KLIMA : WANDEL – STRATEGIE : ANPASSUNG Vom Umgang mit dem Unvermeidbaren 19. November 2007 – Zusammenfassung der Veranstaltung Der Klimawandel ist Realität – wie aber gehen wir damit um und was erfordert das an Anpassungsmaßnahmen? Diese Frage rückt zunehmend ins Blickfeld von Politik und Gesellschaft, auch die Europäische Kommission hat im Juni 2007 ihr Grünbuch „Anpassung an den Klimawandel“ vorgelegt. Das EU-Umweltbüro widmete diesem Aspekt am 19.11.2007 einen ganzen Nachmittag: In den neu gestalteten Räumen des Albert Schweitzer Hauses wurden ExpertInnenvorträge, ein Dialog mit Betroffenen sowie eine Podiumsdiskussion mit EntscheidungsträgerInnen und InteressensvertreterInnen geboten. Durch den Nachmittag führte Johanna Ruzicka, Wirtschaftsredakteurin bei Der Standard. Kooperationspartner war die Initiative Risko:dialog, die von Umweltbundesamt und Radio Österreich 1 getragen wird. In Kooperation mit WANDEL : ANPASSUNG Maier Gudmundsson Als erste Betroffene kam Ilse Maier, Bio-Weinbäuerin am Geyerhof im Weinbaugebiet Kremstal zu Wort. Sie erlebt, dass die (Wetter-)Extreme wie Hitze, Trockenheit oder Starkregen zunehmen. Zusätzlich ist mit neuen Schädlingen wie etwa Zikaden zu rechnen. Wenn neue Weinsetzlinge gesetzt werden, ist das eine Investition für 40 Jahre. Es ist daher eine sehr schwierige Entscheidung, für die es auch nicht genug Informationen gibt. Ilse Maier selbst wird sich aber eher nicht für einen Umstieg von Weiß- auf Rotwein entscheiden – zumindest nicht aus Klimagründen. Insgesamt sind biologische Kronberger-Kießwetter DIALOG : BETROFFENE Steininger Barbara Kronberger-Kießwetter vom Lebensministerium erläuterte, was in punkto Anpassung auf EU-Ebene und in Österreich konkret geplant ist. Im EU-Grünbuch werden Bereiche identifiziert, in denen jetzt schon gehandelt werden kann, zB die Gemeinsame Agrarpolitik oder die Fördertöpfe - aber auch neue Handlungsfelder wie Raumordnung werden genannt. Weitere Themen sind Außenpolitik / Klimagerechtigkeit, mehr Forschung und ein strukturierter Stakeholder-Dialog. In Österreich arbeitet das Lebensministerium an einer nationalen Anpassungsstrategie bis 2020/2030. Betroffene Bereiche werden identifiziert und der Ist-Zustand erhoben. Die Strategie soll neben mehr Informationen zu Auswirkungen des Klimawandels auch konkrete Ziele und Zeitpläne für Maßnahmen enthalten - jedoch nur als Orientierungsrahmen. Im März 2008 ist ein weiterer Workshop dazu im Ministerium geplant; das Thema wird auch beim nächsten österreichischen Klimagipfel im April 2008 einfließen. Mayer Karl Steininger vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz führte dann wesentliche wirtschaftliche Aspekte von Klimaschutz- und Anpassungspolitik vor Augen. Als Beispiele für mögliche wirtschaftliche Folgen ging Steininger auf Heiz- und Kühlbedarf, Tourismus und den Verkehrssektor ein. So etwa werden die Tage, an denen geheizt werden muss, sinken, die, an denen gekühlt werden muss, dagegen steigen. Wie sich eine Gesellschaft an den Klimawandel anpassen muss und kann, hängt jedoch nicht nur von den „physikalischen“ Auswirkungen des Klimas ab, sondern auch vom sozialen Gefüge (Institutionen, soziale Gleichheit/Sozialpolitik, Technologie, Informationen, ...). So etwa ist die Vulnerabilität auch eine Funktion der Qualität der Sozialpolitik, sie ist höher, wenn es in einer Gesellschaft mehr „Schwache“ gibt. Insgesamt wird sich die Wirtschaft nach Ansicht Steiningers als Folge des Klimawandels wieder mehr auf die Erfüllung von (Grund-)Bedürfnissen konzentrieren (müssen): Behausung, Nahrung und Zugang (Mobilität). Ruzicka Der Nachmittag begann mit Einführungsvorträgen von ExpertInnen zu den Grundlagen: Auswirkungen des Klimawandels auf Umwelt und Biodiversität in Österreich, wirtschaftliche Aspekte und politische Strategien der EU und Österreichs. Sabine Mayer vom Umweltbundesamt stellt die zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels auf Umwelt und Ökosysteme in Österreich im Überblick vor, Ausgangspunkt war der erst kürzlich vorgelegte Endbericht des UN-Klimarates IPCC. Österreich ist vom Klimawandel durch die Lage im Alpenraum besonders betroffen, aber auch die niederschlagsarmen Gebiete im Osten sind sehr verwundbar (vulnerabel). Probleme sind zB: durch Geltscherschwund rutschen ganze Hänge ab, Gesundheitsschädlinge wandern ein, weniger mobile, spezialisierte kleinräumige Arten sterben aus und mobile Arten (Neophyta) rücken vor. Die Artengarnituren werden aber nicht einfach ausgetauscht, es gehen auch wichtige Ökosystemleistungen verloren (zB Moore als CO2-Senken, Schutzfunktion von Bergwäldern, ...). Liebel Stockinger Harald Pitters von der Karmasin Marktforschung ist ua auch Projektleiter für die Eurobarometer-Umfragen in Österreich. Er berichtete, dass die sonst so EU-skeptischen ÖsterreicherInnen beim Klimaschutz für Maßnahen auf europäischer Ebene plädieren. Dass Österreich bei den Kyoto-Zielen säumig ist, ist generell bekannt, 80 % finden, dass zu wenig getan wird. Akzeptanz bei der Bevölkerung finden insbesondere freiwillige Maßnahmen, sobald es um Sanktionen geht, sind die Befragten eher dagegen. Die Bereitschaft zur Verhaltensänderung ist in der Bevölkerung interessanterweise sehr homogen verteilt: es gibt kaum kaum siginifikante Unterschiede bei sozialen Gruppen (Alter, Geschlecht, Region). Am ehesten ist zwischen den sozialen Schichten ein Unterschied auszumachen, wenn es um teure Angebote zum persönlichen Klimaschutz geht. Ob sich die Aussagen dann tatsächlich im persönlichen Verhalten niederschlagen, ist aber alles andere als sicher – Antworten gemäß sozialer Erwünschtheit sind ein allgemeines Problem der Meinungsforschung. Herrmann Eleonore Gudmundsson Unternehmenssprecherin der Österreich Werbung betonte, dass die Tourismusbranche in Österreich sich des Problems Klimawandel sehr bewusst ist. Insbesondere der Wintertourismus ist betroffen, „der Wintergast erwartet Schnee“. Derzeit sind bereits 59 % aller Anlagen in Österreich beschneibar, hier wird auch weiter ausgebaut werden. Gleichzeitig muss aber die Landschaft geschützt werden, denn 80 % der Gäste kommen gerade wegen der Landschaft. Im Sommertourismus ist der Tenor optimistischer. Bei steigenden Temperaturen im Süden und immer älteren TouristInnen könnten sich die Alpen als „Rückzugsrefugium“ etablieren. Auch die Badesaison und die Schanigarten-Saison werden sich verlängern. Gefragt nach Chancen im Bereich des nachhaltigen Tourismus (CO 2-armer Urlaub, autofreie Mobilität) verwies Gudmundsson auf das bekannte Beispiel Werfenweng (Modellgemeine für „Sanfte Mobilität - Autofreier Tourismus“). Großen Enthusiasmus der Tourismusindustrie für diesen Bereich war ihren Worten aber nicht zu entnehmen. Pitters Weingärten widerstandsfähiger als konventionelle, aber „abkapseln“ können auch sie sich nicht. Mit zusätzlichen Kosten zB für Bewässerung, Wind- und Sonnenschutz oder Hagelschäden ist in Zukunft auf jeden Fall zu rechnen, so Maier. ANPASSUNG : ANFORDERUNGEN AN DIE POLITIK In der abschließenden Podiumsdiskussion formulierten VertreterInnen von Forschung, Wirtschaft und Umweltorganisationen ihre Forderungen an die Politik. Silva Herrmann, Klimareferentin von GLOBAL 2000, forderte ein Klima-Mainstreaming – Fragen von Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sollten also in alle Entscheidungen einbezogen werden. Auch in Bezug auf Anpassung sollte die Politik sich fragen, ob manche Investitionen überhaupt noch getätigt werden sollen, wenn dann in zehn Jahren bereits eine Anpassung nötig sein wird. Aber zum Glück seien viele Klimaschutzmaßnahmen ja auch Anpassungsmaßnahmen. Biolandbau zB trägt zum Klimaschutz bei, gleichzeitig sind biologisch bewirtschaftete Kulturen eher in der Lage, geänderte Bedingungen abzupuffern. Der Biolandbau sollte also jedenfalls forciert werden. Zweites wichtiges Thema Herrmanns war die Klimagerechtigkeit. Vom Klimawandel sind oft jene Weltregionen besonders betroffen, die am wenigsten daran schuld sind und am wenigsten Mittel haben. Österreich hat hier – wie andere Industriestaaten – eine historische Verantwortung. Der UN-Adaption Fund muss daher dringend „aufgefettet“ werden! Günter Liebel, Sektionsschef im Lebensministerium, bestätigte den Grundtenor der Veranstaltung: Die Reduktion von Treibhausgasemissionen bleibt oberste Priorität. Aber auch wenn es ab jetzt Null Emissionen gäbe, hätten wir bereits einen Effekt. Und die Auswirkungen können durchaus unerwartet sein: Wenn zB kleine Bäche austrocknen, können keine Abwässer mehr eingeleitet werden – der Klimawandel hat damit Auswirkungen auf Produktionsstandorte! Liebel hob die österreichische Klimastrategie hervor, die 152 ganz konkrete Maßnahmen enthält. Demnach wissen wir, was wir tun sollen und wir wissen, wer es tun soll - und dort liegt auch oft das Problem. Die Industrie leistet ihren Beitrag im Emissionshandelssystem, die Maßnahmen im Verkehrsbereich fallen in die Verantwortung des Verkehrsministers, der Hausbrand in die Kompetenz der Bundesländer. Weiters verwies Liebel auf die Energieeffizienz als zentralen Hebel. Karl Steininger vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel betonte mehrfach den Forschungsbedarf, der in Österreich gedeckt werden muss. Für lokale Maßnahmen sind globale Temperaturdurchschnitte keine Handlungsgrundlage. Und wir wissen sehr wenig darüber, wie soziale und ökologische Systeme in Österreich auf den Klimawandel reagieren werden. Andrea Stockinger, Geschäftsführerin des Dachverbandes Energie-Klima in der Wirtschaftskammer betonte, dass Investitionsentscheidungen – zB für Erneuerbare – an politischen Signalen orientiert werden. Die Risikobereitschaft der Ökoenergie-Branche sollte man daher auch in der Politik wiederfinden können. Damit es möglich ist, den gesamten Zuwachs beim Strombedarf mit Strom aus Erneuerbaren zu decken, sind laut Stockinger 50 Mio Euro nötig. Das muss die Politik wollen, „wir können uns nicht ein bisschen entscheiden“. Die anschließende Publikumsdiskussion drehte sich überwiegend um Fragen der Verhinderung des Klimawandels – offensichtlich (noch) das besser verankerte Thema. Zweites wichtiges Anliegen der TeilnehmerInnen war die Klimagerechtigkeit: Über alle Fragen der Anpassung in Österreich hinaus dürfen auch die globale Verantwortung und die Entwicklungschancen für arme Länder nicht vergessen werden. EU-Umweltbüro/CG Dokumente zur Veranstaltung sind zu finden unter www.umweltdachverband.at/eu-umweltbuero/ (Termine) Die Veranstaltung wurde freundlicherweise unterstützt durch das