00_MiQ_11a_2011.book Seite 99 Dienstag, 7. Juni 2011 11:01 11 99 Zusammenfassung Sexuell übertragene Erkrankungen (STD) sind ein ernst zu nehmendes Problem. Sie nehmen in den Industrieländern stetig zu. Neben den klassischen Geschlechtskrankheiten wie Gonorrhö, Syphilis, Lymphogranuloma venereum, Donovanosis oder das Ulcus molle, spielen zunehmend urogenitale Infektionen mit Chlamydia trachomatis, Trichomonaden, Herpesviren oder humane Papillomaviren eine Rolle. Eine schnelle und zuverlässige Diagnostik ist die Voraussetzung für eine adäquate Therapie. Ziel der vorliegenden MiQ ist es daher, einen Überblick über die wichtigsten Erreger von urogenitalen Infektionen und Geschlechtskrankheiten zu geben und insbesondere die aktuell verfügbaren diagnostischen Verfahren und deren Wertigkeit aufzuzeigen. Chlamydia trachomatis verursacht unspezifische Infektionen des Genitaltraktes (Serovare D–K) sowie das Lymphogranulom venereum (Serovare L1–L3). Die Serovare D–K gehören in Deutschland zu den häufigsten, sexuell übertragbaren Erregern. Typischerweise führen sie zu einer Urethritis und Zervizitis; die Mehrheit der Infektionen verläuft aber oligo- oder asymptomatisch mit der Gefahr der Endometritis oder Salpingitis, gefolgt von potenzieller Tubeninfertilität bei Frauen oder Epididymitis bei Männern. Um dem Entstehen von Folgeerkrankungen entgegenzuwirken, gibt es in Deutschland ein Screening-Programm für junge Frauen unter 25 Jahren. Zum Nachweis urogenitaler C.-trachomatis-Infektionen gilt die Nukleinsäure-Amplifikationstechnik (NAT) aufgrund der hohen Spezifität und Sensitivität in der Routinediagnostik sowie bei Screening-Untersuchungen – insbesondere aus Urinproben und Vaginalabstrichen als Verfahren der ersten Wahl. In Laboratorien mit geringem Probenaufkommen ermöglicht die direkte Immunfluoreszenzmikroskopie eine rasche Diagnostik; allerdings erfordert die Methode eine große Erfahrung und ist aufgrund der im Vergleich zur NAT geringeren Sensitivität nicht zur Untersuchung von Urinen und Vaginalabstrichen zugelassen. EIA-basierte Verfahren zum Antigennachweis verlieren zunehmend an Bedeutung und können wie auch POCT-Verfahren nicht empfohlen werden. Die Anzüchtung der Keime in Zellkulturen, bei Therapieversagen ratsam, ist Speziallaboratorien vorbehalten. Serologische Verfahren zum Antikörpernachweis werden nur als Screening-Verfahren bei Infertilität und bei aufsteigenden invasiven Infektionen favorisiert. Als goldener Standard gilt der Mikroimmunfluoreszenztest (MIF) zum quantitativen Nachweis von speziesspezifischen IgM-, IgA- und IgG-Antikörpern, der aber wegen der subjektiven Ablesung von Labor zu Labor im Endergebnis erheblichen Schwankungen unterliegt. Seite 11 von 72 00_MiQ_11a_2011.book Seite 100 Dienstag, 7. Juni 2011 11:01 11 100 Teil II: Infektionserreger Das Lymphogranuloma venereum (LGV) wird durch die Serovare L1–L3 von C. trachomatis hervorgerufen. Es ist in Asien und Afrika endemisch und kommt in Deutschland nur sporadisch vor. Das LGV manifestiert sich zunächst als schmerzloses Ulkus und führt im weiteren Verlauf zu einer schmerzhaften Vergrößerung der betroffenen Lymphknoten und zur Bubo-Bildung. Der Erregernachweis erfolgt mittels Zellkultur direkt aus Ulkus-Abstrichen oder Lymphknotenaspiraten; die Einschlusskörper werden mittels Immunfluoreszenz dargestellt oder mit der NAT oder PCR nachgewiesen (Speziallabor). Auch eine LGV-spezifische PCR im Speziallabor ist möglich. Als Nachweismethode der Wahl gilt die Antikörperbestimmung. Gardnerella vaginalis lassen sich bei bis zu 50% der geschlechtsreifen Frauen in der normalen Vaginalflora nachweisen. Bei Frauen mit einer bakteriellen Vaginose (BV), die eine ausgeprägte Fehlbesiedlung der Vagina darstellt, kommen sie zusammen mit anderen BV-assoziierten Bakterien in hohen Keimzahlen vor (Klinik und Diagnostik der BV s. MiQ 10). Neben der BV können Gardnerellen, sogar als Bakteriämieerreger, bei postpartalen Infektionen und bei Infektionen nach Eingriffen im Urogenitaltrakt eine Rolle spielen. Die kulturelle Diagnostik beschränkt sich auf letztere seltene Fälle und auf therapieresistente Patientinnen mit BV. Die kulturelle Anzüchtung erfolgt in anaerober oder CO2-Atmosphäre. Auf blut- und kochbluthaltigen Medien wachsen die Keime ohne Hämolyse, auf Selektivmedien mit 5% Human- oder Kaninchenblut als kleine transparente Kolonien mit einer schmalen β-Hämolyse. Die weitere Identifizierung erfolgt mikroskopisch (kleine kokkoide gramlabile Stäbchen) und mit kommerziellen biochemischen Systemen. Haemophilus ducreyi verursacht eine in Europa seltene Erkrankung, das Ulcus molle. Haemophilus ducreyi kann mittels Kultur auf häminhaltigen Nährmedien angezüchtet und mittels Mikroskopie und biochemischen Methoden identifiziert werden. Aufgrund der geringen Sensitivität und Spezifität dieser Methoden ist die NAT die Nachweismethode der ersten Wahl. Klebsiella granulomatis, intrazelluläre pleomorphe gramnegative Stäbchen, gehören zur Familie der Enterobacteriaceae und verursachen das Granuloma inguinale, auch Danovanosis genannt. Die Erkrankung, die vorwiegend in den Tropen vorkommt, manifestiert sich in Form blutender Wunden, Bläschen oder als Ulzerationen in der Leiste, die in Abszesse übergehen können. Da eine Kultivierung des Erregers bisher nicht möglich ist, beschränkt sich die mikrobiologische Diagnostik auf die Mikroskopie nach Giemsa- oder Wright-Färbung. Im Präparat sieht man die typischen intrazellulären pleomorphen Ansammlungen gramnegativer Bakterien, auch DonovanKörperchen genannt. Listerien werden über kontaminierte Lebensmittel aufgenommen. Sie können in der Schwangerschaft passagere bakteriämische Infektionen verursachen. Wenn nicht erkannt, kann es zur diaplazentaren Übertragung auf das Kind kommen mit der Folge einer Amnioninfektion, Totgeburt oder Frühgeburt. Bei einer Infektion unter der Geburt besteht die Gefahr einer Early-Onset-Sepsis. Listerien werden mittels kultureller Anzüchtung isoliert; bei Nachweis aus sterilen Kompartimenten ist Blutagar geeignet, Seite 12 von 72 00_MiQ_11a_2011.book Seite 101 Dienstag, 7. Juni 2011 11:01 11 Zusammenfassung 101 bei Nachweis aus polymikrobiell kontaminierten Proben empfehlen sich Selektivmedien wie PALCAM-Agar oder die Kälteanreicherung bei 4 °C. Auf Blutagar zeigen die Bakterien eine schwache β-Hämolyse; sie sind beweglich und katalasepositiv und können gut mit kommerziellen Systemen identifiziert werden. Aus sterilen Proben ist die Mikroskopie hilfreich. Bei antibiotischer Vorbehandlung bietet sich eine In-housePCR an. Der Antikörpernachweis ist für die Diagnose nicht geeignet. Mobiluncus spp. lassen sich bei ca. 10% der Frauen in der vaginalen Normalflora nachweisen. Bei bakterieller Vaginose steigt die Nachweisrate auf bis zu 60%, so dass sie wie Gardnerellen als Leitkeime für die BV gelten. Die Bakterien stellen sich im Grampräparat als deutlich gebogene gramlabile Stäbchen dar. Eine kulturelle Anzüchtung ist bei BV i.d.R. nicht notwendig. In Sonderfällen können die Bakterien aufgrund eines verdächtigen Grampräparats auf häminhaltigen Nährmedien, bei Mischinfektionen auf häminhaltigen Selektivmedien unter anaerober Bebrütung angezüchtet werden. Zur Identifizierung sind kommerzielle Systeme geeignet. Urogenitale Mykoplasmen Mycoplasma genitalium hat nach neueren Erkenntnissen bei der nicht-gonorrhoischen Urethritis und bei Infektionen des oberen weiblichen Genitaltraktes eine ätiologische Bedeutung. Indikationen für eine mikrobiologische Untersuchung sind ätiologisch unklare Urethritiden sowie unklare Infektionen des weiblichen Genitaltraktes. Die Keime können nur mittels NAT zuverlässig nachgewiesen werden. Die kulturelle Anzüchtung ist Speziallaboratorien vorbehalten. Sexuell aktive Frauen und Männer sind zu 21–53% mit Mycoplasma hominis besiedelt. Bei Frauen sind Infektionen des oberen Genitaltraktes sowie Wundinfektionen nach Sectio oder gynäkologischen Operationen beschrieben. Nach Übertragung wurden insbesondere bei Frühgeborenen Meningitis und ZNS-Infektionen beobachtet; 5– 10% der Pyelonephritiden sind durch M. hominis bedingt. Demnach ergeben sich folgende Indikationen für eine mikrobiologische Untersuchung: unklare Infektionen des oberen Genitaltraktes bei Frauen (intraoperativ gewonnene Proben, Tubensekrete, geschützte Endometriumabstriche), ätiologisch unklare Infektionen nach Sectio, Abort und gynäkologischen Eingriffen (Wundsekrete, bei Fieber Blutkulturen), ätiologisch unklare Meningitis oder Hydrozephalus bei Frühgeborenen (Liquor) sowie ätiologisch unklare Pyelonephritiden (Urin). Beim Mann scheint M. hominis, trotz Nachweis aus dem Urogenitaltrakt, für die Entstehung der infektiösen Urethritis, Epididymitis oder Prostatitis keine Rolle zu spielen. Ureaplasmen lassen sich bei 30–40% der sexuell aktiven Männer und bei 40–80% der sexuell aktiven Frauen nachweisen. Beim Mann sind Urethritis oder Epididymitis beschrieben, in der Schwangerschaft wurden bei hohen Keimzahlen in der Zervix Chorioamnionitis, vorzeitige Wehentätigkeit und Frühgeburtlichkeit beobachtet. Bei Frühgeborenen sind Sepsis, Meningits und Pneumonie genannt. Indikationen für eine mikrobiologische Diagnostik sind demnach: ätiologisch unklare Urethritiden und Epididymitis beim Mann (Urethralabstrich, Ejakulat), Frühgeburtstendenzen oder vorzeitige Wehentätigkeit in der Schwangerschaft (Zervixabstrich), ätiologisch un- Seite 13 von 72 00_MiQ_11a_2011.book Seite 102 Dienstag, 7. Juni 2011 11:01 11 102 Teil II: Infektionserreger klare Chorioamnionitis und Amnioninfektionssyndrom bei Frühgeburtlichkeit (Amnionflüssigkeit, Eihautabstriche) sowie unklare Meningitis oder Pneumonie bei Frühgeborenen (Liquor, Trachealsekret). M. hominis und Ureaplasmen werden durch kulturelle Anzucht auf festen oder in flüssigen Spezialmedien unter anaeroben Bedingungen isoliert. Amplifikationsmethoden (In-house-Methoden) sollten nur bei speziellen Fragestellungen, z.B. Meningitis bei Frühgeborenen, eingesetzt werden. Antikörpernachweise spielen keine Rolle. Im Rahmen der Routinediagnostik eingehende Vaginalabstriche sollten nicht auf Mykoplasmen untersucht werden; Zervikalabstriche sollten bezüglich Mykoplasmen mit Zurückhaltung beurteilt werden, da die Erreger in diesem Bereich zur Normalflora gehören und als Besiedler vorkommen können. Beim Nachweis von Mykoplasmen aus sterilen Kompartimenten sind diese i.d.R. als Infektionserreger und als klinisch relevant zu bewerten! Neisseria gonorrhoeae gilt bei Nachweis als pathogen und verursacht die Gonorrhö; diese ist in Deutschland reisemedizinisch von Bedeutung. Für die vorläufige Diagnose kann der direkte mikroskopische Nachweis von gramnegativen Diplokokken bei gleichzeitigem Vorhandensein von Granulozyten aus Urethral- oder Zervixabstrichen herangezogen werden. Die Spezifität der Mikroskopie liegt bei 95–100%, die Sensitivität zwischen 50–70% (Frauen) und ≥ 80% (Männer). Nachweismethode der Wahl ist die kulturelle Anzüchtung auf Selektivmedien wie Thayer-Martin Agar. Die Identifizierung wird mit Hilfe kommerzieller Systeme durchgeführt. Die Diagnose bei Urogenitalinfektionen ist auch mittels NAT möglich, jedoch sollte in diesen Fällen immer der kulturelle Nachweis und die Resistenzbestimmung angestrebt werden. Streptococcus agalactiae (B-Streptokokken, GBS) findet sich bei 10–30% der Frauen im gebärfähigen Alter als Besiedlungskeim der Vaginal- und Rektumschleimhaut. Peripartual kommt es bei ca. 50% der kolonisierten Mütter zu einer vertikalen Übertragung auf das Neugeborene; 1–2% von diesen entwickelt eine schwere invasive Infektion. Zum Screening einer GBS-Besiedlung wird bei schwangeren Frauen in der 35. bis 37. Schwangerschaftswoche ein Vaginal- und ein Rektumabstrich oder ein einziger Vaginal-Rektumabstrich entnommen und auf GBS untersucht. Im positiven Fall wird bei der Mutter eine peripartale Antibiotika-Prophylaxe durchgeführt. Nachweismethode der ersten Wahl für GBS ist die kulturelle Anzüchtung (direkt vom Abstrich oder aus der Anreicherungsbouillon) auf Caso-Blut-Agar, CNA-Platten oder GBS-Selektivmedium wie Granada-Medium; Columbia-Blut-Agar sollte aufgrund der schlechteren Nachweisrate nicht verwendet werden. Beim Screening von GBS aus Vaginal- und Rektumabstrichen wird eine Anreicherung in Todd-Hewitt-Bouillon und bei Wachstum eine Subkultivierung auf die o.g. Platten empfohlen. Die Speziesdifferenzierung lässt sich mit biochemischen Methoden und mit der Agglutinationsreaktion nach Lancefield erreichen; sie erübrigt sich nach Wachstum typischer roter Kolonien auf Granada-Agar. Die NAT hat eine hohe Sensitivität und Spezifität; sie sollte aber nur in Einzelfällen durchgeführt werden und ist zum GBS-Nachweis kurz vor oder während der Geburt nicht geeignet. Eine Resistenzbestimmung ist nur bei Penicillin-Allergie notwendig. Seite 14 von 72 00_MiQ_11a_2011.book Seite 103 Dienstag, 7. Juni 2011 11:01 11 Zusammenfassung 103 Streptococcus pyogenes (A-Streptokokken, GAS), die selten als Besiedlungskeime der Vagina oder des Rektums zu finden sind, können peripartal schwere invasive Infektionen wie das Kindbett-Fieber verursachen oder, wenn Toxic-Shock-Toxin-positiv, ähnlich wie S. aureus bei jungen Frauen ein Streptokokken-induziertes toxisches Schocksyndrom hervorrufen. Nachweismethode der ersten Wahl ist die kulturelle Anzüchtung der Proben auf Blutplatten (Morphologie). GAS sind katalasenegativ und Pyrrolidonyl-Arylamidase(PYRase)-positiv. Zur Speziesdifferenzierung genügt die Agglutinationsreaktion nach Lancefield nicht (Cave: falsch-positive Reaktionen); es sind zusätzliche Teste wie der PYRase-Test oder die Empfindlichkeitsbestimmung gegenüber Bacitracin (Cave: potenzielle Resistenzen) erforderlich. Eine Resistenzbestimmung ist ebenfalls nur bei Penicillin-Allergie notwendig. Treponema pallidum wird sexuell übertragen. Nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 21 Tagen bildet sich ein Ulkus (Primäraffekt) an der Eintrittspforte der Erreger mit einer Schwellung der regionalen Lymphknoten (Primärstadium). Danach kann sich infolge hämatogener Aussaat ein Sekundärstadium und nach Jahren ein Tertiärstadium entwickeln. In der Schwangerschaft können die Erreger diaplazentar auf das Kind übertragen werden, wobei eine Gefährdung des Fetus ab dem 5. Schwangerschaftsmonat zu erwarten ist. Im ungünstigsten Fall kommt es zu einer Infektion des Kindes (Syphilis connata); 50–60% der Kinder sind bei Geburt unauffällig und entwickeln erst in der Folgezeit Symptome. Der mikroskopische Erregernachweis gelingt nur im Primärstadium. Die Methode der Wahl zur Diagnostik der Syphilis ist der Antikörpernachweis im Rahmen einer Stufendiagnostik. Erste Stufe ist eine Screening-Untersuchung oder Ausschlussuntersuchung mit einem Treponemen-spezifischen Suchtest (TPHA-Test, TPPA-Test oder Immunoassay), der simultan IgG- und IgM-Antikörper erfasst. Bei negativem Ergebnis ist i.d.R. keine weitere Diagnostik notwendig. Im positiven Fall folgt ein Bestätigungstest: ein polyvalenter FTA-ABS-Test oder ein IgG-FTA-ABS-Test oder ein IgG-Immunoblot und bei fraglichem Ergebnis ein IgM-Immunoblot, wenn kein polyvalenter Test als Bestätigungstest eingesetzt wird. Bei positivem Suchtest und positivem Bestätigungstest ist die Syphilis gesichert. Zur Beurteilung der Aktivität muss dann der Nachweis von Lipoidantikörpern (VDRL-RPR-Test oder Cardiolipin-KBR) erbracht und ein spezifischer IgM-Test durchgeführt werden. Toxoplasma gondii kommt weltweit vor. Die durchschnittliche Durchseuchung der Bevölkerung, einschließlich schwangerer Frauen, wird in Deutschland auf ca. 50% geschätzt. In der Schwangerschaft verläuft die Erkrankung meist symptomarm oder unbemerkt. Immunkompetente Mütter haben kein Risiko, ein infiziertes Kind zu bekommen. Bei Müttern ohne Antikörper sind eine Übertragung und die Infektion des Kindes möglich. Die Transmission nimmt mit zunehmender Schwangerschaft (von 5% im 1. Trimenon auf 70% im 3. Trimenon) zu, während das Erkrankungsrisiko für das Kind abnimmt (von 60% im 1. Trimenon auf 10% im 3. Trimenon). Die mütterliche Infektion kann zum Abort oder zur Toxoplasmose des Kindes führen. Seite 15 von 72 00_MiQ_11a_2011.book Seite 104 Dienstag, 7. Juni 2011 11:01 11 104 Teil II: Infektionserreger Die Diagnose der Toxoplasmose in der Schwangerschaft oder beim Kind erfolgt durch die serologischen Befunde der Mutter und durch die postnatale Serologie des Kindes, durch die klinischen Untersuchungen des Fetus mittels Ultraschall, durch die parasitologische Untersuchung des Fruchtwassers mit der NAT/PCR ab der 16. Schwangerschaftswoche sowie schließlich durch die Untersuchung des Neugeborenen. Eine zufriedenstellende Diagnostik kann nur durch eine Kombination aller verfügbaren Nachweisverfahren erreicht werden. Trichomonas vaginalis kommt weltweit vor; in Deutschland ist die Erkrankung selten. Bei Frauen verursachen die Parasiten eine Kolpitis, Zervizitis oder Urethritis. Die Kolpitis führt in der akuten Phase zu dünnflüssigem, oft auch schaumigem Ausfluss, der gelblich, weiß bis grün gefärbt, manchmal hämorrhagisch sein kann. Die Vagina ist gerötet, an der Zervix finden sich häufig Petechien („Erdbeer-Portio“). Bis zur Hälfte der Infektionen verläuft asymptomatisch oder mit wenigen Symptomen. Beim Mann verläuft die Infektion fast immer asymptomatisch. Nachweismethode der Wahl ist die Mikroskopie und in zweiter Linie die Kultur, deren Einsatz beim Mann bei negativer Mikroskopie aber obligat ist. Die NAT und Serologie sind ganz speziellen Fragestellungen vorbehalten. Der Antigennachweis kann für die Routinepraxis nicht empfohlen werden. Herpes-simplex-Virus (HSV). Herpes genitalis wird in erster Linie von HSV-2-Viren, in 10–30% der Fälle auch von HSV-1-Viren verursacht und ist eine der häufigsten viralen Genitalinfektionen. Am äußeren Genitale finden sich schmerzhafte Bläschen, die in Ersosionen übergehen können. Unter der Geburt können die Viren auf die Neugeborenen übertragen werden und ein sepsisartiges Bild, den Herpes neonatorum, auslösen. Die sensitivste Methode zum Nachweis von HSV und zur Typisierung von HSV-1 und HSV-2 ist der DNA-Nachweis mittels NAT. Der Virusnachweis gelingt auch mit dem Antigen-EIA, der aber eine deutlich geringere Sensitivität als die NAT oder die Virusisolierung aufweist. Der direkte Immunfluoreszenz-Test (DIFT) hat nur bei einer ausreichenden Zahl von Epithelzellen eine gute Aussage; bei schlechter Abstrichqualität sind 10–30% der Proben nicht auswertbar. Die Virusisolierung gelingt nach sorgfältiger Probenentnahme und korrektem Transport und ist Speziallaboratorien vorbehalten. Der Nachweis von Antikörpern, insbesondere HSV-2-Antikörpern, hat keine klinische Bedeutung, sondern ist nur von epidemiologischem Interesse. Humane Papillomaviren (HPV) zählen zu den häufigsten sexuell übertragenen Erregern. Die Prävalenz ist abhängig vom Lebensalter und liegt bei 6–8%. Besondere Bedeutung haben HPV-Typen mit einem hohen Risiko zum Zervixkarzinom wie z.B. HPV 16, 18, 31, die in Deutschland häufig nachweisbar sind. Die Infektion manifestiert sich als genitale Warzen, die in erster Linie klinisch durch Inspektion und Kolposkopie diagnostiziert werden. Die zytologische Beurteilung, deren Sensitivität aber gering ist, erfolgt nach der Klassifikation von Papanicolao. Die Identifizierung und Typisierung von HPV aus Läsionen oder den Infektionsherden mit zytologischen Auffälligkeiten gelingt zuverlässig nur mit dem DNANachweis (NAT oder Hybridisierungsverfahren) und anschließender Sequenzierung. Seite 16 von 72 00_MiQ_11a_2011.book Seite 105 Dienstag, 7. Juni 2011 11:01 11 Zusammenfassung 105 Weiterhin sind Real-time PCR-Methoden verfügbar. HPV sind nicht anzüchtbar. Virale Antigene sind aufgrund ihrer geringen Empfindlichkeit nicht für die Diagnostik geeignet. Der Antikörpernachweis ist nur für epidemiologische Fragenstellungen von Bedeutung. Molluscum-contagiosum-Viren (MCV), in Industrieländern selten, rufen vorwiegend bei Kindern und jungen Erwachsenen Epithelioma contagiosum (Dellwarzen) der Haut und am Genitale hervor. Aufgrund des typischen Erscheinungsbildes wird die Diagnose klinisch gestellt. Nur in wenigen Zweifelsfällen ist eine Untersuchung mittels Lichtmikroskopie (zytoplasmatische Einschlusskörperchen, Molluscum-Körperchen), Elektronenmikroskopie oder Virusanzucht notwendig. Das humane Zytomegalievirus (CMV) (humanes Herpesvirus Typ 5, HSV-5) kommt weltweit vor. Die Durchseuchung in Deutschland ist hoch; in der Schwangerschaft zeigen ca. 5% der positiven Mütter Symptome. CMV ist die häufigste Ursache einer konnatalen Infektion (pränatal, perinatal und postnatal). Die intrauterine Transmissionsrate beträgt ca. 40–50%; 0,2–2% aller Neugeborenen werden vertikal infiziert. Etwa 7–10% der Kinder werden symptomatisch, Langzeitschäden sind beschrieben. NAT sind die sensitivsten Methoden zum Nachweis von CMV-Infektionen. Für den quantitativen Virusnachweis bei immunsupprimierten Patienten (Risiken für eine CMV-Erkrankung, Beurteilung des Therapieverlaufs) sind besonders Real-time-PCRVerfahren aus Plasmaproben geeignet. Die Quantifizierung der CMV-DNAämie und DNAurie ist auch bei der Diagnostik der kongenitalen CMV-Infektion wichtig (s. Tab. 7). Die Virusisolierung ist Speziallaboratorien vorbehalten, der pp65-Antigennachweis hat an Bedeutung verloren. In der Schwangerschaft kommt dem Antikörpernachweis ein großer Stellenwert zu (Stufendiagnostik s. Tab. 7). Einige Verfahren/Methoden oder Indikationen werden als nicht sinnvoll und damit entbehrlich für die Routinediagnostik von Infektionen des weiblichen und des männlichen Genitaltraktes angesehen, z.B. routinemäßige Identifizierung und Resistenztestung von Spezies der vaginalen und urethralen Standortflora, routinemäßige Kultur auf Mykoplasmen oder Ureaplasmen aus Vaginalsekret, Nachweis von Antikörpern gegen Chlamydia trachomatis bei Zervizitis und Adnexitits/Salpingitis, Nachweis von Antikörpern gegen Listeria monocytogenes u.a. (weiteres s. Kap. 37). Die richtige Gewinnung einer adäquaten Untersuchungsprobe, die korrekte Lagerung bis zum Transport und die sachgemäße Lagerung während des Transports ins Labor sind die Voraussetzungen für ein valides mikrobiologisches Ergebnis. Das Labor kann noch so erstklassige Arbeit leisten, sie wird irrelevant sein, wenn die Präanalytik nicht stimmt (s. Kap. 38 und einzelne Kapitel zu den Infektionserregern). Da empfindliche Erreger (Anaerobier, Gonokokken u.a.) innerhalb kürzester Zeit absterben und häufig nicht einmal eine Lagerungszeit von 2 Stunden überleben (so zum Teil auch Staphylococcus aureus und andere potenziell pathogene Keime) und da weiterhin bei akuten Infektionskrankheiten das Ergebnis, z.B. der Mikroskopie, innerhalb von Stunden, das erste Kulturergebnis bereits am Tag nach der Probenentnahme vorliegen muss, sind die Proben innerhalb von 2 Stunden, in begründeten Ausnahmefällen bis maximal 4 Stunden nach der Probengewinnung im Labor zu verarbeiten oder ganz aus- Seite 17 von 72 00_MiQ_11a_2011.book Seite 106 Dienstag, 7. Juni 2011 11:01 11 106 Teil II: Infektionserreger nahmsweise nach Lagerung über Nacht bei 4 °C spätestens am nächsten Morgen anzulegen (s. Kap. 38). Die Verwendung geeigneter Transportmedien zur Verbesserung der Qualität bei der Isolierung sexuell übertragbarer Erreger ist in den einzelnen Kapiteln beschrieben. Da einige Keime auch in den Transportmedien nach wenigen Stunden absterben, soll die Zeit zwischen Abnahme (inklusive Lagerung in der Klinik oder im Labor) sowie der Transport bis zur Anlage möglichst kurz sein und 24 Stunden nicht überschreiten. Seite 18 von 72