSP-study; Lieb
et al., 2006)
Either parent
Both parents
22,5
3,1
One parent
19,5
Father only
Mother only
0,0
15,0
4,4
10,0
20,0
Ausgangslage und Fakten
In Deutschland leben:
2.65 Millionen Kinder, bei denen ein Elternteil eine
alkoholbezogene Störung (Missbrauch oder
Abhängigkeit) aufweist (Lachner & Wittchen, 1997; Klein,
2005)
ca. 40.000 Kinder mit einem drogenabhängigen Elternteil
d.h.: es geht insgesamt nicht um eine gesellschaftliche
kleine Randgruppe, sondern um eine substantielle
Gruppe von Kindern, die ein deutlich erhöhtes negatives
Entwicklungsrisiko aufweisen. Die gesunde Entwicklung
von Kindern suchtkranker Eltern ist ein prioritäres PublicHealth-Thema.
Prävalenzen
Jedes 7. Kind lebt zeitweise (jedes 12.
dauerhaft) in einer Familie mit einem
Elternteil, der eine alkoholbezogene Störung
(Abhängigkeit oder Missbrauch) aufweist
(Deutschland; Lachner & Wittchen, 1997)
Jedes 3. Kind in einer alkoholbelasteten
Familie erfährt regelmäßig physische Gewalt
(als Opfer und/oder Zeuge) [Klein & Zobel,
2001]
Suchtkranke Familien weisen gehäuft eine
„family density“ für Sucht- und andere
psychische Störungen auf
Prävalenzen
Von den Kindern alkoholabhängiger Eltern
entwickeln ca. 33% bis 40% selbst eine
substanzbezogene Abhängigkeitserkrankung
(Sher, 1991; Windle & Searles, 1990; Klein,
2005; Zobel, 2006)
Ein Drittel (teilweise überlappend mit dem
erstgenannten Drittel) zeigt psychische
Störungen (z.B. Ängste, Depressionen,
Persönlichkeitsstörungen)
Relative Wahrscheinlichkeiten (OR) für
Alkoholabhängigkeit bei Töchtern und
Söhnen von Eltern mit Alkoholstörungen
Elterliche
Probleme
mit Alkohol
Männliche Probanden
odds-ratio (OR) für
Alkoholabhängigkeit
Weibliche Probanden
odds-ratio (OR) für
Alkoholabhängigkeit
Nur Vater
2.01 **
8.69 ***
Nur Mutter
3.29 ***
15.94 ***
Beide
Elternteile
18.77 ***
28.00 ***
**: p<.01; ***: p<.001.
aus: Lachner & Wittchen (1997, 69).
Gesundheitliche Gefahren für Kinder aus
suchtbelasteten Familien
Die Zahl der Krankenhausaufenthalte liegt
um 24.3 % höher.
Die durchschnittliche Verweildauer bei
stationären Behandlungen liegt um 61.7%
höher (Woodside et al., 1993).
Die behandlungsbezogenen Kosten liegen
um 36.2 % höher (Woodside et al., 1993).
Subjektive Gesundheit: 35.6% der Kinder aus
suchtbelasteten Familien (Exp. > 4 Jahre)
geben an, dass sie sich oft krank fühlen (vs.
15.9%) [Klein, 2003].
Risikosteigerung aufgrund psychischer
Komorbidität:
Wegen der hohen Komorbidität von
Suchtstörungen und psychischen
Störungen (40% bis 80%) sind
kombinierte, abgestimmte Angebote für
Kinder aus allen derartigen
Familiensystemen besonders wichtig.
Bindungsmuster bei psychisch kranken
Müttern (Cicchetti et al., 1995)
Erkrankung der
Anteil unsicherer BinMutter
dung bei Kindern
schwere Depression
47%
leichte Depression
24%
bipolare Depression
79%
Schwere
Angster80%
krankungen
Alkoholmissbrauch
52% (davon 35% ambivalent)
Drogenmissbrauch
85% (davon 75% ambivalent)
In einer psychisch belasteten Familie zu
leben, bedeutet vor allem psychischen Stress:
Alltags- und Dauerstress
Formen des Familienstresses und der
Stressverarbeitung (Schneewind, 1991, 2006):
(1) Duldungsstress („Ich kann dem Druck und Stress
nicht ausweichen, halte ihn aber nicht aus“)
(2) Katastrophenstress („Ich weiß nie, was passieren
wird. Das macht mir so viel Angst, dass ich
andauernd daran denken muss“)
(3) Bewältigungsstress („Auch wenn es schwer ist, ich
werde es schaffen und überleben“)
Hauptsymptome alkoholbelasteter
Partnerschaften und Familien:
Stress und Volatilität
Im Einzelnen:
• Stabilität der Instabilität
• Unberechenbares Verhalten des Suchtkranken wird durch
übermäßige Verantwortungsübernahme der Partnerin
kompensiert. In der Summe herrscht meist lange Homöostase
• Kontrollzwang, Kontrolleskalation, Kontrollverlust
• Übermäßige Frequenz emotionaler, physischer und
sexueller Gewalt
• Chronisch belastete Atmosphäre („schleichendes Gift“)
• Verlusterlebnisse, Diskontinuitäten, Brüche
Hauptproblem suchtkranker Eltern
aus der Kindesperspektive:
Verhaltensvolatilität
Das Hauptproblem suchtkranker Eltern im
Erleben ihrer Kinder ist ihre Unberechenbarkeit
und Unzuverlässigkeit, bisweilen auch ihre
Impulsivität, Aggressivität oder Depressivität.
Je stabiler und funktionaler ihr Verhalten wird,
desto besser ist dies für ihre Kinder.
Hast Du manchmal Angst vor dem Vater?
Elternteil mit
Alkoholdiagnose
ja
nein
gesamt
Vater
75
(59.5%)
51
(40.5%)
126
Stiefvater
8
(66.7%)
4
(33.3%)
12
Kontrollgruppe
4
(6.6%)
57
(93.4%)
61
N= 251;11- bis 16-Jährige aus nicht klinischer,
repräsentativer Schülerstichprobe
Relative Erkrankungsrisiken (OR) für Jugendliche in
alkoholbelasteten Familien [Lachner & Wittchen, 1997]
Elternteil mit
Alkoholdiagnose
Diagnose
Jugendliche
Nur Vater
Nur Mutter
Beide
Posttraumatische
Belastungsstörung
Depressive
Episode
Nur Vater
Nur Mutter
Beide
Odds ratio
5.53
5.15
14.77
1.94
2.88
3.20
34
Töchter
Töchter alkoholkranker Väter heirateten in
mehr als 40% aller Fälle wieder einen
alkoholkranken Partner und sind besonders
anfällig für co-abhängige Verhaltensweisen
(Schuckit & Smith, 1996).
Söhne suchtkranker Väter
Söhne:
Sind gleichgültiger, weniger empathisch,
oft impulsiv, betreiben häufiger Alkoholund Tabakmissbrauch als Söhne nicht
suchtkranker Väter.
(Klein, 2008)
Töchter suchtkranker Mütter
Töchter:
Sind stark ängstlich, machen sich viele Sorgen,
verurteilen sich selbst, halten sich für nicht
normal und leiden unter starken
Stimmungsschwankungen und depressiven
Verstimmungen. Neigen mehr zum
Alkoholkonsum und Rauschtrinken.
(Klein, 2008)
Konstellationen in
dysfunktionalen Familien
Die wichtigsten 9 ACEs sind:
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
Emotionaler Missbrauch
Körperliche Misshandlung
Sexueller Missbrauch
Emotionale Vernachlässigung
Körperlicher Vernachlässigung
Geschlagene Mutter
Elterliche Komorbidität
Elterliche Trennung und Scheidung
Elternteil im Strafvollzug
Dube et al., 2001
38
Kategorien widriger Kindheitserfahrungen I
(adverse childhood experiences; ACE; Dube et al., 2001)
Kategorie widriger
Kindheitserfahrungen
Emotionaler
Missbrauch
Körperliche
Misshandlung
Sexueller
Missbrauch
Elterlicher
Alkoholmissbrauch
Kein Elternteil
Nur Vater
Nur Mutter
Beide Elternteile
Kein Elternteil
Nur Vater
Nur Mutter
Beide Elternteile
Kein Elternteil
Nur Vater
Nur Mutter
Beide Elternteile
Töchter Odds
%
Ratio
9.0
20.2
21.9
30.5
20.8
35.3
43.8
49.1
20.2
35.1
35.1
47.5
1.0
2.3
2.4
3.7
1.0
1.9
2.6
3.3
1.0
2.0
1.8
3.1
Söhne
%
Odds
Ratio
5.9
14.7
11.4
21.6
24.7
38.6
43.0
52.2
15.8
21.7
29.1
19.8
1.0
2.5
1.8
3.9
1.0
1.8
2.1
3.1
1.0
1.5
2.2
1.3
39
Sucht, Gewalt und Familie –
Zusammenhänge,
Risiken,
Konsequenzen
(3) Konzepte zur Hilfe, Behandlung, Prävention
Ziele in der Arbeit mit Kindern
aus suchtbelasteten Familien
Frühintervention
Umfassender Kinderschutz
Problem- und Ressourcenidentifikation
Nachhaltigkeit
Gewaltprävention, Traumatisierungsverhinderung
Steigerung des Selbstwerts (Persönlichkeitsschutz)
Altersgerechte Psychoedukation
Förderung der psychischen Gesundheit
Basisbedürfnisse, die für Kinder
drogenabhängiger Eltern erfüllt sein müssen
(nach A. Baller, KDO, Amsterdam)
• Angemessenes Wohnen, inkl. Sauberkeit, Hygiene,
Heizung, Wasser- und Stromversorgung
• Ausreichende ausgewogene Ernährung
• Adäquate Kleidung
• Absicherung eines Mindestlebensunterhalts
• Sicherung regelmäßiger ärztlicher Versorgung
• Vorhandensein einer festen kontinuierlichen
Bezugsperson („responsible caregiver“)
Basisbedürfnisse, die für Kinder
drogenabhängiger Eltern erfüllt sein müssen II
• Gewährleistung der Aufsichtspflicht, Verhütung von
Unfällen und Verletzungen
• Gewaltfreie Erziehung
• Strukturierter verlässlicher Alltag, incl. geregeltem TagNacht-Rhythmus
• Gewährleistung einer ausreichenden pädagogischen
Förderung und Erziehung
• Teilnahme am sozialen Gleichaltrigenleben (peerGruppen)
Sucht, Gewalt und Familie –
Zusammenhänge, Risiken, Konsequenzen
(4) Das Behandlungsmodell TAVIM für
alkohol- und drogenabhängige,
gewalttätige Männer und Väter
44
Behandlungsphilosophie bei TAVIM
Die psychotherapeutische Behandlung
suchtkranker, gewaltaffiner Personen ist ein
relevanter Schutz der Angehörigen vor
Gewalt und Traumatisierung. Insofern sollte
jede Suchttherapie neben den Angeboten für
Traumatisierte auch entsprechende
Angebote für Gewalttäter umfassen. Dieses
macht weitergehende präventive
Bemühungen für betroffene Kinder und
Jugendliche nicht überflüssig.
45
Intrapsychische Motivlagen für
Gewaltverhalten bei alkohol- und
drogenabhängigen Männern
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Subjektives Gefühl der Provokation
Beherrschungs- und Dominanzmotive
Impulsivität bei Unterkontrolliertheit
Explosive Durchbrüche bei ansonsten
Überkontrolliertheit
Soziale „Fehlwahrnehmungen“
Störungen der Emotionsregulation
Vermeidung von Ohnmachtsgefühlen
Modelllerneffekte aus Herkunftsfamilie und
Peergruppen; Mangel an
Verhaltensalternativen
Einsatzbereich des Manuals TAVIM:
Hilfe für Männer mit
Gewalt- und Alkoholproblemen
TAVIM-TP unterstützt Ihre Klienten dabei,
– sich besser zu beobachten (“Forscher werden”).
– aggressives Verhalten unter Alkohol zu verstehen.
– konkrete Copingstrategien anzuwenden, um alkoholbezogene
häusliche Gewalt zu reduzieren (Rückfallprävention).
– Erlerntes in den Alltag zu übertragen.
TAVIM-TP besteht aus 10 Gruppensitzungen, 4 Einzelsitzungen und 2
Familiensitzungen (optional).
TAVIM = Treatment of Alcoholic Violent Men (Klein et al., 2010)
© Michael Klein, KatHO NRW, DISuP,
2014
47
Kognitiv-behaviorales Präventionsprogramm
für alkoholabhängige Gewalttäter
1. Motivationsklärung und –förderung
2. Psychoedukation: Ärger – Alkohol – Aggression
3. Selbststeuerungs- und Selbstmanagementtechniken
4. Umgang mit Stress und Erregung
5. Veränderung der Aggressionstrigger
6. Veränderung alkoholspezifischer Erwartungen
7. Hochrisikosituationen
8. Problemlösetraining
9. Umgang mit schlechten Stimmungen
10. Synthese und Evaluation des Programms
Wie ist das Manual aufgebaut?
© Michael Klein, KatHO NRW, DISuP,
2014
49
Erklärungsmodell für
alkoholbezogene häusliche
Gewalt
Bewertungen
Einstellungen
Ereignis/Trigger
Internal & External
Folge: Schaden
für sich und für andere
ALKOHOL
Verhalten
Aggression/Gewalt
© Michael Klein, KatHO NRW, DISuP,
2014
Gefühle
Erregung, Ärger
50
TAVIM-Programm (2. Gruppensitzung)
© Michael Klein, KatHO NRW, DISuP,
2014
51
TAVIM-Programm (3. Gruppensitzung)
© Michael Klein, KatHO NRW, DISuP,
2014
52
TAVIM-Programm (4. Gruppensitzung)
© Michael Klein, KatHO NRW, DISuP,
2014
53
Kognitiv-behaviorales Präventionsprogramm
für alkoholabhängige Gewalttäter
Hinweise für Angehörige:
1. Reden Sie klar und deutlich mit Ihrem Partner, aber
vermeiden Sie es, zu schreien oder zu schimpfen
2. Drohen Sie nicht, sondern handeln Sie!
3. Lassen Sie sich nicht provozieren
4. Sprechen Sie in Ich-Sätzen
5. Bieten Sie Ihrem Partner Alternativen zur Auswahl an
(z.B. Gespräch oder Rückzug)
6. Wenn Sie die Situation als bedrohlich empfinden,
holen Sie Hilfe (Nachbarn, Polizei) oder verlassen Sie die
Situation (den Raum, die Wohnung, das Haus).
Suchtspezifische Empathie
(für pädagogisch-therapeutische Fachkräfte)
(1) Zu wissen, was Kinder in suchtbelasteten Familien (mit hoher
Wahrscheinlichkeit) erlebt haben, ist die Basis für suchtspezifische
Empathie.
(2) Was in suchtbelasteten Familien passiert, ist nicht normal im Sinne
von Orthopädagogik, normgerechter Umwelt und
Entwicklungspsychologie (Salutogenese).
(3) (Suchtspezifische) Empathie ist die Basis für Beziehung
und konkrete Hilfen für die betroffenen Kinder.
(4) Kontinuierliche, akzeptierende, liebevolle Beziehung ist die Basis für
Vertrauen und Veränderung.
Hilfreiche Kompetenzen der
Fachkräfte
• Besondere Empathie für die
Lebenserfahrungen und Verhaltensweisen
von Kindern aus suchtbelasteten Familien
(„suchtspezifische Empathie“)
• Förderung von Motivation, Kompetenzen
und Resilienzen
• Umgang mit Ambivalenzen und
„Widerstand“
• Auflösung der bzw. Abkehr von nicht
evidenzgesicherten Mythen (z.B. bezüglich
Rückfall, „Co-Abhängigkeit“)
Sucht und Familie – Zusammenhänge,
Risiken,
Konsequenzen
(5) Handlungsstrategien und –maximen in
der Arbeit mit suchtbelasteten Familien.
Grundhaltungen, Veränderungsprozesse und
vorläufige Ergebnissicherung
Anforderungen an gelingende, effektive
Prävention
frühzeitig
nachhaltig
glaubwürdig
verhaltens- und verhältnisorientiert
informativ
evidenzbasiert
an ihrem eigenen Erfolg
orientiert
transgenerational, risikoorientiert
selektiv
„Keiner geht verloren“
inklusiv
Elemente in
Präventionsprogrammen
(1)Förderung des Selbstwerts und der
Selbstwirksamkeit
(2)Verbesserung der Emotionskontrolle
(3)Förderung der Resilienzen
(4)Ausbau und Verbesserung des Sozialen
Netzwerks
(5)Förderung der Elternkompetenzen und
der Eltern-Kind-Interaktion
(6)Verbesserung der Eltern-Kind-Bindung
Konsequenzen
Für Kinder in suchtbelasteten Familien sind Maßnahmen
notwendig, die …
(1) früh einsetzen (Frühintervention)
(2) das vorhandene Risiko adäquat wahrnehmen und
bearbeiten (selektive Prävention)
(3) mehrere Generationen überblicken (transgenerationale
Prävention)
(4) umfassend und dauerhaft sind (Case Management)
(5) die ganze Familie einschließen (Familienberatung
und/oder –therapie)
(6) die Motivation zu guter Elternschaft und Suchtbewältigung
verknüpfen (Motivational Interviewing)
(7) die Resilienzen fördern bzw. entwickeln
(Ressourcenorientierung)
(8) regional und lebensweltorientiert sind
(Verantwortungsgemeinschaft)
„Schlucken und schlagen“ – Behandlung
alkohol- und drogenabhängiger Männer und
Väter
Leitsätze:
Gewaltverhalten bei suchtkranken Männern und
Vätern …
1. … ist häufig und kein seltenes Phänomen.
2. … ist therapeutisch behandelbar.
3. … sollte im Rahmen einer (stationären od.
ambulanten) Suchttherapie behandelt werden.
4. … ist eine mögliche Rückfallfolge wie auch ein
möglicher Rückfallauslöser.
5. … Anlass für diagnostisches Routinescreening,
biographische Gewaltanamese und
komorbiditätsorientierte Kombi-Behandlung.
61
Relevante Internetadressen
www.addiction.de
www.disup.de
www.kidkit.de
www.nacoa.de
www.encare.info bzw. www.encare.de bzw. www.encare.at
Referent:
Prof. Dr. Michael Klein
Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen (KatHO NRW)
Deutsches Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP)
Wörthstraße 10
D-50668 Köln
Email: [email protected]
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