Krankheitsursachen und Behandlungszufriedenheit bei Patienten

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Aus der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik
Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Krankheitsursachen und Behandlungszufriedenheit bei
Patienten mit medizinisch unerklärten körperlichen
Symptomen in China
Eine Pilotstudie in Gynäkologie und Neurologie in Shanghai
INAUGURAL–DISSERTATION
zur
Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
der Medizinischen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg i.Br.
Vorgelegt 2010
von Miriam Fritz
geboren in Gernsbach
Dekan
Prof. Dr. Dr. hc. mult. Hubert Erich Blum
1. Gutachter
Prof. Dr. med. Kurt Fritzsche
2. Gutachter
Prof. Dr. med. Andreas Schulze-Bonhage
Jahr der Promotion
2010
Inhalt
1
2
3
EINLEITUNG ............................................................................................................................................ 1
1.1
HINTERGRUND UND AKTUELLER FORSCHUNGSSTAND ............................................................................................ 1
1.2
EIGENE FRAGESTELLUNG UND HYPOTHESEN ...................................................................................................... 13
METHODIK ............................................................................................................................................ 15
2.1
SETTING ..................................................................................................................................................... 15
2.2
REKRUTIERUNG ........................................................................................................................................... 15
2.3
MESSINSTRUMENTE ..................................................................................................................................... 19
2.4
STATISTISCHE AUSWERTUNG .......................................................................................................................... 23
ERGEBNISSE .......................................................................................................................................... 24
3.1
BESCHREIBUNG DER PATIENTENSTICHPROBE...................................................................................................... 24
3.2
MIT WELCHEN KÖRPERLICHEN UND PSYCHISCHEN BESCHWERDEN PRÄSENTIEREN SICH PATIENTEN MIT MEDIZINISCH
UNERKLÄRTEN SYMPTOMEN IN GYNÄKOLOGIE UND NEUROLOGIE IN CHINA? .................................................................... 27
3.3
WELCHE KRANKHEITSKONZEPTE BESTEHEN FÜR PATIENTEN MIT KÖRPERLICH UNERKLÄRTEN SYMPTOMEN IN CHINA, WELCHE
BEI DEN ÄRZTEN, DIE SIE BEHANDELN? ....................................................................................................................... 33
3.4
STIMMEN DIE KRANKHEITSKONZEPTE VON ARZT UND PATIENT ÜBEREIN UND WIE SPIEGELT SICH DIES IN DER
BEHANDLUNGSERWARTUNG DES PATIENTEN UND DER BEHANDLUNG DURCH DEN ARZT WIEDER? ......................................... 39
3.5
WELCHES BEHANDLUNGSERGEBNIS WIRD ERZIELT IN BEZUG AUF GEGENSEITIGES VERSTÄNDNIS UND ZUFRIEDENHEIT MIT
DER BEHANDLUNG? ............................................................................................................................................... 44
3.6
4
EVALUATION DURCH DIE TEILNEHMER AN DER STUDIE ......................................................................................... 51
DISKUSSION .......................................................................................................................................... 52
4.1
INTERPRETATION ......................................................................................................................................... 52
4.3
REPRÄSENTATIVITÄT ..................................................................................................................................... 68
4.4
STÄRKEN UND GRENZEN................................................................................................................................ 68
4.5
FAZIT/SCHLUSSFOLGERUNG ........................................................................................................................... 69
ZUSAMMENFASSUNG .................................................................................................................................... 71
LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................................................................. 72
ANHANG ........................................................................................................................................................ 78
FRAGEBÖGEN ....................................................................................................................................................... 78
DANKSAGUNG................................................................................................................................................ 91
LEBENSLAUF ................................................................................................................................................... 92
1 Einleitung
1.1 Hintergrund und aktueller Forschungsstand
1.1.1 Somatoforme Störung und MUS
1.1.1.1 Definition und kulturelle Aspekte
In der westlichen Biomedizin werden Ärzte immer wieder von Patienten aufgesucht, für deren
Beschwerden sie trotz eingehender körperlicher und apparativer Untersuchung keine körperliche
Ursache finden. Diese Symptome nennen wir „medically“ oder „multiple unexplained (physical)
symptoms“, kurz MU(P)S.
Die MUS stellen die Basis der somatoformen Störung in ICD-10 und DSM-IV dar. Zudem treten sie
als eine Komponente bei den psychiatrischen Erkrankungen Depression und Angststörung auf.
Da die voll ausgeprägte Somatisierungsstörung (SD) eine mit 0,6-6% in der Bevölkerung (Escobar et
al 1989) seltene Erkrankung ist, haben sich in der praktischen Anwendung gerade bei Studien in der
Primärversorgung vereinfachte Definitionen durchgesetzt. Die vorliegende Studie orientiert sich an
Lipowskis Definition der Somatisierung, die vier Kriterien enthält (Lipowski 1988):

Die Präsentation eines oder mehrerer körperlicher Symptome

Fehlen einer organischen Ursache als Erklärung für die Beschwerden

Erhöhter Leidensdruck des Patienten durch die Symptome

Wiederholte Inanspruchnahme medizinischer Versorgung
Somatoforme Patienten zeichnen sich durch eine niedrige Patientenzufriedenheit und eine
konflikthafte Arzt-Patientenbeziehung aus (Kapfhammer 2007). Sie nehmen ihre Gesundheit als
schlechter war als nicht-somatisierende Patienten (Gureje 2004).
Dabei geht eine höhere Anzahl an körperlichen Beschwerden mit erheblicher Einschränkung der
physischen, emotionalen und sozialen Leistungsfähigkeit einher (van der Windt et al 2008) (Kisely et
al 1997).
Dieses Verhalten hat wichtige sozioökonomische Auswirkungen. So fand man in den USA eine um
50% höhere Nutzung sowohl stationärer als auch ambulanter Versorgung und eine Verdopplung der
1
Gesundheitskosten im Vergleich zu Nicht-Somatisierern (Barsky et al 2005).
Somatisierungspatienten können nach Kirmayer und Robbins in drei Gruppen unterteilt werden
(Kirmayer & Robbins 1991):

Initiale Somatisierer: Sie präsentieren beim Arztbesuch ausschließlich somatische Symptome,
erfüllen dabei aber die Kriterien einer Major Depression oder Angststörung und geben
psychosoziale Erklärungen für ihre Beschwerden zu.

Fakultative Somatisierer (angelehnt an Bridges und Goldberg 1985): Sie präsentieren beim
Arztbesuch ausschließlich somatische Symptome, erfüllen ebenfalls die Kriterien einer Major
Depression oder Angststörung, geben aber rein somatische Erklärungen für ihre Beschwerden
an. Erst auf Nachfrage geben sie die Möglichkeit psychosozialer Erklärungen zu.

True somatizer: Sie geben nur körperliche Attributionen für ihre Symptome an und verneinen
eine kausale Rolle psychischer Faktoren.
Die Ätiopathogenese der Somatisierung ist multifaktoriell. Wahrscheinlich ist eine vielfältige
Beeinflussung durch physiologische und psychologische sowie interpersonelle und soziokulturelle
Faktoren (Kirmayer & Young 1998). Kapfhammer betont in diesem Zusammenspiel verschiedener
Faktoren besonders die psychosozialen Einflüsse wie Persönlichkeitsfaktoren, Einflüsse des sozialen
Lernens, soziale Verstärkersysteme sowie Krankheitserfahrungen und –wissen, und neurobiologische
Faktoren wie genetische Einflüsse, Dysfunktionen der HPA-Achse oder die von Barsky beschriebene
Symptomamplifikation (Kapfhammer 2007). Bei letzterem werden körperliche Empfindungen durch
erhöhte Wachsamkeit und Konzentration auf diese intensiviert und ihnen eine störende und schädliche
Bedeutung verliehen (Barsky et al 1988).
Patienten mit medizinisch unerklärbaren körperlichen Symptomen werden vorrangig im westlichen
Kulturkreis als somatoforme Patienten bezeichnet. Die Diagnose entstand, um die Lücke zwischen
psychiatrischen und körperlichen Erkrankungen zu füllen. In nicht-westlichen Gesellschaften existiert
diese Körper-Psyche-Dichotomie nicht, und es fällt Ärzten und Laien schwer, die Trennung und damit
das Krankheitsbild zu verstehen (Kirmayer & Young 1998). Auch in der traditionellen chinesischen
Medizin (TCM) werden körperliche Symptome nicht nach psychischen oder somatischen Ursachen
unterteilt, sondern als Ausdruck einer funktionellen Disharmonie der „vitalen Organe“ gesehen. Die
westliche Sicht auf den Körper gilt als „reduktionistisch“. In der traditionellen chinesischen Weltsicht
besteht ein funktionelles, ganzheitliches Bild des Körpers. Das Qi, die Lebensenergie in der
chinesischen Medizin, überschreitet die Grenzen zwischen den westlichen Begriffen „organisch“ und
„anorganisch“ oder „Psyche“ und „Körper“ (Ots 1990). Die neokonfuzianistischen Ideale in
2
Einleitung
chinesisch beeinflussten Gebieten führten laut Ots zu einer langen Tradition der Unterdrückung von
Emotionen. Die Ursache der Somatisierung sieht er in einer vermehrten Konzentration auf körperliche
Beschwerden in der TCM. So werden hier Emotionen als Ursache körperlicher Beschwerden gesehen,
sollen allerdings indirekt, durch Harmonisierung der Körperfunktionen, aus ihrer Disharmonie befreit
werden (Lee 1998) (Ots 1990).
1.1.1.2 Epidemiologie
In mehreren populationsbezogenen oder in Ambulanzen durchgeführten Studien fand man, dass ein
Drittel der körperlichen Symptome, mit denen sich die Patienten präsentieren, nicht medizinisch
erklärbar sind. 20-25% aller somatischen Symptome sind chronisch oder treten wiederholt auf.
Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und muskuloskelettale Beschwerden weisen eine noch höhere 1Jahres-Persistenz von 35-45% auf. Auch in den verschiedenen Fachbereichen weist die aktuelle
Studienlage auf eine hohe Prävalenz an medizinisch unerklärten Symptomen hin. In einem Kollektiv
häufig in ärztlicher Behandlung stehender Patienten stellte man angefangen bei 17% in
gynäkologischen Kliniken bis hin zu 50 und 54% in neurologischen und gastroenterologischen
Kliniken die Diagnose MUS (Kroenke 2003). Eine international durchgeführte WHO-Studie ergab
eine durchschnittliche MUS-Prävalenz von 15% (Kisely et al 1997).
Die Prävalenz der undifferenzierten Somatisierungsstörung liegt sowohl in Deutschland als auch
international bei bis zu 19,7% (Grabe et al 2003) (Escobar et al 2007) (Gureje 2004).
1.1.1.3 Komorbidität mit Depression und Angststörungen
50-75% der Patienten mit multiplen unerklärten Symptomen leiden unter einer Depression, 40-50%
unter Angststörungen (Kroenke 2003). Für Patienten mit MUS ist weltweit ein erhöhtes Risiko für
diese beiden psychiatrischen Störungen nachgewiesen (Gureje et al 1997). Subsyndromale Formen der
Somatisierungsstörung zeigen eine etwas geringere Rate von 41% für die Diagnose einer Major
Depression (Henningsen et al 2003). Die Anzahl medizinisch unerklärter Symptome scheint dabei in
einem linearen Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit einer psychiatrischen Komorbidität zu
stehen (Kisely et al 1997).
Auf der anderen Seite neigen auch Patienten mit psychischen Problemen eher zu unerklärten
körperlichen Symptomen als körperlich kranke Menschen (de Waal et al 2005). Patienten, die
aufgrund einer Angststörung oder Depression eine Ambulanz oder den Hausarzt aufsuchen,
3
präsentieren in 70-90% der Fälle somatische Symptome und geben erst auf Nachfrage psychologische
Symptome an. Somatische Beschwerden scheinen den Patienten als eine Einstiegsmöglichkeit für den
betreuenden Arzt zu dienen, der die Frage nach psychischen Belastungen folgen soll (Kroenke 2003).
Wie MUS und psychische Morbidität zeitlich und ätiologisch zusammenhängen ist allerdings bisher
noch nicht sicher geklärt (Lieb et al 2007). De Waal schlägt 2005 drei Erklärungsmodelle für die
Komorbidität vor. Angst und Depression könnten eine Reaktion auf die physischen Beschwerden sein,
sie könnten aber auch Ursache einer erhöhten Tendenz sein, körperliche Empfindungen als Symptom
mit Krankheitswert wahrzunehmen. Als dritte Möglichkeit nennt de Waal die Entstehung beider
Erkrankungen aus einer gemeinsamen, noch unbekannten Ursache heraus (de Waal et al 2005).
1.1.1.4 Transkulturelle Forschung zu MUS
Eine große WHO-Studie in der Primärversorgung in 14 Ländern zeigte, dass psychologischer Stress
weltweit in ähnlichem Maße mit somatischen Symptomen assoziiert ist (Simon et al 1996). Die
Prävalenz einer somatoformen Störung unterschied sich signifikant zwischen den Zentren. Außer einer
erhöhten Rate in den beiden südamerikanischen Standorten konnten allerdings keine regionalen oder
wirtschaftlichen Risikofaktoren für eine höhere Erkrankungsrate nachgewiesen werden (Gureje 2004).
Bei Vorliegen einer Major Depression konnte man in 50% der Fälle die Diagnose MUS stellen. Das
„true somatizing“, das Leugnen psychiatrischer Symptome, variierte von 3 bis 26% und lag im Mittel
bei 11% (Simon et al 1999).
Als wichtigster Risikofaktor für die somatoforme Störung ergab sich bei näherer Betrachtung das
Fehlen einer persönlichen ärztlichen Betreuung. Auch die Symptomanzahl erreichte in den betroffenen
Zentren höhere Durchschnittswerte (Gureje 2004). Zudem fand man in diesen Regionen einen höheren
Prozentsatz depressiver Patienten, die ausschließlich somatische Gründe für den Arztbesuch angaben
(Simon et al 1999). Auch Kirmayer äußert die Vermutung, dass Menschen sich in Ländern, in denen
eine psychiatrische Versorgung nur Schwerstkranken zu Verfügung steht, eher somatisch präsentieren
(Kirmayer & Young 1998).
Es gibt auch Hinweise auf kulturelle Einflüsse auf Symptomart und Prävalenz der Somatisierung. So
findet man in der Karibik und Lateinamerika vermehrt dissoziative Züge, in Indien und Afrika gibt es
körperliche Missempfindungen, die man in anderen Teilen der Welt nicht kennt, und im westlichen
Umfeld tendieren die Patienten zu Symptomen, die an immunologisch basierte Erkrankungen denken
lassen (Escobar et al 2007). Selbst im kanadischen Umfeld präsentierten vietnamesische Immigranten
häufiger somatische Symptome als die kaukasische Vergleichsgruppe und nahmen fast ausschließlich
somatische Versorgung in Anspruch (Kirmayer & Young 1998).
4
Einleitung
1.1.1.5 Forschungsstand zu MUS in China
Somatische Symptome sind weltweit eine Kernkomponente der Depression (Simon et al 1999).
Dennoch scheint das Phänomen der Somatisierung in China häufiger aufzutreten als in westlichen
Ländern. Dies zeigte Kleinmans vielzitierte Studie in einer chinesischen Psychiatrie aus den 80er
Jahren, in der 78% der Patienten, die von Kleinman die Diagnose einer Major Depression erhielten,
angaben, ihre Störung wäre rein oder teilweise körperlich bedingt (Kleinman 1982). Auch aktuellere
Studien zeigen eine höhere Rate an MUS bei depressiven Patienten in China (Parker et al 2001)
(Ryder et al 2008). Chinesische oder chinesischstämmige Patienten hatten in Vergleichsstudien eine
höhere Rate an „true somatizing“ im Sinne eines Leugnens psychischer Ursachen (Hsu et al 1997)
(Simon et al 1999). In der WHO-Studie zu MUS gaben chinesische Patienten als Grund für den
Arztbesuch im internationalen Vergleich mit 92% am häufigsten ein körperliches Problem und mit
0,2% am seltensten ein mentales oder Verhaltensproblem an (Piccinelli et al 1997).
Die Hintergründe der verstärkten Somatisierungstendenz bei Chinesen werden ausgiebig diskutiert. In
einer direkten Befragung gaben chinesische depressive Patienten ein größeres erlebtes Stigma an als
die kanadische Vergleichsgruppe (Ryder et al 2008). Die Stigmatisierung psychiatrischer
Erkrankungen in China ist eine mögliche Erklärung für die höhere MUS-Häufigkeit (Cheung 1981).
Kirmayer vermutet, dass in nicht-westlichen Ländern das Fördern der individuellen Person in
Widerspruch zu deren Umfeld und familiären Strukturen steht, da hier die Harmonie in der Familie
und der Gruppe wichtiger sind als die individuelle Eigenständigkeit. Eine Psychotherapie könnte also
zu einer geringeren sozialen Unterstützung und einem verminderten Selbstwert führen (Kirmayer &
Young 1998).
Tatsächlich scheint die Rate an depressiven Patienten, die sich mit einem somatischem
Primärsymptom in der Ambulanz präsentieren, unter Chinesen überdurchschnittlich hoch zu sein
(Simon et al 1999) (Parker et al 2001) (Cheung 1981). Allerdings lag die MUS-Prävalenz bei
Depression in einer der WHO-Studien mit 33% niedriger als der Durchschnitt von 50%. Auch die
Anzahl sowohl der somatischen als auch der psychischen Symptome erreichte bei der chinesischen
Gruppe sehr niedrige Werte (Simon et al 1999).
Die Prävalenz von MUS ohne begleitende Depression lag mit 9% ebenfalls unter dem Durchschnitt
von 15% (Kisely et al 1997).
In zwei Vergleichsstudien mit chinesischen und kaukasischen depressiven Patienten fiel auf, dass sich
die Anzahl körperlicher Symptome nicht unterschied, die kaukasischen Patienten jedoch mehr
zusätzliche psychische Symptome präsentierten (Ryder et al. 2008) oder diesen mehr Bedeutung
beimaßen (Parker et al 2001). Die im Vordergrund stehenden psychologischen Probleme scheinen also
eine Besonderheit in westlichen Ländern darzustellen. Zudem scheinen chinesische Patienten auf
5
Nachfrage durchaus psychosoziale Gründe für ihre Beschwerden anzugeben. Eine Hongkonger Studie
aus den frühen 80er Jahren fand hinter den somatischen Beschwerden depressiver Patienten bei
näherem Nachfragen eine eher vage, diffuse Beschwerdekonstellation, die als typisch für die maskierte
Depression beschrieben wird. Auch hier wurden bei direkter Befragung Dysphorie, Selbstvorwürfe,
Interessenlosigkeit und verminderte Libido angegeben (Cheung et al 1981). Ryder beurteilte die
Alexithymietendenz bei Chinesen. Die Alexithymie ist als die Schwierigkeit, emotionale Zustände
auszudrücken und diese anderen mitzuteilen, definiert. Er fand, dass der Eindruck einer Alexithymie
unter Chinesen nicht durch die Unfähigkeit im Umgang mit emotionalen Inhalten erweckt wurde,
sondern Ausdruck eines external orientierten Denkens ist. Er zitiert Dion, der dem Westen vorhält,
östliche Kulturen an einem westlichen emotionalen Vehaltensideal zu messen und sie mit den
Alexithymievorwürfen fälschlich zu beschuldigen und zu pathologisieren (Dion 1996 zitiert nach
Ryder et al 2008).
Die Konzentration auf körperliche Symptome im Rahmen einer Depression könnte also ein „idiom of
distress“, eine kulturell beeinflusste Ausdrucksweise einer psychiatrischen Erkrankung sein, der
psychologisch orientierten Präsentation in der westlichen Kultur gleichgestellt (Kirmayer & Young
1998).
Sing Lee bestreitet ebenfalls, dass psychologische Probleme in China geleugnet werden. Er sieht in der
Somatisierung eine notwendige Strategie, um eine ärztliche Betreuung zu erhalten. Im überfüllten
lokalen Gesundheitssystem, in dem für Psychotherapie keine Ressourcen vorhanden seien, sei die
Konzentration auf somatische Symptome eine Möglichkeit, zumindest an symptomlindernde
Pharmakotherapie zu gelangen (Lee 1997), ganz im Sinne des „ticket behaviour“, das Kirmayer
initialen Somatisierern zuschreibt (Kirmayer et al 1994).
1.1.2 Krankheitskonzepte und Symptomattribution
1.1.2.1 Krankheitskonzepte bei körperlichen Symptomen
Leventhals „self-regulatory model“ beschreibt die Krankheitswahrnehmung von Patienten. Nach
diesem Modell sucht ein Patient nach kognitiven und emotionalen Erklärungen, die ihm bei der
Krankheitsverarbeitung helfen sollen. Einen Teil dieser Repräsentation der Krankheit oder
Beschwerden bilden die Ursachen, die der Betroffene für die Beschwerden in Betracht zieht. Zudem
und teilweise beeinflusst von den Krankheitsursachen entwickelt der Patient auch eine bestimmte
Vorstellung vom Zeitverlauf der Erkrankung und ihrer Heilbarkeit sowie Kontrollierbarkeit und
Konsequenzen der Krankheit oder Symptome (Weinman et al 1997) (Moss-Morris et al 2002). Die
6
Einleitung
Beeinflussung der Krankheitswahrnehmung hat bei Patienten mit verschiedensten Erkrankungen wie
Myokardinfarkt, Diabetes oder AIDS zu besseren Therapieergebnissen geführt (Broadbent et al 2006).
Bishop suchte in den 80er Jahren nach Krankheitskonzepten bei Laien und fand eine vierdimensionale
Symptomrepräsentation körperlicher Symptome. Unter anderem unterteilten die Probanden die
genannten Beschwerden nach psychologischen und körperlichen Ursachen. Auch in Bishops Studie
nahmen die Krankheitskonzepte deutlichen Einfluss auf das Krankheitsverhalten. Menschen mit
körperlicher Attribution suchten eher einen Arzt auf, während solche mit psychologischer Attribution
zögerten medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen (Bishop 1987).
Robbins und Kirmayer orientierten sich 1991 bei der Unterteilung der Kausalattributionen an Shaver
(Shaver 1975 zitiert nach Robbins & Kirmayer 1991) und erweiterten diese damit um eine dritte
Kategorie, die situativen oder externalen, sogenannten normalisierenden Attributionen. Sie sind der in
der Normalbevölkerung am häufigsten angewendete Attributionsstil und enthalten das geringste
Risiko für die Entwicklung körperlicher oder psychischer Beschwerden (Robbins & Kirmayer 1991).
Sensky identifizierte in einer Studie aus den 90er Jahren eine Gruppe von Patienten, die für eine Liste
zufällig ausgewählter Symptome weniger normalisierende Attributionen nannte als die Kontrollgruppe
und häufiger eine nicht-normalisierende Attribution als Hauptursache angab. Diese Gruppe zeichnete
sich durch ängstliches Verhalten und häufige Praxisbesuche aus (Sensky et al 1996).
Bridges und Goldberg teilten somatoforme Patienten nach ihren Kausalattributionen in „Somatisierer“
und die „Psychologisierer“ ein. Auch sie fanden, dass psychologisierende somatoforme Patienten eher
ängstliche Charakterzüge aufwiesen.
Die Studienlage deutet darauf hin, dass psychologisierende Patienten gestresster und unzufriedener
sind als somatisierende Patienten (Goldberg & Bridges 1988) und eine negativere Affektlage
aufweisen (Lundh et al 2002). Eine psychologische Attribution ist mit einer vermehrten Präsentation
sowohl körperlicher als auch depressiver Symptome assoziiert (Robbins & Kirmayer 1991).
Somatisierende Patienten hingegen zeigen eine negative Einstellung gegenüber psychiatrischen
Erkrankungen (Goldberg & Bridges 1988). Eine somatische Attribution ist mit einer vermehrten
Präsentation körperlicher Symptome verbunden (Robbins & Kirmayer 1991). Goldberg und Bridges
vermuten hinter der Somatisierung eine adaptive Funktion als Schutz vor Schuldgefühlen und zur
Vermeidung psychischer Symptome.
In einer spanischen Studie blieben sowohl psychologische als auch somatische Attributionen bei
Patienten mit Somatisierungsstörungen über ein Jahr stabil (Garcia-Campayo et al 1997). Bridges und
Goldberg suchten Determinanten für somatisierendes oder psychologisierendes Verhalten im Bereich
des sozialen Status, privater Lebensumstände, Intelligenz oder in Hinsicht auf Persönlichkeitsstile wie
7
Verteidigungsverhalten, soziale Erwünschtheit oder Hypochondrieneigung. Sie konnten jedoch keine
Beeinflussung durch die genannten Faktoren feststellen (Bridges et al 1991).
Die Krankheitskonzepte und Symptomattributionen eines Patienten leisten also einen wichtigen
Beitrag in Bezug auf sein Krankheitsverhalten und seine Copingstrategien. Sie beeinflussen die
klinische Präsentation und Kommunikation mit dem Arzt (Kirmayer et al 1994). Henningsen schlägt
sogar vor, somatoforme Patienten nicht nach ihrer klinischen Präsentation sondern nach ihren
Krankheitskonzepten in initiale, fakultative und pure Somatisierer einzuteilen (Henningsen et al 2005).
Eine britische Studie beschreibt die Erklärungsmodelle vieler somatoformer Patienten als
unvollständig, unbefriedigend und unorganisiert (Peters et al 1998). Nachgewiesen ist, dass MUSPatienten multiple Symptomattributionen aufweisen (Helman 1985). Je mehr Symptome dabei
vorliegen, desto mehr Ursachen werden angegeben (Rief et al 2004). Patienten mit somatoformer
Störung gaben in einer deutschen Studie in 80% der Fälle organische Gründe an (Henningsen et al
2005). In beiden eben angeführten Studien führte Komorbidität mit Angststörung und Depression zu
vermehrter Angabe von psychologischen beziehungsweise psychosozialen Gründen. Bei Henningsen
erwies sich bei der Überlappungsgruppe aus psychiatrischer und somatoformer Störung eine
psychosoziale Krankheitsattribution als prognoseverbessernd gegenüber einer organischen Attribution.
Garcia-Campayo fand keine Prognoseverbesserung bei psychologischer Attribuierung (GarciaCampayo et al 1997). Helman beobachtete 1985 bei MUS-Patienten eine Mischung aus psychischen,
körperlichen und sozialen Faktoren, die aus der Interaktion mit Ärzten, Medien und privatem Umfeld
in einem sozialen Prozess „erlernt“ werden und dem biopsychosozialen Modell der Schulmedizin
nahe kommen (Helman 1985). Peters hingegen fand mit der ärztlichen Denkweise schwer zu
vereinbarende Erklärungsmodelle. Auch hier nannten die Patienten eine Mischung aus externalen und
internalen Ursachen (Peters et al 1998). In beiden Studien fiel eine Distanzierung der Symptome und
ihrer Ursache vom eigenen Selbst auf. Diese „Externalisierung“ der Krankheitsursache ermöglichte es
nach Meinung Helmans den Patienten, die Verantwortung für ihre Beschwerden abzugeben und das
Konzept eines gesunden, autonomen Selbst zu bewahren.
Die Attributionen der Ärzte sind ebenfalls Ausdruck spezieller, unter anderem kultureller
Grundvorstellungen und Praktiken und können dazu führen, dass der Patient sich missverstanden fühlt
und mit der Behandlung unzufrieden ist. Diskrepanzen zwischen den kausalen Erklärungen des die
Konsultation dominierenden Arztes und denen des Patienten tragen zum Beispiel zum
Unterdiagnostizieren von psychosozialem Stress und psychiatrischen Störungen bei. Dies erhöht das
Risiko für schlechte Behandlungsadhärenz und sorgt für Probleme bei der Zusammenarbeit zwischen
Arzt und Patient. Somit wird unter anderem die Suche des Patienten nach alternativen
Behandlungsmöglichkeiten im Sinne eines „doctor shopping“ begünstigt (Kirmayer et al 1994). Als
8
Einleitung
grundlegend für die erfolgreiche Verhandlung der Krankheitskonzepte und das Errichten eines
gemeinsamen Bedeutungskonstrukts für die Symptome hat sich die Anerkennung des Leidensdrucks
des Patienten erwiesen (Kirmayer et al 2004). So verlief in einer britischen Studie das Arzt-PatientenGespräch mit somatoformen Patienten nur dann erfolgreich, wenn die Krankheitskonzepte der
somatoformen Patienten miteinbezogen wurden (Dowrick et al 2004).
1.1.2.2 Transkulturelle Beeinflussung und Krankheitskonzepte in China
Beeinflusst werden Krankheitskonzepte neben den persönlichen Erfahrungen des Patienten mit seinem
eigenen Körper oder Erkrankten im Umfeld auch durch dessen kulturellen Hintergrund (Duddu et al
2006) (Kirmayer et al 2004).
Die sogenannten „soziosomatischen Theorien“ sehen den Ursprung körperlicher Belastung im sozialen
Umfeld und halten körperliche Beschwerden für eine Folge sozialer Konflikte und ein Spiegelbild
sozialer Missstände. Jede Kultur hat dieser Theorie nach ihre eigene Ausdrucksweise für Belastungen,
ihr oben erwähntes „cultural idiom of distress“. In Vietnam zum Beispiel gibt es als Ursache bei MUS
den Begriff „uat u’c“. Diese Situation beinhaltet den Ärger über soziale Ungerechtigkeit, der aufgrund
starker gesellschaftlicher Hierarchien und dem Zwang des Einhaltens sozialer Harmonie nicht
ausgedrückt werden kann. Kirmayer fand in Interviews mit MUS-Patienten häufig solch kulturbasierte
Erklärungen, die den Patienten zur Verfügung standen, wenn der Arzt keine Ursache für ihre
Beschwerden fand (Kirmayer et al 2004).
Westlich individualistisch geprägte Menschen neigen zur Überbewertung persönlichkeitsabhängiger
Faktoren, Chinesen tendieren eher zu situations- oder kontextbezogenen Attributionen (Kirmayer et al
1994). Schon in Kleinmans oben zitierter chinesischer Studie hielten depressive Patienten ihre
Probleme in 44% der Fälle für organischer und in 34% der Fälle für überwiegend organischer Natur.
Nur ein kleiner Teil hielt emotionale Faktoren für die Ursache der Beschwerden (Kleinman 1982).
Auch eine Vergleichsstudie an einer hawaiianischen Universität, in der Studenten zur Ursache
verschiedener psychosozialer und somatischer Symptome befragt wurden, fand eher somatische
Ursachen bei Hongkong-Chinesen, während Amerikaner auch somatische Symptome psychologisch
attribuierten (White 1982). Bei Kleinman wurden als Ursache der Beschwerden häufig Attributionen
mit externalem Anteil genannt, darunter Probleme bei der Arbeit, politische Schwierigkeiten, örtliche
Trennung von der Familie oder Schul- und Examensdruck (Kleinman 1982). Auch in einer Studie von
2008 dominierte bei der chinesischen Gruppe ein external orientiertes Denken (Ryder et al 2008).
Auf der anderen Seite geben auch im chinesischen Kulturkreis Patienten psychosoziale Gründe für
MUS oder neurasthenie- und fatigueähnliche Symptomen an (Lee 1998) (Lee 1997). Bei Kleinman
konnte psychologischer Stress für die Patienten durchaus den Beginn einer Kausalkette mit
9
nachfolgend körperlicher Ursache für ein körperliches Problem darstellen (Kleinman 1982).
1.1.3 Die Arzt-Patienten-Beziehung
1.1.3.1 Probleme im Arztalltag bei MUS
Gerade bei somatoformen Störungen spielt die Arzt-Patienten-Beziehung eine wichtige Rolle. Viele
Patienten beharren auf einer körperlichen Erklärung für ihre Beschwerden und verweigern die
Konsultation bei Psychiatern oder Psychologen (Fink et al 2005a). Oft möchten die Patienten
psychische Ursachen für ihre Beschwerden nicht akzeptieren, und das Fehlen einer organischen
Diagnose verhindert, dass die Patienten eine Berechtigung zum Einnehmen der Krankenrolle
bekommen. Es fällt ihnen schwer, den Sinn der Symptome zu verstehen und ihre Krankheit
anzugehen. Auch vom Umfeld bekommen sie wenig Unterstützung (Kirmayer et al 2004).
In einer holländischen Studie berichten Hausärzte von einer schwierigen Interaktion mit diesem
Patientenkollektiv, bei dem sie verschiedene Herangehensweisen in der Konsultation erproben müssen
und Untersuchungen eher der Zufriedenstellung des Patienten als einer medizinisch begründbaren
Notwendigkeit dienen (Hartman et al 2009). In mehreren Studien gaben Ärzte an, sich von den
Patienten kontrolliert zu fühlen und berichteten über Frustration, Energielosigkeit und Unsicherheit bis
hin zu Abneigung gegenüber MUS-Patienten. Gleichzeitig waren sich die Ärzte der Bedeutung der
Arzt-Patienten-Interaktion für den Therapieerfolg bewusst (Kirmayer et al 2004).
Wie die Patienten von ihren Ärzten und im sie betreffenden Gesundheitssystem behandelt werden,
scheint tatsächlich sehr wichtig für den Verlauf funktioneller somatischer Störungen und deren
Chronifizierung zu sein. Wird die richtige Diagnose zu spät oder gar nicht gestellt, hält dies den
Kranken in seiner Rolle und verursacht so unnötige Krankenhausaufenthalte und Untersuchungen
(Fink et al 2005a).
1.1.3.2 Therapieprobleme und Behandlungszufriedenheit
Die Behandlung somatoformer Patienten ist für Ärzte unbefriedigend und bereitet ihnen größere
Schwierigkeiten als die Behandlung anderer psychiatrischer Erkrankungen. MUS gelten als eine der
am schwierigsten behandelbaren Krankheiten in Bezug auf die Arzt-Patienten-Beziehung und
Behandlungsergebnisse. Dies wirkt sich auch negativ auf die Patientenzufriedenheit aus (Kroenke
2007). Eine qualitative Studie aus Großbritannien zeigte, dass die meisten Methoden, die Hausärzte
10
Einleitung
verwenden, um die Symptome von MUS-Patienten zu normalisieren, keine Wirkung zeigen und die
Symptome sogar verschlimmern können (Dowrick et al 2004).
Die Patienten erwarten eine Erklärung für ihre Probleme und diagnostische oder therapeutische
Schritte von Seiten des Arztes. Schon die Frage nach bestimmten Sorgen im Vorfeld oder danach,
welche therapeutischen Mittel dem Patienten aus seiner eigenen Sicht helfen könnten sowie eine akute
somatische Therapie, zum Beispiel mit Schmerzmitteln, kann sehr effektiv im Umgang mit
somatoformen Patienten sein. Kausal empfiehlt sich eine kognitiv-behaviorale Psychotherapie. Auch
Antidepressiva können zu einer Symptomreduktion führen (Kroenke 2003). Dass in einer Studie auch
allein der Brief eines Psychiaters mit Empfehlungen zum Umgang mit dem jeweiligen Patienten dem
Hausarzt half, die körperliche Leistungsfähigkeit des Patienten zu erhöhen und die Gesundheitskosten
zu senken, zeigt einmal mehr die Bedeutung der Arzt-Patienten-Beziehung (Kroenke 2007).
Die psychosoziale Prognose somatischer Symptome ist mäßig, unabhängig davon, ob sie medizinisch
erklärbar (MES) oder unerklärbar (MUS) sind. Dabei verschlechtert sich die Prognose mit steigender
Symptomzahl (Kisely et al 2006). Die somatoforme Störung ist eine chronisch rezidivierende
Erkrankung und kann auch als Persönlichkeitszug angesehen werden (Lipowski 1988).
Die Patientenzufriedenheit lag in einer britischen Studie bei Patienten mit MUS und MES im gleichen
Bereich. Dabei sank die Zufriedenheit mit steigender Symptomanzahl. Unzufriedener waren zudem
die Patienten, die ihre Krankheit als bedeutend für ihren Alltag, lange anhaltend und mit wenig
Hoffnung auf Heilung empfanden. Die Krankheitskonzepte der Patienten hatten hier keinen Einfluss
auf die Behandlungszufriedenheit in Hinsicht auf die Arzt-Patienten-Kommunikation, die Information
durch den Arzt oder das Klinikumfeld (Jackson et al 2004). Trotz der bekannten Probleme in der ArztPatienten-Interaktion und Behandlung scheint die Patientenzufriedenheit in der europäischen
Primärversorgung sowohl in Bezug auf psychosoziale Versorgung im Allgemeinen als auch bei
somatoform diagnostizierten Patienten im positiven Bereich zu liegen (Fritzsche et al 2002) (Betz
2003) (Schweickhardt et al 2005) (Jackson et al 2004).
Auch unabhängig vom Vorliegen einer somatoformen Störung hielten in einer deutschen
Hausarztstudie 79% der Patienten eine Miteinbeziehung psychologischer Aspekte ihrer Erkrankung
für wichtig oder sehr wichtig und 85% gaben an, im Falle eines Bedarfs eine psychosoziale
Behandlung zu akzeptieren (Fritzsche et al 2002). Die Ausbildung von Allgemeinärzten in Hinsicht
auf psychosoziale Kompetenzen scheint gerade bei somatoformen Patienten von Bedeutung zu sein
(Kapfhammer 2007).
Der Versuch, deutsche Hausärzte mit einem kurzen Training in der Reattributionstherapie
somatoformer Patienten zu schulen, zeigte nach drei Monaten nur eine nicht-signifikante Erhöhung
der Behandlungszufriedenheit (Betz 2003). Auch die nach sechs Monaten untersuchte körperliche
Funktionsfähigkeit sowie Angst- und Depressionswerte wurden nicht beeinflusst (Larisch et al 2004).
Jedoch konnte die Anzahl körperlicher Symptome verringert werden und es verbesserten sich nach
11
sechs Monaten sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten die Einschätzung des Therapieerfolgs, der
Behandlungszufriedenheit und das Gefühl, verstanden zu werden (Larisch et al 2004) (Schweickhardt
et al 2005).
1.1.3.3 Therapie der MUS in China
Kleinmans depressive Patienten überließen mit 40% zu großen Anteilen ihren Ärzten die
Therapieentscheidung. Hatten sie Therapievorstellungen, so wurden häufig traditionelle chinesische
Medizin (16%) und Medikamente (12%) genannt. Psychotherapie, die in den 80er Jahren in China
nicht erlaubt und praktiziert wurde, wurde mit 3% kaum genannt (Kleinman 1982).
Kleinmans Studie untersuchte eine Patientengruppe mit der damals von chinesischen Psychiatern
gestellten Diagnose der Neurasthenie, die einer Art Nervenschwäche, einer Mischung aus psychischen
Symptomen mit ausgeprägter Erschöpfung und körperlichen Beschwerden, entspricht. Diese Diagnose
wurde im Rahmen der Verwestlichung des chinesischen Gesundheitssystems heute weitgehend durch
die Diagnose einer Depression ersetzt (Lee 1997). Dennoch bekommt die Mehrheit der psychiatrisch
diagnostizierten Patienten selbst in Shanghai und Peking keine entsprechende Therapie. Obwohl in
diesen Städten eine im landesweiten Vergleich überdurchschnittlich hohe Dichte an medizinischen
Versorgungseinheiten und gut ausgebildeten Psychiatern vorhanden ist, ist der Zugang zum
Gesundheitssystem für die Bevölkerung limitiert und die Versorgung psychiatrisch Erkrankter findet
mehrheitlich durch ungeschulte Nicht-Psychiater statt (Lee et al 2007). Shanghai zählte in der in den
90er Jahren durchgeführten WHO-Studie zu den Typ-B-Zentren, in denen keine persönliche ArztPatienten-Beziehung und Terminvereinbarungen in der Ambulanz bestanden, also zu dem Typus, bei
dem wie oben beschrieben ein erhöhtes Risiko für die Präsentation von mindestens drei somatoformen
Symptomen bestand (Gureje 2004).
In den letzten 20 Jahren wurde in einigen Initiativen, darunter dem ASIA-LINK-Projekt, ein
psychotherapeutisches Training chinesischer Ärzte durchgeführt.
12
Einleitung
1.2 Eigene Fragestellung und Hypothesen
Die vorliegende Studie untersucht das Vorliegen und die Ausprägung körperlicher Symptome ohne
ausreichenden Organbefund im Umfeld einer modernen chinesischen Großstadt. Krankheitsursachen
der Patienten und Ärzte beeinflussen das Krankheitsverhalten und die Prognose der MUS. Sie sind bei
chinesischen MUS-Patienten bisher nicht umfangreich untersucht.
Vor dem Hintergrund der weitgreifenden gesellschaftlichen Umbrüche in der Volksrepublik China
und der erst in den letzten Jahren steigenden Anerkennung der Psychotherapie und Psychosomatik
stellt sich zudem die Frage, wie die Arzt-Patienten-Interaktion bei somatisierenden Patienten in der
chinesischen Primärversorgung aussieht. Die vorliegende Studie möchte sich dem Stand der generell
als schwierig geltenden Behandlung somatoformer Störungen speziell im chinesischen Umfeld nähern,
indem sie die Patientenwahrnehmung mit der des Arztes vergleicht.
Die Studie befasst sich mit folgenden Fragestellungen:
Frage 1
Mit welchen körperlichen und psychischen Beschwerden präsentieren sich Patienten mit unerklärten
medizinischen Symptomen in Gynäkologie und Neurologie in China?
Hypothese 1
Die Patienten präsentieren sich vorrangig mit gynäkologischen beziehungsweise neurologischen
Symptomen, leiden jedoch auch unter weiteren körperlichen Symptomen. Das zusätzliche Vorliegen
seelischer Beschwerden bis hin zu Depression und Angststörung ist wahrscheinlich.
Frage 2
Welche Krankheitsursachen bestehen für Patienten mit körperlich unerklärten Symptomen in China,
welche bei den Ärzten, die sie behandeln?
Hypothese 2
Die Patienten halten multifaktorielle Erklärungsmodelle für ihre Beschwerden bereit. Die Mehrheit der
Patienten ist offen für psychosoziale Kausalattributionen. Die Krankheitsursachen der biomedizinisch
geprägten Ärzte sind überwiegend somatisch.
Frage 3
Stimmen die Krankheitsursachen von Arzt und Patient sowie deren Vorstellung von der richtigen
Behandlung überein?
Hypothese 3
13
Die Übereinstimmung der Krankheitsursachen ist eher schlecht. Die Behandlungserwartungen des
Patienten sind geprägt von den multifaktoriellen Krankheitsursachen und enthalten sowohl eine
somatische Therapie als auch eine psychologische Betreuung. Der biomedizinisch ausgebildete Arzt
konzentriert sich auf die symptomatische Therapie der körperlichen Probleme.
Frage 4
Welches Behandlungsergebnis wird erzielt in Bezug auf gegenseitiges Verständnis und Zufriedenheit
mit der Behandlung?
Hypothese 4
Aufgrund der allgemein schwierigen Behandlung somatoformer Patienten und dem begrenzten
Zugang zu psychotherapeutischer Therapie ist die Behandlungszufriedenheit der Patienten nicht sehr
hoch. Das gegenseitige Verständnis ist im unruhigen und unpersönlichen Ambulanzumfeld mäßig.
14
Methodik
2 Methodik
2.1 Setting
Die Datenerhebung wurde an zwei Stichproben durchgeführt und fand zum einen in der
neurologischen Fachambulanz des Dongfang-Krankenhauses (Shanghai East Hospital), zum anderen
in der gynäkologischen Ambulanz des Tongji-Universitätsklinikums in Shanghai statt. Das Dongfang
Krankenhaus wurde 1960 als Pudong Krankenhaus gegründet und ist seit den frühen 1960ern ein
Lehrkrankenhaus. Es wurde als US-amerikanisches Joint Venture modernisiert und bietet seit 2003
mit einer Größe von 650 Betten alle gängigen westlichen Fachrichtungen sowie einen Bereich für
traditionelle chinesische Medizin. Das Tongji-Krankenhaus wurde 1991 gegründet und ist inzwischen
zum Universitätsklinikum mit 580 Betten geworden.
Die ambulante Behandlung in der “outpatient clinic” im Krankenhaus ist gleichzusetzen mit dem
deutschen Praxisbesuch. Für die ambulante Behandlung zahlen die Patienten selbst, die Versicherten
bekommen im Nachhinein die Kosten rückerstattet. Für höhere Beträge kann jeder Patient sich bei
einem Spezialisten in der “specialist clinic” vorstellen, der mehr Zeit für den einzelnen Patienten zur
Verfügung hat.
Die neurologischen Patienten der vorliegenden Studie besuchten die von Fachärzten betreute
„specialist clinic“, die gynäkologischen Patientinnen wurden in der „outpatient clinic“ rekrutiert, in
der die Patienten von verschiedenen Fach- und Assistenzärzten betreut werden.
2.2 Rekrutierung
2.2.1 Neurologie
In der neurologischen Spezialambulanz im Shanghai East Hospital kümmert sich ein neurologischer
Facharzt um die Patienten. Eine Konsultation dauert durchschnittlich 15 Minuten, meist durch
weiterführende Untersuchungen unterbrochen. Das Patientenklientel besteht zu großen Teilen aus
Schlaganfall- und Kopfschmerzpatienten.
Im Verlauf des Arzt-Patienten-Gesprächs prüfte die Fachärztin/ der Facharzt (FA) jeden Patienten auf
das Vorliegen einer somatoformen Störung. Verdachtsmomente waren in vielen Fällen Schwindel und
Kopfschmerzen. Wenn Hinweise im Sinne mehrerer chronischer Beschwerden ohne ausreichenden
15
Organbefund bestanden, füllten die Patienten als zweite Screeningstufe den Fragebogen „Screening
auf somatoforme Störung“ (SOMS) aus.
Von den 35 Probanden, die die Ärzte für die Studie selektierten, entsprachen 12 Patienten den
Einschlusskriterien (34,2%).
Die positiv gescreenten Patienten nahmen zu 100% an der Studie teil.
Rekrutierung Neurologie
Alle Patienten
der
neurologischen
Ambulanz des
beteiligten FA
Anamnestisch
Hinweise auf
somatoforme
Störung?
Ja
Nein
SOMS
≥4
Symptome
seit ≥ 6
Monaten
Teilnahme
an der
Studie
<4
Symptome
Abbildung 1
2.2.2 Gynäkologie
In der gynäkologischen und geburtshilflichen Allgemeinambulanz des Tongji-Krankenhauses stehen
für 160-200 Patienten am Tag drei bis fünf Fach- und Assistenzärzte zur Verfügung. Die
geburtshilfliche Untersuchung findet räumlich und personell vom gynäkologischen Ambulanzbetrieb
getrennt statt. Die Konsultationsdauer beträgt durchschnittlich zehn Minuten und wird oft durch bis zu
einer Stunde dauernde Untersuchungs- und Bezahlgänge der Patienten in andere Stockwerke des
Ambulanzgebäudes unterbrochen.
Für die Anamnese stehen den Ärzten wenige Minuten zur Verfügung. Das Überprüfen auf eine
somatoforme Störung war in diesem Zeitrahmen nicht möglich. In diesem Setting stellte daher der
SOMS-Fragebogen die erste Screeningstufe dar. Er wurde an alle Patienten verteilt, die den Wartesaal
betraten. Ungefähr 9% der Patienten wurden nicht gescreent, weil sie sich außerhalb des
Wartebereichs aufhielten oder die Wartezeit zu kurz war. 2% der Patientinnen füllten den SOMSFragebogen nicht aus. Als Gründe nannten sie Zeitmangel, Analphabetismus oder fehlende Motivation
zur Teilnahme. Nachdem bei positiv gescreenten schwangeren Patientinnen mehrmals Schwierigkeiten
bei der Unterscheidung zwischen Symptomen der Schwangerschaft und somatoformen Symptomen
bestanden, wurden Schwangere im Laufe der Datenerhebung vom Screening ausgeschlossen.
16
Methodik
Wer den Ein- und Ausschlusskriterien entsprach wurde in einer zweiten Screeningstufe näher zu den
Symptomen, bestehenden Erkrankungen und Arztbesuchen befragt. In den meisten Fällen lag ein
Patientenheft vor, ein Äquivalent zur deutschen Patientenakte, das die Patienten zu Hause
aufbewahren und zu jedem Arztbesuch mitbringen. In diesem konnten die Angaben des Patienten
objektiviert werden. Bei 2,5% der Patientinnen, die die SOMS-Einschlusskriterien erfüllten, fanden
sich im Gespräch Ausschlusskriterien wie das Vorliegen organischer Erkrankungen, die die Symptome
erklären konnten. Zwei Patientinnen verweigerten die Teilnahme an der Studie.
Einige Patientinnen, die die SOMS-Einschlusskriterien erfüllten, konnten auf Grund von
Unauffindbarkeit oder Zeitmangel seitens der Patientinnen nicht befragt werden.
Von 667 gescreenten Patienten wurden schließlich 25 (3,8%) in die Studie aufgenommen.
Rekrutierung Gynäkologie
Alle Patientinnen
der
gynäkologischen
Ambulanz
SOMS
≥4
Symptome
seit ≥ 6
Monaten
Anamnestisch
Hinweise auf
somatoforme
Störung?
Ja
Teilnahme
an der
Studie
Nein
<4
Symptome
Abbildung 2
In beiden Ambulanzen wurden die Patienten und Ärzte von chinesischen Medizinstudenten betreut,
die zuvor über das Projekt und das Krankheitsbild aufgeklärt wurden.
Ergaben sich im Gespräch oder durch Informationen aus der Patientenakte sowie durch den
betreuenden Arzt starke Hinweise auf das Vorliegen einer somatoformen Störung, so wurden
Patienten mit drei Symptomen starker Ausprägung ebenfalls in die Studie aufgenommen. Dieses
Vorgehen betraf vier Patienten aus der Gynäkologie und einen Patienten aus der Neurologie.
Testweise wurde eine Stichprobe von 20 SOMS-Fragebögen auf einer gynäkologischen Station des
Tongji-Klinikums verteilt, wobei zwei Patientinnen die Einschlusskriterien erfüllten. Gründe für den
stationären Aufenthalt waren eine Abtreibung sowie eine gynäkologische Operation. Die
17
Beschwerden, die den Hinweis auf eine somatoforme Störung lieferten, waren den betreuenden Ärzten
in beiden Fällen nicht bekannt. Ärzte und Patienten bezogen sich bei Beantworten der Fragen nach
Krankheitsursache
wiederholt
auf
den
stationären
Aufnahmegrund
und
auch
die
Behandlungszufriedenheit war schwer zu beurteilen, so dass die die Datenerhebung im stationären
Setting abgebrochen wurde.
2.2.3 Ein- und Ausschlusskriterien
Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht über Ein- und Ausschlusskriterien der Studie.
Einschlusskriterien
Ausschlusskriterien
•≥ 4 Symptome ohne körperliche Erklärung
im SOMS
•Dauer ≥ 6 Monate
•Anamnestisch Hinweise auf somatoforme
Störung
•< 4 Symptome ohne körperliche Erklärung
im SOMS
• Dauer < 6 Monate
•Körperliche Ursache als Erklärung der
Symptome möglich
•Schwangerschaft
Abbildung 3
2.2.4 Information und Einverständniserklärung
Alle Patienten wurden vor Ausfüllen des Screeningfragebogens über die Freiwilligkeit und
Anonymität der Teilnahme aufgeklärt. Sie wurden darüber informiert, dass ihnen keinerlei Nachteile
entstehen, wenn sie die Teilnahme verweigern.
Bei Erfüllen der Einschlusskriterien wurden die Patienten in einem Gespräch über die Studie und ihre
Ziele informiert und nach ihrem Einverständnis zur Teilnahme gefragt. Mit ihrer Unterschrift
bestätigten die Patienten, dass sie informiert worden waren und der Auswertung und Verarbeitung der
erhobenen Daten zustimmten.
18
Methodik
2.3 Messinstrumente
2.3.1 Übersicht
Soziodemografische Daten
Freiburger Fragebogen für
Behandlungszufriedenheit
(Erfassung der
Behandlungszufriedenheit in
den letzten 6 Monaten)
HADS (Erfassung von
Depression und
Angststörung)
IPQ 18 (Erfassung der
Krankheitsursachen aus
Sicht des Patienten) +
Freitext zu
Therapiewünschen
T2
SOMS7 modifiziert+ Auszug
aus SOMS2 (Erfassung von
Dauer und Intensität
somatoformer Symptome,
Erfassung der Ein- und
Ausschlusskriterien)
T1
Screening
Die folgende Abbildung gibt eine Übersicht über die verwendeten Fragebögen und ihre Funktion.
Patient
CARE (Erfassung der
Empathie des Arztes aus
Sicht des Patienten)
Freiburger Fragebogen
zur
Behandlungszufriedenhei
t (Erfassung der
Patientenzufriedenheit
mit der aktuellen
Behandlung)
Arzt
Freiburger Fragebogen
zur
Behandlungszufriedenhei
t (Erfassung der
Patientenzufriedenheit
aus Sicht des Arztes)
IPQ 18 (Erfassung der
Krankheitsursachen aus
Sicht des Arztes) +
Freitext zu Diagnose und
Therapie
Abbildung 4
2.3.2 Fragebögen
2.3.2.1 Screening für somatoforme Störungen
(SOMS; Rief et al 1995-1996)
Das “Screening für somatoforme Störungen” wurde Anfang der 90er Jahre von RIEF et al entwickelt,
um Patienten mit einer somatoformen Störung zu identifizieren. Die zweite, aktuelle Fassung des
Fragebogens erfragt – angepasst an die ICD-10-Kriterien – 53 Symptome und enthält 15 weitere Items
zur Erfassung der zentralen Ein- und Ausschlusskriterien der Somatisierungsstörung nach ICD-10 und
DSM-IV. Dieser sogenannte SOMS-2 fragt mit Ja/Nein-Antwortmöglichkeiten nach medizinisch
19
unerklärten Symptomen der letzten 2 Jahre. Dies ist sinnvoll zur Identifikation von Risikopatienten.
Zur Verlaufskontrolle schon diagnostizierter Patienten eignet sich die dichotome Antwortskala nicht,
da nur das vollständige Verschwinden, nicht jedoch eine Milderung der Symptome, wie sie im Verlauf
oft auftritt, erfasst wird. Deshalb wurde von den Autoren des SOMS-2 eine Modifikation
vorgenommen, die der Veränderungsmessung im klinischen Alltag dient und zur Erfragung der
Symptome eine 5stufige Ordinalskala verwendet. Somit kann die Intensität der einzelnen Symptome
auf einer Skala mit 0= nicht vorhanden, 1=gering, 2=mittel, 3=stark, 4=sehr stark eingestuft werden.
Dieser sogenannte SOMS-7 fragt nach der Intensität der Symptome in den letzten 7 Tagen.
Aufgrund der geringen Prävalenz der somatoformen Störung nach der Definition in DSM III führten
Escobar et al 1989 eine vereinfachte Definition der Erkrankung ein. Ziel dieser Definition ist, das
Patientenkollektiv zu erfassen, dass unter der Diagnosegrenze der DSM-III-Kriterien liegt.
Diagnoseentscheidend ist hier der sogenannte Symptom Severity Index (SSI). Eine somatoforme
Störung liegt nach Escobars Modell vor, wenn bei Frauen 6, bei Männern 4 Symptome ohne
körperliche Ursache vorliegen (Escobar, Rubio-Stipec, et al. 1989) (Rief, Hiller und Heuser, SOMS Das Screening für somatoforme Störungen. Manual zum Fragebogen. 1997). Diese Vorgabe hat sich
als gut in der Praxis anwendbar erwiesen. Die vorliegende Studie orientierte sich an Escobars Modell.
Da in China die Symptomanzahl niedriger als im internationalen Vergleich liegt (Simon, von Korff, et
al. 1999), wurden hier weibliche Patienten ab 4 Symptomen, bei starkem Verdacht auf somatoforme
Störung auch mit 3 Symptomen, in die Studie aufgenommen.
Der deutsche SOMS besitzt eine gute Testqualität (Retest-Reliabilität 0,85/0,87, interne Konsistenz
α=0,88), die Sensitivität liegt bei 0,73, die Spezifität bei 0,94.
Für unsere Zwecke modifizierten wir den SOMS-7 auf 6 Monate und nahmen die Fragen 54-58 und 63
aus dem SOMS-2 mit auf.
Die für die vorliegende Studie übersetzte chinesische SOMS-Version ist nicht validiert.
2.3.2.2 Hospital Anxiety and Depression Scale
(HADS, Zigmond&Snaith 1983, chinesisch Lam 1995)
Die englische Originalversion wurde 1983 von Zigmonth und Snaith entwickelt und erfasst die
psychische Verfassung speziell bei körperlichen Beschwerden.
In zwei unabhängigen Subskalen wird nach je sieben häufigen Symptomen bei Depression und
Angsterkrankung gefragt, die Antworten ergeben 0-3 Punkte pro Frage. Werte ≤7 sind unauffällig,
Werte von 8-10 gelten als grenzwertig, Werte >10 als auffällig.
20
Methodik
Der HADS zeigt bei auffälligen Werten eine Sensitivität von 88% bei Angst und 77% bei Depression,
die Spezifität liegt bei 88% für Angst und 85% für Depression.
Die chinesische Version besitzt eine Sensitivität von 80% und eine Spezifität von 90%.
2.3.2.3 Illness Perception Questionnaire
(IPQ, Weinman 1996)
Der Illness Perception Questionnaire wurde 1996 von Weinman et al in Auckland entwickelt, um,
angelehnt an Leventhals self regulatory model, die fünf Komponenten der Krankheitsrepräsentation
(Identität, Konsequenzen, Zeitverlauf, Kontrolle/ Heilung, Ursachen) zu erfassen. Er fand seitdem
Verwendung bei verschiedenen Krankheiten, darunter Herzerkrankungen, rheumatoide Arthritis und
malignen Tumoren sowie bei diagnostischen Eingriffen wie der Koronarangiografie und genetischen
Testungen.
In der vorliegenden Studie wurde die Subskala “Ursachen” des IPQ-R verwendet. Der IPQ-R ist eine
revidierte Form des IPQ aus dem Jahr 2002 von Morris et al mit einer erhöhten Anzahl von 18 Items
zu
den
Krankheitsursachen
unter
Beibehaltung
der
fünfstufigen
Likert-Skala.
Die
Antwortmöglichkeiten rangieren von “nicht zustimmen” über “weder-noch” bis hin zu “zustimmen”.
Moss-Morris et al ordneten die 18 Items in die vier Attributionsskalen „psychologische Attribution“,
„Risikofaktoren“, „Immunität“, „Zufall/Unfall“ ein. Die Retest-Reliabilität der Attributionsskalen liegt
zwischen 0.53 und 0.88, die interne Konsistenz bei α=0.23-0.86 (Moss-Morris et al 2002).
Da der IPQ noch nicht in der chinesischen Sprache angewandt und für dieses Projekt übersetzt wurde,
wurde der Fragebogen um einen Anhang ergänzt, in dem Patient und Arzt drei weitere
Krankheitsursachen als Freitext nennen konnten. Somit bestand die Möglichkeit, im westlichen
Denken unübliche Krankheitsursachen aufzuführen. Im Anschluss an den IPQ-Fragebogen wurde der
Arzt wurde zusätzlich nach Diagnose und Therapie, der Patient nach seinem Therapiewunsch befragt.
2.3.2.4 Consultation and Relational Empathy
(CARE, Mercer 2003)
Der “Consultation and Relational Empathy”-Fragebogen untersucht krankheitsübergreifend die
ärztliche Empathie aus der subjektiven Sicht des Patienten. Er wurde von den Entwicklern um Mercer
schon häufig stationär und in Allgemeinarztpraxen eingesetzt und weiterentwickelt. 2008 wurde der
CARE von Neumann et al ins Deutsche übersetzt und bewertet.
21
Der Fragebogen enthält 10 Items, die mit einer fünfstufigen Likert-Skala (von “trifft zu” über “trifft
teilweise zu” bis hin zu “trifft nicht zu”) beantwortet werden.
Das schottische Original besitzt eine hohe interne Konsistenz von α=0,94/0,92. Die chinesische
Version wurde für die vorliegende Studie übersetzt und ist nicht validiert.
2.3.2.5 Freiburger Fragebogen zur Patientenzufriedenheit
(Betz 2003)
Dieser Fragebogen wurde im Rahmen eines DFG-Projektes zum Thema „Spezifische psychosoziale
Interventionen des Hausarztes bei somatoformen Störungen“ erstellt und untersucht in zwei
parallelisierten Ausführungen mit 13 Items in der Arzt- und 12 Items in der Patientenversion
Therapieerfolg und –zufriedenheit sowie das gegenseitige Verständnis. Er wurde in Anlehnung an das
von Goldberg (1989) beschriebene Reattributionsmodell verfasst und folgt den Kriterien für eine
erfolgreiche und zufriedenstellende Arzt-Patienten-Beziehung somatisierender Patienten von Sharpe et
al (1995) und dem Helping Alliance Questionnaire von Luborsky (1998). Bisher wurde er in
deutschen Studien in der Primärversorgung eingesetzt (Betz 2003, Fritzsche et al 2009).
Der Fragebogen zeigt eine gute Reliabilität, Cronbach’s alpha liegt zwischen 0,89 und 0,93. Die
chinesische Version wurde für die vorliegende Studie erstellt und ist nicht validiert.
Im Gegensatz zu bisherigen Studien mit einer fünfstufigen Skala wurden in der vorliegenden Version
eine sechs Stufen benutzt, wobei 0 die schlechteste und 5 die beste Bewertung der Frage darstellt.
2.3.3 Übersetzung
Die Patienten- und Arztinformation, die soziodemografischen Daten sowie die Fragebögen SOMS,
IPQ, CARE und Freiburger Fragebogen zur Patientenzufriedenheit wurden nach den ITC Guidelines
(Coyne 2005) von zwei chinesischen Muttersprachlern unabhängig voneinander vom Deutschen ins
Chinesische übersetzt. Die beiden Übersetzer einigten sich nach gemeinsamer Durchschau der beiden
Versionen auf eine Endfassung. Diese wurde von einer deutschen Sinologin zur Kontrolle ins
Deutsche rückübersetzt.
Die HADS-Fragebogen lag in chinesischer Form vor.
22
Methodik
2.4 Statistische Auswertung
Zur Auswertung der Ergebnisse wurden die Methoden der beschreibenden Statistik angewandt. Im
Einzelnen wurden die Häufigkeiten sowie das arithmetische Mittel mit Standardabweichung und
Spannweite berechnet. Zur Überprüfung der Ausgangshypothesen wurde der Korrelationskoeffizient
nach Pearson berechnet.
Die Angabe des Signifikanzniveaus orientiert sich an folgender Einteilung:
Hoch signifikant:
p < 0,01
Signifikant:
0,01 < p ≤ 0,05
Tendenziell bedeutsam:
0,05 < p ≤ 0,10
Keine Signifikanz:
p > 0,10
Die Höhe der Korrelation wurde unterteilt in:
Keine bis sehr geringe Korrelation
0 < r ≤ 0,2
Geringe (schwache) Korrelation
0,2 < r ≤ 0,5
Die statistischen Berechnungen wurden mit dem Statistikprogramm SPSS 16.0 durchgeführt.
23
3 Ergebnisse
Im Ergebnisteil erfolgt die statistische Auswertung der soziodemografischen Daten sowie der
Fragebögen SOMS-7, SOMS-2, HADS, IPQ, Care und des Freiburger Fragebogen zur
Behandlungzufriedenheit. Die Präsentation der Ergebnisse orientiert sich an der Fragestellung der
Studie, die in der Einleitung erläutert wird.
3.1 Beschreibung der Patientenstichprobe
3.1.1.1 Soziodemografische Daten
Die soziodemografischen Daten wurden mit Hilfe eines Fragebogens ermittelt, der nach Geschlecht,
aktueller Lebenssituation, Familienstand, Beruf, Ausbildung und Alter fragt. Bei der Herkunft wird
unterschieden zwischen Shanghai und dem Rest von China.
36 (97,3%) der 37 Studienteilnehmer sind weiblich, ein Teilnehmer ist männlich. Wir unterschieden
zwischen in Shanghai und auswärtig geborenen Teilnehmern, wobei die Verteilung mit 19 Patienten
(54%) aus Shanghai und 16 Patienten (46%) aus anderen Teilen Chinas homogen ausfällt. Das Alter
der Patienten liegt zwischen 20 und 69 Jahren, der Mittelwert liegt bei 38,92 Jahren.
Mit einem Anteil von 62,2% ist die Mehrheit der Patienten verheiratet. Nur zwei Patientinnen sind
geschieden. Zwei Drittel der Patienten lebt mit dem Partner zusammen, davon die Hälfte mit Kind. 5
Frauen (13,5%) sind alleinerziehend. Je 18,9% sind selbstständig, angestellt oder berentet. Weiterhin
gibt es fünf Arbeiter/innen (13.51%) und zwei Hausfrauen (5,41%). Unter den Teilnehmern sind
jeweils nur eine Beamtin, eine Studentin und eine Arbeitslose (je 2,7%).
Mit 62% hat die Mehrheit der Studienteilnehmer einen mittleren Bildungsabschluss (40,5% Junior
High School, 21,5% Senior High School). Drei Patientinnen (8,1%) haben nur die Grundschule
besucht. 27% besitzen einen Universitätsabschluss auf Bachelorniveau, eine Patientin (2,7%) sogar
einen Masterabschluss. Dies stellt in Bezug auf die Grundgesamtheit der chinesischen
Bevölkerungsstruktur eine Abweichung nach oben dar.
24
Ergebnisse
Tabelle 1: Soziodemografische Daten
Anzahl nicht
Anzahl nicht
gültige %
gültige%
Geschlecht
männlich
1
2,7%
weiblich
36
97,3%
Herkunft
Shanghai
19
51,4%
Nicht Shanghai
16
43,2%
Familienstand
unverheiratet
5
13,5%
geschieden
2
5,4%
verheiratet
23
62,2%
verwitwet
3
8,1%
getrennt lebend
1
2,7%
sonstiges
3
8,1%
alleinstehend
2
5,4%
bei den Eltern lebend
2
5,4%
in Partnerschaft
12
32,4%
mit Partner und
13
35,1%
Aktuelle
Lebenssituation
Kind(ern)
alleinstehend mit
5
13,5%
sonstiges
3
8,1%
7
18,9%
Hausfrau/
2
5,4%
Kind(ern)
Beruflicher
selbstständig
Hausmann
Status
Alter
im Familienbetrieb
1
2,7%
arbeitslos
1
2,7%
Beamter/ Beamtin
1
2,7%
berentet
7
18,9%
Angestellte/r
7
18,9%
arbeitsunfähig
0
0
Arbeiter/in
5
10,8%
Student
1
2,7%
sonstiges
1
2,7%
Mittelwert
36
38,92
Standardabweichung
Bildungsstatus
14,58
Analphabet
-
-
Senior High school
8
21,6%
Primary School
3
8,1%
Bachelorabschluss
10
27%
Junior High School
15
40,5%
Masterabschluss
1
2,7%
25
3.1.1.2 Vorerkrankungen
Die Patienten konnten in Form einer Ja/Nein-Alternative angeben, ob sie Vorerkrankungen besitzen.
Nicht immer lag uns eine schriftliche Dokumentation der Vorgeschichte vor, anhand derer die
Angaben der Patienten überprüft werden konnten.
45,9% geben an, an gynäkologischen/urologischen Krankheiten zu leiden, gefolgt von
dermatologischen Erkrankungen, unter denen 21,6% leiden. Auf dem dritten Platz liegen
gastrointestinale Krankheiten (18,9%). Neurologische Erkrankungen geben 50% der Patienten in der
neurologischen Fachambulanz an. Zudem werden metabolische (10,8%), pulmonologische und
kardiovaskuläre (je 8,1%) Vorerkrankungen genannt. Fünf Patienten geben „andere“ Erkrankungen
an, machen jedoch keine genaueren Angaben.
3.1.1.3 Behandlungssituation
Um die aktuelle Behandlungssituation der Patienten abschätzen zu können, wurden sie danach gefragt,
ob sie schon einmal in der Ambulanz des jeweiligen Krankenhauses und der Fachrichtung waren und
wie lange sie die aktuell verordnete Therapie schon erhalten.
Tabelle 2: Behandlungssituation
n
%
n
%
nein
23
62,2%
Ist dies das erste Mal, dass Sie diese Ambulanz besuchen?
ja
14
37,8%
Seit wann erhalten Sie Ihre aktuelle Behandlung?
das erste Mal
16
45,7%
< 6 Monate
0
0
< 1 Monat
7
20%
> 6 Monate
11
31,4%
< 3 Monate
1
2,9%
Anmerkung: Die Prozente werden als gültige Prozente angegeben.
26
Ergebnisse
3.2 Mit welchen körperlichen und psychischen Beschwerden präsentieren
sich Patienten mit medizinisch unerklärten Symptomen in Gynäkologie
und Neurologie in China?
3.2.1 Fragebögen zur somatoformen Störung: SOMS7 und SOMS2
Um den unterschiedlichen Definitionen der somatoformen Störung in den Klassifikationssystemen
DSM-IV und ICD-10 gerecht zu werden, bestimmt man bei der Auswertung des SOMS einen
klassifikationsübergreifenden
“Beschwerdenindex
Somatisierung”,
der
alle
53
Symptome
berücksichtigt.
3.2.1.1 Beschwerdenanzahl
Der Beschwerdenindex Somatisierung ist die zentrale abhängige Variable des SOMS, er stellt die
Summe der positiv beantworteten Symptome dar.
Da in dieser Arbeit nur Symptome in der SOMS-7-Skala als diagnoserelevant gewertet werden, die
das alltägliche Leben stören, wurden zur Berechnung des Beschwerdenindex ausschließlich
Symptome der Stärke 3 und 4 gewertet.
Um die Relation der im Alltag störenden Symptome zu den insgesamt verspürten Symptomen, also
einschließlich Symptomen der Stärke 1 und 2, aufzuzeigen, ist die nicht diagnoserelevante
Gesamtsymptomanzahl zusätzlich aufgelistet.
Tabelle 3: Beschwerdenanzahl
Beschwerdenindex
Gesamt-
n (Anzahl
Somatisierung
symptomanzahl
Patienten)
(Neurologie/Gynäkologie)
Mittelwert
7,7
(9,5/6,84)
20,19
Minimum
3
(3/3)
5
Maximum
22
(21/22)
37
37
Maximale Symptomzahl im Beschwerdenindex Somatisierung: 52 für Frauen, 48 für Männer
Mit einer Spannweite von 3 bis 22 Symptomen liegt der Mittelwert des Beschwerdenindex bei 7,7
Symptomen. In der Neurologie liegt der Mittelwert für alltagsrelevante Symptome um 2,66 Symptome
höher als in der Gynäkologie (AM(Neurologie)= 9,5, AM(Gynäkologie)= 6,84).
Betrachtet man die Gesamtsymptomanzahl, also Symptome der Stärke 1 bis 4, verschwindet dieser
27
Unterschied, die beiden Stichproben unterscheiden sich nur um 0,09 Symptome (AM(Neurologie):
20,25, AM(Gynäkologie): 20,16).
Die Kriterien für eine autonome somatoforme Angststörung erfüllen fünf neurologische und sieben
gynäkologische Patienten, was 32% der Studienteilnehmer beträgt.
3.2.1.2 Symptomhäufigkeit
Die sechs am häufigsten genannten, alltagsrelevanten Symptome, also Symptome der Stärke 3 oder 4,
sind das Herzrasen/-stolpern (n=17, 45/ 95%), unregelmäßige Menstruation (n=14/ 41,18%), schnelle
Erschöpfbarkeit
(n=14/
37,84%),
Kopf-
und
Gesichtsschmerzen
(n=13/
35,14%)
sowie
Mundtrockenheit und Druck in der Herzgegend (je n=12 / 32,43%).
Nie
genannt
werden
rektale
Impotenz/Ejakulationsstörungen.
28
Schmerzen,
Stimmlosigkeit/Heiserkeit,
Amnesie
und
Ergebnisse
Häufigkeit medizinisch unerklärter Symptome in Prozent
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
Herzrasen/-stolpern
50
46,0
41,2
Schnelle Erschöpfbarkeit
37,8
35,1
32,4
32,4
30,6
Mundtrockenheit
Schlechter Geschmack/belegte Zunge
27,0
27,0
25,0
24,3
23,5
22,2
21,2
20,0
19,4
19,4
18,9
18,9
18,8
16,7
16,2
16,2
14,3
13,9
13,5
11,4
11,1
11,1
Atemnot
Schweißausbrüche (heiß/kalt)
Hitzewallung/Flush
Erhöhte Atemfrequenz
Sexuelle Gleichgültigkeit
Muskellähmung/-schwäche
Gelenkschmerzen
Häufiges Wasserlassen
Unangenehmes Kribbeln
Völlegefühl
Lebensmittelunverträglichkeit
8,3
8,3
8,3
8,1
8,1
8,1
8,1
8,1
6,7
5,7
5,7
5,6
5,6
5,6
5,4
5,4
5,4
5,4
Luftschlucken, Sodbrennen
Brustschmerzen
Häufiger Stuhldrang
Krampfanfälle
Schmerzen beim Wasserlassen
Wasserverlust aus dem Darm
Blindheit
Schluckstörung/Kloßgefühl
Bewusstlosigkeit
2,7
2,7
Doppelbilder
Stimmlosigkeit, Heiserkeit
Ejakulationsstörungen/Impotenz
0,0
0,0
0,0
0,0
Abbildung 5
29
3.2.1.3 Betroffene Organsysteme
Die Definitionen der Somatisierungsstörung in den gängigen Klassifikationssystemen ICD-10 und
DSM-IV enthalten beide eine Unterteilung in je vier Organsysteme. In Tabelle 4 ist dargestellt, wie
viele Patienten jedes Symptom der Gruppe und wie viele Patienten mindestens ein Symptom der
jeweiligen Gruppe nennen.
Tabelle 4: Betroffene Organsysteme
DSM-IV
Jedes Symptom
Mindestens ein ICD-10
Jedes Symptom
Mindestens ein
pro Patient in
Symptom der
pro Patient in %
Symptom der
%(n Patienten)
Gruppe in %
(n Patienten)
Gruppe in %
Schmerz (9)
15% (5,7)
73%
Haut/Schmerz (5)
17% (6,2)
54%
Gastrointestinal (5)
10% (3,8)
35%
Gastrointestinal (8)
12% (4,6)
54%
Geschechtsorgane
16% (5,8)
54%
Urogenital (5)
14% (5)
46%
5% (1,9)
38%
Kardiovaskulär (2)
18% (6,5)
30%
(5)
Pseudoneurologisch
(13)
Anmerkung: in Klammern in Spalte 1 und 4 die Anzahl an Symptomen zum betreffenden Organsystem
3.2.1.4 Weitere Ein- und Ausschlusskriterien: Auszug aus SOMS-2
Um die weiteren Einschlusskriterien für das Vorliegen einer Somatisierungsstörung abzudecken,
wurde der Screeningfragebogen um sechs Items aus dem SOMS-2-Fragebogen ergänzt.
67,57% der Patienten waren wegen der genannten Beschwerden mindestens dreimal beim Arzt und
erfüllen somit ein Einschlusskriterium laut ICD-10. In keinem der Fälle konnte der Arzt eine
körperliche Ursache für die Beschwerden finden. Akzeptieren können dies nur 40,5% der Patienten.
Eine Beeinträchtigung für das Wohlbefinden stellen die Beschwerden bei 94,6% der Patienten dar,
eine starke Beeinträchtigung im Alltagsleben sehen 83,8%. Bei allen Patienten liegen die Symptome
seit mindestens sechs Monaten vor. Bei 37,8% bestehen sie seit zwei Jahren, was ein weiteres
Einschlusskriterium für die volle Somatisierungsstörung in der ICD-10 -Klassifikation darstellt.
30
Ergebnisse
Tabelle 5: Alltagsbeeinträchtigung
Itemnr
54
Frage
n
%
n
%
Wie oft haben Sie wegen Ihrer Beschwerden einen Arzt aufgesucht?
nie
5
13,5%
6-12 mal
2
5,4%
1-2 mal
7
18,9%
> 12 mal
11
29,7%
3-6 mal
12
32,4%
37
100%
55
Konnte der Arzt für die Beschwerden eine genaue Ursache finden?
ja
56
0
0
nein
Wenn der Arzt Ihnen sagte, dass für Ihre Beschwerden keine Ursachen zu finden seien, könnten Sie
das akzeptieren?
ja
57
15
35
22
59,5%
94,6%
2
5,4%
nein
6
16,2%
nein
Haben die genannten Beschwerden Ihr Alltagsleben stark beeinträchtigt?
ja
63
nein
Haben die genannten Beschwerden Ihr Wohlbefinden sehr stark beeinträchtigt?
ja
58
40,5%
31
83,8%
Wie langen halten diese Beschwerden nun schon an?
< 6 Monate
0
0
1-2 Jahre
8
21,6%
6 Monate - 1 Jahr
15
40,5%
> 2 Jahre
14
37,8%
3.2.2 Die Komorbidität mit Angststörung und Depression: HADS
Alle 37 Patienten füllten den HADS aus. Der Mittelwert des Angstscores beträgt 10,43 Punkte bei
einer Spannweite von 2 bis 18. Beim Depressionsscore liegt der Mittelwert bei 9 Punkten mit einer
Spannweite von 2 bis 19.
Fast die Hälfte der Patienten (n=17, 45,95%) haben einen Angstscore > 10 Punkte und leiden demnach
unter einer potenziellen Angststörung. Bei den Depressionsscores haben nur 27,03% einen auffällig
hohen Wert. Die meisten Patienten (n=15, 40,54%) liegen hier im unauffälligen Bereich von < 8
Punkten. Die Hälfte der Patienten (n=19, 51,35%) ist psychisch stark belastet, weist also entweder in
der Angst- oder in der Depressionsskala Werte >10 auf.
31
Tabelle 6: Komorbidität mit Angst und Depressionsstörung
<8
8-10
>10
Summenscore
Min
Max
n
%
n
%
n
%
Depression
15
40,54
12
32,43
10
27,03
9
2
19
Angst
8
21,62
12
32,43
17
45,95
10,43
2
18
19,43
4
35
Depression
7,96
2
14
Angst
9,2
2
15
Depression
11,17
5
19
Angst
13
7
18
Gesamtscore
Gynäkologie
Neurologie
Skalierung pro Frage: 0=unauffällig bis 3=stark auffällig; maximaler Summenscore: 21 Punkte (aus 7 Fragen); maximaler
Gesamtscore 42 Punkte (aus 14 Fragen)
In der Neurologie liegen die Mittelwerte für beide Scores mit 13 Punkten für eine potenzielle
Angststörung und 11,17 Punkten im Bereich Depression deutlich über den Mittelwerten für die
gynäkologischen Patientinnen (Angst=9,2, Depression=7,96).
Acht Patienten (21,62%) haben sowohl auffällige Angst- als auch Depressionsscores, davon stammen
sieben Patienten (87,5%) aus der neurologischen und nur eine Patientin aus der gynäkologischen
Ambulanz.
3.2.3 Zusammenhang zwischen Angst/Depression und somatoformen Symptomen
Zwischen der Gesamtsymptomanzahl im SOMS-7 (Beschwerdenindex Somatisierung) und dem
Gesamtscore im HADS besteht eine schwache, aber mit p=0,021 signifikante Korrelation von 0,378
(Pearson-Koeffizient).
32
Ergebnisse
HADS-Gesamtscore und SOMS-7-Symptomanzahl
25
20
Symptomanzahl SOMS-7
15
10
5
0
0
5
10
15
20
25
30
35
40
HADS-Gesamtscore
Abbildung 6
3.3 Welche Krankheitskonzepte bestehen für Patienten mit körperlich
unerklärten Symptomen in China, welche bei den Ärzten, die sie
behandeln?
3.3.1 Krankheitsursachen bei Arzt und Patient im Vergleich: der IPQ
3.3.1.1 Häufigkeit
3.3.1.1.1 Häufigste Nennungen
Die folgenden Daten beziehen sich auf die Nennung der jeweiligen Punkte als Krankheitsursache, das
heißt die Patienten und Ärzte gaben eine 4 (“stimmt”) oder 5 (“stimmt voll und ganz”) im Fragebogen
an.
Die drei am häufigsten genannten Krankheitsursachen sind bei den Patienten „Stress und Sorgen“
(45,95%), „emotionaler Status“ (43,24%) und „Überarbeitung“ (29,73%).
33
Keine Rolle spielen „Vererbung“ und „Alkohol“, diese beiden Punkte werden nie als Ursache
angegeben. „Umweltverschmutzung oder –gifte“ wird nur von einem Patienten, „Rauchen“ nur von
zwei Patienten genannt.
Hauptursachen der Beschwerden aus Patientensicht
60
40
20
0
Abbildung 7
Hauptursachen der Beschwerden aus Sicht der Ärzte
Prozent
60
40
20
0
Abbildung 8
Die Ärzte sehen an erster Stelle der Krankheitsursachen ebenfalls „Stress und Sorgen“ (50%). Darauf
folgen „negative Lebenseinstellung“ (36,11%), „familiäre Probleme“ (33,33%) und „emotionaler
Status des Patienten“ (27,78%). An fünfter Stelle tritt im Gegensatz zu den Ergebnissen bei den
34
Ergebnisse
Patienten die „Vererbung“ auf (25%). Die am wenigsten genannten Attributionen sind „Ernährung“,
„Umwelt“, „Alkohol“ und „Unglück/Zufall“ mit je 5,56%.
3.3.1.1.2 Mittelwerte
Das arithmetische Mittel der Items bestätigt die Ergebnisse der Häufigkeitsberechnung. Die am
häufigsten als zutreffend markierten Krankheitsursachen erhalten die höchsten Mittelwerte.
Tabelle 7: Krankheitsursachen von Patienten und Ärzten (nach absteigendem Mittelwert)
Itemnr Patienten
Mittelwert SD
Itemnr Ärzte
Mittelwert SD
1
Stress, Sorgen
3,30
0,939
1
Stress, Sorgen
3,19
1,238
12
Emotionale Probleme
3,19
0,995
9
Lebenseinstellung
2,75
1,228
11
Überarbeitung
2,95
1,026
2
vererbt
2,72
1,111
18
Schwaches Immunsystem 2,64
0,931
18
Schwaches Immunsystem 2,69
0,980
13
Altern
2,62
0,924
12
Emotionale Probleme
2,67
1,121
9
Lebenseinstellung
2,54
0,989
8
Lebensstil
2,61
1,022
17
Persönlichkeit
2,47
1,276
11
Überarbeitung
2,61
1,076
4
Ernährung
2,44
1,107
3
Bakterien/Viren
2,50
1,320
10
Familiäre Sorgen
2,42
1,156
13
Altern
2,50
1,231
8
Lebensstil
2,35
0,857
17
Persönlichkeit
2,44
0,998
6
Schlechte
2,22
1,017
10
Familäre Sorgen
2,42
1,296
mediz.Versorgung
3
Bakterien/Viren
2,19
1,091
4
Ernährung
2,36
0,931
5
Pech/Zufall
2,14
1,084
6
Schlechte
2,08
1,052
mediz.Versorgung
7
Umweltverschmutzung
2,00
0,745
7
Umweltverschmutzung
2,06
0,860
16
Unfall/Verletzung
1,81
0,908
5
Pech/ Zufall
2,03
1,082
2
vererbt
1,70
0,702
16
Unfall/Verletzung
2,00
0,828
15
Rauchen
1,68
0,818
15
Rauchen
1,83
0,878
14
Alkohol
1,62
0,639
14
Alkohol
1,78
0,797
Skalierung: 1=stimmt gar nicht, 2=stimmt nicht, 3=weder noch, 4=stimmt, 5=stimmt voll und ganz
35
3.3.1.2 Freitext
Im Freitext, der auf die 18 Items des IPQ folgt, konnten Arzt und Patient die ihrer Meinung nach
wichtigsten Ursachen angeben. Zudem sollte so vermieden werden, dass wichtige Krankheitsursachen,
die eventuell in der Laienvorstellung unter Chinesen oder unter chinesischen Ärzten bestehen, in
westlichen Settings aber keine Rolle spielen und deshalb nicht im IPQ enthalten sind, übersehen
werden.
Zusätzlich konnten die Patienten Therapiewünsche äußern, die Ärzte wurden nach der Diagnose und
ihrem therapeutischem Vorgehen gefragt. Die Angaben zur Therapie werden unter Hypothese 3
vorgestellt.
3.3.1.2.1 Krankheitsursachen aus Patientensicht im Freitext
Die Antworten im Freitext ergeben keine neuen Krankheitsursachen. Der IPQ-Fragebogen scheint
auch in der chinesischen Laien- und ärztlichen Vorstellung alle wichtigen Ursachen abzudecken. In
43% der Fälle werden im Freitext Krankheitsursachen genannt, die im IPQ als nicht zutreffend
markiert werden. Die Liste der Krankheitsursachen eines Patienten wird durch den Freitext fast immer
um eine neue Attributionsskala (siehe unten) erweitert.
Die wichtigsten Ursachen aus Patientensicht sind auch im Freitext psychisch, 54% der Patienten
nennen mindestens eine Ursache aus dieser Attributionsgruppe. „Sorgen und Druck“ als Ursache
liegen wie im IPQ-Bogen auf dem ersten Platz, emotionale Ursachen mit liegen sieben Nennungen auf
dem dritten Platz. Körperliche Ursachen nennen 32% der Patienten, „schwaches Immunsystem“ wird
mit fünfmal am häufigsten in dieser Gruppe erwähnt. Am zweithäufigsten nach dem Punkt
„Sorgen/Druck“ wird mit 22% das „Altern“ genannt. Auch „familiäre Probleme“ und
„Überarbeitung“ werden mit je 16%, also sechs Patienten, häufig erwähnt.
36
Ergebnisse
Tabelle 9: Krankheitsursachen aus Patientensicht im Freitext
Wichtigste Ursache
% der
Anzahl Nennungen
Patienten
Psychische Ursachen (ausgenommen familiäre Probleme und
54%
30
32%
13
24%
11
Altern
22%
8
Familiäre Probleme
16%
6
Überarbeitung
16%
6
Lebensereignisse
11%
4
5,4%
3
5,4%
2
Überarbeitung)
(14x Sorgen und Druck, 7x emotionale Probleme, 4xPersönlichkeit, 2x
Einstellung zum Leben, 1x psychische Probleme, 1x „unglücklich“, 1x
„Grübeln“)
Körperliche Ursachen
(5x
schwaches
Immunsystem,
2x
Viren/
Bakterien,
je
1x
Hormonhaushalt, gynäkologisches Problem, Mangeldurchblutung des
Gehirns, Kopfschmerzen, Rückenproblem, Herzproblem, Hüftproblem,
körperliche Ursache, chronische Erkrankung)
Risikofaktoren (außer Altern)
(3xgenetisch, 3x schlechte frühere Behandlung, 2x Ernährung,
1xRauchen, 2x Lebensstil)
(je 1x Abtreibung, Geburt, Tod des Ehemanns vor 5 Jahre, Ortswechsel
und mangelnde Kommunikation)
Zufall/Unfall
(2x Unfall, 1x Zufall)
Anderes
(Geldprobleme, „nicht gesund und nicht krank“)
3.3.1.2.2 Krankheitsursachen aus Sicht der Ärzte im Freitext
Die Ärzte nennen im Freitext noch häufiger als die Patienten „Druck und Sorgen“ als Ursache, wobei
ebenfalls 54% der Ärzte psychische Ursachen im Allgemeinen angeben. Am zweithäufigsten wird hier
allerdings mit zehn Nennungen eine genetische Ursache angegeben, gleichauf mit familiären
Problemen. Die Risikofaktoren liegen als Gruppe mit 43% der Fälle auf dem zweiten Platz, die
körperlichen Ursachen auf dem dritten Platz. „Altern“ und „Überarbeitung“ werden nur in je 8% der
37
Fälle genannt.
Tabelle 10: Krankheitsursachen aus Sicht der Ärzte im Freitext
Wichtigste Ursache
%
n
54%
31
43%
21
30%
19
Familiäre Probleme
27%
10
Überarbeitung
8%
3
Altern
8%
3
Zufall/Unglück
2,7%
1
Anderes
2,7%
2
Psychische Probleme
(16x Druck/Sorgen, 7x negative Lebenseinstellung, 4x emotionale
Probleme, 2x Persönlichkeit, 2x psychische Probleme)
Risikofaktoren
(10x genetisch, 5x Lebensstil, 2x sexuelle Aktivität, 3x Ernährung, 1x
tägliche Hygiene)
Körperliche Ursachen
(6x
Bakterien/Viren,
Endometriumschaden,
5x
schwaches
Immunsystem,
3x
je 1x Menopause, Pilzinfektion, körperliche
Ursache, körperliche Verfassung, Hormonhaushalt)
(zu viel Werbung, fehlende medizinische Kenntnisse)
3.3.1.3 Unterteilung der Krankheitsursachen in Attributionsskalen
Moss-Morris et al teilten die Items des IPQ-R in vier Skalen ein (Moss-Morris et al 2002).
Unter die erste Skala, die psychologischen Attributionen, fallen „Stress und Sorgen“ (C1),
„Einstellung, negatives Denken über das Leben“ (C9), „Familiäre Probleme und Sorgen“ (C10),
„Überarbeitung“ (C11), „emotionales Befinden“, „Niedergeschlagenheit, Einsamkeit, Angst,
Leeregefühl“ (C12) und „Persönlichkeit“ (C17).
Die zweite Skala besteht aus Risikofaktoren wie „Vererbung“ (C2), „Ernährungsgewohnheiten“ (C4),
„schlechte medizinische Versorgung in der Vergangenheit“ (C6), „eigenes Verhalten/ Lebensstil“
(C8), „Altern“ (C13), „Rauchen“ (C15) und „Alkohol“ (C14).
Immunologische Ursachen wie „Bakterien/Viren“ (C3), „Umweltverschmutzung und –gifte“ (C7) und
„verändertes Immunsystem“ (C18) stellen die dritte Skala dar.
Die vierte und kleinste Skala ist der Unfall oder Zufall, mit den gleichnamigen Items „Zufall/ Pech“
38
Ergebnisse
(C5) und „Unfall/Verletzung“ (C16).
Tabelle 8: Krankheitsursachen nach Attributionsskalen
Psychologische
Immunität
Risikofaktoren
Unfall/Zufall
Attributionen
Mittelwert Patienten
2,81
2,28
2,09
1,97
Mittelwert Ärzte
2,68
2,42
2,27
2,01
Bei den Ärzten kommen die zwei, bei den Patienten die drei wichtigsten Krankheitsursachen aus dem
Gebiet der psychologischen Attributionen. Die psychologischen Ursachen bilden auch bei Betrachtung
des gemeinsamen Mittelwertes die wichtigste Skala, gefolgt von immunologischen Faktoren.
Im Durchschnitt geben die Patienten 3,14 Attributionen an, wobei die Spannweite 0 bis 8
Krankheitsursachen umfasst. Diese stammen aus im Mittel 1,7 der vier Attributionsskalen, die
Spannweite erstreckt sich dabei von 0 bis 4. Berücksichtigt man die Freitextangaben, so steigt die
mittlere Attributionszahl auf 3,95 Attributionen aus 2,16 Attributionsskalen. 68% der Patienten nennen
mehr als eine Krankheitsursache, unter Berücksichtigung des Freitextes sogar 95% der Patienten.
Dabei stammen die Attributionen in 57% der Fälle aus verschiedenen kausalen Skalen, mit den
Freitextangaben sogar zu 81%.
3.4 Stimmen die Krankheitskonzepte von Arzt und Patient überein und
wie spiegelt sich dies in der Behandlungserwartung des Patienten und
der Behandlung durch den Arzt wieder?
3.4.1 Korrelationsanalyse der Krankheitsursachen bei Arzt und Patient
Die Korrelationsanalyse der 18 Items des Arzt- und des Patientenfragebogens bezüglich der
Krankheitsursachen (IPQ) mit dem Pearson-Korrelationskoeffizienten ergibt bei drei Attributionen
eine signifikante schwache Korrelation.
Dazu zählt Item 3, “Zufall/Pech“. Ärzte und Patienten sind sich bei Mittelwerten 2,03 und 2,14 einig,
dass dies nicht die Ursache für die Beschwerden ist. 67,57% der Patienten und 63,89% der Ärzte
geben an, dies sei nicht die Krankheitsursache.
Desweiteren ergibt sich ein signifikanter Zusammenhang für Item 9 “negative Lebenseinstellung”. Bei
den Ärzten liegt diese Ursache mit einem Mittelwert von 2,75 auf dem zweiten Platz, bei den
39
Patienten mit 2,54 an sechster Stelle. Insgesamt wurde die Lebenseinstellung bei 36,11% der Ärzte
und bei 21,6% der Patienten als Ursache für die Beschwerden genannt.
Das dritte Item, bei dem ein signifikanter Zusammenhang festgestellt werden kann, ist Item 15,
„Rauchen“. Es liegt bei den Ärzten und Patienten mit 1,83 und 1,68 an 17. Stelle. Die beiden Seiten
sind sich also ein zweites Mal einig, was nicht die Ursache der Beschwerden sein kann. 89,19% der
Patienten und 77,78% der Ärzte meinen, das Rauchen sei nicht verantwortlich.
Die restlichen Items zeigen keinen signifikanten Zusammenhang.
Eine schwache, nicht signifikante Korrelation zwischen 0,2 und 0,5 ergibt sich bei den Items „Stress
und Sorgen“, „Viren/ Bakterien“, „Verhalten des Patienten“, „Altern“, „Alkohol“ und
„Persönlichkeit“.
Tabelle 11: Korrelation der Krankheitsursachen von Arzt und Patient
Korrelation
Signifikanz
(Pearson)
α=5% 2seitig
Anzahl
Sorgen, Stress
0,236
Schwache Korrelation
0,167
36
Bakterien/Viren
0,267
Schwache Korrelation
0,122
35
Zufall/ Pech
0,357
Schwache Korrelation
0,033
35
Verhalten
0,216
Schwache Korrelation
0,205
36
0,395
Schwache Korrelation
0,017
36
Altern
0,273
Schwache Korrelation
0,107
36
Alkohol
0,216
Schwache Korrelation
0,205
36
Rauchen
0,393
Schwache Korrelation
0,018
36
Persönlichkeit
0,214
Schwache Korrelation
0,217
35
Negative
Einstellung
zum
Leben
3.4.2 Übereinstimmungen am Einzelfall und unter Berücksichtigung von Freitext
und Attributionsskalen
Bei Betrachtung der Einzelfälle und unter Berücksichtigung der Freitextangaben nennen Arzt und
Patient in 65% der Fälle mindestens eine gemeinsame Krankheitsursache, wobei dies 11 neurologische
Patienten (92% in der Neurologie) und 13 gynäkologische Patientinnen (52% in der Gynäkologie)
betrifft. Mindestens ein Symptom aus derselben Attributionsskala wird sogar in 86,5% der Fälle
genannt. In vier Fällen bezieht sich diese Übereinstimmung auf die Skala „Risikofaktoren“. Die
Faktoren dieser Gruppe unterscheiden sich stark.
40
Ergebnisse
Gibt der Arzt zum Beispiel das Item „vererbt“ an, der Patient hingegen „schlechte medizinische
Versorgung in der Vergangenheit“ oder „Ernährung“, so kann man nicht von einer Übereinstimmung
sprechen. In der psychologischen Attributionsskala hingegen ähneln sich die einzelnen Items stark.
Nennt der Patient das Item „Stress/Sorgen“ und der Arzt „emotionale Probleme“, ist es
wahrscheinlich, dass sie mit den beiden Items das gleiche aussagen möchten. In 28 Fällen (75,7%)
nennen sowohl Arzt als auch Patienten Krankheitsursachen aus der psychologischen Attributionsskala.
3.4.3 Therapiewünsche der Patienten
Der meistgenannte Therapiewunsch ist die Psychotherapie, die sich 16 Patienten (43,24%) erhoffen.
Zwei Patienten möchten eine Kombination aus Psychotherapie und Akupunktur, vier Patienten eine
Behandlung
mit
Psychotherapie
und
Medikamenten
(2x
Antibiotika,
1xSchmerzmittel,
1x“Medikamente“). Eine medikamentöse Therapie wünschen sich insgesamt 13 Patienten (35,14%),
darunter 6x Antibiotika, 3x Schmerzmittel und 5x nicht näher beschriebene Medikamente. Nur acht
Patienten
(21,62%)
möchten
dabei
eine
rein
medikamentöse
Therapie.
Die
restlichen
Studienteilnehmer verlangen die oben erwähnte Kombination mit Psychotherapie oder in einem Fall
zusätzlich Massagen. Traditionelle chinesische Medizin (TCM) wünschen sich drei Patienten, in zwei
Fällen im Sinne der oben erwähnten Akupunktur als Ergänzung zu einer Psychotherapie. Ein Patient
wünscht sich nicht näher beschriebene „Infusionen“. Zehn Patienten äußern keine Therapiewünsche.
Therapiewünsche der Patienten
100
50
43
35
8
5
0
Psychotherapie
Medikamente
TCM
Anderes
Angaben in %
Abbildung 9
3.4.4 Diagnosen
In der Gynäkologie nennen die behandelnden Ärzte für 21 Patientinnen eine gynäkologische
41
Diagnose, wobei Menstruationsprobleme und gynäkologische Infektionen führen. Eine Patientin kam
zum Einsetzen einer Spirale, bei einer Patientin war die Diagnose des Arztes nicht zu eruieren. In zwei
Fällen wird keine Diagnose genannt.
Diagnosen in der Gynäkologie
100
36
50
32
24
16
0
Menopause, unregelmäßige Menstruation, hormonelle Probleme
Infektion
Myom, Ovarialschwellung
keine Diagnose
Angaben in %
Abbildung 10
In der Neurologie wird in zehn Fällen eine Angststörung oder Panikattacke diagnostiziert, in zwei
Fällen wird keine Diagnose genannt. Ebenfalls in zwei Fällen wird neben der Angststörung eine
Depression als Diagnose genannt.
Diagnosen in der Neurologie
100
83
50
17
17
0
Angststörung
Depression
Keine Diagnose
Angaben in %
Abbildung 11
Eine eindeutige Übereinstimmung zwischen Therapiewunsch des Patienten und Therapie des Arztes
liegt in drei Fällen (8,1%) vor. Zwei Patienten erhalten die gewünschte Psychotherapie, ein Patient
bekommt die erwarteten Antibiotika. In vier Fällen nennt der Patient eine konkrete Art von
Medikamenten, während der Arzt die Verordnung eines nicht näher definierten „Medikaments“
angibt. In einem Fall wird Akupunktur erhofft und TCM verschrieben. Ein Patient gibt
42
Ergebnisse
„Psychotherapie“ an, der Arzt empfiehlt „Entspannung, Erholung, Behandlung“. Bei den übrigen 27
Patienten (73%) werden eventuelle Therapiewünsche der schriftlichen Aussage des Arztes nach nicht
erfüllt.
3.4.5 Therapie
Bei den verordneten oder empfohlenen Therapien dominierte die somatische Therapie, 20 Patientinnen
(54%) erhalten ausschließlich diese. Sieben Patienten (18,92%) wird eine rein psychologische
Therapie, überwiegend Psychotherapie, verordnet. Drei Patienten (8,1%) erhalten eine Mischung aus
somatischer und psychologischer Therapie. Unklar ist die Therapie in einem Fall, in dem nur
„Medikamente“ angegeben werden. In einem Fall wird eine Kombination aus somatischer Therapie
(„Regularisierung der Menstruation“) und TCM angeboten. Bei einem Patienten wird Psychotherapie
zusammen mit einem nicht näher beschriebenen Medikament verordnet.
Hierbei ergeben sich große Unterschiede zwischen den gynäkologischen und neurologischen
Ambulanzen. In der Neurologie wird in zehn von zwölf Fällen (83,3% der neurologischen Patienten)
eine psychologische Therapie verordnet, darunter siebenmal Psychotherapie, einmal ein Anxiolytikum
und einmal eine Kombination aus Anxiolytikum und Sedativum. In einem Fall nennt der Neurologe
„Entspannung, Erholung, Behandlung“. Einmal wird ein Antibiotikum verordnet, zweimal ein
Schmerzmittel in Kombination mit Psychotherapie. Bei zwei neurologischen Patienten werden keine
Angaben zur Therapie gemacht.
In der Gynäkologie erhalten 21 Patientinnen (84% der gynäkologischen Patientinnen) eine
gynäkologische Therapie. Dies sind im Einzelnen 7x Antibiotika und 2x Antimykotika, 6x
Hormontherapie, 2x eine chirurgische Therapie, 2x eine abwartende Therapiehaltung und 2x eine
bessere Intimhygiene oder eine Änderung des Lebensstils. Eine Patientin erhält ein Medikament zur
Änderung des vaginalen pH-Wertes. Drei Patientinnen wird eine nicht näher beschriebene
„Regularisierung der Menstruation“ verordnet. Eine Patientin erhielt eine Spirale. Nur bei einer
gynäkologischen Patientin wird Psychotherapie empfohlen. Zwei Patientinnen erhalten Schmerzmittel,
einmal in Kombination mit Antibiotika, einmal mit einer chirurgischen Therapie. Einer Patientin wird
wie oben erwähnt neben der Regularisierung der Menstruation eine Behandlung in der traditionellen
chinesischen Medizin empfohlen.
In drei Fällen machen die Gynäkologen keine Angaben zur Therapie, eine Patientin wurde zum
Dermatologen überwiesen.
43
Therapie der Ärzte
100
57
50
22
11
5
14
0
Psychotherapie
gynäkologische Therapie
Analgetika
Anxiolytika, Sedativa
Anderes
Angaben in % bezogen auf die Patienten beider Ambulanzen
Abbildung 12
3.5 Welches Behandlungsergebnis wird erzielt in Bezug auf gegenseitiges
Verständnis und Zufriedenheit mit der Behandlung?
3.5.1 Die Behandlungszufriedenheit aus Sicht der Patienten und aus Sicht der
Ärzte: der Freiburger Fragebogen zur Behandlungszufriedenheit und seine
Modifikation zur Befragung des Arztes
Die Patienten wurden zweizeitig zu ihrer Behandlungszufriedenheit befragt. Vor der Konsultation
wurden ihnen drei Fragen zu früheren Behandlungen gestellt. Diese beantworteten 32 der 37 Patienten
(86,5%). Nach der Konsultation wurden ihnen neun weitere Fragen zur Zufriedenheit mit der aktuellen
Behandlung gestellt, die von 36 der 37 Patienten (97,3%) beantwortet wurden.
Die Ärzte wurden nur nach der Konsultation zum Patienten und der Konsultation befragt, die 13
Fragen beantworteten die behandelnden Ärzte für alle 37 Patienten.
3.5.1.1 Häufigkeiten
Die Fragen konnten auf einer sechsstufigen Ordinalskala von einer sehr schlechten Bewertung (0) bis
hin zu einer sehr guten Bewertung (5) beantwortet werden. Die genannten Mittelwerte beziehen sich
also auf diese diskrete Verteilung von 0 bis 5.
Bei den Fragen nach der Zufriedenheit mit der früheren Behandlung innerhalb der letzten sechs
44
Ergebnisse
Monate gibt es eine deutliche Abweichung zwischen den Patienten, die eher unzufrieden sind, und den
Ärzten, die sich zufrieden zeigen. Während die Patienten mit Mittelwerten von 1,84, 1,97 und 2,19 der
Meinung sind, dass die vorherige Behandlung nicht erfolgreich war, sie nicht zufrieden sind und sie
sich vom Arzt oder den Ärzten nicht verstanden fühlten, schätzen die Ärzte die frühere Behandlung
der Patienten als sehr gut ein, sowohl was den Erfolg (Mittelwert= 3,89) als auch was die
Zufriedenheit (Mittelwert= 4,05) angeht.
Tabelle 12: Zufriedenheit mit früherer Behandlung
Itemnr.
Frage
Arithme-
Standardab- % positive Anzahl
tischer
weichung
Mittelwert
T1
Wie erfolgreich schätzen Sie Ihre Behandlung in den 1,84
1
letzten 6 Monaten ein?
T1
Wie zufrieden sind Sie mit der Behandlung in den 1,97
2
letzten 6 Monaten?
T1
Inwieweit fühlen Sie sich in den letzten 6 Monaten 2,19
3
von Ihren Behandlern verstanden?
T2 Arzt
Wie erfolgreich schätzen Sie die Behandlung Ihres 3,89
1
Patienten in den letzten 6 Monaten ein?
T2Arzt
Wie zufrieden sind Sie mit der Behandlung Ihres 4,05
2
Patienten in den letzen 6 Monaten?
Meinung
(3-5)
1,347
31,25%
32
1,379
37,5%
32
1,352
38,7%
31
1,173
89,19%
37
1,311
89,19%
37
Skalierung: “0=sehr schlecht/gar nicht” bis “5=sehr gut/sehr
Die aktuelle Behandlung bewerten die Patienten mit Mittelwerten zwischen 3,23 und 3,94 besser als
die frühere Behandlung, dennoch sprechen die Werte für eine mäßige Zufriedenheit. Die
Gesamteinschätzung der Patienten erreicht einen Mittelwert von 3,47.
Die Ärzte zeigen sich zufriedener als die Patienten, hier finden sich Mittelwerte zwischen 3,51 und
4,16 mit einem durchschnittlichen Mittelwert von 3,85.
45
Tabelle 13: Behandlungszufriedenheit der Patienten
Itemnr
Mittelwert
Standardab- %
weichung
positive Anzahl
Meinung
(3-5)
T2 Pat
Wie
erfolgreich
1
Behandlung ein?
T2 Pat
Wie
aktuelle
3,23
1,239
71,43%
35
aktuellen
3,61
1,293
80,56%
36
2
Behandlung?
T2 Pat
Fühlen Sie sich von Ihrem Arzt verstanden?
3,33
1,309
83,33%
36
T2 Pat
Fühlen Sie sich vom Arzt in Ihren Beschwerden
3,94
1,068
91,67%
36
4
ernst genommen?
T2 Pat
Hat Ihnen Ihr Arzt ausführlich erklärt, woher Ihre
3,44
1,539
80,56%
36
5
Beschwerden möglicherweise kommen?
T2 Pat
Können Sie dieser Erklärung zustimmen?
3,64
1,313
80,56%
36
T2 Pat
Ging der Arzt auf Ihre Vorstellungen zu Herkunft
3,39
1,293
83,33%
36
7
und Behandlung Ihrer Beschwerden ein?
T2 Pat
Inwieweit hatten Sie den Eindruck, dass Ihr Arzt
3,33
1,146
80,56%
36
8
und Sie das Gleiche meinen, wenn Sie über die
3,33
1,265
77,78%
36
zufrieden
schätzen
sind
Sie
Sie
ihre
mit
der
3
6
Beschwerden sprechen?
T2 Pat
Wurde Ihre Sichtweise bei der Therapieplanung
9
berücksichtig?
Skalierung: “0=sehr schlecht/gar nicht” bis “5=sehr gut/sehr
46
Ergebnisse
Tabelle 14: Behandlungszufriedenheit der Ärzte
Itemnr
Mittelwert Standardab- % positive Anzahl
weichung
Meinung
(3-5)
T2 Arzt
Wie
erfolgreich
3
Behandlung ein?
T2 Arzt
Wie
heutige
3,94
0,674
94,44%
36
aktuellen
4,11
1,036
91,67%
36
4
Behandlung?
T2 Arzt
Denken Sie, der Patient fühlt sich von Ihnen als
3,86
0,855
97,3%
37
5
Arzt verstanden?
T2 Arzt
Denken Sie, der Patient fühlte sich in seinen
4,16
0,866
97,3%
37
6
Beschwerden ernst genommen?
T2 Arzt
Konnten Sie dem Patienten darlegen, woher seine
3,92
0,862
97,3%
37
7
Symptome stammen könnten?
T2 Arzt
Hatten
diesen
3,73
0,962
91,89%
37
8
Erklärungen zustimmte?
T2 Arzt
Sind Sie auf die Vorstellungen des Patienten über
3,92
0,862
97,3%
37
9
Herkunft
3,51
1,044
89,19%
37
3,65
1,033
89,19%
37
3,97
0,910
94,44%
36
3,59
1,235
83,78%
37
zufrieden
Sie
schätzen
sind
den
und
Sie
Sie
mit
Eindruck,
Behandlung
Ihre
der
dass
der
er
Beschwerden
eingegangen?
T2 Arzt
Inwieweit hatten Sie den Eindruck, dass Sie und
10
Ihr Patient das Gleiche meinen, wenn Sie über
seine Probleme und die Behandlung sprechen?
T2 Arzt
Hatten Sie das Gefühl, seine Sichtweise und
11
Meinung
bei
der
Therapieplanung
mit
einzubeziehen?
T2 Arzt
Inwieweit hatten Sie die Möglichkeit, auf das
12
emotionale Befinden Ihres Patienten einzugehen?
T2 Arzt
Inwieweit hatten Sie die Möglichkeit, auch nach
13
Belastungen z.B. im Beruf oder in der Familie zu
fragen?
Skalierung: “0=sehr schlecht/gar nicht” bis “5=sehr gut/sehr
47
In Tabelle 15 ist aufgelistet, wie viele Patienten und Ärzte sehr zufrieden (4-5) und zufrieden (3-4) mit
der Behandlung sind und wie viele mäßig zufrieden (2-2,9), unzufrieden (1-1,9) oder sehr unzufrieden
(0-0,9) sind.
Tabelle 15: Behandlungszufriedenheit nach Einzelfällen
Mittelwert(Patient)
n
%
Mittelwert(Arzt)
n
%
4-5
10
27,8
4-5
24
64,9
3-3,9
18
50
3-3,9
11
29,7
2-2,9
6
16,7
2-2,9
2
5,4
1-1,9
1
2,8
1-1,9
-
-
0-0,9
1
2,8
0-0.9
-
-
3.5.1.2 Korrelationsanalyse der Behandlungszufriedenheit aus Sicht des Arztes und des
Patienten
Die beiden Fragebögen bestehen aus ausformulierten Fragen und mussten daher bei der modifizierten
Version für die Ärzte im genauen Wortlaut verändert werden. Dennoch beziehen sich Frage 1 bis 11
des Ärztefragebogens inhaltlich auf Frage 1 und 2 des ersten Teils sowie Frage 1 bis 9 des zweiten
Teils beim Patientenfragebogen und sind somit direkt vergleichbar.
Bei der Korrelationsanalyse nach Pearson ergibt sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen der
Zufriedenheit des Patienten und der des Arztes.
Bei drei Items findet sich eine schwache Korrelation zwischen 0,2 und 0,5.
Dies betrifft drei Fragen aus dem zweiten Teil der Patientenbefragung, nach der Konsultation. Es
handelt sich zum ersten um die Frage, ob der Arzt eine ausreichende Erklärung für die Beschwerden
des Patienten geben konnte. Es ergibt sich eine Korrelation von 0,283.
In direktem Zusammenhang damit wird in beiden Bögen als nächster Punkt gefragt, ob der Patient der
vom Arzt gegebenen Erklärung zustimmen kann, hier liegt die Korrelation bei 0,210.
Zum Dritten korreliert die Frage danach, ob die Sichtweise und Meinung des Patienten bei der
Therapieplanung berücksichtigt wurde, mit 0,202.
48
Ergebnisse
Tabelle 16: Korrelation der Behandlungszufriedenheit aus Sicht von Patienten und Ärzten
Korrelation
Signifikanz
α=5% 2seitig
(Pearson)
Beschwerdenursache erklären
0,283
Anzahl
Schwache
0,094
36
0,220
36
0,239
36
Korrelation
Erklärung zur Ursache
0,210
zustimmen
Behandlungsplanung
Schwache
Korrelation
0,202
Schwache
Korrelation
3.5.2 Die Empathie des Arztes (CARE)
3.5.2.1 Häufigkeiten
Die Mittelwerte zur Beurteilung der Empathie des Arztes liegen zwischen 1,92 und 2,65, am besten
werden die Punkte “das Verhalten des Arztes ermöglichte es mir, mich vollkommen wohl zu fühlen”
und “der Arzt hörte mir wirklich zu” bewertet. Am schlechtesten bewerten die Patienten das
“Ausarbeiten eines gemeinsamen Behandlungsplans” und das “Mitgefühl bei den Problemen” sowie
den Punkt “der Arzt half mir, mit der Erkrankung umzugehen”.
49
Tabelle 17: Empathie des Arztes
Item
Mittelwert Standardab
Anzahl
weichung
Positive
Bewertung
in % (1+2)
1
Das Verhalten des Arztes ermöglichte es mir, mich
1,92
0,874
36
81
vollkommen wohl zu fühlen.
3
Der Arzt hörte mir wirklich zu.
1,94
0,826
36
83
2
Der Doktor ließ mich die Krankheit auf meine Art
2,06
1,013
36
75
erklären.
5
Der Arzt verstand meine Sorgen wirklich.
2,33
0,956
37
58
8
Der Arzt erklärte mir die Dinge so, dass ich sie
2,35
0,824
37
57
2,36
1,018
36
58
verstehen konnte.
4
Der Arzt interessierte sich für mich als Person und
fragte nach meinem Umfeld.
7
Der Arzt ermutigte mich.
2,43
0,959
37
54
9
Der Arzt half mir, mit der Erkrankung umzugehen.
2,57
1,168
37
46
10
Wir arbeiteten einen gemeinsamen Behandlungsplan
2,65
1,111
37
49
2,65
1,033
37
46
aus.
6
Der Arzt war mitfühlend bei meinen Problemen.
Skalierung: “1=trifft voll und ganz zu” bis “5=trifft überhaupt nicht zu”
Patienten, die im Freiburger Fragebogen für Behandlungszufriedenheit eine gute Bewertung abgeben,
schätzen auch die ärztliche Betreuung im CARE besser ein. Dies zeigt Tabelle 18, in der der
Mittelwert, den ein Patient bei der Behandlungszufriedenheit erreicht, dem Mittelwert des CAREFragebogens des gleichen Patienten gegenüber gestellt wird. Die Behandlungszufriedenheit wird
hierfür in vier Gruppen eingeteilt.
Tabelle 18: Vergleich Behandlungszufriedenheit und CARE
50
Mittelwert der Behandlungszufriedenheit pro
Mittelwert im CARE
n (Anzahl
Patient
pro Patient
Patienten)
sehr zufrieden (4-5)
2,1
10
zufrieden (3-3,9)
2,2
18
mäßig zufrieden(2-3)
2,9
6
nicht zufrieden (0-2)
3
2
Ergebnisse
3.5.3 Einflussfaktoren auf die Behandlungszufriedenheit
Weder für soziodemografische Daten oder Dauer der Symptome noch für die Übereinstimmung der
Krankheitskonzepte kann ein Einfluss auf die Behandlungszufriedenheit nachgewiesen werden. Die
unzufriedeneren Patienten haben tendenziell seltener auffällige HADS-Werte und eine leicht geringere
Symptomzahl im SOMS, dafür aber häufigere Arztbesuche. Diese Ergebnisse sind bei der geringen
Fallzahl und leichten Ausprägung der Unterschiede allerdings wenig aussagekräftig. Die vier
Patienten, die die gewünschte Therapie erhalten, sind bei der Behandlungszufriedenheit und bei der
Bewertung im CARE-Fragebogen mit einem Mittelwert von je 4,43 und 1,65 zufriedener als der
Durchschnitt mit je 3,47 und 2,32.
Tabelle 19: Einflussfaktoren auf die Behandlungszufriedenheit
Behandlungszufriedenheit
HADS-
Symptomanzahl
Arztbesuche
Auffälligkeit
n (Anzahl
Patienten)
sehr zufrieden (4-5)
60%
8
3-6 mal
10
zufrieden (3-3,9)
56%
7,8
3-6 mal
18
mäßig zufrieden(2-3)
33%
7,8
6-12 mal
6
Nicht zufrieden (0-2)
0%
7,5
6-12 mal
2
3.6 Evaluation durch die Teilnehmer an der Studie
Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um ein Pilotprojekt. Aufgrund der transkulturellen
Unterschiede in der Begrifflichkeit der somatoformen Störung bestand die Möglichkeit von
Verständnisproblemen in Bezug auf die Untersuchung und ihre Ziele. Daher wurde eine kleine
Evaluation mit zwei bei der Datenerhebung beteiligten chinesischen Studenten sowie fünf Patienten
und zwei Ärzten, die an der Studie teilnahmen, durchgeführt. Alle Patienten fanden die Fragen
verständlich formuliert und hielten sie für sinnvoll. Drei Patienten gaben an, die Befragung habe ihnen
beim Verstehen ihrer Symptome geholfen und habe das Denken über ihre Beschwerden zum Teil
verändert. Zwei Patienten halfen die Fragen nur teilweise beim Verstehen und veränderten nicht das
Denken über die Symptome. Ärzte und Studenten hielten das Thema somatoforme Störung für
wichtig. Einer der beiden Ärzte gab an, seine Sicht auf die betreffenden Patienten sowie die
Kommunikation mit ihnen und seine Behandlungsvorschläge hätten sich durch die Fragen verändert.
Beide Ärzte hielten die jeweilige Ambulanz für den richtigen Ort für eine derartige Fragestellung.
Beide Studenten gaben an, von der Teilnahme an der Studie persönlich und zum Teil für das spätere
Berufsleben profitiert zu haben.
51
4 Diskussion
4.1 Interpretation
4.1.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Patienten geben durchschnittlich acht Symptome an. Mit „Herzrasen“ führt ein kardiologisches
Problem deutlich. Die Patienten werden von den Symptomen stark beeinträchtigt. Über die Hälfte der
Studienteilnehmer zeigt eine psychische Belastung. Im Vordergrund stehen meist Symptome einer
Angststörung. Die Krankheitsursachen sind bei Arzt und Patient multimodal. Es dominieren die
psychologischen Attributionen, „Stress und Sorgen“ liegen auf beiden Seiten an erster Stelle. Trotz
ähnlicher Attribuierung der Ärzte und Patienten zeigen sich nur in den drei Punkten „negative
Lebenseinstellung“,
„Pech/Zufall“
und
„Rauchen“
signifikante
Übereinstimmungen
der
Krankheitsursachen. Die Behandlungzufriedenheit liegt bei den Ärzten höher als bei den Patienten, auf
beiden Seiten jedoch im positiven Bereich. Am zufriedensten sind beide im Punkt „Ernst nehmen des
Patienten“, am wenigsten zufrieden zeigen sie sich mit dem Erstellen eines gemeinsamen
Therapieplans.
4.1.2 Soziodemografische Daten
Zwei große europäische Vergleichsstudien fanden unter MUS-Patienten überdurchschnittlich viele
Frauen, Geschiedene oder Verwitwete, Arbeitslose oder Rentner, Menschen mit niedrigem
Bildungsstand und öffentlich Versicherte im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (van der Windt et al
2008) (Verhaak et al 2006). In der vorliegenden Studie hingegen sind Menschen mit einem
Universitätsabschluss, also höherem Bildungsstatus, mit 30% überrepräsentiert und nur 14% sind
geschieden oder verwitwet. Die niedrige Rate an Geschiedenen in der vorliegenden Studie kann die
niedrigere Gesamtscheidungsrate in China wiederspiegeln. Scheidungen sind in China immer noch
tabuisiert (Haag 2008). Frauen sind im Studienkollektiv überrepräsentiert, allerdings kann dies nur für
das neurologische Setting beschrieben werden, wo von zwölf Patienten elf weiblich waren. Dies steht
in Widerspruch zu Ergebnissen der WHO-Studie, in der Frauen zwar eine höhere Symptomzahl aber
keine höhere Prävalenz an MUS aufwiesen (Piccinelli et al 1997). Allerdings zeigen einige andere
Studien durchaus einen höheren weiblichen Anteil an somatoformen Patienten (Isaac et al 1995)
(Verhaak 2006) (Kapfhammer 2007).
52
Diskussion
4.1.3 Frage 1: Mit welchen körperlichen und psychischen Beschwerden
präsentieren sich Patienten mit medizinisch unerklärten Symptomen
Gynäkologie und Neurologie in China?
In
europäischen
und
amerikanischen
Studien
führten
bei
MUS-Patienten
Fatigue
und
Schmerzsymptome, bei letzteren vor allem Rücken- und Kopfschmerzen (Kroenke 2003) (Verhaak et
al 2006) (Kirmayer et al 2004) (van der Windt et al 2008). Auch in Studien mit chinesischen
depressiven und somatoformen Patienten lagen Schmerzsymptome an erster Stelle, gefolgt von
Fatigue bei Depressionen und gastrointestinalen Beschwerden bei somatoformer Störung (Cheung et
al 1981) (Hsu et al 1997). Im neurologischen Setting fand eine dänische Studie in über 25% der Fälle
Fatigue, in über 20% der Fälle Palpitationen und Schwindel sowie Parästhesien. Schmerzen gaben in
dieser Studie nur knapp 20% der Patienten an (Fink et al 2005b). In der Gynäkologie liegen nur
wenige Einzelstudien vor, es wird vor allem von Menstruationsstörungen, Vulvodynie, vaginalem
Ausfluss und chronischem Beckenschmerz sowie Dranginkontinenz berichtet (Bitzer 2003).
Betrachtet man also die allgemeine Studienlage, so überrascht, dass das meistgenannte Symptom nicht
eines aus dem Schmerzbereich sondern ein kardiologisches ist, das „Herzrasen“. Auch an sechster
Stelle findet sich mit „Druck in der Herzgegend“ ein kardiologisches Symptom. Nach den ICD-10Symptomgruppen führen die kardiovaskulären Beschwerden mit 6,5 Nennungen pro Symptom. In
einer Studie von Fink mit Patienten aus der Primär- sowie der neurologischen und internistischen
Versorgung waren ebenfalls Palpitationen das häufigste Symptom, allerdings nannten es nur 22% der
Patienten (Fink et al 2007). Das Herzrasen ist ein klassisches Zeichen sympathischer
Erregungszustände wie sie bei einer Panikattacke vorliegen. Tatsächlich erfüllen 59% der Patienten
mit diesem Symptom die Definitionskriterien für eine autonome somatoforme Störung.
In der westlichen wie der traditionellen chinesischen Medizin stehen Symptome des Herzens in
Verbindung mit Angst. Ots fand in Nanjing, dass 85% der „Herzpatienten“ in der TCM unter einer
Angstproblematik litten und einige die Diagnose „Neurasthenie“, die in dieser Arbeit an anderer Stelle
beschrieben ist, erhielten (Ots 1990). In der vorliegenden Studie erreichen 47% der Patienten mit
Herzrasen und 50% der Patienten mit autonomer somatoformer Störung auffällige Werte für eine
Angststörung.
Die Schmerzsymptome liegen sowohl nach DSM-IV als auch nach ICD-10-Kriterien an zweiter Stelle,
ein Drittel der Patienten geben Kopfschmerzen und 14% Rückenschmerzen an. Gastrointestinale
Beschwerden liegen jeweils an dritter und vierter Stelle.
Dass „unregelmäßige Menstruation“ mit 41% am zweithäufigsten genannt wird, könnte auf das
gynäkologische Setting zurückgeführt werden. Allerdings gaben dieses Symptom auch 21%
psychosomatischer Patienten in Deutschland an (Rief et al 1997), und bei 20% depressiver Patienten
53
in China wurde es als wichtigstes Problem genannt (Cheung et al 1981).
Unter „schneller Erschöpfbarkeit/Fatigue“, die in den oben genannten Studien an erster oder zweiter
Stelle liegt, leiden in der vorliegenden Studie 38% der Patienten, das Symptom wird am
dritthäufigsten genannt. Trotz des neurologischen Settings liegen pseudoneurologische Symptome
nach DSM-IV-Kriterien mit nur 1,9 Nennungen pro Symptom an letzter Stelle.
Die Patienten geben durchschnittlich 8 von 52 Symptomen an. Dabei liegt eine breite Streuung von 3
bis 22 genannten Symptomen vor. Die Vergleichbarkeit mit anderen Studien ist durch die
Verwendung unterschiedlicher Messinstrumente eingeschränkt. In Finks dänischer Studie von 2007
nannten die Patienten im Mittel 5 von 76 möglichen Symptomen. Ein Fünftel der Patienten litt dabei
unter mindestens zehn Symptomen und wurde von Fink als „multisymptomatisch“ bezeichnet (Fink et
al 2007). Die Rate an multisymptomatischen Fällen nach Finks Definition liegt in der vorliegenden
Studie bei 32%.
Fast ein Drittel der Patienten suchten im Jahr vor dem Befragungszeitraum über zwölfmal den Arzt
auf. 83% geben an, im Alltag stark von den Symptomen beeinträchtigt zu sein. Die häufigen
Arztbesuche und starke Alltagsrelevanz der Symptome stimmen mit früheren Studien überein (Rief et
al 1997) (Fink et al 2007) und decken sich mit den Einschlusskriterien für die somatoforme Störung
nach Lipowski.
In Finks Studie von 2007 wurden die Patienten in drei Klassen eingeteilt. Die zweite Klasse litt dabei
durchschnittlich unter neun Symptomen, was vergleichbar mit der Symptomanzahl von 8 in der
vorliegenden Studie ist. Bei Fink gaben 61% der Patienten aus dieser Gruppe eine mittlere bis sehr
starke Alltagsbeeinträchtigung durch die Symptome an (Fink et al 2007).
60% der Patienten können nicht akzeptieren, dass der Arzt keine Ursache für die Symptome findet. In
Riefs Studie mit psychosomatischen Patienten konnten sich 66% nicht mit dem Fehlen einer Diagnose
abfinden. Befragte man in früheren Studien Patienten zu ihrer Meinung hinsichtlich der Erklärungen
des Arztes, so fühlten sie sich oft in Frage gestellt und zurückgestoßen von der Banalisierung und dem
Abstreiten ihrer Symptome und störten sich am Fehlen einer Diagnose. Akzeptieren konnten Patienten
Erklärungen, die konkrete Vorgänge enthielten, die Symptome anerkannten und ihr Leiden
rechtfertigten, ohne in den Patienten ein Schuldgefühl hervorzurufen. Die Möglichkeit, selbst Einfluss
zu nehmen, half den Patienten ebenfalls, die Erklärungen des Arztes zu akzeptieren (Kirmayer et al
2004).
Die Prävalenz an MUS kann nur für das gynäkologische Setting bestimmt werden. Mit einer Rate von
3,8% liegt diese deutlich unter der Shanghaier MUS-Prävalenz von 9% aus den WHO-Daten (Kisely
et al 1997).
54
Diskussion
51% aller Patienten sind psychisch stark belastet. Dabei haben 46% eine hohe Wahrscheinlichkeit,
unter einer Angststörung zu leiden. Fast 30% zeigen starke Hinweise auf eine Depression. Die hohe
psychische Komorbidität bei somatoformen Störungen gilt als gesichert und wurde hier bestätigt
(Kroenke et al 2003) (Henningsen et al 2003). Die um fast 30% höhere Rate an Angstsymptomen
bekräftigt frühere Studienergebnisse, die eine stärkere Verbindung mit Angst als mit Depressionen bei
somatoformen Patienten zeigen (Simon et al 1996) (de Waal et al 2005). Der Angstscore in der
vorliegenden Studie betrug 10,43, der Depressionsscore 9. In einer deutschen Studie in der
Tertiärversorgung lagen die HADS-Werte mit einem Angstscore von 10,5 und einem
Depressionsscore von 8,6 bei somatoformen Patienten ungefähr im selben Bereich (Henningsen et al
2005). MUS-Patienten der Primärversorgung in einer englischen Studie wiesen etwas niedrigere Werte
auf, der Angstcore lag bei 9,9, der Depressionsscore bei 7,4 (Jackson et al 2004).
Auch bei Depressionen kann eine ausgeprägte Angstkomponente vorliegen. In einer chinesischen
Studie mit depressiven Patienten waren Angstsymptome genauso häufig wie depressive Symptome
vertreten, und sogar in der Vergleichsgruppe mit organischen Erkrankungen litten über 50% unter
Angstsymptomen (Cheung et al 1981). In Parkers Studie mit depressiven malaysischen Chinesen ist
die Angst mit 94% das häufigste und das für die Patienten schwerwiegendste Symptom (Parker et al
2001).
Die WHO-Studien fanden einen signifikanten Zusammenhang zwischen Symptomanzahl und
emotionalem Stress beziehungsweise dem Vorliegen einer Depression oder Angststörung (Simon et al
1996) (Kisely et al 1997). Die vorliegende Studie findet nur eine schwache Abhängigkeit der
emotionalen Belastung von der Symptomanzahl. Dass die Korrelation nicht wie in Kiselys Studie
linear verläuft, sondern nur schwach ausgeprägt ist, könnte durch die niedrige Fallzahl beeinflusst
sein, die zu gering für starke statistische Aussagen ist.
Kroenke berichtet in einem Review über höhere Raten von somatoformer Störung in der Neurologie
als in der Gynäkologie (Kroenke et al 2003). Dies kann aufgrund der fehlenden Prävalenz in der
Neurologie hier nicht bestimmt werden. Allerdings haben die neurologischen Patienten eine im Schnitt
um 2,7 Symptome höhere Symptomzahl und deutlich mehr Symptome in starker oder sehr starker
Ausprägung. Zudem stammen sieben von acht Patienten mit hohen Werten sowohl für Depression als
auch Angst aus der neurologischen Ambulanz.
Tatsächlich scheinen Patienten mit neurologischen Symptomen nach Escobar wahrscheinlicher die
Diagnosekriterien einer Somatisierungsstörung oder einer anderen psychiatrischen Störungen zu
erfüllen als Patienten mit anderen körperlichen Symptomen (Escobar et al 2007). In einer deutschen
Studie zeigten stationäre neurologische Patienten in 22% der Fälle auffällige SOMS-Werte und in
55
26% der Fälle erhöhte Werte für Angststörung und Depression im HADS. 37% waren in
psychotherapeutischer Hinsicht behandlungsbedürftig (Fritzsche et al 2003). Fink berichtete von einer
höheren Rate an somatischem Distress in Neurologie und Primärversorgung im Vergleich zur inneren
Medizin, er stellte jedoch keinen Unterschied in der Symptomzahl fest (Fink et al 2007).
In der vorliegenden Studie könnte die Vorselektion durch die betreuenden Neurologen einen Einfluss
auf die Studienteilnahme ausgeübt haben, es könnten schwerer erkrankte Patienten aus einem
Kollektiv leichter Erkrankter gefiltert worden sein Tatsächlich ist der Goldstandard zur Diagnose einer
somatoformen Störung die Durchführung eines strukturierten Interviews durch einen speziell
trainierten Experten mit psychiatrischer Erfahrung (Herzog 2007). Vielleicht kommt die Anamnese
durch neurologische Fachärzte diesem Kriterium näher als die Befragung durch chinesische
Medizinstudenten in der Gynäkologie.
4.1.4 Welche
Krankheitsursachen
bestehen
für
Patienten
mit
körperlich
unerklärten Symptomen in China, welche bei den Ärzten, die sie behandeln?
Fast die Hälfte aller Patienten nennen psychosoziale Probleme als Ursache für ihre Beschwerden.
Ergänzt man die Angaben um den Freitext, so liegt sogar bei 87% eine psychologische Attribution
vor. Das Vorliegen stark auffälliger Angst- und Depressionswerte bei 51% der Patienten kann zur
Dominanz psychologischer Symptomattributionen in der vorliegenden Studie beigetragen haben
(Henningsen et al 2005) (Rief et al. 2004), sie aber nicht vollständig erklären. Die genannten Ursachen
erinnern an Helmans Studie, in der die Liste der Krankheitsursachen ebenfalls von „Emotionen und
Stress“ sowie „Persönlichkeit“ mit je 95% und 76% angeführt wurden (Helman 1985).
Dieser Patientenanteil entspricht dem in der Einleitung beschriebenen Typus des initialen
Somatisierers nach Kirmayer und Robbins, bei dem die Patienten sich zwar mit körperlichen
Symptomen präsentieren, dabei jedoch bereitwillig psychosoziale Krankheitsursachen angeben. Die
Ergebnisse unterstützen Sing Lees Hypothese, dass chinesische Patienten durchaus Dysphorie und
Psychogenese ihrer Symptome zugeben und im Sinne des „ticket behaviour“ agieren. Als
Voraussetzung dafür nennt er eine intakte Arzt-Patienten-Beziehung. Er vermutet, dass die Patienten
eine locker zusammenhängende und kontextspezifische Verbindung zwischen somatischen
Beschwerden und psychischem Leid sehen (Lee 1997). Bestätigt werden auch die Resultate der WHOStudie, die das Fehlen einer persönlichen ärztlichen Betreuung in den sogenannten „Typ-B-Zentren“
als Risikofaktor für eine somatische Präsentation bei zugrunde liegender psychischer Problematik
zeigen (Gureje 2004). Die vorliegende Studie legt nahe, dass Shanghai, bei Gureje unter den Typ-BZentren aufgeführt, immer noch eine hohe Rate an initialen Somatisierern aufweist.
56
Diskussion
In vier Fällen geben die Patienten keine psychosozialen Krankheitsursachen für ihre Beschwerden an.
Zwei Patienten aus dieser Gruppe wünschen sich dennoch eine Psychotherapie, sie scheinen also einen
Zusammenhang ihrer Beschwerden mit psychischen Problemen zu sehen. In einem der beiden Fälle
nennt auch der Arzt eine psychologische Krankheitsursache. Emotionale Inhalte könnten demnach
angesprochen worden sein. Die beiden anderen Patienten scheinen „facultative“ oder „true somatizer“
zu sein. Die niedrigen Werte für Angst und Depression in diesen beiden Fällen könnten zum Typus
des „true somatizer“ passen, scheint doch eine Konzentration auf somatische oder externale
Attributionen mit einer niedrigeren psychologischen Belastung einherzugehen (Bridges et al 1991).
Psychologische Attributionen, wie sie die meisten Patienten in der vorliegenden Studie nennen, sind
hingegen mit der Präsentation mit sowohl depressiven als auch somatischen Symptomen assoziiert.
Zudem findet man bei diesem Attributionsstil vermehrt kognitive sowie körperliche Manifestationen
einer Angststörung (Robbins & Kirmayer 1991). Ob eine fakultative oder pure Somatisierung vorliegt,
kann nur durch ein Interview festgestellt werden, in dem durch genaue Nachfrage psychosoziale
Erklärungen des Patienten im Sinne einer fakultativen Somatisierung nachgewiesen werden können.
Zwei Patienten geben weder im Fragebogen noch im Freitext eine Krankheitsursache an. Es könnte
sich hierbei um ein von Kirmayer beschriebenes Phänomen handeln. In einer von ihm durchgeführten
Studie war selbst in einer Interviewsituation mit viel Zeit für die Erzählung der Krankheitsgeschichte
ein Teil der Patienten nicht in der Lage, eine stimmige Erklärung für ihre Symptome zu finden
(Kirmayer et al 2004). Er vermutet, dass diese Patientengruppe ihre Sorgen entweder auch nach einem
langen Gespräch noch geheim halten will oder nicht dazu fähig sein könnte, ihre Symptome mit
körperlichen Vorgängen oder bestimmten Situationen im alltäglichen Umfeld in eine kausale
Verbindung zu bringen.
Die führende Rolle psychologischer Krankheitsursachen in der vorliegenden Studie könnte mit dem
fast ausschließlich weiblichen Studienkollektiv in Verbindung stehen. Eine schwedische Studie zeigte,
dass Frauen häufiger psychologische Attributionen für körperliche Symptome nennen als Männer.
Zudem vernetzen sie frühere Erlebnisse und aktuelle Lebensumstände mehr als Männer zu einem
Geflecht aus Faktoren, das sie als Ursache körperlicher Beschwerden betrachten (Nykvist et al 2002).
„Bakterien und Viren“ werden in der Gynäkologie in 20% der Fälle von Patientinnen und in 40% von
Ärzten genannt, meist in Verbindung mit der Diagnose einer gynäkologischen Infektion. Es könnte
tatsächlich eine akute oder chronische Infektion vorgelegen haben, da Infektionen des Urogenitaltrakts
häufig sind und gerade bei psychisch belasteten Menschen durch eine an anderer Stelle beschriebenen
Schwächung des Immunsystems ein erhöhtes Risiko für derartige Infektionen haben (Kapfhammer
2007). Vor allem bei Vaginosen vermutet man psychische Zusammenhänge (Bitzer 2003). Alternativ
57
könnten die Ärzte hinter den eigentlich somatoformen Symptomen auch eine somatische Erkrankung
gesehen und eine Fehldiagnose gestellt haben, ein häufiges Phänomen bei somatoformen Störungen
(Fink et al 2005a). Gerade der nicht selten psychosomatische chronische Beckenschmerz oder
vaginaler Ausfluss (Bitzer 2003) könnte die Ärzte in der vorliegenden Studie zur Diagnose „Infektion“
geführt haben.
Den Chinesen wird bekanntermaßen eine externale Denkweise nachgesagt (Kirmayer et al 1994)
(Ryder et al 2008). Sie leben in einer “high-kontext“-Kultur, die durch ein implizites Wissen
gekennzeichnet ist, das durch Beobachtung und Imitation in persönlichen Netzwerken erworben wird.
Die Einhaltung sozialer Harmonie ist wichtiger als die Wünsche des Einzelnen (Haag 2008). Auch in
Kleinmans Studie in Hunan (Kleinman 1982) sprechen die führenden Kausalattributionen „Probleme
bei der Arbeit“, „politische Probleme“, „örtliche Trennung von der Familie“ sowie „Probleme in der
Schule/Examensdruck“ für ein externales Denken. Folgt man den Studien von Helman und Peters, so
ist die Externalisierung von Krankheitsursachen ein auch im westlichen Umfeld verbreitetes
Phänomen. Patienten betrachteten sogar Teile der eigenen Persönlichkeit oder einzelne Organe als
„fremd“ und „autonom“ und somit außerhalb des eigenen Selbst (Helman 1985) (Peters et al 1998).
Einige Kausalattributionen der vorliegenden Studie wie das meistgenannte Item „Stress/Sorgen“
vereinen internale und externale Faktoren. Vergleichbar mit Kleinmans mit 61% führender Attribution
„Probleme bei der Arbeit“ ist der Punkt „Überarbeitung“. Er wird sowohl im IPQ als auch im Freitext
mit je 35% und 16% am dritthäufigsten angeführt. Bei Peters taucht der Begriff „Überarbeitung“
sowohl im externalen Bereich im Sinne von „Probleme bei der Arbeit“ als auch im internalen Bereich
als Diskrepanz zwischen den Anforderungen aus dem Umfeld und der eigenen Kapazität auf (Peters et
al 1998).
Das Item „familiäre Probleme“ nahm bei Kleinman mit 20% denselben Stellenwert ein wie in der
vorliegenden Studie mit 22% im IPQ und 27% unter Einbeziehen des Freitextes. Schreiben die
Patienten die Schuld für familiäre Schwierigkeiten sich selbst zu, so besitzt diese Attribution eine
internale Bedeutung. Ebenso können die Patienten den Punkt als externale Ursache auffassen, im
Sinne einer situativen Problematik wie Arbeitslosigkeit, Trennung von Familienmitgliedern oder
finanzielle Probleme. Auch bei Peters werden „persönliche Beziehungen“ als externale Attribution
aufgeführt (Peters et al 1998). Mit Hilfe eines „shift of responsability“ (Helman 1985), einer
Abwälzung der Verantwortung auf unbeeinflussbare Faktoren, könnten sie die Schuld für ihre
Probleme auch auf andere Familienmitglieder übertragen haben. Eine externale Schuldzuweisung
stände dabei im Widerspruch zur traditionellen Selbstzuschreibung von Schuld in China (Unschuld
2010). Der Wunsch nach Psychotherapie bei vielen Studienteilnehmern weist auf eine internale
Symptomattribution hin.
Die Nachfrage in Bezug auf psychologische Betreuung zeigt auch, dass Patienten durchaus Hilfe für
58
Diskussion
sich selbst suchen und damit die Störung der sozialen Harmonie in ihrem Umfeld in Kauf nehmen.
Vielleicht können chinesische Patienten tatsächlich, wie von Sing Lee postuliert, mit einer
pragmatischen Denkweise und orientiert an der vorherrschenden Norm zwischen physischen und
psychischen Attributionen kontextabhängig wechseln (Lee 1998). Dies würde bedeuten, dass die
Patienten im modernen Shanghai von der Möglichkeit einer Psychotherapie wissen und sich daher im
Vergleich zu Kleinmans Studie umorientieren und eine solch individualistische Behandlung
annehmen.
Bei der Interpretation der Krankheitsursachen chinesischer Laien ist ein möglicher Einfluss der
traditionellen chinesischen Medizin zu beachten. Das mit einem Mittelwert von 2,64 an vierter Stelle
liegende und dabei in fünf Fällen auch ohne den Punkt „Viren/Bakterien“ genannte „gestörte
Immunsystem“ wird im Westen als körperliche Ursache aufgefasst. Psychoimmunologische
Zusammenhänge wie Dysfunktionen der Hypothalamus-Hypophysen-Achse mit Hypo- oder
Hyperkortisolismus oder eine proinflammatorische Aktivität des zerebralen Zytokinsystems wurden
bei somatoformen Patienten nachgewiesen (Kapfhammer 2007). Auch in westlichen Studien wird ein
schwaches
oder
fehlgeleitetes
Immunsystem
von
somatoforme
Patienten
als
mögliche
Krankheitsursache genannt (Helman 1985) (Peters et al 1998). Der Begriff könnte für chinesische
Patienten aber auch für eine Störung der körperlichen Harmonie im Sinne einer Dysbalance der fünf
„vitalen Organe“ stehen und könnte damit nicht mehr als somatische Attribution gesehen werden.
Die Ärzte haben in 65% der Fälle eine psychische Belastung der Patienten erkannt. Die vier am
häufigsten genannten Krankheitsursachen stammen aus dem psychologischen Attributionsbereich. Im
Freitext nennen die Ärzte sogar häufiger als die Patienten psychologische Attributionen. Kirmayer
beschreibt, dass Ärzte meist eine psychische Ursache vermuten, wenn sie auf MUS-Patienten treffen.
Allerdings verbessert dies allein die Arzt-Patienten-Interaktion nicht, da diese Krankheitsursache auf
Prozesse im Innern des Patienten zurückzuführen ist. Dies verleitet dazu, die Verantwortung beim
Patienten selbst zu sehen und kann in diesem Schuldgefühle verursachen. Daher lehnen viele Patienten
eine solche Erklärung ab (Kirmayer et al 2004). Die Wachsamkeit in Bezug auf psychische
Belastungen ist jedoch durchaus sinnvoll. So kann durch entsprechende Screeningfragen ein hoher
Prozentsatz der somatisierenden Patienten mit Major Depression identifiziert werden (Kroenke et al
2003).
In 13 Fällen erwähnt der Arzt weder bei der Nennung der Krankheitsursachen noch bei Diagnose oder
Therapie psychologische Probleme. Nur in einem Fall stammt der Patient aus der Gruppe der
„facultative“ oder „true somatizer“, die im IPQ selbst keine psychologischen Ursachen nennen.
Möglich wäre, dass die übrigen zwölf Patienten die psychosoziale Problematik, die sie im Fragebogen
59
beschreiben, dem Arzt gegenüber nicht angesprochen haben. Bei diesem Verhalten würde man von
einer fakultativen Somatisierung sprechen. Der Fragebogen steht hier für das Interview mit einem
Psychiater, in dem bei Bridges und Goldberg psychosoziale Ursachen zugegeben wurden. Eine andere
Erklärung könnte sein, dass die Ärzte die psychosozialen Aspekte des Gesprächs ignorierten, wie es
auch Dowrick im westlichen Umfeld beobachtete (Dowrick et al 2004).
Das fakultative Somatisieren mit der rein somatischen Attribution beim betreuenden Arzt erschwert es
den Ärzten nachweislich, eine somatoforme Störung zu diagnostizieren und den psychosozialen
Hintergrund zu erkennen. Bei Goldberg und Bridges erkannten die Ärzte bei 95% der psychologisch
attribuierenden und nur bei 48% der somatisch attribuierenden Somatisierungspatienten eine
psychische Störung (Goldberg & Bridges 1988). Ots zitiert mehrere Studien, in denen Unterschiede
zwischen der öffentlichen und privaten Präsentation und dem Zulassen von Gefühlen festgestellt
wurden. Mit einem Ambulanzarzt, einem Fremden für die Patienten, spräche man den chinesischen
sozialen Normen folgend nicht über emotionale Inhalte (Ots 1990).
Dieses Phänomen tritt ausschließlich in der Gynäkologie auf. Vielleicht wurden in der Neurologie
derartige Fälle nicht erfasst, da die erste Screeningstufe der Verdacht des Arztes auf eine somatoforme
Störung war. Sah der Neurologe keine Hinweise auf eine psychologische Auffälligkeit, erhielt der
Patient keinen Screeningfragebogen. Dass die Ärzte in der gynäkologischen Ambulanz jedoch in 54%
der Fälle die psychische Belastung ihrer Patienten nicht erkannten, kann ein Hinweis darauf sein, dass
die biomedizinisch ausgebildeten Ärzte in China besser im Erkennen psychischer Belastungen
geschult werden müssen. Die Patienten, bei denen die Ärzte keinen Verdacht auf psychische
Krankheitsursachen angaben, hatten im Durchschnitt 1,6 Symptome mehr als die Vergleichsgruppe
der gynäkologischen Patientinnen. Sollte es sich hier um fakultative Somatisierer handeln, könnte die
höhere Symptomzahl ein Hinweis auf eine schwerere Ausprägung der somatoformen Störung in dieser
Gruppe sein. Angesichts der kleinen Fallzahl von 13 gegen 12 Patienten könnte aber auch ein
statistischer Zufall vorliegen. In Hinsicht auf die psychische Belastung im HADS gab es keine
Unterschiede.
4.1.5 Stimmen die Krankheitsursachen von Arzt und Patient überein und wie
spiegelt sich dies in der Behandlungserwartung des Patienten und der
Behandlung durch den Arzt wieder?
Obwohl beide Seiten häufig psychologisch attribuieren, ergibt sich nur bei dem Punkt „negative
Lebenseinstellung“, nach Lundh ein wichtiges Merkmal psychologisch attribuierender somatoformer
Patienten (Lundh et al 2002), eine statistisch signifikante Übereinstimmung der Krankheitsursachen
60
Diskussion
von Patienten und Ärzten.
In der britischen Studie von Dowrick ignorierten die meisten Ärzte Hinweise auf psychosoziale
Komponenten und hielten sich an ihre eng definierte biomedizinische Aufgabe. Sie beschwichtigten
die Patienten und spielten ihre Symptome herunter. Zudem hoben sie die Evidenz der negativen
Testergebnisse hervor und boten häufig keine Erklärungen an (Dowrick et al 2004). Die fehlende
Übereinstimmung der Krankheitsursachen weist auf einen solchen Umgang mit Patienten in der
vorliegenden Studie hin.
Betrachtet man jedoch die Einzelfälle und berücksichtigt dabei die Freitextangaben, so ergibt sich in
70% der Fälle eine teilweise bis starke Übereinstimmung der Krankheitsursachen. Dafür spricht auch
die häufige Nennung psychischer Faktoren auf beiden Seiten. Wie unter der zweiten Fragestellung
beschrieben, erkannten zwei Drittel der Ärzte eine psychische Belastung ihrer Patienten.
Die hier verwendete statistische Methode, die Korrelationsanalyse, findet nur da Zusammenhänge, wo
eine genaue Übereinstimmung des jeweiligen Items aus dem Fragebogen vorliegt. Nicht berücksichtigt
wird das Übereinstimmen in Bezug auf die im Ergebnisteil aufgeführten Attributionsskalen. So kann
der Patient „Sorgen/Stress“ angeben, der Arzt jedoch „emotionale Probleme“. Genauso kann der
Patient „Persönlichkeit“ nennen, der Arzt „negatives Denken“. In diesen Fällen wurde mit hoher
Wahrscheinlichkeit über die psychischen Probleme des Patienten gesprochen und der Arzt bezog die
Erklärungen
des
Patienten
in
seine
Bewertung
der
Krankheitsursachen
mit
ein.
Die
Korrelationsanalyse spiegelt solch unscharfe Übereinstimmungen nicht wieder.
Betrachtet man die Therapiewünsche der Patienten und die Therapien der Ärzte, so finden sich auch
bei bloßer Betrachtung der Einzelfälle kaum eindeutige Übereinstimmungen zwischen beiden Seiten.
Besonders in der Gynäkologie wird mehrmals eine Psychotherapie gewünscht, der Arzt konzentriert
sich jedoch auf körperliche Beschwerden und Therapien.
Andererseits haben viele Patienten gar keine oder nur unscharfe Therapievorstellungen und überlassen
dem Arzt die Entscheidung. In manchen Fällen könnte bei den Patienten das patriarchalische Bild des
Arztes, in dessen Obhut sie sich begeben, vorliegen. Dies lassen Angaben wie „alles was hilft“ und
„hängt vom Arzt ab“ vermuten. Sie könnten auch Folge der „inkompletten und unbefriedigenden“
Erklärungen sein, die Peters bei MUS-Patienten fand (Peters et al 1998).
Dass sich 43% der Patienten eine Psychotherapie erhoffen, spiegelt die psychosozial geprägten
Krankheitsattributionen wider und zeigt, dass diese Behandlungsmethode unter in Shanghai lebenden
Chinesen bekannt und akzeptiert ist.
Obwohl auch in der Gynäkologie die Hälfte der Ärzte psychische Ursachen für die Symptome ihrer
Patienten angibt, wurde nur in einem Fall eine Psychotherapie empfohlen. Aus welchen Gründen bei
den 24 anderen Patienten nicht an eine psychologische Behandlung oder Überweisung zum Psychiater
61
gedacht wurde, ist unklar. Eine Erklärung könnte die zu geringe Anzahl an Psychotherapeuten
gemessen am Bedarf der Bevölkerung sein. Vielleicht verfügten die teilnehmenden Ärzte aber auch
über zu wenig Kenntnis der Möglichkeiten, die das chinesische Gesundheitssystem für derartige
Patienten bereithält. Ein anderer Grund könnte sein, dass die Gynäkologen sich als Spezialisten sehen,
die sich nicht um Probleme außerhalb ihres Fachbereichs kümmern wollen oder können.
Kirmayer sieht hinter der somatischen Therapie der Ärzte das Vermeiden emotionaler Belastungen
und fehlende Strategien in Bezug auf psychosoziale Probleme von Patienten. Er vermutet, dass die
Ärzte angesichts der schwierigen Bedingungen – schließlich fehlt ihnen eine eindeutige Diagnoseversuchen, ihre ärztliche Autorität mit Hilfe biomedizinischer Methoden zu wahren (Kirmayer et al
2004).
Vielleicht lässt sich mit dieser Strategie die hohe Rate des oben erwähnten Items „Bakterien/Viren“
oder auch des Punkts „genetisch“ erklären. Letzterer liegt mit einem Mittelwert von 2,72 an zweiter
Stelle der ärztlichen Krankheitsursachen. Zwar wird eine genetische Beeinflussung für Fibromyalgie
und chronisches Müdigkeitssyndrom vermutet und es scheint einen genetischen Zusammenhang
zwischen polysymptomatischer Somatisierungsstörung, Alkoholismus und antisozialer Persönlichkeit
zu geben (Kapfhammer 2007). Dies stellt jedoch nur einen kleinen Einflussfaktor dar, und es ist
unwahrscheinlich, dass die teilnehmenden Ärzte Gendefekte und Vererbung als Hauptursache einer
somatoformen Störung betrachteten.
Im Gegensatz zur Gynäkologie schlagen die neurologischen Fachärzte in sieben von zwölf Fällen eine
Psychotherapie vor. Die Überschneidung des Fachs mit der Psychiatrie könnte bedingen, dass sowohl
die Diagnose psychiatrischer Erkrankungen als auch die Therapiemöglichkeiten für derartige Patienten
den neurologischen Fachärzten geläufiger sind als ihren gynäkologischen Kollegen und ihnen deshalb
das Nennen der Diagnose „Angststörung“ oder „Depression“ und das Verordnen einer Psychotherapie
leichter fällt.
Interessanterweise wird weder in der Gynäkologie noch in der Neurologie die Diagnose „somatoforme
Störung“ genannt. Diese Diagnose scheint den chinesischen Ärzten nicht sehr vertraut oder
verständlich zu sein. Sing Lee thematisiert 1997, wie unverständlich die Teilung von Körper und Seele
für chinesische Psychiater erscheint, er spricht von einem terminologischen Verwirrspiel und zitiert
einen chinesischen Professor, der die somatoforme Störung als obskur und irreführend bezeichnet (Lee
1997).
Vielleicht vermieden die Ärzte auch bewusst eine solch unangenehme Diagnose und gaben den
Patienten in ihren Forderungen nach einer somatischen Diagnose und Therapie nach. Eine von
Kirmayer zitierte Studie fand, dass MUS-Patienten ihren Ärzten körperliche Untersuchungen und
Behandlungen implizit aufdrängten. Sie beschrieben die Intensität der Symptome und deren
Auswirkungen auf den Alltag bildlich und gaben eine biomedizinische Erklärung an, die weitere
62
Diskussion
Untersuchungen erforderte. Dabei unterstrichen sie ihre emotionale Belastung und beriefen sich auf
außenstehende Autoritäten. Reagierten die Ärzte mit einer symptomatischen Behandlung, so
zweifelten die Patienten diese Entscheidung an, brachten alternative Diagnosen auf und betonten das
Versagen vorheriger Behandlungsversuche. Diese Mischung aus Druck und Zwang in Bezug auf die
Behandlung führte bei den Ärzten offensichtlich zu einem Gefühl von Machtlosigkeit und Frust (Ring
et al 2004 zitiert nach Kirmayer 2004). Kroenke empfiehlt bei somatoformen Patienten die
Exploration der Erwartungen des Patienten mit Fragen wie „Haben Sie sich über etwas Sorgen
gemacht?“ oder „Was denken Sie was Ihnen helfen könnte?“ sowie das bewusste Screenen nach
Depression und Angst (Kroenke 2003).
4.2 Welches Behandlungsergebnis wird erzielt in Bezug auf gegenseitiges
Verständnis und Zufriedenheit mit der Behandlung?
Die Behandlungszufriedenheit der Shanghaier Patienten kann mit Daten aus der in der Einleitung
erwähnten Freiburger Hausarztstudie verglichen werden (Betz 2003). Allerdings ist zu
berücksichtigen, dass dort eine Skala von 0-4 verwendet wurde und damit Mittelwerte >2,0 einer
positiven Bewertung entsprechen, während die Fragebogenskala in der vorliegenden Studie von 0-5
reicht und man damit ab Mittelwerten >3 von einer eher positiven Bewertung der Studienteilnehmer
sprechen kann.
In der vorliegenden Studie bewerten 95% der Ärzte und 78% der Patienten ihre Behandlung mit
Mittelwerten von 3,85 und 3,47 positiv. Auch bei Betz wird die Behandlung mit Mittelwerten von
2,68 bei den Ärzten und 2,78 bei den Patienten als gut angesehen.
Die Patienten zeigen sich mit der aktuellen Behandlung mit einem Mittelwert von 3,61 mäßig
zufrieden. Die frühere Behandlung wird deutlich schlechter als die aktuelle Behandlung bewertet.
Dabei ist etwas mehr als ein Drittel der Patienten in der betreffenden Ambulanz vorbehandelt. Drei
Patienten sind unzufriedener als bei vorherigen Behandlungen und bei zwei Patienten gibt es keinen
Unterschied im Vergleich zur Vorbehandlung. In der Interventionsstudie von Betz liegt die
Zufriedenheit der somatoformen Patienten zu Beginn der Studie mit 2,7 auf einer Skala von 0-4
ebenfalls im leicht positiven Bereich.
Die Ärzte bewerten sowohl die frühere als auch die aktuelle Behandlung besser als die Patienten. Da
die frühere Behandlung mehrheitlich nicht in der betreffenden Ambulanz durchgeführt wurde, bezieht
sich die positive Bewertung der Vorbehandlung meist auf unbekannte Kollegen. Nur in vier Fällen
wird die Vorbehandlung negativ bewertet. Über die eigene Behandlung geben die Ärzte sich in einem
63
Viertel der Fälle in Einzelpunkten eine negative Bewertung. Bei Betz liegt die Zufriedenheit der Ärzte
mit 2,6 unter dem Mittelwert der Patientenzufriedenheit.
Die Ärzte zeigen sich sehr zufrieden mit der Behandlung an sich (AM 4,11) und auch bei den
Patienten wird dieser Punkt am zweitbesten bewertet (AM 3,61). Goldberg und Bridges fanden in
einer Studie mit somatoformen Patienten in der Neurologie, dass die meisten Patienten mit der
Konsultation zufrieden waren, obwohl ihre psychischen Belastungen dabei nicht besprochen wurden.
Der Ausschluss einer körperlichen Krankheit durch neurologische Bildgebung wirkte auf sie
angstlösend. Sie sahen den Neurologen als eine Art biologischen „Kfz-Mechaniker“, von dem sie
keine Behandlung oder Erklärung in Bezug auf psychische Probleme erwarteten (Goldberg & Bridges
1988). Ots spricht davon, dass ein traditioneller chinesischer Arzt „nicht viele Fragen stellt“ und sich
auf die körperliche Untersuchung beschränkt, die ihm in der TCM auch die emotionalen Probleme der
Patienten enthüllt (Ots 1990).
Vielleicht lässt sich so die überwiegend gute Bewertung des Items „Zufriedenheit mit der
Behandlung“ erklären. Ein anderer Grund könnte das positive Bewerten des Arztes im Sinne der
„social desirability“, der sozialen Erwünschtheit, sein. Bei der Durchführung einer Feldstudie in
großen Firmen in Hongkong beobachtete Vallaster, dass die chinesischen Mitarbeiter im Gegensatz zu
ihren westlichen Kollegen keine Kritik an Arbeitsweisen und Verhalten ihres Umfelds übten. Zudem
bemerkte die Forscherin, dass chinesischen Studienteilnehmer ihr erst nach einiger Zeit persönliche
Meinungen und Gefühle anvertrauten und sie oft zwischen den Zeilen lesen musste (Vallaster 2000).
Am zufriedensten sind allerdings sowohl die Ärzte (AM 4,16) als auch die Patienten (AM 3,94) damit,
dass der Patient ernst genommen wurde. Auch bei Betz wird dieser Punkt mit Mittelwerten von 3,09
bei Patienten und 3,12 bei Ärzten, jeweils wieder auf der Skala von 0-4, am besten bewertet.
Der größte Unterschied zwischen der Meinung von Patienten und Ärzten ergibt sich bei der
Einschätzung des Erfolgs der Behandlung. Die Ärzte halten die Behandlung in 95% der Fälle (AM
3,94) für erfolgreich, während die Patienten diesen Punkt am schlechtesten bewerten (AM 3,23) und
nur 71% von einem Erfolg ausgehen. Hier unterscheiden sich sie Shanghaier Daten von der deutschen
Studie. Bei Betz schätzen sowohl Patienten als auch Ärzte den Behandlungserfolg schlechter als die
übrigen Punkte ein und liegen bei Mittelwerten von 2,04 und 2,08 im Mittelfeld.
Für beide Seiten war es schwierig, sich über die Krankheit zu verständigen. Der Punkt „das Gleiche
meinen, wenn Sie über die Beschwerden und Behandlung sprechen“ wird von den Ärzten am
schlechtesten bewertet (AM 3,51), und auch die Patienten bewerten diesen Punkt im Vergleich eher
schlecht (3,33). Ebenso und vielleicht als Folge der Kommunikationsschwierigkeiten erreicht das
Miteinbeziehen des Patienten in den Therapieplan mit 3,65 bei den Ärzten und 3,33 bei den Patienten
64
Diskussion
einen eher schlechten Mittelwert. In diesem Item ergibt sich sogar eine statistische Übereinstimmung
im Sinne einer schwachen, nicht signifikanten Korrelation. In der Studie von Betz stellt die
Behandlungsplanung selbst nach einer Schulung der Ärzte noch ein Problem dar. Dennoch bewerten
die Patienten selbst vor der Intervention die Übereinstimmung und Therapieplanung mit 2,95 und 2,85
besser als die Shanghaier Patienten.
Eine produktive Diskussion kann laut Kirmayer nur stattfinden, wenn es dem Arzt gelingt, dem
Patienten eine greifbare Erklärung anzubieten. So können die Patienten die Beschwichtigungen des
Arztes besser annehmen und psychosoziale und körperliche Faktoren können verbunden werden. Den
Beschwerden nur einen Namen zu geben ohne dem Patienten eine sinngebende Bestätigung und einen
Handlungsplan anzubieten, der mit dem Hintergrundwissen und Verständnis des Patienten zu
vereinbaren ist, wird nicht viel zur Lösung seiner Probleme beitragen (Kirmayer et al 2004).
Die Empathie des Arztes wird von den Patienten weitgehend positiv bewertet. Die Patienten schienen
besonders das Gefühl zu haben, der Arzt höre ihnen wirklich zu und ließe sie die Krankheit auf ihre
Art erklären. Dies führt interessanterweise nicht zu einer signifikanten Übereinstimmung der
Krankheitsursachen bei Arzt und Patient. Möglicherweise spiegeln sich das Zuhören des Arztes und
die Erklärungen des Patienten jedoch in den Übereinstimmungen der Attributionsskalen und der
Freitextangaben als Ergänzung zu den IPQ-Fragebogenitems wieder.
Am schlechtesten bewertet werden wiederum die Punkte, die sich auf die Behandlung beziehen. Es
gelang dem Arzt in über 50% der Fälle nicht, dem Patienten beim Umgang mit seiner Erkrankung zu
helfen und einen gemeinsamen Behandlungsplan auszuarbeiten. Obwohl 81% der Patienten sich bei
der Behandlung wohlfühlten, gaben nur 46% an, der Arzt sei mitfühlend. Das mangelnde Mitgefühl
von ärztlicher Seite bemerkte auch die Psychotherapeutin Antje Haag bei chinesischen Kollegen. Sie
vermutet hinter der Distanzierung eine Art Selbstschutz. Die Gefühllosigkeit schütze den Therapeuten
vor einer zu starken Identifizierung mit den Patienten. Die Ursache vermutet sie zum einen in
persönlichen Traumata im Entwicklungsprozess der Ärzte, zum andern in einer kulturell bedingten
Abgrenzungsproblematik (Haag 2008).
In einigen Punkten waren sich die Patienten unschlüssig, bei vielen Fragen kreuzte über ein Drittel
„weder noch“ an. Die Patienten könnten befangen gewesen sein, da die Datenerhebung direkt in dem
Ambulanzbereich stattfand, in dem der Arzt arbeitete. Es stand kein abgetrennter Raum zum Ausfüllen
der Fragebögen zur Verfügung. Nach den Beobachtungen von Haag und Vallaster werden die
Chinesen durch die Aufforderung, Kritik zu üben und ihre Gefühle offen auszudrücken, verunsichert.
Der Erhalt der sozialen Harmonie ist für sie vorrangig (Vallaster 2000) (Haag 2008). Obwohl die
Befragung in schriftlicher Form durchgeführt wurde, könnten die Patienten eine offene Kritik als
unpassend und mit einem Gesichtsverlust für den behandelnden Arzt verbunden gesehen haben.
Zudem beobachtete Haag bei chinesischen Psychotherapeuten Schwierigkeiten zu fokussieren, zu
65
konfrontieren und Widersprüche aufzudecken. Auch Vallaster spricht von einer mangelnden
Kritikfähigkeit der Chinesen. Vielleicht waren die Patienten mit einer konkreten Beurteilung der
Qualität ärztlicher Versorgung überfordert.
In einer deutschen Studie mit Krebspatienten waren die Patienten ebenfalls der Meinung, sich bei
ihrem betreuenden Arzt sehr wohl fühlen zu können, der Mittelwert glich dem hier erhaltenen Wert.
Allerdings verstanden die Krebspatienten die Erklärungen des Arztes deutlich besser und empfanden
sie als mitfühlend, die Mittelwerte für diese Frage lagen bei 1,88 und 2,19 im Vergleich zu 2,35 und
2,65 bei den chinesischen Patienten. Bei der Ausarbeitung eines Behandlungsplans waren die
deutschen Krebspatienten weniger zufrieden als mit den meisten anderen Items, lagen aber mit 2,42
immer noch besser als die chinesischen Patienten mit 2,65. Am schlechtesten bewertete die deutsche
Gruppe mit 2,74 die Hilfestellung des Arztes beim Umgang mit der Erkrankung. Dieser Punkt wurde
auch in Shanghai nicht gut bewertet, mit 2,57 lag das Ergebnis dennoch leicht über dem der
Krebspatienten. Die Gesamtbewertung der ärztlichen Betreuung mit Hilfe des CARE-Fragebogens
befand sich bei beiden Kollektiven bei 2,3 (Neumann et al 2008).
Obwohl die Ärzte der neurologischen Ambulanz psychiatrische Diagnosen nennen und eine größere
Übereinstimmung
der
Krankheitskonzepte
vorliegt,
ist
die
Behandlungszufriedenheit
der
neurologischen Patienten nicht größer und auch die Empathie des Arztes wird auf der Skala von 1 bis
5 nur um 0,2 Punkte besser bewertet. Dies unterstützt die Ergebnisse der Studien von Betz und
Jackson, in der ebenfalls wenig Einfluss auf die Behandlungszufriedenheit durch Krankheitskonzepte,
Genese der Beschwerden oder Kurzintervention festgestellt werden konnte (Betz 2003) (Jackson et al
2004).
Eine Patientin gibt eine durchgehend sehr schlechte Bewertung der Empathie ab. Die Fragen zur
Behandlungszufriedenheit bewertet sie jedoch sehr gut. Da Empathie und Behandlungszufriedenheit
miteinander verknüpft sind und von den übrigen Patienten auch ähnlich bewertet werden, könnte ein
Verständnisproblem in Bezug auf die Fragebogenskala Ursache dieser untypischen Abweichung
zwischen Bewertung der Empathie und der Behandlungszufriedenheit sein.
Die Patienten scheinen sich also ernst genommen zu fühlen und haben der Eindruck, der Arzt höre
ihnen wirklich zu. Die größte Schwierigkeit scheint für beide Seiten die Kommunikation über die
Erkrankung, das Erstellen eines gemeinsamen Therapieplans und somit das Erhalten einer
erfolgreichen Behandlung zu sein. Dies ist bekanntermaßen besonders schwierig bei somatoformen
Patienten (Dowrick et al 2004) (Kroenke et al 2007) (Hartman et al 2009) und die vorliegende Studie
belegt diese Probleme auch für das chinesische Umfeld.
66
Diskussion
Nach Kirmayer spiegelt gerade ein Misserfolg im Finden einer für beide Seiten befriedigenden
Erklärung das Versagen der Arzt-Patienten-Kommunikation wider. Ein Dialog ist für ihn die
Voraussetzung eines Verhandlungsprozesses zwischen Patient und Arzt, und nur aus diesem kann eine
für beide akzeptable Erklärung der Beschwerden entstehen (Kirmayer et al 2004).
In welchem Ausmaß die nur mäßige Zufriedenheit der Patienten der Erkrankung zuzuschreiben ist und
welche Rolle das örtliche Gesundheitssystem spielt, ist aus den Daten nicht zu ersehen. In der
Gesamtbewertung der Behandlungszufriedenheit und Empathie ergeben sich jedoch keine deutlichen
Unterschiede zu den oben genannten westlichen Vergleichsstudien.
Mit großer Wahrscheinlichkeit könnte allerdings ein Training für die behandelnden Ärzte, wie es
Kirmayer für Allgemeinärzte vorschlägt, nützlich sein. Er vermutet, dass die Prognose von Patienten,
die selbst psychologische Aspekte ihrer Beschwerden anerkennen, sich verbessert, wenn die Ärzte
lernen, die psychologischen Dimensionen somatoformer Beschwerden anzusprechen und mit ihren
eigenen Gefühlen der Unfähigkeit umzugehen (Kirmayer et al 2004). Auch wenn das in der Einleitung
erwähnte deutsche Hausarzttraining nur mäßige Langzeitergebnisse zeigte, führte es zu einer
Verbesserung der Behandlungszufriedenheit, des empfundenen Gesundheitszustandes der Patienten
und wahrscheinlich auch zu einer besseren Arzt-Patienten-Beziehung (Larisch et al 2004)
(Schweickhardt et al 2005). Die Schulung chinesischer Ärzte, wie sie im Rahmen des ASIA-LINKProjekts und anderer Arbeitsgruppen geschieht, wurde bisher noch nicht auf ihren Erfolg hin
untersucht.
Wie in Judy Jacksons Studie (Jackon et al 2004) findet sich hier kein Einfluss der Krankheitskonzepte
auf die Patientenzufriedenheit. Die unzufriedeneren Patienten haben in der vorliegenden Studie mehr
Arztbesuche hinter sich, was für einen störenderen Charakter der Symptome auf den Alltag in dieser
Subgruppe hinweisen könnte. Dies würde zu Jacksons Ergebnissen passen. In ihrer Studie war jedoch
eine höhere statt wie in der vorliegenden Studie eine niedrigere Symptomanzahl mit einer schlechten
Zufriedenheit verbunden. Zudem konnte sie einen Zusammenhang der Zufriedenheit und der Dauer
der Symptome feststellen, was hier nicht gelang. Im Shanghaier Kollektiv ist das Fehlen einer
psychischen Belastung mit schlechterer Patientenzufriedenheit assoziiert. Bei Jackson wurde kein
Einfluss der psychischen Belastung auf die Zufriedenheit mit der Arzt-Patienten-Interaktion gefunden
(Jackson et al 2004). Henningsen fand eine geringere psychische Belastung sowie eine niedrigere
Symptomanzahl bei puren Somatisierern im Vergleich zu MUS-Patienten mit psychosozialer
Attribution. Patienten mit somatischer Attribution im Sinne des „true somatizing“ zeigten dabei eine
schlechtere Lebensqualität und geringere Verbesserung depressiver Symptome nach 6 Monaten als die
Gruppe mit psychosozialer Attribution. Die Behandlungszufriedenheit aus Sicht der Patienten
untersuchte er nicht (Henningsen 2005).
67
4.3 Repräsentativität
Das Studienkollektiv besitzt mit der psychischen Belastung, der Beeinträchtigung im Alltag mit
häufigen Arztbesuchen und dem chronischem Verlauf der Symptome, in einigen Fällen seit mehr als
zwei
Jahren,
typische
MUS-Charakteristika.
Patienten
mit
höherer
Schulbildung
sind
überrepräsentiert. Besser ausgebildete Patienten könnten weniger Schwierigkeiten mit dem
Ausdrücken und Beschreiben komplexer Gefühle haben. So fand eine finnische Studie bei Patienten
mit niedrigem Bildungsstatus eine höhere Alexithymierate (Honkalampi et al 1999). Der
Altersdurchschnitt lag mit 39 Jahren nur leicht unter Durchschnittsalter von 40-45 Jahren in früheren
Studien mit somatoformen Patienten (Simon et al 1996.) (Rief et al 1997). Die Ergebnisse aus der
gynäkologischen Ambulanz können als repräsentativ für dieses Setting betrachtet werden. In der
Neurologie hingegen liegt keine repräsentative Stichprobe vor. Hier wurde die Grundgesamtheit nicht
erfasst. Verdachtsmomente des betreuenden Facharztes als erste Screeningstufe können einen
Selektionsbias verursacht haben. Zudem ist ein Persönlichkeitsbias möglich, da die Mehrheit der
neurologischen Patienten von der das Projekt mitbetreuenden Fachärztin behandelt wurde.
4.4 Stärken und Grenzen
Eine wichtige Einschränkung der vorliegenden Arbeit befindet sich in der kleinen Stichprobe von 37
Patienten. Die zweite wichtige Limitierung ist die Sprache. Nicht alle Fragebögen sind in der
chinesischen Version validiert. Zudem besteht die Möglichkeit, dass im Gespräch zwischen den
Studienteilnehmern
und
den
beteiligten
chinesischen
Medizinstudenten,
sowie
bei
der
Rückübersetzung der Freitextbegriffe ins Deutsche Fehler aufgetreten sind. Die Anwendung
strukturierter Patienteninterviews und ein Gespräch mit dem betreuenden Arzt würden die Qualität der
Studie verbessern. Zudem wäre eine longitudinal angelegte Studie aussagekräftiger.
Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der chinesischen Sprache. Sprache im Allgemeinen reflektiert
kulturelle Werte und Glaubensgrundsätze. In China ist die Sprache sehr kontextabhängig und oft
finden sich körperbezogene Ausdrücke. So ist im Begriff für sozialen Status, „shen fen“ das Wort
„Körper“, „shen“ enthalten, im Begriff für die Stimmung, „xin jin“ oder auch Ideal, „li xiang“, das
Wort „xin“, „Herz“ (Tung 1994). Es besteht eine lange Tradition, Emotionen mit somatischen
Metaphern auszudrücken (Ots 1990). Dies schlägt sich vor allem in der traditionellen chinesischen
Medizin nieder, könnte jedoch auch die Krankheitsmodelle der Chinesen beeinflussen, die die
biomedizinische Ambulanz aufsuchen.
Die Stärke der Studie liegt im innovativen Charakter. Eine solche Untersuchung wurde nach
68
Diskussion
vorliegendem Kenntnisstand noch nicht in diesem Umfeld durchgeführt. Die Arbeit ist als Pilotstudie
angelegt und ist richtungsweisend für eine Reihe weiterer Projekte, die die hier aufgezeigten
Zusammenhänge gründlicher untersuchen sollen. Die Daten zeigen eindeutige Hinweise auf
psychologische Attributionen bei chinesischen MUS-Patienten. Zu vermuten ist eine Überforderung
der Ärzte mit der Behandlung dieser Patienten. Die Studie gibt Anlass zur genaueren Überprüfung der
Behandlung psychisch belasteter Patienten in chinesischen Ambulanzen, die nach diesen ersten
vorsichtigen Ergebnissen nicht erfolgreich verläuft. Somit kann die vorliegende Arbeit trotz der
Limitationen, die sie in sich birgt, ein erster Schritt zur Verbesserung der Situation somatoformer
Patienten in China sein.
4.5 Fazit/Schlussfolgerung
Chinesische MUS-Patienten präsentieren sich sowohl mit körperlichen als auch mit psychischen
Symptomen, wobei ein Anstieg der körperlichen Symptomanzahl mit einer höheren psychischen
Belastung einhergeht. Die Symptome belasten ihren Alltag und führen zu häufigen Arztbesuchen. 32%
der Patienten leiden unter einer multisymptomatischen Störung mit zehn und mehr Symptomen. 51%
sind psychisch stark belastet.
Die Mehrheit der Patienten sieht die Hauptursache ihrer Beschwerden im psychosozialen Bereich,
daneben spielen körperliche Ursachen wie das Immunsystem und das Altern eine wichtige Rolle. Die
Ärzte erkennen mehrheitlich eine psychische Belastung, was eine Verhandlung der psychosozialen
Situation der Patienten im Arzt-Patienten-Gespräch vermuten lässt. Dennoch finden Ärzte und
Patienten keine gemeinsame Basis zur Erklärung der Symptome. Dies zeigt sich zum einen in der
fehlenden Übereinstimmung der Krankheitsursachen und zum andern in der schlechten Bewertung des
Punktes „Gleiches meinen, wenn über die Beschwerden gesprochen wird“ auf beiden Seiten.
Die Behandlungszufriedenheit der Patienten ist nur mäßig, was auf die weltweit schwierige ArztPatienten-Beziehung bei MUS-Patienten und auf die fehlende Ausbildung chinesischer Ärzte in Bezug
auf den Umgang mit Patienten aus dem somatoformen Erkrankungskreis zurückzuführen sein kann.
Die Patienten fühlen sich vom Arzt ernst genommen und haben die Möglichkeit, ihre Sichtweise über
die
Beschwerden
zu
erklären.
Allerdings
finden
Arzt
und
Patient
keine
gemeinsame
Behandlungsstrategie. In der Mehrzahl der Fälle erhält der Patient nicht die erhoffte Therapie und
viele Patienten empfinden die Behandlung als nicht erfolgreich. Die Ärzte nehmen dieses Defizit nur
teilweise wahr. Sie bewerten die Zufriedenheit des Patienten in früheren und der aktuellen Behandlung
besser als der Patient selbst und halten die Behandlung in den meisten Fällen für erfolgreich.
Die Studie spricht dafür, dass auch in der chinesischen Primärversorgung MUS-Patienten einen
69
bedeutsamen Teil des Patientenklientels darstellen und die Ärzte in Hinsicht auf Erkennen, Betreuung
und Behandlung dieser Patienten ausgebildet werden müssen. Vor allem die Therapie somatoformer
Störung scheint ein Problem darzustellen und die Behandlungszufriedenheit zu mindern.
Diese Studie kann nur Hinweise auf die aktuelle Situation somatoformer Patienten in chinesischen
Großstädten liefern. Zur Überprüfung der Krankheitskonzepte sind qualitative Studien mit einer
Kombination aus Fragebögen und Interviews nötig. Statt direkt im Anschluss an die Konsultation
müsste die Behandlungszufriedenheit in einer longitudinal angelegten Studie untersucht werden. Mit
einer Kontrolle nach einem größeren zeitlichen Abstand könnten auch der Therapieerfolg und die
Overall-Prognose dieser Patienten erfasst werden. Zudem könnte man die zeitliche Stabilität der
Beschwerden überprüfen.
Bisher gibt es wenige Vergleichsmöglichkeiten in Bezug auf Krankheitskonzepte und vor allem
Behandlungszufriedenheit chinesischer MUS-Patienten. Multizentrische Vergleichsstudien mit großer
Fallzahl sind nötig. Damit könnte man zum einen die Charakteristika dieser Patientengruppe näher
untersuchen und eine den lokalen Möglichkeiten angepasste Therapiestrategie erarbeiten. Zum
anderen erhielte man mit einer großen Studie mehr Angaben über die Krankheitsursachen und konzepte chinesischer Patienten im modernen China. Auch die Behandlungszufriedenheit könnte
umfassender untersucht werden, um den Ärzten aufzuzeigen, wo ihre Defizite im Umgang mit den
Patienten liegen, und sowohl in der medizinischen Ausbildung als auch in der Organisation der
ambulanten Versorgung Verbesserungen vorzunehmen.
Die chinesischen Versionen der hier verwendeten Fragebögen müssten validiert werden oder eigene
chinesische Äquivalente geschaffen werden.
Will China seinen Fortschritt und Wohlstand behalten und weiter ausbauen, so muss es auch
Strategien für seine psychisch erkrankten Patienten bereit halten. Der Ausbau eines effizienten
psychiatrischen und psychosomatischen Versorgungsnetzes ist in einer modernen Gesellschaft
genauso wichtig wie die Behandlung körperlicher Erkrankungen. Nicht umsonst beinhaltet die WHODefinition der Gesundheit neben der Abwesenheit körperlicher Leiden auch das Fehlen psychischer
und sozialer Gebrechen.
Weitere Forschung im Bereich somatoformer Störungen in China könnte nicht nur zu einer
Verbesserung der Betreuung chinesischer Patienten führen sondern auch interessante neue Aspekte in
die weltweite Debatte um die nur mäßig erfolgreiche Behandlung von Somatisierungsstörungen und
die transkulturellen Unterschiede der Krankheitskonzepte im Allgemeinen und bei MUS-Patienten
einbringen.
70
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Die Präsentation mit medizinisch unerklärten körperlichen Symptomen (MUS) scheint in China
vermehrt aufzutreten und eine häufige Manifestation depressiver Störungen darzustellen. Die
vorliegende Studie untersucht, mit welchen körperlichen und psychischen Symptomen sich
chinesische MUS-Patienten in der Primärversorgung präsentieren, welche Krankheitsursachen sie und
die behandelnden Ärzte angeben, ob diese übereinstimmen und wie Ärzte und Patienten die
Behandlungszufriedenheit einschätzen.
37 MUS-Patienten einer gynäkologischen und einer neurologischen Ambulanz in Shanghai mit ≥ 4
Symptomen (SOMS) seit ≥ 6 Monaten wurden zu ihrer psychischen Belastung (HADS),
Krankheitsursachen
(IPQ),
Behandlungszufriedenheit
(Freiburger
Fragebogen
für
Behandlungszufriedenheit) sowie zur Empathie des Arztes (CARE) befragt. Zudem wurden die
Krankheitsursachen und Einschätzung der Behandlungszufriedenheit aus Arztsicht ermittelt.
Die Patienten gaben durchschnittlich 8 Symptome an, 32% nannten mindestens 10 Symptome. Die
Beschwerden gingen mit einer hohen Alltagsbeeinträchtigung und häufigen Arztbesuchen einher. 51%
der Patienten waren psychisch stark belastet. Die Krankheitsursachen waren bei Arzt und Patient
multimodal. Es dominierten die psychosozialen Attributionen, „Stress und Sorgen“ lagen auf beiden
Seiten an erster Stelle. Daneben spielten körperliche Ursachen wie „schwaches Immunsystem“ oder
„Altern“ eine Rolle. Trotz ähnlicher Attribuierung der Ärzte und Patienten zeigte sich nur im Punkt
„negative Lebenseinstellung“ eine signifikante Übereinstimmung der Krankheitsursachen. Die
Behandlungszufriedenheit lag bei den Ärzten höher als bei den Patienten. Am zufriedensten waren
beide beim Punkt „Ernst nehmen des Patienten“, am wenigsten zufrieden zeigten sie sich mit dem
Erstellen eines gemeinsamen Therapieplans.
Diese Studie zeigt, dass MUS auch in der chinesischen Primärversorgung von Bedeutung sind. Die
Patienten gehören mehrheitlich zur Gruppe der initialen Somatisierer. Die ambulante Behandlung von
MUS-Patienten scheint in der chinesischen Biomedizin nicht zufriedenstellend durchführbar zu sein.
Als mögliche Gründe kommen ein Defizit in der Ausbildung der Ärzte oder ein Mangel an
psychiatrisch-psychosomatischer Infrastruktur in Betracht. Die Situation chinesischer MUS-Patienten
sollte in multizentrischen, longitudinalen Studien mit qualitativen Methoden evaluiert werden. Bei
Bestätigung der Ergebnisse der vorliegenden Pilotstudie müssen Konzepte zur Verbesserung der
Behandlungszufriedenheit und des Therapieerfolgs bei MUS in China entwickelt werden.
71
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77
Anhang
Fragebögen
Auf 6 Monate modifizierter SOMS-7
78
Anhang
79
SOMS-2
54)
Wie oft waren Sie wegen der genannten Beschwerden beim Arzt?
 keinmal  1-2 x  3-6 x 
(55)
6 - 12 x  mehr als 12 x
Konnte der Arzt für die genannten Beschwerden eine genaue
Ursache feststellen? ............................................................................................... Ja
(56)
Wie lange halten diese Beschwerden nun schon an?
 unter 6 Monate 6 Monate bis 1 Jahr 1-2 Jahre  über 2 Jahre
80

Nein


Nein


Nein

Haben die genannten Beschwerden Ihr Alltagsleben (z. B. Familie,
Arbeit, Freizeitaktivitäten) stark beeinträchtigt? ..................................................... Ja
(63)

Haben die genannten Beschwerden Ihr Wohlbefinden
sehr stark beeinträchtigt? ....................................................................................... Ja
(58)
Nein
Wenn der Arzt Ihnen sagte, daß für Ihre Beschwerden keine
Ursachen zu finden seien, könnten Sie das akzeptieren? ..................................... Ja
(57)

Anhang
81
IPQ -Krankheitsursachen
Stimmt
überhaupt
nicht
C1
Stress und Sorgen
C2
Vererbt - kommt in meiner Familie öfter vor
C3
Bakterien oder Viren
C4
Ernährungs- oder Essgewohnheiten
C5
Zufall oder Pech
C6
Schlechte
medizinische
Versorgung
Umweltverschmutzung bzw. Umweltgifte
C8
Mein eigenes Verhalten
C10
C11
C12
Meine Einstellung, z. B. negatives Denken über
das Leben
Familienprobleme
oder
Sorgen
verursachten
meine Krankheit
Überarbeitung
Mein emotionales Befinden, z. B. sich bedrückt,
einsam, ängstlich, leer fühlen
C13
Alterungsprozess
C14
Alkohol
C15
Rauchen
C16
Unfall oder Verletzung
C17
Meine Persönlichkeit
C18
Verändertes Immunsystem
82
der
Vergangenheit
C7
C9
in
Stimmt
Weder
nicht
noch
Stimmt
Stimmt
voll und
ganz
Anhang
IPQ: Zusatz für Patienten
Bitte geben Sie uns zuletzt noch an, welche drei Faktoren Ihrer Meinung nach am meisten verantwortlich für
Ihre Krankheit sind. Sie können dazu eine mögliche Ursache aus der oben gemachten Aufzählung nennen (C1 C18) oder auch eine nicht genannte Ursache nehmen.
Die wichtigsten Ursachen meiner Krankheit sind:
1.
____________________________________
2.
_____________________________________
3.
____________________________________
IPQ: Zusatz für Ärzte
Bitte geben Sie uns an, welche drei Faktoren Ihrer Meinung nach am meisten verantwortlich für die Krankheit
Ihres Patienten sind.
Die wichtigsten Ursachen seiner Krankheit sind:
1.
____________________________________
2.
____________________________________
3.
____________________________________
Welche Diagnose haben Sie gestellt?
_______________________________________________________________________
Bitte geben Sie zuletzt noch an, welche Behandlung Sie für seine Beschwerden verordnet haben.
_______________________________________________________________________
83
Fragebogen zur Behandlungszufriedenheit-Patient
1. Wie erfolgreich schätzen Sie ihre jetzige Behandlung ein?
Gar nicht erfolgreich
0
1
2
3
4
5
sehr erfolgreich
2
3
4
5
sehr zufrieden
2
3
4
5
sehr verstanden
4
5
ernstgenommen
2. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer jetzigen Behandlung?
Gar nicht zufrieden
0
1
3. Fühlten Sie sich von Ihrem Arzt verstanden?
Gar nicht verstanden
0
1
4. Fühlten Sie sich von Ihrem Arzt in Ihren Beschwerden ernstgenommen?
Nicht ernstgenommen
0
1
2
3
5. Hat Ihnen Ihr Arzt ausführlich erklärt, woher Ihre Beschwerden
möglicherweise kommen?
Gar nicht
0
1
2
3
4
5
sehr
2
3
4
5
sehr
5
sehr
5
sehr
6. Können Sie dieser Erklärung zustimmen?
Gar nicht
0
1
7. Ist Ihr Arzt auf Ihre Vorstellungen über die Entstehung und Behandlung der
Beschwerden eingegangen?
Gar nicht
0
1
2
3
4
8. Inwieweit hatten sie den Eindruck, dass Ihr Arzt und Sie das Gleiche meinen,
wenn Sie über Ihre Beschwerden und deren Behandlung sprechen?
Gar nicht
84
0
1
2
3
4
Anhang
9. Wurden Ihre Sichtweise und Ihre Meinung bei der Planung der Behandlung mit
einbezogen?
Gar nicht
0
1
2
3
4
5
sehr
85
Fragebogen zur Messung der früheren Behandlungszufriedenheit aus Sicht des
Arztes
1. Wie erfolgreich schätzen Sie die Behandlung des Patienten in den letzten 6 Monaten ein?
Gar nicht erfolgreich
0
1
2
3
4
5
sehr erfolgreich
2. Wie zufrieden sind Sie mit der Behandlung des Patienten in den letzten 6 Monaten?
Gar nicht zufrieden
0
1
2
3
4
5
sehr zufrieden
Fragebogen zur aktuellen Behandlungszufriedenheit aus Sicht des Arztes
1. Wie erfolgreich schätzen Sie Ihre jetzige Behandlung ein?
Gar nicht erfolgreich
0
1
2
3
4
5
sehr erfolgreich
3
4
5
sehr zufrieden
2. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer jetzigen Behandlung?
Gar nicht zufrieden
0
1
2
3. Inwieweit glauben Sie, fühlte sich der Patient von Ihnen als Arzt verstanden?
Gar nicht verstanden
0
1
2
3
4
5
sehr verstanden
4. Glauben Sie, dass sich Ihr Patient in seinen Beschwerden ernstgenommen fühlte?
Nicht ernstgenommen
0
1
2
3
4
5
ernstgenommen
5 Haben Sie ihrem Patienten ausführlich erklärt, woher seine Beschwerden
möglicherweise kommen?
Gar nicht
0
1
2
3
4
5
sehr
5
sehr
6. Haben Sie den Eindruck, dass er diesen Erklärungen zustimmen konnte?
Gar nicht
86
0
1
2
3
4
Anhang
7. Sind Sie als Arzt auf die Vorstellungen Ihres Patienten über die Entstehung und
Behandlung der Beschwerden eingegangen?
Gar nicht
0
1
2
3
4
5
sehr
8. Inwieweit hatten sie den Eindruck, dass Ihr Patient und Sie das Gleiche meinen,
wenn Sie über seine Beschwerden und deren Behandlung sprechen?
Gar nicht
0
1
2
3
4
5
sehr
9. Hatten Sie das Gefühl, seine Sichtweise und seine Meinung bei der Planung der
Behandlung mit einzubeziehen?
Gar nicht
0
1
2
3
4
5
sehr
87
CARE
1. Hat sich der Arzt so verhalten, dass Sie sich in seiner Nähe wohlfühlen konnten?
(Er war freundlich, warmherzig und respektvoll, aber nicht kühl und kurz angebunden)
1
trifft voll und ganz zu
2
3
trifft weitgehend zu
4
trifft teilweise zu
trifft kaum zu
5
trifft überhaupt nicht zu
2. Hat der Arzt Sie Ihre eigene (Krankheits-)Geschichte erzählen lassen?
(Er gab Ihnen Zeit, Ihre Krankheit ausführlich zu beschreiben. Er hat Sie dabei nicht unterbrochen
oder abgelenkt)
1
trifft voll und ganz zu
2
3
trifft weitgehend zu
trifft teilweise zu
4
trifft kaum zu
5
trifft überhaupt nicht zu
3. Hat der Arzt Ihnen wirklich zugehört?
(Er hat dem, was Sie gesagt haben, seine volle Aufmerksamkeit geschenkt und dabei nicht auf
seine Unterlagen oder auf den Computer geschaut)
1
trifft voll und ganz zu
2
3
trifft weitgehend zu
trifft teilweise zu
4
trifft kaum zu
5
trifft überhaupt nicht zu
4. Hat sich der Arzt für Sie als Mensch und für ihre Umwelt interessiert?
(Er kannte oder fragte nach wichtigen Einzelheiten Ihres Lebens oder Ihrer persönlichen
Situation und hat Sie nicht wie eine „Nummer“ behandelt)
1
trifft voll und ganz zu
2
3
trifft weitgehend zu
trifft teilweise zu
4
trifft kaum zu
5
trifft überhaupt nicht zu
5. Hat der Arzt Ihre Sorgen wirklich verstanden?
(Er konnte Ihnen das Gefühl vermitteln, dass er Ihre Sorgen genau verstanden hat. Er hat dabei
nichts übersehen und ist über nichts hinweggegangen)
1
trifft voll und ganz zu
2
3
trifft weitgehend zu
trifft teilweise zu
4
trifft kaum zu
5
trifft überhaupt nicht zu
6. War der Arzt fürsorglich und hat er Mitgefühl gezeigt?
(Er hat sich aufrichtig um Sie gekümmert und sich Ihnen gegenüber menschlich gezeigt. Dabei war
er nicht gleichgültig oder distanziert.)
1
trifft voll und ganz zu
88
2
trifft weitgehend zu
3
trifft teilweise zu
4
trifft kaum zu
5
trifft überhaupt nicht zu
Anhang
7. Hat der Arzt Ihnen Mut gemacht?
(Er hat hatte eine zuversichtliche Einstellung. Er war ehrlich, aber gegenüber Ihren Problemen
nicht negativ eingestellt.)
1
2
trifft voll und ganz zu
trifft weitgehend zu
3
trifft teilweise zu
4
trifft kaum zu
5
trifft überhaupt nicht zu
8. Hat der Arzt Ihnen alles verständlich erklärt?
(Er hat Ihre Fragen vollständig beantwortet und alles eindeutig erklärt. Er gab Ihnen ausreichend
Informationen und hat Sie nicht im Unklaren gelassen)
1
2
trifft voll und ganz zu
trifft weitgehend zu
3
trifft teilweise zu
4
trifft kaum zu
5
trifft überhaupt nicht zu
9. Hat der Arzt geholfen, einen Weg zu finden mit Ihrer Krankheit umzugehen?
(Er hat gemeinsam mit Ihnen erkundet, wie Sie selbst Ihren Gesundheitszustand verbessern
können. Dabei hat er Sie ermutigt, anstatt Sie zu belehren.)
1
2
trifft voll und ganz zu
trifft weitgehend zu
3
trifft teilweise zu
4
trifft kaum zu
5
trifft überhaupt nicht zu
10. Hat der Arzt mit Ihnen zusammen einen Behandlungsplan erstellt?
(Er hat mit Ihnen die Behandlungsmöglichkeiten diskutiert und Sie in Entscheidungen – soweit Sie
dies gewünscht haben- einbezogen. Dabei hat er Ihre Sichtweise nicht ignoriert.
1
trifft voll und ganz zu
2
trifft weitgehend zu
3
trifft teilweise zu
4
trifft kaum zu
5
trifft überhaupt nicht zu
89
90
Danksagung
Danksagung
Bedanken möchte ich mich bei Herrn Professor Kurt Fritzsche, Oberarzt am Universitätsklinikum
Freiburg, Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie, für die Anregung des Themas dieser
Arbeit und die exzellente Betreuung im gesamten Verlauf der Studie, durch die er uns unvergessliche
Erfahrungen ermöglicht hat.
Mein Dank gilt weiterhin Herrn Dr. Zhao Xudong sowie Frau Dr. Huang Dongya und Herrn Dr.
Huang, die mir die Datenerhebung in Shanghai ermöglicht haben.
Schließlich danke ich den chinesischen Medizinstudentinnen Sun Hue und Li Yuanzhe, ohne deren
Unterstützung der Kontakt mit den chinesischen Patientinnen und Patienten nicht möglich gewesen
wäre und die uns sowohl im Krankenhaus als auch bei allen privaten Angelegenheiten während
unseres Aufenthaltes in Shanghai umfassend und herzlich betreut haben. Danke an Xiang Yang und
alle anderen Medizinstudenten, die mir in der gynäkologischen Ambulanz geholfen haben.
Vielen Dank auch an meine beiden Mitdoktorandinnen Kathrin Anselm und Stephanie Kern für die
hervorragende Teamarbeit, an Zhao Ruoyao für die Hilfe im Anfangsstadium, sowie an Katharina
Thies und Ingmar Weltin für die Anregungen beim Schreiben der Doktorarbeit.
Vielen Dank an Herrn Professor Schulze-Bonhage für das Übernehmen des Zweitgutachtens.
Ich widme diese Doktorarbeit meiner Familie, ohne deren Unterstützung ich nie soweit gekommen
wäre.
91
Lebenslauf
Name
Miriam Fritz
Geburtsdatum
05.01.1984
Geburtsort
Gernsbach
Ausbildung
Dezember 2010
Voraussichtlicher
Abschluss
des
Medizinstudiums
(Zweites
Staatsexamen)
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
September 2006 – Juni 2007
Studienjahr im Rahmen des Erasmus Socrates Programms
Università Cattolica del Sacro Cuore in Rom, Italien
September 2005
Erstes Staatsexamen mit Note 1,5
September 2003
Beginn des Medizinstudiums
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
September 1994 – Juli 2003
Besuch des Goethe-Gymnasiums in Gaggenau
Abschluss Abitur mit Note 1,4
September 1990 – Juli 1994
Besuch der Merkurschule in Gaggenau
Praktische Berufserfahrungen im In- und Ausland
Februar – März 2010
Famulatur in der Abteilung für Anästhesie
Universitätsklinikum (CHU) Pointe-à-Pitre in Guadeloupe, Frankreich
Oktober – Dezember 2009
Ableistung des Tertials für Chirurgie des Praktischen Jahres
Abteilungen
für
Orthopädie
und
Viszeralchirurgie
des
Universitätsklinikums (HUG) in Genf, Schweiz
Februar – September 2009
Ableistung des Tertials für Innere Medizin und des Wahlfachs
Neurologie des Praktischen Jahres
Städtisches Klinikum Karlsruhe
92
Lebenslauf
September 2008
Famulatur in der Abteilung für psychosomatisch-neurologische
Rehabilitation
Schmieder-Klinik in Konstanz
August – September 2007
Famulatur in der Abteilung für Pädiatrie
Städtisches Klinikum Dresden
März 2006
Famulatur in der Abteilung für Rheumatologie und Nephrologie
Städtisches Klinikum Bogenhausen in München
Wissenschaftliche Tätigkeiten
Februar – Mai 2010
Hilfswissenschaftliche
Tätigkeit
bei
der
DFG-geförderten
multizentrischen Studie „schrittweise Psychotherapie- intervention zur
Risikoreduktion bei Koronarer Herzkrankheit“ (SPIRR-CAD) im
psychosomatischen Institut Freiburg
September 2007 – Juni 2010
Dissertation an der Abteilung für Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg, mit 2monatigem
Forschungsaufenthalt am Dongfang-Krankenhaus und an der TongjiUniversitätsklinik in Shanghai, China
93
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