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zum Thema
Somatisierungsstörungen
Autor: Filip Esau
1. Was sind Somatisierungsstörungen?
Der Begriff „Soma“ lässt sich auf das Altgriechische zurückführen und bedeutet so viel wie Körper. Körperliche
Beschwerden können Einem das Leben manchmal schwer machen. Seien es Rückenschmerzen,
Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Verdauungsbeschwerden oder andere Symptome. Häufig hilft dann ein
Besuch beim Haus- oder Facharzt. Doch manchmal stoßen Ärzte an ihre Grenzen und selbst nach genauer
Untersuchung können keine körperlichen Auslöser für die doch so realen Beschwerden gefunden werden. Ist
dies der Fall, ist es häufig nicht der Körper sondern der Geist, der leidet. Seit den 1980er Jahren wird diese
Problematik unter dem Begriff der Somatisierungsstörung zusammengefasst und ist somit ein noch sehr junger
Begriff in der klinischen Psychologie. Es handelt sich dabei um eine große Gruppe von unterschiedlichen
Beschwerden, die heutzutage in jeder Kultur anzufinden sind. Im Vordergrund stehen jeweils medizinisch
unklare Symptome. Früher eher belächelt, rückt das Interesse zu diesem Thema heute mehr in den Fokus von
Forschungsgruppen, was es Psychiatern und Psychotherapeuten ermöglicht, Diagnosen und Behandlungen auf
Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse durchzuführen.
2. Wie häufig sind Somatisierungsstörungen?
Somatisierungsstörungen gehören neben der Depression und der Angststörung zu den häufigsten psychischen
Erkrankungen. Nach dem neusten Stand der Forschung leidet jeder 6. Mensch mindesten einmal in seinem
Leben an einer Somatisierungsstörung. Frauen sind davon beinahe doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Schätzungen gehen auch davon aus, dass ca. jeder 5. Arztbesuch aufgrund einer medizinisch unklaren
Symptomatik erfolgt. Dies ist auch ein Grund dafür, dass die Problematik häufig erst spät erkannt wird.
3. Welche Formen der Somatisierungsstörungen werden unterschieden?
Wie bereits erwähnt besteht die Gruppe der Somatisierungsstörungen aus vielen unterschiedlichen
Symptomen und kann bei jedem Menschen anders zum Ausdruck kommen. Zur Gliederung werden heute zwei
große Gruppen unterschieden, die im Folgenden aufgezählt und dann weiter beschrieben werden:
1) Polysymptomatische Störungen
2) Monosymptomatische Störungen
Polysymptomatische Störungen
Der Begriff „poly“ lässt sich ebenfalls auf das Altgriechische zurückführen und bedeutet „viel, viele oder
mehrere“. Demzufolge besteht diese Gruppe aus vielen unterschiedlichen und häufig auch wechselnden
Symptomen. So ist es beispielweise möglich, dass ein Patient längere Zeit über starke Rückenschmerzen klagt,
vom Arzt jedoch keine körperliche Ursache für diese Schmerzen gefunden werden kann. Nach einiger Zeit
werden die Rückenschmerzen dann zwar besser, dafür treten dann aber Kopf- und Gliederschmerzen auf.
Nachdem der Patient wieder bei einem oder mehreren Ärzten vorstellig war und unter Umständen eine
geringe Schmerzmedikation erhalten hat, treten nun aber wieder andere Beschwerden auf. Wenn dieser
Wechsel von mindestens 6 Symptomen in Zusammenhang mit andauerndem Leiden und mehrfachen
Arztbesuchen über zwei Jahre aufrecht erhalten wurde, spricht man von einer Somatisierungsstörung. Der
Begriff „Somatisierungsstörung“ stellt somit, auch eine eigenständige Diagnose dar, die den
polysymptomatischen Störungen zugeordnet werden kann.
Manchmal kann es auch sein, dass Patienten zwar zahlreiche, verschiedene und häufig wechselnde Symptome
aufweisen, allerdings aus diagnostischer Sicht die Kriterien einer typischen Somatisierungsstörung nicht
erfüllen. Dies kann unter anderem geschehen, wenn nur von 4 wechselnden Symptomen berichtet wird oder
die Symptomatik nur über den Zeitraum von einem Jahr aufgetreten ist. Dann spricht man von
undifferenzierten somatoformen Störung. Diese Unterscheidung bedeutet nicht, dass man diese Diagnose
weniger ernst nehmen sollte. Dies gilt auch für die somatoforme autonome Funktionsstörung, die eine
besondere Form der polysymptomatischen Störung darstellt. Patienten mit dieser Störung berichten häufig
von Problematiken, die medizinisch gesehen Symptome für körperliche Erregung darstellen. Dazu gehören
Beschwerden des Herz-Kreislaufsystems, des Verdauungstraktes, der Atmung und der Ausscheidungsorgane.
So kann es sein, dass ein Patient beim Arzt, aufgrund von häufigen Schweißausbrüchen,
Errötungserscheinungen und starker Ermüdbarkeit bei leichter Anstrengung vorstellig wird, aber trotzdem
keine organischen Ursachen (in diesem Beispiel im Herz-Kreislaufsystem) gefunden werden können.
Monosymptomatische Störungen
Im Gegensatz zu den polysymptomatischen Störungen steht bei den monosymptomatischen Störungen (mono
vom altgriechischen „allein“, „einzeln“) nur ein Symptom im Vordergrund. Der bekannteste Vertreter dieser
Form ist die anhaltende Schmerzstörung. Bei dieser Störung darf beispielsweise der, vom Patienten
beschriebener, anhaltender und quälender Rückenschmerz nicht durch tatsächlich vorliegende orthopädische
oder anderweitige Problematiken erklärbar sein. Zusätzlich müssen aber auch psychische Belastungen und
emotionale Konflikte auftreten. Sind die daraus resultierenden Belastungen (z.B. durch berufliche und private
Einschränkungen) so groß, dass über einen längeren Zeitraum weitere psychische Probleme entstehen, kann
eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren diagnostiziert werden.
4. Welche Ursachen für Somatisierungsstörung gibt es?
Wie bei jeder psychischen Erkrankung lässt sich ein Teil durch genetische Prozesse, d.h. also durch Vererbung
bestimmter Eigenschaften durch vorherige Generationen, erklären. Kommen zu diesen gentischen
Veranlagungen noch traumatische Kindheitserlebnisse hinzu, wie etwa der frühe Verlust von engen
Bezugspersonen, Missbrauchserfahrungen oder schwere Erkrankungen, fällt es den Betroffenen häufig noch
schwerer dies zu verarbeiten. Man geht davon aus, dass es vielen Patienten mit Somatisierungsstörungen
schwerer fällt, sich an körperliche Veränderungen zu gewöhnen und sie körperlichen Prozessen mehr
Aufmerksamkeit schenken, als dies nötig ist. Diese Problematik wird, neben anderen, momentan als
aufrechterhaltender Faktor für Somatisierungsstörungen diskutiert.
Wie zu sehen ist, fällt es schwer, nur einen Grund für die Entwicklung einer Somatisierungsstörung zu finden.
Da alle Menschen verschieden sind, ist auch das Erklärungsmodell für das Entstehen einer Krankheit
unterschiedlich. Deshalb ist es auch ein Teil der Therapie, zusammen mit einem Therapeuten ein eigenes
Erklärungsmodell zu erarbeiten.
5. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Zu jeder Psychotherapie gehört erst einmal eine Diagnostik. Diese beinhaltet einerseits den Ausschluss von
möglichen echten körperlichen Erkrankungen und andererseits die Betrachtung der individuellen
Leidensgeschichte des Patienten. Auch wird dem Patienten aktuelles Wissen vermittelt, sodass er zu einem
Experten für Ihre Krankheit werden kann und es Ihnen so ermöglicht wird, besser damit umzugehen. Die
weitere Behandlung kann sich je nach Therapieform, Therapeuten und Erklärungsmodell unterscheiden. Sie
reicht von Gesprächstherapie bis hin zu unterstützenden Behandlungen mit Medikamenten. Wichtig ist, dass
Sie sich in der Therapie wohl fühlen und das Gefühl haben richtig aufgehoben zu sein.
6. Selbsttest
Der folgende Schnelltest stellt lediglich eine Orientierungshilfe dar und darf in keinem Fall als Diagnose
angesehen werden. Er basiert auf wissenschaftlichen und diagnostischen Richtlinien, die von Ärzten und
Psychotherapeuten entwickelt wurden. Haben Sie mehr als 2 Fragen mit Ja beantwortet, könnte dies auf das
Vorliegen einer „Somatisierungsstörung“ hinweisen. Auf jeden Fall gilt: Sollten Sie sich mit ihrem Ergebnis
unsicher fühlen, ist eine weitere Abklärung durch einen Hausarzt, Psychotherapeuten oder einer
Beratungsstelle, zu empfehlen.
JA
Ich habe seit mehr als einem Jahr
häufig wechselnde körperliche
Beschwerden, welche von einem
Haus- und/oder Facharzt nicht oder
nicht ausreichend erklärt werden
konnten.
Ich habe aufgrund von körperlichen
Beschwerden schon mehrfach
verschiedene Ärzte aufgesucht,
hatte aber nicht das Gefühl, dass
mir geholfen werden konnte.
Ich habe in mindestens einem der
folgenden Bereichen häufig
Probleme
- Herzrasen
- Schweißausbrüche
- Mundtrockenheit
- Hitzewallung/Erröten
- Unangenehme Gefühle in
der Bauchgegend
Ich habe in meiner Kindheit
mindestens eins der folgenden
Erfahrungen gemacht:
- Trennung von einer engen
Bezugsperson
- Missbrauch
- Vernachlässigung
Ich war in den letzten 6 Monaten
erhöhtem Stress oder einem
traumatischen Erlebnis ausgesetzt.
Ich habe große Angst an einer
schweren oder sogar tödlichen
Krankheit zu erkranken und
beschäftige mich sehr viel mit
diesem Thema
NEIN
7. Was kann ich selbst tun?
Abgesehen von Psychotherapie oder einer ärztlichen Behandlung gibt es auch einige Dinge, die Sie zu Hause
tun können bzw. beachten sollten. Auch hier gilt, wenn Sie sich unsicher fühlen oder weiterhin Beschwerden
haben, Sie dringend fachliche Beratung aufsuchen sollten.
Reden Sie!
Egal ob Sie momentan erhöhten Stress erleben, sich körperlich unwohl fühlen, niedergeschlagen sind oder
einfach das Gefühl haben, sich mitteilen zu müssen. Reden Sie mit einer wichtigen Ansprechperson darüber
oder wenden Sie sich an eine Beratungsstelle. Reden ist ein erster Schritt sich mit seinen Problemen
auseinander zu setzen und durch die Hilfe von anderen ist es häufig leichter, sich diesen auch zu stellen.
Entspannungstechniken
Der Einsatz von Entspannungstechniken gehört zu den Standardtherapien bei der Behandlung somatoformer
Störungen. Einfache Atemübungen, Progressive Muskelentspannung (PME) oder autogenes Training können
helfen, körperliche Erregung zu senken und so in Phasen großer Anspannung wieder einen klaren Kopf zu
bekommen. Diese Techniken können in Kursen erlernt werden oder auch durch Anleitungen auf CDs oder MP3
durchgeführt werden. Welche Technik Ihnen am besten hilft, können nur Sie herausfinden.
Liste positiver Aktivitäten
Erstellen Sie eine Liste mit Aktivitäten, die Sie gerne tun und greifen Sie in unangenehmen Situationen darauf
zurück. So können Sie in Momenten von Anspannung beispielweise einen Spaziergang machen oder einen
Freund oder eine Freundin anrufen. Wichtig ist nur, dass Sie sich ablenken können und wieder auf ein
angenehmes Aktivitätsniveau zurückfallen. Haben Sie allerdings das Gefühl, Ablenkung allein reicht Ihnen nicht
mehr aus, ist es ratsam, sich an einen Arzt oder Psychotherapeuten zu wenden.
Vermeiden Sie Fehlinformationen
Es gibt viele Wege Informationen über körperliche und psychische Erkrankungen zu erhalten. Zu beachten ist
dabei allerdings, dass Recherchen, beispielweise im Internet, keine professionelle Diagnostik ersetzen können.
Krankheiten sind meist ein Komplex verschiedener Symptome, einzelne Symptome stellen allerdings selten
eine bestimmte Krankheit dar. Verzichten Sie von daher auf eigene Recherchen und lassen Sie sich lieber von
einem Arzt oder Psychotherapeuten durchchecken, dies verhindert unnötige Ängste und Sorgen.
8. Literatur
Diese Patienteninformation basiert zu einem großen Teil auf dem Buch Somatisierungsstörung von Winfried
Rief und Wolfgang Hiller:


ICD-10-GM 2013: Internationale Klassifikation der Krankheit und verwandter Gesundheitsprobleme,
German Modification. World Health Organisation. 2012.
Rief, Winfried; Hiller, Wolfgang. Somatisierungsstörung. 2. Auflage. Göttingen: Hogrefe Verlag GmbH
& Co. KG
9. Nutzungsrechte
Die Nutzungsrechte lieben bei Hanna Lindemann, Angela Aldag, Filip Esau und Claudia Schulte- Meßtorf.
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