Auferstehung - CVJM Denkendorf

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Mitarbeiterhilfe
1.2010
Auferstehung
„Ich lebe und ihr sollt auch leben!“ >>>
Leben, das den Tod besiegt >>>
Ein Tag im Licht der Auferstehung >>>
Auferstehung der Toten – Hoffnung voller Attraktivität! >>>
Ostern – die Welt mit anderen Augen sehen >>>
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Mitarbeiterhilfe
Inhalt
1
Brief der Schriftleiterin
>>> biblisch
2
Dr. Hanna Stettler
Der Tod hat nicht das letzte Wort!
Die Auferstehungsfrage im Alten Bund
6
Dr. Jens Adam
„Ich lebe und ihr sollt auch leben!“
Johannes 14,19
12
Holger Noack
„Worauf ihr euch verlassen könnt!”
1.Korinther 15
>>> grundsätzlich
19
Pfr. Dr. Heinzpeter Hempelmann M. A.
„Zum Beweis dessen hat er ihn auferweckt!“
25
Dr. Christoph Raedel
Leben, das den Tod besiegt
>>> informativ
30
Manfred Bletgen
Ein Tag im Licht der Auferstehung
34
Prof. Dr. Werner Thiede
Auferstehung der Toten – Hoffnung voller Attraktivität!
38
Wolfgang Brinkel
Wenn Christus nicht auferstanden wäre
>>> praktisch – seelsorgerlich
40
Holger Noack
Ostern – die Welt mit anderen Augen sehen
44
Alma Ulmer
Ikone – eine Bildbetrachtung
>>> Literatur
48
Luise Theill
Kreuzweg Stationen
Vo r w o r t
>>> Liebe Mitarbeiterinnen
geht es Ihnen auch so wie mir?
„Auferstehung“ – ein „schweres“ Thema!
Vor dem Vorwort habe ich mich gedrückt – es
vor mir hergeschoben. Dann noch einmal alle
Manuskripte zur Hand genommen und in einem
Zuge gelesen. Und: Ich bin zutiefst bewegt!
Mehr noch: angesprochen, aufgerüttelt und
ermutigt, das neue Jahr mit diesem auferstandnen Herren zu leben. Sozusagen die „Folie –
Auferstehung“ auf das ganze Leben, auf alles,
was ich erlebe, sehe, mitbekomme in meinem
persönlichen Umfeld und in der Welt, zu legen.
Ich könnte auch sagen: Was Sie schon immer
über die Auferstehung wissen, fragen wollten
– hier finden sie es. Aber das wäre fast zu billig.
Nein, mit dieser Ausgabe werden Sie, so sagt
es ein Autor, auf eine „Theologische Zeitreise“
mitgenommen: Von der Auferstehungsfrage im
alten Bund, über neutestamentliche Stimmen
zur Auferstehung, über wissenschaftliche Fragen
bis hin zu Menschen „wie Du und ich“ – die
alle ihre Mühen mit dem Thema hatten.
Auf diesem Weg gewinnt der christliche Glaube
wieder Boden unter die Füße: Zum DennochGlauben, zum „gegen-alle-Vernunft“-Glauben,
zum „Durch-Glauben“ in aller Aussichtslosigkeit!
Denn nicht der Tod hat das letzte Wort – lesen
Sie einmal, wie anschaulich die Ostkirche diesen Gedanken in ihre Liturgie aufgenommen
hat! Im Glauben an die Auferstehung Jesu
von den Toten habe ich die Hoffnung, dass
nichts so bleiben muss, wie es ist, denn wir
warten auf Erneuerung, auf einen neuen
Himmel und eine neue Erde!
In diesem Glauben darf ich bitten:
Gott, gib uns die Kraft zum Aufstehen,
gegen Unterdrückung – für die Freiheit,
gegen Ausgrenzung – für das Verstehen,
gegen Unrecht – für das Recht,
gegen Gleichgültigkeit – für die Liebe,
gegen Wegschauen – für das Eintreten,
gegen Armut – für die Fülle,
gegen Angst – für das Vertrauen,
gegen Tod – für das Leben.
Jesus lebt!
In herzlicher Verbundenheit grüße ich Sie auch
im Namen des Redaktionsteams
Ihre
Gudrun Meißner
Schriftleiterin
>>>>>>>
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
und liebe Mitarbeiter,
1
biblisch
Der Tod hat nicht das
letzte Wort!
Die Auferstehungsfrage im Alten Bund1
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
1. Einleitung
2
Leser/innen, die vom NT her kommen, wird es
vielleicht wundern, dass das AT nur ganz selten
ausdrücklich von Auferstehung redet. Was für
uns nach der Auferstehung Jesu wie selbstverständlich zu unserem Glauben gehört, musste
Gott seinem Volk im Alten Bund erst Schritt für
Schritt offenbaren.
1 Vgl. zum Ganzen: H. Gese, Der Tod im Alten Testament,
in: ders., Zur biblischen Theologie, 2. Aufl., Tübingen 1983,
31–54.
>>>>>>
2. Das zugrunde liegende Verständnis
des Todes
Wer stirbt, kehrt nach antiker Vorstellung
zurück zur Unterwelt, woher er gekommen ist.
Hiob 1,21: „Nackt kam ich aus dem Schoß der
Mutter, nackt geh ich wieder dorthin zurück.“
Da – anders als im modernen Bewusstsein –
nicht das Individuum im Mittelpunkt stand,
sondern die Sippe, also das Individuum ganz
eingebettet war in das Kollektivum der Großfamilie, wurde auch das Problem des Todes
biblisch
anders empfunden als bei uns heute. Die Verbundenheit des Individuums mit der Sippe
blieb über den Tod hinaus bestehen. Deshalb
ist die Hoffnung der Frommen zunächst, so
wie beispielsweise Abraham „alt und lebenssatt“ sterben zu dürfen und „im Grab seiner
Väter“, also dem Familiengrab, beigesetzt zu
werden (1.Mose 25,8; vgl. 1.Mose 35,29 u. ö.).
Schlimmer als der Tod ist es, durch die Bestattung in einem fremden Land im Tod von der
Sippe getrennt zu werden (vgl. z. B. Amos 7,17).
Dennoch kennt und bedenkt das AT durchaus
auch das Problem des individuellen Todes: so
z. B. in 1.Mose 3,22 und 24, wonach Gott den
Menschen vom Lebensbaum ausschließt, was
als Folge der vorangehenden Schuld verstanden
wird. Der Mensch lebt in einer zwiespältigen
Situation: Durch das Bewusstsein hat er Anteil
an der Welt Gottes, aber er ist doch sterblich.
Zunächst galt der Tod als das Ende nicht
nur des natürlichen Lebens, sondern auch der
Beziehung zu Gott. Denn: „Wenn ich tot bin,
kann ich dich nicht mehr preisen. Dort unten
bei den Toten dankt dir niemand“ (Psalm 6,6).
Und: „Kann einer dir noch danken, wenn er
zu Staub zerfallen ist“ (Psalm 30,10)? Gottes
Offenbarung geschieht in der Beziehung zu seinem Volk, im Raum menschlichen Lebens und
Bewusstseins. Sie kann deshalb den bewusstlosen Zustand des Todes nicht unmittelbar
umschließen. Zwar gehören auch die Toten
selbstverständlich Jahwe – denn es gibt ja außer
ihm keinen Gott, aber sie stehen in keiner
Verbindung mehr zu ihm. Jahwe ist kein Gott
der Toten, denn wo er ist, ist Leben. Damit geht
die „Desakralisierung der Todessphäre“ einher,
d. h. die Unmöglichkeit und das strikte Verbot
jeglichen Totenkultes. Das schließt Trauerzeremonien vor und bei der Bestattung nicht aus;
wie man an Jer 16,5–7 sehen kann, wird die
Unterlassung der üblichen Trauerriten sogar
als sehr schlimm empfunden. Aber es kann und
darf neben der das ganze Sein beanspruchen-
den Offenbarung Jahwes keinen Totenkult geben.
Für den Einzelnen gibt es in der frühen Zeit kein
Heil im Tod, sondern nur die Errettung aus dem
Tod, um die der Schwerkranke, der sich bereits
vom Tod umfangen sieht, z. B. in den Psalmen
betet. Von der Erfahrung solcher Errettung durch
die Genesung von schwerer Krankheit zeugt
1.Sam 2,6: „Der Herr tötet und macht lebendig,
er verbannt in die Totenwelt und er ruft aus dem
Tod ins Leben zurück“ (vgl. auch 5.Mose 32,39).
>>>
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
3. Die Errettung aus dem Tod
3
biblisch
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
4
4. Das „ewige Leben“
5. Die Auferstehung
Dadurch, dass es im Tod keine Beziehung zu
Jahwe geben konnte, ergab sich ein entscheidender Offenbarungsschritt: Israel erkannte, dass
es einen Bereich gibt, der unabhängig von unserer leiblichen Existenz ist, den Bereich der Transzendenz, der über die leibliche Existenz hinaus
fortbestehenden Verbindung mit Gott. So keimt
allmählich die Hoffnung auf, dass die Beziehung
zu Gott auch im Tode nicht enden wird, dass er
vielmehr die Frommen in Herrlichkeit aufnehmen wird (Psalm 73,23 ff.). „… Du holst mich
am Ende in deine Herrlichkeit … Auch wenn ich
Leib und Leben verliere, du, Gott hältst mich“
(Psalm 73,24.26)! Etwa zur selben Zeit begegnen
wir bei Hiob der Hoffnung auf einen Erlöser, der
auch dann noch für ihn da ist, wenn seine leibliche Existenz vergangen ist: „Ich weiß, dass mein
Erlöser lebt …, ja ich selbst werde ihn für mich
schauen, meine eigenen Augen sehen ihn, nicht
ein Fremder, mögen auch meine Nieren in meinem Innern geschwunden sein“ (Hiob 19,25–27).2
Hier ist es zu der Erkenntnis gekommen, „dass
dem persönlichen Gottesverhältnis eine die
physische Existenz übersteigende Transzendenz
entspricht“.3 Das kommt auch in Psalm 49,16
zum Ausdruck, wo wie in Psalm 73 wörtlich von
der „Entrückung“ aus dem Hades, der Totenwelt,
durch Gott die Rede ist, wie schon Elia am Ende
seines Lebens nicht starb, sondern zu Gott
„entrückt“ wurde. Ps 16,8–10 zeugt von der
Gewissheit, dass die Gemeinschaft mit Gott
nicht an der Grenze des irdischen Lebens endet.
In Vers 10 heißt es: „Du, Herr, wirst mich nicht
der Totenwelt preisgeben! Du wirst nicht zulassen, dass ich für immer im Grab ende; denn ich
halte in Treue zu dir!“
Doch bleibt das AT nicht bei dieser individuellen Hoffnung auf ein Leben jenseits des Todes
stehen. Seine universale Sicht umfasst nicht
nur den Einzelnen, sondern die ganze Welt.
Sie gipfelt in der Erwartung eines neuen
Himmels und einer neuen Erde, des Lebens
im Reich Gottes und der neuen Schöpfung
von Gott.
Im 8. Jahrhundert finden wir einen Text,
der eine Wiederbelebung der Israeliten andeutet, nämlich Hosea 6,2 – ein Text, der für
die Beschreibung der Auferstehung Jesu „am
dritten Tag“ im Neuen Testament eine wichtige
Rolle spielen sollte (vgl. Mt 16,21; Lk 9,22;
24,46; Joh 5,21; Apg 10,40; 1.Kor 15,4). Dort
heißt es: „Nach zwei Tagen gibt er uns das
Leben zurück, am dritten Tag richtet er uns
wieder auf, und wir leben vor seinem Angesicht.“
2 Übersetzung aus H. Gese, Der Tod 44.
3 H. Gese, Der Tod 44.
4 Vgl. J. Heidler, Artikel Auferstehung in: Calwer
Bibellexikon Bd. 1, Stuttgart 2003, 135-137, 135.
5 Vgl. H. Gese, Der Tod 50.
biblisch
also das Tun der Menschen bei der Auferstehung bewertet und belohnt bzw. bestraft wird,
geschieht endlich der in diesem Leben so oft
schmerzlich vermisste Ausgleich zwischen Tun
und Ergehen. Diese Erwartung liegt beispielsweise
dem Gleichnis vom Reichen Mann und dem
armen Lazarus in Lukas 16,19–31 zugrunde,
wo Jesus Abraham zu dem Reichen sagen lässt:
„Mein Sohn, denk daran, dass du schon zu
Lebzeiten das dir zugemessene Glück erhalten
hast, Lazarus aber nur Unglück. Dafür kann er
sich nun hier freuen, während du Qualen leidest“
(Vers 25).
Im Frühjudentum zur Zeit Jesu hatten wohl die
meisten Juden irgendeine Form von Auferstehungshoffnung. Insbesondere haben die Pharisäer
die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten
hochgehalten, während die Sadduzäer sie ablehnten (vgl. Mk 12,18), weil sie nur die Tora
als verbindliche heilige Schrift anerkannten,
und sie dort nicht vorkam. Das frühjüdische
Achtzehnbittengebet preist Gott als den, „der
die Toten lebendig macht“.
• Dr. Hanna Stettler
45 Jahre, verheiratet, drei Kinder, Studium
der Theologie in München, Tübingen,
Aberdeen und Erlangen; Promotion und
Habilitation im Neuen Testament in
Tübingen. Teilt gegenwärtig mit ihrem
Mann eine Pfarrstelle in der Schaffhauser
Landeskirche und ist Privatdozentin für NT
in Tübingen
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Es geht hier vom Zusammenhang her zunächst
um die Errettung von Israels Nordreich aus
Gottes Gericht, doch war der Text offen für die
Interpretation auf ein neues Leben der Gerechten
nach dem Tod und wurde nach dem Untergang
des Nordreichs im Jahr 722 v. Chr. so gelesen.
Auch in Ezechiels Vision von dem „Feld voller
Totengebeine“, die durch Gottes Atem wieder
lebendig werden (Hes 37), geht es zunächst
um die Wiederherstellung Israels im eigenen
Land, doch keimt hier bereits die Hoffnung auf
Gottes neuschaffende Auferstehungskraft auf.4
Hier, in dieser Vision der Neuschöpfung werden
zwei Auffassungen derselben von vornherein
ausgeschlossen, nämlich das Missverständnis,
es handle sich dabei nur um eine Reparatur an
der alten Schöpfung und das gegenteilige Missverständnis, als handle es sich dabei um eine
völlig andere, von der ersten unabhängige
Schöpfung.5 Es geht dabei um eine die alte
in sich aufnehmende Neuschöpfung aus den
Toten. Jes 25,8 blickt gar auf die gänzliche
Überwindung des Todes aus: „Den Tod wird
er für immer vernichten.“ Nun, am Ende des
4. Jahrhunderts, leuchtet hell die Gewissheit
auf, dass der Tod nicht das letzte Wort über
die Menschen hat. So heißt es in Jes 26,19:
„Deine Toten werden wieder leben, die Leichen
meines Volkes werden auferstehen! Ihr alle, die
ihr in der Erde liegt, wacht auf und jubelt vor
Freude! Du, Herr, bist wie der belebende Tau;
darum gibt die Erde die Toten heraus.“ Ein
Jahrhundert später begegnet uns dann eine
vollständig entwickelte Auferstehungserwartung, nämlich in Daniel 12. Nach Daniel 12,2
wird bei der Auferstehung am Ende der Zeiten
unterschieden zwischen denen, „die zum ewigen Leben erwachen“ und denen, „die zu ewiger Schmach und Schande“ erwachen. Indem
5
biblisch
„Ich lebe, und ihr sollt auch leben!”
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Johannes 14,19
Neutestamentliche Stimmen zur Auferstehung
6
Zum urchristlichen Bekenntnis gehört von Anfang an das Bekenntnis zu Jesus Christus als
dem Auferstandenen. Man kann geradezu sagen:
Das christliche Glaubensbekenntnis wäre ohne
diesen Bezug zur Auferstehung Jesu Christi eben
kein christliches Glaubensbekenntnis!
Dementsprechend finden sich auch in vielen
neutestamentlichen Texten verschiedene und vielfarbige Aussagen zu Jesu Auferstehung. Und doch
ist das, was da die Evangelien zu erzählen wissen,
keinesfalls „alltäglich“; und was etwa der Apostel
Paulus über die Auferstehung Jesu und die Auferstehung der an ihn Glaubenden schreibt, ist alles
andere als „selbstverständlich“. Nein: Was sich
da drei Tage nach der Hinrichtung dieses Jesus
ereignet hat, ist tatsächlich weltumstoßend
und unbegreiflich – für die damaligen Zeugen
genauso, wie es für uns heute sein mag.
Die Auferstehung Jesu Christi ist außerhalb
des Glaubens wirklich unglaublich, ja töricht.
Und doch hängt an
ihr nichts anderes
>>> Die Auferstehung
als das ganze
Jesu Christi ist außerhalb
christliche Glaudes Glaubens wirklich
bensverständnis
unglaublich, ja töricht.
und GlaubensUnd doch hängt an ihr
bekenntnis.
nichts anderes als das
Begeben wir uns
ganze christliche
auf eine theologiGlaubensverständnis
sche Zeitreise!
und Glaubensbekenntnis.
>>>>>>
Totgeglaubte leben länger?!
Man kann sich die Verzweiflung der Jüngerinnen
und Jünger nach dem Tod Jesu gar nicht groß
genug ausmalen, um das Unglaubliche ihrer
Botschaft zu begreifen. Dass Jesus tot war, wirklich und wahrhaftig gestorben und begraben:
Das stand fest. Zeugen – die mutigen Frauen
unter dem Kreuz – hatten vom Tod berichtet
(Mk 15,40 f.). Das Steingrab, in dem Jesus noch
vor Anbruch des Sabbats in aller Eile bestattet
worden war, war mit dem großen Rollstein verschlossen worden (Mk 15,42–47); bereits drei
Tage waren seitdem vergangen – und nach drei
Tagen war jedenfalls nach antikem Verständnis
ausgeschlossen, dass der Tote nur „scheintot“
war. Drei Tage nach dem Tod war definitiv klar:
Tot bleibt tot. Der Tote wird verwesen, und allenfalls am jüngsten Tag würde er vielleicht wieder
irgendwie lebendig werden. Diese jüdische Hoffnung konnte man immerhin haben – nicht weniger, freilich auch nicht mehr; diese Hoffnung
konnte man ja für jeden frommen Juden haben
(Joh 11,24), wenn man nicht gerade Sadduzäer
war (Mk 12,18 ff.). Und doch wäre das für Jesus
zu wenig, wäre er damit doch als kein anderer
Mensch erwiesen als alle anderen! Und wäre
damit nicht alles, was er vorher getan und
verkündet hatte, als vollmundige Lüge erwiesen? >>>
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Stellen wir uns einmal vor, wie die „Seelenlage“
der Jünger nach der Kreuzigung ihres Herrn
und Meisters war! Die vier Evangelien geben
uns ein anschauliches Bild: Die Jünger waren
von diesem Jesus von Nazareth in die Nachfolge berufen worden. Sein Wort und Auftreten
war so vollmächtig, dass sie wortwörtlich alles
stehen und liegen ließen und mit ihm gingen
(Mk 1,16–20 par.; 3,13 par. u. a.). Sie hatten auf
dem gemeinsamen Weg mehr als nur wunderbare Ereignisse erlebt und gesehen: Heilungen
hoffnungslos Erkrankter; liebevolle und überwältigende Zuneigung gegenüber denen, die
bei anderen nichts galten; machtvolle Rettungswunder. Sie hatten diesen Menschen reden und
predigen gehört, wer Gott ist und wie er zu
verstehen sei. Dass Gott immer und immer
wieder gegen Leid und Tod und Unrecht
angeht und so das Böse zum Guten wendet.
Und schließlich hatten sie immer mehr begriffen, wer denn dieser Jesus sein musste: Jesus,
der Christus; Jesus, der Gesalbte; Jesus, der
Messias; Jesus, der endlich das Friedensreich
Gottes bringen sollte. Das alles und noch viel
mehr hatten sie erlebt, erfahren und erhofft.
Und nun das: In der Stadt Davids, der für Juden
so bedeutungsvollen Stadt Jerusalem, war Jesus
den schmachvollen Tod eines Schwerverbrechers
gestorben. Mit ihm war alle Hoffnung gestorben, dass der Welten Lauf endlich einmal
durchbrochen werden würde. Am
>>> Am schändlichen
schändlichen Kreuz
Kreuz Jesu starb für die
Jünger die Hoffnung auf Jesu starb für die
die machtvolle Liebe
Jünger die HoffGottes – ein für allemal. nung auf die machtvolle Liebe Gottes – ein für allemal. Die Jünger
saßen im schwarzen Loch; angstschlotternd
vor einer möglichen Verfolgung, mutlos in
ihrer Ausweglosigkeit (Lk 24,17 ff.; Joh 20,19),
verlacht und verspottet vor aller Welt, wie ja
auch ihr Herr verlacht und verspottet worden
war (Mk 15,16–20 par.; 15,29–32 par.).
biblisch
Hoffnungslos und verzweifelt: Die
Jünger im schwarzen Loch
7
biblisch
Und da geschieht am dritten Tag das, „was noch
kein Ohr gehört und kein Auge gesehen hatte“
(1.Kor 2,9): Der Gekreuzigte war tot – und lebt
nun wieder. Totgeglaubte leben länger?! Nicht
nur, dass man (frau!) das Grab nach drei Tagen
leer vorgefunden hatte – sollte man den Leichnam geraubt (Mt 27,62–66; 28,11–15) oder
weggetragen haben (Joh 20,15)? Nein, es prasselt
nur so von Berichten, dass der Gekreuzigte leiblich und lebendig gesehen wurde! – Da möge
doch nun jeder seine Bibel zur Hand nehmen
und die Erzählungen von Markus (Mk 16,1–8),
Matthäus (Mt 28,1–10; 28,16–20), vor allem
von Lukas (Lk 24,1 ff.)
>>> Der Gekreuzigte
und Johannes (Joh 20,1 ff.)
war tot – und lebt nun nachlesen (vgl. auch
wieder. Totgeglaubte
1.Kor 15,3–8). Für uns
leben länger?!
Christen sind das nur
allzu bekannte Geschichten, vielleicht nur noch
von der Weihnachtsgeschichte (Lk 2,1 ff.) im
Bekanntheitsgrad übertroffen. Und doch sind
diese Abschnitte des Neuen Testaments spannender als jeder Kirchenkrimi, packender als jede
neuzeitliche Verschwörungstheorie und vielschichtiger als jede banale Psychologiestudie
über einen vermeintlichen Selbsttäuschungsakt
der Urgemeinde.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Der Auferstandene – Gespenst, Geist
oder Gott?
8
Entgegen aller neuzeitlichen Meinung und Aufgeklärtheit war nämlich auch die Auferstehung
eines Menschen im antiken Kontext keineswegs
selbstverständlich. Die Menschen der Antike
wussten genauso wie heutige Zeitgenossen um
das bittere Sterben und die Endgültigkeit des
Todes. Sicher, Philosophien und Religion boten
Deutungsmuster an; sie stellten Gedanken zur
Verfügung, wie man das Leben nach dem Tod
denken konnte. Und doch erzählen die Evangelien noch mal etwas gänzlich Anderes von der
Auferstehung Jesu. Dem kann man nur atemlos
nachlauschen: Boten Gottes – landläufig Engel
genannt – vollbringen ihren gottgemäßen Auftrag und erzählen, dass Jesus nicht mehr tot sei,
sondern lebe (Mk 16,6 par.). Keiner glaubt’s; die
Frauen sind entsetzt, die Männer halten es (wie
üblich?) für Weibergeschwätz (Lk 24,11.22 f.).
Jesus zeigt sich selbst und erscheint tatsächlich
„beiläufig“ den beiden Jüngern, die ins Dorf
Emmaus wandern (Lk 24,15). Erst als er ihnen
– erneut! – die biblischen Texte auslegt und
das Mahl mit ihnen feiert, erkennen sie ihn im
Verschwinden (Lk 24,27–31). Maria, die auf
dem Friedhof dem geliebten Verstorbenen
nochmals ihre Liebe zeigen will, bekommt
den Auferstandenen zu sehen – und hält ihn
für den Gärtner (Joh 20,14 f.). Er spricht sie
mit Namen an und gibt sich dadurch zu erkennen (Joh 20,16). Allen Jüngern schließlich
erscheint er unvermittelt inmitten ihrer
zitternden Hoffnungslosigkeit: Ein Geist, ein
spukendes Gespenst gar, das seinen Frieden
Vom Ende zum Anfang und wieder
zurück
Das so unscheinbar wirkende Markusevangelium
bringt dieses sozusagen „posthume Verstehen“
erzählerisch auf den Punkt. Es berichtet in seiner
ursprünglichen
>>> Die Auferstehung Jesu
Gestalt (die Verse Christi ist der Schlüssel für das
Mk 16,9 ff. sind
Verständnis seiner Person und
nachträglich anseines Redens und Handelns.
gefügte Erzählungen) nichts von Erscheinungen des Auferstandenen und kaum etwas von der Auferstehung
des Gekreuzigten: Beides wird einfach als
urchristliches Bekenntnis vorausgesetzt. Doch
enthält die Botschaft des Engels am leeren Grab,
die die Frauen an die Jünger ausrichten sollen,
einen besonderen Clou: Petrus und die anderen
werden den Gekreuzigten als Auferstandenen in
Galiläa sehen (Mk 16,7)! Was ist aber an Galiläa
so besonderes? Es ist der Ort, an dem Jesus zum
ersten Mal auftrat und am Anfang des Markusevangeliums zum ersten Mal den Inhalt seiner
Botschaft verkündet (Mk l,14 f.)! So, wie die
Jünger zurück an den Ort ihrer ersten Begegnung mit Jesus geschickt werden, so schickt
der Evangelist Markus seine Leser zurück an
den Anfang seiner Erzählung. Erst vom Ende
her versteht man den Anfang; erst nach Kreuzigung und Auferstehung verstehen wir, wer dieser
Jesus wirklich ist und was der Inhalt seiner Botschaft ist. Die Auferstehung Jesu Christi ist der
Schlüssel für das Verständnis seiner Person und
seines Redens und Handelns. >>>
biblisch
„Klick“ bei den Jüngern, den Männern und
Frauen, die ihm nachgefolgt waren. Jetzt, erst
jetzt, erkennen sie wirklich, wer er war und
ist und sein wird. Jetzt erst verstehen sie, dass
Jesus wirklich der Christus ist: Jesus Christus.
Sie verstehen es, weil sich der Auferstandene
zu verstehen gibt.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
nicht findet, weil sein Körper schändlich hingerichtet und nur eilends begraben wurde
(Lk 24,36 ff; Joh 20,19 ff. 24 ff.)? Oh nein: Das
Gespenst spricht sie an; sie können den Leib
berühren (Lk 24,39), und die Erscheinung isst
schließlich sogar etwas, um seine Leiblichkeit
zu beweisen (Lk 24,41–43). Und um allem
Misstrauen entgegenzutreten, dass der da
Erscheinende womöglich gar nicht mit dem
Gekreuzigten identisch ist, bekommen wir zu
lesen, dass die Folterspuren an der eigenwilligen Leiblichkeit des Auferstandenen sichtbar
und berührbar sind (Lk 24,40; Joh 20,20.27).
Unverkennbar,
>>> Geist? Gespenst?
weil unverNein, Gott! Der Auferstandene erschließt sich selbst als wechselbar
steht da der
der auferstandene Christus.
Gekreuzigte
vor ihnen. Geist? Gespenst? Nein, Gott!
Der Auferstandene erschließt sich selbst als der
auferstandene Gekreuzigte. Darin erschließt er
sich selbst als Gottes Sohn. Und jetzt macht es
9
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
biblisch
„Ist aber Christus nicht auferstanden ...“:
Die Relevanz der Auferstehung Jesu
Warum halten aber die Evangelisten wie auch der
Apostel Paulus und alle anderen neutestamentlichen Verfasser an diesem (scheinbar) „törichten
Ereignis und Bekenntnis“ (1.Kor 1,18 ff.) fest?
Eine erste Antwort könnte man mit Paulus formulieren: „Ist Christus nicht auferstanden, so
ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer
(und unser) Glaube vergeblich.“ (1.Kor 15,14).
Hier spüren wir, dass es in dem Bekenntnis zur
Auferstehung Jesu Christi mehr als nur um eine
nachträgliche Korrektur seines Kreuzestodes geht;
es geht um das Zen>>> Was zeigt sich denn
trum unseres christin der Auferstehung des
lichen Glaubens. Was
Gekreuzigten? Dass Gott
zeigt sich denn in der
der Schöpfer wider alle
Auferstehung des GeHoffnung an seiner
kreuzigten? Dass Gott
Schöpfung festhält und
sie um seiner grenzenlosen der Schöpfer wider alle
Liebe willen nicht vergehen Hoffnung an seiner
lässt. Dass der Tod nicht
Schöpfung festhält und
das letzte Wort behält,
sie um seiner grenzensondern dass das Wort
losen Liebe willen nicht
Gottes selbst ihm ins Wort vergehen lässt. Dass der
fällt und es mit seinem
Tod nicht das letzte
Ostergelächter verlacht
Wort behält, sondern
und vertreibt.
dass das Wort Gottes
selbst ihm ins Wort fällt und es mit seinem Ostergelächter verlacht und vertreibt. Diese Erkenntnis
wird in vielen Texten immer wieder neu festgehalten und eingeschärft: Die christliche Taufe ist
nach Röm 6,1 ff. ausdrücklich mit dem Sterben
und Auferstehen des Sohnes gedanklich verbunden. Warum? Weil in der christlichen Taufe das
zukünftige Geschick des Täuflings unauflöslich
mit dem in der Vergangenheit bereits geschehenen, in der Gegenwart wirksamen und für alle
Zukunft hin gültigen Geschick Jesu Christi verbunden wird! Von diesem Grundgedanken verstehen wir dann auch Aussagen wie Gal 2,20; Phil
3,10 f.; 1.Kor 15,20 ff. Hinter all dem steht die
neutestamentliche Einsicht: Wer zu diesem Jesus
gehört, weil er von ihm berufen wurde, der
gehört auf immer und ewig zu ihm. Zu Jesus
10
gehören aber heißt: durch Leid, Sterben und
Tod von Gott selbst hindurchgetragen werden
in die Auferstehung. Das ganze christliche
Glaubensverständnis und Glaubensbekenntnis
hat seinen unaufgebbaren Bezugspunkt im
Leiden und Sterben und Auferstehen des
Sohnes Gottes. Fällt dieser Bezugspunkt weg,
dann ist der christliche Glaube inhaltsleer und
sinnlos geworden.
„Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“
Die Bedeutung der Auferstehung Jesu Christi
fasst der Evangelist Johannes knapp und treffend in der Aus- und Zusage Jesu zusammen:
„Ich lebe, und ihr sollt auch leben“ (Joh 14,19)!
Das ist – weiß Gott! – mehr als nur ein frommer Wunsch! Denn wer spricht denn da?
Niemand anderer als der, von dem das gleiche
Evangelium in der beeindruckenden Geschichte
Joh 11,1 ff. erzählt, dass er einen schon verwesenden, stinkenden, an Händen und Füßen
gebundenen Leichnam allein mit seinem
Schöpferwort „Lazarus, komm heraus!“ ins
Leben zurückgeholt hat. Der Satz „Ich lebe,
und ihr sollt auch leben!“ ist nichts anderes
als der in alle Ewigkeit gültige Satz „XY, komm
aus dem Grab heraus!“ – und für „XY“ dürfen
wir nun alle getrost unseren Namen einsetzen.
Viel mehr gäbe es noch zu den neutestamentlichen Stimmen zur Auferstehung zu sagen; und
noch viel mehr müsste man darüber nachdenken. Aber vielleicht ist dieser eine Satz: „Ich
lebe, und ihr sollt (und werdet!) auch leben!“
der wichtigste.
• Dr. Jens Adam
40 Jahre, Theologiestudium in Tübingen,
Jerusalem und Heidelberg, Pfarrer der
badischen Landeskirche, seit 2001 Dozent
für Neues Testament an der Evang.-theolog.
Universität Tübingen
biblisch
Der Satz „Ich lebe, und ihr
sollt auch leben!“ ist nichts
anderes als der in alle
Ewigkeit gültige Satz
„XY, komm aus dem Grab
heraus!“ – und für „XY“
dürfen wir nun getrost
unseren Namen einsetzen
• Dr. Jens Adam
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
>>>
11
biblisch
„Worauf ihr euch verlassen
könnt!”
Der älteste Auferstehungstext des Neuen Testaments: 1.Korinther 15,3–8
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
>>>>>>
12
1. Erste Beobachtungen
Diese Verse sind eines der ältesten Auferstehungszeugnisse des NT und eines der umfangreichsten. Nicht weniger als sechs verschiedene
Erscheinungen des Auferstandenen werden aufgezählt: Kephas (Petrus), die Zwölf (Jünger),
mehr als 500 Brüder, Jakobus, alle Apostel und
schließlich Paulus. Allerdings werden keine
Erscheinungen vor Frauen erwähnt (und auch
das leere Grab wird nicht genannt). Ebenfalls
fehlen alle absoluten Zeitangaben und alle
Ortsangaben. Insgesamt setzt dieser Text,
der als „Urtext“ aller Auferstehungstexte im
Neuen Testament gilt, etwas andere Akzente
als die Erzählungen in den Evangelien.
2. Die zeitliche Einordnung
Der Text ist sehr alt: Paulus betont, dass er ihn
selbst empfangen und der Gemeinde in Korinth
weitergegeben habe (V. 3) – er muss also älter
3. Der Aufbau
Ursprünglicher Text: V. 3b–5
Der Text selbst ist nicht einheitlich: Die Verse
3b–5 heben sich als eine in sich geschlossene
Formel heraus. Sie ist weitgehend parallel aufgebaut – mit einer zusätzlichen Notiz am Schluss.
Durch die Nennung von Kephas (mit seinem
alten, aramäischen Namen) und den Zwölfen
(dem Kreis der Jünger Jesu) werden die Erscheinungen des Auferstandenen betont.
biblisch
Ergänzung: V. 6–7.8
In den folgenden Versen ändern sich Sprache
und Form. V. 6–7 sind Aufzählungen: Zuerst die
mehr als 500 Brüder, von denen Paulus betont,
dass einige von ihnen noch leben und also noch
als befragbare Augenzeugen zur Verfügung stünden, und dann die Erwähnung von Jakobus und
allen Aposteln, die auffällig parallel zu V. 5 formuliert worden ist. In V. 8 erwähnt Paulus seine
eigene Erscheinung als Abschluss der Erscheinungen.
Diese Verse haben also folgende Struktur (und
vermutliche Entwicklung)
Vor Paulus:
> (3b–5): ursprüngliche, weitgehend parallele
Formulierung – mit der Betonung, dass Kephas
und die Jünger – der Kreis der ersten Auferstehungszeugen – den Auferstandenen gesehen
haben
> (6–7): erste Ergänzung: Erscheinung vor den
500 Brüdern und Jakobus (dem Bruder Jesu
und späteren Leiter der Gemeinde in Jerusalem)
Ergänzungen durch Paulus:
> (6–8): die Tatsache, dass die meisten der
500 Brüder „heute“ (d. h. zur Zeit des Paulus)
noch leben und also befragt werden können
– Erwähnung seiner eigenen Erscheinung >>>
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
sein als die Gemeinde in Korinth, die um das
Jahr 50 n. Chr. gegründet worden ist. Der Text
führt somit in die älteste Zeit, nahe an die
Ereignisse selbst heran, spätestens 46/48 n. Chr.
Außerdem häufen sich in diesen Versen sprachliche Wendungen, die Paulus sonst nie gebraucht:
„Sünden“ im Plural ist unpaulinisch, sonst
spricht er von „der Sünde“ ausschließlich im
Singular; „nach der Schrift“ findet sich sonst
nicht bei Paulus, er schreibt an ähnlichen
Stellen „wie geschrieben steht“; das griechische
Wort für „er erschien“ kommt bei Paulus sonst
nicht vor. Auch diese Beobachtungen sprechen
dafür, dass (3b–5) eine alte, vorpaulinische
Formel ist, die Paulus aufgenommen und weitergegeben hat.
13
biblisch
Die Fragen, die sich daraus ergeben:
> Welchen Sinn hatte die ursprüngliche Formel
(3b-5)?
> Was bedeuten die Ergänzungen der Erscheinung vor den 500 und vor allem vor Jakobus und
„allen Aposteln“?
> Wie ordnet Paulus seine eigene Erscheinung
ein?
4. Die ursprüngliche Formel (3b–5)
Knapp und in geprägter, liturgischer Sprache ist
hier ein frühes Auferstehungszeugnis überliefert,
das Tod und Auferstehung Jesu als die beiden
zentralen Heilsereignisse des Glaubens herausstellt, beide Ereignisse interpretiert („für unsere
Sünden“, „am dritten Tag“), sie in Bezug zu den
„Schriften“ (unserem heutigen AT) stellt und die
Realität des Geschehens betont.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
„Nach den Schriften“
Ein Schlüssel zum Verständnis dürfte das zweimalige, betonte „nach den Schriften“ sein: Was hier
geschieht, ist weder ein Zufall, noch ein völlig
rätselhaftes Geschehen, das für beliebige Deutungen offen stünde, sondern etwas, was nur
im Zusammenhang mit der Geschichte Gottes
mit seinem Volk zu verstehen ist. Hier handelt
der gleiche Gott in der Geschichte Jesu, der auch
in der Geschichte Israels gehandelt hat.
14
Auffallend ist allerdings, dass dieses „nach den
Schriften“ nicht näher ausgeführt wird. Weder
wird angegeben, worauf sich das „für unsere
Sünden“ bezieht1, noch wird deutlich, woher die
Zeitangabe „am dritten Tag“ stammt2. Bleibt also
die Vermutung, dass sich „nach den Schriften“
nicht auf einzelne Schriftstellen bezieht, sondern
auf den Sinn „der Schriften“, d. h. des AT. Es geht
nicht um einen Schriftbeweis, sondern um einen
Schriftbezug, d. h. um den Hinweis, dass alles,
1 Denkbar ist ein Bezug zu Jes 53,5–6
2 Denkbar ist ein Bezug zu Hos 6,2. Ein Text, der aber sonst
nirgendwo im NT zitiert wird.
was über den Tod und die Auferstehung zu
sagen ist, den Interpretations- und Verständnishintergrund „der Schriften“ braucht. Das Geschick
Jesu lässt sich nicht aus dem AT beweisen, aber
lässt sich letztlich nur vom AT her verstehen!
Ohne diesen Bezug bleiben die Aussagen entweder beliebig und oder mirakulös.
„Begraben“ und „Gesehen“
> Dass Jesus „begraben“ worden ist, unterstreicht, dass er wirklich gestorben ist. Damit
werden alle sogenannten „doketischen“ (auf
dem Anschein beruhend) Auslegungen der Auferstehung ausgeschlossen, d. h. die Vorstellung,
Jesus sei nur scheinbar tot gewesen, er habe
sich nur tot gestellt oder Gott habe ihn nur
scheinbar sterben lassen.
> Dass Jesus „gesehen“ worden ist, unterstreicht,
dass er wirklich auferstanden ist. Interessant
ist das griechische Wort (ophthae), das hier
verwendet wird: In der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des AT, die zu dieser Zeit
im Gebrauch war, wird das Wort immer wieder
in Erzählungen von Gotteserscheinungen gebraucht. Gott wird „gesehen“, wenn er erscheint. Das gilt vor allem für die Väterzeit
(bis David und Salomo) und dann wieder in
der zukünftigen Endzeit. So wie Gott von den
Vätern „gesehen“ wurde, so wird er auch am
Ende der Zeit „gesehen“. Indem in dieser
Formel dieses alttestamentliche Schlüsselwort
benutzt wird, wird signalisiert, dass sich hier,
in der Auferstehung Jesu, die endzeitliche
Gegenwart Gottes zum Heil der Menschen
zeigt, „erscheint“.
Wie der Auferstandene den Menschen erscheint,
wird nicht weiter ausgeführt, nur dass er ihnen
erscheint, und dass diese Erscheinung als endzeitliche Heilsgegenwart Gottes verstanden
worden ist, wird in dieser Vokabel angedeutet.
Genauso wenig wie diese Formel an dem Wie
des Begrabenseins Jesu interessiert ist, genauso
wenig ist sie an dem Wie seines Erscheinens
interessiert!
Um es in zwei Bildern zu sagen: Die Auferstehung
Jesu ist an einem Punkt in der Geschichte in den
Strom der Geschichte „eingespeist“ worden, während der Tod Jesu an einem Punkt der Geschichte
ein festes Fundament gebildet hat, auf dem alles
Weitere aufbauen kann. Die beiden Heilsereignisse haben also jeweils eine etwas andere
Struktur: Während beim Tod Jesu das Einmalige,
Unwiederholbare, Abgeschlossene betont wird,
liegt der Akzent bei der Auferstehung Jesu mehr
bei dem Gegenwärtigen, Sich-Ereignen, Unabgeschlossenen. Das sind aber keine absoluten
Gegensätze, sondern unterschiedliche Betonungen im gleichen Bedeutungsfeld. >>>
biblisch
Interessanterweise wird Petrus hier mit seinem
aramäischen Namen, Kephas, bezeichnet.
Das weist zum einen auf eine alte, aramäische
Tradition zurück und unterstreicht das Alter
der Überlieferung, zum andern weist es auch
auf Jerusalem und die ursprüngliche zentrale
Stellung von Petrus/Kephas in der Urgemeinde.
Hier ist also die (vermutliche) Erstvision des
Petrus festgehalten, die dann aber durch eine
sich anschließende Gruppenvision „der Zwölf“
unterstrichen wurde. „Die Zwölf“ waren der
engere Kreis der „zwölf Jünger“, die natürlich
zu diesem Zeitpunkt zahlenmäßig nur elf waren!
Deshalb ist die Bezeichnung „die Zwölf“ vermutlich eine Art Amts- und Ehrentitel dieser
ersten Führungsmannschaft der Urgemeinde,
die sich vor allem aus den unmittelbaren Nachfolgern des irdischen Jesus zusammensetzten.
„Gestorben“ und „Auferstanden“
Interessant ist, dass das griechische Wort für
„gestorben“ in einer besonderen grammatischen
Form steht, dem soge>>> Die Auferstehung
nannten „Aorist“. Er
Jesu
ist nicht einfach
bezeichnet ein abgeabgeschlossen,
sondern
schlossenes Ereignis
heute
noch
wirksam.
der Vergangenheit, das
aber auch heute noch
Bedeutung hat. „Auferweckt“ ist dagegen in
der grammatischen Form des (griechischen)
Perfekt formuliert: Es bezeichnet ein Ereignis,
das in der Vergangenheit geschehen ist und bis
heute andauert. Hier wird also bis in die Sprache
hinein die unterschiedlichen Akzente von Tod
und Auferstehung Jesu herausgestellt: Der Tod
Jesu ist ein einmaliger, abgeschlossener Vorgang,
der sich zwar als solcher nicht wiederholt, der
aber für uns heute immer noch Auswirkungen
besitzt. Die Auferstehung Jesu, obwohl auch in
der Vergangenheit geschehen, ist nicht einfach
damit abgeschlossen, sondern ist auch heute
noch wirksam.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Die Auferstehungszeugen
Die Nennung von Auferstehungszeugen unterstreicht noch einmal den Charakter der Erscheinungen: Sie sind menschlich erfahrbar
und bezeugbar, auch wenn sie nicht wirklich
menschlich erklärbar und beweisbar sind.
15
biblisch
5. Die Ergänzung (V. 7–8)
Die ursprüngliche Formel ist später ergänzt worden. Von wem, das lässt sich heute nicht mehr
sagen, vielleicht von Paulus, vielleicht aber auch
schon vor ihm. Durch die Ergänzung wird zum
einen die Basis der Auferstehungsberichte verbreitet und damit die Zahl der Zeugen und damit das
Gewicht ihres Zeugnisses erhöht. Zum andern
entsteht eine gewisse Konkurrenz zwischen zwei
Linien von Auferstehungszeugen, mit Petrus und
den Zwölfen auf der einen Seite und Jakobus und
allen Aposteln auf der anderen.
Die Spannungen der ersten Christen bilden sich
auch in diesem alten Auferstehungstext ab.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
500 Brüder
Die Erscheinung vor den 500 Brüdern wird sonst
nirgendwo im NT erwähnt. Manche Ausleger
verbinden sie mit der Pfingstgeschichte, die eine
gemeinsame geistliche Erfahrung in der Urgemeinde beschreibt. Allerdings wird dort nicht
von Erscheinungen des Auferstandenen berichtet,
sondern von der Ausgießung des Geistes. Diese
500 Brüder sind nicht identisch mit „allen
Aposteln“, scheinen aber immer noch bekannt zu
sein. Das Ungewöhnliche an dieser Erscheinung
ist, dass diese 500 die Einzigen sind, die nicht
durch die Erscheinung des Auferstandenen zur
Mission berufen wurden.3 Könnte man sonst
meinen, die Erscheinungen dienten vor allem
der Legitimation der Machtträger in der ersten
Gemeinde, so spielt die Legitimationsfrage bei
den 500 keine Rolle. Hier wird nur das Dass
der Erscheinung berichtet, nicht das Warum.
16
3 Bei den Auferstehungserzählungen spielt dieses Sendungsmotiv eine wichtige Rolle, praktisch alle, denen
Jesus als Auferstandener begegnet, werden von ihm mit
einem bestimmten Auftrag betraut und ausgesendet
4 Gehörte er nach Gal 1,19 noch allgemein zu den
„Aposteln“, wurde er, 14 Jahre später, in Gal 2,6 von
Paulus zu den drei entscheidenden „Säulen“ der Gemeinde
gerechnet
5 Der zuerst von Petrus geleitet wurde, dann (Gal 2,)
von den drei „Säulen“ Jakobus, Kephas, Johannes und
später dann von Jakobus allein
Jakobus
Auch die Erscheinung vor Jakobus wird im
NT nicht erwähnt. Jakobus, der Bruder Jesu,
gehörte zu Lebzeiten Jesu nicht zu seinen
Anhängern, sondern scheint erst durch die
Erscheinung des Auferstandenen dazugekommen zu sein. Er hatte später eine große
Autorität in der Urgemeinde4 wurde später,
bis zu seinem Tod im Jahr 62 n. Chr. ihr Leiter.
Alle Apostel
Die Apostel, deren Erscheinung im Anschluss
daran erwähnt wird, sind vermutlich nicht
identisch mit den „Zwölfen“, dem ursprünglichen Leitungskreis der Urgemeinde.5 Hier ist
ein weiterer Kreis von Judenchristen gemeint,
die eine Christuserscheinung hatten und – im
Die Parallelität zwischen (5) „Kephas, danach
von den Zwölfen“ und (7) „Jakobus, danach
von allen Aposteln“ scheint auf eine Spannung
hinzuweisen, die man auch sonst in der Geschichte der Urgemeinde findet: Waren Petrus
und die Jünger Jesu zuerst die entscheidenden
Leute in der Urgemeinde, findet man später
Jakobus und seine Leute an der Macht. Bei
Paulus in Gal 2 wird Petrus als jemand beschrieben, der sich von Jakobus beeinflussen
ließ. Hier ist vielleicht der Machtwechsel,
der sich sicherlich über längere Zeit hinzog,
sichtbar geworden. Eine entscheidende Szene
scheint dabei das Apostelkonzil gewesen zu sein
(Apg 15), bei dem Jakobus eine herausragende
Stellung eingenommen hat und das entscheidende Wort zur Lösung der Streitfrage gesprochen hatte (Apg 15,13 ff.).
Die Auferstehungsformel (1.Kor 15,3–7) ordnet
nun diese beiden Erscheinungsstränge (Kephas
und die bestätigende Erscheinung vor den
„Zwölfen“; Jakobus und die ebenfalls bestätigende Erscheinung vor allen „Aposteln) einander zu. Stil- und Aussagemittel ist dabei
das vierfache „Danach“: Kephas – danach:
die „Zwölf“ – danach: die 500 – danach:
Jakobus – danach: „alle Apostel“. So wird die
Erscheinung von Kephas/Petrus als historisch
und theologisch „erste“ herausgestellt. Alles
andere ist nicht nur zeitlich, sondern auch
von seiner Bedeutung „danach“.
6. Und zuletzt: Paulus
Für Paulus ist seine Christuserscheinung (vor
Damaskus) zum einen ein Glied in der Kette der
Erscheinungen (er gebraucht hier dasselbe Wort
für seine Erscheinungen wie für alle anderen!),
zum anderen ist er das letzte Glied dieser Kette.
Seine Erscheinung ist eine von vielen – und
zugleich etwas Besonderes.
Die Erscheinung des Auferstandenen ist für
Paulus die Legitimation für sein Apostelamt
(Gal 1) – und doch sieht er sie als „unzeitige
Geburt“, als „Fehlgeburt“(Gute Nachricht-Übersetzung) an (V. 8). Sie ist im doppelten Sinne
„zuletzt“: die zeitlich und theologisch „letzte“
Erscheinung – mit ihr ist also die Kette der
Erscheinungen endgültig abgeschlossen, aber
mit ihm ist in Bezug auf den Empfänger auch
„der Letzte“ erreicht, der Unwürdigste, der Geringste, derjenige, der als Verfolger der Gemeinde
am wenigsten damit rechnen konnte, zum Verkündiger Jesu Christi berufen zu werden.
Für Paulus wird diese Erscheinung des Auferstandenen und die damit verbundene Berufung
zum Apostel als ein wichtiges Zeugnis der Gnade
Gottes verstanden6: Gott hat damit – in positiver,
letztlich unüberbietbarer Weise – ein Exempel
statuiert. Wenn schon jemand wie Paulus, der
die Gemeinde zuvor verfolgt hatte, berufen wird,
dann gibt es für die Gnade Gottes keine menschliche Grenze! In der Erscheinung des Auferstandenen sieht Paulus nicht nur seine Berufung zum
Verkündiger begründet, sondern auch den Inhalt
seiner Verkündigung: die Gnade Gottes in Jesus
Christus für alle Menschen! >>>
6 vgl. Gal 1,13–16; Eph 3,8; 1.Tim 1,12–16
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Gegensatz zu den 500, die ebenfalls eine Gruppenerscheinung hatten – zur Verkündigung des Auferstandenen berufen wurden. Paulus rechnet
zu ihnen auch die Judenchristen Andronikus
und Junia (Röm 16,7). 1.Kor 9,5 spricht Paulus
ebenfalls von den Aposteln, die er von den
„Brüdern des Herrn“ und Kephas unterscheidet.
17
biblisch
7. Fazit
1.Kor 15,3b–8 ist einer der wichtigsten Auferstehungstexte des NT, sowohl, was sein Alter betrifft, wie auch seinen Inhalt. Nirgendwo sind
so viele Erscheinungen des Auferstandenen
zusammengestellt. Einige werden sogar nur
an dieser Stelle im Neuen Testament erwähnt.
Theologisch wichtig ist an diesem Text, dass
Tod und Auferstehung Jesu zu einem doppelten
Heilsereignis zusammengestellt werden, dass
die Schrift (das AT) als Verstehenshilfe genannt
wird, dass die Auferstehung als Heilsoffenbarung
Gottes verstanden wird und dass eine Kette von
Erscheinungen des Auferstandenen genannt wird,
mit einem definitiven Anfang (Petrus) und einem
genauso definitiven Ende (Paulus). Für Paulus
war diese Erscheinung die Grundlage seines
Apostelamtes und der bestimmende Inhalt seiner
Verkündigung: die Gnade Gottes in Jesus
Christus, dem Herrn.
• Holger Noack
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
52 Jahre, verheiratet, drei Kinder, nach dem
Theologiestudium Gemeindepfarrer, seit
1994 Bundesekretär für Mitarbeiterbildung
beim CVJM-Westbund
18
grundsätzlich
„Zum Beweis dessen hat er
ihn auferweckt!“
Die Auferstehung und was wir wissenschaftlich dazu sagen können
Glaube braucht Gründe; Glaube hat
Gründe
Wir kennen die berühmte Szene: Der Apostel
Paulus wagt sich ins Zentrum griechischerphilosophischer Gelehrsamkeit, dahin, wohin
alle gehen, die meinen, sie hätten etwas Neues
und Wichtiges zu sagen. In Apostelgeschichte
17 wird uns vorgestellt, wie er das tut.
Geschickt fädelt sich Paulus ein in die
Gedankenwelt seiner Zuhörer. So lange er
philosophisch bleibt, hören sie ihm gerne zu.
Doch dann wird Paulus konkret. Er spricht von
dem Gott, der in der Geschichte handelt und der
diese Weltgeschichte an Sein Ende bringen wird.
Paulus behauptet das aber nicht nur. Er nennt
einen Beweis, einen Beleg, einen Denkgrund für
seine Überzeugung: „Zum Beweis dafür hat er ihn
(Jesus) von den Toten auferweckt“ (Apg 17,31).
Und sofort geht die Debatte los. Die Botschaft
von der Auferstehung spaltet die Menschen. Die
einen spotten, die anderen wollen weiter darüber
nachdenken. >>>
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
>>>>>>
19
grundsätzlich
Zweierlei ist bemerkenswert an dieser Geschichte:
1. Paulus sagt nicht einfach: Das müsst ihr
glauben. Er formatiert das Evangelium nicht
als Religion, als reine, bloße „Glaubenssache“.
Er gibt Gründe an.
2. Wo man für den Glauben argumentiert,
trennen sich die Geister.
Das war damals so, und das wird heute auch
nicht anders sein. Das ist aber gar nicht tragisch.
Wenn Menschen um etwas ringen; wenn etwas
kontrovers ist, dann zeigt das ja gerade, dass
etwas Wichtiges zur Diskussion steht; dass man
dem Bereich des Ungefähren, des Meinens,
des beliebigen Glaubens entkommen ist.
In diesem Sinne ist es besonders spannend und
nur folgerichtig zu fragen: Was sagt denn die
Wissenschaft zu Ostern? Was kann man wissenschaftlich zu Ostern sagen? Wissenschaft wird
nicht ohne Grund von den allermeisten Menschen als die Instanz anerkannt, der alle glauben.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Was Wissenschaft auszeichnet
20
Es zeichnet Wissenschaft aus, dass ihre Aussagen
gelten sollen, unabhängig von der Frage, ob der
Wissenschaftler, der sie vertritt, an Gott glaubt
oder nicht; ob er eine schwarze, weiße oder gelbe
Hautfarbe hat; ob er Muslim, Jude oder Christ ist;
ob er Zen meditiert, in seiner Freizeit auf schamanistische Schwitzbäder schwört oder sich sufistischer Mystik hingibt.
Das ist das Faszinierende an Wissenschaft:
Irgendwo auf der Welt erkennt irgendjemand
etwas, er veröffentlicht das in einer wissenschaftlichen Zeitschrift oder einem Buch. Wissenschaft
bedeutet dann: Jeder andere, der vom Fach ist,
muss das nachvollziehen können; überprüfen
können, vorausgesetzt er hat die Möglichkeiten
dazu. Das, was als wissenschaftlich anerkannt
werden können soll, muss gelten, unabhängig
von der religiösen, weltanschaulichen Position,
von der politischen Haltung und den persönlichen Motiven. Ich kann nicht einfach deshalb
etwas ablehnen, weil es jemand sagt, den ich
nicht mag; der mein Kontrahent ist; den ich
nicht anerkennen will. Wenn ich Stellung
nehmen will, muss ich Gründe nennen.
Deshalb hat Wissenschaft – im Prinzip – einen
so guten Ruf. Natürlich wird auch hier immer
wieder gemogelt. Aber es spricht doch für das
Prinzip und Unternehmen Wissenschaft, dass
Wissenschaftler bisher immer wieder in der
Lage waren, solche Mogeleien aufzudecken.
Auferstehung – die Mitte des christlichen Glaubens
Was sagt nun Wissenschaft zum Mittelpunkt
des christlichen Glaubens? Diese Frage ist nicht
nur deshalb interessant, weil viele Menschen
Wissenschaft vertrauen, sondern weil hier die
zwei Instanzen aufeinandertreffen, die für
Menschen besondere Bedeutung haben: vernünftige, kritische, belastbare und vertrauenswürdige Erkenntnis(weise) einerseits und
(Glaube an) Gott andererseits. Dabei geht
es um die zentrale Frage des christlichen
Glaubens. Paulus sagt ganz deutlich: Wenn
Jesus nicht auferstanden ist, dann könnt ihr
euren Glauben vergessen (1.Kor 15,14.17).
Die Auferstehung Jesu, komplett mit leerem
Grab und Erscheinungen vor ehemaligen
Jüngern und Gegnern, ist der Nagel, an dem
der christliche Glaube hängt. Nichts weniger
wird hier ja behauptet, als dass es Gott gelungen sei, in die Mauer universaler, allgegenwärtiger, nirgendwo zurückgedrehter, nirgendwo
durchbrochener Herrschaft des Todes eine
Bresche zu schlagen. Und die Hoffnung der
Christen ist: Wenn es einen Gott gibt, und
was sollte Gott mehr auszeichnen als seine
Herrschaft über den Tod? – Wenn es also einen
Gott gibt, der das in Jesus konnte, dann kann
dieser Gott auch mich eines Tages dem Tode
entreißen; dann ist auch mein Schicksal: mein
dauerhafter Tod nicht einfach besiegelt.
Paulus zitiert in seinem ersten Brief an die
Gemeinde in Korinth eine uralte Überlieferung
über Ostern, in der viele Zeugen summiert
werden, von denen viele noch leben, und er
fordert geradezu auf: Wenn ihr Zweifel habt,
dann geht doch hin und fragt sie. Das ist geradezu eine Anweisung auf historische Überprüfung
(vgl. 1.Kor 15,1–6).
Genau hier gibt es aber ein doppeltes Problem:
1. Soll ich das wirklich glauben, oder besser:
Darf ich das mit einem vernünftigen Verstand
akzeptieren, dass Jesus auferweckt worden ist?
Ist das nicht gegen eherne Naturgesetze?
Widerspricht das nicht der Wissenschaft?
Ist das nicht unmöglich?
2. Kann die Wissenschaft denn das bestätigen,
einholen, dass Gott hier gehandelt hat?
grundsätzlich
Das Neue Testament lässt keinen Zweifel daran,
dass die Auferstehung Jesu aus den Toten nach
Auffassung der Osterzeugen wirklich und wahrhaftig passiert ist. „Der Herr ist wirklich auferstanden“, so bekennen es die nach Jerusalem
zurückkehrenden Jünger von Emmaus (Lk 24,34).
Was auch soll man anders glauben, was soll man
denn vernünftigerweise anders annehmen, wenn
denn gilt:
1. Jesus ist wirklich gestorben. Das war kein
Scheintod. Die Römer haben schon gewusst,
wie sie sicherstellen können, dass Gekreuzigte
lange leiden und wirklich sterben.
2. Das Grab war und ist leer. Das geben ja selbst
die Feinde des jungen Christentums zu (Mt 28).
3. Es gibt unabhängig voneinander eine ganze
Reihe von Erscheinungen vor ehemaligen Jüngern und Gegnern, die in dem Auferstandenen
den wiedererkennen, der zwar jetzt ganz anders
ist, der aber doch unverkennbar dieser Jesus aus
Nazareth ist.
Widerspricht die Osterbotschaft den
Naturgesetzen?
Antwort zu 1.: Wissenschaft hat grundsätzlich
nur beschreibenden, aber nicht vorschreibenden
Charakter. Sie beschreibt die Natur, wie sie ist,
die Geschichte, wie sie de facto verläuft. Aber sie
schreibt der Natur nicht vor, wie sie zu sein hat.
Sie sagt der Geschichte nicht, wie sie hätte verlaufen müssen. Das wäre ja auch nicht sehr vernünftig, sondern recht skurril, wenn wir den
Dingen vorschreiben könnten und wollten, wie
sie zu sein haben, statt umgekehrt nachzuvollziehen, wie sie sind. Ob also etwas möglich (gewesen) ist oder nicht, eine solche Frage zu beurteilen, liegt grundsätzlich – aus philosophischen
Gründen – jenseits der Kompetenz von Wissenschaft. >>>
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
„Der Herr ist wirklich auferstanden!“
21
grundsätzlich
Sie kann höchstens sagen: Dieses Phänomen haben
wir bis jetzt noch nicht beobachtet. Die Geschichtswissenschaft, selbst die Physik nimmt aber lauter
singuläre Ereignisse wahr, die unsere Weltsicht
immer wieder ändern.
Wir kämen in unserer Erkenntnis der Welt nicht
weiter, wenn wir uns irgendwann hinstellen und
sagen würden: Wir wissen jetzt, wie die Welt
beschaffen ist. Wir lassen uns jetzt nicht mehr
beirren, gleichgültig, was wir wahrnehmen.
Die Wissenschaft kann nicht einfach sagen:
Das und jenes gibt es nicht. Dann würde sie
lächerlicherweise der Wirklichkeit wieder vorzuschreiben suchen, wie sie zu sein hat. Umgekehrt
wird ein Schuh draus: Wissenschaft muss sich
nach der Wirklichkeit richten und eventuell ihr
Bild von der Welt, wie sie ist, ändern. Und genau
das ist ja die These der Osterbotschaft: Hier hat
sich nicht nur etwas in der Welt verändert; hier
hat Gott die Welt selbst verändert: in der Durchbrechung der Herrschaft des Todes, des universalen Verendens von allem und jeden. Die Frage
ist natürlich, ob die – in diesem Falle historischen
– Gründe, die mich zu einer bestimmten Aussage
bewegen, zuverlässig sind.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Warum die Wissenschaft von Gott
nichts wissen kann
22
Antwort zu 2: Wissenschaft lebt davon, dass sie
von der Gottesfrage absieht; dass sie die Gottesfrage zurückstellt. Würde sie Gott als Erklärung
zulassen, wären ihre Erkenntnisse nicht mehr
„allgemeingültig“. Dass die Brücke hält, weil
Allah sie hält, ist vielleicht für einen Muslimen
eine akzeptable Erklärung, für andere aber nicht.
Alle, die nicht an Gott glauben, müssten sie von
vornherein ablehnen. Wissenschaft will nicht
erklären und herausfinden „was die Welt im
Innersten zusammenhält“. Sie kann und will
nicht wissen, was „hinter den Dingen steht“.
Sie kann und will keine Philosophie sein oder
gar religiöse Antworten geben. Darum beschränkt
sie sich auf das Vordergründige, das, was sich mit
bestimmten Mitteln konsensfähig erkennen lässt.
Als Wissenschaft beliebt sind darum v. a. die
Naturwissenschaften, in denen es im Wesentlichen darauf ankommt, zu zählen.
Es gibt eine philosophische Disziplin, die sich
mit dem Wesen und mit der Eigenart von wissenschaftlicher Erkenntnis beschäftigt. Das ist
die Wissenschaftstheorie. Sie formuliert klar:
Wissenschaft schließt nicht Gott aus. Das kann
sie ja gar nicht. Der liegt jenseits ihrer Erkenntnisinteressen und -möglichkeiten. Sie schließt
nicht Gott aus, sondern die Gottesfrage. Sie
abstrahiert von dieser ganzen Dimension, die
wir als weltanschaulich, religiös, metaphysisch
bezeichnen. Sie beschreibt, wie sich ein Vorgang ereignet hat. Aber ob ein Gott dahintergestanden hat oder ob das ein blinder Zufall war
oder Karma, das weiß sie nicht. Das kann sie
nicht messen und nicht beobachten.1 Da wird
ein Mensch überraschend gesund, und Medizin
kann beschreiben, wie der Ausgangs- und
der Endzustand war; sie hat womöglich auch
Zwischenzustände gemessen und beobachtet,
wie sich etwas verändert hat. Aber warum
ein Mensch gesund geworden ist, ob das ein
Wunder war, bei dem Gott eingegriffen hat,
dazu kann sie nichts sagen. Wenn ein Vorgang
sehr unwahrscheinlich ist, dann kann sie das
feststellen; sie kann diesen Vorgang aufzeichnen, mathematisch dokumentieren; aber sie
weiß eben nicht, warum dieser Vorgang eingetreten ist. Das kann ein Wissenschaftler als
Wissenschaftler nicht sagen. Da Wissenschaft
in ihren Aussagemöglichkeiten und der Reichweite ihrer Erkenntnis sehr beschränkt ist,
weiß sie dazu nichts zu sagen. Das zu beurteilen, ist dann vielmehr Aufgabe der Philosophie
oder der Religion, der Metaphysik.
1 Die Wissenschaftstheorie spricht davon, dass wir es
mit einem bloß methodischen, nicht aber mit einem
dogmatischen Atheismus, also mit einem Atheismus als
Position zu tun haben. Nicht Gott wird ausgeschlossen.
Im Gegenteil! Nur die Gottesfrage wird ausgeschlossen.
Wir stehen hier vor den – selbstgesetzten –
Grenzen von Wissenschaft und auch vor
der Tragik von Wissenschaft: Obwohl ihre
Erkenntnis so verlässlich ist, hat sie für uns
so relativ wenig Bedeutung. Zu Gott, dem Sinn
des Lebens, der Herkunft des Bösen – zu alledem kann sie und will sie nichts sagen. Man
muss natürlich eigentlich genau andersherum
formulieren: Weil ihre Verfahren und Erkenntnisse für alle akzeptabel sein müssen,
darum abstrahiert sie von den eigentlich interessanten und wichtigen, ja zentralen Fragen
und kann darum auf diese Fragen auch keine
Antworten geben. Wissenschaft ist damit nicht
überflüssig. Wenn wir uns als Menschen die
Welt erklären wollen und dafür Religion, Philosophie, Glaube ansetzen, werden wir ja das
wissenschaftliche Wissen nicht vergessen.
Die spannende Frage lautet dann vielmehr:
Welche Religion, welche Weltanschauung kann
diese Welt denn am besten erklären, und gemeint
ist dann die Welt, wie sie die Wissenschaften
beschreiben.
Nachdem wir die Frage nach der Reichweite
von Wissenschaft geklärt haben; nachdem
wir gesehen haben, dass Wissenschaft zur
Gottesfrage nicht direkt, sondern nur indirekt
etwas beitragen kann, wenden wir uns von
hier aus noch einmal dem Osterzeugnis zu.
Historische Wissenschaft kann natürlich nicht
sagen, ob Gott hier am Werk war, aber sie kann
historische Feststellungen treffen. Dazu gehören:
Während und nach der Passion waren die Jünger
am Boden zerstört. Ihre Hoffnungen hatten sich
zerschlagen. Sie mussten Jesus als von Gott
Verfluchten ansehen, weil nach 5.Mose 22,21 f.
gilt: (Von Gott) verflucht ist jeder, der am Holze
hängt. Gerade als fromme Juden war ihnen ihre
Hoffnung genommen.
Am dritten Tag nach der Kreuzigung laufen
genau diese zuvor abgrundtief Entmutigten
und Enttäuschten herum und teilen allen, die
sie treffen, begeistert mit: Jesus lebt.
Das ist das, was wir feststellen können und
was im Prinzip niemand bestreitet, unabhängig
davon, ob er an Gott glaubt oder nicht. Die entscheidende Frage lautet nun natürlich: Was steckt
dahinter? Was ist denn da passiert? Ist da wirklich etwas passiert oder nicht? Ist es gerechtfertigt, mit einem Handeln Gottes zu rechnen?
Oder kann man alles natürlich „erklären“?
grundsätzlich
Erfolg und Tragik von Wissenschaft
Was historische Wissenschaft von
„Ostern“ sieht
Der „historische Rand“ von Ostern
Die Wissenschaft kann zwar nicht direkt etwas
zur Gottesfrage beitragen, aber sie kann uns überprüfbare Gesichtspunkte nennen. Jede Antwort
auf die Frage: Was ist passiert? muss diese
Gesichtspunkte berücksichtigen.
Historisch spricht man vom sog. „historischen
Rand“ der Auferstehung. Damit ist gesagt: Die
Auferstehung selbst ist nicht greifbar. Den Start
der neuen Schöpfung, die Überwindung der
Macht des Todes – all das können wir historisch
nicht sehen. Was wir aber erkennen können,
das sind historische Tatsachen. Wenn die wirklich
feststehen, dann ist das Osterzeugnis des Neuen
Testamentes plausibel. Wenn sie nicht gegeben
sind, dann reicht eine naturalistische, atheistische sog. natürliche Erklärung. >>>
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Wenn ein Ereignis unnatürlich ist, wenn es
nicht normal ist, wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dann kann Naturwissenschaft nur
beschreiben, was passiert ist. Aber wir werden
als fragende und neugierige Menschen gerade
in unserem Staunen und in unserer Überraschung natürlich weiterfragen: Was ist denn
da los? Wer war hier am Werk? Und wir werden
dann philosophische Antworten geben, die den
wissenschaftlichen Befund erklären.
23
grundsätzlich
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
24
Zu diesem historischen Rand gehören drei Elemente:
1.: der Tod Jesu
2.: das leere Grab
3.: die Erscheinungen vor ehemaligen Jüngern.
Wenn alles drei gegeben ist, dann kommt man
an der Osterbotschaft: Gott hat hier gehandelt und
den toten Jesus real auferweckt, kaum vorbei.
Wenn auch nur ein Element nicht stimmt, dann
ist Ostern sicher kein Ereignis der Geschichte,
sondern maximal eine schöne Illusion, allein
in den Köpfen ehemaliger Jünger. Nun gilt aber
und ist Ergebnis historischer Forschung:
1.: Der Tod Jesu ist das am besten bezeugte
Ereignis der Antike.
2.: Dass das Grab Jesu leer war, geben selbst die
Gegner der Christen zu. Würden sie ihnen sonst
Leichendiebstahl vorwerfen (Mt 28,13)? Wie auch
hätten die Osterzeugen von der Auferstehung
reden können, wenn die Gegner parallel dazu
auf das Grab mit dem Leichnam Jesu hätten
verweisen können? Für Juden ist Auferstehung
ohne Leib undenkbar!
3.: Diese Erscheinungen sind nicht als Halluzinationen erklärbar; sie sind keine frommen
Wunschvorstellungen. Sie geschehen unabhängig
voneinander. Plausibel klingt die Skepsis und
die Enttäuschung der Jünger, gegen die sich
Jesus mühsam durchsetzen muss. Schließlich:
Jesus erscheint nicht nur ehemaligen Jüngern,
sondern auch Skeptikern, die ihn zu Lebzeiten
nicht anerkannt haben.
Diese drei Elemente: Tod, leeres Grab und
Erscheinungen machen den historischen Rand
der Auferstehung Jesu aus. Sie beweisen sie nicht,
machen sie aber wahrscheinlich und das Osterzeugnis der ersten Christen plausibel.
Historisch kann man nicht erfassen, was da
passiert ist. Historisch kann man nur die Schale
dieser Geburt einer neuen Welt in unserer alten
greifen. Aber ohne diese Schale, ohne diesen
Rand hätten wir kaum Grund, einer so wenig
plausiblen Botschaft Glauben zu schenken.
Mit dieser Schale, mit diesem Rand gibt es allen
Grund, sich auf die Entdeckungsreise zu machen
und die Wirklichkeit zu erkunden, die an
Ostern gestartet ist; die wir historisch nur
oberflächlich greifen können; die sich uns
aber mehr und mehr erschließt, je mehr wir
uns auf sie einlassen.
• Prof. Dr. Heinzpeter Hempelmann M. A.
54 Jahre, verheiratet, zwei Kinder,
Theologe und Philosoph, leitet das Projekt
„Wachsende Kirche”
grundsätzlich
Das Abendmahl in Emmaus (Mailänder Version), 1606. Pinacoteca di Brera, Mailand · Ausschnitt
Leben, das den Tod besiegt
Die Bedeutung der Auferweckung Jesu in theologischer Perspektive
„Everything depends on the resurrection of the body; otherwise all we have is a Ghost
for a Saviour“ (Thomas F. Torrance).
(Alles hängt ab von der leiblichen Auferstehung, ansonsten hätten wir als Retter
nichts anderes als ein Gespenst)
1. Der Dreh- und Angelpunkt
Im persönlichen wie im gesellschaftlichen Leben
gibt es Krisenmomente, an denen alles hängt,
Momente, die über den weiteren Fortgang und
die rückblickende Bewertung entscheiden.
Die Auferweckung Jesu von den Toten, ihnen
gewiss gemacht durch die Begegnung mit dem
Auferstandenen, war ein Krisenmoment im
Erleben der ersten Jünger. In der Begegnung
mit dem Auferstandenen ging ihnen auf, dass
die Mission Jesu nicht gescheitert ist und der Tod
nicht das letzte Wort hat. In der Begegnung mit
dem lebendig gegenwärtigen Gottessohn ist die
Auferweckung Jesu auch für jeden Christen Drehund Angelpunkt des Glaubens an den lebendigen, sich in der Geschichte offenbarenden Gott.
Dabei ist die Auferstehung mehr und anderes als
lediglich ein Moment im innerseelischen Erleben
der Jünger, die verzweifelt versuchten, dem Tod
Jesu Sinn abzugewinnen. >>>
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
>>>>>>
25
grundsätzlich
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
26
Sie ist vielmehr ein von Gott gewirktes Widerfahrnis, das wir staunend anbeten dürfen und
in dem wichtige Grundaussagen des christlichen
Glaubens zusammen>>> … unserem
laufen. Genau genomGlauben würde ohne
die Gewissheit der Auf- men verschränken sich
erweckung Jesu das
in diesem Geschehen
Entscheidende fehlen.
drei Dimensionen des
Glaubens – und unserem Glauben würde ohne
die Gewissheit der Auferweckung Jesu das Entscheidende fehlen.
2. Die retrospektive Dimension:
„Brannte nicht unser Herz …“
Zwei Jünger, einer von ihnen trug den Namen
Kleopas, machen sich auf den Weg nach Emmaus.
Unterwegs begegnet ihnen – unerkannt – der
Auferstandene und sie erzählen ihm von ihrer
Hoffnung, die mit der Kreuzigung Jesu jäh an ihr
Ende gekommen war: „Wir aber hofften, dass er
Israel erlösen solle“ (Lk 24,21). Hier spüren wir:
Die Jesus-Geschichte wurzelt tief in der lebendigen Glaubensüberlieferung des jüdischen Volkes,
wie sie im Alten Testament bezeugt ist. Sie bedeutet Hoffnung für das Gottesvolk – und doch geht
ihr Wirkungskreis nach Gottes Willen über Israel
hinaus. Israel ist Zeichen für das, was Gott der
ganzen Welt, was er allen Menschen schenken
möchte: die Erfahrung einer Befreiung, die ethnische Grenzen hinter sich lässt, weil sie das Herz
verändert und zu einem Leben aus dem Geist
Gottes beruft und befähigt.
Bereits Hosea fordert dazu auf, sich Gottes richtendem und rettendem Handeln zu unterstellen:
„Kommt und lasst uns zum Herrn umkehren!
Denn er hat zerrissen, er wird uns auch heilen;
er hat geschlagen, er wird uns auch verbinden.
Er wird uns nach zwei Tagen neu beleben, am
dritten Tag uns aufrichten, dass wir vor seinem
Angesicht leben“ (Hos 6,2). Jesus selbst erinnert
daran, dass der Prophet Jona nach drei Tagen und
drei Nächten im Bauch des Fisches wieder ans
Licht kam, und bezieht sie auf sich (Mt 12,40).
Der Tod ist nicht das Ende. Golgatha durchkreuzt nicht Gottes Absichten. Vielmehr führt
das Kreuz, der Sühnetod Jesu, in ein Dunkel,
das vom Licht des Ostermorgens erhellt wird.
Musste nicht das Herz der Jünger brennen,
als ihnen der Auferstandene die Augen öffnete
für die Schriften, mit denen sie doch schon so
lange vertraut waren?
Der Rückblick auf das Alte Testament ist wichtig.
Er öffnet uns die Augen für die Treue Gottes.
Gott erweist sich als treu in der Geschichte.
Er schenkt seinem Volk
nicht nur Erfahrungen
>>> Der Rückblick auf
das Alte Testament
der Befreiung und des
erschließt auch das
Neuanfangs, er schenkt
ketogorial Neue im
ihm vor allem den
Handeln Gottes.
Messias, in dessen
Geschick die Hoffnungen Israels zur Verheißung für alle Völker werden. Gott erweist sich
auch darin als treu, dass er als Schöpfer des
Lebens der Macht des Todes entgegentritt.
Schließlich wird auch erst vor dem Hintergrund
des Verständnisses der Auferstehung in den
späten Texten des Alten Testaments und des
Frühjudentums verständlich, dass es sich bei der
Auferstehung Jesu um eine leibliche Auferstehung
handelte. Denn obwohl es zur Zeit Jesu ein gewisses Spektrum an Vorstellungen darüber gab,
was einem Menschen nach seinem Tod widerfährt, war der Begriff „Auferstehung“ doch
eindeutig mit der Vorstellung belegt, dass der
Verstorbene von Gott in ein qualitativ neues,
freilich leibgebundenes Dasein gerufen wurde.
Für den Gedanken eines körperlosen Weiterlebens standen andere Ausdrücke zur Verfügung. Wir dürfen daher davon ausgehen, dass
die Jünger ihre Erfahrung begrifflich präzise
wiedergegeben haben und mit „Auferstehung“
nicht den Eindruck bezeichneten, dass die Sache
Jesu irgendwie weitergehe.
3. Die reflexive Dimension: Lebendig
gemacht mit Ihm
Begegnung mit dem Auferstandenen ist immer
auch lebensverändernd. Die Begegnung mit
Jesus Christus ist Befreiung zum Leben, bedeutet den Aufbruch in ein neues, in manchem
noch unbekanntes Land. Diese Befreiungser-
Auferweckung zum ewigen Leben ist ein dem Menschen
unverfügbares Widerfahrnis. Die Jünger rechneten
nach dem Tod Jesu nicht mehr damit, ihm als
Lebendigen zu begegnen. Die Begegnungen mit
dem Auferstandenen widerfuhren ihnen, wurden
ihnen als etwas für sie Unverfügbares zuteil.
„Er erschien ihnen“, „er wurde gesehen“, heißt es
verschiedentlich im Neuen Testament. Dies sind
– bereits im Alten Testament – Ausdrücke für das
sich Offenbaren Gottes. Wenn Gott sich offenbart, dann liegt die Aktivität ganz bei ihm.
Nur Gott, der durch sein Wort aus dem „Nichts“
schafft, kann das für ihn Tote zu neuem, ewigem
Leben erwecken. Die Erfahrung, in der Begegnung mit dem Auferstandenen aus den Bindungen der Gottesferne und Selbstsucht zu einem
Leben aus dem Geist Gottes befreit zu werden,
verdankt sich den Möglichkeiten und dem Willen
Gottes. „Was bei den Menschen unmöglich ist,
das ist möglich bei Gott“ (Lk 18,27). >>>
grundsätzlich
fahrung hat eine ganze Anzahl von Facetten,
von denen ich nur einige nennen kann:
Die Auferweckung Jesu bezeugt den Sieg Gottes
über Sünde und Tod als den
>>> Die Begegnung
Menschen versklavende
mit Jesus Christus
Mächte. Hatte Gott im
ist die Befreiung
Opfertod seines Sohnes
zum Leben.
die Schuldfrage geklärt, so
erweist sich in der Auferweckung Jesu auch die
Machtfrage als entschieden. Gott bricht die
Stricke des Todes entzwei, er proklamiert des
Todes Tod und offenbart seine das Böse besiegende Lebensmacht.
Weil Christus von den Toten auferweckt wurde,
kann der Tod hinfort nicht mehr über ihn herrschen (Röm 5,9). Vielmehr ist der Tod als von
Gott und seiner Herrlichkeit trennende Macht
überwunden. Wer sich der Herrschaft Jesu unterstellt, der hat teil an diesem Sieg.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Wenn Gott Menschen ins Leben ruft, dann sind
sie zur Verherrlichung, nicht zur Vernichtung
bestimmt. Gott bekräftigt dies in einer für die
Zeitgenossen Jesu überraschenden Weise, indem
er nämlich einen Einzelnen, Jesus, von den
Toten auferweckt.
Der Rückblick auf das Alte Testament erschließt
auch das kategorial Neue im Handeln Gottes.
Die Israel gegebenen Messias-Verheißungen
finden ihre Erfüllung in dieser einen geschichtlich-konkreten Person: in Jesus von Nazareth.
Was Jesus in Wort und Tat bezeugt, das bestätigt
Gott, indem er Jesus aus dem Grab auferweckt:
Dieser und kein anderer ist der eingeborene Sohn
und Herr über alles. So ist die Auferweckung
machtvolle Rechtfertigung und Bestätigung
der Sendung und der Person Jesu.
27
grundsätzlich
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
28
Das Auferstehungsleben Jesu wird uns durch die
Taufe zugeeignet. Die christliche Taufe auf den
Namen des dreieinigen Gottes wird empfangen.
Sie ist kein Selbstfabrikat. Wer auf das eigene
Begehren hin getauft wird, der unterstellt sich
bewusst dem Herrschaftsanspruch Gottes. Die
Taufe wird im Glauben als ein Sterben erlebt:
Was nicht zu Gottes neuer Welt passt, das muss
sterben, das muss im Wasser der Taufe ertränkt
werden. Die Taufe ist aber auch ein Auferwecktwerden zu neuem, unvergänglichem Leben.
Wer loslässt, was er doch nicht festhalten kann,
der empfängt, was er nicht verlieren kann: eine
lebendige Hoffnung und das Erbe des ewigen
Lebens (1.Petr 1,3). Diese Hoffnung ist ein Gemeinschaftsgut. Sie kann – wie auch die Taufe
ganz praktisch zeigt – nur in der Gemeinschaft
empfangen und gelebt werden.
Auferstehungsleben ist gemeinsames Leben,
gemeinsames Unterwegssein.
Die Auferweckung Jesu eröffnet und verbürgt den
unwiderruflichen Zugang zum Vaterherzen Gottes.
Jesus verbindet alle, die ihm vertrauen, mit dem
Herzen des liebenden Vaters. Er tritt für uns ein,
ist sozusagen unsere „ständige Vertretung“ vor
Gott (Röm 8,34). So können wir in der Gewissheit leben, dass unser kleines Leben dem großen
Gott gegenwärtig, dass es ihm nicht gleichgültig
ist. Dass Jesus uns vor dem Vater vertritt, ist aber
auch ein Hinweis auf unsere Bedürftigkeit. Wir
brauchen die Fürsprache Jesu, weil auch das neue
Leben durch Unachtsamkeit, Unkenntnis oder
sogar Ungehorsam verdunkelt wird. Vergebung
braucht auch, wer zu Jesus gehört. Je inniger
diese Zugehörigkeit ist, umso mehr wird sich
ein Christ dessen bewusst sein.
Wer Anteil erhält an der Auferweckung Jesu, der ist
zu einem Leben zur Ehre Gottes berufen und befähigt.
Die Auferstehung Jesu hat den Boden bereitet
für ein Leben, das nicht vergeht. In der Natur ist
Sterben das Gegenteil zu Wachsen, Gedeihen und
Fruchtbringen. Ein Drittes dazwischen gibt es
nicht. Die Auferweckung Jesu hat den Boden
dafür bereitet, dass unser Leben Frucht bringt
(Röm 7,4). Das bedeutet, dass das Kreisen um
sich selbst abgelöst wird von der Frage nach
Gottes Willen und Wohlgefallen. Wer Jesus
begegnet ist, der ist „außer sich“. Im Auferstandenen hat das neue Leben seinen Grund,
ja sein Zentrum. Wer sich von diesem Zentrum
her bestimmen lässt, bereitet Gott Ehre. Ehre,
wem Ehre gebührt.
Die Auferweckung Jesu wird zur Leben bestimmenden Wirklichkeit nur für den, der selbst auch aufsteht. Der biblische Befund mutet uns zu, diese
Spannung auszuhalten und mitzutragen. So unverfügbar uns die Teilhabe am Auferstehungsleben ist, so sehr kann der Apostel von uns
verlangen, dass wir uns dem Zuruf des Herrn
nicht entziehen: „Wach auf, der du schläfst,
und steh auf von den Toten, so wird dich
Christus erleuchten“ (Eph 5,14). Wer durch
Gottes Wort zum Leben erweckt wird, der muss
auch wirklich aufstehen und in der empfangenen Kraft Gottes sein Leben gestalten. Und nur
wer dazu bereit ist, kann zum Leben aus Gottes
Geist erweckt werden. Auferweckung (die Bewegung von „oben“) und Auferstehung (die
Bewegung von „unten“) könnte man als die
zwei Seiten einer Medaille verstehen, die Gottes
Souveränität und die Verantwortung des Menschen zu einer Einheit verbinden.
5. Die prospektive Dimension: Die
herrliche Freiheit der Kinder Gottes
Die reflexive Dimension blickt auf das, was
Gott durch die Auferstehung hier und jetzt
schon Gestalt werden lässt. Dabei wird deutlich, dass der Morgen der Ewigkeit in Staunen
erregender Weise angebrochen, das Dunkel aber
noch nicht vollständig gewichen ist. Wir müssen also auch „nach vorne“ schauen. Vielleicht
sollten wir es sogar umgekehrt betrachten:
Was wir schon jetzt im Glauben erfahren können, das ist – in der Perspektive Gottes – das
Dass hier vom „Leib“ die Rede ist, darf nicht
übersehen werden. Die Auferstehung der Toten
ist keine Rückrufaktion Gottes im Sinne des
Aussortierens unbrauchbar gewordener Teile.
Vielmehr ist die Verwandlung des natürlichen
in einen geistlichen Leib
>>> Die Aufer(von dem uns noch die
stehung der
rechte Vorstellung fehlt)
Toten ist keine
Bestätigung der Leiblichkeit
Rückrufaktion
als von Gott geschenkter
Grundgestalt der Schöpfung.
Gottes im Sinne
des Aussortierens Leiblichkeit ist nicht nur
der Beginn, sondern auch
unbrauchbar
gewordener Teile. das Ziel der Wege Gottes.
Erlösung meint die Geistdurchdringung des zur Herrlichkeit erhobenen
Leibes, nicht Vergeistigung auf Kosten der
Leiblichkeit. Und so werden wir vielleicht auch
darüber staunen, was die nichtmenschliche Kreatur
erwartet, wenn die Schöpfung frei wird „von der
Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen
Freiheit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21).
Die Auferstehung Jesu ist ein Wendepunkt
der Geschichte. Sie ist zugleich der Dreh- und
Angelpunkt des christlichen Glaubens. Denn
wie in einem Brennglas bündeln sich hier die
Strahlen göttlichen Handelns in Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft. Hier haben wir das
unverschließbare Fenster des dreieinigen Gottes
zur Welt: Indem Jesus seinem Vater gehorsam
wird bis zum Tod am Kreuz und der Vater seinen
Sohn durch die Kraft seines Geistes aus dem Tode
erweckt, bekommen wir durch eben diesen Geist
Anteil am ewigen Leben. Alles hängt hier an der
Wirklichkeit der leiblichen Auferstehung Jesu.
Ansonsten bleibt uns nur ein Gespenst als Retter
und der Gottesdienst wird zur Geisterstunde.
grundsätzlich
5. Schluss
• Dr. Christoph Raedel
38 Jahre, verheiratet, vier Kinder, ist Dozent
für Evangelische Theologie (Schwerpunkt:
Dogmatik/Ethik) am CVJM-Kolleg und leitet
den Studiengang Theologie berufsbegleitend
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
„Morgen mitten im Heute“, das ist Vorgeschmack auf seine einmal für alle Welt
offenbar werdende Herrlichkeit und Macht.
Wenn Paulus Jesus Christus als „Erstling“ bezeichnet (1.Kor 15,20), dann meint er damit,
dass sich in ihm die Auferweckung aller Menschen am Ende der Zeit vorweg ereignet hat.
Das Ende der Geschichte hat sich hier im Geschick des Gottessohnes vorwegereignet, dieses
Ende muss aber an einem jeden von uns, es
muss an dieser Welt erst noch offenbar werden.
Bis dahin erleiden auch Christen den Tod.
Die Auferweckung Jesu und die allgemeine
Totenauferstehung stehen darin im Zusammenhang, dass Gott sich in ihnen als der Herr
über Leben und Tod erweist. Der Unterschied
liegt jedoch in der konkreten Weise, in der Gott
dies erweist. Beim „Erstling“, seinem Sohn,
vollzieht er die Erweckung an einem gerade
Verstorbenen, sodass gerade die Malzeichen
an seinen Händen zu Erkennungszeichen werden können. Die Auferstehung aller, die zu
Christus gehören, vollzieht sich dagegen nach
Paulus in der Weise einer Verwandlung des
vergänglichen natürlichen in einen unvergänglichen geistlichen Leib (1.Kor 15,44).
29
informativ
Ein Tag im Licht
der Auferstehung
>>>>>>
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
1. Jeder Tag ist ein geschenkter Tag
30
Dieser Satz ist einer jener Sätze, den man für
richtig halten kann, mit dem Kopf nickt und
denkt, so ist es. Ich hab ihn nicht hergestellt.
Ich lebe ihn. Vor fünf Jahren hat sich meine
Wertschätzung zu diesem Satz und zu all den mir
geschenkten Tagen völlig verändert. Ich musste
mich einer Krebsoperation unterziehen. Die spätere Strahlentherapie verlief sehr gut. Das Leben
wurde mir noch einmal geschenkt. Aber seit dieser Zeit hat mein Leben eine andere Intensität
bekommen. Diese Erkenntnis: Jeder Tag ist ein
geschenkter Tag, hat für mich nun eine noch
höhere Bedeutung. Ich lebe die mir verbleibende Restzeit meines Lebens anders. Farben,
Landschaften, Menschen, ich sehe anders.
Musik, Gespräche, ich höre anders. Essen und
Trinken schmecken anders. Das Leben ist wertvoller geworden. Meine Gebete haben andere
Inhalte mit anderen Formen bekommen. Ich
lebe die mir verbleibende Restzeit meines Lebens
nicht einfach runter, sondern sie ist für mich
eine Chance. Das gilt für jeden Menschen.
Wir alle leben von der Restzeit unseres Lebens.
Zeit ist immer vergehende, begrenzte Zeit.
Die Frage ist nur, wie ich sie verstehen und nutzen will? Als Galgenfrist oder als Gnadenzeit?
Gnadenzeit leben bedeutet, Zeit der Hoffnung
zu leben in der Gegenwart des Auferstandenen.
Denn das hat Jesus, der Auferstandene, seinen
Jüngerinnen und Jüngern versprochen. Ohne
Ausnahme, alle Tage in seiner Gegenwart zu
leben. Mt 28,20b: Es ist nicht egal, welche
Sichtweise wir von der begrenzten Zeit unseres
Lebens haben.
3. Jeder geschenkte Tag ist der
Gestaltung würdig
Denn was nützt mir die Anwesenheit des Auferstandenen, wenn ich nicht anwesend bin?
Wie sieht er konkret aus, mein Tag im Licht der
Auferstehung? Wie erreicht Gott meine Existenz?
Wie können Christen Licht der Welt sein ohne
selbst zu verlöschen? Durch Unterbrechung des
Tagesrhythmus. Ein Break ist nötig. Anhalten –
aussteigen – durchatmen – Ruhe finden – dem
Schweigen Raum geben. In solch einer Gebetszeit
muss ich nichts produzieren, keine Ergebnisse
erzielen, keine Andacht oder Predigt schreiben,
sondern ich lasse mich von Gott anschauen.
Entschleunigung, damit Raum wird. Galater 2,20:
„Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus
lebt in mir.“ >>>
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Für viele Menschen ist der Gedanke der Unwiederholbarkeit unerträglich. Sie reagieren
mit Beschleunigung mit dem Wettlauf der Zeit.
Ein geschenkter Tag wird zu einem persönlichen
Kapital erklärt. Er wird zugebaggert. Dann muss
das Leben glücksmaximal gelingen, dann muss
man rausholen, was rauszuholen ist. „Das Leben
als letzte Gelegenheit“, wie es die Soziologin
Marianne Gronnemeyer in einem Buch schreibt.
Menschen rennen in der eigenen Zeittaktung
wie in einem Hamsterrad. Wir können nicht
mehr anhalten und kommen nicht mehr raus.
Am Terminkalender scheiden sich die Geister.
Aber Hallo. Hier liegt die Aura der Bedeutsamkeit. Wer ist wichtig – wer unwichtig? Wer ist
groß – wer ist klein? Gegen solch erbarmungsloses Leben predigen und leben wir das Erbarmen eines gnädigen Gottes mit einem
menschlichen Antlitz. Gott bestätigt Jesus von
Nazareth als den Messias, indem er ihn von
den Toten auferweckt. Damit ist er, herausgetreten aus Raum und Zeit, allen Menschen aller
Zeiten an allen Orten, an allen Tagen gleich nah
zugänglich. Der Glaube im Licht des Auferstandenen Jesus Christus könnte sich als Entschleunigung erweisen.
informativ
2. Jeder geschenkte Tag ist ein unwiederholbarer Tag
31
informativ
Um die Unterbrechung zu gestalten, helfen Rituale.
Ein Ritual ist ein wiederholbarer Vorgang. Ich
muss mir nicht ständig was Neues ausdenken,
sondern ich weiß, wie es geht. Rituale kann man
überall leben: im Flugzeug, im Büro, im ICE,
in einem Café, dazu braucht man keine sakralen
Räume, Andachtsräume oder Kirchen. Wenn
man sie hat, ist es super. Z. B. ein Mitarbeiter der
Landesbank in Stuttgart betet sein Mittagsgebet
in der katholischen St. Eberhard-Kirche. Es kann
hilfreich sein, in seiner Wohnung oder Büro
einen Ort z. B. eine Ikone oder eine brennende
Kerze zu haben. Das ist mein Ort. Rituale – Orte
– Körperhaltungen helfen mir, wirklich präsent
zu sein.
Wenn ich morgens aufstehe, beginne ich den Tag
mit einem Morgengebet. Morgengebete können
unterschiedliche Formen haben. Meins sieht so
aus: Die Meditationssätze können laut oder leise
gesprochen werden.
Morgengebet:
Ich stehe bewusst vor Gott. Achte darauf,
dass ich locker entspannt stehe.
Atme durch.
Meditationssatz: „Aufstehn heißt vor dir stehn
Herr.“
Stehen zu können. Im Lot zu sein.
Stille
Meditationssatz: „Aufstehn heißt vor dir stehn
Herr.“
Stille
Meditationssatz: „Aufstehn heißt vor dir stehn
Herr, denn du stehst zu mir.“
Stille
Was auch heute auf mich zukommt – Du stehst
zu mir.
Stille
(Arme ausbreiten, mit den Handflächen nach
oben)
Meditationssatz: „Aufstehn heißt vor dir stehn
Herr und das Geschenk dieses Tages, der einzig
ist, von dir zu empfangen. Danke für deine
Gegenwart in meinem Leben heute. Amen.“
Hier kann sich eine biblische Textbetrachtung
aus der Tageslese anschließen.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Mittagsgebet:
32
Stille
Auf der Höhe dieses Tages komme ich zu dir
Herr und bete dich an. Danke dir für alles,
was heute schon war, an Schwierigem und
an Leichtem. Ich bitte dich um deinen Segen
für die weitere Zeit des Tages.
Stille
Weiterer Gebetsimpuls: EG 457 Verse aus dem
Lied von Jochen Klepper.
Der Tag ist seiner Höhe nah. Nun blick zum
Höchsten auf, der schützend auf dich niedersah in jedes Tageslauf.
Wie laut dich auch der Tag umgibt, jetzt halte
lauschend still, weil er, der dich beschenkt und
liebt, die Gabe segnen will. (Auch andere Verse
aus diesem Lied sind möglich)
Stille
Abendgebet:
Ein Tag im Licht der Auferstehung. Das Gebet
ist der Raum der Kommunikation zwischen Gott
und Mensch. Darum ist beten mehr als Verse
aufsagen oder Wunschlisten rüberschieben,
sondern beten ist auch schweigen und hören.
Meinen Tag in der Gegenwart des Auferstandenen Jesus Christus leben, da kann ich nicht
stumm bleiben, da mach ich den Mund auf
und rede mit ihm.
vormals Landesjugendreferent, Studienleiter
der Tagungs- und Bildungsstätte Bernhäuser
Forst, Spiritual, ehrenamtliche Mitarbeit im
Förderverein
informativ
• Manfred Bletgen
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Stille
Durchatmen
Ich führe mir vor Augen: Gott ist gegenwärtig.
Ich bin da vor ihm.
Ich schaue auf den Tag zurück.
Welche Erfahrungen und Begegnungen?
Was hat mich beschäftigt? Was war belastend?
Was hat mir gut getan?
Stille
Ich danke Gott für alles Gute. Ich lege alles
Belastende vor Gott hin. Bitte um Vergebung
und Verwandlung.
Stille
Abschlussgebet
Diesen Tag, Herr, leg ich zurück in deine
Hände, denn du gabst ihn mir. Du Herr bist
doch der Zeiten Ursprung und ihr Ende, ich
vertraue dir. Amen.
33
informativ
Auferstehung der Toten –
Hoffnung voller Attraktivität!
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Warum die christliche Perspektive zugleich vernünftig ist
34
„Ich glaube an die Auferstehung der Toten und
ein ewiges Leben.“ Das bekennen Christen mit
den Worten des Apostolischen Credo in jedem
Hauptgottesdienst. Als ich Konfirmand war, hieß
es noch: Ich glaube an die Auferstehung des
Fleisches. Man hat diese wörtliche Übersetzung
des ursprünglichen Bekenntnistextes geändert,
weil man sie für unverständlich und modernisierungsbedürftig hielt. Mittlerweile aber greift
die Erkenntnis um sich, dass selbst die For-
>>>>>>
mulierung „Auferstehung der Toten“ heutzutage weitgehend unverstanden bleibt.
Als ich vor 20 Jahren die Ergebnisse einer Umfrage
unter Schülerinnen und Schülern verschiedener
bayerischer Schulen vorlegte, illustrierten sie
diesen Sachverhalt. Erstens war es nur eine
Minderheit der Kinder und Jugendlichen, die
den Gedanken an ein Leben nach dem Tod
damals mit der Vorstellung und dem Begriff
Als „christlich“ lässt sich immerhin der Grundgedanke der Unsterblichkeit der Seele ansehen:
Für ihn sprechen nicht nur einzelne Bibelstellen (z. B. Mt 10,28), sondern ihn stützt
die neutestamentlich begründbare Annahme,
dass der Gott der Liebe seine Geschöpfe auch
im Tod nicht einfach loslässt. Sogenannte
„Ganztod“-Theorien oder Theologien sind
zwar beliebt, aber in sich höchst fragwürdig.
1 Wolfhart Pannenberg: Grundzüge der Christologie,
Gütersloh 19765, S. 78 f.
Der Zeitgeist weht dem christlichen Hoffnungsbekenntnis indessen regelrecht ins Gesicht.
Ähnlich war das freilich schon in den Anfangszeiten des Christentums. Hatten nicht die
philosophisch bewanderten Athener für die
paulinische Auferstehungsbotschaft einst kaum
mehr als Spott übrig, wie in Apostelgeschichte 17
berichtet wird? Für aufgeklärte Zeitgenossen der
(Post)Moderne gilt das nicht minder.
Die 2003 verstorbene Theologieprofessorin
Dorothee Sölle nennt die „Auferstehung der Toten“
ein „märchen aus uralten zeiten, das kommt dir
schnell aus dem sinn ...“. Der Theologe Helmut
Groos etwa bestreitet ausdrücklich, dass sie dem
intellektuellen Gewissen noch zugemutet werden
könne. Seine Kritik richtet sich vor allem auf
den „apokalyptischen“ Gehalt christlicher Hoffnungslehre, also auf Auferweckung der Toten,
das Jüngste Gericht und die Erneuerung der Welt:
„Die christliche Zukunftshoffnung ist, soweit wir
denkend zu urteilen haben, nicht mehr statthaft,
in keiner Hinsicht.“
Gewiss kann sich Groos auf so manche Theologen berufen, die die apokalyptischen Zukunftsbilder des Neuen Testaments tatsächlich als
mythologisch und heute „völlig passé“ bezeichnet haben. Doch halten andere zeitgenössische
Theologen diese apokalyptischen Hoffnungsgehalte für keine preiszugebende Mythologie. Insbesondere der namhafte Systematiker Wolfhart
Pannenberg ist hier zu nennen. Er betont:
„Mögen die apokalyptischen Vorstellungen vom
Weltende auch in vielen Einzelheiten hinfällig
sein, so könnten doch ihre Grundzüge, die Erwartung einer Auferstehung der Toten in Verbindung
mit Weltende und Endgericht, auch für uns wahr
bleiben.“1 >>>
informativ
Doch das gilt keineswegs generell für jede
Hoffnung über den Tod hinaus. Vielmehr hat
in unserer Gesellschaft der Jenseitsgedanke seit
gut einer Generation wieder an Attraktivität
gewonnen. Namentlich die Seelenwanderungsidee kann selbst hier im Westen immer mehr
Anhänger verbuchen. Statistisch dürfte der
Gedanke, wieder auf die alte Erde zurückkehren
zu müssen oder zu dürfen, inzwischen die
stärkste Zukunftshoffnung über den Tod hinaus
in Deutschland sein. Christlich ist das jedenfalls nicht gedacht: Reinkarnation ist in der
Bibel kein Thema und gehört in den Sinnzusammenhang bestimmter nichtchristlicher
Menschen- und Gottesbilder.
Die Auferstehungshoffnung ist vernünftig
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
der Totenauferstehung überhaupt in Verbindung brachte. Zweitens ergab sich eine kontinuierliche Linie: Mit zunehmender Annäherung an das Er>>> Um die Attraktivität des
wachsenenalter
christlichen Hoffnungsbenahm der
kenntnisses ist es in unserer Glaube an die
Gesellschaft schlecht bestellt. Auferstehung
der Toten immer
mehr ab. Das Ergebnis dürfte heute kaum besser aussehen – im Gegenteil! Die Annahme
ist begründet, dass es um die Attraktivität des
christlichen Hoffnungsbekenntnisses in unserer
Gesellschaft schlecht bestellt ist.
35
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
informativ
Geht es doch bei der Auferstehungshoffnung
„um das Fundament des christlichen Glaubens“!
Pannenberg unterstreicht: „Reich Gottes und Auferstehung der Toten – das sind nicht abstruse
Traumbilder antiker Autoren oder dem natürlichen Verstehen entzogene Offenbarungswahrheiten; es handelt sich auch nicht um Verheißungen, die nur in einer losen und zufälligen
Beziehung zur Lebensproblematik des Menschen
stehen, sondern diese beiden Gedanken, Reich
Gottes und Totenauferstehung, sprechen die
Bedingungen für die Vollendung der menschlichen Bestimmung aus.“2
36
Lässt sich dies erhärten, so gerät die Berufung
aufs intellektuelle Gewissen für die entmythologisierende Abweisung der christlichen
Universalhoffnung bei Helmut Groos und anderen unter Ideologieverdacht. Als ob alternative
Hoffnungen oder Verzweiflungen mehr für sich
hätten als die Hoffnung auf den Schöpfer des
Alls! Der Philosoph Friedrich Nietzsche beispielsweise argumentiert, dass das Denken kein Letztes
denken kön>>> Als ob alternative Hoffnungen ne, weil es
oder Verzweiflungen mehr für sich dann ein
hätten als die Hoffnung auf den
Jenseits
Schöpfer des Alls.
seiner selbst
denken
müsste, damit aber schon aufgehört hätte zu denken. Diese Überlegung mündet bei ihm in die
Idee der ewigen Wiederkehr des Gleichen – und
damit in die Wiederbelebung eines uralten Mythos!
Tatsächlich garantiert das Bestreben der Vernunft,
den Mythos zu eliminieren, noch keineswegs, dass
man dessen Strukturen damit wirklich entkommt.
Laut Pannenberg eröffnet die nach vorn gerichtete Struktur der Vernunft durchaus den Raum für
ein Reden des Glaubens von einer letzten Zukunft
2 W. Pannenberg: Die Auferstehung Jesu und die Zukunft
des Menschen, in: ders., Grundfragen systematischer
Theologie. Gesammelte Aufsätze Bd. 2, Göttingen 1980,
S 174-187, bes. 180 f.
3 W. Pannenberg: Systematische Theologie I, Göttingen
1988, S. 66.
des Einzelnen, der Menschheit und der Welt im
Ganzen. Das Bekenntnis zur Hoffnung auf die
Auferstehung der Toten erweist sich somit
nicht mehr als vernunftwidrig“. Unredlich sind
demgegenüber mancherlei anmaßende Behauptungen, denen zufolge es sich aufgrund rationaler oder weltbildlicher Strukturen intellektuell
redlichem Denken prinzipiell verbieten würde.
Freilich wird dieses Bekenntnis erst dann „nicht
mehr strittig sein, wenn es allgemeine Erfahrung
sein wird, dass die Toten auferstehen.“3
Keine dingliche Auferstehungshoffnung
Die biblische Hoffnung auf die Auferstehung
der Toten ist keine dualistische Jenseitshoffnung.
Sie ist geschichtlich – unter Einflussnahme
persischer Apokalyptik – aus der alttestamentlichen Prophetie erwachsen. Nicht eine himmlische Dimension für die Toten, sondern deren
Neuberufung ins Leben, in Gottes irdische
Schöpfung, in ein vervollkommnetes Dasein
4 Wie das theologisch gedacht werden kann, zeige ich in
meiner Dissertation „Auferstehung der Toten“ (1991) und
in dem auch ins Spanische übersetzten Buch „Der gekreuzigte Sinn“ (2007, 12. Kapitel).
• Prof. Dr. Werner Thiede
54 Jahre, außerplanmäßiger Professor für
Systematische Theologie an der Universität
Erlangen-Nürnberg und Referent beim
Regionalbischof im Kirchenkreis Regensburg.
Zahlreiche Publikationen.
informativ
Ihre Verbreitung bereits im vorchristlichen
Judentum hat durch die Botschaft von der
Auferweckung Jesu ihre grundsätzliche Bestätigung gefunden. Mit dem Ostergeschehen
setzte eine Dynamik ein, die nicht weniger
bedeutete als die spirituelle Vorwegnahme der
künftigen Totenauferstehung – in der gegenwärtigen Verbindung mit dem Auferstandenen.
Christen verstehen sich deshalb als „wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung durch
die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“
(1.Petr 1,3). Gegenüber einer zu dinglich-irdischen Deutung des Auferstehungsgeschehens
hat sich dabei insbesondere dank der Argumentation des Apostels Paulus im jungen Christentum ein tiefsinnigeres Verständnis dieser Hoffnung herauskristallisiert. Man wusste nun zu
unterscheiden: „Es gibt himmlische Körper und
irdische Körper … Es wird gesät verweslich und
wird auferstehen unverweslich“ (1.Kor 15,40.42).
So besteht auch eine gewisse Differenz zwischen
Jesu Auferstehung innerhalb des irdischen
Zeitlaufs und der allgemeinen Auferstehung
im Umbruch zur Ewigkeit. Letztere vollzieht
sich nicht an Leichen oder ihren „Resten“.
Vielmehr wird sich im Zuge der universalen
Neuschöpfung zeigen, dass wir eine ewige
Behausung im Himmel haben (2.Kor 5,1).4
Davon lässt sich letztlich nur in Bildern und
Symbolen reden, die auf Gottes heilvolles
Handeln an seiner gesamten Kreatur hinweisen.
Insgesamt ist die christliche Hoffnung auf die
Auferstehung der Toten so groß, dass über sie
hinaus eine größere nicht gedacht werden kann.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
auf einer neuen Erde unter einem neuen Himmel
kommt schließlich in den Blick, wenn von der
Auferstehung der Toten die Rede ist. Die heute
mythologisch anmutende Vorstellung einer
Wiederbelebung von Leichen aus ihren Gräbern
heraus war zunächst das Leitbild für diese umfassende Hoffnung.
37
Wenn Christus nicht auferstanden wäre
Der Herr ist auferstanden.
Er ist wahrhaftig auferstanden.
informativ
Wenn Christus nicht auferstanden wäre,
könnten wir zu Hause bleiben.
Der Pfarrer predigte doch nur am Leben vorbei.
Wenn Christus nicht auferstanden wäre,
kämen wir zum Gottesdienst
wie zu einem gesellschaftlichen Ereignis.
Wir könnten uns amüsieren.
Wir könnten uns langweilen –
Verwandelt würde bei alledem nichts.
Wenn Christus nicht auferstanden wäre,
müssten die Prediger als Lügner bestraft werden –
oder man sollte sie zur Belustigung ausstellen.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Wenn Christus nicht auferstanden wäre,
lohnte es nicht, dem Nachbarn nachzugeben.
Ein Schlag ins Gesicht würde eher zeigen,
wer stark ist.
38
Wenn Christus nicht auferstanden wäre,
müsste die Gewalt größer geschrieben werden
als Liebe,
und Versöhnung bliebe etwas für Sentimentale.
Wenn Christus nicht auferstanden wäre,
gäbe es keinen neuen Anfang,
und jeder Morgen wäre nur die Vorstufe zur Nacht.
• Karl-Heinz Ronecker
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
Aus: Wolfgang Brinkel (Hg), Dein Kreuz ist unser Leben.
informativ
Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten
Als Erstling unter denen, die entschlafen sind.
Gedanken für jeden Tag in der Passionszeit,
Neukirchener Verlagshaus 2001
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
© Gütersloher Verlagshaus GmbH, Gütersloh
39
praktisch – seelsorgerlich
Ostern – die Welt mit
anderen Augen sehen
Die vier Evangelisten als Seelsorger
Die vier Evangelisten schreiben ihre Osterge-
Um das glauben zu können, brauchen wir einen
schichten nicht für die Starken, die Sicheren und
Anstoß von außen: eine Begegnung mit dem
die Selbstbewussten – sondern für die Zweifler
Auferstandenen. Denn sie widerspricht allem,
(Mt), die Furchtsamen (Mk), die Traurigen (Lk)
was wir als selbstverständlich ansehen: Das, was
und Resignierten (Joh). Die Botschaft „Jesus ist
unser Leben zutiefst prägt, ist die Tatsache, dass
auferstanden“ ist eben nicht selbstverständlich,
der Tod alles beenden wird. Das ist eine unum-
sondern muss sich gegen innere – und äußere –
stößliche Wahrheit unseres Menschseins – und
Widerstände durchsetzen. Seien wir ehrlich:
die Auferstehung stößt diese unumstößliche Wahr-
Dass Jesus auferstanden ist, kann man nicht ein-
heit um! Die Evangelisten zeigen uns Menschen.
fach glauben. Und wer das behauptet, hat noch
nicht über die Konsequenzen dieses Glaubens
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
nachgedacht: kein Stein bleibt auf dem anderen,
40
wenn Jesus auferstanden ist!
Unterschiedliche Adressaten
Wie diese Begegnung geschieht, und was dabei
geschieht, berichten die vier Evangelisten auf je
eigene Weise, indem sie uns von Menschen berichten, die diese alles verändernde Lebenserfahrungen gemacht haben. Dabei sind die ersten
Zeugen der Auferstehung Jesu nicht wirklich
>>>>>>>
darauf vorbereitet. Allen Beteiligten ist gemeinsam, dass sie nicht sofort sehen, dass Jesus auferstanden ist und was das für ihr Leben bedeutet. Sie brauchen Zeit, um den Auferstandenen
zu erkennen und die Konsequenzen zu verstehen. Dann aber erfahren sie, dass der Auferstandene ihr Leben verändert, indem er sie
Der Zweifel wird nicht bekämpft, weder durch
Argumente, noch durch Gruppendruck oder
Ausgrenzung. Er wird „auf den Weg mitgenommen“. Auf den Weg mit Jesus Christus zu den
Menschen. Dort hat er Zeit, sich zu verlaufen,
weil die Erfahrungen, die man auf dem Weg
mit dem Glauben und mit der Botschaft macht,
den Zweifel verblassen lassen. Wer den Zweifler
erst zwingen will, seinen Zweifel zu beseitigen,
Markus: „ … denn sie fürchteten sich“ (Mk 16,1–8)
Das Markusevangelium endet seltsam: Die
Frauen, denen der Engel am Grab begegnete,
fürchteten sich und schwiegen – obwohl der
Engel ihnen aufgetragen hatte, die Botschaft
von der Auferstehung Jesu den anderen Jüngern
weiterzusagen (V. 7).1 Der Schluss ist paradox:
Die, die es wissen und sagen sollten, schweigen.
Und doch ist die Tatsache, dass es das Markusevangelium gibt, ein Zeichen dafür, dass dieses
Schweigen durchbrochen worden ist! Die Frauen
sagten aus Furcht die frohe Botschaft nicht weiter
und damit scheint der Glaube an Jesus Christus
endgültig in eine Sackgasse geraten zu sein. Aber
das Markusevangelium (das auch von diesem
Schweigen der Beauftragten berichtet) verkündigt
dennoch das Evangelium und trägt Glaube zu
den Menschen.
Furcht macht stumm. Man traut sich nichts zu
sagen. Und wenn man etwas sagen soll, ist es
doppelt schlimm. Zur Furcht kommt das Gefühl,
schuldig zu sein. Das verschließt den Mund noch
mehr. Die große Entlastung für die Furchtsamen
und Verstummten ist in dieser Abschlussgeschichte des Markusevangeliums: Gott findet
einen Weg! Auch wenn du nichts sagen kannst –
das Evangelium kommt doch zu den Menschen!
Der Auferstandene selbst wird ihnen begegnen
und sie zum Glauben führen. Du kannst vielleicht jetzt nichts sagen, und du musst es auch
nicht. Gott lässt dir Zeit. Irgendwann wird die
Mauer der Furcht fallen. Dann wirst du weitergeben können, was dir aufgetragen ist. Aber bis dahin ist der auferstandene Jesus Christus bei dir. Er
wendet sich nicht ab. Er verurteilt dich nicht. >>>
1 Weil dieser Schluss so unbefriedigend ist, haben spätere
Abschreiber der Schriften des Neuen Testaments die V. 9–20
ergänzt.
praktisch – seelsorgerlich
Matthäus: „... einige aber zweifelten“ (Mt 28,16–20)
Seltsam: Auf dem Höhepunkt des Geschehens,
der Aussendung der Jünger „in alle Welt“, gibt
es immer noch einige, die zweifeln. Zum ersten
Mal (im Matthäusevangelium) begegnen die
elf Jünger dem Auferstandenen auf einem Berg
in Galiläa – dem Schluss- und Höhepunkt des
Evangeliums. Doch ausgerechnet hier sind einige Zweifler unter den Anwesenden. Haben sie
nichts begriffen? Kann man überhaupt noch
zweifeln, wenn der Beweis, der Auferstandene
selbst, unmittelbar vor ihnen steht? Doch man
kann! Und man darf! Denn Jesus tadelt die
Zweifler nicht. Sie werden nicht ausgegrenzt,
von den anderen isoliert, aus Angst, sie könnten die anderen mit ihrem Zweifel anstecken.
Nein, die Zweifler werden mit den Zweifellosen
ausgesandt: „Geht hin und machet zu Jüngern
alle Völker ...“ (V. 18)!
Der Auferstandene kann in seiner Gegenwart
den Zweifel ertragen. Der innere Zwiespalt muss
nicht erst beseitigt sein, bevor Jesus etwas mit
seinen Nachfolgern anfangen kann. Der Zweifel
kann mitgehen, weil Jesus, der Auferstandene,
mit seinen Jüngern mitgeht: „Ich bin bei euch
alle Tage bis an der Welt Ende“ (V. 20).
bevor er ihn ganz akzeptiert, schließt ihn ein
und macht ihm das Glauben schwer. Wer ihn
mitnimmt auf den Weg, so wie Jesus, führt ihn
heraus in die Weite des
Glaubens. Der Zweifel
>>> Der Zweifel weicht
weicht nicht vor Argunicht vor Argumenten
menten zurück, wohl
zurück, wohl aber vor
aber vor Erfahrungen.
Erfahrungen.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
herausfordert, die Welt und das eigene Leben mit
anderen Augen zu sehen. Diese Herausforderung ist jeweils eine andere, je nachdem, in
welcher Sackgasse sich die Jünger befanden.
Die Osterbotschaft trifft auf Menschen, die
ihr gegenüber verschlossen sind: durch Zweifel,
Furchtsamkeit, Traurigkeit oder Resignation.
Alles Sackgassen-Erfahrungen des Lebens. Das
Gefühl, es geht nicht weiter – weil der Zweifel
das Leben versperrt, die Furchtsamkeit das Leben
beengt, die Traurigkeit das Leben einschließt und
die Resignation das Leben ermüdet.
41
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
praktisch – seelsorgerlich
Der Furchtsame braucht Zeit, um Vertrauen zu
schöpfen. Er braucht Begleitung, die ihm den
Druck nimmt. Er muss
>>> Der Furchtsame verstehen, dass nicht alles
von ihm abhängt und sein
braucht Zeit, um
Schweigen nicht einfach
Vertrauen zu
Versagen ist, sondern Ohnschöpfen.
macht. Aber die Erfahrung,
dass das Evangelium Menschen erreicht und zum
Glauben führt, öffnet dem Furchtsamen schließlich den Mund. Auch er wird reden. Mit der Zeit.
Das Evangelium von Jesus Christus ist lebendig,
denn es ist die Botschaft eines Lebenden. Das wird
auch das Gefängnis der Furcht und Sprachlosigkeit
sprengen!
42
Lukas: „... da blieben sie traurig stehen“ (Lk 24,13–35)
Die Geschichte der Emmaus-Jünger ist eine
der bekanntesten Geschichten der Bibel.
Faszinierend erzählt. Ganz nah an unseren
elementaren Lebens- und Glaubenserfahrungen:
Enttäuschung, Fragen, Hören, Erkennen, Umkehren. Die Osterbotschaft ist in diese Erfahrungen eingewoben. Zuerst unbemerkt, dann plötzlich aufblitzend und schließlich bewegend. Das
Wichtigste ist der Weg: Glaubenserfahrungen macht
man „auf dem Weg“ – denn sie sind selbst ein
Weg. Kein Standpunkt, kein Zustand des Wissens,
sondern ein Weg zur Einsicht.
Traurigkeit lässt das Leben
>>> Traurigkeit
stillstehen. Es bewegt sich
lässt das Leben
nichts. Enttäuschte Hoffstillstehen. Es
nungen, wie bei den beibewegt sich nichts. den Jüngern auf dem Weg
nach Emmaus, schneiden
von der Vergangenheit ab (V. 21) und blockieren
den Weg in die Zukunft. Nichts trägt mehr, also
wird man starr. Es fehlt der rote Faden im Leben
und im Glauben. Nichts geht mehr. Die Sackgasse
der Ernüchterung und des Kleinmutes.
Der auferstandene Jesus Christus führt die Jünger
aus dieser Sackgasse der Traurigkeit heraus auf
einen neuen Weg. Zuerst unbemerkt: Reden
dürfen sie. Die Enttäuschungen ausdrücken.
Sich aussprechen. Ohne Druck, nur gelenkt
durch aufmerksames Fragen, gehen sie, die die
Traurigkeit stillstehen ließ, weiter. Und dann
zeigt Jesus ihnen ein neues Verständnis. Einen
neuen Schlüssel für ihre Erfahrungen: Könnte
es nicht auch anders sein? Ist das, was ihr als
Enttäuschung erlebt habt, nicht in Wirklichkeit
das Ziel? „Musste nicht Christus dieses erleiden“ (V. 26)? Zwei Schritte aus der Sackgasse
der Traurigkeit: sich aussprechen dürfen und
einen neuen Schlüssel zu den Erfahrungen
bekommen. Das Gleiche anders sehen können.
Der Auferstandene geht mit. Er lässt ihnen Zeit.
Und lässt ihnen Raum. Doch dann ist da der
Augenblick des Erkennens. Mit einem Mal bekommt alles einen anderen Sinn. Der Schlüssel
passt. Im Rückblick erscheint alles einfacher
als zuvor. Die Trauer bekommt einen Sinn.
Aber ohne den Weg vorher – die Aussprache
und die neue Deutung – gäbe es auch diese
plötzliche Erkenntnis nicht. Erkennen braucht
Vorbereitung und Gelegenheit. Und darum
geht der Auferstandene mit. Er handelt unbemerkt an den Menschen, nimmt ihre Aufmerksamkeit gefangen, verwickelt sie in ein
neues Denken, bleibt bei ihnen, auch wenn
„sich der Tag geneigt hat“ (V. 29) – und weckt
so den Glauben. Die Jünger können glauben,
weil Jesus Christus ihnen Zeit gelassen hat,
den Sinn des Glaubens zu entdecken: Jesus
lebt – und darum lebt der Glaube an ihn!
Johannes: „... in dieser Nacht fingen sie nichts“ (Joh 21,3)
Johannes erzählt mehrere Geschichten, in
denen der Auferstandene Menschen die Tür
zum Glauben öffnet. Greifen wir eine davon
heraus: die Jünger auf dem See Genezareth.
Die Erzählung beginnt mit einem Rückzug,
denn Petrus gibt den anderen Jüngern bekannt:
„Ich will fischen gehen“ (V. 3) – und die anderen kommen einfach mit. –
Die Jünger haben aufgegeben und vor den Tatsachen kapituliert. Das vertraute Leben, bevor
sie Jesus nachgefolgt sind, erscheint besser als
die ungewisse Zukunft, nachdem Jesus gestorben ist. Aus der Sackgasse der Resignation
scheint es nur einen Ausweg zu geben: zurück.
Doch auch ihnen begegnet der Auferstandene,
auch ihn erkennen sie nicht sofort. Ein durchgängiges Motiv in den Ostererzählungen.
nicht nur die Begrenztheit ihrer augenblicklichen
Erfahrung. Es gibt mehr Leben als du siehst!
Das heißt, den Auferstandenen zu erkennen:
Der Lebendige öffnet uns das Leben. Die Auferstehung Jesu ist nicht etwas, was nur ihn
betrifft und das wir, aus der Distanz, beobachten
könnten. Die Auferstehung verändert diejenigen,
denen Gott die Augen dafür geöffnet hat.
Vom Unverständnis über das Ahnen zum Sehen.
Manchmal ein längerer Weg, kein einfacher
Schritt.
decken.
„Jesus ist auferstanden!“ Eine unglaubliche
Botschaft. Selbstverständlich. Alles spricht
dagegen. Unser Wissen. Unsere Erkenntnisse.
Unsere Erfahrungen. Zweifel, Furcht, Trauer,
Resignation versperren uns den Weg. Das
Einzige, was dafür spricht, ist der Einzige,
der uns anspricht: der auferstandene Jesus!
Er begegnet uns, auch in den Sackgassen unseres
Lebens, und öffnet uns, Schritt für Schritt, den
Horizont des Glaubens. Den Blick zum Leben.
Den Blick nach vorne.
• Holger Noack
52 Jahre, verheiratet, drei Kinder, nach dem
Theologiestudium Gemeindepfarrer, seit
1994 Bundesekretär für Mitarbeiterbildung
beim CVJM-Westbund
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Aber auch sie führt er, Schritt für Schritt, zum
Glauben.
„Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so
werdet ihr finden“ (V. 6). Die Herausforderung
des Glaubens – wieder einmal: „Tut das, was ihr
bisher getan habt, aber jetzt im Vertrauen zu
Jesus – und ihr findet! Tut es, weil er es gesagt
hat!“
Resignation bedeutet, das Gefühl zu haben,
an der falschen Stelle zu suchen und nichts
zu finden. Die Netze an der falschen Seite auszuwerfen. Der Auferstandene macht Mut, die
Netze an der anderen Seite des Lebens auszuwerfen. Nicht dort, wo man bisher immer gefischt hat, sondern dort, woran man bisher
nicht gedacht hat. Die neuen Möglichkeiten.
Glauben bedeutet, die anderen Seiten seines
Lebens zu erkennen. Das Unentdeckte, Ungenutzte. Das, was man nie gesehen hat – oder
was man sich nie getraut hat. Im Vertrauen
auf das Wort Gottes gerade dort die Netze auswerfen!
Der Resignierte, der bisher nur einen Weg sah,
den Weg zurück, kann zur Seite schauen und
neue Möglichkeiten entdecken. Von Gott
beschenkt.
>>> Der Resignierte, Das Netz des Lebens wird
der bisher nur
gefüllt. Die Erfahrung, da
einen Weg sah,
ist doch mehr als ich bisden Weg zurück,
her gesehen habe. Gott
öffnet die Augen, damit
kann zur Seite
schauen und neue Menschen den Reichtum
Möglichkeiten ent- des Lebens sehen und
praktisch – seelsorgerlich
Eine Einladung zum Glauben
43
praktisch – seelsorgerlich
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
44
Auferstehung – Impulse für
eine Ikonenbetrachtung
Einführungstext:
Ikonen (griech. Bilder) sind keine Kunstwerke
im klassischen Sinn. Eine Ikone hat ihren
Platz im gottesdienstlichen Geschehen der
Ostkirche, in der Anrufung und dem Lobpreis
Gottes. Damit ist sie Teil der Liturgie. Mit
ihnen und durch sie geschieht Beten. Rowan
Williams, Erzbischof von Canterbury und
Professor für systematische Theologie schreibt
dazu:
„Ikonen weisen uns den Weg; sie laden uns
ein zu einer Reise, fordern uns auf, uns auf
eine Pilgerschaft zu begeben. Sie helfen uns,
Grenzen zu überschreiten, eine neue und verwandelte, in neuem Licht verklärte Welt zu
betreten.“
Besonders die Christusikonen zeigen ein
Leben, das das Licht und die Kraft Gottes
nach allen Seiten hin ausstrahlt. Sie sind
von Menschenhand gemalt, stellen Ereignisse im Licht des Handels Gottes dar und
bedürfen so des Handelns Gottes. Im nachsinnenden Betrachten, im hörenden Beten
laden sie zur Gottesbegegnung ein und
zeigen uns die Welt im neuen Licht,
das in Jesus, dem Christus, aufstrahlt.
Ikonen machen uns darauf aufmerksam,
dass Gott gegenwärtig ist und dass er
in seiner Gnade an uns handelt.
>>>>>>>
In der Mitte steht Christus, umgeben von
warmen Farben. Er steht auf den Türflügeln
der Höllenpforte, die in der Form des Kreuzes
über dem Abgrund liegen. Zerbrochene Schlösser
und Ketten sind zu sehen. In der linken Hand
ist unter den Ärmeln des Gewandes eine Schriftrolle zu sehen. Auf manchen Darstellungen ist
der Text aus 1.Petrus 3,19 zu lesen: „gepredigt
den Geistern im Gefängnis.“ Die rechte Hand
streckt sich den Menschen des ersten Bundes
entgegen: Adam, Eva und die Propheten. Auf
der linken Seite stehen David, Salomo und
Johannes der Täufer.
Es ist das Bild einer Befreiung. Jesus steigt
hinunter in das Reich des Todes. Er kommt
zu denen, die gefangen sind in der schattenhaften Erkenntnis Gottes. Durch die Berührung
geschieht neue Erkenntnis. Wenn Christus uns
berührt, wird es uns möglich, Mensch zu werden und ein erfülltes Leben zu leben. Die Berührung geschieht nicht einfach nur sanft und
zurückhaltend, sondern mächtig und kraftvoll.
Er bricht hinein in das Reich des Todes und der
Nichtigkeit und holt die Menschen da heraus.
Der Tod verliert seine Macht.
Verwandelte Beziehungen
Dadurch werden auch unsere Beziehungen
in einen neuen Zusammenhang gestellt. Der
Sündenfall in 1.Mose 3 beschreibt die gescheiterte Beziehung zwischen Adam und Eva. Die
Schuld führt zur Trennung, die weite Kreise
zieht. Wir Menschen bringen es fertig, uns den
Quellen des Lebens gegenüber zu verschließen.
Wir sind dem zwanghaften Trennen und
Christus ist der Herr der Geschichte
In der Darstellung der Gestalten wird deutlich,
dass der auferstandene Christus der Anfang und
die Vollendung ist (A und O – Alpha und Omega,
Offb 1,8). Er sammelt das Volk Gottes von seinen
Anfängen her. Er hebt sie aus dem Tod und führt
sie zur Vollendung. Die Zeuginnen und Zeugen
des ersten Bundes sprechen von dem Gott, der
damals zu ihnen gesprochen hat. Wir sehen, wie
ihre Gottesbegegnungen zu Jesus hinführen und
in ihm vollendet werden. Im Johannesevangelium
spricht Jesus von der Freude Abrahams, „dass er
meinen Tag sehen sollte“ (Joh 8,56). >>>
praktisch – seelsorgerlich
Der Einbruch in das Reich des Todes
Zerteilen verfallen und mit diesem Trennen verweigern wir uns selbst das Leben, das Gott uns
geben möchte.
Jesus streckt seine Hand Adam und Eva entgegen,
gleichsam als Aufhebung der Bitterkeit und Entfremdung.
„Die Auferstehung ist der Moment, in dem
Menschen einander wieder nahe gebracht werden
über den Graben gegenseitiger Vorwürfe und Ablehnung hinweg; eine neue menschliche Gemeinschaft wird hier sichtbar. Und zugleich wird uns,
durch die weiteren Gestalten des ersten Bundes
Gottes im Hintergrund gezeigt, dass in dieser
Gemeinschaft die Trennung zwischen Lebenden
und Toten ohne Bedeutung ist: David und
Salomo, Abraham, Mose, Elia und Jesaja – aufgrund von Jesu Auferstehung sind sie alle unsere
Zeitgenossen.“
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Die Ikone von der Auferstehung hat eine lange
Geschichte. Im Lauf der Zeit hat sich die Darstellung immer wieder gewandelt.
Sie zeigt nicht den Augenblick der Auferstehung,
sondern die Auswirkungen des Handelns Gottes
auf die Geschichte überhaupt.
45
praktisch – seelsorgerlich
Von ihrem Glauben lernen wir, in eine uns verhüllte Zukunft zu sehen und darauf zu vertrauen,
dass diese uns unsichtbare Zukunft das Angesicht
Jesu Christi trägt.
„Die Bibel im rechten Verständnis christlich zu
lesen, bedeutet immer ein Lesen, das nach dem
durch Christi Auferstehung gegebenen Ganzen
Ausschau hält und horcht; jede Stelle in der
Bibel, die wir ohne dieses Wissen um das Licht
der Auferstehung lesen, lesen wir nur halb und
flüchtig und ungenügend.“
In der Liturgie der Ostkirche wird in den Abendpsalmen am Großen Sonnabend dieser Gedanke
aufgenommen:
Das Heil umspannt die ganze Welt
Heute ruft der Hades und stöhnt: Dahin sind meine
Gewalten. Denn einen Sterblichen nahm ich auf
wie einen der Toten. Ganz und gar nicht vermag
ich es, ihn festzuhalten. Nein, ich werde mit
Diesem Vieler beraubt, die ich beherrschte.
Von jeher besaß ich die Toten. Doch Dieser …
erweckt sie alle.
Ehre sei Deinem Kreuze und Deiner Auferstehung,
Herr.
Weiter verweist uns die Auferstehung an diese
Welt. In ihr und durch sie redet er. Durch Christus
entsteht eine Neuordnung des Universums.
Er hat die Tür zur Herrlichkeit Gottes aufgestoßen. Diese strahlt mitten im Reich des Todes auf,
sodass der Tod davon verzehrt und verschlungen
wird. Jesus gibt sich mitten hinein in die Sehnsüchte und Bruchstückhaftigkeit menschlichen
Lebens. Er steht auf der Brücke des Kreuzes über
dem Abgrund der Sinnlosigkeit, der Selbstentfremdung, der Schuld, der Verletzungen, des
Misstrauens und bringt alles vor den Vater. Die
verschlossenen Pforten der Hölle und des Todes
sind überwunden. Das neue, unauflösbare Leben
ist erschienen.
Heute ruft der Hades und stöhnt: Besser wäre mir
gewesen, ich hätte Marias Sohn nicht aufgenommen. Denn da er zu mir gekommen, hat er meine
Herrschaft vernichtet und die ehernen Tore zertrümmert; die Seelen, die ich einst besaß, hat er als Gott
erweckt.
Ehre sei Deinem Kreuze und Deiner Auferstehung,
Herr.
Heute ruft der Hades und stöhnt: Verschlungen
ist meine Macht. Der Hirte ward gekreuzigt. Er hat
Adam erweckt. Aller, die ich beherrschte, bin ich
beraubt. Und die ich in Macht verschlang, sie alle
musste ich ausspeien. Der Gekreuzigte hat die
Grüfte geleert. Nichts wert ist des Todes Gewalt.
Ehre sei Deinem Kreuze und Deiner Auferstehung,
Herr.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Impulse zum betenden Betrachten
46
Als Menschen, deren Lebens- und Glaubensgeschichte sich überwiegend in den westlichen
Traditionen ereignet, fällt uns der Zugang zu
dieser Tradition der Ostkirche nicht immer
leicht. Gewiss, es gibt in den ökumenischen
Beziehungen viele offene theologische Fragen.
Trotzdem kann die Betrachtung des Geschehens
einer Ikone uns hineinnehmen in die Anbetung des dreieinigen Gottes.
Schritte einer betenden Betrachtung
> Vergegenwärtigung: Ich bin anwesend in der
Gegenwart Gottes
> Das Bild auf mich wirken lassen
> Einen Ostertext lesen
> Wahrnehmen, was Wort und Bild mit meiner
Wirklichkeit zu tun haben
> Hörend vor Gott still werden – was will er mir
sagen?
> Bitten um das, was ich mir wünsche
48 Jahre, Diakonin, Ausbildung an der Bibelschule
Aidlingen, tätig als Landesjugendreferentin im ejw
mit den Schwerpunkten: Begleitung ehrenamtlich
Verantwortlicher und Studienleiterin im
Bernhäuser Forst
Es geht nicht um die Anbetung des Bildes, sondern
um die Anbetung dieses Herrn, der uns in ihm
vor Augen geführt wird. Mir selbst ist diese Ikone
in einer Zeit der Krise nach einer längeren
Krankheitsphase zum ersten Mal begegnet.
Die Betrachtung der geöffneten Pforten, die
gesprengten Fesseln der Ausweglosigkeit und
Angst, die ausgestreckte Hand, die allen
Menschen, allen Adams und Evas entgegen
gehalten wird, eröffnete mir neues Vertrauen
und ließ die Hoffnung wieder zaghaft keimen.
Wir sind zum ewigen Leben berufen und die
Mächte und Kräfte und Einreden haben ihren
Einfluss verloren.
Ostern ist ein Geschehen, das sich täglich
ereignet – dann, wenn wir der Stimme des
auferstanden und lebendigen Herrn mehr
vertrauen, allen Unkenrufen des Untergangs
zum Trotz.
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
• Alma Ulmer
praktisch – seelsorgerlich
Die in Anführungen gesetzten Zitate sind
dem Buch von Rowan Williams, Wo das Licht
wohnt – Betrachtungen zu Christusikonen,
Vandenhoeck & Rupprecht, entnommen.
47
Materialempfehlung
Kreuzweg Stationen
Luise Theill
CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010
Literatur
Evangelische Christen kommen mit Kreuzwegen
am ehesten im Urlaub in Kontakt, wenn sie Kirchen
besichtigen oder in katholischen Gegenden
Kreuzwege unter freiem Himmel antreffen.
48
Es ist bemerkenswert, dass eine Künstlerin, die
tief in der evangelischen Konfession verwurzelt
ist, das Thema des Kreuzweges aufgreift und
sich an die Gestaltung eines Kreuzweges wagt.
Die Erfahrung eines gelebten Lebens haben
bereits den künstlerischen Prozess, in dem die
Bilder und Texte entstanden sind, durchdrungen.
Darum sind Bild und Text für den Betrachter
ausgesprochen eindrucksvoll und gar nicht
„weit weg – abstrakt“. Jeder der 15 Stationen
liegt eine Meditation der Künstlerin zugrunde.
Fünfzehn Angehörige verschiedener christlicher
Konfessionen und Werke haben die Gebetstexte
geschrieben. Die ökumenische Weite ist der
Künstlerin wichtig, denn im gemeinsamen Beten
wird die Einheit der Kirche innerlich erfahren
und stellt sich nach außen hin dar. So ist dieser
Kreuzweg auch eine Einladung, ihn nicht nur
in den „eigenen vertrauten Kreisen“, sondern
vielleicht auch mal ökumenisch gemeinsam
zu gehen!
Die Bilder sind in Scherenschnitt- Collagetechnik, gestaltet und zum Teil dezent farbig
unterlegt.
Zu jeder Broschüre gibt es zusätzlich ein
Arbeitsheft mit CD. Ein, für die Gestaltung
der Passionszeit sehr zu empfehlendes
Arbeitsmaterial, ob in Passionsandachten,
einzelnen Bildern für nur einen Abend,
oder in Karfreitags- und Ostergottesdiensten!
Preise:
Farbbroschüre
Ab 10 Stck.
9.50 Euro
9.00 Euro
Arbeitsheft
Ab 10 Stck.
4.75 Euro
4.50 Euro
Bezugsquelle:
Luise Theill
Am Frauenbusch 8
51674 Wiehl-Oberbantenberg
Telefon: 0 22 62 / 24 99
www.luisetheill.com
[email protected]
>>>
Vorschau 2.2010
Thema: Stille
biblisch:
Es ist eine Ruhe vorhanden im Volk Gottes
grundsätzlich:
Unsere Nebenabsichten machen uns Stress
informativ:
Verstummen – Schweigen – Stille
praktisch:
Theresa von Avila – die innere Burg
>>>
Die Nummer 3.2010
hat das Thema:
„Wenn Dinge sich verändern”
Impressum
Mitarbeiterhilfe der Christlichen Vereine junger Menschen – erscheint
fünfmal im Jahr – 65. Jahrgang
Herausgeber und Verleger:
CVJM-Gesamtverband in Deutschland e. V. durch Dr. Wolfgang Neuser
Redaktion:
Gudrun Meißner (Schriftleiterin), Frankfurt; Dr. Wilhelm Eppler, Kassel;
Norbert Held, Neukirchen; Holger Noack, Wuppertal; Doris Reichmann,
Detmold; Alma Ulmer, Stuttgart; René Wälty, Känerkinden
Redaktionsanschrift:
CVJM-Gesamtverband in Deutschland e. V.
– Mitarbeiterhilfe – Im Druseltal 8, 34131 Kassel
oder Postfach 41 01 54, 34063 Kassel-Wilhelmshöhe;
Telefon (05 61) 30 87-222, Fax (05 61) 30 87-202; E-Mail: [email protected]
Heftpreis:
3,– EUR plus Versandkosten; Jahresbezugspreis 14,00 EUR plus Versandkosten;
Abbestellung bis vier Wochen vor Jahresende
Bildnachweis: Titel, 1–5, 12–21 Archiv; S. 6–11, 26–36 Internet;
S. 38–40 Bildcollagen; S. 43 B. Drescher
Gestaltung: Dipl. Designer Bernd Drescher, Lüdenscheid
Druck: Design & Druck C.G.Roßberg, 09669 Frankenberg
1.2010
Werner Thiede
Mystik im Christentum
30 Beispiele, wie Menschen Gott begegnet sind
Frankfurt/M., 256 Seiten, 19.90 Euro
ISBN 978-3-86921-003-2
Wer nach Mystik im Christentum fragt, sucht
inneren Halt in der Tiefe, Berührung mit
dem Göttlichen – und Wahrheit. Daher bietet
dieses Buch nicht nur eine Hinführung und
Annäherung an 30 verschiedene Gestalten und
ihre Visionen aus Geschichte und Gegenwart.
Vielmehr vermittelt es gleichzeitig weltanschauliche und theologische Orientierung, um im
biblischen Sinn die Geister zu unterscheiden.
Denn „Mystik“ ist ein Sammelbegriff für vielerlei Wege und Schulen. Im Christentum verheißt
Mystik die Erfahrung von Licht, Liebe und
Lebensfülle.
Aus dem Geleitwort von Landesbischof i. R.
Prof. Dr. Gerhard Müller:
„Werner Thiede informiert über verschiedene
Formen von Mystik in einzelnen Religionen
und Weltanschauungen und geht den Zusammenhängen nach, die sich hier aufdrängen.
Dabei huldigt er nicht unkritisch der Mystik
an sich – die es gar nicht gibt – oder einer von
ihm bevorzugten Form derselben. Er zeigt vielmehr auf, dass Mystik zur Erhellung, aber auch
zur Verfinsterung beitragen kann. So ist eine
abwägende Darstellung entstanden, die das Für
und Wider aufzeigt. Solch konstruktive Kritik
ist wohltuend und dringend erforderlich, gerade auch bei dem hier behandelten Thema.
Deswegen wird die abwägende Darstellung
vielen Leserinnen und Lesern hilfreich sein.“
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