Diplomarbeit ENTWURF Universität für angewandte Kunst Wien Klasse Digitale Kunst Sommersemester 2016 Point of View Achim Stromberger 0509744 Inhaltsverzeichnis Abstract Scenario August Schmarsow Vermessung Kinect Tracking Räumliche Wahrnehmung August Schmarsow VR-Raum Prototypischer Raum Textur Geometrie Verzerrung Raum-System Technik Abstract Die interaktive VR Installation „Expanse“ eröffnet dem Betrachter durch eine VR Brille ein virtuelles, architektonisches Handlungsfeld in Form eines prototypischen Raumes. Die Bewegungen des Benutzers modulieren in Echtzeit den virtuellen Raum der seinerseits durch Eigenbewegung zum Akteur wird. In seinem passiven Zustand wird dieser durch Bewegung deformiert, im aktiven ändert er seine Form selbst. Im diesem Wechselspiel aus Aktion und Reaktion schreiben sich die Bewegungen beider Akteure in die Form des Raumes ein. Szenario Die räumliche Inszenierung besteht aus einem abgehängten Deckenelement, aus dessen Mitte die Datenkabel mitsamt der VR Brille führen. Die Proportionen der Fläche sind mit dem Grundriss des virtuellen Raumes ident, und dienen als Verweis auf die Simulation. Gleichzeitig markiert diese räumliche Ausdehnung den Trackingbereich, in welchem die BesucherInnen von den Sensoren optimal erkannt werden. Raum-System Der Raum ist ein intelligentes System, welches innerhalb eines Feedbackreagiert intelligent auf Input durch die BenutzerIn, im Sinne einer klassischen closed-circuit Installation. und verfügt über „Stimmungslagen“ welche bestimmen ob es sich dem User gegenüber aggressiv oder defensiv verhält. Es ist ein Feedback-Loop, in welchem abwechselnd BenutzerIn und Raum auf die vorangegangene Bewegung des Gegenübers reagieren, und dessen Verlauf sich in der Form des Raumes einschreibt. Diese Zustände sind in einem sehr groben Ablauf festgelegt und komponiert, innerhalb dieser Parameter jedoch reagiert das System jedoch direkt auf Input der BenutzerIn. August Schmarsow Im Gegensatz zu Vitruv in der klassischen Antike, der den Objektkörper und dessen Form als zentralen Punkt der Architektur ansah, oder Gottfried Semper, der den architektonischen Raum als den konstruktiven Abschluss (die Oberfläche) der Bauwerkes meinte [13], postulierte August Schmarsow in seinem Leipziger Vortrag von 1893 "das Wesen der architektonischen Schöpfung" eine „Ästhetik von Innen“. Das Wesen der Architektur sei nicht in ihrer Konstruktion und Materialität, sondern in ihrer Rezeption begründet. An die Stelle eines fixen Raumprinzips tritt der Rezipient der Architektur, welcher den Raum durch den Moment der Wahrnehmung herstellt. „Der Rhythmus in der Architektur gründet nach Schmarsow ursächlich in den Bewegungen des Menschen.“ [1] Das betrachtende Subjekt selbst trägt die Dimensionen der Architektur (Höhe, Seite, Tiefe) in sich, Schmarsow sieht in den Richtungsachsen des Gebäudes ein „Korrelat“ des Menschen. Die Wahrnehmung des architektonischen Raumes erfolgt durch vom Menschen gerichtete Bewegung und macht den Raum zu einer subjektiven körperlichen Erfahrung. [1] Ulrich Müller (2004). Raum, Bewegung und Zeit im Werk von Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe, Berlin 2004, S. 26. Der Körper ist kein Gegenstand, sondern die Bedingung für alle Erfahrungen im Raum. Er ist das Koordinatenzentrum in der Welt, welches alle räumlichen Dimensionen miteinander verbindet. Ausgehend vom Körper, und durch Kontrast zur Umwelt wird es erst möglich Raum zu vermessen und zu erfahren. Der Körper in seinen plastischen Dimensionen wird „zum imaginären Gravitationszentrum. Von hier aus werden Räume ausgemessen und besetzt, in denen Sinne und Einbildungskraft Anhaltspunkte finden können.“ [2] [2] Michael Diers (2005). Einführung – Topos RAUM. In: Akademie der Künste (Hrsg.): Topos RAUM. Die Aktualität des Raums in den Künsten der Gegenwart. Nürnberg: Verlag für moderne Kunst Nürnberg, S. 10) Vermessung Viele der ältesten bekannten Maßeinheiten leiten sich von Körperteilen oder der natürlichen Umgebung ab, da der Mensch seine Umwelt nur in Relation zu sich selbst begreifen kann. Elle und Fuß wurden lange bis in das 18. Jahrhundert als Längenmaße verwendet, bis Industrialisierung und eine langsam aufkommende Globalisierung nach standardisierten Maßeinheiten verlangten. Beispielhaft für die wirtschaftliche und technologische Entwicklung baute die Definition des Urmeters bereits auf der orbitalen Betrachtung der Erde auf, und wurde als 10-millionster Teil eines Erd-Meridians definiert. 1875 unterzeichneten 18 Staaten die internationale Meterkonvention, welche bis zum heutigen Zeitpunkt alle Länder, bis auf Liberia, Myanmar und die USA, verwenden. Derzeit wird das Metermaß als Zeitspanne definiert, in der Licht im Vakuum eine bestimmte Stecke zurücklegt. Der menschliche Körper war als Maßstab für die Vermessung obsolet geworden, und wurde im Licht der neu entwickelten Technologien selbst verstärkt zum Objekt der technologischen Beobachtung. Die Bewegungsstudien von Muybridge und Gilbreth im 18. Jahrhundert analysierten körperliche Bewegungsabläufe, letzterer überführte seine Beobachtungen in dreidimensionale Drahtgittermodelle, mit dem Ziel die Leistung von Arbeitern am Fließband zu steigern. Im postmodernen Computerzeitalter generieren freiwillig zugänglich gemachte Kundendaten Zielgruppenprofile um Werbung sowie Produkte optimal an diese anzupassen. Je weiter sich die wissenschaftlichen Quantifizierungsgrundlagen vom Menschen entfernen, desto näher rücken die Messmethoden wieder an den Körper heran. „Das physikalisch Unendliche interessiert und im Zeitalter der orbitalen und nuklearen Beschleunigung […]. Je tiefer wir in den Mikrokosmos […] eindringen, desto weiter erforschen wir auch den kosmologischen Makrokosmus des Universums.“ [3] [3] Peter Weibel (2003). Die Beschleunigung der Bilder. Bentelli Verlag, S. 53 Tracking Der Kinect Sensor schien als die technisch logische Schlussfolgerung. Er liefert unter Verwendung von Infrarotlicht Impulsen und einer Kamera ein dreidimensionales Tiefenbild, und ist in der Lage die körperliche Ausrichtung von Personen zu erkennen. Durch die Verwendung eines Kamerabildes steht er in der historischen Tradition der visuellen Beobachtung von Bewegungsstudien, ist jedoch auf Grund seiner Fähigkeit zur räumlichen Echtzeit-Ortung eine sehr körpernahe Messmethode. David Rockeby – Very Nervous System 1986 – 1990 Rockeby verwendet den interagierenden, menschlichen Körper ebenfalls als zentrales gestalterisches Element innerhalb seine Installation. VNS ist ein kybernetisches System welches Musik ausgibt und durch Inputs, in Form von Körperbewegungen der BenutzerIn, innerhalb eines Feedback-Loops moduliert wird. Radikaler Konstruktivismus Diese radikale Strömung des Konstruktivismus postuliert, dass es keine objektive Wirklichkeit gibt. Wahrnehmung ist nicht Abbildung einer ontologischen Wirklichkeit, sondern eine kognitive Konstruktion der BetrachterIn. Sie erfolgt weder wertfrei noch objektiv, sondern beruht auf den individuellen Erfahrungen des beobachtenden Subjekts. Zudem kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen BeobachterIn und Beobachtetem, wodurch eine Trennung von beobachtendem Subjekt und beobachtetem Objekt unmöglich wird. In der Wissenschaft kann anhand der Kybernetik eine ähnliche Denkrichtung verfolgt werden. Als Systemtheorie zur Erklärung von Regelungsproblemen innerhalb komplexer Systeme entwickelt, wird hier ebenfalls der Betrachter als Teil des betrachteten Systems miteinbezogen. Im Vordergrund steht die Wechselwirkung, oder das „Feedback“, von unterschiedlichen Systemteilen zueinander. Räumliche Wahrnehmung Das menschliche Auge bedient sich mehrerer Strategien um Raum wahrzunehmen. Die Parallaxe, der Blick zweier Augen aus leicht unterschiedlichen Perspektiven auf dasselbe Objekt, ist hierbei der dominanteste und stellt die Grundfunktion der VR Brille Oculus Rift dar, welche in der Installation Verwendung findet. Zudem existiert es eine Vielzahl von soziologisch erlernten Methoden, mit deren Hilfe das Gehirn räumliches Empfinden anreichert. Hierzu zählen Beispielsweise das Unterscheiden von Texturfrequenz auf Entfernung, das Lesen einer räumlichen Situation ausgehend von der Verschiebung der Linearperspektive, oder Rückschlüsse vom Schattenwurf auf das Volumen eines Objektes. Rebecca Horn – Finger Gloves 1972 Mit Hilfe der Prothesen verlängert Horn ihre Hände und bewegt sich tastend durch den Raum. Die Arbeit untersucht die veränderte sensorische Raumwahrnehmung. VR Raum Die Abwesenheit des eigenen Körpers innerhalb der Simulation bricht mit den soziologisch erlernten Raumwahrnehmungsstrategien der Rezipienten. Während eine optisch wahrnehmbare „Präsenz“ im Raum erlebt wird verzerrt die Körperlosigkeit die eigene Relation zum Raum. Aus diesem Grund verwendet die Installation Motion-Tracking als sensorischen Input, um die Körperlichkeit der BenutzerInnen in die Simulation zu integrieren. Jeffrey Shaw - Legible City 1988 Losgelöst von klassischen Computer-Interfaces inszeniert Shaw aus Textelementen eine virtuelle Stadt, durch die sich die BenutzerInnen mithilfe eines Fahrrades bewegen, und abhängig von der Weg-Wahl unterschiedlichen Erzählsträngen befahren können. Prototypischer Raum Der virtuelle Handlungsraum der Installation sollte ursprünglich die abstrakte Grundidee eines architektonischen Raumes verkörpern, wurde jedoch im Zuge von Usability Tests um zusätzliche Elemente erweitert. Zu grundlegenden Eigenschaften wie Boden, Decke und Wänden, wurden soziologisch erlernte Objekte wie Tür, Fenster, sowie einige Einrichtungsgegenstände hinzugefügt, um den Rezipienten ein besseres Verständnis für die Verschiebung von Skalierungen innerhalb der Installation zu vermitteln. Textur Für die gesamte Oberflächentextur kam nach mehreren Gestaltungsiterationen ein generiertes Rauschen zur Verwendung, welches die Plastizität und Tiefenwirkung des räumlichen Empfindungsvermögens verstärkt, ohne dabei konkreten Inhalt zu liefern. Geometrie Die Geometrie des Raumes und der Einrichtungsgegenstände ist bewusst optisch sehr klar gehalten. Im Anfangsstadium des Projekts kamen unter Verwendung von photogrammetrischer Rekonstruktion sehr plastische und stark detaillierte Raummodelle zum Einsatz. Diese wichen im Entwicklungsprozess einer sehr reduzierten Geometrie, deren klar ersichtliche Linien die grundlegenden Mechaniken und Funktionsweisen der Installation optisch unterstützen. Verzerrung Das Verzerrungsmodell ist ebenfalls bewusst linear angelegt, um im Zusammenspiel mit dem polygonarmen Modell das Empfinden der perspektivischen Parallaxenverschiebung zu verstärken. Es handelt sich hierbei um eine Free-Form-Deformierung (FFD), dessen acht Eckpunkte mittels Live-Tracking Daten der Kinect angesteuert werden. Das System weist im Laufe der Performance den Körperteilen unterschiedliche FFD-Punkte zu, und ändert teilweise auch deren dimensionale Ausrichtung. Technik Die Körperbewegungen der BesucherIn werden mittels Kinect Sensor in VVVV, einer Realtime Programmierumgebung analysiert. Die Berechnungen der künstlichen Intelligenz, der Geometrie, Licht und Ton erfolgen ebenfalls in V4 und werden an die Realtime 3D Engine Unity übergeben, über welche die Ausgabe des stereoskopen 3D Bildes sowie die Berechnung eines binauralen 3D Tons erfolgt.