Mitarbeiterhilfe 1.2010 Auferstehung „Ich lebe und ihr sollt auch leben!“ >>> Leben, das den Tod besiegt >>> Ein Tag im Licht der Auferstehung >>> Auferstehung der Toten – Hoffnung voller Attraktivität! >>> Ostern – die Welt mit anderen Augen sehen >>> CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Mitarbeiterhilfe Inhalt 1 Brief der Schriftleiterin >>> biblisch 2 Dr. Hanna Stettler Der Tod hat nicht das letzte Wort! Die Auferstehungsfrage im Alten Bund 6 Dr. Jens Adam „Ich lebe und ihr sollt auch leben!“ Johannes 14,19 12 Holger Noack „Worauf ihr euch verlassen könnt!” 1.Korinther 15 >>> grundsätzlich 19 Pfr. Dr. Heinzpeter Hempelmann M. A. „Zum Beweis dessen hat er ihn auferweckt!“ 25 Dr. Christoph Raedel Leben, das den Tod besiegt >>> informativ 30 Manfred Bletgen Ein Tag im Licht der Auferstehung 34 Prof. Dr. Werner Thiede Auferstehung der Toten – Hoffnung voller Attraktivität! 38 Wolfgang Brinkel Wenn Christus nicht auferstanden wäre >>> praktisch – seelsorgerlich 40 Holger Noack Ostern – die Welt mit anderen Augen sehen 44 Alma Ulmer Ikone – eine Bildbetrachtung >>> Literatur 48 Luise Theill Kreuzweg Stationen Vo r w o r t >>> Liebe Mitarbeiterinnen geht es Ihnen auch so wie mir? „Auferstehung“ – ein „schweres“ Thema! Vor dem Vorwort habe ich mich gedrückt – es vor mir hergeschoben. Dann noch einmal alle Manuskripte zur Hand genommen und in einem Zuge gelesen. Und: Ich bin zutiefst bewegt! Mehr noch: angesprochen, aufgerüttelt und ermutigt, das neue Jahr mit diesem auferstandnen Herren zu leben. Sozusagen die „Folie – Auferstehung“ auf das ganze Leben, auf alles, was ich erlebe, sehe, mitbekomme in meinem persönlichen Umfeld und in der Welt, zu legen. Ich könnte auch sagen: Was Sie schon immer über die Auferstehung wissen, fragen wollten – hier finden sie es. Aber das wäre fast zu billig. Nein, mit dieser Ausgabe werden Sie, so sagt es ein Autor, auf eine „Theologische Zeitreise“ mitgenommen: Von der Auferstehungsfrage im alten Bund, über neutestamentliche Stimmen zur Auferstehung, über wissenschaftliche Fragen bis hin zu Menschen „wie Du und ich“ – die alle ihre Mühen mit dem Thema hatten. Auf diesem Weg gewinnt der christliche Glaube wieder Boden unter die Füße: Zum DennochGlauben, zum „gegen-alle-Vernunft“-Glauben, zum „Durch-Glauben“ in aller Aussichtslosigkeit! Denn nicht der Tod hat das letzte Wort – lesen Sie einmal, wie anschaulich die Ostkirche diesen Gedanken in ihre Liturgie aufgenommen hat! Im Glauben an die Auferstehung Jesu von den Toten habe ich die Hoffnung, dass nichts so bleiben muss, wie es ist, denn wir warten auf Erneuerung, auf einen neuen Himmel und eine neue Erde! In diesem Glauben darf ich bitten: Gott, gib uns die Kraft zum Aufstehen, gegen Unterdrückung – für die Freiheit, gegen Ausgrenzung – für das Verstehen, gegen Unrecht – für das Recht, gegen Gleichgültigkeit – für die Liebe, gegen Wegschauen – für das Eintreten, gegen Armut – für die Fülle, gegen Angst – für das Vertrauen, gegen Tod – für das Leben. Jesus lebt! In herzlicher Verbundenheit grüße ich Sie auch im Namen des Redaktionsteams Ihre Gudrun Meißner Schriftleiterin >>>>>>> CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 und liebe Mitarbeiter, 1 biblisch Der Tod hat nicht das letzte Wort! Die Auferstehungsfrage im Alten Bund1 CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 1. Einleitung 2 Leser/innen, die vom NT her kommen, wird es vielleicht wundern, dass das AT nur ganz selten ausdrücklich von Auferstehung redet. Was für uns nach der Auferstehung Jesu wie selbstverständlich zu unserem Glauben gehört, musste Gott seinem Volk im Alten Bund erst Schritt für Schritt offenbaren. 1 Vgl. zum Ganzen: H. Gese, Der Tod im Alten Testament, in: ders., Zur biblischen Theologie, 2. Aufl., Tübingen 1983, 31–54. >>>>>> 2. Das zugrunde liegende Verständnis des Todes Wer stirbt, kehrt nach antiker Vorstellung zurück zur Unterwelt, woher er gekommen ist. Hiob 1,21: „Nackt kam ich aus dem Schoß der Mutter, nackt geh ich wieder dorthin zurück.“ Da – anders als im modernen Bewusstsein – nicht das Individuum im Mittelpunkt stand, sondern die Sippe, also das Individuum ganz eingebettet war in das Kollektivum der Großfamilie, wurde auch das Problem des Todes biblisch anders empfunden als bei uns heute. Die Verbundenheit des Individuums mit der Sippe blieb über den Tod hinaus bestehen. Deshalb ist die Hoffnung der Frommen zunächst, so wie beispielsweise Abraham „alt und lebenssatt“ sterben zu dürfen und „im Grab seiner Väter“, also dem Familiengrab, beigesetzt zu werden (1.Mose 25,8; vgl. 1.Mose 35,29 u. ö.). Schlimmer als der Tod ist es, durch die Bestattung in einem fremden Land im Tod von der Sippe getrennt zu werden (vgl. z. B. Amos 7,17). Dennoch kennt und bedenkt das AT durchaus auch das Problem des individuellen Todes: so z. B. in 1.Mose 3,22 und 24, wonach Gott den Menschen vom Lebensbaum ausschließt, was als Folge der vorangehenden Schuld verstanden wird. Der Mensch lebt in einer zwiespältigen Situation: Durch das Bewusstsein hat er Anteil an der Welt Gottes, aber er ist doch sterblich. Zunächst galt der Tod als das Ende nicht nur des natürlichen Lebens, sondern auch der Beziehung zu Gott. Denn: „Wenn ich tot bin, kann ich dich nicht mehr preisen. Dort unten bei den Toten dankt dir niemand“ (Psalm 6,6). Und: „Kann einer dir noch danken, wenn er zu Staub zerfallen ist“ (Psalm 30,10)? Gottes Offenbarung geschieht in der Beziehung zu seinem Volk, im Raum menschlichen Lebens und Bewusstseins. Sie kann deshalb den bewusstlosen Zustand des Todes nicht unmittelbar umschließen. Zwar gehören auch die Toten selbstverständlich Jahwe – denn es gibt ja außer ihm keinen Gott, aber sie stehen in keiner Verbindung mehr zu ihm. Jahwe ist kein Gott der Toten, denn wo er ist, ist Leben. Damit geht die „Desakralisierung der Todessphäre“ einher, d. h. die Unmöglichkeit und das strikte Verbot jeglichen Totenkultes. Das schließt Trauerzeremonien vor und bei der Bestattung nicht aus; wie man an Jer 16,5–7 sehen kann, wird die Unterlassung der üblichen Trauerriten sogar als sehr schlimm empfunden. Aber es kann und darf neben der das ganze Sein beanspruchen- den Offenbarung Jahwes keinen Totenkult geben. Für den Einzelnen gibt es in der frühen Zeit kein Heil im Tod, sondern nur die Errettung aus dem Tod, um die der Schwerkranke, der sich bereits vom Tod umfangen sieht, z. B. in den Psalmen betet. Von der Erfahrung solcher Errettung durch die Genesung von schwerer Krankheit zeugt 1.Sam 2,6: „Der Herr tötet und macht lebendig, er verbannt in die Totenwelt und er ruft aus dem Tod ins Leben zurück“ (vgl. auch 5.Mose 32,39). >>> CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 3. Die Errettung aus dem Tod 3 biblisch CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 4 4. Das „ewige Leben“ 5. Die Auferstehung Dadurch, dass es im Tod keine Beziehung zu Jahwe geben konnte, ergab sich ein entscheidender Offenbarungsschritt: Israel erkannte, dass es einen Bereich gibt, der unabhängig von unserer leiblichen Existenz ist, den Bereich der Transzendenz, der über die leibliche Existenz hinaus fortbestehenden Verbindung mit Gott. So keimt allmählich die Hoffnung auf, dass die Beziehung zu Gott auch im Tode nicht enden wird, dass er vielmehr die Frommen in Herrlichkeit aufnehmen wird (Psalm 73,23 ff.). „… Du holst mich am Ende in deine Herrlichkeit … Auch wenn ich Leib und Leben verliere, du, Gott hältst mich“ (Psalm 73,24.26)! Etwa zur selben Zeit begegnen wir bei Hiob der Hoffnung auf einen Erlöser, der auch dann noch für ihn da ist, wenn seine leibliche Existenz vergangen ist: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt …, ja ich selbst werde ihn für mich schauen, meine eigenen Augen sehen ihn, nicht ein Fremder, mögen auch meine Nieren in meinem Innern geschwunden sein“ (Hiob 19,25–27).2 Hier ist es zu der Erkenntnis gekommen, „dass dem persönlichen Gottesverhältnis eine die physische Existenz übersteigende Transzendenz entspricht“.3 Das kommt auch in Psalm 49,16 zum Ausdruck, wo wie in Psalm 73 wörtlich von der „Entrückung“ aus dem Hades, der Totenwelt, durch Gott die Rede ist, wie schon Elia am Ende seines Lebens nicht starb, sondern zu Gott „entrückt“ wurde. Ps 16,8–10 zeugt von der Gewissheit, dass die Gemeinschaft mit Gott nicht an der Grenze des irdischen Lebens endet. In Vers 10 heißt es: „Du, Herr, wirst mich nicht der Totenwelt preisgeben! Du wirst nicht zulassen, dass ich für immer im Grab ende; denn ich halte in Treue zu dir!“ Doch bleibt das AT nicht bei dieser individuellen Hoffnung auf ein Leben jenseits des Todes stehen. Seine universale Sicht umfasst nicht nur den Einzelnen, sondern die ganze Welt. Sie gipfelt in der Erwartung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, des Lebens im Reich Gottes und der neuen Schöpfung von Gott. Im 8. Jahrhundert finden wir einen Text, der eine Wiederbelebung der Israeliten andeutet, nämlich Hosea 6,2 – ein Text, der für die Beschreibung der Auferstehung Jesu „am dritten Tag“ im Neuen Testament eine wichtige Rolle spielen sollte (vgl. Mt 16,21; Lk 9,22; 24,46; Joh 5,21; Apg 10,40; 1.Kor 15,4). Dort heißt es: „Nach zwei Tagen gibt er uns das Leben zurück, am dritten Tag richtet er uns wieder auf, und wir leben vor seinem Angesicht.“ 2 Übersetzung aus H. Gese, Der Tod 44. 3 H. Gese, Der Tod 44. 4 Vgl. J. Heidler, Artikel Auferstehung in: Calwer Bibellexikon Bd. 1, Stuttgart 2003, 135-137, 135. 5 Vgl. H. Gese, Der Tod 50. biblisch also das Tun der Menschen bei der Auferstehung bewertet und belohnt bzw. bestraft wird, geschieht endlich der in diesem Leben so oft schmerzlich vermisste Ausgleich zwischen Tun und Ergehen. Diese Erwartung liegt beispielsweise dem Gleichnis vom Reichen Mann und dem armen Lazarus in Lukas 16,19–31 zugrunde, wo Jesus Abraham zu dem Reichen sagen lässt: „Mein Sohn, denk daran, dass du schon zu Lebzeiten das dir zugemessene Glück erhalten hast, Lazarus aber nur Unglück. Dafür kann er sich nun hier freuen, während du Qualen leidest“ (Vers 25). Im Frühjudentum zur Zeit Jesu hatten wohl die meisten Juden irgendeine Form von Auferstehungshoffnung. Insbesondere haben die Pharisäer die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten hochgehalten, während die Sadduzäer sie ablehnten (vgl. Mk 12,18), weil sie nur die Tora als verbindliche heilige Schrift anerkannten, und sie dort nicht vorkam. Das frühjüdische Achtzehnbittengebet preist Gott als den, „der die Toten lebendig macht“. • Dr. Hanna Stettler 45 Jahre, verheiratet, drei Kinder, Studium der Theologie in München, Tübingen, Aberdeen und Erlangen; Promotion und Habilitation im Neuen Testament in Tübingen. Teilt gegenwärtig mit ihrem Mann eine Pfarrstelle in der Schaffhauser Landeskirche und ist Privatdozentin für NT in Tübingen CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Es geht hier vom Zusammenhang her zunächst um die Errettung von Israels Nordreich aus Gottes Gericht, doch war der Text offen für die Interpretation auf ein neues Leben der Gerechten nach dem Tod und wurde nach dem Untergang des Nordreichs im Jahr 722 v. Chr. so gelesen. Auch in Ezechiels Vision von dem „Feld voller Totengebeine“, die durch Gottes Atem wieder lebendig werden (Hes 37), geht es zunächst um die Wiederherstellung Israels im eigenen Land, doch keimt hier bereits die Hoffnung auf Gottes neuschaffende Auferstehungskraft auf.4 Hier, in dieser Vision der Neuschöpfung werden zwei Auffassungen derselben von vornherein ausgeschlossen, nämlich das Missverständnis, es handle sich dabei nur um eine Reparatur an der alten Schöpfung und das gegenteilige Missverständnis, als handle es sich dabei um eine völlig andere, von der ersten unabhängige Schöpfung.5 Es geht dabei um eine die alte in sich aufnehmende Neuschöpfung aus den Toten. Jes 25,8 blickt gar auf die gänzliche Überwindung des Todes aus: „Den Tod wird er für immer vernichten.“ Nun, am Ende des 4. Jahrhunderts, leuchtet hell die Gewissheit auf, dass der Tod nicht das letzte Wort über die Menschen hat. So heißt es in Jes 26,19: „Deine Toten werden wieder leben, die Leichen meines Volkes werden auferstehen! Ihr alle, die ihr in der Erde liegt, wacht auf und jubelt vor Freude! Du, Herr, bist wie der belebende Tau; darum gibt die Erde die Toten heraus.“ Ein Jahrhundert später begegnet uns dann eine vollständig entwickelte Auferstehungserwartung, nämlich in Daniel 12. Nach Daniel 12,2 wird bei der Auferstehung am Ende der Zeiten unterschieden zwischen denen, „die zum ewigen Leben erwachen“ und denen, „die zu ewiger Schmach und Schande“ erwachen. Indem 5 biblisch „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!” CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Johannes 14,19 Neutestamentliche Stimmen zur Auferstehung 6 Zum urchristlichen Bekenntnis gehört von Anfang an das Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Auferstandenen. Man kann geradezu sagen: Das christliche Glaubensbekenntnis wäre ohne diesen Bezug zur Auferstehung Jesu Christi eben kein christliches Glaubensbekenntnis! Dementsprechend finden sich auch in vielen neutestamentlichen Texten verschiedene und vielfarbige Aussagen zu Jesu Auferstehung. Und doch ist das, was da die Evangelien zu erzählen wissen, keinesfalls „alltäglich“; und was etwa der Apostel Paulus über die Auferstehung Jesu und die Auferstehung der an ihn Glaubenden schreibt, ist alles andere als „selbstverständlich“. Nein: Was sich da drei Tage nach der Hinrichtung dieses Jesus ereignet hat, ist tatsächlich weltumstoßend und unbegreiflich – für die damaligen Zeugen genauso, wie es für uns heute sein mag. Die Auferstehung Jesu Christi ist außerhalb des Glaubens wirklich unglaublich, ja töricht. Und doch hängt an ihr nichts anderes >>> Die Auferstehung als das ganze Jesu Christi ist außerhalb christliche Glaudes Glaubens wirklich bensverständnis unglaublich, ja töricht. und GlaubensUnd doch hängt an ihr bekenntnis. nichts anderes als das Begeben wir uns ganze christliche auf eine theologiGlaubensverständnis sche Zeitreise! und Glaubensbekenntnis. >>>>>> Totgeglaubte leben länger?! Man kann sich die Verzweiflung der Jüngerinnen und Jünger nach dem Tod Jesu gar nicht groß genug ausmalen, um das Unglaubliche ihrer Botschaft zu begreifen. Dass Jesus tot war, wirklich und wahrhaftig gestorben und begraben: Das stand fest. Zeugen – die mutigen Frauen unter dem Kreuz – hatten vom Tod berichtet (Mk 15,40 f.). Das Steingrab, in dem Jesus noch vor Anbruch des Sabbats in aller Eile bestattet worden war, war mit dem großen Rollstein verschlossen worden (Mk 15,42–47); bereits drei Tage waren seitdem vergangen – und nach drei Tagen war jedenfalls nach antikem Verständnis ausgeschlossen, dass der Tote nur „scheintot“ war. Drei Tage nach dem Tod war definitiv klar: Tot bleibt tot. Der Tote wird verwesen, und allenfalls am jüngsten Tag würde er vielleicht wieder irgendwie lebendig werden. Diese jüdische Hoffnung konnte man immerhin haben – nicht weniger, freilich auch nicht mehr; diese Hoffnung konnte man ja für jeden frommen Juden haben (Joh 11,24), wenn man nicht gerade Sadduzäer war (Mk 12,18 ff.). Und doch wäre das für Jesus zu wenig, wäre er damit doch als kein anderer Mensch erwiesen als alle anderen! Und wäre damit nicht alles, was er vorher getan und verkündet hatte, als vollmundige Lüge erwiesen? >>> CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Stellen wir uns einmal vor, wie die „Seelenlage“ der Jünger nach der Kreuzigung ihres Herrn und Meisters war! Die vier Evangelien geben uns ein anschauliches Bild: Die Jünger waren von diesem Jesus von Nazareth in die Nachfolge berufen worden. Sein Wort und Auftreten war so vollmächtig, dass sie wortwörtlich alles stehen und liegen ließen und mit ihm gingen (Mk 1,16–20 par.; 3,13 par. u. a.). Sie hatten auf dem gemeinsamen Weg mehr als nur wunderbare Ereignisse erlebt und gesehen: Heilungen hoffnungslos Erkrankter; liebevolle und überwältigende Zuneigung gegenüber denen, die bei anderen nichts galten; machtvolle Rettungswunder. Sie hatten diesen Menschen reden und predigen gehört, wer Gott ist und wie er zu verstehen sei. Dass Gott immer und immer wieder gegen Leid und Tod und Unrecht angeht und so das Böse zum Guten wendet. Und schließlich hatten sie immer mehr begriffen, wer denn dieser Jesus sein musste: Jesus, der Christus; Jesus, der Gesalbte; Jesus, der Messias; Jesus, der endlich das Friedensreich Gottes bringen sollte. Das alles und noch viel mehr hatten sie erlebt, erfahren und erhofft. Und nun das: In der Stadt Davids, der für Juden so bedeutungsvollen Stadt Jerusalem, war Jesus den schmachvollen Tod eines Schwerverbrechers gestorben. Mit ihm war alle Hoffnung gestorben, dass der Welten Lauf endlich einmal durchbrochen werden würde. Am >>> Am schändlichen schändlichen Kreuz Kreuz Jesu starb für die Jünger die Hoffnung auf Jesu starb für die die machtvolle Liebe Jünger die HoffGottes – ein für allemal. nung auf die machtvolle Liebe Gottes – ein für allemal. Die Jünger saßen im schwarzen Loch; angstschlotternd vor einer möglichen Verfolgung, mutlos in ihrer Ausweglosigkeit (Lk 24,17 ff.; Joh 20,19), verlacht und verspottet vor aller Welt, wie ja auch ihr Herr verlacht und verspottet worden war (Mk 15,16–20 par.; 15,29–32 par.). biblisch Hoffnungslos und verzweifelt: Die Jünger im schwarzen Loch 7 biblisch Und da geschieht am dritten Tag das, „was noch kein Ohr gehört und kein Auge gesehen hatte“ (1.Kor 2,9): Der Gekreuzigte war tot – und lebt nun wieder. Totgeglaubte leben länger?! Nicht nur, dass man (frau!) das Grab nach drei Tagen leer vorgefunden hatte – sollte man den Leichnam geraubt (Mt 27,62–66; 28,11–15) oder weggetragen haben (Joh 20,15)? Nein, es prasselt nur so von Berichten, dass der Gekreuzigte leiblich und lebendig gesehen wurde! – Da möge doch nun jeder seine Bibel zur Hand nehmen und die Erzählungen von Markus (Mk 16,1–8), Matthäus (Mt 28,1–10; 28,16–20), vor allem von Lukas (Lk 24,1 ff.) >>> Der Gekreuzigte und Johannes (Joh 20,1 ff.) war tot – und lebt nun nachlesen (vgl. auch wieder. Totgeglaubte 1.Kor 15,3–8). Für uns leben länger?! Christen sind das nur allzu bekannte Geschichten, vielleicht nur noch von der Weihnachtsgeschichte (Lk 2,1 ff.) im Bekanntheitsgrad übertroffen. Und doch sind diese Abschnitte des Neuen Testaments spannender als jeder Kirchenkrimi, packender als jede neuzeitliche Verschwörungstheorie und vielschichtiger als jede banale Psychologiestudie über einen vermeintlichen Selbsttäuschungsakt der Urgemeinde. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Der Auferstandene – Gespenst, Geist oder Gott? 8 Entgegen aller neuzeitlichen Meinung und Aufgeklärtheit war nämlich auch die Auferstehung eines Menschen im antiken Kontext keineswegs selbstverständlich. Die Menschen der Antike wussten genauso wie heutige Zeitgenossen um das bittere Sterben und die Endgültigkeit des Todes. Sicher, Philosophien und Religion boten Deutungsmuster an; sie stellten Gedanken zur Verfügung, wie man das Leben nach dem Tod denken konnte. Und doch erzählen die Evangelien noch mal etwas gänzlich Anderes von der Auferstehung Jesu. Dem kann man nur atemlos nachlauschen: Boten Gottes – landläufig Engel genannt – vollbringen ihren gottgemäßen Auftrag und erzählen, dass Jesus nicht mehr tot sei, sondern lebe (Mk 16,6 par.). Keiner glaubt’s; die Frauen sind entsetzt, die Männer halten es (wie üblich?) für Weibergeschwätz (Lk 24,11.22 f.). Jesus zeigt sich selbst und erscheint tatsächlich „beiläufig“ den beiden Jüngern, die ins Dorf Emmaus wandern (Lk 24,15). Erst als er ihnen – erneut! – die biblischen Texte auslegt und das Mahl mit ihnen feiert, erkennen sie ihn im Verschwinden (Lk 24,27–31). Maria, die auf dem Friedhof dem geliebten Verstorbenen nochmals ihre Liebe zeigen will, bekommt den Auferstandenen zu sehen – und hält ihn für den Gärtner (Joh 20,14 f.). Er spricht sie mit Namen an und gibt sich dadurch zu erkennen (Joh 20,16). Allen Jüngern schließlich erscheint er unvermittelt inmitten ihrer zitternden Hoffnungslosigkeit: Ein Geist, ein spukendes Gespenst gar, das seinen Frieden Vom Ende zum Anfang und wieder zurück Das so unscheinbar wirkende Markusevangelium bringt dieses sozusagen „posthume Verstehen“ erzählerisch auf den Punkt. Es berichtet in seiner ursprünglichen >>> Die Auferstehung Jesu Gestalt (die Verse Christi ist der Schlüssel für das Mk 16,9 ff. sind Verständnis seiner Person und nachträglich anseines Redens und Handelns. gefügte Erzählungen) nichts von Erscheinungen des Auferstandenen und kaum etwas von der Auferstehung des Gekreuzigten: Beides wird einfach als urchristliches Bekenntnis vorausgesetzt. Doch enthält die Botschaft des Engels am leeren Grab, die die Frauen an die Jünger ausrichten sollen, einen besonderen Clou: Petrus und die anderen werden den Gekreuzigten als Auferstandenen in Galiläa sehen (Mk 16,7)! Was ist aber an Galiläa so besonderes? Es ist der Ort, an dem Jesus zum ersten Mal auftrat und am Anfang des Markusevangeliums zum ersten Mal den Inhalt seiner Botschaft verkündet (Mk l,14 f.)! So, wie die Jünger zurück an den Ort ihrer ersten Begegnung mit Jesus geschickt werden, so schickt der Evangelist Markus seine Leser zurück an den Anfang seiner Erzählung. Erst vom Ende her versteht man den Anfang; erst nach Kreuzigung und Auferstehung verstehen wir, wer dieser Jesus wirklich ist und was der Inhalt seiner Botschaft ist. Die Auferstehung Jesu Christi ist der Schlüssel für das Verständnis seiner Person und seines Redens und Handelns. >>> biblisch „Klick“ bei den Jüngern, den Männern und Frauen, die ihm nachgefolgt waren. Jetzt, erst jetzt, erkennen sie wirklich, wer er war und ist und sein wird. Jetzt erst verstehen sie, dass Jesus wirklich der Christus ist: Jesus Christus. Sie verstehen es, weil sich der Auferstandene zu verstehen gibt. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 nicht findet, weil sein Körper schändlich hingerichtet und nur eilends begraben wurde (Lk 24,36 ff; Joh 20,19 ff. 24 ff.)? Oh nein: Das Gespenst spricht sie an; sie können den Leib berühren (Lk 24,39), und die Erscheinung isst schließlich sogar etwas, um seine Leiblichkeit zu beweisen (Lk 24,41–43). Und um allem Misstrauen entgegenzutreten, dass der da Erscheinende womöglich gar nicht mit dem Gekreuzigten identisch ist, bekommen wir zu lesen, dass die Folterspuren an der eigenwilligen Leiblichkeit des Auferstandenen sichtbar und berührbar sind (Lk 24,40; Joh 20,20.27). Unverkennbar, >>> Geist? Gespenst? weil unverNein, Gott! Der Auferstandene erschließt sich selbst als wechselbar steht da der der auferstandene Christus. Gekreuzigte vor ihnen. Geist? Gespenst? Nein, Gott! Der Auferstandene erschließt sich selbst als der auferstandene Gekreuzigte. Darin erschließt er sich selbst als Gottes Sohn. Und jetzt macht es 9 CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 biblisch „Ist aber Christus nicht auferstanden ...“: Die Relevanz der Auferstehung Jesu Warum halten aber die Evangelisten wie auch der Apostel Paulus und alle anderen neutestamentlichen Verfasser an diesem (scheinbar) „törichten Ereignis und Bekenntnis“ (1.Kor 1,18 ff.) fest? Eine erste Antwort könnte man mit Paulus formulieren: „Ist Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer (und unser) Glaube vergeblich.“ (1.Kor 15,14). Hier spüren wir, dass es in dem Bekenntnis zur Auferstehung Jesu Christi mehr als nur um eine nachträgliche Korrektur seines Kreuzestodes geht; es geht um das Zen>>> Was zeigt sich denn trum unseres christin der Auferstehung des lichen Glaubens. Was Gekreuzigten? Dass Gott zeigt sich denn in der der Schöpfer wider alle Auferstehung des GeHoffnung an seiner kreuzigten? Dass Gott Schöpfung festhält und sie um seiner grenzenlosen der Schöpfer wider alle Liebe willen nicht vergehen Hoffnung an seiner lässt. Dass der Tod nicht Schöpfung festhält und das letzte Wort behält, sie um seiner grenzensondern dass das Wort losen Liebe willen nicht Gottes selbst ihm ins Wort vergehen lässt. Dass der fällt und es mit seinem Tod nicht das letzte Ostergelächter verlacht Wort behält, sondern und vertreibt. dass das Wort Gottes selbst ihm ins Wort fällt und es mit seinem Ostergelächter verlacht und vertreibt. Diese Erkenntnis wird in vielen Texten immer wieder neu festgehalten und eingeschärft: Die christliche Taufe ist nach Röm 6,1 ff. ausdrücklich mit dem Sterben und Auferstehen des Sohnes gedanklich verbunden. Warum? Weil in der christlichen Taufe das zukünftige Geschick des Täuflings unauflöslich mit dem in der Vergangenheit bereits geschehenen, in der Gegenwart wirksamen und für alle Zukunft hin gültigen Geschick Jesu Christi verbunden wird! Von diesem Grundgedanken verstehen wir dann auch Aussagen wie Gal 2,20; Phil 3,10 f.; 1.Kor 15,20 ff. Hinter all dem steht die neutestamentliche Einsicht: Wer zu diesem Jesus gehört, weil er von ihm berufen wurde, der gehört auf immer und ewig zu ihm. Zu Jesus 10 gehören aber heißt: durch Leid, Sterben und Tod von Gott selbst hindurchgetragen werden in die Auferstehung. Das ganze christliche Glaubensverständnis und Glaubensbekenntnis hat seinen unaufgebbaren Bezugspunkt im Leiden und Sterben und Auferstehen des Sohnes Gottes. Fällt dieser Bezugspunkt weg, dann ist der christliche Glaube inhaltsleer und sinnlos geworden. „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“ Die Bedeutung der Auferstehung Jesu Christi fasst der Evangelist Johannes knapp und treffend in der Aus- und Zusage Jesu zusammen: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“ (Joh 14,19)! Das ist – weiß Gott! – mehr als nur ein frommer Wunsch! Denn wer spricht denn da? Niemand anderer als der, von dem das gleiche Evangelium in der beeindruckenden Geschichte Joh 11,1 ff. erzählt, dass er einen schon verwesenden, stinkenden, an Händen und Füßen gebundenen Leichnam allein mit seinem Schöpferwort „Lazarus, komm heraus!“ ins Leben zurückgeholt hat. Der Satz „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“ ist nichts anderes als der in alle Ewigkeit gültige Satz „XY, komm aus dem Grab heraus!“ – und für „XY“ dürfen wir nun alle getrost unseren Namen einsetzen. Viel mehr gäbe es noch zu den neutestamentlichen Stimmen zur Auferstehung zu sagen; und noch viel mehr müsste man darüber nachdenken. Aber vielleicht ist dieser eine Satz: „Ich lebe, und ihr sollt (und werdet!) auch leben!“ der wichtigste. • Dr. Jens Adam 40 Jahre, Theologiestudium in Tübingen, Jerusalem und Heidelberg, Pfarrer der badischen Landeskirche, seit 2001 Dozent für Neues Testament an der Evang.-theolog. Universität Tübingen biblisch Der Satz „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“ ist nichts anderes als der in alle Ewigkeit gültige Satz „XY, komm aus dem Grab heraus!“ – und für „XY“ dürfen wir nun getrost unseren Namen einsetzen • Dr. Jens Adam CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 >>> 11 biblisch „Worauf ihr euch verlassen könnt!” Der älteste Auferstehungstext des Neuen Testaments: 1.Korinther 15,3–8 CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 >>>>>> 12 1. Erste Beobachtungen Diese Verse sind eines der ältesten Auferstehungszeugnisse des NT und eines der umfangreichsten. Nicht weniger als sechs verschiedene Erscheinungen des Auferstandenen werden aufgezählt: Kephas (Petrus), die Zwölf (Jünger), mehr als 500 Brüder, Jakobus, alle Apostel und schließlich Paulus. Allerdings werden keine Erscheinungen vor Frauen erwähnt (und auch das leere Grab wird nicht genannt). Ebenfalls fehlen alle absoluten Zeitangaben und alle Ortsangaben. Insgesamt setzt dieser Text, der als „Urtext“ aller Auferstehungstexte im Neuen Testament gilt, etwas andere Akzente als die Erzählungen in den Evangelien. 2. Die zeitliche Einordnung Der Text ist sehr alt: Paulus betont, dass er ihn selbst empfangen und der Gemeinde in Korinth weitergegeben habe (V. 3) – er muss also älter 3. Der Aufbau Ursprünglicher Text: V. 3b–5 Der Text selbst ist nicht einheitlich: Die Verse 3b–5 heben sich als eine in sich geschlossene Formel heraus. Sie ist weitgehend parallel aufgebaut – mit einer zusätzlichen Notiz am Schluss. Durch die Nennung von Kephas (mit seinem alten, aramäischen Namen) und den Zwölfen (dem Kreis der Jünger Jesu) werden die Erscheinungen des Auferstandenen betont. biblisch Ergänzung: V. 6–7.8 In den folgenden Versen ändern sich Sprache und Form. V. 6–7 sind Aufzählungen: Zuerst die mehr als 500 Brüder, von denen Paulus betont, dass einige von ihnen noch leben und also noch als befragbare Augenzeugen zur Verfügung stünden, und dann die Erwähnung von Jakobus und allen Aposteln, die auffällig parallel zu V. 5 formuliert worden ist. In V. 8 erwähnt Paulus seine eigene Erscheinung als Abschluss der Erscheinungen. Diese Verse haben also folgende Struktur (und vermutliche Entwicklung) Vor Paulus: > (3b–5): ursprüngliche, weitgehend parallele Formulierung – mit der Betonung, dass Kephas und die Jünger – der Kreis der ersten Auferstehungszeugen – den Auferstandenen gesehen haben > (6–7): erste Ergänzung: Erscheinung vor den 500 Brüdern und Jakobus (dem Bruder Jesu und späteren Leiter der Gemeinde in Jerusalem) Ergänzungen durch Paulus: > (6–8): die Tatsache, dass die meisten der 500 Brüder „heute“ (d. h. zur Zeit des Paulus) noch leben und also befragt werden können – Erwähnung seiner eigenen Erscheinung >>> CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 sein als die Gemeinde in Korinth, die um das Jahr 50 n. Chr. gegründet worden ist. Der Text führt somit in die älteste Zeit, nahe an die Ereignisse selbst heran, spätestens 46/48 n. Chr. Außerdem häufen sich in diesen Versen sprachliche Wendungen, die Paulus sonst nie gebraucht: „Sünden“ im Plural ist unpaulinisch, sonst spricht er von „der Sünde“ ausschließlich im Singular; „nach der Schrift“ findet sich sonst nicht bei Paulus, er schreibt an ähnlichen Stellen „wie geschrieben steht“; das griechische Wort für „er erschien“ kommt bei Paulus sonst nicht vor. Auch diese Beobachtungen sprechen dafür, dass (3b–5) eine alte, vorpaulinische Formel ist, die Paulus aufgenommen und weitergegeben hat. 13 biblisch Die Fragen, die sich daraus ergeben: > Welchen Sinn hatte die ursprüngliche Formel (3b-5)? > Was bedeuten die Ergänzungen der Erscheinung vor den 500 und vor allem vor Jakobus und „allen Aposteln“? > Wie ordnet Paulus seine eigene Erscheinung ein? 4. Die ursprüngliche Formel (3b–5) Knapp und in geprägter, liturgischer Sprache ist hier ein frühes Auferstehungszeugnis überliefert, das Tod und Auferstehung Jesu als die beiden zentralen Heilsereignisse des Glaubens herausstellt, beide Ereignisse interpretiert („für unsere Sünden“, „am dritten Tag“), sie in Bezug zu den „Schriften“ (unserem heutigen AT) stellt und die Realität des Geschehens betont. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 „Nach den Schriften“ Ein Schlüssel zum Verständnis dürfte das zweimalige, betonte „nach den Schriften“ sein: Was hier geschieht, ist weder ein Zufall, noch ein völlig rätselhaftes Geschehen, das für beliebige Deutungen offen stünde, sondern etwas, was nur im Zusammenhang mit der Geschichte Gottes mit seinem Volk zu verstehen ist. Hier handelt der gleiche Gott in der Geschichte Jesu, der auch in der Geschichte Israels gehandelt hat. 14 Auffallend ist allerdings, dass dieses „nach den Schriften“ nicht näher ausgeführt wird. Weder wird angegeben, worauf sich das „für unsere Sünden“ bezieht1, noch wird deutlich, woher die Zeitangabe „am dritten Tag“ stammt2. Bleibt also die Vermutung, dass sich „nach den Schriften“ nicht auf einzelne Schriftstellen bezieht, sondern auf den Sinn „der Schriften“, d. h. des AT. Es geht nicht um einen Schriftbeweis, sondern um einen Schriftbezug, d. h. um den Hinweis, dass alles, 1 Denkbar ist ein Bezug zu Jes 53,5–6 2 Denkbar ist ein Bezug zu Hos 6,2. Ein Text, der aber sonst nirgendwo im NT zitiert wird. was über den Tod und die Auferstehung zu sagen ist, den Interpretations- und Verständnishintergrund „der Schriften“ braucht. Das Geschick Jesu lässt sich nicht aus dem AT beweisen, aber lässt sich letztlich nur vom AT her verstehen! Ohne diesen Bezug bleiben die Aussagen entweder beliebig und oder mirakulös. „Begraben“ und „Gesehen“ > Dass Jesus „begraben“ worden ist, unterstreicht, dass er wirklich gestorben ist. Damit werden alle sogenannten „doketischen“ (auf dem Anschein beruhend) Auslegungen der Auferstehung ausgeschlossen, d. h. die Vorstellung, Jesus sei nur scheinbar tot gewesen, er habe sich nur tot gestellt oder Gott habe ihn nur scheinbar sterben lassen. > Dass Jesus „gesehen“ worden ist, unterstreicht, dass er wirklich auferstanden ist. Interessant ist das griechische Wort (ophthae), das hier verwendet wird: In der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des AT, die zu dieser Zeit im Gebrauch war, wird das Wort immer wieder in Erzählungen von Gotteserscheinungen gebraucht. Gott wird „gesehen“, wenn er erscheint. Das gilt vor allem für die Väterzeit (bis David und Salomo) und dann wieder in der zukünftigen Endzeit. So wie Gott von den Vätern „gesehen“ wurde, so wird er auch am Ende der Zeit „gesehen“. Indem in dieser Formel dieses alttestamentliche Schlüsselwort benutzt wird, wird signalisiert, dass sich hier, in der Auferstehung Jesu, die endzeitliche Gegenwart Gottes zum Heil der Menschen zeigt, „erscheint“. Wie der Auferstandene den Menschen erscheint, wird nicht weiter ausgeführt, nur dass er ihnen erscheint, und dass diese Erscheinung als endzeitliche Heilsgegenwart Gottes verstanden worden ist, wird in dieser Vokabel angedeutet. Genauso wenig wie diese Formel an dem Wie des Begrabenseins Jesu interessiert ist, genauso wenig ist sie an dem Wie seines Erscheinens interessiert! Um es in zwei Bildern zu sagen: Die Auferstehung Jesu ist an einem Punkt in der Geschichte in den Strom der Geschichte „eingespeist“ worden, während der Tod Jesu an einem Punkt der Geschichte ein festes Fundament gebildet hat, auf dem alles Weitere aufbauen kann. Die beiden Heilsereignisse haben also jeweils eine etwas andere Struktur: Während beim Tod Jesu das Einmalige, Unwiederholbare, Abgeschlossene betont wird, liegt der Akzent bei der Auferstehung Jesu mehr bei dem Gegenwärtigen, Sich-Ereignen, Unabgeschlossenen. Das sind aber keine absoluten Gegensätze, sondern unterschiedliche Betonungen im gleichen Bedeutungsfeld. >>> biblisch Interessanterweise wird Petrus hier mit seinem aramäischen Namen, Kephas, bezeichnet. Das weist zum einen auf eine alte, aramäische Tradition zurück und unterstreicht das Alter der Überlieferung, zum andern weist es auch auf Jerusalem und die ursprüngliche zentrale Stellung von Petrus/Kephas in der Urgemeinde. Hier ist also die (vermutliche) Erstvision des Petrus festgehalten, die dann aber durch eine sich anschließende Gruppenvision „der Zwölf“ unterstrichen wurde. „Die Zwölf“ waren der engere Kreis der „zwölf Jünger“, die natürlich zu diesem Zeitpunkt zahlenmäßig nur elf waren! Deshalb ist die Bezeichnung „die Zwölf“ vermutlich eine Art Amts- und Ehrentitel dieser ersten Führungsmannschaft der Urgemeinde, die sich vor allem aus den unmittelbaren Nachfolgern des irdischen Jesus zusammensetzten. „Gestorben“ und „Auferstanden“ Interessant ist, dass das griechische Wort für „gestorben“ in einer besonderen grammatischen Form steht, dem soge>>> Die Auferstehung nannten „Aorist“. Er Jesu ist nicht einfach bezeichnet ein abgeabgeschlossen, sondern schlossenes Ereignis heute noch wirksam. der Vergangenheit, das aber auch heute noch Bedeutung hat. „Auferweckt“ ist dagegen in der grammatischen Form des (griechischen) Perfekt formuliert: Es bezeichnet ein Ereignis, das in der Vergangenheit geschehen ist und bis heute andauert. Hier wird also bis in die Sprache hinein die unterschiedlichen Akzente von Tod und Auferstehung Jesu herausgestellt: Der Tod Jesu ist ein einmaliger, abgeschlossener Vorgang, der sich zwar als solcher nicht wiederholt, der aber für uns heute immer noch Auswirkungen besitzt. Die Auferstehung Jesu, obwohl auch in der Vergangenheit geschehen, ist nicht einfach damit abgeschlossen, sondern ist auch heute noch wirksam. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Die Auferstehungszeugen Die Nennung von Auferstehungszeugen unterstreicht noch einmal den Charakter der Erscheinungen: Sie sind menschlich erfahrbar und bezeugbar, auch wenn sie nicht wirklich menschlich erklärbar und beweisbar sind. 15 biblisch 5. Die Ergänzung (V. 7–8) Die ursprüngliche Formel ist später ergänzt worden. Von wem, das lässt sich heute nicht mehr sagen, vielleicht von Paulus, vielleicht aber auch schon vor ihm. Durch die Ergänzung wird zum einen die Basis der Auferstehungsberichte verbreitet und damit die Zahl der Zeugen und damit das Gewicht ihres Zeugnisses erhöht. Zum andern entsteht eine gewisse Konkurrenz zwischen zwei Linien von Auferstehungszeugen, mit Petrus und den Zwölfen auf der einen Seite und Jakobus und allen Aposteln auf der anderen. Die Spannungen der ersten Christen bilden sich auch in diesem alten Auferstehungstext ab. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 500 Brüder Die Erscheinung vor den 500 Brüdern wird sonst nirgendwo im NT erwähnt. Manche Ausleger verbinden sie mit der Pfingstgeschichte, die eine gemeinsame geistliche Erfahrung in der Urgemeinde beschreibt. Allerdings wird dort nicht von Erscheinungen des Auferstandenen berichtet, sondern von der Ausgießung des Geistes. Diese 500 Brüder sind nicht identisch mit „allen Aposteln“, scheinen aber immer noch bekannt zu sein. Das Ungewöhnliche an dieser Erscheinung ist, dass diese 500 die Einzigen sind, die nicht durch die Erscheinung des Auferstandenen zur Mission berufen wurden.3 Könnte man sonst meinen, die Erscheinungen dienten vor allem der Legitimation der Machtträger in der ersten Gemeinde, so spielt die Legitimationsfrage bei den 500 keine Rolle. Hier wird nur das Dass der Erscheinung berichtet, nicht das Warum. 16 3 Bei den Auferstehungserzählungen spielt dieses Sendungsmotiv eine wichtige Rolle, praktisch alle, denen Jesus als Auferstandener begegnet, werden von ihm mit einem bestimmten Auftrag betraut und ausgesendet 4 Gehörte er nach Gal 1,19 noch allgemein zu den „Aposteln“, wurde er, 14 Jahre später, in Gal 2,6 von Paulus zu den drei entscheidenden „Säulen“ der Gemeinde gerechnet 5 Der zuerst von Petrus geleitet wurde, dann (Gal 2,) von den drei „Säulen“ Jakobus, Kephas, Johannes und später dann von Jakobus allein Jakobus Auch die Erscheinung vor Jakobus wird im NT nicht erwähnt. Jakobus, der Bruder Jesu, gehörte zu Lebzeiten Jesu nicht zu seinen Anhängern, sondern scheint erst durch die Erscheinung des Auferstandenen dazugekommen zu sein. Er hatte später eine große Autorität in der Urgemeinde4 wurde später, bis zu seinem Tod im Jahr 62 n. Chr. ihr Leiter. Alle Apostel Die Apostel, deren Erscheinung im Anschluss daran erwähnt wird, sind vermutlich nicht identisch mit den „Zwölfen“, dem ursprünglichen Leitungskreis der Urgemeinde.5 Hier ist ein weiterer Kreis von Judenchristen gemeint, die eine Christuserscheinung hatten und – im Die Parallelität zwischen (5) „Kephas, danach von den Zwölfen“ und (7) „Jakobus, danach von allen Aposteln“ scheint auf eine Spannung hinzuweisen, die man auch sonst in der Geschichte der Urgemeinde findet: Waren Petrus und die Jünger Jesu zuerst die entscheidenden Leute in der Urgemeinde, findet man später Jakobus und seine Leute an der Macht. Bei Paulus in Gal 2 wird Petrus als jemand beschrieben, der sich von Jakobus beeinflussen ließ. Hier ist vielleicht der Machtwechsel, der sich sicherlich über längere Zeit hinzog, sichtbar geworden. Eine entscheidende Szene scheint dabei das Apostelkonzil gewesen zu sein (Apg 15), bei dem Jakobus eine herausragende Stellung eingenommen hat und das entscheidende Wort zur Lösung der Streitfrage gesprochen hatte (Apg 15,13 ff.). Die Auferstehungsformel (1.Kor 15,3–7) ordnet nun diese beiden Erscheinungsstränge (Kephas und die bestätigende Erscheinung vor den „Zwölfen“; Jakobus und die ebenfalls bestätigende Erscheinung vor allen „Aposteln) einander zu. Stil- und Aussagemittel ist dabei das vierfache „Danach“: Kephas – danach: die „Zwölf“ – danach: die 500 – danach: Jakobus – danach: „alle Apostel“. So wird die Erscheinung von Kephas/Petrus als historisch und theologisch „erste“ herausgestellt. Alles andere ist nicht nur zeitlich, sondern auch von seiner Bedeutung „danach“. 6. Und zuletzt: Paulus Für Paulus ist seine Christuserscheinung (vor Damaskus) zum einen ein Glied in der Kette der Erscheinungen (er gebraucht hier dasselbe Wort für seine Erscheinungen wie für alle anderen!), zum anderen ist er das letzte Glied dieser Kette. Seine Erscheinung ist eine von vielen – und zugleich etwas Besonderes. Die Erscheinung des Auferstandenen ist für Paulus die Legitimation für sein Apostelamt (Gal 1) – und doch sieht er sie als „unzeitige Geburt“, als „Fehlgeburt“(Gute Nachricht-Übersetzung) an (V. 8). Sie ist im doppelten Sinne „zuletzt“: die zeitlich und theologisch „letzte“ Erscheinung – mit ihr ist also die Kette der Erscheinungen endgültig abgeschlossen, aber mit ihm ist in Bezug auf den Empfänger auch „der Letzte“ erreicht, der Unwürdigste, der Geringste, derjenige, der als Verfolger der Gemeinde am wenigsten damit rechnen konnte, zum Verkündiger Jesu Christi berufen zu werden. Für Paulus wird diese Erscheinung des Auferstandenen und die damit verbundene Berufung zum Apostel als ein wichtiges Zeugnis der Gnade Gottes verstanden6: Gott hat damit – in positiver, letztlich unüberbietbarer Weise – ein Exempel statuiert. Wenn schon jemand wie Paulus, der die Gemeinde zuvor verfolgt hatte, berufen wird, dann gibt es für die Gnade Gottes keine menschliche Grenze! In der Erscheinung des Auferstandenen sieht Paulus nicht nur seine Berufung zum Verkündiger begründet, sondern auch den Inhalt seiner Verkündigung: die Gnade Gottes in Jesus Christus für alle Menschen! >>> 6 vgl. Gal 1,13–16; Eph 3,8; 1.Tim 1,12–16 CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Gegensatz zu den 500, die ebenfalls eine Gruppenerscheinung hatten – zur Verkündigung des Auferstandenen berufen wurden. Paulus rechnet zu ihnen auch die Judenchristen Andronikus und Junia (Röm 16,7). 1.Kor 9,5 spricht Paulus ebenfalls von den Aposteln, die er von den „Brüdern des Herrn“ und Kephas unterscheidet. 17 biblisch 7. Fazit 1.Kor 15,3b–8 ist einer der wichtigsten Auferstehungstexte des NT, sowohl, was sein Alter betrifft, wie auch seinen Inhalt. Nirgendwo sind so viele Erscheinungen des Auferstandenen zusammengestellt. Einige werden sogar nur an dieser Stelle im Neuen Testament erwähnt. Theologisch wichtig ist an diesem Text, dass Tod und Auferstehung Jesu zu einem doppelten Heilsereignis zusammengestellt werden, dass die Schrift (das AT) als Verstehenshilfe genannt wird, dass die Auferstehung als Heilsoffenbarung Gottes verstanden wird und dass eine Kette von Erscheinungen des Auferstandenen genannt wird, mit einem definitiven Anfang (Petrus) und einem genauso definitiven Ende (Paulus). Für Paulus war diese Erscheinung die Grundlage seines Apostelamtes und der bestimmende Inhalt seiner Verkündigung: die Gnade Gottes in Jesus Christus, dem Herrn. • Holger Noack CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 52 Jahre, verheiratet, drei Kinder, nach dem Theologiestudium Gemeindepfarrer, seit 1994 Bundesekretär für Mitarbeiterbildung beim CVJM-Westbund 18 grundsätzlich „Zum Beweis dessen hat er ihn auferweckt!“ Die Auferstehung und was wir wissenschaftlich dazu sagen können Glaube braucht Gründe; Glaube hat Gründe Wir kennen die berühmte Szene: Der Apostel Paulus wagt sich ins Zentrum griechischerphilosophischer Gelehrsamkeit, dahin, wohin alle gehen, die meinen, sie hätten etwas Neues und Wichtiges zu sagen. In Apostelgeschichte 17 wird uns vorgestellt, wie er das tut. Geschickt fädelt sich Paulus ein in die Gedankenwelt seiner Zuhörer. So lange er philosophisch bleibt, hören sie ihm gerne zu. Doch dann wird Paulus konkret. Er spricht von dem Gott, der in der Geschichte handelt und der diese Weltgeschichte an Sein Ende bringen wird. Paulus behauptet das aber nicht nur. Er nennt einen Beweis, einen Beleg, einen Denkgrund für seine Überzeugung: „Zum Beweis dafür hat er ihn (Jesus) von den Toten auferweckt“ (Apg 17,31). Und sofort geht die Debatte los. Die Botschaft von der Auferstehung spaltet die Menschen. Die einen spotten, die anderen wollen weiter darüber nachdenken. >>> CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 >>>>>> 19 grundsätzlich Zweierlei ist bemerkenswert an dieser Geschichte: 1. Paulus sagt nicht einfach: Das müsst ihr glauben. Er formatiert das Evangelium nicht als Religion, als reine, bloße „Glaubenssache“. Er gibt Gründe an. 2. Wo man für den Glauben argumentiert, trennen sich die Geister. Das war damals so, und das wird heute auch nicht anders sein. Das ist aber gar nicht tragisch. Wenn Menschen um etwas ringen; wenn etwas kontrovers ist, dann zeigt das ja gerade, dass etwas Wichtiges zur Diskussion steht; dass man dem Bereich des Ungefähren, des Meinens, des beliebigen Glaubens entkommen ist. In diesem Sinne ist es besonders spannend und nur folgerichtig zu fragen: Was sagt denn die Wissenschaft zu Ostern? Was kann man wissenschaftlich zu Ostern sagen? Wissenschaft wird nicht ohne Grund von den allermeisten Menschen als die Instanz anerkannt, der alle glauben. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Was Wissenschaft auszeichnet 20 Es zeichnet Wissenschaft aus, dass ihre Aussagen gelten sollen, unabhängig von der Frage, ob der Wissenschaftler, der sie vertritt, an Gott glaubt oder nicht; ob er eine schwarze, weiße oder gelbe Hautfarbe hat; ob er Muslim, Jude oder Christ ist; ob er Zen meditiert, in seiner Freizeit auf schamanistische Schwitzbäder schwört oder sich sufistischer Mystik hingibt. Das ist das Faszinierende an Wissenschaft: Irgendwo auf der Welt erkennt irgendjemand etwas, er veröffentlicht das in einer wissenschaftlichen Zeitschrift oder einem Buch. Wissenschaft bedeutet dann: Jeder andere, der vom Fach ist, muss das nachvollziehen können; überprüfen können, vorausgesetzt er hat die Möglichkeiten dazu. Das, was als wissenschaftlich anerkannt werden können soll, muss gelten, unabhängig von der religiösen, weltanschaulichen Position, von der politischen Haltung und den persönlichen Motiven. Ich kann nicht einfach deshalb etwas ablehnen, weil es jemand sagt, den ich nicht mag; der mein Kontrahent ist; den ich nicht anerkennen will. Wenn ich Stellung nehmen will, muss ich Gründe nennen. Deshalb hat Wissenschaft – im Prinzip – einen so guten Ruf. Natürlich wird auch hier immer wieder gemogelt. Aber es spricht doch für das Prinzip und Unternehmen Wissenschaft, dass Wissenschaftler bisher immer wieder in der Lage waren, solche Mogeleien aufzudecken. Auferstehung – die Mitte des christlichen Glaubens Was sagt nun Wissenschaft zum Mittelpunkt des christlichen Glaubens? Diese Frage ist nicht nur deshalb interessant, weil viele Menschen Wissenschaft vertrauen, sondern weil hier die zwei Instanzen aufeinandertreffen, die für Menschen besondere Bedeutung haben: vernünftige, kritische, belastbare und vertrauenswürdige Erkenntnis(weise) einerseits und (Glaube an) Gott andererseits. Dabei geht es um die zentrale Frage des christlichen Glaubens. Paulus sagt ganz deutlich: Wenn Jesus nicht auferstanden ist, dann könnt ihr euren Glauben vergessen (1.Kor 15,14.17). Die Auferstehung Jesu, komplett mit leerem Grab und Erscheinungen vor ehemaligen Jüngern und Gegnern, ist der Nagel, an dem der christliche Glaube hängt. Nichts weniger wird hier ja behauptet, als dass es Gott gelungen sei, in die Mauer universaler, allgegenwärtiger, nirgendwo zurückgedrehter, nirgendwo durchbrochener Herrschaft des Todes eine Bresche zu schlagen. Und die Hoffnung der Christen ist: Wenn es einen Gott gibt, und was sollte Gott mehr auszeichnen als seine Herrschaft über den Tod? – Wenn es also einen Gott gibt, der das in Jesus konnte, dann kann dieser Gott auch mich eines Tages dem Tode entreißen; dann ist auch mein Schicksal: mein dauerhafter Tod nicht einfach besiegelt. Paulus zitiert in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth eine uralte Überlieferung über Ostern, in der viele Zeugen summiert werden, von denen viele noch leben, und er fordert geradezu auf: Wenn ihr Zweifel habt, dann geht doch hin und fragt sie. Das ist geradezu eine Anweisung auf historische Überprüfung (vgl. 1.Kor 15,1–6). Genau hier gibt es aber ein doppeltes Problem: 1. Soll ich das wirklich glauben, oder besser: Darf ich das mit einem vernünftigen Verstand akzeptieren, dass Jesus auferweckt worden ist? Ist das nicht gegen eherne Naturgesetze? Widerspricht das nicht der Wissenschaft? Ist das nicht unmöglich? 2. Kann die Wissenschaft denn das bestätigen, einholen, dass Gott hier gehandelt hat? grundsätzlich Das Neue Testament lässt keinen Zweifel daran, dass die Auferstehung Jesu aus den Toten nach Auffassung der Osterzeugen wirklich und wahrhaftig passiert ist. „Der Herr ist wirklich auferstanden“, so bekennen es die nach Jerusalem zurückkehrenden Jünger von Emmaus (Lk 24,34). Was auch soll man anders glauben, was soll man denn vernünftigerweise anders annehmen, wenn denn gilt: 1. Jesus ist wirklich gestorben. Das war kein Scheintod. Die Römer haben schon gewusst, wie sie sicherstellen können, dass Gekreuzigte lange leiden und wirklich sterben. 2. Das Grab war und ist leer. Das geben ja selbst die Feinde des jungen Christentums zu (Mt 28). 3. Es gibt unabhängig voneinander eine ganze Reihe von Erscheinungen vor ehemaligen Jüngern und Gegnern, die in dem Auferstandenen den wiedererkennen, der zwar jetzt ganz anders ist, der aber doch unverkennbar dieser Jesus aus Nazareth ist. Widerspricht die Osterbotschaft den Naturgesetzen? Antwort zu 1.: Wissenschaft hat grundsätzlich nur beschreibenden, aber nicht vorschreibenden Charakter. Sie beschreibt die Natur, wie sie ist, die Geschichte, wie sie de facto verläuft. Aber sie schreibt der Natur nicht vor, wie sie zu sein hat. Sie sagt der Geschichte nicht, wie sie hätte verlaufen müssen. Das wäre ja auch nicht sehr vernünftig, sondern recht skurril, wenn wir den Dingen vorschreiben könnten und wollten, wie sie zu sein haben, statt umgekehrt nachzuvollziehen, wie sie sind. Ob also etwas möglich (gewesen) ist oder nicht, eine solche Frage zu beurteilen, liegt grundsätzlich – aus philosophischen Gründen – jenseits der Kompetenz von Wissenschaft. >>> CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 „Der Herr ist wirklich auferstanden!“ 21 grundsätzlich Sie kann höchstens sagen: Dieses Phänomen haben wir bis jetzt noch nicht beobachtet. Die Geschichtswissenschaft, selbst die Physik nimmt aber lauter singuläre Ereignisse wahr, die unsere Weltsicht immer wieder ändern. Wir kämen in unserer Erkenntnis der Welt nicht weiter, wenn wir uns irgendwann hinstellen und sagen würden: Wir wissen jetzt, wie die Welt beschaffen ist. Wir lassen uns jetzt nicht mehr beirren, gleichgültig, was wir wahrnehmen. Die Wissenschaft kann nicht einfach sagen: Das und jenes gibt es nicht. Dann würde sie lächerlicherweise der Wirklichkeit wieder vorzuschreiben suchen, wie sie zu sein hat. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wissenschaft muss sich nach der Wirklichkeit richten und eventuell ihr Bild von der Welt, wie sie ist, ändern. Und genau das ist ja die These der Osterbotschaft: Hier hat sich nicht nur etwas in der Welt verändert; hier hat Gott die Welt selbst verändert: in der Durchbrechung der Herrschaft des Todes, des universalen Verendens von allem und jeden. Die Frage ist natürlich, ob die – in diesem Falle historischen – Gründe, die mich zu einer bestimmten Aussage bewegen, zuverlässig sind. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Warum die Wissenschaft von Gott nichts wissen kann 22 Antwort zu 2: Wissenschaft lebt davon, dass sie von der Gottesfrage absieht; dass sie die Gottesfrage zurückstellt. Würde sie Gott als Erklärung zulassen, wären ihre Erkenntnisse nicht mehr „allgemeingültig“. Dass die Brücke hält, weil Allah sie hält, ist vielleicht für einen Muslimen eine akzeptable Erklärung, für andere aber nicht. Alle, die nicht an Gott glauben, müssten sie von vornherein ablehnen. Wissenschaft will nicht erklären und herausfinden „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Sie kann und will nicht wissen, was „hinter den Dingen steht“. Sie kann und will keine Philosophie sein oder gar religiöse Antworten geben. Darum beschränkt sie sich auf das Vordergründige, das, was sich mit bestimmten Mitteln konsensfähig erkennen lässt. Als Wissenschaft beliebt sind darum v. a. die Naturwissenschaften, in denen es im Wesentlichen darauf ankommt, zu zählen. Es gibt eine philosophische Disziplin, die sich mit dem Wesen und mit der Eigenart von wissenschaftlicher Erkenntnis beschäftigt. Das ist die Wissenschaftstheorie. Sie formuliert klar: Wissenschaft schließt nicht Gott aus. Das kann sie ja gar nicht. Der liegt jenseits ihrer Erkenntnisinteressen und -möglichkeiten. Sie schließt nicht Gott aus, sondern die Gottesfrage. Sie abstrahiert von dieser ganzen Dimension, die wir als weltanschaulich, religiös, metaphysisch bezeichnen. Sie beschreibt, wie sich ein Vorgang ereignet hat. Aber ob ein Gott dahintergestanden hat oder ob das ein blinder Zufall war oder Karma, das weiß sie nicht. Das kann sie nicht messen und nicht beobachten.1 Da wird ein Mensch überraschend gesund, und Medizin kann beschreiben, wie der Ausgangs- und der Endzustand war; sie hat womöglich auch Zwischenzustände gemessen und beobachtet, wie sich etwas verändert hat. Aber warum ein Mensch gesund geworden ist, ob das ein Wunder war, bei dem Gott eingegriffen hat, dazu kann sie nichts sagen. Wenn ein Vorgang sehr unwahrscheinlich ist, dann kann sie das feststellen; sie kann diesen Vorgang aufzeichnen, mathematisch dokumentieren; aber sie weiß eben nicht, warum dieser Vorgang eingetreten ist. Das kann ein Wissenschaftler als Wissenschaftler nicht sagen. Da Wissenschaft in ihren Aussagemöglichkeiten und der Reichweite ihrer Erkenntnis sehr beschränkt ist, weiß sie dazu nichts zu sagen. Das zu beurteilen, ist dann vielmehr Aufgabe der Philosophie oder der Religion, der Metaphysik. 1 Die Wissenschaftstheorie spricht davon, dass wir es mit einem bloß methodischen, nicht aber mit einem dogmatischen Atheismus, also mit einem Atheismus als Position zu tun haben. Nicht Gott wird ausgeschlossen. Im Gegenteil! Nur die Gottesfrage wird ausgeschlossen. Wir stehen hier vor den – selbstgesetzten – Grenzen von Wissenschaft und auch vor der Tragik von Wissenschaft: Obwohl ihre Erkenntnis so verlässlich ist, hat sie für uns so relativ wenig Bedeutung. Zu Gott, dem Sinn des Lebens, der Herkunft des Bösen – zu alledem kann sie und will sie nichts sagen. Man muss natürlich eigentlich genau andersherum formulieren: Weil ihre Verfahren und Erkenntnisse für alle akzeptabel sein müssen, darum abstrahiert sie von den eigentlich interessanten und wichtigen, ja zentralen Fragen und kann darum auf diese Fragen auch keine Antworten geben. Wissenschaft ist damit nicht überflüssig. Wenn wir uns als Menschen die Welt erklären wollen und dafür Religion, Philosophie, Glaube ansetzen, werden wir ja das wissenschaftliche Wissen nicht vergessen. Die spannende Frage lautet dann vielmehr: Welche Religion, welche Weltanschauung kann diese Welt denn am besten erklären, und gemeint ist dann die Welt, wie sie die Wissenschaften beschreiben. Nachdem wir die Frage nach der Reichweite von Wissenschaft geklärt haben; nachdem wir gesehen haben, dass Wissenschaft zur Gottesfrage nicht direkt, sondern nur indirekt etwas beitragen kann, wenden wir uns von hier aus noch einmal dem Osterzeugnis zu. Historische Wissenschaft kann natürlich nicht sagen, ob Gott hier am Werk war, aber sie kann historische Feststellungen treffen. Dazu gehören: Während und nach der Passion waren die Jünger am Boden zerstört. Ihre Hoffnungen hatten sich zerschlagen. Sie mussten Jesus als von Gott Verfluchten ansehen, weil nach 5.Mose 22,21 f. gilt: (Von Gott) verflucht ist jeder, der am Holze hängt. Gerade als fromme Juden war ihnen ihre Hoffnung genommen. Am dritten Tag nach der Kreuzigung laufen genau diese zuvor abgrundtief Entmutigten und Enttäuschten herum und teilen allen, die sie treffen, begeistert mit: Jesus lebt. Das ist das, was wir feststellen können und was im Prinzip niemand bestreitet, unabhängig davon, ob er an Gott glaubt oder nicht. Die entscheidende Frage lautet nun natürlich: Was steckt dahinter? Was ist denn da passiert? Ist da wirklich etwas passiert oder nicht? Ist es gerechtfertigt, mit einem Handeln Gottes zu rechnen? Oder kann man alles natürlich „erklären“? grundsätzlich Erfolg und Tragik von Wissenschaft Was historische Wissenschaft von „Ostern“ sieht Der „historische Rand“ von Ostern Die Wissenschaft kann zwar nicht direkt etwas zur Gottesfrage beitragen, aber sie kann uns überprüfbare Gesichtspunkte nennen. Jede Antwort auf die Frage: Was ist passiert? muss diese Gesichtspunkte berücksichtigen. Historisch spricht man vom sog. „historischen Rand“ der Auferstehung. Damit ist gesagt: Die Auferstehung selbst ist nicht greifbar. Den Start der neuen Schöpfung, die Überwindung der Macht des Todes – all das können wir historisch nicht sehen. Was wir aber erkennen können, das sind historische Tatsachen. Wenn die wirklich feststehen, dann ist das Osterzeugnis des Neuen Testamentes plausibel. Wenn sie nicht gegeben sind, dann reicht eine naturalistische, atheistische sog. natürliche Erklärung. >>> CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Wenn ein Ereignis unnatürlich ist, wenn es nicht normal ist, wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dann kann Naturwissenschaft nur beschreiben, was passiert ist. Aber wir werden als fragende und neugierige Menschen gerade in unserem Staunen und in unserer Überraschung natürlich weiterfragen: Was ist denn da los? Wer war hier am Werk? Und wir werden dann philosophische Antworten geben, die den wissenschaftlichen Befund erklären. 23 grundsätzlich CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 24 Zu diesem historischen Rand gehören drei Elemente: 1.: der Tod Jesu 2.: das leere Grab 3.: die Erscheinungen vor ehemaligen Jüngern. Wenn alles drei gegeben ist, dann kommt man an der Osterbotschaft: Gott hat hier gehandelt und den toten Jesus real auferweckt, kaum vorbei. Wenn auch nur ein Element nicht stimmt, dann ist Ostern sicher kein Ereignis der Geschichte, sondern maximal eine schöne Illusion, allein in den Köpfen ehemaliger Jünger. Nun gilt aber und ist Ergebnis historischer Forschung: 1.: Der Tod Jesu ist das am besten bezeugte Ereignis der Antike. 2.: Dass das Grab Jesu leer war, geben selbst die Gegner der Christen zu. Würden sie ihnen sonst Leichendiebstahl vorwerfen (Mt 28,13)? Wie auch hätten die Osterzeugen von der Auferstehung reden können, wenn die Gegner parallel dazu auf das Grab mit dem Leichnam Jesu hätten verweisen können? Für Juden ist Auferstehung ohne Leib undenkbar! 3.: Diese Erscheinungen sind nicht als Halluzinationen erklärbar; sie sind keine frommen Wunschvorstellungen. Sie geschehen unabhängig voneinander. Plausibel klingt die Skepsis und die Enttäuschung der Jünger, gegen die sich Jesus mühsam durchsetzen muss. Schließlich: Jesus erscheint nicht nur ehemaligen Jüngern, sondern auch Skeptikern, die ihn zu Lebzeiten nicht anerkannt haben. Diese drei Elemente: Tod, leeres Grab und Erscheinungen machen den historischen Rand der Auferstehung Jesu aus. Sie beweisen sie nicht, machen sie aber wahrscheinlich und das Osterzeugnis der ersten Christen plausibel. Historisch kann man nicht erfassen, was da passiert ist. Historisch kann man nur die Schale dieser Geburt einer neuen Welt in unserer alten greifen. Aber ohne diese Schale, ohne diesen Rand hätten wir kaum Grund, einer so wenig plausiblen Botschaft Glauben zu schenken. Mit dieser Schale, mit diesem Rand gibt es allen Grund, sich auf die Entdeckungsreise zu machen und die Wirklichkeit zu erkunden, die an Ostern gestartet ist; die wir historisch nur oberflächlich greifen können; die sich uns aber mehr und mehr erschließt, je mehr wir uns auf sie einlassen. • Prof. Dr. Heinzpeter Hempelmann M. A. 54 Jahre, verheiratet, zwei Kinder, Theologe und Philosoph, leitet das Projekt „Wachsende Kirche” grundsätzlich Das Abendmahl in Emmaus (Mailänder Version), 1606. Pinacoteca di Brera, Mailand · Ausschnitt Leben, das den Tod besiegt Die Bedeutung der Auferweckung Jesu in theologischer Perspektive „Everything depends on the resurrection of the body; otherwise all we have is a Ghost for a Saviour“ (Thomas F. Torrance). (Alles hängt ab von der leiblichen Auferstehung, ansonsten hätten wir als Retter nichts anderes als ein Gespenst) 1. Der Dreh- und Angelpunkt Im persönlichen wie im gesellschaftlichen Leben gibt es Krisenmomente, an denen alles hängt, Momente, die über den weiteren Fortgang und die rückblickende Bewertung entscheiden. Die Auferweckung Jesu von den Toten, ihnen gewiss gemacht durch die Begegnung mit dem Auferstandenen, war ein Krisenmoment im Erleben der ersten Jünger. In der Begegnung mit dem Auferstandenen ging ihnen auf, dass die Mission Jesu nicht gescheitert ist und der Tod nicht das letzte Wort hat. In der Begegnung mit dem lebendig gegenwärtigen Gottessohn ist die Auferweckung Jesu auch für jeden Christen Drehund Angelpunkt des Glaubens an den lebendigen, sich in der Geschichte offenbarenden Gott. Dabei ist die Auferstehung mehr und anderes als lediglich ein Moment im innerseelischen Erleben der Jünger, die verzweifelt versuchten, dem Tod Jesu Sinn abzugewinnen. >>> CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 >>>>>> 25 grundsätzlich CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 26 Sie ist vielmehr ein von Gott gewirktes Widerfahrnis, das wir staunend anbeten dürfen und in dem wichtige Grundaussagen des christlichen Glaubens zusammen>>> … unserem laufen. Genau genomGlauben würde ohne die Gewissheit der Auf- men verschränken sich erweckung Jesu das in diesem Geschehen Entscheidende fehlen. drei Dimensionen des Glaubens – und unserem Glauben würde ohne die Gewissheit der Auferweckung Jesu das Entscheidende fehlen. 2. Die retrospektive Dimension: „Brannte nicht unser Herz …“ Zwei Jünger, einer von ihnen trug den Namen Kleopas, machen sich auf den Weg nach Emmaus. Unterwegs begegnet ihnen – unerkannt – der Auferstandene und sie erzählen ihm von ihrer Hoffnung, die mit der Kreuzigung Jesu jäh an ihr Ende gekommen war: „Wir aber hofften, dass er Israel erlösen solle“ (Lk 24,21). Hier spüren wir: Die Jesus-Geschichte wurzelt tief in der lebendigen Glaubensüberlieferung des jüdischen Volkes, wie sie im Alten Testament bezeugt ist. Sie bedeutet Hoffnung für das Gottesvolk – und doch geht ihr Wirkungskreis nach Gottes Willen über Israel hinaus. Israel ist Zeichen für das, was Gott der ganzen Welt, was er allen Menschen schenken möchte: die Erfahrung einer Befreiung, die ethnische Grenzen hinter sich lässt, weil sie das Herz verändert und zu einem Leben aus dem Geist Gottes beruft und befähigt. Bereits Hosea fordert dazu auf, sich Gottes richtendem und rettendem Handeln zu unterstellen: „Kommt und lasst uns zum Herrn umkehren! Denn er hat zerrissen, er wird uns auch heilen; er hat geschlagen, er wird uns auch verbinden. Er wird uns nach zwei Tagen neu beleben, am dritten Tag uns aufrichten, dass wir vor seinem Angesicht leben“ (Hos 6,2). Jesus selbst erinnert daran, dass der Prophet Jona nach drei Tagen und drei Nächten im Bauch des Fisches wieder ans Licht kam, und bezieht sie auf sich (Mt 12,40). Der Tod ist nicht das Ende. Golgatha durchkreuzt nicht Gottes Absichten. Vielmehr führt das Kreuz, der Sühnetod Jesu, in ein Dunkel, das vom Licht des Ostermorgens erhellt wird. Musste nicht das Herz der Jünger brennen, als ihnen der Auferstandene die Augen öffnete für die Schriften, mit denen sie doch schon so lange vertraut waren? Der Rückblick auf das Alte Testament ist wichtig. Er öffnet uns die Augen für die Treue Gottes. Gott erweist sich als treu in der Geschichte. Er schenkt seinem Volk nicht nur Erfahrungen >>> Der Rückblick auf das Alte Testament der Befreiung und des erschließt auch das Neuanfangs, er schenkt ketogorial Neue im ihm vor allem den Handeln Gottes. Messias, in dessen Geschick die Hoffnungen Israels zur Verheißung für alle Völker werden. Gott erweist sich auch darin als treu, dass er als Schöpfer des Lebens der Macht des Todes entgegentritt. Schließlich wird auch erst vor dem Hintergrund des Verständnisses der Auferstehung in den späten Texten des Alten Testaments und des Frühjudentums verständlich, dass es sich bei der Auferstehung Jesu um eine leibliche Auferstehung handelte. Denn obwohl es zur Zeit Jesu ein gewisses Spektrum an Vorstellungen darüber gab, was einem Menschen nach seinem Tod widerfährt, war der Begriff „Auferstehung“ doch eindeutig mit der Vorstellung belegt, dass der Verstorbene von Gott in ein qualitativ neues, freilich leibgebundenes Dasein gerufen wurde. Für den Gedanken eines körperlosen Weiterlebens standen andere Ausdrücke zur Verfügung. Wir dürfen daher davon ausgehen, dass die Jünger ihre Erfahrung begrifflich präzise wiedergegeben haben und mit „Auferstehung“ nicht den Eindruck bezeichneten, dass die Sache Jesu irgendwie weitergehe. 3. Die reflexive Dimension: Lebendig gemacht mit Ihm Begegnung mit dem Auferstandenen ist immer auch lebensverändernd. Die Begegnung mit Jesus Christus ist Befreiung zum Leben, bedeutet den Aufbruch in ein neues, in manchem noch unbekanntes Land. Diese Befreiungser- Auferweckung zum ewigen Leben ist ein dem Menschen unverfügbares Widerfahrnis. Die Jünger rechneten nach dem Tod Jesu nicht mehr damit, ihm als Lebendigen zu begegnen. Die Begegnungen mit dem Auferstandenen widerfuhren ihnen, wurden ihnen als etwas für sie Unverfügbares zuteil. „Er erschien ihnen“, „er wurde gesehen“, heißt es verschiedentlich im Neuen Testament. Dies sind – bereits im Alten Testament – Ausdrücke für das sich Offenbaren Gottes. Wenn Gott sich offenbart, dann liegt die Aktivität ganz bei ihm. Nur Gott, der durch sein Wort aus dem „Nichts“ schafft, kann das für ihn Tote zu neuem, ewigem Leben erwecken. Die Erfahrung, in der Begegnung mit dem Auferstandenen aus den Bindungen der Gottesferne und Selbstsucht zu einem Leben aus dem Geist Gottes befreit zu werden, verdankt sich den Möglichkeiten und dem Willen Gottes. „Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist möglich bei Gott“ (Lk 18,27). >>> grundsätzlich fahrung hat eine ganze Anzahl von Facetten, von denen ich nur einige nennen kann: Die Auferweckung Jesu bezeugt den Sieg Gottes über Sünde und Tod als den >>> Die Begegnung Menschen versklavende mit Jesus Christus Mächte. Hatte Gott im ist die Befreiung Opfertod seines Sohnes zum Leben. die Schuldfrage geklärt, so erweist sich in der Auferweckung Jesu auch die Machtfrage als entschieden. Gott bricht die Stricke des Todes entzwei, er proklamiert des Todes Tod und offenbart seine das Böse besiegende Lebensmacht. Weil Christus von den Toten auferweckt wurde, kann der Tod hinfort nicht mehr über ihn herrschen (Röm 5,9). Vielmehr ist der Tod als von Gott und seiner Herrlichkeit trennende Macht überwunden. Wer sich der Herrschaft Jesu unterstellt, der hat teil an diesem Sieg. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Wenn Gott Menschen ins Leben ruft, dann sind sie zur Verherrlichung, nicht zur Vernichtung bestimmt. Gott bekräftigt dies in einer für die Zeitgenossen Jesu überraschenden Weise, indem er nämlich einen Einzelnen, Jesus, von den Toten auferweckt. Der Rückblick auf das Alte Testament erschließt auch das kategorial Neue im Handeln Gottes. Die Israel gegebenen Messias-Verheißungen finden ihre Erfüllung in dieser einen geschichtlich-konkreten Person: in Jesus von Nazareth. Was Jesus in Wort und Tat bezeugt, das bestätigt Gott, indem er Jesus aus dem Grab auferweckt: Dieser und kein anderer ist der eingeborene Sohn und Herr über alles. So ist die Auferweckung machtvolle Rechtfertigung und Bestätigung der Sendung und der Person Jesu. 27 grundsätzlich CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 28 Das Auferstehungsleben Jesu wird uns durch die Taufe zugeeignet. Die christliche Taufe auf den Namen des dreieinigen Gottes wird empfangen. Sie ist kein Selbstfabrikat. Wer auf das eigene Begehren hin getauft wird, der unterstellt sich bewusst dem Herrschaftsanspruch Gottes. Die Taufe wird im Glauben als ein Sterben erlebt: Was nicht zu Gottes neuer Welt passt, das muss sterben, das muss im Wasser der Taufe ertränkt werden. Die Taufe ist aber auch ein Auferwecktwerden zu neuem, unvergänglichem Leben. Wer loslässt, was er doch nicht festhalten kann, der empfängt, was er nicht verlieren kann: eine lebendige Hoffnung und das Erbe des ewigen Lebens (1.Petr 1,3). Diese Hoffnung ist ein Gemeinschaftsgut. Sie kann – wie auch die Taufe ganz praktisch zeigt – nur in der Gemeinschaft empfangen und gelebt werden. Auferstehungsleben ist gemeinsames Leben, gemeinsames Unterwegssein. Die Auferweckung Jesu eröffnet und verbürgt den unwiderruflichen Zugang zum Vaterherzen Gottes. Jesus verbindet alle, die ihm vertrauen, mit dem Herzen des liebenden Vaters. Er tritt für uns ein, ist sozusagen unsere „ständige Vertretung“ vor Gott (Röm 8,34). So können wir in der Gewissheit leben, dass unser kleines Leben dem großen Gott gegenwärtig, dass es ihm nicht gleichgültig ist. Dass Jesus uns vor dem Vater vertritt, ist aber auch ein Hinweis auf unsere Bedürftigkeit. Wir brauchen die Fürsprache Jesu, weil auch das neue Leben durch Unachtsamkeit, Unkenntnis oder sogar Ungehorsam verdunkelt wird. Vergebung braucht auch, wer zu Jesus gehört. Je inniger diese Zugehörigkeit ist, umso mehr wird sich ein Christ dessen bewusst sein. Wer Anteil erhält an der Auferweckung Jesu, der ist zu einem Leben zur Ehre Gottes berufen und befähigt. Die Auferstehung Jesu hat den Boden bereitet für ein Leben, das nicht vergeht. In der Natur ist Sterben das Gegenteil zu Wachsen, Gedeihen und Fruchtbringen. Ein Drittes dazwischen gibt es nicht. Die Auferweckung Jesu hat den Boden dafür bereitet, dass unser Leben Frucht bringt (Röm 7,4). Das bedeutet, dass das Kreisen um sich selbst abgelöst wird von der Frage nach Gottes Willen und Wohlgefallen. Wer Jesus begegnet ist, der ist „außer sich“. Im Auferstandenen hat das neue Leben seinen Grund, ja sein Zentrum. Wer sich von diesem Zentrum her bestimmen lässt, bereitet Gott Ehre. Ehre, wem Ehre gebührt. Die Auferweckung Jesu wird zur Leben bestimmenden Wirklichkeit nur für den, der selbst auch aufsteht. Der biblische Befund mutet uns zu, diese Spannung auszuhalten und mitzutragen. So unverfügbar uns die Teilhabe am Auferstehungsleben ist, so sehr kann der Apostel von uns verlangen, dass wir uns dem Zuruf des Herrn nicht entziehen: „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten“ (Eph 5,14). Wer durch Gottes Wort zum Leben erweckt wird, der muss auch wirklich aufstehen und in der empfangenen Kraft Gottes sein Leben gestalten. Und nur wer dazu bereit ist, kann zum Leben aus Gottes Geist erweckt werden. Auferweckung (die Bewegung von „oben“) und Auferstehung (die Bewegung von „unten“) könnte man als die zwei Seiten einer Medaille verstehen, die Gottes Souveränität und die Verantwortung des Menschen zu einer Einheit verbinden. 5. Die prospektive Dimension: Die herrliche Freiheit der Kinder Gottes Die reflexive Dimension blickt auf das, was Gott durch die Auferstehung hier und jetzt schon Gestalt werden lässt. Dabei wird deutlich, dass der Morgen der Ewigkeit in Staunen erregender Weise angebrochen, das Dunkel aber noch nicht vollständig gewichen ist. Wir müssen also auch „nach vorne“ schauen. Vielleicht sollten wir es sogar umgekehrt betrachten: Was wir schon jetzt im Glauben erfahren können, das ist – in der Perspektive Gottes – das Dass hier vom „Leib“ die Rede ist, darf nicht übersehen werden. Die Auferstehung der Toten ist keine Rückrufaktion Gottes im Sinne des Aussortierens unbrauchbar gewordener Teile. Vielmehr ist die Verwandlung des natürlichen in einen geistlichen Leib >>> Die Aufer(von dem uns noch die stehung der rechte Vorstellung fehlt) Toten ist keine Bestätigung der Leiblichkeit Rückrufaktion als von Gott geschenkter Grundgestalt der Schöpfung. Gottes im Sinne des Aussortierens Leiblichkeit ist nicht nur der Beginn, sondern auch unbrauchbar gewordener Teile. das Ziel der Wege Gottes. Erlösung meint die Geistdurchdringung des zur Herrlichkeit erhobenen Leibes, nicht Vergeistigung auf Kosten der Leiblichkeit. Und so werden wir vielleicht auch darüber staunen, was die nichtmenschliche Kreatur erwartet, wenn die Schöpfung frei wird „von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21). Die Auferstehung Jesu ist ein Wendepunkt der Geschichte. Sie ist zugleich der Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens. Denn wie in einem Brennglas bündeln sich hier die Strahlen göttlichen Handelns in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Hier haben wir das unverschließbare Fenster des dreieinigen Gottes zur Welt: Indem Jesus seinem Vater gehorsam wird bis zum Tod am Kreuz und der Vater seinen Sohn durch die Kraft seines Geistes aus dem Tode erweckt, bekommen wir durch eben diesen Geist Anteil am ewigen Leben. Alles hängt hier an der Wirklichkeit der leiblichen Auferstehung Jesu. Ansonsten bleibt uns nur ein Gespenst als Retter und der Gottesdienst wird zur Geisterstunde. grundsätzlich 5. Schluss • Dr. Christoph Raedel 38 Jahre, verheiratet, vier Kinder, ist Dozent für Evangelische Theologie (Schwerpunkt: Dogmatik/Ethik) am CVJM-Kolleg und leitet den Studiengang Theologie berufsbegleitend CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 „Morgen mitten im Heute“, das ist Vorgeschmack auf seine einmal für alle Welt offenbar werdende Herrlichkeit und Macht. Wenn Paulus Jesus Christus als „Erstling“ bezeichnet (1.Kor 15,20), dann meint er damit, dass sich in ihm die Auferweckung aller Menschen am Ende der Zeit vorweg ereignet hat. Das Ende der Geschichte hat sich hier im Geschick des Gottessohnes vorwegereignet, dieses Ende muss aber an einem jeden von uns, es muss an dieser Welt erst noch offenbar werden. Bis dahin erleiden auch Christen den Tod. Die Auferweckung Jesu und die allgemeine Totenauferstehung stehen darin im Zusammenhang, dass Gott sich in ihnen als der Herr über Leben und Tod erweist. Der Unterschied liegt jedoch in der konkreten Weise, in der Gott dies erweist. Beim „Erstling“, seinem Sohn, vollzieht er die Erweckung an einem gerade Verstorbenen, sodass gerade die Malzeichen an seinen Händen zu Erkennungszeichen werden können. Die Auferstehung aller, die zu Christus gehören, vollzieht sich dagegen nach Paulus in der Weise einer Verwandlung des vergänglichen natürlichen in einen unvergänglichen geistlichen Leib (1.Kor 15,44). 29 informativ Ein Tag im Licht der Auferstehung >>>>>> CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 1. Jeder Tag ist ein geschenkter Tag 30 Dieser Satz ist einer jener Sätze, den man für richtig halten kann, mit dem Kopf nickt und denkt, so ist es. Ich hab ihn nicht hergestellt. Ich lebe ihn. Vor fünf Jahren hat sich meine Wertschätzung zu diesem Satz und zu all den mir geschenkten Tagen völlig verändert. Ich musste mich einer Krebsoperation unterziehen. Die spätere Strahlentherapie verlief sehr gut. Das Leben wurde mir noch einmal geschenkt. Aber seit dieser Zeit hat mein Leben eine andere Intensität bekommen. Diese Erkenntnis: Jeder Tag ist ein geschenkter Tag, hat für mich nun eine noch höhere Bedeutung. Ich lebe die mir verbleibende Restzeit meines Lebens anders. Farben, Landschaften, Menschen, ich sehe anders. Musik, Gespräche, ich höre anders. Essen und Trinken schmecken anders. Das Leben ist wertvoller geworden. Meine Gebete haben andere Inhalte mit anderen Formen bekommen. Ich lebe die mir verbleibende Restzeit meines Lebens nicht einfach runter, sondern sie ist für mich eine Chance. Das gilt für jeden Menschen. Wir alle leben von der Restzeit unseres Lebens. Zeit ist immer vergehende, begrenzte Zeit. Die Frage ist nur, wie ich sie verstehen und nutzen will? Als Galgenfrist oder als Gnadenzeit? Gnadenzeit leben bedeutet, Zeit der Hoffnung zu leben in der Gegenwart des Auferstandenen. Denn das hat Jesus, der Auferstandene, seinen Jüngerinnen und Jüngern versprochen. Ohne Ausnahme, alle Tage in seiner Gegenwart zu leben. Mt 28,20b: Es ist nicht egal, welche Sichtweise wir von der begrenzten Zeit unseres Lebens haben. 3. Jeder geschenkte Tag ist der Gestaltung würdig Denn was nützt mir die Anwesenheit des Auferstandenen, wenn ich nicht anwesend bin? Wie sieht er konkret aus, mein Tag im Licht der Auferstehung? Wie erreicht Gott meine Existenz? Wie können Christen Licht der Welt sein ohne selbst zu verlöschen? Durch Unterbrechung des Tagesrhythmus. Ein Break ist nötig. Anhalten – aussteigen – durchatmen – Ruhe finden – dem Schweigen Raum geben. In solch einer Gebetszeit muss ich nichts produzieren, keine Ergebnisse erzielen, keine Andacht oder Predigt schreiben, sondern ich lasse mich von Gott anschauen. Entschleunigung, damit Raum wird. Galater 2,20: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ >>> CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Für viele Menschen ist der Gedanke der Unwiederholbarkeit unerträglich. Sie reagieren mit Beschleunigung mit dem Wettlauf der Zeit. Ein geschenkter Tag wird zu einem persönlichen Kapital erklärt. Er wird zugebaggert. Dann muss das Leben glücksmaximal gelingen, dann muss man rausholen, was rauszuholen ist. „Das Leben als letzte Gelegenheit“, wie es die Soziologin Marianne Gronnemeyer in einem Buch schreibt. Menschen rennen in der eigenen Zeittaktung wie in einem Hamsterrad. Wir können nicht mehr anhalten und kommen nicht mehr raus. Am Terminkalender scheiden sich die Geister. Aber Hallo. Hier liegt die Aura der Bedeutsamkeit. Wer ist wichtig – wer unwichtig? Wer ist groß – wer ist klein? Gegen solch erbarmungsloses Leben predigen und leben wir das Erbarmen eines gnädigen Gottes mit einem menschlichen Antlitz. Gott bestätigt Jesus von Nazareth als den Messias, indem er ihn von den Toten auferweckt. Damit ist er, herausgetreten aus Raum und Zeit, allen Menschen aller Zeiten an allen Orten, an allen Tagen gleich nah zugänglich. Der Glaube im Licht des Auferstandenen Jesus Christus könnte sich als Entschleunigung erweisen. informativ 2. Jeder geschenkte Tag ist ein unwiederholbarer Tag 31 informativ Um die Unterbrechung zu gestalten, helfen Rituale. Ein Ritual ist ein wiederholbarer Vorgang. Ich muss mir nicht ständig was Neues ausdenken, sondern ich weiß, wie es geht. Rituale kann man überall leben: im Flugzeug, im Büro, im ICE, in einem Café, dazu braucht man keine sakralen Räume, Andachtsräume oder Kirchen. Wenn man sie hat, ist es super. Z. B. ein Mitarbeiter der Landesbank in Stuttgart betet sein Mittagsgebet in der katholischen St. Eberhard-Kirche. Es kann hilfreich sein, in seiner Wohnung oder Büro einen Ort z. B. eine Ikone oder eine brennende Kerze zu haben. Das ist mein Ort. Rituale – Orte – Körperhaltungen helfen mir, wirklich präsent zu sein. Wenn ich morgens aufstehe, beginne ich den Tag mit einem Morgengebet. Morgengebete können unterschiedliche Formen haben. Meins sieht so aus: Die Meditationssätze können laut oder leise gesprochen werden. Morgengebet: Ich stehe bewusst vor Gott. Achte darauf, dass ich locker entspannt stehe. Atme durch. Meditationssatz: „Aufstehn heißt vor dir stehn Herr.“ Stehen zu können. Im Lot zu sein. Stille Meditationssatz: „Aufstehn heißt vor dir stehn Herr.“ Stille Meditationssatz: „Aufstehn heißt vor dir stehn Herr, denn du stehst zu mir.“ Stille Was auch heute auf mich zukommt – Du stehst zu mir. Stille (Arme ausbreiten, mit den Handflächen nach oben) Meditationssatz: „Aufstehn heißt vor dir stehn Herr und das Geschenk dieses Tages, der einzig ist, von dir zu empfangen. Danke für deine Gegenwart in meinem Leben heute. Amen.“ Hier kann sich eine biblische Textbetrachtung aus der Tageslese anschließen. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Mittagsgebet: 32 Stille Auf der Höhe dieses Tages komme ich zu dir Herr und bete dich an. Danke dir für alles, was heute schon war, an Schwierigem und an Leichtem. Ich bitte dich um deinen Segen für die weitere Zeit des Tages. Stille Weiterer Gebetsimpuls: EG 457 Verse aus dem Lied von Jochen Klepper. Der Tag ist seiner Höhe nah. Nun blick zum Höchsten auf, der schützend auf dich niedersah in jedes Tageslauf. Wie laut dich auch der Tag umgibt, jetzt halte lauschend still, weil er, der dich beschenkt und liebt, die Gabe segnen will. (Auch andere Verse aus diesem Lied sind möglich) Stille Abendgebet: Ein Tag im Licht der Auferstehung. Das Gebet ist der Raum der Kommunikation zwischen Gott und Mensch. Darum ist beten mehr als Verse aufsagen oder Wunschlisten rüberschieben, sondern beten ist auch schweigen und hören. Meinen Tag in der Gegenwart des Auferstandenen Jesus Christus leben, da kann ich nicht stumm bleiben, da mach ich den Mund auf und rede mit ihm. vormals Landesjugendreferent, Studienleiter der Tagungs- und Bildungsstätte Bernhäuser Forst, Spiritual, ehrenamtliche Mitarbeit im Förderverein informativ • Manfred Bletgen CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Stille Durchatmen Ich führe mir vor Augen: Gott ist gegenwärtig. Ich bin da vor ihm. Ich schaue auf den Tag zurück. Welche Erfahrungen und Begegnungen? Was hat mich beschäftigt? Was war belastend? Was hat mir gut getan? Stille Ich danke Gott für alles Gute. Ich lege alles Belastende vor Gott hin. Bitte um Vergebung und Verwandlung. Stille Abschlussgebet Diesen Tag, Herr, leg ich zurück in deine Hände, denn du gabst ihn mir. Du Herr bist doch der Zeiten Ursprung und ihr Ende, ich vertraue dir. Amen. 33 informativ Auferstehung der Toten – Hoffnung voller Attraktivität! CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Warum die christliche Perspektive zugleich vernünftig ist 34 „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und ein ewiges Leben.“ Das bekennen Christen mit den Worten des Apostolischen Credo in jedem Hauptgottesdienst. Als ich Konfirmand war, hieß es noch: Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches. Man hat diese wörtliche Übersetzung des ursprünglichen Bekenntnistextes geändert, weil man sie für unverständlich und modernisierungsbedürftig hielt. Mittlerweile aber greift die Erkenntnis um sich, dass selbst die For- >>>>>> mulierung „Auferstehung der Toten“ heutzutage weitgehend unverstanden bleibt. Als ich vor 20 Jahren die Ergebnisse einer Umfrage unter Schülerinnen und Schülern verschiedener bayerischer Schulen vorlegte, illustrierten sie diesen Sachverhalt. Erstens war es nur eine Minderheit der Kinder und Jugendlichen, die den Gedanken an ein Leben nach dem Tod damals mit der Vorstellung und dem Begriff Als „christlich“ lässt sich immerhin der Grundgedanke der Unsterblichkeit der Seele ansehen: Für ihn sprechen nicht nur einzelne Bibelstellen (z. B. Mt 10,28), sondern ihn stützt die neutestamentlich begründbare Annahme, dass der Gott der Liebe seine Geschöpfe auch im Tod nicht einfach loslässt. Sogenannte „Ganztod“-Theorien oder Theologien sind zwar beliebt, aber in sich höchst fragwürdig. 1 Wolfhart Pannenberg: Grundzüge der Christologie, Gütersloh 19765, S. 78 f. Der Zeitgeist weht dem christlichen Hoffnungsbekenntnis indessen regelrecht ins Gesicht. Ähnlich war das freilich schon in den Anfangszeiten des Christentums. Hatten nicht die philosophisch bewanderten Athener für die paulinische Auferstehungsbotschaft einst kaum mehr als Spott übrig, wie in Apostelgeschichte 17 berichtet wird? Für aufgeklärte Zeitgenossen der (Post)Moderne gilt das nicht minder. Die 2003 verstorbene Theologieprofessorin Dorothee Sölle nennt die „Auferstehung der Toten“ ein „märchen aus uralten zeiten, das kommt dir schnell aus dem sinn ...“. Der Theologe Helmut Groos etwa bestreitet ausdrücklich, dass sie dem intellektuellen Gewissen noch zugemutet werden könne. Seine Kritik richtet sich vor allem auf den „apokalyptischen“ Gehalt christlicher Hoffnungslehre, also auf Auferweckung der Toten, das Jüngste Gericht und die Erneuerung der Welt: „Die christliche Zukunftshoffnung ist, soweit wir denkend zu urteilen haben, nicht mehr statthaft, in keiner Hinsicht.“ Gewiss kann sich Groos auf so manche Theologen berufen, die die apokalyptischen Zukunftsbilder des Neuen Testaments tatsächlich als mythologisch und heute „völlig passé“ bezeichnet haben. Doch halten andere zeitgenössische Theologen diese apokalyptischen Hoffnungsgehalte für keine preiszugebende Mythologie. Insbesondere der namhafte Systematiker Wolfhart Pannenberg ist hier zu nennen. Er betont: „Mögen die apokalyptischen Vorstellungen vom Weltende auch in vielen Einzelheiten hinfällig sein, so könnten doch ihre Grundzüge, die Erwartung einer Auferstehung der Toten in Verbindung mit Weltende und Endgericht, auch für uns wahr bleiben.“1 >>> informativ Doch das gilt keineswegs generell für jede Hoffnung über den Tod hinaus. Vielmehr hat in unserer Gesellschaft der Jenseitsgedanke seit gut einer Generation wieder an Attraktivität gewonnen. Namentlich die Seelenwanderungsidee kann selbst hier im Westen immer mehr Anhänger verbuchen. Statistisch dürfte der Gedanke, wieder auf die alte Erde zurückkehren zu müssen oder zu dürfen, inzwischen die stärkste Zukunftshoffnung über den Tod hinaus in Deutschland sein. Christlich ist das jedenfalls nicht gedacht: Reinkarnation ist in der Bibel kein Thema und gehört in den Sinnzusammenhang bestimmter nichtchristlicher Menschen- und Gottesbilder. Die Auferstehungshoffnung ist vernünftig CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 der Totenauferstehung überhaupt in Verbindung brachte. Zweitens ergab sich eine kontinuierliche Linie: Mit zunehmender Annäherung an das Er>>> Um die Attraktivität des wachsenenalter christlichen Hoffnungsbenahm der kenntnisses ist es in unserer Glaube an die Gesellschaft schlecht bestellt. Auferstehung der Toten immer mehr ab. Das Ergebnis dürfte heute kaum besser aussehen – im Gegenteil! Die Annahme ist begründet, dass es um die Attraktivität des christlichen Hoffnungsbekenntnisses in unserer Gesellschaft schlecht bestellt ist. 35 CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 informativ Geht es doch bei der Auferstehungshoffnung „um das Fundament des christlichen Glaubens“! Pannenberg unterstreicht: „Reich Gottes und Auferstehung der Toten – das sind nicht abstruse Traumbilder antiker Autoren oder dem natürlichen Verstehen entzogene Offenbarungswahrheiten; es handelt sich auch nicht um Verheißungen, die nur in einer losen und zufälligen Beziehung zur Lebensproblematik des Menschen stehen, sondern diese beiden Gedanken, Reich Gottes und Totenauferstehung, sprechen die Bedingungen für die Vollendung der menschlichen Bestimmung aus.“2 36 Lässt sich dies erhärten, so gerät die Berufung aufs intellektuelle Gewissen für die entmythologisierende Abweisung der christlichen Universalhoffnung bei Helmut Groos und anderen unter Ideologieverdacht. Als ob alternative Hoffnungen oder Verzweiflungen mehr für sich hätten als die Hoffnung auf den Schöpfer des Alls! Der Philosoph Friedrich Nietzsche beispielsweise argumentiert, dass das Denken kein Letztes denken kön>>> Als ob alternative Hoffnungen ne, weil es oder Verzweiflungen mehr für sich dann ein hätten als die Hoffnung auf den Jenseits Schöpfer des Alls. seiner selbst denken müsste, damit aber schon aufgehört hätte zu denken. Diese Überlegung mündet bei ihm in die Idee der ewigen Wiederkehr des Gleichen – und damit in die Wiederbelebung eines uralten Mythos! Tatsächlich garantiert das Bestreben der Vernunft, den Mythos zu eliminieren, noch keineswegs, dass man dessen Strukturen damit wirklich entkommt. Laut Pannenberg eröffnet die nach vorn gerichtete Struktur der Vernunft durchaus den Raum für ein Reden des Glaubens von einer letzten Zukunft 2 W. Pannenberg: Die Auferstehung Jesu und die Zukunft des Menschen, in: ders., Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze Bd. 2, Göttingen 1980, S 174-187, bes. 180 f. 3 W. Pannenberg: Systematische Theologie I, Göttingen 1988, S. 66. des Einzelnen, der Menschheit und der Welt im Ganzen. Das Bekenntnis zur Hoffnung auf die Auferstehung der Toten erweist sich somit nicht mehr als vernunftwidrig“. Unredlich sind demgegenüber mancherlei anmaßende Behauptungen, denen zufolge es sich aufgrund rationaler oder weltbildlicher Strukturen intellektuell redlichem Denken prinzipiell verbieten würde. Freilich wird dieses Bekenntnis erst dann „nicht mehr strittig sein, wenn es allgemeine Erfahrung sein wird, dass die Toten auferstehen.“3 Keine dingliche Auferstehungshoffnung Die biblische Hoffnung auf die Auferstehung der Toten ist keine dualistische Jenseitshoffnung. Sie ist geschichtlich – unter Einflussnahme persischer Apokalyptik – aus der alttestamentlichen Prophetie erwachsen. Nicht eine himmlische Dimension für die Toten, sondern deren Neuberufung ins Leben, in Gottes irdische Schöpfung, in ein vervollkommnetes Dasein 4 Wie das theologisch gedacht werden kann, zeige ich in meiner Dissertation „Auferstehung der Toten“ (1991) und in dem auch ins Spanische übersetzten Buch „Der gekreuzigte Sinn“ (2007, 12. Kapitel). • Prof. Dr. Werner Thiede 54 Jahre, außerplanmäßiger Professor für Systematische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg und Referent beim Regionalbischof im Kirchenkreis Regensburg. Zahlreiche Publikationen. informativ Ihre Verbreitung bereits im vorchristlichen Judentum hat durch die Botschaft von der Auferweckung Jesu ihre grundsätzliche Bestätigung gefunden. Mit dem Ostergeschehen setzte eine Dynamik ein, die nicht weniger bedeutete als die spirituelle Vorwegnahme der künftigen Totenauferstehung – in der gegenwärtigen Verbindung mit dem Auferstandenen. Christen verstehen sich deshalb als „wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“ (1.Petr 1,3). Gegenüber einer zu dinglich-irdischen Deutung des Auferstehungsgeschehens hat sich dabei insbesondere dank der Argumentation des Apostels Paulus im jungen Christentum ein tiefsinnigeres Verständnis dieser Hoffnung herauskristallisiert. Man wusste nun zu unterscheiden: „Es gibt himmlische Körper und irdische Körper … Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich“ (1.Kor 15,40.42). So besteht auch eine gewisse Differenz zwischen Jesu Auferstehung innerhalb des irdischen Zeitlaufs und der allgemeinen Auferstehung im Umbruch zur Ewigkeit. Letztere vollzieht sich nicht an Leichen oder ihren „Resten“. Vielmehr wird sich im Zuge der universalen Neuschöpfung zeigen, dass wir eine ewige Behausung im Himmel haben (2.Kor 5,1).4 Davon lässt sich letztlich nur in Bildern und Symbolen reden, die auf Gottes heilvolles Handeln an seiner gesamten Kreatur hinweisen. Insgesamt ist die christliche Hoffnung auf die Auferstehung der Toten so groß, dass über sie hinaus eine größere nicht gedacht werden kann. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 auf einer neuen Erde unter einem neuen Himmel kommt schließlich in den Blick, wenn von der Auferstehung der Toten die Rede ist. Die heute mythologisch anmutende Vorstellung einer Wiederbelebung von Leichen aus ihren Gräbern heraus war zunächst das Leitbild für diese umfassende Hoffnung. 37 Wenn Christus nicht auferstanden wäre Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. informativ Wenn Christus nicht auferstanden wäre, könnten wir zu Hause bleiben. Der Pfarrer predigte doch nur am Leben vorbei. Wenn Christus nicht auferstanden wäre, kämen wir zum Gottesdienst wie zu einem gesellschaftlichen Ereignis. Wir könnten uns amüsieren. Wir könnten uns langweilen – Verwandelt würde bei alledem nichts. Wenn Christus nicht auferstanden wäre, müssten die Prediger als Lügner bestraft werden – oder man sollte sie zur Belustigung ausstellen. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Wenn Christus nicht auferstanden wäre, lohnte es nicht, dem Nachbarn nachzugeben. Ein Schlag ins Gesicht würde eher zeigen, wer stark ist. 38 Wenn Christus nicht auferstanden wäre, müsste die Gewalt größer geschrieben werden als Liebe, und Versöhnung bliebe etwas für Sentimentale. Wenn Christus nicht auferstanden wäre, gäbe es keinen neuen Anfang, und jeder Morgen wäre nur die Vorstufe zur Nacht. • Karl-Heinz Ronecker Mit freundlicher Genehmigung des Autors Aus: Wolfgang Brinkel (Hg), Dein Kreuz ist unser Leben. informativ Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten Als Erstling unter denen, die entschlafen sind. Gedanken für jeden Tag in der Passionszeit, Neukirchener Verlagshaus 2001 CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 © Gütersloher Verlagshaus GmbH, Gütersloh 39 praktisch – seelsorgerlich Ostern – die Welt mit anderen Augen sehen Die vier Evangelisten als Seelsorger Die vier Evangelisten schreiben ihre Osterge- Um das glauben zu können, brauchen wir einen schichten nicht für die Starken, die Sicheren und Anstoß von außen: eine Begegnung mit dem die Selbstbewussten – sondern für die Zweifler Auferstandenen. Denn sie widerspricht allem, (Mt), die Furchtsamen (Mk), die Traurigen (Lk) was wir als selbstverständlich ansehen: Das, was und Resignierten (Joh). Die Botschaft „Jesus ist unser Leben zutiefst prägt, ist die Tatsache, dass auferstanden“ ist eben nicht selbstverständlich, der Tod alles beenden wird. Das ist eine unum- sondern muss sich gegen innere – und äußere – stößliche Wahrheit unseres Menschseins – und Widerstände durchsetzen. Seien wir ehrlich: die Auferstehung stößt diese unumstößliche Wahr- Dass Jesus auferstanden ist, kann man nicht ein- heit um! Die Evangelisten zeigen uns Menschen. fach glauben. Und wer das behauptet, hat noch nicht über die Konsequenzen dieses Glaubens CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 nachgedacht: kein Stein bleibt auf dem anderen, 40 wenn Jesus auferstanden ist! Unterschiedliche Adressaten Wie diese Begegnung geschieht, und was dabei geschieht, berichten die vier Evangelisten auf je eigene Weise, indem sie uns von Menschen berichten, die diese alles verändernde Lebenserfahrungen gemacht haben. Dabei sind die ersten Zeugen der Auferstehung Jesu nicht wirklich >>>>>>> darauf vorbereitet. Allen Beteiligten ist gemeinsam, dass sie nicht sofort sehen, dass Jesus auferstanden ist und was das für ihr Leben bedeutet. Sie brauchen Zeit, um den Auferstandenen zu erkennen und die Konsequenzen zu verstehen. Dann aber erfahren sie, dass der Auferstandene ihr Leben verändert, indem er sie Der Zweifel wird nicht bekämpft, weder durch Argumente, noch durch Gruppendruck oder Ausgrenzung. Er wird „auf den Weg mitgenommen“. Auf den Weg mit Jesus Christus zu den Menschen. Dort hat er Zeit, sich zu verlaufen, weil die Erfahrungen, die man auf dem Weg mit dem Glauben und mit der Botschaft macht, den Zweifel verblassen lassen. Wer den Zweifler erst zwingen will, seinen Zweifel zu beseitigen, Markus: „ … denn sie fürchteten sich“ (Mk 16,1–8) Das Markusevangelium endet seltsam: Die Frauen, denen der Engel am Grab begegnete, fürchteten sich und schwiegen – obwohl der Engel ihnen aufgetragen hatte, die Botschaft von der Auferstehung Jesu den anderen Jüngern weiterzusagen (V. 7).1 Der Schluss ist paradox: Die, die es wissen und sagen sollten, schweigen. Und doch ist die Tatsache, dass es das Markusevangelium gibt, ein Zeichen dafür, dass dieses Schweigen durchbrochen worden ist! Die Frauen sagten aus Furcht die frohe Botschaft nicht weiter und damit scheint der Glaube an Jesus Christus endgültig in eine Sackgasse geraten zu sein. Aber das Markusevangelium (das auch von diesem Schweigen der Beauftragten berichtet) verkündigt dennoch das Evangelium und trägt Glaube zu den Menschen. Furcht macht stumm. Man traut sich nichts zu sagen. Und wenn man etwas sagen soll, ist es doppelt schlimm. Zur Furcht kommt das Gefühl, schuldig zu sein. Das verschließt den Mund noch mehr. Die große Entlastung für die Furchtsamen und Verstummten ist in dieser Abschlussgeschichte des Markusevangeliums: Gott findet einen Weg! Auch wenn du nichts sagen kannst – das Evangelium kommt doch zu den Menschen! Der Auferstandene selbst wird ihnen begegnen und sie zum Glauben führen. Du kannst vielleicht jetzt nichts sagen, und du musst es auch nicht. Gott lässt dir Zeit. Irgendwann wird die Mauer der Furcht fallen. Dann wirst du weitergeben können, was dir aufgetragen ist. Aber bis dahin ist der auferstandene Jesus Christus bei dir. Er wendet sich nicht ab. Er verurteilt dich nicht. >>> 1 Weil dieser Schluss so unbefriedigend ist, haben spätere Abschreiber der Schriften des Neuen Testaments die V. 9–20 ergänzt. praktisch – seelsorgerlich Matthäus: „... einige aber zweifelten“ (Mt 28,16–20) Seltsam: Auf dem Höhepunkt des Geschehens, der Aussendung der Jünger „in alle Welt“, gibt es immer noch einige, die zweifeln. Zum ersten Mal (im Matthäusevangelium) begegnen die elf Jünger dem Auferstandenen auf einem Berg in Galiläa – dem Schluss- und Höhepunkt des Evangeliums. Doch ausgerechnet hier sind einige Zweifler unter den Anwesenden. Haben sie nichts begriffen? Kann man überhaupt noch zweifeln, wenn der Beweis, der Auferstandene selbst, unmittelbar vor ihnen steht? Doch man kann! Und man darf! Denn Jesus tadelt die Zweifler nicht. Sie werden nicht ausgegrenzt, von den anderen isoliert, aus Angst, sie könnten die anderen mit ihrem Zweifel anstecken. Nein, die Zweifler werden mit den Zweifellosen ausgesandt: „Geht hin und machet zu Jüngern alle Völker ...“ (V. 18)! Der Auferstandene kann in seiner Gegenwart den Zweifel ertragen. Der innere Zwiespalt muss nicht erst beseitigt sein, bevor Jesus etwas mit seinen Nachfolgern anfangen kann. Der Zweifel kann mitgehen, weil Jesus, der Auferstandene, mit seinen Jüngern mitgeht: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (V. 20). bevor er ihn ganz akzeptiert, schließt ihn ein und macht ihm das Glauben schwer. Wer ihn mitnimmt auf den Weg, so wie Jesus, führt ihn heraus in die Weite des Glaubens. Der Zweifel >>> Der Zweifel weicht weicht nicht vor Argunicht vor Argumenten menten zurück, wohl zurück, wohl aber vor aber vor Erfahrungen. Erfahrungen. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 herausfordert, die Welt und das eigene Leben mit anderen Augen zu sehen. Diese Herausforderung ist jeweils eine andere, je nachdem, in welcher Sackgasse sich die Jünger befanden. Die Osterbotschaft trifft auf Menschen, die ihr gegenüber verschlossen sind: durch Zweifel, Furchtsamkeit, Traurigkeit oder Resignation. Alles Sackgassen-Erfahrungen des Lebens. Das Gefühl, es geht nicht weiter – weil der Zweifel das Leben versperrt, die Furchtsamkeit das Leben beengt, die Traurigkeit das Leben einschließt und die Resignation das Leben ermüdet. 41 CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 praktisch – seelsorgerlich Der Furchtsame braucht Zeit, um Vertrauen zu schöpfen. Er braucht Begleitung, die ihm den Druck nimmt. Er muss >>> Der Furchtsame verstehen, dass nicht alles von ihm abhängt und sein braucht Zeit, um Schweigen nicht einfach Vertrauen zu Versagen ist, sondern Ohnschöpfen. macht. Aber die Erfahrung, dass das Evangelium Menschen erreicht und zum Glauben führt, öffnet dem Furchtsamen schließlich den Mund. Auch er wird reden. Mit der Zeit. Das Evangelium von Jesus Christus ist lebendig, denn es ist die Botschaft eines Lebenden. Das wird auch das Gefängnis der Furcht und Sprachlosigkeit sprengen! 42 Lukas: „... da blieben sie traurig stehen“ (Lk 24,13–35) Die Geschichte der Emmaus-Jünger ist eine der bekanntesten Geschichten der Bibel. Faszinierend erzählt. Ganz nah an unseren elementaren Lebens- und Glaubenserfahrungen: Enttäuschung, Fragen, Hören, Erkennen, Umkehren. Die Osterbotschaft ist in diese Erfahrungen eingewoben. Zuerst unbemerkt, dann plötzlich aufblitzend und schließlich bewegend. Das Wichtigste ist der Weg: Glaubenserfahrungen macht man „auf dem Weg“ – denn sie sind selbst ein Weg. Kein Standpunkt, kein Zustand des Wissens, sondern ein Weg zur Einsicht. Traurigkeit lässt das Leben >>> Traurigkeit stillstehen. Es bewegt sich lässt das Leben nichts. Enttäuschte Hoffstillstehen. Es nungen, wie bei den beibewegt sich nichts. den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus, schneiden von der Vergangenheit ab (V. 21) und blockieren den Weg in die Zukunft. Nichts trägt mehr, also wird man starr. Es fehlt der rote Faden im Leben und im Glauben. Nichts geht mehr. Die Sackgasse der Ernüchterung und des Kleinmutes. Der auferstandene Jesus Christus führt die Jünger aus dieser Sackgasse der Traurigkeit heraus auf einen neuen Weg. Zuerst unbemerkt: Reden dürfen sie. Die Enttäuschungen ausdrücken. Sich aussprechen. Ohne Druck, nur gelenkt durch aufmerksames Fragen, gehen sie, die die Traurigkeit stillstehen ließ, weiter. Und dann zeigt Jesus ihnen ein neues Verständnis. Einen neuen Schlüssel für ihre Erfahrungen: Könnte es nicht auch anders sein? Ist das, was ihr als Enttäuschung erlebt habt, nicht in Wirklichkeit das Ziel? „Musste nicht Christus dieses erleiden“ (V. 26)? Zwei Schritte aus der Sackgasse der Traurigkeit: sich aussprechen dürfen und einen neuen Schlüssel zu den Erfahrungen bekommen. Das Gleiche anders sehen können. Der Auferstandene geht mit. Er lässt ihnen Zeit. Und lässt ihnen Raum. Doch dann ist da der Augenblick des Erkennens. Mit einem Mal bekommt alles einen anderen Sinn. Der Schlüssel passt. Im Rückblick erscheint alles einfacher als zuvor. Die Trauer bekommt einen Sinn. Aber ohne den Weg vorher – die Aussprache und die neue Deutung – gäbe es auch diese plötzliche Erkenntnis nicht. Erkennen braucht Vorbereitung und Gelegenheit. Und darum geht der Auferstandene mit. Er handelt unbemerkt an den Menschen, nimmt ihre Aufmerksamkeit gefangen, verwickelt sie in ein neues Denken, bleibt bei ihnen, auch wenn „sich der Tag geneigt hat“ (V. 29) – und weckt so den Glauben. Die Jünger können glauben, weil Jesus Christus ihnen Zeit gelassen hat, den Sinn des Glaubens zu entdecken: Jesus lebt – und darum lebt der Glaube an ihn! Johannes: „... in dieser Nacht fingen sie nichts“ (Joh 21,3) Johannes erzählt mehrere Geschichten, in denen der Auferstandene Menschen die Tür zum Glauben öffnet. Greifen wir eine davon heraus: die Jünger auf dem See Genezareth. Die Erzählung beginnt mit einem Rückzug, denn Petrus gibt den anderen Jüngern bekannt: „Ich will fischen gehen“ (V. 3) – und die anderen kommen einfach mit. – Die Jünger haben aufgegeben und vor den Tatsachen kapituliert. Das vertraute Leben, bevor sie Jesus nachgefolgt sind, erscheint besser als die ungewisse Zukunft, nachdem Jesus gestorben ist. Aus der Sackgasse der Resignation scheint es nur einen Ausweg zu geben: zurück. Doch auch ihnen begegnet der Auferstandene, auch ihn erkennen sie nicht sofort. Ein durchgängiges Motiv in den Ostererzählungen. nicht nur die Begrenztheit ihrer augenblicklichen Erfahrung. Es gibt mehr Leben als du siehst! Das heißt, den Auferstandenen zu erkennen: Der Lebendige öffnet uns das Leben. Die Auferstehung Jesu ist nicht etwas, was nur ihn betrifft und das wir, aus der Distanz, beobachten könnten. Die Auferstehung verändert diejenigen, denen Gott die Augen dafür geöffnet hat. Vom Unverständnis über das Ahnen zum Sehen. Manchmal ein längerer Weg, kein einfacher Schritt. decken. „Jesus ist auferstanden!“ Eine unglaubliche Botschaft. Selbstverständlich. Alles spricht dagegen. Unser Wissen. Unsere Erkenntnisse. Unsere Erfahrungen. Zweifel, Furcht, Trauer, Resignation versperren uns den Weg. Das Einzige, was dafür spricht, ist der Einzige, der uns anspricht: der auferstandene Jesus! Er begegnet uns, auch in den Sackgassen unseres Lebens, und öffnet uns, Schritt für Schritt, den Horizont des Glaubens. Den Blick zum Leben. Den Blick nach vorne. • Holger Noack 52 Jahre, verheiratet, drei Kinder, nach dem Theologiestudium Gemeindepfarrer, seit 1994 Bundesekretär für Mitarbeiterbildung beim CVJM-Westbund CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Aber auch sie führt er, Schritt für Schritt, zum Glauben. „Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden“ (V. 6). Die Herausforderung des Glaubens – wieder einmal: „Tut das, was ihr bisher getan habt, aber jetzt im Vertrauen zu Jesus – und ihr findet! Tut es, weil er es gesagt hat!“ Resignation bedeutet, das Gefühl zu haben, an der falschen Stelle zu suchen und nichts zu finden. Die Netze an der falschen Seite auszuwerfen. Der Auferstandene macht Mut, die Netze an der anderen Seite des Lebens auszuwerfen. Nicht dort, wo man bisher immer gefischt hat, sondern dort, woran man bisher nicht gedacht hat. Die neuen Möglichkeiten. Glauben bedeutet, die anderen Seiten seines Lebens zu erkennen. Das Unentdeckte, Ungenutzte. Das, was man nie gesehen hat – oder was man sich nie getraut hat. Im Vertrauen auf das Wort Gottes gerade dort die Netze auswerfen! Der Resignierte, der bisher nur einen Weg sah, den Weg zurück, kann zur Seite schauen und neue Möglichkeiten entdecken. Von Gott beschenkt. >>> Der Resignierte, Das Netz des Lebens wird der bisher nur gefüllt. Die Erfahrung, da einen Weg sah, ist doch mehr als ich bisden Weg zurück, her gesehen habe. Gott öffnet die Augen, damit kann zur Seite schauen und neue Menschen den Reichtum Möglichkeiten ent- des Lebens sehen und praktisch – seelsorgerlich Eine Einladung zum Glauben 43 praktisch – seelsorgerlich CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 44 Auferstehung – Impulse für eine Ikonenbetrachtung Einführungstext: Ikonen (griech. Bilder) sind keine Kunstwerke im klassischen Sinn. Eine Ikone hat ihren Platz im gottesdienstlichen Geschehen der Ostkirche, in der Anrufung und dem Lobpreis Gottes. Damit ist sie Teil der Liturgie. Mit ihnen und durch sie geschieht Beten. Rowan Williams, Erzbischof von Canterbury und Professor für systematische Theologie schreibt dazu: „Ikonen weisen uns den Weg; sie laden uns ein zu einer Reise, fordern uns auf, uns auf eine Pilgerschaft zu begeben. Sie helfen uns, Grenzen zu überschreiten, eine neue und verwandelte, in neuem Licht verklärte Welt zu betreten.“ Besonders die Christusikonen zeigen ein Leben, das das Licht und die Kraft Gottes nach allen Seiten hin ausstrahlt. Sie sind von Menschenhand gemalt, stellen Ereignisse im Licht des Handels Gottes dar und bedürfen so des Handelns Gottes. Im nachsinnenden Betrachten, im hörenden Beten laden sie zur Gottesbegegnung ein und zeigen uns die Welt im neuen Licht, das in Jesus, dem Christus, aufstrahlt. Ikonen machen uns darauf aufmerksam, dass Gott gegenwärtig ist und dass er in seiner Gnade an uns handelt. >>>>>>> In der Mitte steht Christus, umgeben von warmen Farben. Er steht auf den Türflügeln der Höllenpforte, die in der Form des Kreuzes über dem Abgrund liegen. Zerbrochene Schlösser und Ketten sind zu sehen. In der linken Hand ist unter den Ärmeln des Gewandes eine Schriftrolle zu sehen. Auf manchen Darstellungen ist der Text aus 1.Petrus 3,19 zu lesen: „gepredigt den Geistern im Gefängnis.“ Die rechte Hand streckt sich den Menschen des ersten Bundes entgegen: Adam, Eva und die Propheten. Auf der linken Seite stehen David, Salomo und Johannes der Täufer. Es ist das Bild einer Befreiung. Jesus steigt hinunter in das Reich des Todes. Er kommt zu denen, die gefangen sind in der schattenhaften Erkenntnis Gottes. Durch die Berührung geschieht neue Erkenntnis. Wenn Christus uns berührt, wird es uns möglich, Mensch zu werden und ein erfülltes Leben zu leben. Die Berührung geschieht nicht einfach nur sanft und zurückhaltend, sondern mächtig und kraftvoll. Er bricht hinein in das Reich des Todes und der Nichtigkeit und holt die Menschen da heraus. Der Tod verliert seine Macht. Verwandelte Beziehungen Dadurch werden auch unsere Beziehungen in einen neuen Zusammenhang gestellt. Der Sündenfall in 1.Mose 3 beschreibt die gescheiterte Beziehung zwischen Adam und Eva. Die Schuld führt zur Trennung, die weite Kreise zieht. Wir Menschen bringen es fertig, uns den Quellen des Lebens gegenüber zu verschließen. Wir sind dem zwanghaften Trennen und Christus ist der Herr der Geschichte In der Darstellung der Gestalten wird deutlich, dass der auferstandene Christus der Anfang und die Vollendung ist (A und O – Alpha und Omega, Offb 1,8). Er sammelt das Volk Gottes von seinen Anfängen her. Er hebt sie aus dem Tod und führt sie zur Vollendung. Die Zeuginnen und Zeugen des ersten Bundes sprechen von dem Gott, der damals zu ihnen gesprochen hat. Wir sehen, wie ihre Gottesbegegnungen zu Jesus hinführen und in ihm vollendet werden. Im Johannesevangelium spricht Jesus von der Freude Abrahams, „dass er meinen Tag sehen sollte“ (Joh 8,56). >>> praktisch – seelsorgerlich Der Einbruch in das Reich des Todes Zerteilen verfallen und mit diesem Trennen verweigern wir uns selbst das Leben, das Gott uns geben möchte. Jesus streckt seine Hand Adam und Eva entgegen, gleichsam als Aufhebung der Bitterkeit und Entfremdung. „Die Auferstehung ist der Moment, in dem Menschen einander wieder nahe gebracht werden über den Graben gegenseitiger Vorwürfe und Ablehnung hinweg; eine neue menschliche Gemeinschaft wird hier sichtbar. Und zugleich wird uns, durch die weiteren Gestalten des ersten Bundes Gottes im Hintergrund gezeigt, dass in dieser Gemeinschaft die Trennung zwischen Lebenden und Toten ohne Bedeutung ist: David und Salomo, Abraham, Mose, Elia und Jesaja – aufgrund von Jesu Auferstehung sind sie alle unsere Zeitgenossen.“ CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Die Ikone von der Auferstehung hat eine lange Geschichte. Im Lauf der Zeit hat sich die Darstellung immer wieder gewandelt. Sie zeigt nicht den Augenblick der Auferstehung, sondern die Auswirkungen des Handelns Gottes auf die Geschichte überhaupt. 45 praktisch – seelsorgerlich Von ihrem Glauben lernen wir, in eine uns verhüllte Zukunft zu sehen und darauf zu vertrauen, dass diese uns unsichtbare Zukunft das Angesicht Jesu Christi trägt. „Die Bibel im rechten Verständnis christlich zu lesen, bedeutet immer ein Lesen, das nach dem durch Christi Auferstehung gegebenen Ganzen Ausschau hält und horcht; jede Stelle in der Bibel, die wir ohne dieses Wissen um das Licht der Auferstehung lesen, lesen wir nur halb und flüchtig und ungenügend.“ In der Liturgie der Ostkirche wird in den Abendpsalmen am Großen Sonnabend dieser Gedanke aufgenommen: Das Heil umspannt die ganze Welt Heute ruft der Hades und stöhnt: Dahin sind meine Gewalten. Denn einen Sterblichen nahm ich auf wie einen der Toten. Ganz und gar nicht vermag ich es, ihn festzuhalten. Nein, ich werde mit Diesem Vieler beraubt, die ich beherrschte. Von jeher besaß ich die Toten. Doch Dieser … erweckt sie alle. Ehre sei Deinem Kreuze und Deiner Auferstehung, Herr. Weiter verweist uns die Auferstehung an diese Welt. In ihr und durch sie redet er. Durch Christus entsteht eine Neuordnung des Universums. Er hat die Tür zur Herrlichkeit Gottes aufgestoßen. Diese strahlt mitten im Reich des Todes auf, sodass der Tod davon verzehrt und verschlungen wird. Jesus gibt sich mitten hinein in die Sehnsüchte und Bruchstückhaftigkeit menschlichen Lebens. Er steht auf der Brücke des Kreuzes über dem Abgrund der Sinnlosigkeit, der Selbstentfremdung, der Schuld, der Verletzungen, des Misstrauens und bringt alles vor den Vater. Die verschlossenen Pforten der Hölle und des Todes sind überwunden. Das neue, unauflösbare Leben ist erschienen. Heute ruft der Hades und stöhnt: Besser wäre mir gewesen, ich hätte Marias Sohn nicht aufgenommen. Denn da er zu mir gekommen, hat er meine Herrschaft vernichtet und die ehernen Tore zertrümmert; die Seelen, die ich einst besaß, hat er als Gott erweckt. Ehre sei Deinem Kreuze und Deiner Auferstehung, Herr. Heute ruft der Hades und stöhnt: Verschlungen ist meine Macht. Der Hirte ward gekreuzigt. Er hat Adam erweckt. Aller, die ich beherrschte, bin ich beraubt. Und die ich in Macht verschlang, sie alle musste ich ausspeien. Der Gekreuzigte hat die Grüfte geleert. Nichts wert ist des Todes Gewalt. Ehre sei Deinem Kreuze und Deiner Auferstehung, Herr. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Impulse zum betenden Betrachten 46 Als Menschen, deren Lebens- und Glaubensgeschichte sich überwiegend in den westlichen Traditionen ereignet, fällt uns der Zugang zu dieser Tradition der Ostkirche nicht immer leicht. Gewiss, es gibt in den ökumenischen Beziehungen viele offene theologische Fragen. Trotzdem kann die Betrachtung des Geschehens einer Ikone uns hineinnehmen in die Anbetung des dreieinigen Gottes. Schritte einer betenden Betrachtung > Vergegenwärtigung: Ich bin anwesend in der Gegenwart Gottes > Das Bild auf mich wirken lassen > Einen Ostertext lesen > Wahrnehmen, was Wort und Bild mit meiner Wirklichkeit zu tun haben > Hörend vor Gott still werden – was will er mir sagen? > Bitten um das, was ich mir wünsche 48 Jahre, Diakonin, Ausbildung an der Bibelschule Aidlingen, tätig als Landesjugendreferentin im ejw mit den Schwerpunkten: Begleitung ehrenamtlich Verantwortlicher und Studienleiterin im Bernhäuser Forst Es geht nicht um die Anbetung des Bildes, sondern um die Anbetung dieses Herrn, der uns in ihm vor Augen geführt wird. Mir selbst ist diese Ikone in einer Zeit der Krise nach einer längeren Krankheitsphase zum ersten Mal begegnet. Die Betrachtung der geöffneten Pforten, die gesprengten Fesseln der Ausweglosigkeit und Angst, die ausgestreckte Hand, die allen Menschen, allen Adams und Evas entgegen gehalten wird, eröffnete mir neues Vertrauen und ließ die Hoffnung wieder zaghaft keimen. Wir sind zum ewigen Leben berufen und die Mächte und Kräfte und Einreden haben ihren Einfluss verloren. Ostern ist ein Geschehen, das sich täglich ereignet – dann, wenn wir der Stimme des auferstanden und lebendigen Herrn mehr vertrauen, allen Unkenrufen des Untergangs zum Trotz. CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 • Alma Ulmer praktisch – seelsorgerlich Die in Anführungen gesetzten Zitate sind dem Buch von Rowan Williams, Wo das Licht wohnt – Betrachtungen zu Christusikonen, Vandenhoeck & Rupprecht, entnommen. 47 Materialempfehlung Kreuzweg Stationen Luise Theill CVJM-Mitarbeiterhilfe · 1.2010 Literatur Evangelische Christen kommen mit Kreuzwegen am ehesten im Urlaub in Kontakt, wenn sie Kirchen besichtigen oder in katholischen Gegenden Kreuzwege unter freiem Himmel antreffen. 48 Es ist bemerkenswert, dass eine Künstlerin, die tief in der evangelischen Konfession verwurzelt ist, das Thema des Kreuzweges aufgreift und sich an die Gestaltung eines Kreuzweges wagt. Die Erfahrung eines gelebten Lebens haben bereits den künstlerischen Prozess, in dem die Bilder und Texte entstanden sind, durchdrungen. Darum sind Bild und Text für den Betrachter ausgesprochen eindrucksvoll und gar nicht „weit weg – abstrakt“. Jeder der 15 Stationen liegt eine Meditation der Künstlerin zugrunde. Fünfzehn Angehörige verschiedener christlicher Konfessionen und Werke haben die Gebetstexte geschrieben. Die ökumenische Weite ist der Künstlerin wichtig, denn im gemeinsamen Beten wird die Einheit der Kirche innerlich erfahren und stellt sich nach außen hin dar. So ist dieser Kreuzweg auch eine Einladung, ihn nicht nur in den „eigenen vertrauten Kreisen“, sondern vielleicht auch mal ökumenisch gemeinsam zu gehen! Die Bilder sind in Scherenschnitt- Collagetechnik, gestaltet und zum Teil dezent farbig unterlegt. Zu jeder Broschüre gibt es zusätzlich ein Arbeitsheft mit CD. Ein, für die Gestaltung der Passionszeit sehr zu empfehlendes Arbeitsmaterial, ob in Passionsandachten, einzelnen Bildern für nur einen Abend, oder in Karfreitags- und Ostergottesdiensten! Preise: Farbbroschüre Ab 10 Stck. 9.50 Euro 9.00 Euro Arbeitsheft Ab 10 Stck. 4.75 Euro 4.50 Euro Bezugsquelle: Luise Theill Am Frauenbusch 8 51674 Wiehl-Oberbantenberg Telefon: 0 22 62 / 24 99 www.luisetheill.com [email protected] >>> Vorschau 2.2010 Thema: Stille biblisch: Es ist eine Ruhe vorhanden im Volk Gottes grundsätzlich: Unsere Nebenabsichten machen uns Stress informativ: Verstummen – Schweigen – Stille praktisch: Theresa von Avila – die innere Burg >>> Die Nummer 3.2010 hat das Thema: „Wenn Dinge sich verändern” Impressum Mitarbeiterhilfe der Christlichen Vereine junger Menschen – erscheint fünfmal im Jahr – 65. Jahrgang Herausgeber und Verleger: CVJM-Gesamtverband in Deutschland e. V. durch Dr. Wolfgang Neuser Redaktion: Gudrun Meißner (Schriftleiterin), Frankfurt; Dr. Wilhelm Eppler, Kassel; Norbert Held, Neukirchen; Holger Noack, Wuppertal; Doris Reichmann, Detmold; Alma Ulmer, Stuttgart; René Wälty, Känerkinden Redaktionsanschrift: CVJM-Gesamtverband in Deutschland e. V. – Mitarbeiterhilfe – Im Druseltal 8, 34131 Kassel oder Postfach 41 01 54, 34063 Kassel-Wilhelmshöhe; Telefon (05 61) 30 87-222, Fax (05 61) 30 87-202; E-Mail: [email protected] Heftpreis: 3,– EUR plus Versandkosten; Jahresbezugspreis 14,00 EUR plus Versandkosten; Abbestellung bis vier Wochen vor Jahresende Bildnachweis: Titel, 1–5, 12–21 Archiv; S. 6–11, 26–36 Internet; S. 38–40 Bildcollagen; S. 43 B. Drescher Gestaltung: Dipl. Designer Bernd Drescher, Lüdenscheid Druck: Design & Druck C.G.Roßberg, 09669 Frankenberg 1.2010 Werner Thiede Mystik im Christentum 30 Beispiele, wie Menschen Gott begegnet sind Frankfurt/M., 256 Seiten, 19.90 Euro ISBN 978-3-86921-003-2 Wer nach Mystik im Christentum fragt, sucht inneren Halt in der Tiefe, Berührung mit dem Göttlichen – und Wahrheit. Daher bietet dieses Buch nicht nur eine Hinführung und Annäherung an 30 verschiedene Gestalten und ihre Visionen aus Geschichte und Gegenwart. Vielmehr vermittelt es gleichzeitig weltanschauliche und theologische Orientierung, um im biblischen Sinn die Geister zu unterscheiden. Denn „Mystik“ ist ein Sammelbegriff für vielerlei Wege und Schulen. Im Christentum verheißt Mystik die Erfahrung von Licht, Liebe und Lebensfülle. Aus dem Geleitwort von Landesbischof i. R. Prof. Dr. Gerhard Müller: „Werner Thiede informiert über verschiedene Formen von Mystik in einzelnen Religionen und Weltanschauungen und geht den Zusammenhängen nach, die sich hier aufdrängen. Dabei huldigt er nicht unkritisch der Mystik an sich – die es gar nicht gibt – oder einer von ihm bevorzugten Form derselben. Er zeigt vielmehr auf, dass Mystik zur Erhellung, aber auch zur Verfinsterung beitragen kann. So ist eine abwägende Darstellung entstanden, die das Für und Wider aufzeigt. Solch konstruktive Kritik ist wohltuend und dringend erforderlich, gerade auch bei dem hier behandelten Thema. Deswegen wird die abwägende Darstellung vielen Leserinnen und Lesern hilfreich sein.“