Sexuelle Kommunikation: Wie die Sexualform One Night Stand aus

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Sexuelle Kommunikation: Wie die Sexualform One Night Stand aus
weiblicher Sicht erlebt wird
Bearbeitet von
Christine Kailing
1. Auflage 2015. Taschenbuch. 116 S. Paperback
ISBN 978 3 95934 594 1
Format (B x L): 15,5 x 22 cm
Weitere Fachgebiete > Psychologie > Sozialpsychologie > Sexualpsychologie
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Leseprobe
Textprobe
Kapitel 2.2, Weshalb wird frau (one night) intim?
Die Frage, weshalb sich eine junge Frau für einen ONS entscheidet, welche Erwartungen sie
daran stellt, welche dahinterliegenden Motive sie zu der Entscheidung bringen, mit einem anderen
Menschen eine Nacht zu verbringen und mit ihm sexuell zu kommunizieren, lässt sich
wissenschaftlich so einfach nicht beantworten. Zunächst muss die zugrundeliegende Frage
gestellt werden: Weshalb kommt es zwischen zwei Individuen zur einmaligen sexuellen
Interaktion, und noch essentieller: Weshalb werden Individuen generell in unserer Gesellschaft
sexuell aktiv?
2.2.1, Sexualität
Erotik, Sex, Liebe, das Sexuelle, und nicht zuletzt die Sexualität selbst sind Begriffe und
Konzepte, die im Alltags-, aber auch im wissenschaftlichen Sprachgebrauch, viele ähnliche, aber
auch teils unterschiedliche Bedeutungen besitzen.
Allein schon wegen der thematischen Nähe zu dem Untersuchungsgegenstand des ONS aus
weiblicher Sicht, bietet sich der Begriff Sexualität in dieser Arbeit an, als Oberbegriff zu fungieren
und einer näheren Betrachtung unterzogen zu werden. Zudem macht die folgende
Begriffseingrenzung auf ein generelles Problem aufmerksam, dass sich einstellt, wenn man sich
näher mit dem Themenkomplex der Sexualität beschäftigt: Es gibt bis heute keine grundlegende
Sexualtheorie, auf die sich die Sexualwissenschaft und alle angrenzenden Wissenschaften
ausschließlich beziehen. Um die Komplexität des Sexualitätsbegriffs zu verdeutlichen, wird er im
Folgenden zunächst anhand dreier, von Dressler und Zink (2003) eingeführten GrundDimensionen ausschnittsweise vorgestellt
Wie in Tab. 4 verdeutlicht, kann der Begriff Sexualität in drei Dimensionen grob unterteilt werden:
die a) somatische/natürliche, die b) psychische und die c) soziokulturelle. Die einzelnen
Dimensionen sind hierbei oft miteinander verquickt und somit nicht klar voneinander abzugrenzen
(vgl. Dressler & Zink, 2003, S. 485f.).
a) Das natürliche Moment der Sexualität
Der Begriff Sexualität wurde erstmals durch die Botaniker August Henschel und Franz Schelver
(1820) in dem Buch Von der Sexualität der Pflanzen eingeführt. Sie benutzten ihn, um die
Geschlechtlichkeit und Fortpflanzung von Pflanzen zu beschreiben (vgl. Henschel & Schelver,
1820). Diese Beschreibung wurde dann im Laufe des Jahrhunderts auf die menschliche
Zweigeschlechtlichkeit übertragen. So entwarf Charles Darwin im Jahr 1838 die Evolutionstheorie,
laut der die menschliche Sexualität, nicht anders als die tierische, der geschlechtlichen
Fortpflanzung diene (vgl. Meston & Buss, 2010, S. 17).
Durch die introspektive Psychologie wurde die Sexualität Ende des 19. Jahrhunderts als triebhafte
Erscheinung beschrieben, die sich gewissermaßen bewusst dämpfen oder hemmen lasse, im
Wesentlichen aber ein unbewusstes, biologisches Phänomen sei. Damit wurde die Sexualität
ausschließlich auf das Feld der Biologie gelegt (vgl. Buda, 1977, S. 20)
Der Biologe und Sexualforscher Alfred C. Kinsey (1955) definierte Sexualität lediglich als „jedes
Verhalten […], das in einen Orgasmus mündet“ (Kinsey, 1955, zitiert nach Lautmann, 2002, S. 23)
- eine wahrlich biologisch-medizinische Operationalisierung des Sexualitätsbegriffs, der das
psychische, sowie das soziale Moment unberücksichtigt lässt
Die biologische Dimension als maßgeblichen Wirkmechanismus für das menschliche
Sexualverhalten betrachtend, jedoch die psychosozialen Aspekte einbeziehend, schlugen
Masters, Johnson und Kolodny 1982 vorsichtig vor, „unter Sexualität vielleicht doch eher den
persönlichen Spielraum, die persönliche Bandbreite individueller Verwirklichungsmöglichkeiten
[zu] begreifen als das rein körperliche erotisch-sexuelle Reaktionsvermögen eines Menschen“
(Masters, Johnson & Kolodny, 1993, S. 9)
b) Das individuell-psychische Moment der Sexualität
Für den Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud war Sexualität ein essentieller Begriff
seiner bis heute einflussreichen Triebtheorie. Auf den Lebenstrieb (Eros) seien, zusammen mit
dem von Freud später eingeführten Todestrieb (Thanatos), alle Beweggründe menschlichen, aber
auch tierischen Handelns zurückzuführen. Eine konstruktive Energie, ein seelisch-körperlicher
Antrieb, der nicht vom Willen gelenkt erlebt wird, ein „dem belebten Organischen innewohnende[r]
Drang zur Wiederherstellung eines früheren Zustandes“ (Lohmann, 2002, S. 52) - all diese
Triebzuschreibungen werden durch die Sexualität repräsentiert. Zudem entwickelt sich der
Sexualtrieb, welcher individuell in biographischen Stufen abläuft und sich im Laufe der
psychosexuellen Entwicklung individuell ausprägt- an dieser Stelle wird das individuell-psychische
Merkmal des Sexualitätsbegriffs deutlich (vgl. Dressler & Zink, 2003, S. 497).
Buda (1977) bezog den Sexualitätsbegriff auf „sämtliche Erscheinungen, die mit der Befruchtung
beziehungsweise mit dem Kontakt der Geschlechtsorgane in Zusammenhang stehen. Der
Zusammenhang kann auch ein ferner sein; es kann jedes Phänomen zur Sexualität hinzugehören,
das mit der Reizung oder mit der Reizbarkeit der Geschlechtsorgane beziehungsweise mit der
Beziehung der Individuen beider Geschlechter zusammenhängt“ (Buda, 1977, S. 48). Diese
Definition verwies schon damals auf die Flexibilität der Triebobjekte und stellte die Beziehung
zwischen den Individuen heraus. Dass sich die von Buda definierte Sexualität nur durch die
Zweigeschlechtlichkeit bildete, ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass die Homosexualität
zu dieser Zeit noch zu den Aberrationen gehörte (vgl. ebd., S. 75)
c) Das sozial-erworbene Moment der Sexualität
Zu einer differenzierten, das soziale Merkmal der Sexualität hervorhebenden Definition gelangt
der Soziologe Rüdiger Lautmann (2002)
Sexualität ist eine kommunikative Beziehung, bei der Akteure Gefühle erleben, die eine genitale
Lust zum Zentrum haben, ohne sich darauf zu beschränken. Für das sexuelle Erleben ist ein
Orgasmus weder notwendige noch hinreichende Bedingung und extragenital festgemachte
Emotionen gehören dazu (Lautmann, 2002, S. 24). Der Psychologe und Psychotherapeut Peter
Fiedler (2010) betont zudem, im Gegensatz zur tierischen Sexualität, die soziale Funktion der
menschlichen Sexualität: „Wohl im Unterschied zu anderen Säugetieren dient die Sexualität dem
Menschen vorrangig zur Entspannung und der intimen Erholung in der Partnerschaft“ (Fiedler,
2010, S. 130–131)
Als letztes Beispiel für die unterschiedliche Gewichtung der drei Definitionsmerkmale des
Sexualitätsbegriffs soll die radikale sozialkonstruktivistische, bzw. postmoderne (in den Gender
Studies heute vor allem durch die Queer Theory vertretene) Sichtweise angeführt werden, die der
Sexualität das natürliche Moment vollkommen entzieht und sogar von einer Inszenierung der
Zweigeschlechtlichkeit ausgeht. Hier wird die Sexualität als Produkt historischer und kultureller
Bedingungen, als ein soziokulturelles Konstrukt angesehen (vgl. Bamler, 2008, S. 44–47). Diese
Sichtweise vertrat schon in den 1980er Jahren der Begründer der Diskursanalyse Michel Foucault
(1977), der den sozialen Konstrukt-Gedanken hervorhebt und die Sexualität als eine
gesellschaftlich geschaffene Symbolwelt versteht (vgl. Foucault, 1977; Giddens, 1993, S. 91)
Anhand der soeben aufgeführten, teils unterschiedlichsten Definitionen des Sexualitätsbegriffs
können, wie in Tab. 5 verdeutlicht, die einzelnen Wissenschaften mit den dazugehörigen
Vertretern den drei Hauptdimensionen der Sexualität zugeordnet werden
2.2.2, Sexualtheorien und Konzepte
Im Folgenden sollen drei Sexualtheorien vorgestellt werden, deren theoretischer Blickwinkel sich
an jeweils einer der genannten drei Dimensionen orientiert. Dieses Vorgehen wurde gewählt, um
auf die große Varianz der derzeit aktuellen Theoriestränge und der dazugehörigen, sehr
unterschiedlichen Deutungsversuche für die menschliche Sexualität hinzuweisen. Zudem wird zu
jeder vorgestellten Sexualtheorie Bezug auf die Frage genommen: Weshalb wird frau one night
intim?
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