CME fortbildung DNA-Tests Gendiagnostik für eine individualisierte Therapie Alexander Foit, Ralf Weiner Die personalisierte bzw. stratifizierte Medizin führt zunehmend zu einer Wandlung im Gesundheitssystem, in dem die individuell richtige und erfolgreiche Behandlung mehr und mehr in den Mittelpunkt rückt. Variationen im Erbgut beeinflussen die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Medikamenten. Jeder Mensch ist aufgrund seiner genetischen Veranlagung einzigartig. Wie aber soll der Arzt bei Behandlungsbeginn wissen, ob der Patient tatsächlich auf das in Erwägung gezogene Medikament anspricht und ob er dieses auch gut verträgt? DNA-Tests noch vor Beginn der Therapie können dem Arzt im Praxisalltag helfen, eine Prognose zu erstellen, ob und wie der Patient auf das Medikament reagiert. Die Konsequenzen einer derart personalisierten und stratifizierten Therapie bringen einen Richtungswechsel mit sich: weg von der Therapie einer Krankheit, hin zur Therapie eines Patienten mit seiner individuellen genetischen Ausstattung. Ziel dieses Fortbildungsmoduls ist es, die Grundlagen und Auswirkungen von DNA-Abweichungen auf die Arzneimittelwirkung darzustellen. 46 Der Allgemeinarzt 7/2015 www.allgemeinarzt-online.de Kirsty Pargeter - Fotolia CME fortbildung Nicht alle Menschen sprechen gleichermaßen gut auf ein und dasselbe Arzneimittel an. Randomisierte, kontrollierte klinische Studien machen zwar Aussagen zur Wirksamkeit und Verträglichkeit des Arzneimittels in der jeweiligen Studienpopulation. Während die Mehrzahl der Patienten auf das Arzneimittel anspricht (Res­ ponder) gibt es in genügend großen Stichproben (wie z. B. im klinischen Alltag) immer auch einige wenige Patienten, bei denen die gewünschte therapeutische Wirkung entweder abgeschwächt ist oder komplett ausbleibt (partielle Responder oder Non-Responder). Andere Patienten hingegen entwickeln selbst bei korrekter Anwendung und korrekter Dosierung individuelle Überdosierungserscheinungen wie Unverträglichkeit bis hin zu einer klinisch relevanten Toxizität. Alleine im Bereich der Inneren Medizin versterben jährlich ca. 58 000 Patienten an den Folgen unerwünschter Arzneimittelwirkungen [1]. Ein Großteil davon könnte durch eine umsichtigere Therapieplanung vermieden werden. Der behandelnde Arzt identifiziert davon jedoch nur 6 % als arzneimittelinduzierte fatale Nebenwirkung [1]. Die Entwicklung schwerwiegender Nebenwirkungen ist u. a. durch Nichtbeachtung von Arzneimittelwechselwirkungen und mangelnde Berücksichtigung der individuellen Medikamentenverträglichkeit bedingt. Ein wichtiger Faktor ist der Einfluss der genetischen Disposition eines Patienten auf die individuelle Arzneimittelsicherheit und -wirksamkeit. Diese genetischen Unterschiede können therapierelevante Auswirkungen auf nahezu alle Wege des Arzneimittels im Körper haben – von seiner Metabolisierung über seinen Transport bis hin zur Bindung an die Zielstrukturen [2]. Arzneimittelunverträglichkeiten haben meistens ein genetisches Korrelat; sie können aber auch durch äußere Faktoren wie Nikotin, Nahrung oder Begleitmedikamente ausgelöst werden. Bisher gab es jedoch kaum Möglichkeiten, den Patienten mit seiner individuellen genetischen Ausstattung so in eine Therapie- www.allgemeinarzt-online.de entscheidung mit einzubinden, wie es eigentlich nötig wäre. Heute lassen sich mithilfe spezifischer molekulargenetischer Testverfahren konkrete Vorhersagen zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Arzneimitteln treffen. Die Vorteile gezielter Tests liegen auf der Hand: Durch die Analyse des Genoms könnte man diejenigen Patienten identifizieren, die auch tatsächlich von einem Wirkstoff so profitieren, wie es die klinischen Studien nahelegen. Den übrigen Patienten könnte man unnötige Nebenwirkungen ersparen. Die insgesamt 3,2 Milliarden Basenpaare der menschlichen DNA und die ca. 22 500 darauf kodierten Gene einschließlich ihrer vielen Polymorphismen sowie deren Auswirkungen sind seit der Entschlüsselung des menschlichen Ge- ▪▪▪▪▪▪▪▪▪ Heute kann man mithilfe spezifischer Testverfahren konkrete Vorhersagen zur Wirkung von Medikamenten treffen. ▪▪▪▪▪▪▪▪▪ noms im Rahmen des Human-Genom-Projektes bekannt. Zusammen mit dem immer besseren molekularen Verständnis von Krankheiten und Wirkmechanismen moderner Therapeutika lassen sich die molekulargenetischen Kenntnisse bei verschiedenen Krankheitsbildern für eine stratifizierte Medizin nutzen. Einfluss genetischer Polymorphismen auf den Arzneistoffmetabolismus Das menschliche Genom weist statistisch gesehen etwa alle 1 000 Basenpaare eine Variation auf und trägt somit ca. 3 Millionen sog. Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs = single nucleotide polymorphisms). Ein SNP ist eine Punkt- → Der Allgemeinarzt 7/2015 47 CME fortbildung Abhängig von der genetisch determinierten Aktivität der Enzyme des Cytochrom-P450-Systems lassen sich vier Metabolisierungstypen einteilen (nach [4]): Tabelle 1 CYP-Phänotyp Definition Potenzielle Folgen nach Einnahme einer aktiven Substanz eines Prodrugs Langsame Metabolisierer Keine Enzymaktivität, zwei inaktive Allele Reduzierte Metabolisierung, höhere Plasmaspiegel, vermehrte Nebenwirkungen Reduzierte Umwandlung zum aktiven Metaboliten, geringeres bis kein Ansprechen Intermediäre Me- Verminderte tabolisierer Enzym­aktivität, ein inaktives und ein aktives Allel oder zwei eingeschränkt aktive Allele Ähnliche, aber schwächere Konsequenzen wie beim langsamen Metabolisierer Ähnliche, aber schwächere Konsequenzen wie beim langsamen Metabolisierer Normales Ansprechen auf die Standarddosis Extensive Metabolisierer Normale Enzymaktivität, zwei aktive Allele Normales Ansprechen auf die Standarddosis Ultraschnelle Metabolisierer Sehr hohe Enzymaktivität, duplizierte aktive Allele Verstärkte Metabolisierung, keine Erhöhte Plaseffektiven Plasmaspiegel bei Stan- maspiegel des darddosierung aktiven Metaboliten, vermehrte Nebenwirkungen mutation innerhalb eines Basenpaares der DNA. Auch die Gene, die für Enzyme des CytochromP450 (CYP)-Systems, für Transportproteine oder für Rezeptoren kodieren, sind von SNPs betroffen [2]. Da die DNA den Bauplan für die Proteine (z. B. Enzym-, Transport- und Rezeptorproteine) trägt, können schon geringfügige Veränderungen in der Basenabfolge auf der DNA zu Veränderungen der Proteinstruktur und -funktion führen. Manche dieser genetischen Varianten können erhebliche klinische Konsequenzen haben – vor allem wenn Enzyme betroffen sind, die für Umbau, Transport und Entgiftung von Medikamenten benötigt werden. So bestimmen beispielsweise genetische Veränderungen in den Enzymen des CYP-Systems den individuellen Metabolisierungstyp (Tabelle 1) und beeinflussen die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Arzneimitteln beim individuellen Patienten und damit seine Prognose [3]. Auch die Aktivierung einer zunächst inaktiven Substanz (Prodrug) in den aktiven Metaboliten unterliegt dem Einfluss der Gene. Genetische Polymorphismen in Rezeptoren können die Ursache dafür sein, dass ein Medikament nicht mehr an seine Zielstruktur bindet und seine therapeutische Wirkung ausbleibt. Die Darstellung der genetischen Varian- 48 Der Allgemeinarzt 7/2015 ten bildet somit die Grundlage der personalisierten Arzneimitteltherapie. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand sind vor allem die für die Verstoffwechselung von Arzneistoffen relevanten Isoenzyme CYP2D6, CYP2C9, CYP2C19 und CYP3A4/5 von genetischen Polymorphismen betroffen [4]. Bei jedem dieser drei Enzyme sind mehrere Mutationen bekannt, welche die Funktion des exprimierten Enzyms massiv reduzieren. Über CYP2D6 werden etwa 15 bis 25 % aller Arzneimittel me- ▪▪▪▪▪▪▪▪▪ Genetische Veränderungen der Enzyme des Cytochrom-P450Systems beeinflussen die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Medikamenten. ▪▪▪▪▪▪▪▪▪ tabolisiert, einschließlich vieler Antidepressiva und Antipsychotika, Tamoxifen, mancher Antipsychotika, Opioidanalgetika und Betablocker (Tabelle 2). Mehr als 50 % aller Arzneimittel werden über CYP3A4/5 verstoffwechselt [4]. Polymorphismen in den Genen der CYP-Enzyme bewirken einen verlangsamten oder beschleunigten Substratmetabolismus, wodurch es zu Unterschieden in der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Medikamenten kommen kann, die über diese Enzyme verstoffwechselt werden. Ob phänotypisch eine mittelschwach verminderte (intermediärer Metabolisierer) oder eine stark verminderte Enzymaktivität (langsamer Metabolisierer) vorliegt, hängt von der Kombination funktionseingeschränkter Genkopien ab und davon, ob ein oder zwei Genkopien, also Hetero- oder Homozygotie – , vorhanden sind [4]. Zudem kann es durch eine Überexpression Tabelle 2 Klinisch relevante Substrate von CYP2D6 (nach [23, 4]) Antiarrhythmika Flecainid, Mexiletin, Spartein Antidepressiva Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin, Fluoxetin, Fluvoxamin, Imipramin, Maprotilin, Mirtazapin, Nortriptylin, Opipramol, Trimipramin und Venlafaxin Betablocker Bufuralol, Carvedilol, Metoprolol, Propafenon, Propranolol, Timolol Neuroleptika Aripiprazol, Risperidon Andere Amphetamine (Ecstasy!), Codein, Debrisoquin, Donepezil, Oxycodon, Tamoxifen, Tramadol www.allgemeinarzt-online.de CME fortbildung aufgrund einer Genduplikation oder Strukturveränderung auch zu einer entgegengesetzten Situation kommen (Ultra Rapid Metabolizer). Diese Personen bauen Medikamente, die über das betroffene Enzym abgebaut werden, so schnell ab, dass sie eine geringe ober gar keine therapeutische Wirkung erzielen. Der Normalfall („Wildtyp“) ist der extensive Metabolisierer mit normaler Enzymaktivität: Bei diesen Personen liegt je ein Allel für ein aktives Enzym auf den beiden homologen Chromosomen vor [4]. Für das CYP2D6 gilt z. B., dass etwa 7 % der Kaukasier zum „Poor Metabolizer“-Typ und 5 % zum „Ultra-Rapid-Metabolizer“-Typ zählen [5]. Ein Patient kann für den einen Wirkstoff ein normaler Metabolisierer und für einen anderen ein langsamer Metabolisierer sein. Während genetische Varianten der CYP-Enzyme sowie Varianten der in den Arzneimitteltransport involvierten Moleküle indirekt (über die Pharmakokinetik) die Wirksamkeit der Therapie beeinflussen, können Polymorphismen in den Zielmolekülen (z. B. Rezeptoren) die Wirksamkeit auf direktem Weg beeinflussen [2]. Klinische Auswirkungen von genetischen Polymorphismen Welche klinisch-praktische Bedeutung die Erkennung einer verminderten Medikamentenverträglichkeit hat, wird an folgenden Beispielen deutlich: Der selektive Östrogenrezeptormodulator Tamoxifen, das Blutgerinnungsmittel Clopidogrel, die cholesterinsenkenden Statine sowie die meisten Antidepressiva unterliegen der Verstoffwechselung durch die Enzyme des Cytochrom-P450-Systems. Abhängig von dem individuellen genetischen Profil können Medikamente dieser Wirkstoffgruppen bei einem Teil der Patienten unzureichend wirken oder sogar unwirksam sein, während sie bei anderen Patienten schwere Nebenwirkungen auslösen und abgesetzt werden müssen. Tamoxifen: Die meisten Patientinnen mit Mammakarzinom haben einen Östrogenrezeptor-positiven Tumor. Früher galt Tamoxifen als Mittel der Wahl für die adjuvante antihormonelle Therapie. Da bei vielen Patientinnen der gewünschte Effekt von Tamoxifen (Vermeidung von Rezidiven und verlängertes Überleben) geringer ausfällt als erwartet, werden als Therapiealternative häufig die nebenwirkungsträchtigeren Aromatasehemmer eingesetzt – entweder als Monotherapie oder als sequenzielle Kombinationstherapie. Dem inwww.allgemeinarzt-online.de adäquaten Ansprechen können pharmakogenetische Ursachen zugrundeliegen: Tamoxifen ist ein Prodrug, das im Körper durch verschiedene Enzyme des Cytochrom-P450 (CYP)-Systems in den aktiven Metaboliten Endoxifen umgewandelt wird. Für die Umwandlung spielt das Isoenzym CYP2D6 eine entscheidende Rolle [6, 7]. Von CYP2D6 sind rund 100 verschiedene genetische Varianten bekannt, die eine verminderte oder fehlende Enzymaktivität aufweisen [8]. 16 dieser Genvarianten haben zur Folge, dass das für die Tamoxifen-Wirkung so wichtige CYP2D6-Enzym nur funktionseingeschränkt gebildet wird. CYP2C19-Metabolisierungstypen 5 % keine Enzymaktivität Wechsel auf Alternativmedikament (z. B. Prasugrel) Poor Metabolizer, PM 2 ALLELE CYP2C19 *2, *3, *4 25 % verminderte Enzymaktivität Intermediäre Metabolisierer IM 1 ALLEL CYP2C19 *2, *3, *4 65 % normale Enzymaktivität Ultrarapid Metabolizer, UM CYP2D6 *17 Abb. 1: Empfehlungen für den Einsatz von Clopidogrel basierend auf dem CYP2C19-Metabolisierungsstatus (mod. nach [12, 24, 25, 26, 27]) Wechsel auf Alternativmedikament (z. B. Prasugrel) Behandlung mit Clopidogrel Extensive Metabolizer, EM CYP2C19 *1 25 % erhöhte Enzymaktivität Therapieoptionen Behandlung mit Clopidogrel, bei auftretenden Blutungen Dosissenkung Rund 7 % der Frauen fehlt die Enzymfunktion komplett. Sie gehören zu den langsamen Metabolisierern und können das unwirksame Prodrug Tamoxifen nur schlecht in den aktiven Metaboliten umwandeln, so dass das Risiko eines Wirkverlustes besteht. Patienten mit fehlender Funktion des CYP2D6 haben eine um ca. 75 % verminderte ▪▪▪▪▪▪▪▪▪ Für die Umwandlung des Prodrugs Tamoxifen in das aktive Endoxifen ist CYP2D6 wichtig. ▪▪▪▪▪▪▪▪▪ Konzentration an Endoxifen im Vergleich zu Patienten mit normaler CYP2D6-Aktivität [8]. Das Rezidivrisiko ist im Vergleich zu Patientinnen mit normaler Enzymaktivität (extensive Metabolisierer) erhöht und die rezidivfreie Zeit verkürzt [9, 10]. Aufgrund der möglichen Auswirkungen von CYP2D6-Polymorphismen machte die US-ameri- → Der Allgemeinarzt 7/2015 49 CME fortbildung ◼ Langsame Metabolisierer ◼ Intermediäre Metabolisierer ◼ Extensive Metabolisierer ◼ Ultraschnelle Metabolisierer 150 100 50 Mithilfe von CYP2D6 wird auch eine Reihe anderer Arzneistoffe verstoffwechselt, z. B. Antidepressiva wie Paroxetin, Fluoxetin oder Amitriptylin oder starke Schmerzmittel wie Tramadol und Betablocker wie Metoprolol (Tabelle 2). Wird Tamoxifen zugleich mit einem starken CYP2D6-Inhibitor eingenommen, nimmt im Blut auch die Konzentration von Endoxifen ab, was die Wirksamkeit – unabhängig vom genetisch determinierten Metabolisierungstyp – reduziert und ein Risiko für Therapieversagen darstellt. So sinken die Endoxifen-Spiegel bei Komedikation mit potenten CYP-2D6-Inhibitoren ebenso wie bei Frauen mit fehlender CYP2D6-Aktivität um 75 % [8]. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wies in seinem Stufenplanbescheid vom 14.11.2012 ausdrücklich auf das Problem einer möglichen reduzierten Wirksamkeit von Tamoxifen aufgrund des Polymorphismus von CYP2D6 sowie auf Wechselwirkungen mit starken CYP2D6-Hemmern hin [8]. Bei Frauen mit einem verringerten CYP2D6-Stoffwechsel wird eine Tamoxifen-Therapie nicht empfohlen. Eine CYP2D6-Genotypisierung könnte somit helfen, Responder auf eine Tamoxifen-Therapie schon vor Therapiebeginn zu identifizieren. Clopidogrel: Auch das Blutgerinnungsmittel Clopidogrel ist ein Prodrug. Es wird im Organismus in den aktiven Metaboliten, ein Thiolderivat, umgewandelt, wobei das Isoenzym CYP2C19 eine besondere Rolle spielt [4]. Daher haben PaDer Allgemeinarzt 7/2015 ty lin Am itr ip laf ax in Ve n Pa ro xe tin ra m in Cl om ip ip ty lin No rtr ip ra m in De s Tri m ip ra m in ap ro til in M in Do xe p kanische Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) schon im Jahr 2006 auf die Bedeutung des Metabolisierungsstatus für Brustkrebs-Patientinnen aufmerksam, bei denen eine Tamoxifen-Therapie erwogen wird [11]. 50 Abb. 2: Empfohlene Dosisanpassung antidepressiver Medikationen in Abhängigkeit vom Metabolisierungstyp des Patienten im CYP2D6 (mod. nach [23]) 0 Im ip ra m in Prozentuale Dosisanpassung im Vergleich zur Standarddosis (100 %) 200 tienten mit verminderter Aktivität von CYP2C19 (intermediäre Metabolisierer) bzw. CYP2C19-defiziente Patienten (langsame Metabolisierer) ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse [12]. Mittels gezielter pharmakogenetischer Tests lässt sich feststellen, ob Clopidogrel überhaupt wirken kann oder ob sich ein anderer Gerinnungshemmer besser zur Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall eignen würde. Eine Minderfunktion des Enzyms und eine Reduktion der antithrombozytären Wirkung von Clopidogrel kann allerdings auch bei normalen Metabolisierungstypen (extensiven Metabolisie- ▪▪▪▪▪▪▪▪▪ Bei der Umwandlung des Prodrugs Clopidogrel in den aktiven Metaboliten spielt CYP2C19 eine wichtige Rolle. ▪▪▪▪▪▪▪▪▪ online Diesen Beitrag sowie die vollständige Literaturliste finden Sie auch unter www.allgemeinarzt-online.de rern) auftreten, wenn sie gleichzeitig CYP2C19Inhibitoren einnehmen, wie z. B. Phenobarbital, Fluoxetin oder Omeprazol, die die Umwandlung in den aktiven Metaboliten hemmen [4]. Inzwischen enthält die Fachinformation von Clopidogrel entsprechende Hinweise auf das potenzielle Risiko einer verminderten Wirkung bei langsamen Metabolisierern und auf die Möglichkeit einer Bestimmung des CYP2C19-Genotyps [13, 14]. Die FDA warnt explizit vor Clopidogrel-Unwirksamkeit bei Trägern bestimmter Polymorphismen des CYP2C19-Gens [15]. Die European Society of Cardiology (ESC) verweist ebenfalls auf pharmakogenetische Tests, um Clopido­grelNon-Responder rechtzeitig zu identifizieren [16]. Auch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie www.allgemeinarzt-online.de CME fortbildung (DGK) hebt hervor, dass die Wirkung der Substanz kritisch von der CYP2C19-Funktion abhängt [17]. Für die Therapie von Patienten mit nachgewiesenen CYP2C19-Polymorphismen gibt das Clinical Pharmacogenetics Implementation Consortium (CPIC) [18] konkrete Handlungsanweisungen (Abb. 1). benwirkungen zu vermeiden, muss entweder die Dosis reduziert oder der Wirkstoff gewechselt werden. Im Gegensatz dazu ist bei Patienten vom ultraschnellen Metabolisierungstyp eine Dosiserhöhung dieser Antidepressiva erforderlich (Abb. 2). Statine: Die Wirksamkeit von Statinen in der Primär- und Sekundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse ist umfassend belegt [19 – 21]. Statine hemmen das Enzym HMG-CoA-Reduktase und bremsen dadurch die körpereigene Cholesterinsynthese. Viele Patienten entwickeln unter der Behandlung jedoch Nebenwirkungen wie Myopathien, die Überdosierungserscheinungen gleichkommen und die Adhärenz beeinträchtigen können [22]. Die empfohlene Dosierung ist somit nicht für alle Patienten geeignet. Ursache für die individuell unterschiedliche Verträglichkeit sind ebenfalls Polymorphismen – u. a. in den Genen von Transportproteinen, die an der Resorption und Elimination der Statine beteiligt sind. Die verschiedenen Statine werden zum Teil über unterschiedliche Transportwege resorbiert und ausgeschieden. Das bedeutet, dass sich eine genetische Veränderung nicht bei jedem Statin gleich auswirken muss. Und auch das Ziel-Enzym HMG-CoA-Reduktase selbst unterliegt genetischen Variationen, die sich auf die cholesterinsenkende Wirkung der eingenommenen Statine auswirken. Bei betroffenen Patienten werden die gewünschten Cholesterinspiegel unter Standarddosierung meist nicht erreicht. Pharmakogenetische Diagnostik zur Therapieoptimierung Antidepressiva: Auch die Wirkung vieler Antidepressiva zeigt eine ausgeprägte Abhängigkeit von Genvarianten. Die meisten Antidepressiva unterliegen einem komplexen Metabolismus durch ein oder mehrere Cytochrom-P450-Enzyme in der Leber. Eine Schlüsselrolle für den Abbau vieler Antidepressiva sind CYP2C19 und CYP2D6 [4, 23]. Im klinischen Alltag kommt es daher gerade zu Therapiebeginn immer wieder zu Über- oder Unterdosierungen bis hin zur völligen Wirkungslosigkeit bzw. Therapieresistenz. Wer auf welchen Wirkstoff anspricht und diesen auch gut verträgt, muss zuweilen ausprobiert werden. Die Dauer der Therapie- und Dosisfindung kann für einen schwer depressiven Patienten eine kritische Zeitverzögerung darstellen. Patienten, die in Bezug auf CYP2D6 langsame Metabolisierer sind, können Antidepressiva, die über dieses Enzym metabolisiert werden (vgl. Tabelle 2), akkumulieren. Um Newww.allgemeinarzt-online.de Zur Vorhersage der Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Arzneimitteltherapie kann im Vorfeld der Therapie eine pharmakogenetische Diagnostik durchgeführt werden. Nachdem ei- ▪▪▪▪▪▪▪▪▪ Eine Schlüsselrolle für den Abbau vieler Antidepressiva spielen CYP2D6 und CYP2C19. ▪▪▪▪▪▪▪▪▪ ne CYP450-Diagnostik früher nur mittels Gabe von Testsubstanzen und anschließender Dünnschicht-Chromatographie der mit dem Urin ausgeschiedenen Metaboliten möglich war, besteht seit einiger Zeit die Möglichkeit, beim einzelnen Patienten die maßgeblichen Mutationen per DNA-Test nachzuweisen. Dr. med. Alexander Foit (Foto) Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen und Verkehrsmedizin 78513 Radolfzell Ralf Weiner Diplom-Biologe Humatrix AG 64319 Pfungstadt interessenkonflikte: Dr. Foit: keine deklariert, R. Weiner: Die Humatrix AG ist Technologiepartner und durchführendes Labor der von STADA vertriebenen DNA-Tests. Die Erkennung der infrage stehenden Genvarianten erfolgt durch Amplifikation und SondenHybridisierung der aus Blutzellen extrahierten DNA. Es ist möglich, die Normalvarianten der betreffenden Sequenzabschnitte („Wildtyp“) und alle Varianten, die eine Über- oder Unterfunktion von P450-Enzymen begründen können, schnell und zuverlässig ausfindig zu machen. Durch die einmalige Bestimmung des Genotyps eines pharmakologisch relevanten Proteins erhält man eine Aussage mit lebenslanger Gültigkeit bezüglich des Metabolisierungstyps. Ziel einer pharmakogenetischen Testung ist eine bessere Prädiktion der Arzneimittelwirkungen und -nebenwirkungen im individuellen Patienten, um so dem Arzt die rationale Wahl eines geeigneten Wirkstoffs und die optimale Dosierung zu erleichtern und potenzielle Unverträglichkeitsreaktionen zu vermeiden [2]. Hierdurch kann der behandelnde Arzt den Patienten auf den für ihn am besten geeigneten Wirkstoff in der passenden Dosierung einstellen oder sich für eine alternative Therapieoption entscheiden. → Der Allgemeinarzt 7/2015 51 CME fortbildung Fragen zur zertifizierten Fortbildung „DNA-Diagnostik“ Frage 1: Welche Antwort ist richtig? Genetische Polymor­ phismen (SNPs) sind … a.eine Gruppe erblich bedingter seltener Stoffwechselerkrankungen. b.bestimmte Genvarianten, die ausschließlich die Enzyme des Cytochrom-P450-Systems betreffen. c.häufige Genvarianten, die jedoch keinen Einfluss auf die Enzyme des Cytochrom-P450-Systems haben. d.genetische Variationen innerhalb eines Basenpaares der DNA. e.Varianten im menschlichen Genom, die weder klinisch noch therapeutisch relevant sind. Frage 2: Welche der folgenden Aussagen zum Metabolisie­ rungsstatus ist falsch? a.Der Metabolisierungsstatus hat Einfluss auf den Stoffwechsel bestimmter Arzneimittel. b.Langsame Metabolisierer weisen eine Minderfunktion eines oder mehrerer CYP-Enzyme auf. c.Ultraschnelle Metabolisierer bauen bestimmte Arzneimittel schneller ab als extensive Metabolisierer. d.Extensive Metabolisierer weisen eine sehr hohe Aktivität eines oder mehrerer CYP-Enzyme auf. e.Der Metabolisierungsstatus ist genetisch determiniert und individuell verschieden. Frage 3: Welche der folgenden Aussagen trifft auf Prodrugs zu? a.Ein Prodrug ist ein homöopathisches Komplexmittel. b.Unter einem Prodrug versteht man verzögert freisetzende Darreichungsformen oraler Medikamente. c.Ein Prodrug ist die inaktive Vorstufe eines Arzneimittels. d.Ein Prodrug ist eine noch nicht zugelassene Substanz, die in klinischen Studien geprüft wird. e.Prodrugs sind Substanzen gleicher Wirkstoffgruppen. Frage 4: Über welches der folgenden Enzyme wird Clopidogrel in seine aktive Wirkform umgewandelt? a.CYP2C19 b.Alpha-Glukozerebrosidase c.Dihydropyrimidin-Dehydrogenase d.Catechol-O-Methyltransferase e.HMG-CoA-Reduktase Frage 5: Welche der folgenden Aussagen zu Tamoxifen ist ­richtig? a.Tamoxifen wird unabhängig von den Cytochrom-P450-Enzymen metabolisiert. b.Tamoxifen wird durch Cytochrom-P450-Enzyme in den aktiven Metaboliten Endoxifen umgewandelt. c.Tamoxifen wird durch Peptidasen in den aktiven Metaboliten Endoxifen umgewandelt. d.Tamoxifen wird durch Kinasen in den aktiven Metaboliten Endoxifen umgewandelt. e.Tamoxifen wird durch unspezifische Esterasen in den aktiven Metaboliten Endoxifen umgewandelt. Frage 6: Welche Aussage ist falsch? Patienten mit zwei ­defekten Allelen des CYP2C19-Gens … a.gehören zu der Gruppe der langsamen Metabolisierer. b.erreichen nach Verabreichung von Clopidogrel keine therapeutischen Wirkspiegel. 52 Der Allgemeinarzt 7/2015 c.entwickeln unter Clopidogrel in Standarddosierung eine besonders starke Hemmung der Thrombozytenaggregation. d.können mithilfe spezieller pharmakogenetischer Tests identifiziert werden. e.sollten auf einen alternativen Gerinnungshemmer umgestellt werden. Frage 7: Welche der folgenden Aussagen zur Therapie mit ­ tatinen ist falsch? S a.Statine hemmen das Enzym HMG-CoA-Reduktase. b.Genetisch bedingte Störungen in der Resorption und Elimination von Statinen können zu Nebenwirkungen führen. c.Die Verträglichkeit der Therapie kann durch Wahl des bestgeeigneten Statins und der optimalen Dosierung deutlich verbessert werden. d.In der empfohlenen Standarddosierung erzielen Statine bei allen Patienten nahezu identische Wirkspiegel. e.Myopathien lassen auch bei Verwendung einer Standarddosierung auf eine zu hohe Dosierung des verordneten Statins schließen. Frage 8: Welche der folgenden Substanzen zur Metabo­ lisierung von Antidepressiva ist falsch? a.Genetische Polymorphismen in den Enzymen des Cytochrom-P450-Systems haben keinen Einfluss auf die Wirkspiegel von Antidepressiva. b.Die meisten Antidepressiva unterliegen einem komplexen Metabolismus durch ein oder mehrere Cytochrom-P450-Enzyme in der Leber. c.Antidepressiva neigen zu Interaktionen nicht nur miteinander, sondern auch mit Arzneistoffen anderer Indikationsgruppen. d.Therapieresistenz unter Standarddosierung kann ein Hinweis auf einen ultraschnellen Metabolisierungstyp sein e.Unter Fluoxetin in normaler Dosis besteht bei langsamen Metabolisierern bezüglich CYP2D6 ein Risiko für eine Überdosierung. Frage 9: Welche Aussage ist falsch? Mittels gezielter pharma­ kogenetischer Tests … a.lässt sich ein Ansprechen auf viele Antidepressiva vor Therapiebeginn abschätzen. b.werden individuelle Dosisanpassungen kalkulierbarer. c.können langsame von ultraschnellen Metabolisierern differenziert werden. d.werden die molekularen Ursachen der Depression erkannt. e.lassen sich viele pharmakokinetische Interaktionen vermeiden. Frage 10: Welche Imipramin-Dosis (bezogen auf die Standard­ dosierung) ist bei Patienten mit Depression und bekanntem Metabolisierungstyp geeignet? Welche Antwort ist richtig? a.Bei ultraschnellen Metabolisierern die empfohlene Standarddosierung. b.Bei ultraschnellen Metabolisierern eine höhere Dosierung. c.Bei ultraschnellen Metabolisierern eine niedrigere Dosierung. d.Bei langsamen Metabolisierern eine höhere Dosierung. e.Bei langsamen Metabolisierern die empfohlene Standarddosierung. Dieser CME-Beitrag wurde unterstützt von STADApharm. → www.allgemeinarzt-online.de CME fortbildung Der Allgemeinarzt Antwortbogen: DNA-Diagnostik So sichern Sie sich Ihre Fortbildungs-Punkte Für jede Folge unserer zertifizierten Fortbildung erkennt die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, mit der wir kooperieren, bis zu drei Fortbildungspunkte an, und zwar unter folgenden Voraussetzungen: •• Mindestens 70 % der Fragen wurden korrekt beantwortet = zwei Punkte •• Alle zehn Fragen wurden richtig beantwortet = drei Punkte Persönliche Daten Titel Vorname Nachname Berufsbezeichnung Straße Postleitzahl Hausnummer Ort Fax-Nr. E-Mail Einheitliche Fortbildungsnummer (EFN) Praxisstempel Auf unserem CME-Portal www.med-etraining.de können Sie u. a. auch diesen Beitrag bearbeiten und bekommen bei Erfolg Ihre Punkte sofort gutgeschrieben. Alternativ können Sie diesen Antwortbogen an folgende Nummer faxen: 0 61 31/9 60 70 90. Bei erfolgreicher Teilnahme erhalten Sie per Fax oder EMail eine Bestätigung, die Sie bei Ihrer Landesärztekammer einreichen können. Die Teilnahme an dieser CMEFortbildung ist bis zu ein Jahr nach Erscheinen möglich. Für das Freiwillige Fortbildungszertifikat, das viele Ärztekammern anbieten, können 150 CME-Punkte in maximal drei Jahren erworben werden, u. a. durch eine strukturierte interaktive Fortbildung (also z. B. durch die in Der Allgemeinarzt angebotene CME-Fortbildung). Die seit dem 1.1.2004 geltende Pflichtfortbildung gemäß § 95d SGB V fordert 250 Punkte innerhalb von fünf Jahren, nachzuweisen mit Stichtag 30.6.2019. Weitere Informationen erfragen Sie bitte bei Ihrer zuständigen Ärztekammer. www.allgemeinarzt-online.de Ich bin damit einverstanden, dass meine Daten gespeichert und der zuständigen Landesärztekammer gemeldet werden und bei mindestens 70 % korrekt beantworteten Fragen eine entsprechende Bestätigung an die angegebene Fax-Nummer geschickt wird. Ich versichere, alle Fragen ohne fremde Hilfe beantwortet zu haben. Keine Haftung für nicht exakt angenommene Faxe. Ort, Datum Antwortfeld (nur eine Antwort pro Frage ankreuzen) Unterschrift a b c d e 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Der Allgemeinarzt 7/2015 55