STRUKTUR VON LIE

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STRUKTUR VON LIE-GRUPPEN
VORLESUNG IM SOMMERSEMESTER 1998
an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Richard Bödi
Inhalt
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Topologische Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Die allgemeine lineare Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Die Exponentialabbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Lie-Algebren und Lie-Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Orthogonale und unitäre Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Maximale Torusuntergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Homomorphismen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Maximal kompakte Untergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Kapitel 1: Topologische Gruppen
1
KAPITEL 1
Topologische Gruppen
(1.1) Definition. Eine Gruppe G auf einem Hausdorff-Raum (G, τ ) heißt topologische
Gruppe, wenn die Abbildungen G × G → G : (x, y) 7→ xy und G → G : x 7→ x−1 stetig
sind.
(1.2) Beispiele topologischer Gruppen.
(a) (R, +) und (R× , ·) mit der euklidischen Topologie.
(b) (C, +) und (C× , ·) mit der gewöhnlichen Topologie.
(c) Jede Gruppe ist bezüglich der diskreten Topologie eine topologische Gruppe.
(d) Die allgemeinen linearen Gruppen GLn R und GLn C sind topologische Gruppen, wobei
2
2
als Gruppen-Topologie die Spurtopologie in Rn bzw. in Cn genommen wird.
(e) Jede Untergruppe einer topologischen Gruppe ist bzgl. der Spurtopologie eine topologische Gruppe. Dies muß für Quotienten nicht mehr richtig sein, da die Qotiententopologie
nicht mehr Hausdorffsch zu sein braucht.
(1.3) Lemma. Für eine topologische Gruppe G gelten die folgenden Aussagen:
(i) Die Translationen λa : G → G : x 7→ ax und ρb : G → G : x 7→ xb sind für alle
a, b ∈ G Homöomorphismen.
(ii) Enthält eine Untergruppe H von G eine nichtleere offene Menge, so ist H sowohl
offen als auch abgeschlossen in G.
S
(iii) Ist G zusammenhängend, so ist G = n∈Z U n für jede Umgebung U von 1l.
(iv) Das Zentrum Z(G) von G ist abgeschlossen in G.
Beweis. (i) Nach Definition einer topologischen Gruppe sind die Abbildungen λa und ρb
−1
stetig und bijektiv. Wegen λ−1
a = λa−1 und ρb = ρb−1 sind auch die Umkehrabbildungen
und λa und ρb stetig, d.h. diese Abbildungen sind Homöomorphismen.
(ii) Sei U ⊆ H offen und sei x ∈ U . Nach (i) ist dann auch V := x−1 U offen und es ist
S
1l ∈ V ⊆ H. Wegen H = h∈H hV ist H als Vereinigung offener Mengen selbst offen. Die
S
Nebenklassen gH sind dann ebenfalls offen. Damit ist G \ H = g∈G\H gH offen in G,
also ist H abgeschlossen.
2
Kapitel 1: Topologische Gruppen
S
◦
(iii) Setze V := U ◦ ∩ (U −1 ) und H := n∈N V n . Für x, y ∈ H ist x ∈ V k und y ∈ V l
für gewisse k, l ∈ N. Also ist y −1 ∈ V l und xy −1 ∈ V k V l = V k+l ⊆ H. Dies zeigt, daß H
eine Untergruppe von G ist. Da H die offene Menge V enthält, ist H offen nach (ii). Ist G
S
S
zusammenhängend, so ist also H = G und es folgt G = H ⊆ n∈Z U n , also G = n∈Z U n .
(iv) Für g ∈ G betrachte die Abbildung ϕg : G → G : x 7→ xgx−1 g −1 . Diese Abbildungen
T
sind stetig. Deshalb ist ker ϕg = ϕ−1
g (1l) abgeschlossen. Wegen Z(G) =
g∈G ker ϕg ist
damit auch das Zentrum Z(G) abgeschlossen.
(1.4) Lemma. Sei (G, τ ) eine topologische Gruppe und sei U eine Umgebungsbasis des
Neutralelementes 1l. Dann ist die Topologie τ von G eindeutig durch U bestimmt.
Beweis. Aus der allgemeinen Topologie weiß man, daß die Topologie τ eindeutig bestimmt
ist, wenn Umgebungsbasen U(x) für alle Elemente x ∈ G bekannt sind. Da nach Lemma
(1.3)(i) die Abbildungen λx Homöomorphismen sind, bilden die Mengen {λx (U ) | U ∈ U}
eine Umgebungsbasis von x. Dies beweist das Lemma.
(1.5) Das semidirekte Produkt von Gruppen. Seien H und N zwei Gruppen und
sei ϕ : H → Aut (N ) ein Homomorphismus. Sei G := H × N , aufgefaßt als Menge. Auf G
wird eine Multiplikation wie folgt definiert:
ϕ(h1 )
(h1 , n1 ) · (h2 , n2 ) := (h1 h2 , n1 n2
).
Damit wird (G, ·) zu einer Gruppe, die G = H nϕ N geschrieben wird: Das Neutralelement
−1
e := {1l} × N
ist (1l, 1l) und das Inverse von (h, n) ist (h−1 , (n−1 )ϕ(h) ). Die Untergruppe N
ist ein Normalteiler von G, denn für (h, n) ∈ G ist
e · (h, n) = (h−1 , (n−1 )ϕ(h)−1 ) · ({1l} × N ) · (h, n)
(h, n)−1 · N
n
o
−1
−1 ϕ(h)−1
ϕ(1) = (h , (n )
) · (h, mn
m∈N
−1
= (h−1 , (n−1 )ϕ(h) ) · {(h, m) | m ∈ N }
n
o
−1
−1 ϕ(h)−1 ϕ(h−1 ) e.
= (h h, (n )
m
m ∈ M ⊆ {1l} × N = N
Bemerkung. Die Gruppe G ist genau dann kommutativ, wenn H und N kommutativ
sind und ϕ ≡ 1l ist. In diesem Fall ist G das direkte Produkt von H und N .
(1.6) Proposition. Sei G eine Gruppe und seien H, N Untergruppen von G mit H∩N = 1l
und G = N H. Ist N ein Normalteiler von G, so ist G ein semidirektes Produkt von H
und N .
Kapitel 1: Topologische Gruppen
3
Beweis. Setze ϕ : H → Aut (N ) : h 7→ ϕ(h) = (n 7→ hnh−1 ). Wir zeigen, daß G ∼
= H nϕ N
ist. Betrachte dazu die Abbildung f : H nϕ N → G : (h, n) 7→ nh. Die Abbildung f ist
homomorph, denn es ist
ϕ(h1 )
f ((h1 , n1 ) · (h2 , n2 )) = f (h1 h2 , n1 n2
ϕ(h1 )
) = (n1 n2
)(h1 h2 )
= n1 (h1 n2 h−1
1 )h1 h2 = n1 h1 n2 h2 = f (h1 , n1 )f (h2 , n2 ).
Wegen G = N H ist f surjektiv. Aus f (h1 , n1 ) = 1l folgt n1 h1 = 1l, also n1 = h−1
∈
1
H ∩ N = {1l}, was n1 = h1 = 1l impliziert. Dies zeigt, daß f auch injektiv ist. Insgesamt
ist f also ein Isomorphismus zwischen H nϕ N und G.
(1.7) Beispiele. (i) Alle Gruppen der Ordnung 6 sind semi-direkte Proukte: Sei G eine
Gruppe der Ordnung 6. Dann gibt es nach dem Satz von Cauchy Elemente h und n der
Ordnung 2 und 3. Sei H := hhi ∼
= Z2 und N := hni ∼
= Z3 . Wegen |G N | = 2 ist N ein
Normalteiler von G und es ist damit G ∼
= H nϕ N , wobei es für ϕ : H → Aut (N ) ∼
= Z2
∼
∼
nur die beiden Möglichkeiten ϕ ≡ 1l und ϕ 6≡ 1l gibt. Im ersten Fall ist G = Z2 × Z3 = Z6 ,
im zweiten Fall ist G isomorph zur symmetrischen Gruppe S3 . Dies gilt allgemeiner für
Gruppen der Ordnung 2p, p prim.
(ii) Weitere Beispiele in Proposition (2.5).
(1.8) Exakte Sequenzen. Seien G1 , G2 , G3 Gruppen und f1 : G1 → G2 , f2 : G2 → G3
Homomorphismen. Das Diagramm
G1
f1 G2
f2 G3
wird Sequenz genannt. Eine solche Sequenz heißt exakt, wenn im f1 = ker f2 gilt. Sie wird
zerfallend genannt, wenn es einen Homomorphismus g2 : G3 → G2 gibt mit g2 ◦ f2 = idG2 :
G1
f2 f1 G2 G3 .
g2
Eine exakte Sequenz der Form
1l
- G1
f1 G2
f2 G3
- 1l
wird kurze exakte Sequenz genannt. Insbesondere ist in dieser Situation f1 injektiv und
f2 surjektiv. Existiert für eine kurze exakte Sequenz wie oben ein Homomorphismus g2 :
G3 → G2 mit f2 ◦ g2 = idG3 , so wird g2 ein Schnitt genannt. Ein Homomorphismus
g1 : G2 → G1 mit g1 ◦ f1 = idG1 wird Retraktion genannt:
1l
- G1 f1 f2 G2 G3
g1
g2
- 1l
4
Kapitel 2: Die allgemeine lineare Gruppe
KAPITEL 2
Die allgemeine lineare Gruppe
(2.1) Definition. Sei K ein beliebiger, möglicherweise auch nicht-kommutativer, Körper.
Die Menge aller n×n-Matrizen mit Einträgen aus K wird mit Matn K bezeichnet. Die multiplikative Gruppe GLn K = {A ∈ Matn K | A ist invertierbar} heißt die allgemeine lineare
Gruppe über K.
Bemerkung. (i) Matn K bildet bezüglich der Matrizen-Addition und -Multiplikation
eine assoziative (Links-)K-Algebra mit der Einheitsmatrix E als Einselement. Mit Eij
sei diejenige Matrix aus Matn K bezeichnet, die an der Stelle (i, j) den Eintrag 1, sonst
überall 0 stehen hat. Die Menge {Eij | 1 ≤ i, j ≤ n} bildet eine Basis des K-Vektorraums
Matn K. Damit ist dim Matn K = n2 . Durch die Beziehungen Eij Ekl = δjk Eil wird die
Multiplikation in Matn K eindeutig festgelegt.
(ii) Die Menge Matn K läßt sich als K-Vektorraum der DImension n2 auffassen. Ist K ∈
2
{R, C}, so kann man Matn K stets als metrischen Raum Kn auffassen.
(2.2) Lemma. Für A ∈ GLn K sind die Komponenten von A−1 ganzrationale Funktionen
in den Komponenten von A.
Beweis. Sei A∗ die Adjunkte zu A ∈ GLn K. Dann ist A−1 = det(A)−1 A∗ . Da die
Einträge der Adjunkten A∗ Unterdeterminanten von A sind, sind die Einträge von A∗
Polynome in den Einträgen von A. Also ist ingesamt jeder Eintrag von A−1 ein Quotient
von Polynomen, also eine ganzrationale Funktion.
(2.3) Lemma. Sei K ∈ {R, C}. Die Gruppe GLn K ist eine offene Teilmenge von Matn K
und ist daher eine lokalkompakte topologische Gruppe.
Beweis. Die Determinante det : Matn K → K ist stetig, da sie lediglich durch Addition
2
und Multiplikation von Elementen aus Rn definiert ist und diese Operationen stetig sind
in K. Damit ist det−1 (0) = Matn K \ GLn K abgeschlossen, also ist GLn K offen in Matn K.
Ein ähnliches Argument zeigt, daß die Matrizen-Multiplikation stetig ist. Schließlich ist
die Inversion A 7→ A−1 nach Lemma (2.2) stetig. Als offene Teilmenge des lokalkompakten
2
Raumes Matn K ≈ Rn ist GLn K selbst lokalkompakt.
Kapitel 2: Die allgemeine lineare Gruppe
5
(2.4) Definition. Sei K kommutativ. Die Untergruppe SLn K = {A ∈ GLn K | det A = 1}
von GLn K heißt die spezielle lineare Gruppe über K.
(2.5) Proposition. Sei K kommutativ. Die kurze Sequenz
1l
- SLn K ⊂
- GLn K det
- K×
- 1l
ist exakt und zerfallend. Insbesondere ist SLn K ein Normalteiler von GLn K mit Faktor
gruppe GLn K SLn K ∼
= K× , und GLn K ist ein semi-direktes Produkt von SLn K mit der
Gruppe Bn K := {diag(1, . . . , 1, λ) ∈ GLn K | λ ∈ K× }.
Beweis. Nach Definition der Gruppe SLn K ist die in der Proposition angegebene Sequenz exakt. Die Abbildung j : K× → GLn K : λ 7→ diag(1, . . . , 1, λ) ist offensichtlich
ein Schnitt für die Abbildung det, d.h. die Sequenz ist auch zerfallend. Als Kern der
Determinanten-Abbildung ist die Gruppe SLn K ein Normalteiler von GLn K. Damit folgt
aus dem Homomorphisatz GLn K SLn K ∼
= K× . Schließlich ist Bn K eine Untergruppe von
GLn K, die SLn K trivial schneidet. Da sich jede Matrix A = (a1 , . . . , an ) ∈ GLn K in der
Form
(a1 , . . . , an−1 , an / det A) · diag(1, . . . , 1, det A)
schreiben läßt, ist G = SLn K · Bn K. Also ist die Gruppe GLn K nach Proposition (1.6) ein
semidirektes Produkt dieser Gruppen.
(2.6) Theorem (Additive Jordan-Chevalley-Zerlegung). Zu jeder komplexen Matrix C ∈ GLn C gibt es D, N ∈ GLn C mit C = D + N und DN = N D, wobei D
diagonalisierbar und N nilpotent (d.h. es gilt N k = 0 für ein k ∈ N) ist. Die Matrizen D
und N sind durch obige Eigenschaften eindeutig bestimmt. Die Matrizen D und N sind
Polynome in C.
Beweis. Die erste Aussage folgt sofort, wenn wir C in Jordan-Normalform schreiben, was
über C ja immer gelingt. Dabei ist N eine Matrix, die außer auf einer Nebendiagonalen
nur verschwindende Einträge besitzt. Damit hat N 2 nur auf der zweiten Nebendiagonalennichtverschwindende Einträge. Via Induktion läßt ergibt sich nun, daß N n = 0 ist, d.h. N
ist nilpotent. Schließlich ist
N=
Y
(C − λi E)
λi ist EW von C
ein Polynom in C. Wegen D = C − N gilt dies auch für D.
6
Kapitel 2: Die allgemeine lineare Gruppe
(2.7) Theorem (Multiplikative Jordan-Chevalley-Zerlegung). Zu jeder komplexen
Matrix C ∈ GLn C gibt es D, U ∈ GLn C mit C = DU und DU = U D, wobei D diagonalisierbar und U unipotent (d.h. es gilt U k = E für ein k ∈ N) ist. Die Matrizen D
und U sind durch obige Eigenschaften eindeutig bestimmt. Die Matrizen D und U sind
Polynome in C.
Beweis. Sei C = D + N die additive Jordan-Zerlegung von C. Setze U = E + D−1 N .
Dies ist möglich, da die Eigenwerte von C mit denen von D (in derselben Vielfachheit)
übereinstimmen, d.h. es ist insbesondere det D = det C 6= 0. Dann ist C = DU . Da D und
N kommutieren, ist mit N auch D−1 N nilpotent und wir haben DU = U D. Da D−1 N
nipotent ist, ist U unipotent. Die Eindeutigkeit folgt aus der Darstellung C = D+D(U −E)
mit Hilfe von Theorem (2.6). Die restlichen Aussagen folgen ebenfalls direkt aus dem
vorigen Theorem.
(2.8) Proposition. Sei Eij ∈ Matn K diejenige Matrix, die an der Stelle (i, j) den Eintrag
1 und sonst lauter Nullen besitzt. Die Gruppe GLn K wird von allen Elementarmatrizen
der Form
Eij;α := E + αEij , (i 6= j) und Ei;α := E + (α − 1)Eii,(α6=0)
erzeugt. Matrizen der ersten Bauart werden Transvektionen genannt. Die Gruppe SLn K
wird von der Menge aller Transvektionen erzeugt.
Beweis. Multiplikation einer Matrix M mit Ei;α von links bzw. von rechts bedeutet Multiplikation der i.ten Zeile bzw. Spalte mit dem Skalar α. Multiplikation von M mit
Eij;α von links (rechts) bedeutet Addition der α-fachen j.ten Zeile (i.ten Spalte) zur
i.ten Zeile (j.ten Spalte). Nach LA I ist bekannt, daß durch die eben genannten elementaren Zeilen- und Spaltenumformungen jede Matrix M ∈ GLn K in die Einheitsmatrix
−1
überführt werden kann. Da alle Elementarmatrizen invertierbar sind ((Eij;α ) = Eij;−α ,
−1
(Ei;α ) = Ei;α−1 ), folgt die erste Behauptung. Verwendet man nur Transvektionen, so
läßt sich M ∈ GLn K wie zuvor in eine Matrix der Form E + λEn,n transformieren. Ist
also M ∈ SLn K, so folgt λ = 0. Da alle Transvektionen die Determinante 1 haben, folgt
die zweite Behauptung.
(2.9) Definition. Sei G eine beliebige Gruppe. Für a, b ∈ G heißt [a, b] := aba−1 b−1
der Kommutator von a und b. Mit G0 bezeichnen wir die von allen Kommutatoren [a, b]
erzeugte Untergruppe von G. Diese Untergruppe heißt Kommutatorgruppe von G.
Bemerkung. Die Menge aller Kommutatoren ist i.a. keine Untergruppe! Deshalb wird
G0 als das Erzeugnis aller Kommutatoren definiert.
Kapitel 2: Die allgemeine lineare Gruppe
7
(2.10) Theorem. Sei n ≥ 3 oder n = 2, |K| ≥ 4. Dann ist (GLn K)0 = (SLn K)0 = SLn K.
Beweis. Da ein Kommutator in GLn K stets Determinante 1 hat, ist (GLn K)0 ⊆ SLn K. Die
Inklusion (SLn K)0 ⊆ (GLn K)0 ist trivial. Somit genügt es, SLn K ⊆ (SLn K)0 nachuweisen.
Dazu müssen wir nach Proposition (2.8) nur zeigen, daß alle Transvektionen in (SLn K)0
liegen. Sei zunächst n ≥ 3. Zu i, j mit i 6= j gibt es dann ein k ∈ {1, . . . , n} \ {i, j}. Für
α ∈ K ist dann
Eij;α = (Eij;α + αEik + Ekj )(Eij;−α − αEik − Ekj )
= (Eik;α Ekj;1 )(Eik;−α Ekj;−1 ) = [Eik;α , Ekj;1 ] ∈ (SLn K)0 .
Im Falle n = 2 ist
a
0
−1
0 a
1
,
0
b
1
=
1 b(a2 − 1)
0
1
für alle a ∈ K× und alle b ∈ K. Da die multiplikative Gruppe K× mindestens drei Elemente
besitzt und die Gleichung x2 = 1 höchstens zwei Lösungen hat, gibt es nach Voraussetzung
ein Element α ∈ K× mit α2 6= 1. Wählt man nun zu vorgegeben c ∈ K das Element b als
b = c(α2 − 1)−1 , so erhält man mit diesem b
E12;α =
α
0
0
α−1
1
,
0
b
1
∈ (SLn K)0 ,
und analog E21;α ∈ (SLn K)0 . Dies zeigt SLn K = (SLn K)0 .
(2.11) Definition. Sei G eine Gruppe oder eine Algebra. Dann definieren wir
Z(G) := {z ∈ G | ∀ g ∈ G : gz = zg}
als das Zentrum von G.
(2.12) Theorem. Es gelten die folgenden Aussagen:
(i) Z(Matn K) = {λE | λ ∈ Z(K)}
(ii) Z(G) = Z(Matn K) ∩ G für G ∈ {GLn K, SLn K}
(iii) Z(GLn K) = {λE | λ ∈ Z(K× )}
(iv) Z(SLn K) = {λE | λ ∈ Z(K), λn = 1}
Beweis. (i) Natürlich ist jede Matrix der Form λE im Zentrum von Matn K. Umgekehrt
sei M = (mij )ij ∈ Z(Matn K). Dann ist M Eij = Eij M für alle i, j. Ein Vergleich der
Einträge beider Produkte liefert mil = 0 für i 6= l und mii = mll . Dies liefert M = m11 E.
(ii) Die Aussage ist trivial für n = 1. Sei also n ≥ 2. Sei A ∈ Z(G). Dann ist A mit
Eij;1 für i 6= j vertauschbar, also auch Eij = (E + Eij ) − E und mit Eii = Eij Eji . Da
8
Kapitel 2: Die allgemeine lineare Gruppe
die Matrizen Eij mit i, j ∈ {1, . . . , n} eine Basis von Matn K bilden, folgt A ∈ Z(Matn K).
Dies zeigt Z(G) ⊆ Z(Matn K) ∩ G. Die umgekehrte Inklusion ist trivial.
(iii) und (iv) folgen sofort aus (ii).
(2.13) Korollar. Es ist Z(SL2n R) = {E, −E}, Z(SL2n+1 R) = {E} und Z(SLn C) =
k = 1, . . . , n .
exp 2πik
E
n
(2.14) Definition. Sei X ein topologischer Raum. Eine stetige Abbildung γ : [0, 1] → X
wird ein Weg zwischen dem Anfangspunkt γ(0) und dem Endpunkt γ(1) genannt. Zwei
Punkte p, q ∈ X werden verbindbar genannt, in Zeichen p ∼ q, wenn es einen Weg zwischen
p und q gibt. Der Raum X heißt wegzusammenhängend, wenn je zwei Punkte aus X
verbindbar sind.
(2.15) Lemma. Sei X ein topologischer Raum. Die Verbindbarkeits-Relation ∼ auf X
ist eine Äquivalenzrelation auf X. Die zugehörigen Äquivalenzklassen werden Wegzusammenhangskomponenten genannt.
Beweis. Für p ∈ X ist der konstante Weg γ : [0, 1] → X : t 7→ p ein Weg von p nach p,
d.h. die Relation ∼ ist reflexiv. Ist γ ein Weg von p nach q, so ist [0, 1] → X : t 7→ γ(1 − t)
ein Weg von q nach p, d.h. ∼ ist symmetrisch. Sind γ und δ Wege von p nach q und von
q nach r, so ist
γ(2t)
für t ∈ [0, 21 ]
ϕ : [0, 1] → X : t 7→
δ(2t − 1) für t ∈ [ 12 , 1]
ein Weg von p nach r. Dies zeigt die Transitivität von ∼. Also ist ∼ eine Äquivalenzrelation
auf X.
(2.16) Beispiele. (i) Der topologische Raum Matn K mit K ∈ {R, C} ist wegzusammenhängend, denn für A ∈ Matn K ist t 7→ tA : [0, 1] → Matn K ein Weg von der Nullmatrix
zu A. Insbesondere sind R und C wegzusammenhängend.
(ii) C× ist wegzusammenhängend, denn für z = reiϕ ∈ C× ist t 7→ (1 + t(r − 1))eitϕ :
[0, 1] → C× ein Weg von 1 nach z.
(iii) R× ist nicht wegzusammenhängend, denn nach dem Zwischenwertsatz muß jeder Weg
von einem Punkt x1 < 0 zu einem Punkt x2 > 0 durch den Ursprung gehen.
(2.17) Definition. Sei X ein topologischer Raum und sei p ∈ X. Die Wegzusammenhangskomponente X p := {x ∈ X | p und x sind verbindbar} wird Wegzusammenhangskomponente von p genannt. Ist G eine topologische Gruppe, so nennen wir G1 die 1l-Komponente
von G.
Kapitel 2: Die allgemeine lineare Gruppe
9
(2.18) Lemma. Sei G eine topologische Gruppe. Dann ist die 1l-Komponente G1 von G
ein Normalteiler von G. Die anderen Komponenten sind genau die Nebenklassen von G1 .
Beweis. Wir zeigen zuerst, daß G1 eine Untergruppe ist, seien dazu g, h ∈ G1 und seien
γg , γh Wege von 1l nach g bzw. nach h. Da die Gruppen-Operationen stetig sind, ist auch
γ : [0, 1] → G : t 7→ γg (t)γh (t)−1 ein stetiger Weg mit γ(0) = 1l und γ(1) = gh−1 . Dies zeigt
gh−1 ∈ G1 , d.h. G1 ist eine Untergruppe von G. Für u ∈ G ist [0, 1] → G : t 7→ uγg (t)u−1
ein Weg von 1l nach ugu−1 , d.h. es ist uG1 u−1 ⊆ G1 . Also ist G1 ein Normalteiler von
G. Mit G1 sind auch alle Nebenklassen von G1 wegzusammenhängend. Sei x ∈ gG1 , also
x = gh mit h ∈ G1 . Gäbe es einen solchen Weg γ, so wäre t 7→ g −1 γ(t) ein Weg von
h = g −1 x nach g −1 . Dies zeigt g −1 ∈ G1 , also gG1 = G1 . Dies zeigt, daß x nicht mit 1l
verbindbar ist.
(2.19) Proposition. Die Gruppe G = GLn R besitzt zwei Wegzusammenhangskomponenten, nämlich G1 := {A ∈ G | det A > 0} und G−1 := {A ∈ G | det A < 0}. Die Gruppe
SLn R ⊆ G1 ist wegzusammenhängend.
Beweis. Die Menge G+ = {A ∈ G | det A > 0} ist wegzusammenhängend: Es genügt zu
zeigen, daß sich alle Elementarmatrizen aus Proposition (2.8) mit 1l verbinden lassen. Für
Eij;α ∈ G+ ist t 7→ Eij;(1−t)α ein solcher Weg in G+ . Für Ei;α ∈ G+ ist t 7→ Ei;t(1−α)+α
der gesuchte Weg. Wäre ein Element A ∈ G−1 mit 1l durch einen Weg γ verbindbar, so
wäre det ◦γ : [0, 1] → R× ein Weg von det(γ(0)) < 0 nach det(γ(1)) > 0, was nach Beispiel
(2.16)(iii) nicht möglich ist. Also ist G1 = G+ und der Rest der Behauptung folgt aus
Lemma (2.18).
(2.20) Proposition. Die Gruppen GLn C und SLn C sind wegzusammenhängend.
Beweis. Für Eij;α ∈ G ist t 7→ Eij;(1−t)α ein solcher Weg in G. Für Ei;α ∈ G ist
α = det Ei;α . Nach Beispiel (2.16)(ii) ist der Raum C× wegzusammenhängend. Also gibt
es einen Weg δ in C× von 1 nach α. Dann ist t 7→ Ei;δ(t) der gesuchte Weg in G.
10
Kapitel 3: Die Exponentialabbildung
KAPITEL 3
Die Exponentialabbildung
In diesem Kapitel sei K stets der Körper der rellen oder der komplexen Zahlen.
(3.1) Definition. Die Abbildung
exp : Matn K → Matn K : A 7→ exp A :=
∞
X
Ak
k=0
k!
wird die Exponentialabbildung von Matn K genannt.
(3.2) Lemma. Die Exponentialabbildung exp ist wohldefiniert, d.h. die Reihe exp A
existiert für jede Matrix A ∈ Matn K.
Beweis. Wie in Kapitel 2 festgelegt, haben wir durch die Bijektion
2
Φ : Matn K → Kn : A = (aij ) 7→ (a11 , a12 , . . . , a1n , a21 , a22 , . . . , ann )
die Menge Matn K als K-Vektorraum der Dimension n2 aufgefaßt. Da C ein 2-dimensionaler
R-Vektorraum ist, läßt sich Matn C als R-Vektorraum der Dimension 2n2 auffassen. Dabei
wird das Skalarprodukt
!
n
n
X
1 X
hx, yi :=
xi yi +
xi yi
2 i=1
i=1
von Kn (aufgefaßt als R-Vektorraum) durch Φ auf Matn K übertragen. Dies liefert für
A, B ∈ Matn K


n
n
X
1 X
hA, BiMat := hΦ(A), Φ(B)i = 
aij bij +
aij bij 
2 i,j=1
i,j=1
1
t
Spur (AB ) +
2
1
t
= Spur (AB ) +
2
t
= Re (Spur (AB )
=
1
t
Spur (A B)
2
1
t
Spur (AB )
2
Kapitel 3: Die Exponentialabbildung
11
und Φ : (Matn K, h., .iMat ) → (Rm , h., .i) mit m = n dimR K ist eine Isometrie. Wie üblich
p
setzen wir ||A|| := hA, BiMat . Da h., .iMat ein Skalarprodukt ist, gilt nach der Dreiecksungleichung und der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung
||AB|| ≤ ||A|| ||B|| für alle A, B ∈ Matn K.
Nach diesen Vorbereitungen ist der Beweis des Lemmas ganz einfach:
Wegen ||Ak || ≤ ||A||k für alle A ∈ Matn K und k ∈ N ist die konvergente Reihe exp ||A|| =
P∞ 1
k
k=0 k! ||A|| eine Majorante der Reihe exp A, was das Lemma beweist.
(3.3) Beispiele. (i) Ist A ∈ Matn K nilpotent, also Ak+1 = 0 für ein k ∈ N, so ist
1
1
exp A = En + A + A2 + . . . + Ak = En + N
2
k!
ein Polynom in A, wobei N ebenfalls nilpotent ist. Also ist exp A unipotent.
(ii) Für
0 −α
Aα :=
α 0
ist A2α = −α2 E, also
k 2k
A2k
α = (−1) α E
Dies ergibt
exp Aα =
und A2k+1
= (−1)k α2k Aα = (−1)k α2+1 A1 .
α
∞
X
(−1)k
k=0
(2k)!
α2k E +
∞
X
(−1)k+1 2k+1
α
A1
(2k + 1)!
k=0
= (cos α)E + (sin α)A1
cos α − sin α
=
.
sin α cos α
Das Bild der (additiven) Gruppe {Aα | α ∈ R} unter exp ist also die Drehgruppe SO2 R
von R2 .
(3.4) Lemma. Für A, B ∈ Matn K gelten die folgenden Aussagen:
(i) Ist AB = BA, so ist exp(A + B) = exp A exp B.
(ii) exp A ist invertierbar mit (exp A)−1 = exp(−A).
(iii) A−1 (exp B)A = exp(A−1 BA).
(iv) det exp A = exp(spurA),
Pk
Beweis. (i) Die Aussage folgt aus der binomischen Formel (A+B)k = i=0 ki Ai B k−i , die
im Falle vertauschbarer Matrizen A, B gilt, mit Hilfe des Multiplikationssatzes für absolut
konvergente Reihen.
12
Kapitel 3: Die Exponentialabbildung
(ii) gilt wegen En = exp(A − A) = exp A exp(−A) = exp(−A) exp A.
(iii) Für die Partialsummen Sn der Exponentialreihe gilt A−1 Sn (B)A = Sn (A−1 BA).
Da die Partialsummen Sn (B) gegen exp B konvergieren, folgt aufgrund der Stetigkeit der
Konjugation A−1 (exp B)A = exp(A−1 BA).
(iv) Sei zunächst K = C. Dann läßt sich A in eine Dreiecksmatrix D := B −1 AB mit
B ∈ GLn C konjugieren. Sind λ1 , . . . , λn die Diagonalelemente der Matrix D, so ist exp D
wieder eine Dreiecksmatrix mit Diagonalelementen exp λ1 , . . . , exp λn . Aus (iii) folgt nun
det exp A = det(B −1 (exp A)B) = det exp D = exp λ1 · . . . · exp λn = exp(λ1 + . . . + λn )
= exp(spur A).
Ist A eine reelle Matrix, so gilt obige Gleichung (in GLn C interpretiert) dennoch.
Aus Teil (i) des obigen Lemmas folgt sofort:
(3.5) Korollar. Für jede Matrix A ∈ Matn K ist γA : R → GLn R : t 7→ exp(tA) ein
stetiger Gruppenhomomorphismus, welcher Einparametergruppe in GLn R genannt wird.
(3.6) Satz. Die Exponentialabbildung exp : Matn K → GLn K ist stetig differenzierbar
und ein lokaler Diffeomorphismus in 0.
Beweis. Für den Beweis verwenden wir das Weierstraßsche Konvergenzkriterium für gleichmäßig konvergente Funktionenreihen, siehe etwa O. Forster, S. 166 ud S. 171. Für
ρk : Matn K → Matn K : X 7→ X k mit k ≥ 2 ist
k
ρk (A + X) = A +
k−1
X
Ai XAk−i−1 + ϕk (A, X)
i=0
für alle A, X ∈ Matn K, wobei ϕk (A, X) die Unbestimmte X in mindestens zweiter Potenz
enthält. Dies beweisen wir mit Induktion. Für k = 2 ist (A + X)2 = A2 + AX + XA + X 2 ,
also ϕk (A, X) = X 2 . Für k > 2 ist
(A + X)k+1 = (A + X)k (A + X) =
Ak +
k−1
X
!
Ai XAk−i−1 + ϕk (A, X) (A + X)
i=0
= Ak+1 +
k−1
X
Ai XAk−i + Ak X +
i=0
|
k+1
=A
+
k
X
i=0
k−1
X
Ai XAk−i−1 X + ϕk (A, X)(A + X)
i=0
{z
}
Ai XAk−i
+
|
{z
ϕk+1 (A, X),
}
Kapitel 3: Die Exponentialabbildung
13
wobei ϕk+1 (A, X) nach Induktionsvoraussetzung X wieder in mindestens zweiter Potenz
1
enthält. Damit ist limX→0 ||X||
ϕk (A, X) = 0. Dies bedeutet, daß ρk in A differenzierbar
ist und die Ableitung D ρk (A) an der Stelle A gegeben ist durch
D ρk (A)X =
k−1
X
Ai XAk−i−1 .
i=0
Sei nun M ⊆ Matn K kompakt. Setze m1 := sup {||X|| | X ∈ M } und
m2 (k) := sup {||D ρk (A)X|| | X ∈ M } .
Dann folgt aus
||D ρk (A)X|| ≤
k−1
X
||A||i m1 ||A||k−i−1 = km1 ||A||k−1 ,
X∈M
i=0
die Gleichung
m2 (k + 1)
m1
≤
||A||k .
(k + 1)!
k!
P∞ m2 (k+1)
Somit ist m1 e||A|| eine Majorante von
k=0 (k+1)! . Damit läßt sich das Konvergenzkriterium von Weierstraß anwenden und wir erhalten die gleichmäßige Konvergenz der
Reihe
k
∞
X
X
1
Ai XAk−i
(k + 1)! i=0
k=0
auf der kompakten Menge M . Damit ist die Exponentialfunktion stetig differenzierbar in
A und es ist
∞
k
X
X
1
D exp(A)X =
Ai XAk−i .
(k + 1)! i=0
k=0
Insbesondere ist
D exp(0)X = En ,
woraus aus dem Satz über die lokale Umkehrfunktion der zweite Teil der Behauptung folgt.
(3.7) Satz. Sei A ∈ Matn K. Dann ist γA : R → GLn K : t 7→ exp(tA) unendlich oft
(k)
differenzierbar und es ist γA (t) = γA (t)Ak = Ak γA (t) für alle k ∈ N und t ∈ R.
14
Kapitel 3: Die Exponentialabbildung
Beweis. Nach Satz (3.6) ist γA stetig differenzierbar und es ist
d
exp(tA)
dt
exp((t + s)A) − exp(tA)
= lim
s→0
s
exp(sA) − exp(0)
= lim exp(tA)
s→0
s
= exp(tA)A
0
γA
(t) =
0
0
und analog γA
(t) = A exp(tA). Es ist klar, daß γA
(t) selbst wieder stetig differenzierbar
ist. Damit folgt Aussage (ii) via Induktion über k.
(3.8) Satz. Sei γ eine Einparametergruppe in GLn K. Dann ist γ = γA mit A = γ 0 (0).
Beweis. Setze δ(t) := γ(t)γA (t)−1 = γ(t) exp(−tA) für A = γ 0 (0). Dann ist nach Satz
(3.7)
δ 0 (t) = γ 0 (t) exp(−tA) − γ(t)A exp(−tA).
Aus der Homomorphie-Eigenschft von γ folgt wie im Beweis zuvor durch Differentiation
γ 0 (t) = γ(t)γ 0 (0) = γ(t)A. Dies ergibt δ 0 (t) = 0 für alle t ∈ R, d.h. δ ist konstant. Wegen
δ(0) = En folgt nun die Behauptung.
Kapitel 4: Lie-Algebren und Lie-Gruppen
15
KAPITEL 4
Lie-Algebren und Lie-Gruppen
(4.1) Definition. Für eine Untergruppe G von GLn K sei
LG := {A ∈ Matn K | ∀ t ∈ R : exp(tA) ∈ G} .
Bemerkung. Seien G, H Untergruppen von GLn K. Dann folgt aus G ⊆ H stets LG ⊆
LH. Aber aus LG = LH muß nicht G = H folgen: Es ist LR× ∼
=R∼
= LR×
+.
(4.2) Proposition. Sei G eine Untergruppe von GLn K. Setze [A, B] := AB − BA für
alle A, B ∈ LG. Dann gilt für alle A, B, C ∈ LG:
(i) [A, B] = −[B, A] (Antikommutativität),
(ii) [A, [B, C]] + [B, [C, A]] + [C, [A, B]] = 0 (Jacobi-Identität).
(4.3) Definition. Ein Vektorraum L über einem Körper K mit einer bilinearen Abbildung
L × L → L : (A, B) 7→ [A, B] heißt Lie-Algebra über K, wenn A, B, C ∈ L gilt:
(i) [A, B] = −[B, A] (Antikommutativität),
(ii) [A, [B, C]] + [B, [C, A]] + [C, [A, B]] = 0 (Jacobi-Identität).
Die Verknüpfung [., .] wird Lie-Klammer genannt. Ein linearer Unterraum L0 von L heißt
Lie-Unteralgebra, falls L0 unter der Lie-Klammer abgeschlossen ist. Die Lie-Algebra L
heißt abelsch, wenn [A, B] = 0 für alle A, B ∈ L gilt.
(4.4) Proposition. Für jede Untergruppe G von GLn K ist LG eine Lie-Algebra über K.
(4.5) Beispiele. (i) Jeder beliebige K-Vektorraum L wird durch [u, v] := 0 zu einer
Lie-Algebra über K.
(ii) Wegen exp A ∈ GLn K für alle A ∈ Matn K ist gln K := LGLn K = Matn K.
(iii) Sei K = R, C. Nach Lemma (3.4)(iv) ist sln K := LSLn K = {A ∈ Matn K | spur A = 0}.
16
Kapitel 4: Lie-Algebren und Lie-Gruppen
(4.6) Definition. Sei (V, h) ein endlichdimensionaler hermitescher Vektoraum über K =
R, C, d.h. h ist eine Sesquilinearform auf V . Setze
Aut (V, h) := {A ∈ GL(V ) | ∀ u, v ∈ V : h(Au, Av) = h(u, v)} .
Die Gruppe Aut (V, h) wird die Isometriegruppe von (V, h) genannt.
(4.7) Proposition. Es ist
LAut (V, h) = {A ∈ EndK V | ∀ u, v ∈ V : h(Au, v) = −h(u, Av)} .
Ist H die Matrix von h bezüglich einer fest gewählten Basis (e1 , . . . , en ) von V (also
H = (h(ei , ej )i,j ), so ist
LAut (V, h) = {A ∈ EndK V | A∗ H = −HA} .
Beweis. Sei H die Matrix von h bezüglich einer fest gewählten Basis (e1 , . . . , en ). Dann
ist wegen h(Au, v) = (Au)∗ Hv = (u∗ A∗ )Hv = u∗ (A∗ H)v und h(u, Av) = u∗ (HA)v die
Gleichung h(Au, v) = −h(u, Av) äquivalent zu A∗ H = −HA, und beide Aussagen der
Proposition sind äquivalent. Es ist für A ∈ Matn K und jedes k ∈ N
!∗
k
k
k
X
X
1 n ∗ X 1 ∗n
1 n
A
=
(A ) =
A .
n!
n!
n!
n=0
n=0
n=0
Da die Abbildung A 7→ A∗ stetig ist, folgt aus der obigen Gleichung
(exp A)∗ = exp A∗ .
Betrachte die Abbildung
γ : R → Matn K : t 7→ exp(tA∗ )H exp(tA) = exp(tA)∗ H exp(tA).
Nach Satz (3.7) ist γ differenzierbar und es ist
γ 0 (t) = exp(tA∗ )(A∗ H + HA) exp(tA)
und γ 0 (0) = A∗ H + HA.
Sei nun A ∈ LAut (V, h). Dann ist exp(tA) ∈ Aut (V, h) und somit
γ(t) = exp(tA)∗ H exp(tA) = H
für alle t ∈ R. Es folgt γ 0 (t) = 0 für alle t ∈ R, also ist insbesondere 0 = γ 0 (0) = A∗ H +HA.
Umgekehrt folgt aus der Gleichung A∗ H = −HA, daß γ 0 (t) = 0 für alle t ∈ R ist. Also ist
γ konstant. Wegen γ(0) = H folgt damit die Behauptung.
(4.8) Definition. Eine topologische Gruppe, die zu einer abgeschlossenen Untergruppe
von GLn K isomorph ist (als topologische Gruppe), wird (lineare) Liegruppe genannt.
Kapitel 5: Orthogonale und unitäre Gruppen
17
KAPITEL 5
Orthogonale und unitäre Gruppen
(5.1) Definition. Sei (V, h) ein hermitescher Raum. Zwei Vektoren u, v ∈ V heißen
orthogonal, in Zeichen u ⊥ v, wenn h(u, v) = 0 ist. Für zwei Teilmengen M, N ⊆ V
schreiben wir M ⊥ N , wenn m ⊥ n für alle m ∈ M und alle n ∈ N ist. Wir setzen
M ⊥ := {v ∈ V | v ⊥ M }. Der Raum (V, h) (und auch h selbst) heißt nicht ausgeartet, falls
V ⊥ = {0} ist. Entsprechend wird ein linearer Teilraum U als nicht ausgeartet bezeichnet,
wenn (U, h ) nicht ausgeartet ist.
U
(5.2) Lemma. Sei (V, h) ein hermitescher Raum und sei U ein nicht ausgearteter linearer
Unterraum von V . Dann ist V = U ⊕ U ⊥ .
Beweis. Da U nicht ausgeartet ist, ist U ∩ U ⊥ = {0}. Betrachte den Dualraum U ∗ =
Hom(U, K) von U . Dann ist λv : U → K : u 7→ h(u, v) ∈ U ∗ für alle v ∈ V und
Λ : v 7→ λv : U 7→ U ∗
ist eine injektive lineare Abbildung. Wegen dim U = dim U ∗ ist Λ damit bijektiv. Sei nun
v ∈ V . Dann gibt es ein u ∈ U mit λv = λu . Dann ist h(w, v − u) = 0 für alle w ∈ U , also
v − u ∈ U ⊥ . Also ist v = u + (v − u) ∈ U + U ⊥ , d.h. es ist V = U + U ⊥ .
(5.3) Lemma. Sei (V, h) ein hermitescher Raum mit h 6≡ 0. Dann gibt es ein x ∈ V mit
h(x, x) 6= 0.
Beweis. Wegen h 6≡ 0 gibt es u0 , v ∈ V mit a := h(u0 , v) 6= 0. Damit ist h(a−1 u0 , v) =
a−1 h(u0 , v) = 1. Setze u := a−1 u0 . Wäre h(x, x) = 0 für alle x ∈ V , so gälte
0 = h(u + v, u + v) − h(u, u) − h(v, v)
= h(u, v) + h(v, u)
= 1 + 1∗ = 2,
ein Widerspruch zu char K = 0.
18
Kapitel 5: Orthogonale und unitäre Gruppen
(5.4) Satz. Sei (V, h) ein hermitescher Raum. Dann gibt es eine Basis B von V , bezüglich
derer die h darstellende Matrix H eine Diagonalmatrix ist.
Beweis. Für h ≡ 0 ist die Aussage trivial. Sei also h 6≡ 0. Dann gibt es nach Lemma (5.3)
ein x ∈ V mit h(x, x) 6= 0. Der Beweis wird nun mittels Induktion nach dim V geführt.
Für dim V = 1 ist die Aussage wieder trivial. Sei nun dim V = n + 1 und die Aussage des
Satzes gelte für alle hermiteschen Räume der Dimension höchstens n. Wähle eine Vektor
⊥
bn+1 ∈ V mit h(bn+1 , bn+1 ) 6= 0. Nach Lemma (5.2) ist V = hbn+1 i ⊕ hbn+1 i . Wegen
⊥
⊥
dim hbn+1 i = n gibt es nach Induktionsvoraussetzung eine Basis (b1 , . . . , bn ) von hbn+1 i
mit h(bi , bj ) = 0 für alle 1 ≤ i 6= j ≤ n. Wegen h(bi , bn+1 ) = 0 für alle i ∈ {1, . . . , n} ist
B = (b1 , . . . , bn , bn+1 ) die gesuchte Basis, bezüglich derer die Matrix H Diagonalgestalt
hat.
(5.5) Korollar (Normalformen hermitescher Formen. Sei (V, h) ein hermitescher
Raum. Dann gibt es eine Basis B von V , bezüglich derer die h darstellende Matrix die
Form
Hp,q = diag (1, . . . , 1, −1, . . . , −1, 0, . . . , 0)
| {z } | {z }
p
q
hat. Im Falle K = C mit der Identität als Begleitautomorphismus ist q = 0. Ist h nicht
ausgeartet, so ist p + q = dim V .
Beweis. Sei B die Basis wie in Satz (5.4). Dann hat die darstellende Matrix H von h Diagonalgestalt. Dabei können wir o.E. annehmen, daß die verschwindenden Diagonalelemente
hii von H am Ende stehen, falls überhaupt solche vorhanden sind. Ist die Bilinearform h
nicht ausgeartet, so kommen verschwindende Diagonalelemente nicht vor. Durch Übergang
von einem Basiselement bi zu λi bi wird hii in λ2i hii abgeändert. Im Falle Im h = R bedeutet dies, daß wir auf diese Weise alle hii auf die Werte 1 und −1 normieren können. Ist
Im h = C, so kann sogar immer hii = 1 erreicht werden. Dies beweist das Korollar.
(5.6) Lemma. Sei (V, h) ein hermitescher Raum, λ ∈ R× und λh : (u, v) 7→ λh(u, v).
Dann sind die Gruppen Aut (V, h) und Aut (V, λh) isomorph.
Beweis. Die identische Abbildung id : Aut (V, h) → Aut (V, λh) ist der gesuchte Isomorphismus.
Nach dem letzten Lemma genügt es für die Untersuchung der Isometriegruppen von hermiteschen Räumen – durch etwaigen Übergang von h zu −h – sich auf den Fall p ≥ q zu
beschränken. Die Zahl q wird dann der Witt-Index von h genannt.
(5.7) Definition. Seien 0 ≤ q ≤ p ≤ n mit p + q = n.
Kapitel 5: Orthogonale und unitäre Gruppen
19
(i) Die Gruppen
Op,q R := A ∈ GLn R At Hpq A = Hpq ,
On R := On,0 R
werden reelle ortogonale Gruppen genannt. Die Gruppen
SOp,q R := Op,q R ∩ SLn R,
SOn R := On R ∩ SLn R
werden reelle spezielle ortogonale Gruppen genannt.
(ii) Die Gruppen
On C := A ∈ GLn C At A = En
werden komplexe ortogonale Gruppen genannt. Die Gruppen
SOn C := On C ∩ SLn C
werden komplexe spezielle ortogonale Gruppen genannt.
(iii) Die Gruppen
o
n
t
Up,q C := A ∈ GLn C A Hpq A = Hpq ,
Un C := Un,0 R
werden unitäre Gruppen genannt. Die Gruppen
SUp,q C := Up,q C ∩ SLn C,
SUn C := Un C ∩ SLn C
werden komplexe spezielle unitäre Gruppen genannt.
Bemerkung. Die oben genannten Gruppen sind lineare Lie-Gruppen, da es abgeschlossene
Untergruppen von GLn K sind. Sie werden auch klassische Lie-Gruppen genannt. Die
speziellen Gruppen SG sind Normalteiler der Gruppen G (Kern der Determinanten-Abbildung).
(5.8) Satz. Die Gruppen
(i) On R, SOn R, Un C, SUn C sind kompakt,
(ii) Op,q R, SOp,q R, SOn C, Up,q C, SUp,q C sind nicht kompakt für q 6= 0 und n ≥ 2.
2
2
Beweis. (i) Als Teilmengen von Rn bzw. von Cn müssen wir zeigen, daß die angebenen
Gruppen abgeschlossen und beschränkt sind. Es bleibt, die Beschränktheit nachzuweisen:
Für ein Element A einer solchen Gruppe ist
||A|| =
p
p
√
spur A∗ A = spur En = n.
20
Kapitel 5: Orthogonale und unitäre Gruppen
(ii) Sei zunächst G ∈ {O1,1 R, SO1,1 R}. Dann ist wegen cosh2 t − sinh2 t = 1
cosh t sinh t
At :=
∈ SO1,1 R, t ∈ R
sinh t cosh t
und es ist
||At ||2 = spur Att At = 2(cosh2 t + sinh2 t) = (et + e−t )2 + (et − e−t )2 = 2(e2t + e−2t ),
d.h. die Gruppe G ist nicht beschränkt und damit auch nicht kompakt. Da für q ≥ 1 die
Gruppe SO1,1 R in allen unter (ii) angebenen Gruppen, außer der Gruppe SOn C, enthalten
ist, sind auch diese Gruppen nicht kompakt. Für die Gruppe SOn C betrachten wir die
Matrizen
cosh t i sinh t
Bt :=
∈ SO2 C, t ∈ R.
i sinh t cosh t
Es ist Btt Bt = En , also Bt ∈ SO2 C und es gilt
t
||Bt ||2 = spur B t Bt = 2(cosh t + sinh t) = (et + e−t ) + (et − e−t ) = 2et .
Also ist SO2 C nicht beschränkt und wegen SO2 C ⊆ SOn C ist auch die Gruppe SOn C nicht
beschränkt und damit auch nicht kompakt.
(5.9) Satz. Die Sequenzen
1l
- SOp,q R
det
- Op,q R - {1, −1}
f
- 1l
1l
- SOn C
det
- On C - {1, −1}
f
- 1l
1l
- SUp,q R
det
- Up,q R - eiR
g
- 1l,
wobei f : ±1l 7→ diag (1, . . . , 1, ±1) und g : eit 7→ diag (1, . . . , 1, eit ) ist, sind exakt und
zerfallend.
Beweis. Die Aussage folgt sofort aus den Relationen det ◦f = id und det ◦ g = id und der
vorangegangenen Bemerkung.
(5.10) Satz. Die klassischen Lie-Gruppen haben folgende Lie-Algebren:
t
A B
t
(i) LOp,q R = LSOp,q R =
∈ Matn R A = −A, C = −C
Bt C
Kapitel 5: Orthogonale und unitäre Gruppen
21
(ii) LOn C = LSOn C = {A ∈ Matn C | At = −A}
t
t
A B
t
(iii) LUp,q C =
∈ Matn C A = −A, C = −C
B C
(iv) LSUp,q C = {A ∈ LUp,q C | spur A = 0}
Dabei ist dimR LOp,q R =
dimR LSUp,q C = n2 − 1.
1
2 n(n
− 1), dimR LOn C = n(n − 1), dimR LUp,q C = n2 und
Beweis. Nach Proposition (4.7) ist für G = Aut (V, h)
LG = {A ∈ EndK V | A∗ H = −HA} .
Mit
H = Hpq =
Ep
0
0
−Eq
und A =
A
C
B
D
schreibt sich die Gleichung A∗ H = −HA als
0=
A∗
B∗
C∗
D∗
Ep
0
0
−Eq
+
Ep
0
0
−Eq
A
C
B
D
=
A∗ + A
C − B∗
−C ∗ + B
−D − D∗
.
Damit erhält man
A = −A∗ , D = −D∗ , B ∗ = C.
Dies beweist (i)-(iv).
22
Kapitel 6: Maximale Torusuntergruppen
KAPITEL 6
Maximale Torusuntergruppen
(6.1) Definition. Dei Gruppe T := eit t ∈ R wird (eindimensionale) Torusgruppe
Q
genannt. Das direkte Produkt Tn := i=1n T wird n-dimensionale Torusgruppe genannt.
Eine Untergruppe T einer beliebigen Gruppe G heißt n-dimensionale Torusuntergruppe,
wenn T ∼
= Tn ist. Eine Torusuntergruppe T einer Gruppe G heißt maximal, wenn es keine
Torusuntergruppe T0 in G mit T ⊂ T0 gibt.
(6.2) Definition. Die folgenden Torusuntergruppen werden Standardtorus genannt:
(i) T(Un C) = diag(eit1 , . . . , eitn ) t1 , . . . , tn ∈ R ∼
= Tn
(ii) T(SUn C) = T(Un C) ∩ SUn C ∼
= Tn−1
(iii) T(SO2m R) = {diag(Rt1 , . . . , Rtm ) | t1 , . . . , tm ∈ R} ∼
= Tm mit
cos t sin t
Rt =
− sin t cos t
(iv) T(SO2m+1 R) = {diag(Rt1 , . . . , Rtm , 1) | t1 , . . . , tm ∈ R} ∼
= Tm
(6.3) Satz. Sei G ∈ {SOn R, SUn C, Un C}. Dann ist
T(G) = CG T(G) := {A ∈ G | ∀ T ∈ T(G) : AT = T A}
ein maximaler Torus von G und diese Gruppe ist sogar eine maximale abelsche Untergruppe
von G.
Beweis. Da T(G) abelsch ist, ist T(G) ⊆ CG T(G). Es bleibt, die umgekehrte Inklusion
nachzuprüfen.
(i) G = Un C, SUn C. Sei A := diag(a1 , . . . , an ) ∈ T(G) mit ai 6= aj für i 6= j. Sei
X = (ξij )ij ∈ CG T(G), d.h. es ist AX = XA, woraus ai ξij = ξij aj für alle i, j folgt.
Wegen ai 6= aj für i 6= j impliziert dies ξij = 0 für i 6= j, also ist X eine Diagonalmatrix.
t
Wegen X X = En folgt weiter ξii ξii = 1, also |ξii | = 1 und damit X ∈ T(G).
(ii) G = SO2m R. Sei A = diag(Rt1 , . . . , Rtm ) ∈ T(G). Sei X = (Xij )m
i,j=1 ∈ CG T(G) mit
Xij ∈ Mat2 R. Aus XA = AX folgt dann Rti Xij = Xij Rtj für alle i, j. Wählt man für
Kapitel 6: Maximale Torusuntergruppen
23
i 6= j gerade ti = 0 und tj = π, so folgt Xij = 0. Damit ist X = diag(X11 , . . . , Xmm ) mit
Xii ∈ O2 R und Rti Xii = Xii Rti für alle 1 ≤ i ≤ m. Für t = π2 folgt aus dieser Beziehung
αi βi
Xii =
,
−βi αi
also det Xii > 0 und damit Xii ∈ SO2 R. Dies zeigt X ∈ T(G).
Y x
(iii) G = SO2m+1 R. Sei X =
∈ CG T(G) mit Y ∈ SO2m R, x, y ∈ R2m und
yt α
α ∈ R. Aus
R 0
R 0
X=X
0 1
0 1
für alle R ∈ SO2m R folgt
RY = Y R,
Rx = x,
Ry = y.
Aus den beiden letzten Bedingungen folgt x = y = 0. Aus Teil (ii) wissen wir außerdem,
daß Y ∈ T(SO2m R) gilt. Wegen X ∈ G ist det X = 1. Damit folgt aus det Y = 1 bereits
α = 1, also X ∈ T(G).
(6.4) Korollar. Sei G ∈ {SOn R, SUn C, Un C}. Dann ist G =
Vereinigung aller maximalen Torusuntergruppen.
S
A∈G
AT(G)A−1 die
Beweis. Aus der Linearen Algebra II sind die Normalformen von orthogonalen oder
unitären, invertierbaren Matrizen bekannt. Diese sind genau von der Form eines Standardtorus wie in Definition (6.2) angegeben. Da die Konjugation X 7→ AXA−1 ein Automorphismus der Gruppe G ist, ist mit T(G) auch jede Gruppe AT(G)A−1 eine maximale
Torusuntergruppe von G.
(6.5) Satz. Sei G ∈ {SOn R, SUn C, Un C}. Dann ist jeder maximale Torus von G konjugiert zu T(G).
Beweis. Sei T ein maximaler Torus in G. Betrachte zuerst den Fall G ∈ {SUn C, Un C}.
Es genügt zu zeigen, daß es eine Basis B von V := Cn gibt, bezüglich der alle Elemente
aus T Diagonalgestalt besitzen. Dies wird via Induktion über n bewiesen. Der Fall n = 1
ist klar. Sei also n > 1. Für A ∈ T sei W (A, λ) der nichttriviale Eigenraum von A zum
Eigenwert λ. Sind alle W (A, λ) = V , so sind wir fertig. Sei also A ∈ T und λ ∈ C mit
{0} =
6 W (A, λ) < V . Da T abelsch ist, operiert T auf W1 := W (A, λ): Für alle B ∈ T und
alle w ∈ W ist A(Bw) = B(Aw) = B(λw) = λ(Bw), also Bw ∈ W . Ebenso operiert W
auf dem echten Unterraum
M
W2 =
W (A, µ).
µ6=λ
24
Kapitel 6: Maximale Torusuntergruppen
Da A unitär ist, haben wir V = W1 ⊕ W2 . Seien Ti die auf Wi induzierten Gruppen und
seien ϕi : T → Ti die zugehörigen kanonischen Epimorphismen, i = 1, 2. Nach Induktionsvoraussetzung besitzt Ti ⊆ GL(Wi ) eine Basis Bi aus gemeinsamen Eigenvektoren.
Da
ϕ : T → GL(W1 ) × GL(W2 ) ⊆ GL(V ) : B 7→ (ϕ1 (B), ϕ2 (B))
ein (innerer) Isomorphismus von T nach ϕ(T) ist, leistet die Basis B = B1 ∪ B2 das
Gewünschte. Für die Gruppe G = SOn R wird wie oben durch Übergang zu C argumentiert.
(6.6) Korollar. Sei G ∈ {SOn R, SUn C, Un C}. Dann ist das Zentrum Z(G) von G der
Durchschnitt aller maximalen Tori von G.
T
Beweis. Sei T die Menge aller maximalen Tori in G und sei Z := T∈T T. Nach Satz
T
(6.5) ist Z = g∈G gT(G)g −1 . Sei z ∈ Z und g ∈ G. Nach Korollar (6.4) gibt es einen
maximalen Torus T mit g ∈ T. Damit ist aber z, g ∈ T, also kommutieren z und g. Da
g ∈ G beliebig ist, folgt z ∈ Z(G). Umgekehrt sei z ∈ Z(G). Dann gibt es einen maximalen
Torus T mit z ∈ T. Wegen z ∈ Z(G) ist dann z ∈ gTg −1 für alle g ∈ G, also z ∈ Z. Dies
zeigt Z = Z(G).
(6.7) Satz. Für die Zentren der klassischen Gruppen gilt
(i) Z(Un C) = {λEn | λ ∈ C, |λ| = 1},
(ii) Z(SUn C) = {λEn | λ ∈ C, |λ| = 1, λn = 1},
(iii) Z(SO2m R) = {E2m , −E2m } für m ≥ 2,
(iv) Z(SO2m+1 R) = {E2m+1 }für m ≥ 1.
Beweis. Die Inklusionen ”⊇” sind klar. Für die umgekehrten Inklusionen sei zuerst G =
(S)Un C. Setze Z = {λEn | λ ∈ C, |λ| = 1}. Sei A ∈ Z(G). Nach Satz (6.5) ist A ∈ T(G),
also ist A = diag(a1 , . . . , an ). Für i 6= j betrachte die Matrix Bij = En − Eii − Ejj +
Eij − Eji . Dann ist Bij ∈ SUn C. Wegen ABij = Bij A ergibts sich durch Verglich
der Einträge ai = aj . Also ist A = aEn für ein a ∈ C. Dies zeigt Z(G) ⊆ Z. Für
G = SO2m R und A ∈ Z(G) ist A = diag(Rt1 , . . . , Rtm ). Ersetze in Bij jeden Eintrag durch
die Einheitsmatrix E2 . Dann folgt wie zuvor aus
 ABij = Bij A die
 Relation Rti = Rtj .
C
0 1

 ∈ SO2m R. Beachte,
Die Matrix C :=
ist aus O2 R und B :=
−1
1 0
E2m−1
daß B wegen m ≥ 2 existiert. Aus AB = BA folgt nun sin t1 = − sin t1 , also
sin t1 = 0.
±E2m 0
Dies zeigt A = ±E2m . Im Falle G = SO2m+1 R erhalten wir analog A =
.
0
1


E2m−1
Vertauschbarkeit mit der Matrix 
0 1  ergibt schließlich A = E2m+1 .
1 0
Kapitel 7: Homomorphismen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren
25
KAPITEL 7
Homomorphismen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren
Sei wieder K = R oder K = C.
(7.1) Definition. Eine Abbildung f : G → H zwischen zwei Liegruppen G und H heißt
Homomorphismus, wenn f stetig differenzierbar ist und f (xy) = f (x)f (y) für alle x, y ∈ G
gilt.
Bemerkung. Jede Einparametergruppe einer Liegruppe ist ein Homomorphismus.
(7.2) Definition. Eine Abbildung F : K → L zwischen zwei Lie-Algebren K und L heißt
Homomorphismus, wenn F linear ist und F ([X, Y ]) = [F (X), F (Y )] für alle X, Y ∈ K gilt.
(7.3) Satz. Zu X, Y ∈ gln K gibt es ein ε > 0, so daß für alle t ∈ K mit |t| < ε
exp(tX) exp(tY ) = exp(tX + tY +
gilt, wobei R(0) = 0 und limt→0
R(t)
t2
t2
[X, Y ] + R(t))
2
= 0 ist.
Beweis. Seien X, Y ∈ gln K und betrachte die Einparametergruppe γ : R → GLn K : t 7→
exp(tX) exp(tY ). Nach Satz (3.7) ist γ unendlich oft differenzierbar und es gilt nach der
Produktregel
γ 0 (0) = X + Y, γ 00 (0) = X 2 + 2XY + Y 2 .
Da exp ein lokaler Diffeomorphismus ist (Satz (3.6)), gibt es ein ε > 0, so daß für alle t ∈ K
mit |t| < ε ein eindeutig bestimmtes Γ(t) ∈ gln K gibt mit γ(t) = exp Γ(t). Die Abbildung
Γ : (−ε, ε) → gln K ist unendlich oft differenzierbar und es ist Γ(0) = 0. Nach dem Satz
von Taylor gibt es eine Abbildung R : (−ε, ε) → gln K mit den im Satz angegebenen
Eigenschaften, so daß gilt
Γ(t) = Γ(0) + Γ0 (0)t +
Γ00 (0) 2
t + R(t).
2
26
Kapitel 7: Homomorphismen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren
Differentiation der Gleichung γ(t) = exp Γ(t) liefert Γ0 (0) = γ 0 (0) und Γ00 (0) = γ 00 (0) −
Γ0 (0)2 , und wir erhalten wie gewünscht
Γ0 (0) = X + Y
und Γ00 (0) = X 2 + 2XY + Y 2 − (X + Y )2 = [X, Y ].
(7.4) Korollar. Für X, Y ∈ gln K ist
(i) exp(X + Y ) = limn→∞ exp
(ii) exp([X, Y ]) = limn→∞ exp
n
1
1
X
exp
Y
n
n
1
1
X
exp
Y
exp
n
n
−1
n X
exp
−1
n Y
n2
Beweis. Seien X, Y ∈ gln K. Nach Satz (7.3) gibt es ein ε > 0, so daß für alle t ∈ (−ε, ε)
die Gleichung in Satz (7.3) gilt. Sei N ∈ N mit 1/N < ε. Dann gilt für alle n > N
exp
n
n
1
1
1
1
1
1
X exp
Y
= exp
X + Y + 2 [X, Y ] + R
n
n
n
n
2n
n
1
1
= exp X + Y +
[X, Y ] + nR
.
2n
n
1
=
0
ist
lim
nR
Wegen limt→0 R(t)
2
n→∞
t
n = 0. Also folgt aus der Stetigkeit der Exponentialabbildung
1
1
[X, Y ] + nR
= exp(X + Y ).
lim exp X + Y +
n→∞
2n
n
Dies beweist (i). Gleichung (ii) zeigt man auf die gleiche Weise. Allerdings benötigt man
den vorangegangenen Satz für Produkte mit vier Faktoren.
(7.5) Satz. Sei f : G → H ein Homomorphismus zwischen Liegruppen. Dann ist die
Abbildung
d
Lf : LG → LH : X 7→
f ◦ exp(tX)
dt
t=0
ein Homomorphismus zwischen den Lie-Algebren LG und LH. Dabei kommutiert das
folgende Diagramm
LG
expG
?
G
Lf -
LH
expH
f - ?
H
Kapitel 7: Homomorphismen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren
27
d.h. es ist f ◦ expG = expH ◦ Lf .
Beweis. Für jedes X ∈ LG ist γX : R → H : t 7→ f ◦ expG (tX) eine Einparametergruppe
0
in H und es ist Lf (X) = γX
(0). Damit ist nach Satz (3.7) f ◦ expG (tX) = γX (t) =
expH (tLf (X)) für alle t ∈ R. Dies zeigt die Kommutativität des Diagrams. Insbesondere
ist damit Lf (X) ∈ LH für alle X ∈ LG. Wir haben noch nachzuweisen, daß Lf ein LieAlgebren-Homomorphismus ist. Da expH ein lokaler Diffeomeorphismus ist (Satz (3.6)),
folgt aus
expH (tLf (λX)) = f (expG (t(λX))) = f (expG ((tλ)X))) = expH (tλLf (X))
die Beziehung tLf (λX) = tλLf (X) für hinreichend kleine t ∈ R× . Insbesodere ist also
Lf (λX) = λLf (X). Die Additivität und Multiplikativität von Lf erhalten wir mit Hilfe
von Korollar (7.4) wie folgt. Es ist aufgrund der Stetigkeit von f
n
t
t
expH (t (Lf (X) + Lf (Y ))) = lim expH
Lf (X) expH
Lf (Y )
n→∞
n
n
n
t
t
= lim f expG
X
f exp
Y
n→∞
n
n
n t
t
= f lim expG
X expG
Y
n→∞
n
n
= f (expG (tX + tY ))
= expH (tLf (X + Y )) ,
woraus für kleine t wieder Lf (X) + Lf (Y ) = Lf (X + Y ) folgt. Analog zeigt man die
Gleichung Lf ([X, Y ]) = [Lf (X), Lf (Y )] mit Hilfe von Korollar (7.4)(ii).
Aus der Kommutativität des obigen Diagramms und der Linearität von Lf folgt sofort:
(7.6) Korollar. Ein Homomorphismus f : G → H zwischen Liegruppen ist unedlich oft
differenzierbar.
(7.7) Beispiel. Für X ∈ Matn R = gln R ist
d
d
L det(X) =
det(exp(tX))
=
exp(tSpur(X))
= Spur(X).
dt
dt
t=0
t=0
(7.8) Satz. Sei G eine Liegruppe. Dann ist
hexp(LG)i = G1 = G0 := {exp(X1 ) · . . . · exp(Xk ) | k ∈ N, X1 , . . . , Xk ∈ LG}
28
Kapitel 7: Homomorphismen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren
ein wegzusammenhängender, offener und abgeschlossener Normalteiler von G. Insbesondere ist G0 eine Liegruppe mit LG = LG1 .
Beweis. Wegen exp(X)−1 = exp(−X) ist G0 eine Untergruppe von G. Nach Lemma
(3.4)(iii) ist G0 invariant unter Konjugation, also ein Normalteiler von G. Da γ : [0, 1] →
G0 : t 7→ exp(tX) ein Weg von 1l nach exp X ist, ist G0 zusammenhängend. Nach Satz (3.6)
enthält G0 eine offene Menge von G. Also ist G0 offen und abgeschlossen nach Lemma
(1.3)(ii). Dies zeigt, daß G0 die Zusammenhangskomponente von G ist. Die Gleichung
LG = LG0 folgt nach Definition von LG.
(7.9) Korollar. Seien f, g : G → H Homomorphismen zwischen Liegruppen mit Lf = Lg.
Dann ist f 1 = g 1 . Ist G zusammenhängend, so ist f durch Lf durch
G
G
f (expG X1 · . . . · expG Xk ) = expH Lf (X1 ) · . . . · expH Lf (Xk ),
k ∈ N, X1 , . . . , Xk ∈ LG
eindeutig bestimmt.
Beweis. Wegen f (expG X) = expH Lf (X) = expH Lg(X) = g(expG X) folgen aus Satz
(7.8) die Behauptungen.
(7.10) Korollar. Seien f : G → H und g : H → K Homomorphismen zwischen Liegruppen. Dann ist L(f ◦ g) = Lf ◦ Lg. Ist f ein Isomorphismus, so ist auch Lf : LG → LH
ein Isomorphismus mit L(f −1 ) = (Lf )−1 .
Beweis. Aus
expK (tLg(Lf (X))) = g(expH (tLf (X))) = g(f (expG (tX))) = expK (tL(f ◦ g)(X))
für alle X ∈ LG und alle t ∈ R folgt aus der Bijektivität von expK für kleine t die Gleichung
L(f ◦ g) = Lf ◦ Lg. Wir erhalten daraus weiter
Lf ◦ L(f −1 ) = L(f ◦ f −1 ) = LidH
und L(f −1 ) ◦ Lf = LidG .
d
Aus Lid(X) = dt
exp(tX)t=0 = X für alle X ∈ LG folgt LidG = idLG . Dies beweist die
zweite Aussage des Korollars.
(7.11) Korollar. Sei f : G → H ein Homomorphismus zwischen Liegruppen. Dann ist
ker f ein abgeschlossener Normalteiler von G und es gilt L(ker f ) = ker(Lf ).
Beweis. Da f stetig ist, ist ker f = f −1 (0) abgeschlossen. Für X ∈ L(ker f ) und t ∈ R ist
expG (tX) ∈ ker f , also expH (tLf (X)) = f ◦ expG (tX) = 1lH . Für kleine t folgt hieraus
Kapitel 7: Homomorphismen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren
29
Lf (X) = 0, also X ∈ ker(Lf ). Da alle Schritte der obigen Argumentation umkehrbar
sind, folgt die zweite Behauptung des Korollars.
(7.12) Satz. Das Diagramm
0
- LN
Lπ Li LG LH
Lj
exp
1l
?
- N
exp
i
- 0
exp
?
π - ?
- G
H
j
- 1l
kommutiert. Ist die untere Zeile des Diagramms eine exakte zerfallende Sequenz, so auch
die obere Zeile.
Beweis. Nach Satz (7.5) kommutiert das angegebene Diagramm. Ist i injektiv, so auch
Li nach Korollar (7.11). Aus π ◦ j = idH folgt Lπ ◦ Lj = idLH nach Korollar (7.10).
Damit folgt auch die Surjektivität von Lπ aus der Surjektivität aus π. Sei nun die untere
Zeile exakt und zerfallend. Es bleibt zu zeigen, daß ker Lπ = ImLj ist. Sei dazu X =
Lj(Y ) ∈ ImLj. Dann ist exp tX = exp tLj(Y ) = j(exp tY ) ∈ Im(j) = ker π für alle t ∈ R.
Daraus folgt exp tLπ(X) = p(exp tX) = 1l, also tLπ(X) = 0 für hinreichend kleine t. Dies
bedeutet aber X ∈ ker Lπ. Da alle Schlüsse umkehrbar sind, gilt auch die umgekehrte
Inklusion. Also ist die obere Zeile ebenfalls eine exakte zerfallende Sequenz.
(7.13) Korollar. Ist die Liegruppe G = H n N ein semidirektes Produkt der Liegruppen
H und N , so ist LG = LH n LN ein semi-direktes Produkt von Lie-Algebren.
(7.14) Beispiel. Die Abbildung
t
f : R>0 → SO2 R : e 7→
cos t
sin t
− sin t
cos t
ist ein Homomorphismus, aber kein Isomorphismus wegen ker f = e2πZ . Für a ∈ L(R>0 ) ∼
=
R ist aber
d
d
0
−c
ct
Lf (a) =
f expG (ta)
=
f (e )
=
,
c 0
dt
dt
t=0
t=0
d.h. Lf : L(R>0 ) → so2 R ist ein Isomorphismus zwischen Lie-Algebren.
(7.15) Definition. Seien G und H Lie-Gruppen. Ein Paar (f, U ) heißt lokaler Homomorphismus zwischen G und H, wenn U eine offene 1l-Umgebung von G ist und f : U → H
die folgenden Eigenschaften besitzt:
30
Kapitel 7: Homomorphismen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren
(i) f (uv) = f (u)f (v) für alle u, v ∈ U mit uv ∈ U ,
(ii) für jedes X ∈ LG ist die Abbildung t 7→ f ◦ expG tX : {t ∈ R | expG tX ∈ U } → H
stetig differenzierbar.
Ein lokaler Homomorphismus heißt lokaler Isomorphismus, falls f injektiv und (f −1 , f (U ))
ein lokaler Homomorphismus ist.
Bemerkung. Die Sätze (7.5) und (7.8) gelten (bei unverändertem Beweis) ebenso für
lokale Homomorphismen und lokale Isomorphismen.
Im folgenden sei G stets eine Liegruppe und U eine offene Umgebung von 0 in LG, so daß
exp : U → V := expG U ein Diffeomorphismus ist und ||v − 1l|| < 1 für alle v ∈ V gilt. Wir
definieren
n
P∞
n
(7.16) Definition. Die Abbildung log : V → LG : 1l + x 7→ − n=1 (−1)
n x heißt
Logarithmus von G.
(7.17) Proposition. Es gelten folgende Aussagen:
(i) log(exp X) = x für alle X ∈ U .
(ii) exp(log x) = x für alle x ∈ V .
Beweis. Folgt aus dem Cauchyprodukt für konvergente Reihen und dem Identitätssatz für
Potenzreihen.
(7.18) Definition. Setze D := {(X, Y ) ∈ LG × LG | exp X exp Y ∈ V }. Die durch
(X, Y ) 7→ X ∗ Y := log(exp X exp Y ) : D → LG
definierte Multiplikation wird Campbell-Hausdorff-Multiplikation, kurz CH-Multiplikation,
genannt.
(7.19) Proposition. Für (X, Y ) ∈ D läßt sich das Produkt X ∗ Y durch die Reihe
∞
X
1
X ∗Y =
hn (X, Y )
n!
n=1
darstellen, wobei hn (X, Y ) ein homogenes Polynom vom Grad n in den (i.a. nicht kommutierenden) Variablen X und Y ist. Dabei ist h1 (X, Y ) = X + Y , h2 (X, Y ) = [X, Y ] =
XY − Y X und h3 (X, Y ) = [X, [X, Y ]] + [Y, [Y, X]].
Kapitel 7: Homomorphismen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren
31
Beweis. Seien (X, Y ) ∈ D. Setze χ(X, Y ) := exp X exp Y − 1l. Dann ist exp X exp Y ∈ V
nach Definition von D und ||χ(X, Y )n || < 1 für alle n ∈ N nach Wahl von U . Für n ≥ 1
ist
X
1
Qn
χ(X, Y )n =
X p1 Y q1 · . . . · X pn Y qn .
p
!q
!
k=1 k k
p +q ,...,p +q >0
1
Dann ist
∞
X
−(−1)n
n=1
n
1
n
n
∞
X
−(−1)n
χ(X, Y ) =
(exp X exp Y − 1l)n = log(exp X exp Y ) = X ∗ Y.
n
n=1
n
Setze für d ∈ (
N
Jd :=
)
n
X
((p1 , q1 ), . . . , (pn , qn )) p1 + q1 , . . . , pn + qn > 0,
(pk + qk ) = d ,
k=1
und für X, Y ∈ LG
1
hd (X, Y ) :=
d!
X
((p1 ,q1 ),...,(pn ,qn ))∈Jd
−(−1)n
Qn
X p1 Y q1 · . . . · X pn Y qn .
n k=1 pk !qk !
Dann ist hd ein homogenes Polynom vom Grad d und es gilt h1 (X, Y ) = X +Y , h2 (X, Y ) =
(XY − Y X) = [X, Y ] und h3 (X, Y ) = [X, [X, Y ]] + [Y, [Y, X]], etc.
(7.20) Satz. Seien G und H Lie-Gruppen und sei F : LG → LH ein Homomorphismus. Dann gibt es einen lokalen Homomorphismus f : G → H mit Lf = F . Ist F ein
Isomorphismus, so kann f als lokaler Isomorphismus gewählt werden.
Beweis. Sei U eine offene Umgebung von 1l in G, so daß expG : U → expG diffeomorph
ist. Setze f : U → H : g 7→ expH ◦F ◦ exp−1
G (g). Dann ist f stetig differenzierbar. Ist F
bijektiv, so läßt sich U so wählen, daß auch expH : F ◦ exp−1
G (U ) → H und damit auch f
injektiv ist. Wir müssen also nur noch zeigen, daß f homomorph ist. Nach Proposition
(7.19) ist für alle X, Y ∈ LG und t ∈ R klein
X tk
t2
expG (tX) expG (tY ) = expG (tX∗tY ) mit tX∗tY = tX+tY + [X, Y ]+
hk (X, Y ),
2
k!
k≥3
und es gilt F (hk (tX, tY )) = hk (F (tX), F (tY )), also F (tX ∗ tY ) = F (tX) ∗ F (tY ). Damit
gilt für x, y ∈ G nahe bei 1l und X = logG x, Y = logG y
f (xy) = f (expG X expG Y ) = f (expG (X ∗ Y )) = expH (F (X ∗ Y ))
= expH (F (X) ∗ F (Y )) = expH F (X) expH F (Y ) = f (expG X)f (expG Y )
= f (x)f (y),
d.h. f ist ein lokaler Homomorphismus.
(7.21) Korollar. Zwei Lie-Gruppen sind genau dann lokal isomorph, wenn ihre LieAlgebren isomorph sind.
32
Kapitel 8: Maximal kompakte Untergruppen
KAPITEL 8
Maximal kompakte Untergruppen
In diesem Kapitel ist G stets eine abgeschlossene Untergruppe von GLn K mit K = R, C.
Wir betrachten im folgenden die Abbildung
t
ι : G → G : A 7→ (A )−1 .
Es ist klar, daß ι2 = idG ist.
(8.1) Lemma. Die Abbildung ι : G → G ist ein Liegruppen-Automorphismus und es ist
t
Lι : LG → LG : X 7→ −X .
Beweis. Wegen ι2 = idG ist ι ein Gruppen-Automorphismus. Da ι stetig differenzierbar
ist, ist ι auch eine Liegruppen- Automorphismus. Schließlich ist
−1 d
d
d
t
t
Lι(X) =
ι ◦ exp tX =
(exp tX)t =
exp(−tX )
=X .
dt
dt
dt
t=0
t=0
t=0
(8.2) Lemma. Die Menge K := {g ∈ G | ι(g) = g} ist eine kompkate Untergruppe von G
und besitzt k := LK = {X ∈ LG | Lι(X) = X} als Lie-Algebra.
Beweis. Nach Definition von ι ist K = G ∩ On R bzw. K = Un C. Damit ist K eine
beschränkte Menge in GLn K. Da ι stetig ist, ist K abgeschlossen in GLn K und damit
kompakt. Die zweite Behauptung folgt aus Satz (7.5).
(8.3) Satz. Setze n := {X ∈ LG | Lι(X) = −X}. Dann ist LG = k⊕n und die Abbildung
ϕ : K × n → G : (g, X) 7→ g · exp X
ist ein Homöomorphismus.
Beweis. Natürlich ist k ∩ n = {0}. Da Lι eine involutorische lineare Abbildung ist, ist Lι
diagonalisierbar und besitzt nur die Eigenwerte 1 und −1. Damit ist LG = k⊕n. Betrachte
Kapitel 8: Maximal kompakte Untergruppen
33
nun G als Untergruppe von GLn C. Sei g ∈ G uns sei g = u · n die Polarzerlegung von g,
vgl. Aufgaben 7 und 9, d.h. es ist u eine unitäre und n eine positiv-definite hermitesche
Matrix. Wir zeigen, daß es zu n eine hermitesche Matrix X gibt mit exp X = n. Dies
ist aber klar, da sich jede hermitesche Matrix diagonalisieren läßt. Dies zeigt, daß die
Abbildung ϕ surjektiv ist. Die Injektivität folgt aus der Eindeutigkeit der Polarzerlegung.
Da Multiplikation und Exponentialabbildung setig sind, ist ϕ stetig. Aus der Bijektivität
und der Stetigkeit von ϕ folgt nach dem Gebietsinvarianzsatz von Brouwer (siehe Hocking,
Young, Topology, Theorem 6.54), daß ϕ sogar schon ein Homöomorphismus ist.
(8.4) Korollar. Die Gruppe K ist eine maximal kompakte Untergruppe von G.
Beweis. Sei M eine kompakte Untergruppe von G mit K ⊆ M . Ist K 6= M , so folgt aus
der Zerlegung G = K · exp n, daß M ein Element exp X mit X ∈ n und exp X 6= E enthält.
Eigenwerte von exp X existieren und sind positiv. Also besitzt (exp X)n beliebig große
Eigenwerte, was der Beschränktheit von M widerspricht. Also ist doch M = K.
34
Literatur
Literatur
[1] Hein, W., Struktur- und Darstellungstheorie der klassischen Gruppen, Berlin–Heidelberg–New York:
Springer 1990
[2] Hilgert, J., Neeb, K.-H., Lie-Gruppen und Lie-Algebren, Braunschweig: Vieweg 1991
[3] Hochschild, G., The structure of Lie groups, Holdan-Day 1965
[4] Knapp, A.W., Lie groups beyond: An introduction, Basel: Birkhäuser 1996
[5] Mneimné, R., Testard, F., Introduction à la théorie des groupes de Lie classiques, Paris: Hermann
1986
[6] Onishchik, A.L., Vinberg, E.B., Lie groups and algebraic groups, New York – Heidelberg – Berlin:
Springer 1990
[7] Onishchik, A.L. (Ed.), Lie groups and Lie algebras, Enc. of Math. Sci. Vol. 20, Springer 1993
[8] Tits, J., Liesche Gruppen und Algebren, New York – Heidelberg – Berlin: Springer 1972
[9] Varadarajan, V.S., Lie Groups, Lie Algebras, an Their Representation, New York – Heidelberg –
Berlin: Springer 1984
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