persönlichen Brief von AfD NRW

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Stand: 07.01.2015
persönlichen Brief von AfD NRW-Landessprecher und MdEP Marcus Pretzell:
Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
seitdem sich in Dresden erstmals Menschen versammelten, um gegen den Allmachtanspruch extremistischer Gruppen des Islam zu demonstrieren, bewegt das Thema die Öffentlichkeit. In der Politik wird darüber diskutiert, ob man in den Dialog mit den Demonstranten treten oder sie als diskussionsunwürdig beiseitelassen soll. In der politischen Praxis
laufen beide Positionen auf dasselbe Ergebnis hinaus: Es wird zwar viel über Pegida, nicht
aber mit den Demonstranten gesprochen. Das politische Establishment verweigert sich
der Diskussion.
Dieses Verhalten wird von Politik, Presse und Kirchen durch die Verortung der Demonstranten in der Nähe des Rechtsextremismus gerechtfertigt. Forderungen die nicht in dieses
Bild passen - etwa bessere Betreuung für Flüchtlinge, sexuelle Selbstbestimmung und
Ablehnung aller Extremismen oder die bislang friedlich verlaufenden Demonstrationen werden konsequent ignoriert. Es wird nicht einmal vor der obrigkeitlichen Aussage zurückgeschreckt, die Demonstranten hätten keine Berechtigung „Wir sind das Volk“ zu rufen.
Das Rufen der Stimmen, dessen Anlass jedoch nicht Ursache die Islamisierung ist, soll
nicht gehört werden.
Tatsächlich glaube ich, dass in dem Protest der überwältigenden Mehrheit der Demonstranten ein zutiefst demokratisches Moment zum Tragen kommt. Wer „Wir sind das Volk“
ruft, der fordert von seinem Gegenüber, auf ihn zu blicken und sein Denken und Fühlen
ernst zu nehmen. Er sagt damit aber auch, dass seine Meinung Teil des politischen Diskurses sein muss. Über die Thematik der Islamisierung hinaus fordern die Demonstranten
eine Repräsentation ihrer Interessen in der Politik. In der politischen Praxis ist jedoch nur
ein Bruchteil der in der deutschen Gesellschaft vorhandenen Interessen repräsentiert.
Während Konsens und umfassende Teilhabe aller Gruppen bei der Gründung der Bundesrepublik als Ideale galten, führen heute Partikularinteressen die regierende Hand des Politikers.
Dabei ist PEGIDA eine spezielle Ausprägung der Auflehnung ungehörter Bürger gegen
einen Staat, dessen Organisation von politischen Entscheidungen die Mehrheit aussperrt.
Er tut dies mit einer absoluten Selbstverständlichkeit. Eine Ursache dafür liegt auch im
dominanten Bürgerbild der etablierten Politik. Sie sieht in der heimischen Bevölkerung eine reaktionäre Masse, welche es durch staatliche Maßnahmen umzuerziehen gilt. Durch
die Verneinung jeder gesellschaftlichen Identität, Entwertung der Familie, vermeintlich
gendergerechte Sprache, sexuelles Mainstreaming von Grundschulkindern und einer nicht
enden wollenden Flut von staatlichen Bevormundungsmaßnahmen zeigt die Politik ihre
Sicht auf die Bürger. Nun verlangen Demonstrationsteilnehmer die Wiederaufnahme des
Gesprächs und eine Berücksichtigung ihrer Meinung. Allerdings wird das nicht geschehen.
Waren die Parteien einst als Interessensvertretungen der Bürger in der Politik gedacht,
haben sie inzwischen den Kontakt zu den Bürgern abgebrochen und diskutieren nur noch
mit ausgewählten Interessensgruppen. Der Bürger wird verwaltet aber nicht regiert. In der
gegenwärtigen Organisationsstruktur politischer Entscheidungen spielt die öffentliche Meinung nur insofern eine Rolle, als dass es sie auszusitzen und im richtigen Moment auszunutzen gilt. Solange sich Bürgerbewegungen nur thematisch ausrichten, wird die Politik
diese – direkt oder indirekt – diffamieren und abwarten, bis sich der Protest verläuft. Dann
kann sie wieder ungestört Partikularinteressen bedienen.
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Infolge der Orientierung an Partikularinteressen werden zum Vorteil Weniger die Lasten
zunehmend auf die Bevölkerungsmehrheit abgewälzt. Da sich die Politik das Recht herausnimmt selbst zu bestimmen, wer des Dialogs würdig ist, verliert sie die Volksbindung.
So ist es denn auch erklärlich, wie die EU-Mitgliedsstaaten mit exorbitanten Summen
Banken retteten und die Risiken auf die Steuerzahler abwälzten. Heute schlummern riesige Verpflichtungen in den Verträgen zur Euro-Stabilisierung. Es handelt sich dabei um
Summen, welche nur durch eine Neuverschuldung Deutschland von bisher nicht gekanntem Ausmaß zu bedienen wären. Selbst Deutschland kann diese Summen nicht stemmen.
Zu diesem Wahnsinn kam es, da die etablierte Politik immer nur die Stimmen derer angehört hat, welche ihr ebendies einredeten. Wäre man stattdessen bereit gewesen auf Volkes Stimme zu hören und die realen Sachverhalte anzuerkennen, so hätte man gesehen,
dass es für eine Übertragung privatwirtschaftlicher Verluste auf die Allgemeinheit in diesem Fall keine Mehrheit gibt; von der Tatsache, dass solches Verhalten schon moralisch
abzulehnen wäre, ganz zu schweigen. Es existiert in der heutigen Politik jedoch eine
grundlegende Fehlorganisation von Entscheidungen. Hiergegen wandten sich bereits die
Anhänger der Occupy-Bewegung, welche ab Mitte 2011 das Weltfinanzsystem und die
resultierenden Ungerechtigkeiten anprangerten. Obwohl die meisten OccupyDemonstranten eine andere politische Heimat als ich haben, sind ihre Interessen nicht
weniger legitim. Ihren Wunsch, politisch Gehör zu finden, unterstütze ich voll und ganz.
Damit dies aber der Fall sein kann, müssen in der politischen Entscheidungsfindung alle
Interessengruppen vertreten sein.
Von dieser Repräsentation sind wir heute vergleichsweise weit entfernt. Politik wird nicht
mit Blick auf die über 80 Millionen Deutsche oder 500 Millionen EU-Bürgern gemacht. Sie
folgt dem Prinzip volkswirtschaftliche Gewinne zu privatisieren, während Verluste sozialisiert werden. Im Hinblick auf das Freihandelsabkommen TTIP ist die Politik bereit für die
Möglichkeit eines marginal erhöhten Wirtschaftswachstums Verbraucherschutzprinzipien,
den Rechtsstaat und den Standort Deutschland zu entwerten. Es ist vollkommen verständlich, dass eine bürgerferne Asylpolitik, die Einführung planwirtschaftlicher Elemente in der
EU, die Auflösung der Verbindung von Risiko und Haftung und eine staatliche Bevormundung die Bürger auf die Straße treiben. Genauso wie es bereits zu erleben war und ist,
werden die negativen Folgen des scheinbaren Freihandelsabkommens TTIP die Bürger zu
Demonstrationen treiben.
Nicht weniger Protestpotential steckt im deutschen Steuersystem, welches vollkommen
losgelöst von der tatsächlichen Leistungsfähigkeit Gelder einfordert beziehungsweise nicht
einfordert. Genauso wie Einwanderungspolitik und Euro-Rettungspolitik bürgerverneinend
sind, ergeben sich die Zustände in anderen Bereichen aus einer Diskussionsunfähigkeit
der gegenwärtigen Politik.
So sehr sich die einzelnen Bürgerbewegungen in ihren spezifischen Zielen unterscheiden,
so sehr prangern sie alle gemeinsam ein konkretes Defizit politischer Entscheidungsfindung an. Dabei befinden wir uns meines Erachtens erst am Anfang einer Entwicklung, in
der Bürger aus unterschiedlichsten Gründen aufbegehren. Die Politik hat verlernt den Bürgern zuzuhören, ihre Wünsche ernst zu nehmen, sie zu bejahen und mit ihnen in ein Gespräch einzutreten. Sie kann sich das nach wie vor leisten, da die einzelnen Bürgerbewegungen so stark auf ihre spezifischen Ziele fokussiert sind, dass sich die Politik im Ganzen
nicht ändern muss.
Sie profitiert sogar davon, dass sich die verschiedenen Bewegungen als Gegner wahrnehmen. Wie im Falle PEGIDA kann sie so einen Teil der aktiven Bürger mobilisieren, um
gegen die spezifischen Ziele eines anderen Teils zu agieren. Dabei wird im gleichen Zug
die dahinterstehende Forderung nach einer Änderung der Organisation politischer Entscheidungen beiseitegeschoben. Letztlich schafft es die Politik damit zu verhindern, dass
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eine tatsächliche Diskussion stattfindet. Es gibt heute keine öffentliche Diskussion über die
Organisation von Asyl. Ebenso wenig gab es eine öffentliche Diskussion über die Rettungsprogramme der Finanzkrise. Auch wird es mit Sicherheit keine Diskussion über TTIP
geben. Hier finden die Verhandlungen geheim statt und der Grund dafür wird offen benannt: Es wäre für den aus Sicht der Regierungen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen gefährlich, wenn die Öffentlichkeit in den Entscheidungsfindungsprozess einbezogen würde. Es ist diesem Establishment also nicht im Geringsten unangenehm, die Bürger
öffentlich als Gefahr zu bezeichnen.
Was also den Demonstranten fehlt ist die Einsicht, dass das eigentliche Problem nicht die
Banken- und Eurorettung, die Asyl- und Zuwanderungspolitik, das Gendermainstreaming,
TTIP oder andere Aufregerthemen sind, sondern die Art und Weise, wie Politik organisiert
ist und wie damit die Teilhabe einer überwältigenden Bevölkerungsmehrheit auf höchst
effektive Weise ausgeschaltet wird. Die aus gänzlich unterschiedlichen Lagern stammenden Bürger mögen unterschiedliche Gründe für ihre Unzufriedenheit und Ziele haben, der
Ursprung ist derselbe. Deshalb wäre der erste und logische Schritt keine Demonstration
für oder gegen ein Partikularinteresse sondern eine grundlegende Reform der Demokratie
in Deutschland und Europa.
Wenn diese Erkenntnis reift, werden die Demonstranten aus Sicht der etablierten Parteien
eine tatsächliche Gefahr. Sie zeigen aktiv auf die fehlende Diskussionsfähigkeit der Politik
und die Verneinung des Volkes. In diesem Sinne bleibt mir nur zu sagen: Werdet gefährlich für die diskussionsunfähige Politik der etablierten Parteien. Geht auf die Straße, nicht
gegen Islamisierung, nicht gegen Bankenrettung, nicht gegen Gendermainstreaming, sondern gegen die Ignoranz der politischen Insolvenzverwalter dieses ehemals wundervollen
Landes; gegen die Preisgabe aller Werte, die einst unseren Staat und unsere Gesellschaft
ausgemacht haben, gegen die Entkernung all dessen, was einst das Leben in dem, was
man früher Gemeinschaft nannte, erstrebenswert machte; gegen die Preisgabe dessen
was man gemeinhin unsere christlich, humanistisch und aufklärerisch geprägte Kultur
nannte, die die Grundlage für unsere liberale Gesellschaft bildete. Demonstrieren Sie also
für all das, was dieser Gesellschaft wieder Charakter und Menschlichkeit geben muss,
wenn dieses Land eine Zukunft haben soll.
Ihr
Marcus Pretzell
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