SÜDSUDAN SÜDSUDAN Christen (60,5 %) -Katholiken (39,6 %) -Protestanten (20,9 %) Muslime (6,2 %) Einwohner: Fläche: Flüchtlinge (int.)*: 2 10.838.000 644.300 km 223.636 * Ausländische Flüchtlinge in diesem Land Sonstige Religionen (0,4 %) Traditionelle Religionen (32,9 %) Flüchtlinge (ext.)**: Binnenflüchtlinge: 102.651 401.433 ** Ins Ausland geflohene Bürger dieses Landes Rechtliche Aspekte in Bezug auf die Religionsfreiheit Die Übergangsverfassung, die am 7. Juli 2011 von der gesetzgebenden Versammlung Südsudans verabschiedet wurde und am 9. Juli 2011 in Kraft getreten ist, sieht die Trennung von Religion und Staat vor (Artikel 8.1) und erklärt, dass alle Religionen nach dem Gleichheitsprinzip behandelt werden und dass der religiöse Glaube nicht als trennendes Motiv eingesetzt werden darf (Artikel 8.2). Die Verfassung zählt eine ganze Reihe von religiösen Rechten auf, die in Artikel 23 verankert sind.1 Stellung der religiösen Minderheiten in der Praxis Zu der Zeit, als Südsudan und Sudan – dessen Regierung eine fundamental-islamische Orientierung hatte – eine einzige Nation waren, gehörte das Land weltweit zu den Regionen, die am meisten unter religiöser Verfolgung und Intoleranz zu leiden hatten. Viele Jahre hindurch wurde allen Einwohnern unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit das islamische Recht aufgezwungen. Es kam zeitweise auch zu religiöser Verfolgung infolge eines ehrgeizigen Plans zur Arabisierung und Islamisierung der Bevölkerung, um die Ausweitung des Islams – ausgehend vom nördlichen Sudan – auf die restlichen Länder von Afrika südlich der Sahara zu ermöglichen. Diese Politik führte zu verschiedenen Formen sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Unterdrückung, Diskriminierung und sogar Gewalt gegenüber Bürgern aus dem Süden, die sich der Bekehrung zum Islam oder der Annahme arabischer Gebräuche und Traditionen widersetzten. Selbst in jüngerer Zeit gab der Staatspräsident des Südsudans zu verstehen, dass das erst seit Kurzem unabhängige Land dem Druck einiger radikaler Kräfte im Regime von 1 www.constituteproject.org/constitution/South_Sudan_2011 © KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014 Khartum ausgesetzt ist.2 Es gibt berechtigte Befürchtungen, dass fundamentalistischislamistische Kräfte – nachdem sie diese große Region „verloren“ haben – versuchen könnten, religiöse Feindseligkeit innerhalb des Südsudans auszulösen. Vor diesem historischen Hintergrund wissen die Bürger des Südsudans die religiöse Toleranz, die viele Jahre hindurch praktisch nicht existierte, besonders zu schätzen. Im Rahmen der neuen Unabhängigkeit und des Friedens kann sich heute jede Person vollkommen frei und ohne Einschränkungen zur Religion und Glaubensgemeinde ihrer Wahl bekennen. Religiöse Gruppen können missionarisch aktiv werden, neue Mitglieder aufnehmen, eigene Veröffentlichungen herausgeben und religiöse Materialien verteilen. Die Regierung akzeptiert die religiöse Pluralität und würdigt die Rolle der Kirchen im Wiederaufbau der Nation und ihre moralische Stärke.3 In Südsudan sind interreligiöse und ökumenische Initiativen nichts Ungewöhnliches und tragen zur Annäherung verschiedener Bereiche der Gesellschaft bei.4 Historisch gesehen spielten Kirchen und religiöse Führer während der schlimmsten Jahre des Bürgerkriegs und des inneren Konflikts im Südlichen Sudan eine sehr wichtige Rolle5 und so haben sie noch heute eine große moralische Autorität innerhalb der Gesellschaft. In diesem Kontext ist die Initiative eines Nationalen Komitees für Frieden, Heilung und Versöhnung,6 das per Dekret vom Staatspräsidenten Salva Kiir einberufen wurde, besonders relevant.7 Nach einigen enttäuschenden Fehlschlägen im Entstehungsprozess nahm das Komitee schließlich im Juli 2013 seine Arbeit auf. Die Mitglieder des Ausschusses sind so gewählt, dass sie auf die Themen des Friedens und der Aussöhnung auf nationaler Ebene wie auch international eingehen können. Im Komitee sind alle Hauptreligionen wie auch die Muslimische Gemeinschaft vertreten. www.sudantribune.com/spip.php?article42611 www.oikoumene.org/en/press-centre/news/south-sudan-president-expresses-appreciation-forchurches2019-contribution-to-the-new-nation 4 Zwei Jahre nach der Unabhängigkeit des Südens, wurden im Jahr 2013 zwei ökumenische Körperschaften geschaffen: der sudanische Kirchenrat (für Sudan) und der südsudanische Kirchenrat (für Südsudan). Siehe www.oikoumene.org/en/press-centre/news/two-ecumenical-bodies-established-for-sudan-andsouth-sudan. Unter www.sudantribune.com/spip.php?article45021 ist ein Beispiel zu finden, wie Kirchenverantwortliche von den Behörden gerufen werden, um zu einer Lösung der schwierigen sozialen und politischen Probleme beizutragen. In diesem Fall handelt es sich um das Problem Abyei, aber religiöse Gruppen sind auch an weiteren sozialen und friedensbildenden Initiativen beteiligt. 5 http://catholicradionetwork.org/?q=node/6750 6 Auch Komittee der Versöhnung genannt. 7 http://www.sudantribune.com/spip.php?article46472 und www.afjn.org/focus-campaigns/other/othercrisis-areas/132-sudan-darfur/1174-the-committee-for-national-healing-peace-and-reconciliation.html 2 3 © KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014 Obwohl die Muslime im unabhängigen Südsudan eine Minderheit sind, sind sie in wichtigen Regierungsposten und im öffentlichen Dienst gut vertreten. Es gibt nur wenige Berichte über Diskriminierung oder Gewalttätigkeit gegen religiöse Gruppen. Obwohl es in der Vergangenheit zu sehr heftigen Auseinandersetzungen und auch bewaffneten Zusammenstößen mit Hunderten von Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung in verschiedenen Regionen des Landes gekommen ist, waren diese politisch oder auch ethnisch motiviert und hatten kaum einen religiösen Hintergrund.8 Angaben zur religiösen Verfolgung, Unterdrückung und/oder Diskriminierung Zwei Mitglieder der Presbyterianischen Kirche im Südsudan, Rev. Idris Nalos Kida und der in der Ausbildung befindliche Pastor David Ganyinmay, wurden ohne einen Anklagegrund am 19. Mai 2013 verhaftet. Berichten zufolge erfolgte die Festnahme durch die Sicherheitskräfte. Gegenstände, wie Handys, Laptops und Dokumente, die Rev. Idris gehörten, wurden dabei beschlagnahmt. Der Vorfall wurde am 28. Mai 2013 von Amnesty International öffentlich gemacht.9 Ein Bericht über Menschenrechte der US-Regierung erwähnt Fälle von subtiler Diskriminierung gegen Personen arabischer Herkunft oder muslimischen Glaubens, besonders bei Anträgen auf Staatsbürgerschaftsnachweise und anderen offiziellen Dokumenten.10 Doch konnte nicht festgestellt werden, dass dies ein konstanter Trend in allen staatlichen Bereichen ist. Veränderungen hinsichtlich der Religionsfreiheit Es gibt keine bemerkenswerten Veränderungen im Vergleich zu den vergangenen Jahren und die wenigen Vorfälle hinsichtlich der Religionsfreiheit scheinen eher isolierte Erscheinungen zu sein als Teil einer organisierten oder vorsätzlichen Strategie. Doch die häufigen gewalttätigen Unruhen im Land (vor allem in Teilen des Bundesstaats Jonglei und im streitig gemachten Gebiet von Abyei) könnten allgemein ernste Auswirkungen auf die bürgerlichen Freiheiten haben.11 Ein Beispiel: http://www.anglicannews.org/features/2013/08/violence-not-acceptable-means-of-solvingdisputes,-primate-tells-south-sudan-rebel-leader.aspx 9 http://www.sudantribune.com/spip.php?article46848 10 www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2012&dlid=204169 11 http://www.persecution.org/2012/11/22/christians-in-sudan-suffer-because-of-border-dispute/ 8 © KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014 Die Spannungen mit dem Sudan bestehen nach wie vor, eine politische Lösung der Streitigkeiten zwischen den zwei Ländern ist nicht abzusehen (verschiedene Verletzungen von Friedensvereinbarungen haben die Beziehungen zwischen den beiden Ländern nicht gerade erleichtert). Die Fortsetzung der militärischen Kampfhandlungen oder der verbalen Auseinandersetzungen könnten auch dazu beitragen, das Misstrauen des Südsudans gegenüber den Arabern und anderen Gruppen aufrechtzuerhalten, die allgemein mit ihnen assoziiert werden (Muslime, Somalier etc.). Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sich eine Radikalisierung der Einstellungen in der Gesellschaft infolge religiösen Extremismus durchsetzt. Jüngste Entwicklungen: Millionen Menschen durch den Bürgerkrieg vertrieben Die fortwährenden gewalttätigen Unruhen der letzten sechs Monate in Südsudan sind – allgemein betrachtet – das Ergebnis eines Machtkampfes zwischen politischen Rivalen innerhalb der Regierungspartei Sudan People Liberation Movement (SPLM).12 Der UNO-Flüchtlingskommissar António Guterres sagte hierzu: „Eine politische Plänkelei artete zu einem ethnischen Konflikt aus, als die verfeindeten Führer Unterstützung auf ethnischer Ebene bekamen. Bald kämpften die Nuer und die Dinka [die beiden größten Ethnien Südsudans] heftiger denn je zuvor gegeneinander, sie griffen absichtlich die Zivilbevölkerung an und wendeten sich gegen die Gemäßigteren innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft.“13 Kämpfe brachen im Februar 2014 in der Provinz Oberer Nil aus und verletzten so das Friedensabkommen, das im Monat vorher unterzeichnet worden war. Im März kam es zu Massenaussiedlungen aus Teilen der Bundesstaaten Unity, Oberer Nil und Jonglei infolge der Auseinandersetzungen mit den Rebellen. Msgr. Roko Taban, Apostolischer Administrator von Malakal, berichtete, dass vieles in der Diözese „vollkommen zerstört“ wurde, und fügte hinzu: „Wir haben alles verloren – unseren ganzen Besitz. Viele unserer Kirchen und Häuser sind dem Erdboden gleichgemacht worden – und alles ist geplündert worden.“14 Nach monatelangen Kämpfen und Unruhen gab es Tausende von Toten und über eine Million Menschen auf der Flucht.15 Die 8.500 UNFriedenssoldaten im Land bemühten sich, den Konflikt unter Kontrolle zu bringen. Im Mai 2014 unterzeichneten die Führer der beiden feindlichen Parteien, Präsident Salva www.theguardian.com/commentisfree/2014/jan/14/south-sudan-divided-oil-ethnicity-violence www.unhcr.org/538d801d6.html ; www.theguardian.com/world/2013/dec/23/south-sudan-state-thatfell-apart-in-a-week 14 www.bbc.co.uk/news/world-africa-26238849 ; http://www.acnuk.org/news.php/482/south-sudan-wehave-lost-everything 15 www.nytimes.com/2014/05/20/world/africa/food-crisis-worsens-in-south-sudan-as-civil-war-isdisplacing-millions.html?_r=0 12 13 © KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014 Kiir und Vize-Präsident Riek Machar, erneut ein Friedensabkommen, das zum Zeitpunkt des Drucks dieses Berichts noch andauert.16 Südsudan ist ein sehr junges Land mit großen administrativen und strukturellen Problemen. Viele der politischen Führer sind ehemalige Offiziere der Sudan People’s Liberation Army (SPLA; eine Rebellengruppe, die gegen das Regime von Khartum kämpfte) mit geringen Erfahrungen im öffentlichen Dienst und in der staatlichen Verwaltung. Diese „alte Garde“ hindert neue und jüngere Südsudanesen (viele dieser jüngeren Kräfte haben Ausbildungen in Kanada, Australien oder den USA durchlaufen) daran, Verantwortungsposten im Staat zu übernehmen. Die Korruption ist auf allen Ebenen weit verbreitet, trotz aller Bemühungen, sie auszumerzen. Ebenso der Nepotismus und es gibt kaum Transparenz in den staatlichen Strukturen und Verfahren. Der Dienstleistungssektor ist noch immer sehr unzureichend und die Erdölförderung bringt nur weitere Verwirrung in eine Situation, die aufgrund politischer und sozialer Faktoren internen wie externen Ursprungs in sich bereits extrem komplex ist. Laut Menschenrechtsorganisationen lässt die nationale Bilanz der grundlegenden Bürgerrechte im Allgemeinen viel zu wünschen übrig, vor allem aufgrund der beispiellosen Verletzung dieser Rechte seitens der Polizei, des Militärs und in einigen wenigen Fällen der paramilitärischen Gruppen und Milizen. Die Rechte der verhafteten Personen werden nicht respektiert; Berufsgruppen wie etwa Journalisten laufen Gefahr, von den Behörden wegen „ungünstiger Berichterstattung“ bedrängt zu werden (die Kritik seitens der Behörden könnte leicht als rechtliche Verletzung oder Übergriff auf die gesetzlichen Sicherheitsvorschriften angesehen werden). Verhaftete Personen können lange Zeit in Isolierhaft gehalten werden. 16 www.bbc.com/news/world-africa-27352902 © KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014