Manfred Böhm Symmetrien in Festkörpern Gruppentheoretische Grundlagen und Anwendungen Symmetrien in Festkörpern: Gruppentheoretische Grundlagen und Anwendungen. Manfred Böhm Copyright © 2002 WILEY-VCH Verlag Berlin GmbH, Berlin ISBN: 3-527-40351-5 Manfred Böhm Symmetrien in Festkörpern Gruppentheoretische Grundlagen und Anwendungen )WILEY-VCH Autor: Dr. Manfred Böhm Justus-Liebig-Universität Gießen Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autor und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler keine Haftung. Cover: © Mit freundlicher Genehmigung von Saxe-Patterson Inc., Hank Saxe & Cynthia Patterson, Taos, New Mexico. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich ISBN 3-527-40351-5 © Wiley-VCH Verlag Berlin GmbH, Berlin, Germany, 2002 Gedruckt auf säurefreiem Papier. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind. All rights reserved (including those of translation into other languages). 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Auf der einen Seite gibt es eine Reihe von Büchern, die den Umgang mit gruppentheoretischen Methoden bei der Diskussion von Problemen vorwiegend aus dem Bereich der Atom- und Molekülphysik sowie der Strukturchemie zu vermitteln beabsichtigen. Auf der anderen Seite beschäftigt sich eine weitere Reihe von Büchern im wesentlichen mit LlE-Gruppen, die in der Elementarteilchenphysik eine besondere Rolle spielen. Die vorliegende Darstellung dagegen zielt auf ein umfassendes Verständnis des Symmetriekonzepts im Rahmen der Festkörperphysik. Sie möchte deshalb alle jene Physiker, Chemiker und Mineralogen ansprechen, die sich allgemein mit dem kristallinen Festkörper befassen und bemüht sind, durch Einbeziehung von Symmetrieeigenschaften eine Erleichterung im Umgang mit den dort auftretenden Problemen zu erreichen. Dabei sind nicht nur jene Leser gemeint, die sich für die theoretischen Grundlagen und Zusammenhänge interessieren. Sondern das Buch möchte vielmehr auch solche Leser erreichen, die eine Hilfe bei der Interpretation von experimentellen Ergebnissen suchen. Die Experimente selbst können vorwiegend dem Gebiet der Festkörperspektroskopie zugeordnet werden. Der Inhalt des Buches kann in drei Abschnitte aufgeteilt werden. Im ersten Abschnitt - Gruppen, Vektorräume, Abbildungen, Darstellungen - werden die mathematischen Grundlagen vorgestellt, die beim Arbeiten mit gruppentheoretischen Techniken unentbehrlich sind. Der zweite Abschnitt - Quantenmechanik, Punktgruppen, Raumgruppen, Magnetische Gruppen - beschäftigt sich mit dem Symmetriebegriff in der Quantenphysik und der Festkörperphysik. Dabei steht die Bedeutung der Symmetrieelemente sowie deren mathematische Formulierung und Handhabung im Vordergrund. Im dritten Abschnitt - Ligandenfeider, Energiebänder, Schwingungen, Wechselwirkungen, Materialtensoren - findet man praktische Anwendungen im Hinblick auf aktuelle Themen der Festkörperphysik. Eine der wichtigsten Ziele ist hier zu zeigen, wie die Behandlung und Lösung von konkreten Problemen durch die Berücksichtigung der Symmetrien vereinfacht wird. Schließlich werden in einem Anhang zahlreiche Tabellen mit gruppentheoretischen Hilfsgrößen zusammengestellt, die bei der praktischen Arbeit eine willkommene Unterstützung bieten. Begleitet wird die Vermittlung des Symmetriebegriffs und dessen Anwendung durch ausführlich erläuterte Beispiele sowie deren Lösungen. So ist es möglich im Selbststudium jene Techniken zu erlernen, die den Umgang mit physikalischen Problemen aus der Festkörperphysik erleichtern. Mein besonderer Dank gilt den Herren Dr. M. Luh und Dipl.-Phys. U. Bursik, die mir durch ihr persönliches Engagement bei den Schreibarbeiten ein große Hilfe waren. VIII Bedanken möchte ich mich auch recht herzlich bei Herrn Dr. A. Grossmann vom Verlag Wiley-VCH, der durch sein förderndes Interesse wesentlich zum Gelingen des Buches beigetragen hat. Bleibt zu hoffen, dass das Buch einerseits Zustimmung und Freude erweckt, andrerseits aber auch zur Kritik und konstruktiven Mitarbeit anregt. Für Vorschläge, Einwände und Anmerkungen bin ich jederzeit dankbar. Giessen, Oktober 2001 Manfred Böhm Inhalt I II Einführung l Gruppen 7 II. l II.2 II. 3 11.4 11.5 11.6 III IV V 7 H 16 18 19 21 Vektorräume 27 III. l III.2 27 32 Lineare Vektorräume Euklidische und unitäre Vektorräume Abbildungen 35 IV.l IV.2 IV.3 IV.4 35 39 43 44 Lineare Abbildungen Basistransformationen Besondere Abbildungen Eigenvektoren und Eigenwerte Darstellungen V.l V.2 V.3 V.4 V.5 V.6 V.7 V.8 V.9 V.10 V.11 V. 12 V.13 VI Elemente und Verknüpfungen Klassen Normalteiler . . . . Abbildungen Produkte Kontinuierliche Gruppen Lineare Darstellungen Reduzible und irreduzible Darstellungen Äquivalente Darstellungen Normale Darstellungen Die SCHURschen Lemmata Orthogonalitäten Reguläre Darstellungen . . Reelle, pseudoreelle und komplexe Darstellungen Projektionen Produktdarstellungen Induzierte und subduzierte Darstellungen Konjugierte und erlaubte Darstellungen Strahldarstellungen 49 49 54 58 59 60 64 70 72 75 80 89 93 102 Quantenmechanik 107 VI.l VI.2 VI.3 107 111 116 HlLBERT-Räume Observable Skalare Funktionen . X Inhalt VI.4 VI.5 VI.6 VI.7 VI.8 VI. 9 VI. 10 VI.ll VI. 12 VII Vektorfunktionen S0(3)-Symmetrie Sl7(2)-Symmetrie Skalare und vektorielle Operatoren Tensoroperatoren WlGNER-EcKART-Theorem Eigenwertprobleme Störungen Zeitumkehrsymmetrie Punktgruppen 161 VII.l VII.2 VII.3 VII.4 VII.5 VII.6 161 165 168 178 181 186 Symmetrieelemente Kristallographische Punktgruppen Eigentliche und uneigentliche Punktgruppen Doppelpunktgruppen Darstellungen Strahldarstellungen VIII Raumgruppen IX X XI 119 123 128 134 136 143 147 151 154 193 VIII.l Symmetrieelemente VIII.2 Symmorphe und nichtsymmorphe Raumgruppen VIII.3 Kristallsysteme VIII.4 Platzsymmetrien VIII.5 Reziproke Gitter VIII.6 Darstellungen der Translationsgruppe VIII.7 Darstellungen der Gruppe des fc-Vektors VIII.8 Darstellungen der Raumgruppe VIII.9 Darstellungen der Doppelraumgruppe VIII. 10 Zweidimensionale Raumgruppen 193 195 198 207 211 216 220 232 237 242 Magnetische Gruppen 245 IX. l IX.2 IX.3 IX.4 245 248 254 262 Magnetische Punktgruppen Magnetische Raumgruppen Ko-Darstellungen von magnetischen Punktgruppen Ko-Darstellungen von magnetischen Raumgruppen Ligandenfeider 277 X.l X.2 X.3 X.4 X.5 278 284 287 292 297 Mittelstarke Felder Schwache Felder Starke Felder Termdiagramme Ligandenfeldtheorie Energiebänder 305 XI.l XI.2 XI.3 XI.4 XI.5 305 309 313 319 323 Erlaubte und verbotene Bänder Freie Näherung Gebundene Näherung Berechnungsmethoden Entartungen Inhalt XI.6 XI.7 XI.8 XII Verträglichkeitsbedingungen Ebene Wellen Atomfunktionen Schwingungen XII.l Komplexschwingungen XII.2 Gitterschwingungen XI 327 331 346 359 359 368 XIII Wechselwirkungen XIII.l Matrixelemente XIII.2 Elektron-Phonon-Wechselwirkung XIII.3 Elektron-Photon-Wechselwirkung XIII.4 Phonon-Photon-Wechselwirkung 381 381 387 392 398 XIV Materialtensoren XIV.l Energiedichten XIV.2 Invarianzbedingung 405 405 413 A 425 425 430 432 437 Anhang A.l Charaktertafeln der Punktgruppen A.2 Multiplikationstafeln A.3 Korrelationstafeln A.4 Kopphmgskoeffizienten Symbole und Abkürzungen 443 Literatur 445 Index 451 Symmetrien in Festkörpern: Gruppentheoretische Grundlagen und Anwendungen. Manfred Böhm Copyright © 2002 WILEY-VCH Verlag Berlin GmbH, Berlin ISBN: 3-527-40351-5 I. Einführung Eine allgemeine Festlegung des Begriffs Symmetrie gelingt durch die Forderung nach regelmäßig angeordneten Strukturen. Das bedeutet, daß diese Strukturen nach Ausführung von Operationen, nämlich den Symmetrietransformationen wieder in sich übergehen und deshalb als invariant gelten. Diese Invarianz impliziert umgekehrt eine regelmäßig angeordnete Struktur, so daß die Symmetrien als Ordnungsprinzip der Natur betrachtet werden können. Die Menge der Symmetrietransformationen bzgl. einer festen Struktur bildet eine Gruppe im mathematischen Sinne. Die daraus resultierenden Konsequenzen erlauben eine wesentliche Vereinfachung von physikalischen Problemen. In vielen Fällen gelingt eine qualitative Lösung. Die Einbeziehung von Symmetrieberlegungen alleine ermöglicht eine Entscheidung darüber, ob und in welche Richtung das vorliegende Problem lösbar ist. So kann etwa die Frage nach möglichen Eigenwerten sowie deren relativen Lagen und Entartungen relativ einfach entschieden werden. Demnach verhelfen die gruppentheoretischen Techniken zu einer Antwort auf die Frage nach den Möglichkeiten. Weitere Fragen etwa nach den Wahrscheinlichkeiten bzw. den Intensitäten, womit die möglichen physikalischen Größen auftreten, können jedoch mit Symmetriebetrachtungen alleine nicht geklärt werden. So wird man im obigen Beispiel keine Angaben machen können über die absolute Größe der Eigenwerte sowie über Übergangs Wahrscheinlichkeiten. Hierzu sind quantitative Rechnungen erforderlich, die die Kenntnis von weiteren Parametern - wie Potentiale und Eigenzustände - voraussetzen. Zur bildhaften Demonstration wird ein Dreieck als einfaches geometrisches Beispiel betrachtet. Setzt man die höchste Symmetrie voraus, dann findet man unter anderem drei Spiegelebenen - jeweils durch einen der Eckpunkte und senkrecht zur Mitte der gegenüberliegenden Dreieckseite. Daraus gewinnt man die qualitative Aussage, daß alle drei Seiten gleich lang sind. Korreliert man jeweils eine Dreieckseite mit einem quantenmechanischen Zustand bzw. die Länge mit einem Eigenwert, dann kann man im übertragenen Sinn von einer dreifachen Entartung sprechen, die unmittelbar abzulesen ist. Die absolute Länge einer Seite ist nach diesen Symmetrieüberlegungen nicht zu ermitteln. Dazu sind qualitative Rechnungen notwendig, die einen konkreten Parameter - etwa den Dreieckumfang - benutzen. Eine Erniedrigung der Symmetrie unter Verzicht auf zwei Spiegelebenen impliziert die Aussage darüber, daß nur zwei Seiten gleich lang sind. Demzufolge wird die oben erklärte „Entartung" teilweise aufgehoben. Entsprechend den unterschiedlichen Seitenlängen findet man jetzt im übertragenen Sinn zwei unterschiedliche Zustände, wobei einer einen höheren Eigenwert erwarten läßt und einer zweifach entartet ist. Eine weitere Symmetrieerniedrigung unter Verzicht auf alle drei Spiegelebenen offenbart nur die Identität als einziges Symmetrieelement. Diese Symmetrie kann in jedem beliebigen System beobachtet werden und gilt als triviale Symmetrie. Man findet demnach ein allgemeines Dreieck mit ungleichen Seiten. Die „Entartung" ist hier vollständig aufgehoben. 2 L Einführung Häufig findet man eine Einteilung in Symmetrien geometrischer Art, die etwa auf Kristalle zutreffen, und solche mathematischer Art, die die Naturgesetze zu beschreiben vermögen. Die Symmetrien geometrischer Art, die hier die wesentliche Rolle spielen, verlangen die Invarianz von geometrischen Objekten gegenüber räumlichen Transformationen, wie Verschiebungen, Drehungen und Spiegelungen, die allgemein als Raumbewegungen bezeichnet werden können. Dabei kann der Raum eine beliebige Dimension annehmen. Charakteristisch für diese Transfomationen ist die Änderung der Lage eines Objektes, was unter Beibehaltung der Größe und der Form des Objekts erfolgt. Das bedeutet, daß die Raumbewegung eine abstandstreue Abbildung eines Bereichs des Raumes auf einen anderen Bereich leistet. Eine mathematische Analyse betrachtet die Punkte r eines Bereichs (/) aus dem Raum, der durch die Verteilung p ( r ) charakterisiert ist, sowie die Punkte r' eines anderen Bereichs (//), der durch die Verteilung p(r'} charakterisiert ist. Falls durch eine Raumbewegung a die Punkte r in die Punkte r' abgebildet werden r' = a(r) (1.1) unter der Voraussetzung, daß für alle Punkte r die Verteilung die gleiche bleibt p(r') = p[a(r)]=P(r), (1.2) spricht man von einer Deckoperation. In einem weitergehenden Schritt kann noch die Identität der Bereiche (/) und (//), für die die Punkte r und r' definiert sind, gefordert werden. Dies bedeutet, daß die Punkte ein und dasselbe Objekt darstellen. Demzufolge wird die Raumbewegung a zu einen Symmetrietransformation, bei der die Ausgangslage zur Endlage äquivalent ist. Zu den Symmetriegruppen der geometrischen Symmetrien gehören die Punktgruppen, die Translationsgruppen und die Raumgruppen (Kap. VI und Kap. VII). Die Punktgruppen zeichnen sich dadurch aus, daß mindestens ein Punkt eines betrachteten Objekts nach Anwendung einer Symmetrietransformation auf sich selbst abgebildet wird. Die Translationsgruppen umfassen alle diskreten Verschiebungen. Sie bilden Untergruppen der Raumgruppen, die die Symmetrien von periodischen Objekten beschreiben. Eine Erweiterung dieser geometrischen Symmetrien gelingt durch die Betrachtung von Räumen, die außer von Ortskoordinaten auch noch von weiteren diskreten Variablen aufgespannt werden. Diese neuen Freiheitsgrade, die etwa Farben sein können, charakterisieren die innere Struktur eines Objekts. Betrachtet man etwa nur einen weiteren Freiheitsgrad mit den "Werten" bzw. Farben schwarz und weiß, so kann man eine Antisymmetrie definieren (Kap.IX). Die mathematische Beschreibung verlangt, daß für jeden Punkt r eines Bereichs, der auf einen Punkt r1 desselben Bereichs nach Gleichung (1.1) abgebildet wird, die Verteilung p(r) durch die Raumbewegung a das Vorzeichen ändert p(r') = p[o(r)] - -p(r). (1.3) Das Auftreten der Symmetrien von dynamischen Gesetzen erklärt sich aus der Unfähigkeit, bestimmte Größen oder Eigenschaften eines abgeschlossenen Systems zu beobachten. Als Konsequenz daraus findet man Erhaltungsgrößen, die zur Festlegung von Observablen dienen. Diese Erhaltungsgrößen geben Anlaß zu bestimmten Auswahlregeln, wodurch die physikalisch möglichen Vorgänge eingeschränkt werden. So ist es etwa im dreidimensionalen Raum wegen dessen Invarianz gegenüber einer kontinuierlichen Translation nicht möglich, einen absoluten Ort zu bestimmen. Damit wird z.B. die Wechselwirkungsenergie zweier Teilchen eine Funktion des relativen Abstands der Teilchen. Als Konsequenz daraus ergibt sich die Erhaltung des Gesamtimpulses des durch die beiden Teilchen begründeten abgeschlossenen Systems. Während hier die Homogenität des Raumes eine absolute Ortsbestimmung verhindert, ist es im Fall von kontinuierlichen Drehungen die Isotropie des Raumes, die einer absoluten Richtungsbestimmung im Wege steht. Die Folge ist dann die Erhaltung des Drehimpulses, der als eine Observable gilt. Eine kontinuierliche Translation in der Zeit auf der Grundlage der Homogenität der Zeit führt schließlich zur Erhaltung der Energie. Alle drei Eigenschaften werden zu den äußeren kontinuierlichen Symmetrien gerechnet. Dazu gehören auch die Koordinatentransformationen des relativistischen Abstandsquadrats zweier Weltpunkte der inhomogenen LORENTZ-Gruppe (PoiNCARE-Gruppe). Diese Translationen in Raum und Zeit bilden neben den räumlichen Drehungen die Basis für die spezielle Relativitätstheorie. Daneben gibt es noch äußere diskrete Symmetrien. So lassen etwa die räumlichen und zeitlichen Spiegelungen bzw. die Inversion und Zeitumkehr das relativistische Abstandsquadrat invariant. Im Unterschied zu den kontinuierlichen räumlichen Transformationen findet man bei der Inversion einen multiplikativen Erhaltungssatz, nämlich die Paritätserhaltung, bei der nicht die Summe sondern das Produkt der Eigenwerte erhalten bleibt. Bei der zeitlichen Inversion dagegen gibt es keinen der Parität entsprechenden Eigenwert. Dies ist darin begründet, daß ein betrachteter Zustand wegen der Transformation ins konjugiert Komplexe kein Eigenzustand des Zeitumkehroperators sein kann (Kap. VI. 12). Neben den äußeren Symmetrien kennt man die inneren Symmetrien. Dabei kann man wieder zwischen den diskreten und kontinuierlichen Transformationen unterscheiden. Zu den diskreten inneren Symmetrien gehört etwa die Transformation eines Teilchens in das entsprechende Antiteilchen, die sog. Konjugation (C). Dies impliziert eine nderung aller ladungsartigen (inneren) Quantenzahlen — wie elektrische Ladung, Baryonenzahl, Leptonenzahl etc. — unter Beibehaltung der äußeren Eigenschaften — wie Masse, Impuls, Spin etc. Setzt man voraus, daß alle ladungsartigen Quantenzahlen in der Summe verschwinden, dann kann eine dem Eigenwert des Konjugationsoperators entsprechende Quantenzahlen (±1) definiert werden. Sie ist wie die Quantenzahl der (räumlichen) Parität (P) eine multiplikative Quantenzahl, die bei elektromagnetischer und starker Wechselwirkung erhalten bleibt. Die Einbeziehung der schwachen Wechselwirkung, die die Leptonenquantenzahl bestimmt, verletzt die C-Invarianz und fordert deshalb zusätzlich die Transformation der Inversion zur CP-Invarianz. Unter Berücksichtigung der Zeitumkehr (T) bekommt man nach Ausführung aller drei Symmetrien die CPT-Konjugation. Die Invarianz einer sehr großen Klasse von Theorien gegenüber dieser kombinierten Symmetrie ist die Aussage des sog. CPT-Theorems. Dabei gilt nicht notwendig die Invarianz einer solchen Theorie gegenüber einer einzelnen Transformation P, C oder T. Mit der Invarianz einer Wechselwirkung gegenüber einer der Transformationen P, C oder T bekommt man auch die Invarianz gegenüber dem Produkt der beiden anderen Transformationen. 4 I. Einführung Die kontinuierlichen inneren Symmetrien sind dadurch gekennzeichnet, daß die Transformationen im abstrakten quantenmechanischen Zustandsraum stattfinden (Kap. VI.l). Die Forderung nach Unabhängigkeit einer Teilchenbewegung von der RaumZeit-Welt eröffnet zwei Möglichkeiten der Beschreibung. Einmal gibt es für jeden Satz von Teilchen eine einzige innere Symmetrie (?, die an allen Punkten x der Raum-ZeitWelt Anwendung findet und deshalb als globale Symmetrie bezeichnet wird. Zum anderen ist ein Satz von Teilchen an jedem Punkt x mit einer inneren Symmetrie G(x) verknüpft, die zueinander isomorph sind und als lokale Symmetrien gelten. Die einfachste globale Symmetrie ist die unitäre abelsche Symmetrie U (l) in einer Dimension. Sie enthält die Phasentransformationen von Zuständen mit dem Ladungsoperator als erzeugendes Symmetrieelement (Kap. II.6). Die Invarianz der Zustände gegenüber einer solchen globalen Eichsymmetrie (1. Art) impliziert dann die Erhaltung der Ladung. Eine andere unitäre Symmetrie findet man bei der Einführung des Isospins /. Dabei liegt die Absicht zugrunde, die unterschiedlichen Ladungen von Teilchen einer Klasse - etwa von Proton und Neutron - bei annähernd gleichen Massen zu erklären. Als Konsequenz der dann gültigen SU"(2)-Symmetrie (die die Invarianz des Isospins / garantiert), nehmen solche Teilchen, die Zustände eines nahezu entarteten Multipletts - etwa np-Duplett - ein, deren Unterscheidung lediglich der Eigenwert einer der drei Generatoren der Gruppe - nämlich /s - besorgt. Sie werden demnach durch die dritte Komponente /3 des Isospins gekennzeichnet, was auf der Grundlage der Quarkhypothese in einer charakteristischen Flavourbeteiligung seine Erklärung findet. Wenn dennoch die Vertauschbarkeit mit dem HAMILTON-Operator nicht erfüllt ist und mithin eine Verletzung der Isospininvarianz bei Erhaltung der dritten Komponente beobachtet wird, die die geringe Massendifferenz durch Aufhebung der Entartung zu erklären vermag, so ist dafür die zusätzlich zu berücksichtigende elektromagnetische Wechselwirkung verantwortlich. Falls neben der dritten Komponente des Isospins noch weitere additive Quantenzahlen bei starker Wechselwirkung erhalten bleiben, muß man höhere unitäre Symmetrien berücksichtigen. So wird man etwa unter Einbeziehung der Hyperladung Y (Baryonenzahl + Strangeness) einen zweiten erzeugenden Operator erhalten, der von der SU"(2)-Symmetrie zur Sl/(3)-Symmetrie in drei Dimensionen führt. Nach Hinzunahme der Charm gelingt schließlich eine Erweiterung zur SU"(4)-Symmetrie. Die weitergehende Forderung nach Invarianz eines physikalischen Gesetzes gegenüber lokalen Transformationen kann nur durch die Einführung neuer Felder erfüllt werden. Diese sogenannten Eichfelder sind dann für die Wechselwirkung mit den Materiefeldern verantwortlich. Im einfachsten Fall der lokalen U(l)-Symmetrie eines freien Teilchens verlangt die Forderung nach lokaler Phaseninvarianz ein Eichfeld, das ebenfalls einer lokalen Transformation, d.h. mit einem ort s abhängigen Eichparameter ausgestatteten Eichtransformation unterworfen wird und so das Teilchen mitführt. Dieses Eichfeld ist das bekannte elektromagnetische Feld, dessen Quantisierung die masselosen, neutralen Photonen als Eichbosonen liefert. Die Ankopplung der elektromagnetischen Eichfelder an das Materiefeld kennzeichnet die Eichsymmetrie als eine dynamische Symmetrie. Mit Hilfe der lokalen Eichsymmetrie (2. Art) gelingt dann eine grundlegende Beschreibung der Wechselwirkungen. Dabei ist zu beachten, daß im Fall von nicht ab eis chen Gruppen eine Selbstwechsel- Wirkung zwischen den Eichfeldern bzw. deren Eichbosonen zu erwarten ist. So kann die Vereinigung von schwacher und elektromagnetischer Wechselwirkung, nämlich das Standardmodell für elektro-schwache Wechselwirkung auf der Grundlage eines direkten Produkts der Gruppen SU(2) und U (l) im Sinne der Eichtheorie erreicht werden. Zur Vervollständigung der Theorie müssen noch endliche Massen sowohl für die Fermionen wie für die Eichbosonen gefordert werden. Diese Forderung kann nur durch eine spontane Symmetriebrechung erfüllt werden. Das Verständnis davon wird erleichtert, wenn man an die spontane Symmetriebrechung 1. Art bei anderen Gruppen erinnert, wie sie etwa beim Festkörper durch Verletzung der Translation- oder Rotationssymmetrie bekannt ist. Dort beobachtet man als Konsequenz das Auftreten von elementaren Anregungen, deren Feldquanten - wie etwa die Quasiteilchen Phononen - jedoch keine Masse besitzen. Erst eine lokale Symmetriebrechung (2. Art) durch Einführung zusätzlicher Eichfelder wird die Erzeugung endlicher Massen ermöglichen. Die Grundlage zur Beschreibung der starken Wechselwirkung bildet die Quantenchromodynamik als eine dynamische Theorie der Wechselwirkung zwischen den Quarks. Sie kann als konsequente Weiterentwicklung der Quantenelektrodynamik betrachtet werden, wenn man das Prinzip der lokalen Eichinvarianz im Rahmen von Symmetrieüberlegungen in den Mittelpunkt rückt. Beide Theorien erheben die Forderung nach Erhaltung der Ladung, wenngleich im einen Fall die elektrische Ladung gemeint ist, im anderen Fall die Farbladung, die sich in drei verschiedene Beiträge (rot, grün, blau) aufteilen läßt. Ausgehend von der Voraussetzung, daß die Farbladungen für die starke Wechselwirkung verantwortlich sind und als Quelle der die Wechselwirkung vermittelnden Eichfelder wirken, wird man die 5l7(3)-Symmetrie (c: colour) als Eichsymmetrie wählen, die nicht mit der SU(3)-Symmetrie (f: flavour) bei drei Flavour-Freiheitsgraden zu verwechseln ist. Während im einen Fall das elektromagnetische Feld (bzw. die Photonen) das Eichfeld (bzw. die Eichquanten) darstellen, erwartet man bei der Quantenchromodynamik gemäß den acht erzeugenden Elementen auch acht verschiedene Eichfelder. Die entsprechenden Eichquanten, die als Gluonen bekannt sind, tragen eine Farbladung, jedoch keine elektrische Ladung. Im Gegensatz zur abelschen Symmetrie der Quantenelektrodynamik wird hier die Farbladung, bei der Wechselwirkung geändert, woraus eine Selbstwechselwirkung der Gluonen resultiert. Abschließend sei darauf hingewiesen, daß eine Verallgemeinerung des Symmetriebegriffs mit Hilfe der sogenannten Super Symmetrie erreicht werden kann. Das Ziel der Überlegungen dort ist die Vereinigung von völlig unterschiedlichen Systemen. Ein Beispiel dafür ist das System der Bosonen und der Fermionen mit ihren gegensätzlichen Eigenschaften. Im Ergebnis liefert die Supersymmetrie entartete Multipletts - ähnlich der Sl/(2)- bzw. der Sl/(3)-Symmetrie (s.o.) - wonach eine neue Sorte von Teilchen erwartet wird. Als Fernziel schließlich gilt die Vereinigung der Quantenfeldtheorie mit der Gravitationstheorie. Symmetrien in Festkörpern: Gruppentheoretische Grundlagen und Anwendungen. Manfred Böhm Copyright © 2002 WILEY-VCH Verlag Berlin GmbH, Berlin ISBN: 3-527-40351-5 II. Gruppen Die Symmetrieeigenschaften und die damit verbundenen Transformationen können als Elemente einer mathematischen Gruppe aufgefaßt werden. Dort wird eine Verknüpfung durch die zeitliche Aufeinanderfolge einer Anwendung festgelegt. Die Beschäftigung mit den Eigenschaften einer Gruppe gilt deshalb als notwendige Voraussetzung zum Umgang mit den Symmetrieelementen und zum Verständnis der sich daraus ergebenden Folgen. Dabei beschränkt sich die Diskussion im wesentlichen auf Gruppen mit endlich vielen Elementen, die im Festkörper eine entscheidende Rolle spielen. II. l Elemente und Verknüpfungen Eine Anzahl von Elementen a, 6, c,..., für die eine als Multiplikation bezeichnete Verknüpfung (o) definiert ist, bilden eine abstrakte Gruppe Q', falls die folgenden Bedingungen erfüllt sind: a. Es gibt für jedes Paar von Elementen a, 6 genau ein Element c G Q mit c = aob. (Il.la) b. Es gilt das Assoziativgesetz (a o 6) o c = a o (6 o c). (II.l b) c. Es gibt genau ein Einselement (Identität) e mit aoe = eoa = a Va G £/• (II.l c) d. Es gibt zu jedem Element a G Q ein inverses Element a"1 mit a o a"1 = a"1 o a — e. (II.l d) Bei Verletzung der Forderung (II.l d) spricht man von einer Halbgruppe. Beispiele sind: a) die triviale Gruppe mit der Identität e als einziges Element Q — {e}. b) die Gruppe Q = {e, a} (a bei.). c) die Vektoren im n-dimensionalen Vektorraum mit der Addition als Verknüpfung. d ) S = { e = l , n | n E R\0} mit der Multiplikation als Verknüpfung. e) Q = {e = 0, n \ n £ M} mit der Addition als Verknüpfung. 8 II Gruppen f) Die Menge H — {n\n £ IN} mit der Multiplikation als Verknüpfung bildet nur eine Halbgruppe. Ein weiteres Beispiel benutzt die Symmetrie eines Systems im euklidischen Raum R 2 . Dabei werden jene Symmetrietransformationen betrachtet, die das System in identische Lagen versetzt unter Garantie der Invarianz des Abstands zwischen zwei Punkten sowie des Winkels zwischen zwei Richtungen. Bei einem Quadrat findet man die Elemente (Kap. VII) {e,c 4 ,c 2 ,C4, crv, crj,, crd, a'd} die die Gruppe C4v bilden. Dabei bedeuten (Fig. II.l) cn: Drehung um 2w/n (entgegen dem Uhrzeigersinn), crv^'- Spiegelungen an Ebenen, die die Drehachse enthalten. Die Verknüpfungen von Symmetrieelementen bzw. Transformationen durch eine zeitlich nachfolgende Ausführung ergibt nach (II.l a) die Multiplikationstafel (Tab. II.l). Fig. II.l: Quadrat mit C4v-Punktsymmetrie; c4 : vierzählige Drehung um die ^-Achse, crv,crd : Spiegelungen an vertikalen und diagonalen Ebenen, die die Drehachse einschließen (Kap. VII). Falls außer den Bedingungen (II.l a-c) noch das Kommutativgesetz erfüllt ist aob=boa Va, b G ö, (Il.le) liegt eine abelsche Gruppe vor. Als Konsequenz daraus findet man die Multiplikationstafel symmetrisch zur Haupt diagonale. Tab. II.l: Multiplikationstafel c = aob mit der aufeinanderfolgenden Ausführung von Symmetrietransformationen als Verknüpfung. Punktgruppe Q : C4v des Quadrats (Kap. VII). a\6 e e C4 C4 et et C4 C2 et C4 C2 C\ et e e c4 C4 €2 C4 C4 C4 C\ C\ C4 e c2 Co € II.l Elemente und Verknüpfungen 9 Beispiele sind etwa die Gruppe C4 = {e, c4, c2, c4} oder C^ = {e, av} bzw. C^ = {e, o~d}. In der Multiplikationstafel einer Gruppe, die die Verknüpfung von zwei Elementen auflistet, kommt in jeder Zeile und Spalte jedes Element genau einmal vor (,,rearrangement-tiieorem"— Tab. II.l). Als Ordnung (ord G) einer endlichen Gruppe Q ist die Anzahl g der Elemente in der Gruppe festgelegt. Daneben versteht man unter der Ordnung (ord a) eines Symmetrieelements a die Zahl n der faktoriellen Anwendung des Elements, die die Identität ergibt. Sie ist auch als Zähligkeit der Operation bekannt. Im Beispiel der Symmetriegruppe C4u Quadrats (s.o.) rindet man ord C4v=8 und ord c4=4, ord o1,,=2. Eine bedeutende Rolle spielt die Untergruppe. Sie ist jede nicht leere Teilmenge K der Gruppe (/, deren Elemente die Bedingungen (II.l a-II.l d) für eine Gruppe mit der gleichen Verknüpfung erfüllen ncg. (11.2) Danach hat jede Gruppe wenigstens zwei Untergruppen, nämlich das Einselement und die Gruppe selbst, die als uneigentliche Untergruppen zur Unterscheidung von der eigentlichen Untergruppe bezeichnet werden. Untergruppen der Punktgruppe C4v sind (Fig. II.2) Kc, Fig. II.2: Schematische Darstellung der Gruppe C4v mit der Aufteilung in Klassen Kai, Da die Untergruppen erneut eine Gruppe bildet, muß die Menge ihrer Elemente eine abgeschlossene Anordnung sein; sie kann direkt von der Multiplikationstafel abgelesen werden (Tab. II.l).