6. Planetenentstehung und Extrasolare Planeten • Fundamentale Fragen unseres Weltbildes und der Astronomie – Sind wir allein im Universum? – Ist unser Planetensystem einmalig? • Suche nach extrasolaren Planeten: – – – – Beobachtungstechnische Herausforderung 1995: Mayor & Queloz: 1. Exoplanet um 51 Peg Allgemeine Fragen zur Planetenentstehung Verbreiterung des Wissens: Massen, erd- oder jupiterähnliche Planeten, Abstände, Bahnen, Zusammenhänge mit dem Zentralstern 6. Exoplaneten Folie 1 Schema zur Planetenentstehung Interstellare Wolken: Fragmentation und Kollaps Drehimpulstransport Protostern mit Akkretionsscheibe Bildung von Planetesimalen, Gasakkretion der Planeten 6. Exoplaneten 105 M~ → 1 M~ Magnetische Bremsung Sedimentation, Sternbildung Planetenbildung und – wachstum in der Scheibe Folie 2 Interstellare Wolken (ISW) VLT: M16, pillar 4, IR-Aufnahme 6. Exoplaneten • ISW sind Orte der Sternentstehung, da höhere Dichten und geringere Temperaturen die Jeans-Masse verkleinern • ISW zeigen komplexe Chemie, kühlste Anteile des ISM • Großteil der Masse des ISM • Zahlreiche WW im galaktischen Potential, Lebensdauer ∼108 Jahre • Struktur beeinflusst durch Ionisations- und Stoßfronten • Abschirmung von stellaren Strahlungsfeldern wichtig Folie 3 Blick in eine Sternentstehungsregion HST: Proplyds im Orion 6. Exoplaneten • Orion-Nebel, nächste Sternentstehungsregion in d=480pc • Etwa 200 junge Sterne mit unterschiedlichen Massen • Hohe UV-Flüsse zur Photoionisation der gesamten Wolke • Akkretions- und Staubscheiben um mehr als 50% der jungen Sterne direkt nachweisbar • Rund 500 IR-Quellen entdeckt, frei fliegende Braune Zwerge oder Planeten im IR? Folie 4 Beobachtete Staubscheiben HST: β Pic HST: HD141569 6. Exoplaneten • Direkte Beobachtungen um die Sterne: β Pictoris, α Lyrae, α Piscis Austrini, ε Eridani, … • Ausdehnung: 20 – 1000 AU • Lücken in den Staubscheiben durch Wechselwirkung mit Planeten • Asymmetrien in der Scheibe durch vorbeiziehende Sterne, z.B. β Pic • Zeitlich begrenztes Phänomen aus statistischen Argumenten • Alter des Systems um HD141569: 5 Millionen Jahre Folie 5 Sedimentation der Staubteilchen Jahre nach Nakagawa et al. 1981 6. Exoplaneten • Strömung des Gases zum Äquator • Kaum Wechselwirkung der Staubteilchen untereinander • Staubteilchen sinken rasch (∼1000 Jahre) zur Äquatorebene • Wachstum in der Scheibe durch Koagulation und Kondensation • Zusätzlicher Effekt infolge radialer Drift • Große Teilchen wachsen auf Kosten der kleinen Teilchen • Z.B.: 18 cm bei Erd-, 5 cm bei Jupiter- und 0.5 cm bei Neptunabstand Folie 6 Wachstum der Staubteilchen • Temperaturgradient von innen nach außen abnehmend • Turbulenz bewirkt Mischen des Staubes und des Gases • Verdampfung von Staubpartikeln und Kondensation auf Staubteilchen wechseln sich ab • Entscheidende Rolle der Turbulenz • Turbulenz in der Scheibe führt zu Relativgeschwindigkeiten nach Morfill et al. 1985 6. Exoplaneten Folie 7 Bildung von Planetesimalen • Gravitative Wechselwirkungen bei kmgroßen Brocken • Reibung mit dem Gas in der Scheibe führt zu eher kreisförmigen Bahnen • Weniger Kollisionen mit hohen Relativgeschwindigkeiten • Zahlreiche Kollisionen durch gravitative Fokussierung der Bahnen • Erhöhung des geometrischen Wirkungsquerschnitts, sog. Safronov-Parameter θ • Theoretische, quantitative Beschreibung mangelhaft (Rolle des Gases, Streuung der Planetesimale, Strömungsprofile um Körper) 6. Exoplaneten Folie 8 Wachstum von Planetenkernen • Gravitatives Wachsen durch Akkretion von Planetesimalen (bis etwa 10 Erdmassen) • Bildung erdähnlicher Planeten • Dissipation der kinetischen Energie führt zu Akkretionsleuchtkraft Lakk, Rolle der Atmosphäre • Veränderliche Randbedingungen • Entwicklung des Gasnebels und des Zentralsterns während der WachstumsPhase der Planeten • Entwicklung der PlanetesimalenPopulation 6. Exoplaneten Folie 9 Entstehung von Gasplaneten I Gasdichte in Jupiterumgebung, sog. HillSphäre (ovaler Bereich), nach Kley (2001) 6. Exoplaneten • Zwei Theorien im Widerstreit: • Kerninduziertes Wachstum vs. direkter Kollaps in der Scheibe • Nucleated instability, ab etwa 10 Erdmassen (aus Planetesimalen) kann der Protoplanet Gas aus der Umgebung akkretieren • Rasches Anwachsen seiner Masse • Gasakkretion von der Temperatur (Schallgeschwindigkeit) abhängig • Erklärung der Kern-HülleStruktur von Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun Folie 10 Entstehung von Gasplaneten II Mayer et al. 2002 6. Exoplaneten • Direkter Prozess aus dem Gas • Gravitative Instabilitäten in der Scheibe ohne vorheriges Wachstum aus Planetesimalen • Erklärungsversuch der sonnennahen Exoplaneten • Migration oder Entstehung am heutigen Ort • Problem: Planetenmigration am richtigen Ort zu stoppen • Wechselwirkung mit dem Gas, anderen Planeten, Magnetfeldern, … Folie 11 Entdeckung extrasolarer Planeten • Seit 1995 mehr als 130 extrasolare Planeten entdeckt • Indirekte Methoden, vor allem Doppler-Effekt am Zentralstern • Bewegung um einen gemeinsamen Schwerpunkt führt zu winzigen Verschiebungen von Spektrallinien • Photometrie: Bedeckungen bei HD 209458 durch einen Planeten • Allgemeine Eigenschaften zur Entstehung von Planetensystemen • Planeten um zahlreiche Sterne, z.B. auch im Doppelsternsystem γ Cep 6. Exoplaneten Folie 12 Doppler-Spektroskopie • Hohe Genauigkeit und Stabilität der Spektrographen über Jahre erforderlich, e.g. CORALIE, ELODIE, HARPS, … • Verschiebung der Gesamtheit der Spektrallinien gegen einen Hintergrund (z.B. Iodid-Zelle) • Amplituden in der Größenordnung von Δv!10m/s • Abschätzung durch den Doppler-Effekt: Δλ/λ = Δv/c, d.h. für λ=3000Å gilt Δλ=10-4Å 6. Exoplaneten Folie 13 Extrasolare Planeten Gliese 86 b Queloz et al. 2000 M = 4MJ, P = 15.78 d, a = 0.11 AU, M* = 0.8 M~ 6. Exoplaneten • Amplitude ausgelöst durch Jupiter: 12.5 m/s, Amplitude durch Erdbewegung: 0.1m/s • Globale Statistik (Sept. 2004): – 117 Planetensysteme – 133 Planeten – 13 mehrfache Planetensysteme • Große Massen und enge Systeme leichter zu dedektieren, Mmin~√R • Planeten mit mehrfacher Jupitermasse in sternnahen Orbits, sog. Hot Jupiters • Bahnen mit hoher Exzentrizität vorhanden Folie 14 Beispiel: HD 209 458 Brown et al. 2001 6. Exoplaneten • HST-Beobachtungen erlauben präzise Transitphotometrie, 4 Durchgänge beobachtet • Stern: G0V (Sonne: G2V), d=47pc • Stern mit R* = 1.146 ± 0.050 R~ • Planet mit Rp=1.347 ± 0.060 RJ • P = 3.524 Tage, a = 0.0468 AU • Inklination: i = 86.68°± 0.14° • Keine Ringe oder Monde größer als 1.8 Erdmassen entdeckt • Möglichkeit erdähnliche Planeten zu entdecken Folie 15 OGLE-Daten OGLE-TR-113 b • Überwachung dichter Sternfelder, sog. crowded field photometry • 170 Millionen Sterne im galaktischen Bulge, 33 Millionen Sterne in der Magellan’schen Wolken • Automatische Auswertung erforderlich • OGLE: Optical Gravitational Lensing Experiment (seit • Bislang (Sept. 2004) 6 Planeten entdeckt • Möglichkeit erdähnliche Planeten zu entdecken M=1.35MJ, P=1.432 Tage, d¡1500Lj 6. Exoplaneten Folie 16 Massen von Exoplaneten • Beobachtungen zeigen bislang nur jupiter- bzw. saturn-artige Objekte • Massengrenze bei etwa 15 MJ, bei höheren Massen findet Deuteriumbrennen statt • Planetenentstehung in der Nähe des Zentralsterns schwierig • Gasakkretion durch hohe Schallgeschwindigkeit kaum möglich • Migrationshypothese, Gezeiten-Wechselwirkung mit der Scheibe 6. Exoplaneten Folie 17 Bahnen von Exoplaneten Perryman 2000 • Keine Korrelation zwischen Masse oder Abstand und Exzentrizität • Hohe Exzentrizitäten selbst bei kleinen Bahnradien • Stabilität der Bahnen über lange Zeiträume • Teilweise gebundene Rotation • Starke Gezeitenwechselwirkungen bei sternnahen Planetenbahnen • Heizung durch mechanische Verformungen • 12 Systeme mit mehreren Planeten, z.B. υ And hat zumindest 3 Planeten Butler et al. 2003 6. Exoplaneten Folie 18 Gravitationslinsen • Gravitative Verstärkung des Signals beim Vorbeigang eines Sterns samt Planeten • OGLE 2003-BLG-235/MOA 2003-BLG-53 am 21./22. Juni 2003 • Mp/M* = 0.0039 und 61.5 Tage zum Durchlaufen des EinsteinRinges • Abgeleitete Parameter: – M* ≅ 0.36 M~ – Mp ≅ 1.5 MJup – Projezierter Abstand: a ≅ 3.0 AU – Abstand zur Linse: d ≅ 5.2 kpc Brown et al. 2001 6. Exoplaneten Folie 19 Mehrfachsysteme • Bislang (Sept. 2004): 13 beobachtete Mehrfachsysteme, i.e. extrasolare Planetensysteme • 4 Planeten in sog. Habitablen Zonen, d.h. Temperaturbereich von flüssigem Wasser • Abstände, Massen und Bahnelemente teilweise gänzlich von unserem Sonnensystem verschieden • Anzahl stark durch AuswahlEffekte beinflusst Marcey et al. 2004 6. Exoplaneten Folie 20 Viele ungelöste Probleme NASA: Illustration, GL876 (2002) 6. Exoplaneten • Allgemeine, quantitative Theorie der Planetenentstehung fehlt bislang • Frage nach Einzigartigkeit unseres Planetensystems • Ordnung oder Chaos in den frühen Planetenbahnen • Rolle Jupiters als Ordnungsmacht, z.B. Titius-Bode-Reihe • Anzahl erdähnlicher Planeten • Bedingungen für die Existenz von Leben (Achsenneigung, Rotation, Kontinente, Erdmond, Gezeiten, …) • Wichtigkeit von flüssigem Wasser Folie 21 Zusammenfassung: Stern- und Planetenentstehung 6. Exoplaneten • Sterne entstehen durch einen Gravitationskollaps aus interstellaren Wolken • Planeten entstehen in protostellaren Akkretionsscheiben, kein direkter Kollaps aus dem interstellaren Medium • Viele Details nach wie vor ungeklärt • Verbesserung und Verbreiterung der Beobachtungsdaten notwendig • Diversität der Planeten (Masse, Entfernung zum Zentralstern, Exzentrizität, chem. Zusammensetzung, etc.) deutet auf Wechselspiel zahlreicher Prozesse Folie 22