PHYSIK IV

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PHYSIK IV
Vorwort
In der Vorlesung ”Physik IV” wird eine Einführung in die Quantenmechanik gegeben. Zentrale Themen sind: die Schrödingergleichung, 1-dimensionale
Probleme – die in der moderne Halbleiter-Forschung eine zentrale Rolle spielen–
Atome und die chemische Bindung, die zu Molekülen und Festkörpern führt.
Ich bedanke mich bei meiner Frau Hedi, die einige Teile der Vorlesung getippt
hat und dafür gesorgt hat, dass die Sprachfehler minimiert wurden.
Zürich, im März 2005
D. Pescia
ii
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
ii
1 Die
1.1
1.2
1.3
1.4
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.
1
1
4
5
5
.
.
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8
10
11
13
17
20
22
Notwendigkeit der Quantenmechanik
Materialwellen . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Tunneleffekt . . . . . . . . . . . . . .
Die Anomalie der spezifischen Wärme . . .
Atomspektren . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 Die Wellenmechanik
2.1 Die mathematischen Grundlagen der Wellenmechanik
2.1.1 Zustände und deren Darstellung . . . . . . . .
2.1.2 Operatoren und deren Darstellungen . . . . .
2.1.3 Eigenfunktionen, Eigenwerte und Observablen
2.2 Die Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Die SG in Matrixschreibweise . . . . . . . . .
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3 Eindimensionale Probleme
23
3.1 Teilchen im Kasten mit undurchlässigen Wänden . . . . . . . 23
3.2 Der Tunneleffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
3.3 Der QM harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4 Das Wasserstoffatom
5 Der
5.1
5.2
5.3
5.4
35
Drehimpulsoperator
43
Der Drehimpuls in Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . 43
Matrixdarstellung des Drehimpulsoperators . . . . . . . . . . . 45
Stern-Gerlach Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
5.4.1 Spin-1/2-Teilchen in einem uniformen Magnetfeld: ZeemanAufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
iii
INHALTSVERZEICHNIS
5.4.2
iv
Magnetische Resonanz (I. Rabi, Phys. Rev. 51, 652
(1937), Nobel Preis 1944) . . . . . . . . . . . . . . . . 53
6 Atome, Moleküle, Festkörper
58
6.1 Das Mendelejewsche Periodensystem . . . . . . . . . . . . . . 58
6.2 Elementare Theorie der chemischen Bindung . . . . . . . . . . 62
Kapitel 1
Die Notwendigkeit der
Quantenmechanik
1.1
Materialwellen
Den Anfangspunkt dieser wichtigsten Entwicklung des zwanzigsten Jahrhunderts wollen wir durch ein Atomstrahl-Experiment erklären (siehe auch
J.P. Tonnies et al., Physikalische Blätter 56, 53-55, 2000). Die in Göttingen benutzte Apparatur ist hier schematisch dargestellt. Atomstrahlen (hier:
Abbildung 1.1: Aus der Düse links tritt ein Atomstrahl, der durch enge Spalte
kollimiert und am Gitter rechts gebeugt wird. Mit dem drehbaren Massenspektrometer werden die unter dem Winkel ϑ gebeugten Teilchen nachgewiesen.
He-Atome: vor Kurzem gelangen in Wien Experimente mit den noch massiveren Atomen - sogenannten Fullerenen C60 und C70 - siehe A. Zeilinger
et al., Phys. Blätter, März 2000, S. 379) werden von einem Bereich mit hohem Druck (10 bis 100 bar) durch eine winzige Düse (5µm Durchmesser) ins
1
KAPITEL 1. DIE NOTWENDIGKEIT DER QUANTENMECHANIK
2
Vakuum expandiert. Bei der adiabatischen Abkühlung bildet sich ein Atomstrahl mit sehr viel niedriger Temperatur, im Fall von He typischerweise 1
bis 10−5 K. Der Atomstrahl wird durch enge Spalten kollimiert und fällt
auf ein Silizium-Nitrit Gitter mit einer Periode von d = 100 nm ein. Die
Spaltbreite s0 beträgt etwa 50 nm. In einem vom Gitter um 50 cm entfern-
Abbildung 1.2: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Gitter (links) und
Gitterstäben (rechts). Das Substrat unterhalb der Gitterstäbe wird anschliessend weggeätzt.
ten Massenspektrometer-Detektor werden die Atome schliesslich gezählt, die
die Gitteranordnung überquert haben. Die hochpräzisen Gitter wurden mit
einem laserinterferometrischen Verfahren hergestellt. Die Messung zeigt eine Alternanz von scharfen Minima und Maxima, die auf das Auftreten von
Interferenz deuten. Atomstrahlen sind aber keine Wellen im eigentlichen
Sinne: es gibt keine Kopplung zwischen den Atomen, die für die Bildung einer Welle nötig wäre. Allerdings wäre das ”Beugungsbild” durch die Beugung
von ”echten” Wellen einfach zu erklären.
Eine ebene Welle treffe auf die Rückseite vom Gitter. Jede Öffnung wirkt als
kohärente Quelle. Als Funktion von ϑ sollte eine Sequenz von Maxima und
Minima entstehen. Die Lage des n− ten Maximums ist durch die Gleichung
sin ϑn = n · λ/d, n = 0, ±1, ±2 gegeben. Ihre Schärfe hat mit der Anzahl Gitterpunkte zu tun, die zum Beugungsbild beitragen: bei einer grossen Anzahl
Gitterpunkte erreicht man sehr scharfe Maxima. Da der Spalt eine endliche
Breite s0 hat, bestimmt eine einhüllende Spaltfunktion die jeweilige Intensität der Maxima: Die Intesität des n− ten Maximums ist gegeben durch
sin2 (n · π · s0 /d)
In ∝
(n · π · s0 /d)2
KAPITEL 1. DIE NOTWENDIGKEIT DER QUANTENMECHANIK
3
Abbildung 1.3: Gemessenes Beugungsbild eines heliums-Atomstrrahls an einem Gitter mit Periode d = 100 nm. Die Messung erstreckt sich bis zur 22.
Ordnung.
Betrachtet man die Variable ϑ als diskrete Folge von einzelnen Kanälen,
dann wird in unterschiedliche Kanäle eine unterschiedliche Anzahl von ”Bips”
registriert. Ein ”Bipp” wird im Detektor registriert, falls ein Atom dort hin
kommt. Damit deutet das ”Beugungsgbild” auf eine unterschiedliche Wahrscheinlichkeit, mit welcher die Atome unter einem bestimmten Winkel beobachtet werden. Diese W-keit muss, mathematisch gesehen, wie die Beugung
einer Welle beschrieben werden: das zeigt das Resultat des vorgestellten Experimentes.
Bemerkung: ”Teilchenbeugung” an einem Gitter wurde erstmalig in einem
Experiment mit Elektronen (Davisson und Germer, 1927) beobachtet. In einem Experiment mit niederenergetischen Elektronen, das heutzutage eine
wichtige Standardmethode zur Bestimmung der Kristallstruktur von Oberflächen geworden ist, beobachtet man das Beugungsmuster der an einer Oberfläche reflektierten Elektronen. Die periodische Anordnung der Atome an der
Oberfläche wirkt als ”Gitter”, an welchem die Elektronen gebeugt werden.
Aus dem Beugungsmuster lässt sich die Lage der Atome an der Oberfläche
rekonstruieren.
KAPITEL 1. DIE NOTWENDIGKEIT DER QUANTENMECHANIK
4
Abbildung 1.4: Links: Niederenergetische Elektronenbeugung an einer Oberfläche mit zehnfacher Symmetrie (aus einer Arbeit von M. Erbudak). Rechts:
Laue Aufnahme (mit X-Strahlen) eines kubischen Kristalls
1.2
Der Tunneleffekt
Die instabilen Atomkerne wandeln sich von selbst (spontan) in andere Kerne um. Dabei emittieren sie Teilchen und sehr kurzwellige Strahlung. Man
nennt diese 1896 von Becquerel entdeckte, und vor allem durch das Forscherpaar Marie und Pierre Curie genauer untersuchte Erscheinung natürliche Radioaktivität. Die emittierten Teilchen sind entweder Elektronen oder
sog. α Teilchen, d.h. He-Kerne. Später wurde von Rutherford die künstliche
Kernumwandlung entdeckt, d.h. die Fähigkeit, durch Beschuss von Teilchen,
Kerne eines Elementes in Kerne eines anderen Elementes umzuwandeln. Das
Verständnis des α Zerfalls der schweren Kerne stellt eine grosse Herausforderung, die durch die klassische Physik nicht zu bewältigen ist, dar. Die Energie
E
ECb
Ea
a
r
Energieniveaus
Abbildung 1.5: Potentialverlauf bei der α-Emission
238
4
der bei der Reaktion U92
−→ T h234
90 + α2 entstehenden α Teilchen ist etwa
KAPITEL 1. DIE NOTWENDIGKEIT DER QUANTENMECHANIK
5
7.1 MeV. Jeder Atomkern lässt sich modellmässig durch einen Energietopf
oder Potentialtopf beschreiben, der für ein ausserhalb des Kerns befindliches
positiv geladenes Teilchen (α- Teilchen) mit einem Potentialwall – der sog.
Coulomb Barriere – umgeben ist. Nach dem Coulombschen Gesetz berechnet sich die Coulombarriere zu EC = zZK e2 /(4π0 RK ), mit dem Kernradius
RK ≈ 1.310−15 A1/3 (A: Massenzahl)), ZK die Kernladung und z die La238
dungszahl der austretenden Teilchen. Für ein von einem U92
emittierten
α-Teilchen erhält man danach mit z = 2 und Zk = 92 − 90 = 90 eine Barriere von EC = 32.1MeV . Demgegenüber haben aber die ausgestossenen
α-Teilchen nur eine Energie von 7.1MeV . Das bedeutet, dass sie von einem
sehr viel tieferen Niveau des Potentialwalls aus ”starten”. Dies ist aber nur
möglich, wenn sie den Wall in der Höhe Eα ”durchtunneln” (Tunneleffekt).
1.3
Die Anomalie der spezifischen Wärme
Eine weitere Schwierigkeit stellte die Messung der spezifischen Wärme in
Festkörpern dar: die klassische Mechanik fordert (”Äquipartitionsgesetz”)
den Dulong-Petische Wert von 24.9Jmol−1 K −1 für die molare Wärmekapazität CM , und zwar unabhängig von der Temperatur. Die Messung dieser
makroskopischen Grösse ergab aber einen völlig anderen Verlauf als Funktion der Temperatur. Die Erklärung dieses Rätsels liegt in der Quantisierung
der Energie eines harmonischen Oszillators.
C(J mol-1K-1)
Pb
Cu
C
T(K)
Abbildung 1.6: Molare Wärmekapazität von Elementkristallen als Funktion der Temperatur.
1.4
Atomspektren
Die Versuche, mit der klassischen Elektrodynamik und Mechanik die Eigenschaften von Atomen und Molekülen zu erklären, führten zu Ergebnissen,
KAPITEL 1. DIE NOTWENDIGKEIT DER QUANTENMECHANIK
6
die der Erfahrung widersprachen. Zum Beispiel: In den Versuchen von Frank
und Hertz (1914) und beim Studium der optischen Atomspektren ergaben
sich für die Energiezustände von Atomen diskrete Werte. In einer mit ty-
Abbildung 1.7: Frank-Hertz Versuch
pischerweise Quecksilberdampf gefüllten Vakuumröhre werden mittels einer
Glühkathode Elektronen erzeugt und durch eine regelbare elektrische Spannung zwischen zwei Elektroden beschleunigt. Es konnte gezeigt werden, dass
die Elektronen beim Zusammenstoss mit den Hg-Atomen erst dann ihre kinetische Energie an die Atome abgeben, wenn die Spannung einen ganz bestimmten Wert, die sog. Anregungsspannung, erreicht, welcher bei Quecksilber 4.9 V beträgt. Dies entspricht, nach heutigem Wissen, eine Anhebung der
Hg-Atome auf eine bestimmte Anregungsstufe um den Betrag ∆E = 4.9eV .
Diese absorbierte Energie wird bein Übergang vom angeregten Zustand in
den Grundzustand als Anregungsleuchten wieder ausgestrahlt. Die dabei gemessene Wellenlänge λ = 253.6nm der im fernen Ultraviolett liegenden Emissionslinie folgt direkt aus der Bedingung ∆E = h̄c 2π
. Aufeinanderfolgende
λ
Stösse führen zur Abgabe der doppelten bzw. dreifachen Energie. Die Folge
der Absorption der Elektronen durch die Atome ist ein Zusammenbruch des
Stromes.
Die auffälligste Erscheinung, die von Atomen ausgeht, ist die Ausstrahlung
Abbildung 1.8: Balmer Serie
von Licht. Wird das von einem Ensemble von Atomen ausgesandte Licht mittels eines Prismas oder Gitters in seine Farbanteile zerlegt, so erhält man das
KAPITEL 1. DIE NOTWENDIGKEIT DER QUANTENMECHANIK
7
für die betreffende Atomart charakteristische Spektrum. Während glühende
Flüssigkeiten und Festkörper sowie Gase unter hohem Druck ein kontinuierliches Spektrum aussenden, in dem innerhalb eines gewissen Bereiches alle
Frequenzen bzw. Wellenlängen vorkommen, emittieren zum Leuchten angeregte einatomige Gase ein Linienspektrum mit einzelnen, getrennt voneinander liegenden Spektrallinien. Von allen Atomen sendet atomarer Wasserstoff
das einfachste Spektrum aus. Als Beispiel eines im sichtbaren Bereich liegende Linienspektrums des H-Atoms ist, in der Abb., die sog. Balmer-Serie
dargestellt. Balmer ist es 1885 gelungen, die Frequenzen der Spektrallinien
dieser Serie durch die empirische Formel ω = 2πRH ( 212 − m12 ) zu beschreiben,
wobei m = 3, 4, 5, ... und RH die Rydbergkonstante ist: RH = 3.31015 s−1
(das H-Atom hat natürich mehrere andere Serien).
Kapitel 2
Die Wellenmechanik
Für die Einführung der Wellenmechanik waren die Versuche von Davisson
und Germer (1927) von entscheidender Bedeutung. In einem Experiment
mit niederenergetischen Elektronen, das heutzutage eine wichtige Standardmethode zur Bestimmung der Kristallstruktur von Oberflächen geworden ist,
beobachteten sie an einer Oberfläche reflektierter Elektronen ein Beugungsmuster: Die periodische Anordnung der Atome an der Oberfläche wirkt als
”Gitter”, an welchem die Elektronen gebeugt werden. Aus dem Beugungsmuster lässt sich die Lage der Atome an der Oberfläche rekonstruieren. Ein
solches Beugungsmuster ist zur Illustration in der Abbildung diskutiert.
Postulat 1(De-Broglie): Die Wellenfunktion. Um die Teilchenbeugung
zu behandeln, hat de Broglie vorgeschlagen, jedem Teilchen mit Masse m
und evt. Ladung e eine (komplexe) Wellenfunktion
~
u(~r, t) = A · ei·(k·~r−ωt)
zuzuordnen (in der klassischen Mechanik ist ein solches Teilchen mit der Angabe von ~r und ~ṙ charakterisiert). Dabei stellt sich die Frage der Bedeutung
von ~k und ω für ein Teilchen. Nach de Broglie
. p~
~k =
h̄
. E
ω =
h̄
wobei E und p~ die klassische Beziehung
| p~ |=
q
2 · m · (E − V )
erfüllen. Dabei ist E die totale Energie des Teilchens, V seine potentielle
Energie, p~ das Momentum und h̄ das Plancksche Wirkungsquantum.
8
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
9
Abbildung 2.1: Bestrahlt man mit X-Strahlen eine sehr dünne Folie bestehend aus
polycrystallinen Ag-Körnern, so beobachtet man hinter der Folie ein typisches Beugungsmuster (links). Dieses Muster entsteht, weil die Röntgenstrahlen sich als Wellen verhalten,
die an den Ag-Atomen gebeugt werden. Die konzentrischen Kreise deuten auf eine polycrystalline Anordnung der Ag-Atome, sonst würde man diskrete Beugungspunkte beobachten. Erstaunlicherweise fanden Davisson and Germer, dass ein Beugungsmuster entsteht,
falls man statt Röntgenstrahlen Elektronen (später auch Neutronen und Atome) benutzt
(rechts). Dieses Resultat kann man sicher nicht erzielen, wenn man Teilchen nach der kl.
Mechanik beschreibt, d.h. mit Angabe von Ortsvektoren und Geschwindigkeitsvektoren:
für die Erklärung der Elektronenbeugung muss man eine wellenähnliche Beschreibung der
Elektronen postulieren.
Die Frage nach der Bedeutung von u(~r, t) hat die Physiker lange beschäftigt.
Heutzutage glaubt man, dass das Bornsche Postulat die richtige Antwort
liefert (wofür Born 1954 den Nobelpreis erhielt).
Postulat 2 (Born): Die statistische Deutung der Wellenfunktion.
Die Wellenfunktion eines Systems von Teilchen hängt von der Zeit und von
so vielen Koordinaten ab, wie das System Freiheitsgrade hat. Die Gesamtheit der Werte aller unabhängigen Koordinaten zu einem gewissen Zeitpunkt
werden wir kurz mit dem Buchstaben ξ bezeichnen. Durch die Angabe von
ξ wird ein Punkt in einem abstrakten Raum bestimmt, dem Konfigurationsraum (Bezeichnung:Ω). Das Volumenelement im Konfigurationsraum
bezeichnen wir als dξ. Für ein System aus einem Teilchen stimmt der Konfigurationsraum mit dem gewöhnlichen dreidimensionalen Raum überein. In
diesem Falle ist ξ = (x, y, z) und dξ = dx · dy · dz. Aber schon für ein System
aus zwei Teilchen hat der Konfigurationsraum sechs Freiheitsgrade, d.h.
ξ = (x1 , y1 , z1 , x2 , y2 , z2 ); dξ = Πi dxi
Nach Born ist
R
RM
Ω
| u(ξ) |2 dξ
| u(ξ) |2 dξ
die W-keit, bei einer Messung der Koordinaten der Teilchen eines Systems
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
10
Werte im Gebiet M des Konfigurationsraums Ω zu finden. Falls das Integral
2
und gleich
Ω | u(ξ) | dξ über alle möglichen Koordinatenwerte konvergent
√
0
N
ist,
dann
definiert
man
die
Wellenfunktion
als
u
=
u/
N,
für
welche
R
0
2
2
Ω | u (ξ) | dξ = 1. Für normierte Funktionen gibt die Grösse | u | ·dξ die
W-keit an, dass die Koordinaten des Systems im Intervall [ξ, ξ + dξ] liegen.
Nur normierbare Wellenfunktionen sind, aufgrund der statistischen Deutung
von Born, physikalisch relevant. u(ξ) nennt man W-keitsamplitude.
R
Beispiel: freies Teilchen. Die Wellenfunktion eines freien Teilchens mit
~
Masse m ist die de Broglie ebene Welle u(~r, t) ∝ ei(k·~r−ω·t) . Um diese Funktion
zu normieren, betrachtet man das Teilchen in einem Kasten mit Kantenlänge
L (Ω = L3 ) und fordert periodische Randbedingungen:
u(x, y, z, t) = u(x + L, y, z, t) = u(x, y + L, z, t) = u(x, y, z + L, t)
Damit eliminiert man auf elegante Art den Rand, der eigentlich keine physikalische Rolle spielen soll (solange man Oberflächeneffekte vernachlässigen
kann). Diese periodischen Randbedingungen bestimmen die möglichen ~kWerte des Systems:
kx =
2πnx
2πny
2πnz
, ky =
, kz =
L
L
L
mit nx , ny , nz ganze Zahlen. Die normierte Wellenfunktion ist
1
~
u~k,t = √ · ei(k·~r−ω·t)
L3
Die Einführung einer solch komplexen Wellenfunktion erlaubt, formell die
Beugung von Materialwellen an einem Gitter zu beschreiben – mit der Annahme,
(Postulat 3: Superpositionsprinzip)
dass sich die totale Wellenfunktion als lineare Kombination der einzelnen
Wellenfunktionen zusammensetzt. Durch die Superposition der Wellenfunktionen und nicht deren Quadrate wird die unterschiedliche Phase der aus
verschiedenen Quellen stammenden Materialwellen berücksichtigt, so dass
Interferenzphänomene explizit in die Theorie eingebaut werden können.
2.1
Die mathematischen Grundlagen der Wellenmechanik
Diese drei Postulate produzieren einen genauen mathematischen Rahmen.
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
2.1.1
11
Zustände und deren Darstellung
Ein physikalisches System wird durch einen Zustand u charakterisiert, indem
es durch eine bestimmte experimentelle Präparation gebracht worden ist. Das
Superpositionsprinzip besagt, dass jede Linearkombination von Zuständen
ein Zustand ist. Das bedeutet: die Menge der Zustände bildet einen Vektorraum V .
a1 u1 + a2 u2 = u ∈ V
(ai komplex). Die statistische Deutung von Born zwingt zur Einführung eines
Skalarproduktes zwischen den Vektoren u1 und u2 . Ein Skalarprodukt ist eine
Multiplikation zweier Vektoren, welche folgende Regel erfüllt:
(v, u)∗
a(v, u1 ) + b(v, u2 )
0
u=0
(u, v) =
(v, au1 + bu2 ) =
(u, u) ≥
(u, u) = 0 ⇐⇒
Beispiele von Vektorräume mit Skalarprodukt sind das Euklidische Raum der
Vektoren und die Menge der n-tuplets von Zahlen der Form u ≡ (u1 , u2 , ..., un ),
ui skalare Grösse. Falls die Zahlen ui zu R (C) gehören, dann bezeichnen wir
dieses Vektorraumes als Rn bzw. (C n ). Zwei Elemente dieser Räume sind
genau dann gleich, wenn alle Komponenten (Koordinaten) übereinstimmen.
Die Addition und Multiplikation mit Skalaren ist wie folgt definiert:
(u1 , u2, ..., un ) + (v1 , v2 , ..., vn ) = (u1 + u2 , ..., un + vn )
c(u1 , ...un ) = (c · u1 , ..., c · un )
Das Skalarprodukt zwischen zwei Vektoren ist
(u, v) =
X
i
u∗i · vi
Ein weiteres Beispiel von Vektorräumen mit Skalarprodukt stellen Funktionräume dar. Ordnen wir dem Zustand u den skalaren Wert u(~r) am Ort
~r zu, dann wird die Menge aller skalaren Funktionen zu einem Vektorraum:
Die Addition zwischen zwei Funktionen und die Multiplikation mit einem
Skalar definieren wir als
(u1 + u2 )(~r) = u1 (~r) + u2 (~r)
(c · u)(~r) = c · u(~r)
Das Skalarprodukt zwischen zwei Funktionen wird durch die Operation
.
(u1 (~r), u2 (~r)) =
Z
u1 (~r)∗ · u2 (~r)d~r
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
12
definiert, welche die oben genannten Regel erfüllt. Durch das Skalarprodukt
.
lässt sich die Norm (u, u)1/2 =k u k der Wellenfunktion definieren. Nach Born
muss die Norm eine endliche Zahl sein. Die Wellenfunktionen der Quantenmechanik sind somit quadratisch normierbar. Viele Vektorräume mit Skalarprodukt besitzen eine abzählbare Menge von Funktionen [e1 , ...ei , ...], welche
ein vollständiges orthonormiertes Basissystem (VONS) bilden:
(ei , ej ) = δij , ∀i, j
(δ: Kronecker Symbol) und
u =
X
i
ai · ei
ai = (ei , u)
Die komplexen Zahlen ai stellen die Projektion des Zustandes u auf die Basiszustände ei dar. Lineare Vektorräume mit Skalarprodukt und VONS heissen
Hilberträume. Wir bezeichnen sie mit Ln . n kann endlich oder unendlich
sein.
~
Beispiel. Die Wellenfunktionen u~k = √1L3 ·ei(k·~r) , die zu allen möglichen Werten von ~k gehören, bilden ein VONS (Satz von Fourier) in dem Hilbertraum
der periodische Funktionen:
Z
Ω
u~∗k0 · u~k = δ~k0~k
Eine Darstellung des
u ist eine Abbildung, welche zu u ein Bild
Zustandes
o(u) zuordnet, mit o(u), o(v) = u, v . Die Abbildung
u −→ u(r)
nennt man Ortsdarstellung des Zustandes u. Die Abbildung zwischen dem
n-dimensionales Funktionenraum [u] und C n
~a : u −→ ~a(u) = (a1 , a2 , ......., an )
stellt eine weitere mögliche Darstellung des Zustandes u dar.
Bemerkung: Durch die Einführung der ”uneigentlichen” Basiszustände u~r ,
welche ein Teilchen am Ort ~r beschreiben, wird die Wellenfunktion u(~r)
zur Projektion eines allgemeinen Zustandes u auf die uneigentliche Basisfunktion u~r . Die Gesamtheit der Werte u(~r) stellen die ”Koordinaten” von
u in der Basis u~r dar. Die Normierungseigenschaften der Basiszustände u~r
13
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
finden wir durch Anwendung des Bornschen Postulats und der Gleichung
R
u = (u~r0 , u)u~r0 d~r0 :
(u~r , u) = u(~r) =
Z
Z
(u~r , u~r0 )(u~r0 , u)d~r0 =
(u~r , u~r0 )u(~r0 )d~r0
Diese Gleichung fordert die Normierungs- und Orthogonalitätsbedingung
(u~r , u~r0 ) = δ(~r − ~r0 )
(δ: Dirac Delta Funktion). Die W-keitsamplitude, ein freies Teilchen mit wohl
definiertem Impuls ~p im Zustand ~r zu finden, ist
(u~r , up~) =
(~
p~
r)
1
· ei h̄
3/2
L
(der Normierungsfaktor ist durch die Forderung
stimmt).
2.1.2
R
L3
dV | (u~r , up~) |2 = 1 be-
Operatoren und deren Darstellungen
Auf Ln lassen sich lineare Operatoren definieren. Ein Operator T ist eine
Abbildung von Ln in sich selbst:
T : u −→ v = T u
Damit bei dieser Abbildung das Superpositionsprinzip nicht verletzt wird,
fordern wir die Linearität der Operatoren:
T (αu) = α · T u
T (u1 + u2 ) = T u1 + T u2
Um die Wirkung eines Operators auf einem beliebigen Vektor in Ln zu bestimmen genügt es, die Wirkung auf die Basisvektoren zu kennen: Aus
T ei = eti =
X
Tjiej
j
und
u=
X
ui ei ; v =
i
X
vi ei
i
folgt
Tu = T
X
i
uiei =
X
i
ui T ei =
X
i,j
Tji uiej =
X X
(
i
j
Tij uj )ei =
X
i
vi ei
14
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
Durch Vergleich der Koeffizienten erhalten wir
vi =
X
Tij uj
j
Diese Resultate können durch die Definition einer Matrix [Tij ] ≡ (ei , T ej )
wie folgt zusammengefasst werden:
et1 et2 ... etn
=
and





v1
v2
...
vn





=
e1 e2 ... en








T11 T12
T21 T22
.
.
.
.
Tn1 Tn2








... T1n
... T2n
... .
... .
... Tnn
T11 T12
T21 T22
.
.
.
.
Tn1 Tn2









u1
u2
...
un
... T1n
... T2n
... .
... .
... Tnn













Die Elemente der Matrix sind die Matrixelemente des Operators T mit den
Basisvektoren: die Anwendung des Operators T auf die Basisfunktion ej ergibt einen Vektor, dessen Projektion auf ei Tij ist. Die quadratische Matrix
[Tij ] stellt eine Darstellung des Operators T auf dem Basissatz ei dar. Eine
Darstellung eines linearen Operators T ist eine Abbildung, welche zu T ein
Bild O(T ) zuordnet mit
O(T )(αu + βv) = αO(T )u + βO(T )v
Übung: zeige, dass die Gleichungen
~rop u(~r) = ~ru(~r)
~ r)
p~op u(~r) = −ih̄∇u(~
Darstellungen der sogenannten Orts- bzw. Impulsoperatoren in L2∞ definieren
~
(diese Darstellung wird ”Ortsdarstellung” genannt). Anwendung von −ih̄∇
auf ein de Broglie freies Teilchen ergibt
~ i(~k~r−ωt) = h̄~ku~ = ~p · u~
~pop u~k = −ih̄∇e
k
k
(daraus die Bezeichnung ’Impulsoperator’).
Von spezieller Bedeutung in der Wellenmechanik sind hermitesche Operatoren. Gegeben seien u, v und T . Die Gleichung
(v, T u) = (T † v, u)
15
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
definiert den zu T adjungierten Operator. T ist hermitesch falls T = T † . Mit
P
P
u = n un en and v = m vm em , die Gleichung (u, Av) = (Bu, v) wird
X
u∗n vm Anm =
n,m
X
∗
u∗n vm Bmn
n,m
Somit gilt für die Matrixelemente des adjungierten Operators Bnm = A∗mn ,
d.h. die Matrix B ist die komplex konjugierte transponierte Matrix von A.
Für hermitesche Operatoren gilt A∗t = A. ~rop und ~pop sind hermitesche Ope~ ∗ u) = (∇u
~ ∗ )u + u∗ (∇u)
~
ratoren, denn mit der Identität ∇(u
folgt
(u, ~pu) =
Z
~ r
u∗ (−ih̄)∇ud~
Z
~ ∗ u)d~r
(−ih̄)∇(u
ΩZ
~ ∗ ud~r
= − (−ih̄)(∇u)
+
=
Z
~ ∗ ud~r
[(−ih̄)∇u]
= (~pu, u)
Dabei ist
Z
Ω
~ ∗ u)d~r =
∇(u
Z
S
u∗ ud~s
mit S die Oberfläche des Gebietes Ω. Wegen der periodischen Randbedingungen oder durch die Annahme
lim u∗ u = 0
~
r →∞
verschwinden die Oberflächenterme (das Verschwinden von u∗ u ins Unendliche ist nötig, damit die Wellenfunktionen überhaupt normierbar sind). Die
Menge der linearen Operatoren bildet eine Algebra mit folgenden Rechenregeln:
(A + B)u = Au + Bu
(A · B)u = A(Bu)
(a · A)u = A(au)
Im Allgemeinen ist AB 6= BA, d.h. die Algebra ist nicht notwendigerweise kommutativ. Zwei Operatoren, deren Produkt nicht von der Reihenfolge
abhängt, nennt man miteinander vertauschbar: man sagt auch, dass die
Operatoren miteinander kommutieren. Wir wollen jetzt die Bedingung suchen, unter welcher ein Produkt hermitescher Operatoren selbst hermitesch
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
16
ist. Allgemein gilt für T = T † und G = G † (F G)† = G † T † . Aber G † T † ist nur
dann gleich F G falls T und G kommutieren. Bildet man Polynome der Operatoren p~ und ~r oder deren Komponente, dann dürfen nur solche Operatoren
multipliziert werden, die miteinander vertauschbar sind. Nur dann erzielt
man wieder hermitesche Operatoren. In der Tabelle ist die explizite Gestalt
einiger sehr einfacher linearer hermitescher Operatoren der Wellenmechanik
angegeben. Eine weitere wichtige Klasse von Operatoren sind unitäre Opera-
Abbildung 2.2: Einfache Operatoren der Quantenmechanik
toren, für welche T † = T −1 . Unitäre Operatoren sind durch unitäre Matrizen
dargestellt, A∗t = A−1
17
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
2.1.3
Eigenfunktionen, Eigenwerte und Observablen
Die Eigenfunktionen un eines Operators T sind die Lösungen der Eigenwertgleichung
T un = tn un
Die Gesamtheit der Eigenwerte eines Operators wird als dessen Spektrum
bezeichnet. Falls T hermitesch ist, es existiert eine strenge Spektraltheorie,
welche folgendes besagt: Es sei Ln ein n-dimensionaler Hilbertraum (n darf
unendlich sein) und T ein hermitescher Operator auf Ln . Dann hat T genau
n Eigenwerte, mit unterschiedlichem Wert t1 , ..., tm , m ≤ n. Alle Eigenwerte
ti sind reel: Wegen
(un , T um ) − (T un , um ) = 0 = (tm − t∗n )(un , um )
und n = m, folgt tn = t∗n . Falls der Eigenwert ti ki -mal entartet ist, dann existieren ki linear abhängige Eigenvektoren von T in Ln , welche den gleichen Eigenwert haben. Diese Eigenvektoren bilden eine Basis für ein ki -dimensionales
Unterraum Mi von Ln . Die Eigenräume Mi sind paarweise orthogonal und
die Menge der dazugehörigen Basisvektoren bilden ein VONS in Ln . Der Index i wird benutzt, um die Eigenfunktionen und Eigenwerte des Operators
zu unterscheiden: die ganzen Zahlen i bezeichnet man als Quantenzahlen. Manchmal gehören zu einem Eigenwert eines Operators mehrere linear
unabhängige Eigenfunktionen. Die Zahl der Eigenfunktionen zu einem gegebenen Eigenwert bezeichnet man als Entartungsgrad dieses Eigenwertes.
Im Fall einer Entartung muss man die Eigenfunktionen zu einem Eigenwert
noch mit einem zweiten Index versehen, gelegentlich benutzt man mehrere
Indizes. In diesem Fall ist i die Hauptquantenzahl.
Beispiel: Eigenwerte und Eigenfunktionen des Operators des Impulsoperators.
~
Die Funktionen u~k = L−3/2 ·ei(k·~r−ωt) sind die Eigenfunktionen des Impulsoperators zu den (quasidiskreten) Eigenwerten λ~k = h̄ · ~k. Sie bilden ein VONS
(Fourier-Theorem). Die Quantenzahlen sind ~n.
Die hermitesche Operatoren bilden die Observablen eines quantenmechanisches Systems. Die statistische Deutung der Wellenfunktion ist die Grundlage
für die Einführung des Erwartungswertes eines Operators T im Zustand
u:
.
< T >u = (u, T u)
Berechnen wir den Erwartungswert des Ortsoperators eines Teilchens in der
Orstdarstellung
< ~rop >u =
Z
Ω
∗
u (~r)~ru(~r)d~r =
Z
Ω
~r· | u(~r) |2 d~r
18
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
dann merken wir, dass bei dieser Operation jeder Punkt ~r mit der W-keitsdichte
| u(~r) |2 gewichtet wird. Das Integral entspricht deshalb dem statistischen
Mittelwert des Ortvektors ~r.
In gleicher Weise wird auch der Erwartungswert einer beliebigen Funktion des Ortsvektors
berechnet:
Z
u(~r)∗ f (~r)u(~r)d~r
< f (~r)op >u =
Ω
Der Erwartungswert des Impulsoperators ist entsprechend
Z
~ r)d~r
<p
~op >u =
u∗ (~r)(−i · h̄) · ∇u(~
Ω
In gleicher Weise kann man den Erwartungswert für eine beliebige Potenz des Impulses
nach der Regel
Z
~ n u(~r)d~r
< p~nop >u =
u∗ (~r)(−ih̄ · ∇)
Ω
berechnen, sowie dessen Polynome. So ist zum Beispiel der Erwartungswert der kinetischen
Energie durch
Z
<p
~2op /2m >u =
Ω
u∗ (~r)(−h̄/2m)2 · ∆u(~r)d~r
gegeben.
Der Erwartungswert von hermiteschen Operatoren ist reell:
(u, T u)∗ = (T † u, u)∗ = (T u, u)∗ = (u, T u)
Durch die Einführnung eines VONS, lässt sich der Erwartungswert von hermiteschen Operatoren T im Zustand u nach folgender Gleichung berechnen:
X
(u, T u) = (
n
an un ), T
X
m
am um ) =
X
n
tn · | (un , u) |2
Diesen Ausdruckt deuten wir wie folgendes: Wird der Zustand eines Systems
durch eine Wellenfunktion u beschrieben, so wird man bei den Messungen
der Observablen T in diesem Zustand verschiedene Werte erhalten, die jeweils
gleich einem der Eigenwerte des Operators T sind. Die W-keit, mit welcher
der jeweilige Eigenwert tn gemessen ist, beträgt | (un , u) |2 , d.h. der Betrag im
Quadrat der W-keitsamplitude (un , u). Mit anderen Worten: die Gesamtheit
der Eigenwerte des Operators T enthält alle möglichen Messergebnisse für
die dazugehörige Observable T . Sollte der Zustand u ein Eigenzustand sein,
dann liefert die Messung der Observablen T den Eigenwert tn , und zwar mit
W-keit 1. P.A.M. Dirac geht noch weiter:
”From physical continuity, if we make a second measurement of the
same dynamical variable T immediately after the first, the result
of the second measurement must be the same as that of the first.
Hence, after the first measurement has been made, the system
is in an eigenstate of the dynamical variable T , the eigenvalue it
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
19
Abbildung 2.3: Links: Mögliche Resultate der Messung einer Observablen mit
Eigenwerten 1 und −1. Die gestrichelte Linie ist der Mittelwert. Rechts: Der
dritte Polarisator steht senkrecht zum zweiten: kein Licht kann die Anordnung passieren.
belongs to being equal to the result of the first measurement. This
conclusion must still hold if the second measurement is not actually
made. In this way we see that a measurement always causes the
system to JUMP into an eigenstate of the dynamical variable that
is being measured, the eigenvalue this eigenstate belongs to being
equal to the result of the measurement.”
Beispiel: gekreuzte Polarisatoren.
Das 1921 von Stern und Gerlach durchgeführte Experiment enthält die
Grundlage der Quantenmechanik, die wir illustriert haben. Am Eingang der
Abbildung 2.4: Apparatur nach Stern und Gerlach (links) und gemessene
Intensität beim Stern-Gerlach Versuch (rechst).
Stern-Gerlach Apparatur steht ein Ag-Ofen. Wird der Ofen geheizt, so ver-
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
20
dampfen Ag-Atome. Die Elektronenkonfiguration von Ag-Atomen ist 4d10 5s1 ,
d.h. die d-Schale ist vollständig und die 5s-Schale enthält nur ein Elektron. Wie wir später sehen werden, haben Elektronen einen Eigenspin mit
Sz = ± h̄2 . Da die d-Schale voll ist, haben auch Ag-Atome Spin 1/2. Durch
einen Spalt wird ein feiner Atomstrahl ausgeblendet. Der Strahl wird in einem Gebiet eingeführt, in welchem ein starker Magnetfeldgradient herrscht:
~ – vorwiegend in z Richtung – ist stark inhomogen entlang der z Achse. EiB
ne solche Inhomogenität erreicht man, indem man die Polschuhe nicht eben
gestaltet, sondern als scharfe Kante. Das mit dem Spin 1/2 verbundene magnetische Moment kann nur Werte ±µB annehmen (g für ein Elektron ist
~ = B(z),
~
es genau 2, siehe Dirac Gleichung). Da B
erfährt das magnetische
~ µ · B)
~ = (~µ · ∇)
~ B,
~ in unserem Fall Fz = µz dBz .
Moment eine Kraft F~ = ∇(~
dz
Wegen der Quantisierung des Elektronenspins, produziert eine solche Kraft
eine räumliche Trennung der beiden Atomsorten: der Atomstrahl spaltet sich in zwei Teilstrahlen auf. Klassisch wäre jede Einstellung möglich,
sodass man nur ein breites Maximum erwartet. Die von Stern und Gerlach
beobachtete Strahlspaltung hat folgende Bedeutung:
1. Der Elektronenspin ist quantisiert, d.h. es kann nur diskrete Werte
annehmen. Dies ist in Einklang mit unseren Rechnungen betreffend
Eigenwerte des Drehimpulses.
2. Das Resultat einer Messung sind die Eigenwerte eines Operators, in
diesem Fall die des Spins.
3. Die Teilstrahlen sind spinpolarisiert, d.h. alle Atome haben entweder
Spin 0 up0 oder Spin down. Die Wirkung eines Messaparates ist die Projektion des Zustandes in einem der Eigenzustände.
2.2
Die Schrödingergleichung
u bestimmt den Zustand des Teilchens zur Zeit t. Wie sieht u zu späteren
Zeiten aus? Man benötigt eine dynamische Gleichung für die zeitliche Entwicklung. Die von E. Schrödinger im Jahre 1926 vorgeschlagene Gleichung
lautet
du
ih̄
= Hu
dt
Dabei muss H – der sog. Hamilton Operator des Systems – linear sein:
nur dann ist die Linearkombination zweier Lösungen auch eine Lösung, in
Einklang mit dem Superpositionsprinzip. Darüberhinaus muss H hermitesch
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
21
R
sein, damit dtd u∗ udτ = 0 (diese letzte Gleichung drückt die Erhaltung der
Normierung der Wellenfunktion im Laufe der Zeit aus):
d
d
d
(u, u) = ( u, u) + (u, u) = ((ih̄)−1 Hu, u) + (u, (ih̄)−1 Hu) = 0
dt
dt
dt
falls H† = H. Die DG ist 1. Ordnung in der Zeit, da die Angabe von u zu
einer bestimmten Zeit den Zustand des Systems vollständig beschreibt.
Beispiel.Wir wollen H so konstruieren, dass die de Broglie Wellenfunktion
√
E(~
k)
~
( L3 )−1 e(k·~r− h̄ t) eine Lösung der SG ist, mit E(~k) = (h̄~k)2 /2m. Die eindeutige Wahl ist H = ~p2op /2m, d.h. der Hamiltonoperator in der Ortsdarstellung
lässt sich durch die Substitution p~ → p~op aus der klassischen Energie des Systems konstruieren. Da die klassische Energie eines Teilchens – im Potential
V (~r) – p~2 /2m + V (~r) ist, postulieren wir für die zugehörige SG
H =T +V =
p~2op
+ V (~rop )
2m
in der Ortsdarstellung. Für Systeme ohne klassische Korrespondenz existiert
kein Ausdruck für die Energie in den Koordinaten p~ und ~r. In diesem Fall
ist die Konstruktion des Hamilton Operators eine echte Herausforderung, die
schliesslich nur durch den Vergleich mit dem Experiment gelöst werden kann.
Zusammen mit der W-keitsdichte ρ(~r, t) = u(~r, t)∗ · u(~r, t) kann man die Wkeitsstromdichte als
. h̄
~ − (∇u
~ ∗ )u)
~j(~r, t) =
(u∗ (∇u)
2im
definieren. Für ~j und ρ gilt die Gleichung
∂ρ
~ ~j) = 0
+ (∇
ρt
Diese Gleichung stellt den differentiellen Erhaltungssatz für die W-keit dar.
Von besonderer Bedeutung sind stationäre Zustände der SG. Wir betrachten Systeme, dessen Hamilton Operator nicht explizit von der Zeit
abhängt. Wir suchen eine Lösung ut so dass | ut |2 zeitunabhängig (stationär) ist. Der Ansatz dafür ist u = e−iE·t/h̄ · u, E eine reelle Konstante. Die
Bedeutung von E wird klar nach dem Einsetzen dieses Ansatzes in die SG:
du
= Eu
dt
⇐⇒ Hu = E · u
ih̄
KAPITEL 2. DIE WELLENMECHANIK
22
E muss ein Eigenwert des Hamilton Operators sein und u der dazugehörige
Eigenzustand. Die Eigenwertgleichung Hun = En u ist die zeitunabhängige SG. Das Spektrum von H bildet alle möglichen stabilen Zustände eines
Atoms. Der Eigenwert mit der niedrigsten Energie ist der Grundzustand
des Systems. Die höherliegenden Eigenwerte sind angeregte Zustände: durch
kleine ”Störungen” von aussen kann das System den angeregten Zustand verlassen und in den Grundzustand zurückkehren. Als Beispiel betrachten wir
die zeitunabhängige SG für ein freies Teilchen, d.h.mit H = p~op /2m. Einsetzen ergibt
2m · E
4u +
u=0
h̄2
Diese Gleichung ist formell mit der Helmoltzschen homogenen Wellengleichung identisch. Diese Gleichung hat Schrödinger zuerst postuliert, und zwar
in Analogie zur Helmotzschen Gleichung. Die zeitabhängige Gleichung wurde von Schrödinger später postuliert. Die zeitabhängige Gleichung enthält
nur die erste Ableitung nach der Zeit: sie unterscheidet sich deshalb deutlich
von der klassischen zeitabhängigen Wellengleichung und stellt die eigentliche
Entdeckung von Schrödinger dar.
2.2.1
Die SG in Matrixschreibweise
Die zeitabhängige SG lautet
ih̄
du
= Hu
dt
Wir stellen den Zustand u als Superposition von Basiszuständen dar, u =
i Ci (t)ui . Daraus folgt
P
ih̄
dCi(t)) X
=
Hij Cj (t)
dt
j
Hij = (ui , Huj ) sind die Matrixelemente des Hamiltonoperators. Die Hamiltonsche Matrix [H] ist hermitesch, d.h. [H]∗t = [H]. Die zeitunabhängige SG
E·t
findet man durch Einsetzen des Ansatzes Ci (t) = e−i h̄ · Ai in die SG:
Ai E =
X
j
Hij Aj
In dieser Darstellung ist die zeitunabhängige SG das Eigenwertproblem einer Matrix. Die Eigenwerte sind die Energie der stationären
Zustände und die Koeffizienten Ai stellen die Koordinaten der Eigenvektoren in der verwendeten Basis dar.
Kapitel 3
Eindimensionale Probleme
Zur Bestimmung der stationären Zustände eines Teilchens mit Masse m in
einem äusseren Potentialfeld muss man die Eigenwerte und Eigenzustände
des Energieoperators berechnen, d.h. die Gleichung
2m
(E − V (~r)]ψ(~r) = 0
h̄2
lösen. Diese Gleichung ist eine lineare DG zweiter Ordnung. Exakte analytische Lösungen dieser Gleichung können nur zu wenigen Operatoren für die
potentielle Energie gefunden werden. Die einfachsten Lösungen gehören zu
Systemen, für welche die potentielle Energie im ganzen Raum konstant ist
(freie Teilchen) oder in verschiedenen Raumgebieten verschiedene konstante Werte hat. An den Grenzflächen dieser Gebiete ändert sich die potentielle
Energie sprunghaft von einem Wert auf einen anderen. Auf den Unstetigkeitsflächen des Potentials muss die Wellenfunktion stetig sein, damit die W-keit
stetig ist. Falls der Potentialsprung unendlich ist, muss die Wellenfunktion an
der Grenzfläche null sein. Falls die Energie des Teilchens beschränkt ist und
der Sprung der potentiellen Energie an einer Unstetigkeitsfläche endlich ist,
~ an der Unstetigkeitsfläche auch stetig sein. Die Randbedingungen
muss ∇ψ
auf Flächen σ mit endlichen Potentialsprüngen sind also die Stetigkeit von
~ auf σ.
ψ und ∇ψ
[4 +
3.1
Teilchen im Kasten mit undurchlässigen
Wänden
Wir wollen jetzt eine Masse m in einem Potentialtopf behandeln.
V (x) = ∞ , L/2 ≤ x ≤ −L/2
23
24
KAPITEL 3. EINDIMENSIONALE PROBLEME
V (x) = 0 , −L/2 ≤ x ≤ L/2
Die Bewegung wird als echt eindimensional angenommen, d.h. auf die x-
Abbildung 3.1: Potentialkasten
Achse beschränkt. In diesem Fall muss die DG
[
d2
+ k 2 ]ψ(x) = 0
dx2
im Gebiet −L/2 ≤ x ≤ L/2 gelöst werden, mit k 2 ≡ 2m
· E. Die Randbeh̄2
R L/2
dingungen sind ψ(±L/2) = 0 und die Lösungen sollen mit −L/2 ψ ∗ ψdx = 1
normiert werden. Die allgemeine Lösung dieser DG (siehe klassischen harmonischen Oszillator) ist
ψ(x) = A cos(k · x) + B sin(k · x). Die Randbedingungen
A cos(k · L/2) + B sin(k · L/2)
A cos(k · (−L/2)) + B sin(k · (−L/2))
=
=
⇐⇒
cos k · L/2 = 0
,
sin k · L/2 = 0
,
0
0
B=0
A=0
bestimmen zwei Sätze von Eigenwerten und Eigenfunktionen:
q
1. kn = n·π
, mit n ungerade und ψn+ = L2 cos nπ
x. Der Index + zeigt,
L
L
dass die Funktionen in x = 0 gerade sind. Die dazugehörige Energieπ 2 h̄2
2
Eigenwerte sind E + = 2mL
2 · n , n ungerade.
q
2. kn = n·π
, mit n gerade und ψn− = L2 sin nπ
x. Der Index − zeigt, dass
L
L
die Funktionen in x = 0 ungerade sind. Die dazugehörige Energieeigenπ 2 h̄2
2
werte sind E + = 2mL
2 · n , n gerade.
KAPITEL 3. EINDIMENSIONALE PROBLEME
25
Abbildung 3.2: Eigenfunktionen zu n = 1, 2, 3
Es sind also nur ”diskrete” Energiewerte möglich: die Energie ist quantisiert. Diese Quantisierung ist durch die Wellennatur des Teilchens und die
dazugehörigen Randbedingungen erzwungen.
Die spektakulärste Anwendung eines Teilchens im Kasten stammt wohl
aus der Halbleitertechnologie. Ein Halbleiter, wie z.B. GaAs, besitzt eine
Energielücke, in der stationäre Zustände der Elektronen nicht existieren können.
Die Energielücke ist etwa 1 eV: diese Barriere muss ein Elektron überwinden,
damit er sich im Kristall bewegen kann. Ersetzt man einen Teil des Ga durch
Al, so wird die Energielücke grösser. Wenn zwei Schichten aus GaAlAs eine
Schicht reines GaAs einschliessen, entsteht im Leitungsband ein Potentialkasten in der x Richtung senkrecht zum Schichtwachstum (Quantentrog,
quantum well). Die Steilheit des Potentialwalls hängt davon ab, wie abrupt
Abbildung 3.3: Verlauf des verbotenen Energiebereichs entlang der Wachstumsrichtung
man die ”Dotierung” mit Al abbrechen kann. Die Höhe des Potentialwalls
beträgt 0.3 eV. Die Molekularstrahlepitaxie ermöglicht es, die Konzentration
des Al innerhalb einer atomaren Lage auf null fallen zu lassen. Deshalb kann
KAPITEL 3. EINDIMENSIONALE PROBLEME
26
die Steilheit des Potentialwalls sehr gross sein, man erhält tatsächlich einen
Kasten (auch wenn nicht mit unendlichem Potentialsprung). Aber man kann,
wenn nötig, auch die Konzentration des Al gezielt langsam abnehmen lassen,
so dass ein parabelförmiges Potential entsteht, in welchem dann harmonische
Schwingungen möglich sind. Damit die Quantisierung wirksam ist, muss der
Abstand zwischen benachbarter Energieniveaus grösser sein als, zum Beispiel, die Unschärfe der Niveaus. Streuung an Kristalldefekten oder/und an
Phononen sind für die mögliche Unschärfe verantwortlich: Die Unschärfe der
Niveaus bei Raumtemperatur ist mindestens 0.03 eV. Aus der Gleichung
0.03eV = π 2h̄2 /(2mL2 ) folgt ((4π 2h̄2 /(2me ) = (1.504eV (nm)2 ), L ≤ 4 nm.
Diese Länge stellt eine grosse Herausforderung an die Genauigkeit des MBE
Wachstums. Legt man eine bestimmte Spannung über den Quantum Well
Abbildung 3.4: Links: Energy diagram with no voltage applied across the diode. Because
the AlGaAs has a wider bandgap than the surrounding GaAs, it forms potential barriers
about 0.3 eV high. The horizontal lines represent the quantized electron energy levels in
the box. Rechts: Energy diagram under operating conditions, with bias voltage V applied
between the heavily doped contact layers. The darker areas indicate the range of occupied
conduction-band energies in these outer layers at low temperatures.
zwischen Quelle (Source) und Anode (Drain), dann sorgt der Potentialverlauf dafür, dass eines der quantisierten Niveaus im Kasten mit den Energieniveaus der Source übereinstimmt. Falls die Potentialbarriere genügend
dünn ist, können Source-Elektronen durch die Potentialbarriere via diskreten Energieniveaus im Kasten tunneln und dadurch die Anode erreichen. Es
entsteht eine zusätzliche Möglichkeit, für Strom durch die Well-Struktur zu
fliessen. Das Phänomen des Tunnelns durch einen klassisch verbotenen Energiebereich (klassisch verboten, weil in dem Bereich das Teilchen eine negative
kinetische Energie hätte) ist ein reiner quantenmechanischer Effekt. Die Erzeugung von zusätzlichem Strom ist nur dann möglich, falls die Niveaus in
der Struktur übereinstimmen: man spricht von einer resonanten Tunneldiode. Die Strom-Spannung Charakteristik durchläuft eine Reihe von Maxima,
die nur bei den resonanten Spannungen auftreten, und ein klares Zeichen der
Energiequantisierung im Kasten sind. Diese nicht-lineare Strom-Spannung
Charakteristik kann man beispielweise als Verstärker oder Schalter anwen-
KAPITEL 3. EINDIMENSIONALE PROBLEME
27
Abbildung 3.5: Resonant tunneling diode (Esaki, Chang and Tsu, IBM). AlGaAs barrier
layers a few nanometer thick bracket a GaAs layer of comparable thickness to form a
quantum potential well for electrons.
den. Die Möglichkeit existiert, dass die Elektronen im Kasten Energie durch
Emission von Licht abgeben: damit lässt sich auch eine Leuchtdiode bauen,
die nur bei bestimmten Spannungen leuchtet.
Ein Übergitter mit vielen periodischen Potentialkästen eröffnet neue Möglichkeiten. Die Potentialbarrieren müssen nach wie vor genügend dünn sein, so
dass die Elektronen leicht tunneln können.
In a) ist die Spannung klein, die Energieniveaus im Kasten sind praktisch auf
gleicher Höhe: Es bildet sich, nach der Quantenmechanik, eine eindimensionale Bandstruktur (analog zu den Phononenbändern). Zwischen den Bändern
sind verbotene Zonen. In solchen künstlichen Gittern ist die Bandbreite (proportional zur Tunnelw-keit) kleiner als im Kristall, weil die Amplitude für
das Tunneln viel kleiner ist.
In b) bildet sich kein Band, weil die Steigung sehr gross ist und die Niveaus
nicht überlappen: es bildet sich ein Isolator. Solche künstlichen Übergitter
sind ein ideales Werkzeug, um einen Metall-Isolator Übergang zu untersuchen.
In c) ist die Spannung so gewählt, dass jeweils das 1. Niveau mit dem 2. des
folgenden Kasten zusammnfällt. Das Elektron kann nur dann die Struktur
durchqueren, wenn es unter der Emission elektromagnetischer Strahlung auf
dem 1. Niveau relaxiert. Da die Strahlung zwischen diskreten Niveaus stattfindet, ist das emittierte Licht monochromatisch. Bettet man die Struktur
zwischen parallelen reflektierenden Spiegeln, so wird ein Infrarot-Laser produziert, der durch das Anlegen von Spannung gepumpt ist. In der modernen
Kommunikationstechnologie werden solche Solid State Lasers oft benutzt.
Die Schichtstruktur kann auch als Infrarotdetektor arbeiten: Die im Kasten
gebundenen Elektronen werden dabei ins darüberliegende Leitungsband angeregt (d).
KAPITEL 3. EINDIMENSIONALE PROBLEME
28
Abbildung 3.6: Plot of a drain to source current as a function of the voltage. The three
peaks correspond to resonant tunneling
3.2
Der Tunneleffekt
Wir betrachten einen sog. Potentialwall, d.h. V (x) = V0 für x ∈ [−a, +a],
V (x) = 0 sonst. Um die Wellenfunktionen zu normieren, müssten wir künstliche Wände einführen. Wir werden jedoch aus den Rechenresultaten solche
Schlussfolgerungen ziehen, die das Eingehen auf das Normierungsproblem
erübrigen. In den drei Bereichen (I, II, III) ist die potentielle Energie konstant, und wir können in jedem Bereich die allgemeine Löung der SG angeben,
die wir dann an den Sprungstellen x = ±a mit Hilfe der Randbedingungen
verknüpfen werden:
ϕI (x) = Aeiαx + Be−iαx
ϕII (x) = Ceβx + De−βx
ϕIII (x) = F eiαx + Ge−iαx
q
q
mit α ≡ 2mE/h̄2 und β ≡ 2m(V0 − E)/h̄2 . Wir wollen den Fall E < V0
untersuchen, so dass β reell ist. Aus den Randbedingungen folgt das Gleichungssystem
Ae−iαa + Beiαa
iα(Ae−iαa − Beiαa )
Ceβa + De−βa
β(Ceβa − De−βa )
=
=
=
=
Ce−βa + Deβa
β(Ce−βa − Deβa )
F eiαa + Ge−iαa
iα(F eiαa − Ge−iαa )
KAPITEL 3. EINDIMENSIONALE PROBLEME
29
Abbildung 3.7: Electron transport in a superlattice. a): Conduction-band profile showing
alternating layers of two semiconductior materials of different band-gap width. The darker
area represents an allowed energy miniband arising from the superlattice periodicity. Its
slope is due to an applied voltage bias. b): A stronger bias field causes enough slope
to misalign the energy levels in successive wells. As a result, tze miniband is replaced
by a Wannier-Stark ladder of discrete states. c): In a superlattice with weak coupling
between the wells one can increase the field until the lowest level in each well is aligned
with one of the excited states in the next well. This produces electron transport with
an alternating sequence of tunneling and energy relaxation. This scheme,with electrns
tunneling into the second excited state of a neighbouring well, forms the basis for a all
solid state infrared laser. d): Quantum well infrared detector. Electrons from the wells are
excited by the incident photons into the extended states above the barriers and transported
to the contacts.
Im Hinblick auf die Diskussion des sog. Tunneleffektes (Durchdringen einer
Potentialschwelle) machen wir die Voraussetzung G = 0. Dann haben wir ein
Gleichungssystem von 4 Gleichungen mit 5 Unbekannten vorliegen, aus dem
wir die Verhältnisse B/A, C/A, D/A, und F/A berechnen können, wenn
A 6= 0 vorausgesetzt wird. Da wir später nur B/A und F/A zu weiteren
Schlussfolgerungen benötigen, geben wir das Resultat nur dafür:
| B |2
1/4(α/β + β/α)2 sinh2 (2βa)
=
| A |2
1 + 1/4(α/β + β/α)2 sinh2 (2βa)
| F |2
1
=
2
|A|
1 + 1/4(α/β + β/α)2 sinh2 (2βa)
KAPITEL 3. EINDIMENSIONALE PROBLEME
30
Abbildung 3.8: Eindimensionaler, rechteckiger Potentialwall.
Diese Resultate benutzen wir, um die Stromdichten in den 3 Bereichen zu
berechnen:
h̄α ∗
(A A − B ∗ B) = JIe − JIr
m
h̄β ∗
=
(D C − DC ∗ )
im
h̄α ∗
=
F F
m
JI =
JII
JIII
JIe bezeichnet die Stromdichte der von links her auf den Wall einlaufenden
Welle ϕeI (x) = Aeiαx , welche zusammen mit dem Zeitfaktor e−iEt/h̄ eine in
positiver x Richtung fortschreitende ebene Welle repräsentiert. Ensprechend
sind JIr die Stromdichte der am Wall reflektierten Welle und JIII die Stromdichte der durch den Wall hindurchgedrungenen Welle. Durch die Voraussetzung G = 0 haben wir ausgeschlossen, dass auch im Bereich III eine zum
Wall hin gerichtete Stromdichte existiert. Mit Hilfe der Stromdichten JIe , JIr
und JIII können wir zwei von der Normierung völlig unabhängigen Grössen
einführen: den Reflexionskoeffizient
R≡
| B |2
JIr
=
JIe
| A |2
und den Durchlasskoeffizient (Transmissionskoeffizient)
| F |2
. JIII
D= e =
JI
| A |2
mit R + D = 1. D 6= 0 heisst, dass bei Auftreten eines Teilchens vor dem
Wall auch immer ein Austreten mit der Stromdichte JIII hinter dem Wall
verknüpft ist, auch wenn die Energie niedriger als die Wallhöhe ist (klassischmechanisch würde man in diesem Fall R = 1 und D = 0 erhalten). Man
31
KAPITEL 3. EINDIMENSIONALE PROBLEME
spricht davon, dass das Teilchen den Wall zu durchtunneln vermag (Tunneleffekt). Wie die Abb. zeigt, strebt die Tunnelw-keit exponentiell gegen
Null für wachsende Werte von a . Diese einfache Modellrechnung zum Tun-
Abbildung 3.9: Für grosse a, fällt D exponentiell mit a ab (rechts). Die charakteristische
1
.
2m(V0 −E)/h̄2
Länge a0 , über welche D auf den Wert e−1 gesenkt ist, beträgt a0 = √
4
Diese
Länge strebt nach Null im klassischen Fall, d.h. für h̄ → 0. Der Verlauf der Wellenfunktion
ist schematisch links dargestellt. Die Wellenfunktion klingt exponentiell innerhalb des
Potentialwalls ab, bleibt aber endlich bei endlichen Werten von a am Ende des Walls:
ϕII (x) ≈ e−aβ .
neleffekt macht zahlreiche physikalische Effekte prinzipiell verständlich, bei
denen eine Teilchenbewegung nur unter Tunnelung durch eine Potentialbarriere möglich erscheint. Dazu gehören die enorm wichtigen Probleme wie
das Austreten von Nukleonen und Nukleonkomplexen aus einem Atomkern
im radioaktiven Zerfall, die kalte Elektronenemission von Metallen in starke
elektrische Felder (Feldemission) oder der Durchtritt von Elektronen durch
Oxidschichten auf Metallkontakte (Injektionsexperinmente). Eine moderne
Anwendung des Tunneleffektes als Analysemethode an Objekten im Nanometerbereich ist das Raster-Tunnel-Mikroskop.
3.3
Der QM harmonischer Oszillator
Im eindimensionalen harmonischen Oszillator ist V (x) =
.
V0 und ω 2 = K/m. Die zeitunabhängige SG lautet
K 2
x +V0
2
.
=
mω 2 2
x +
2
d2 ϕ(x) 2m
mω 2 2
+
(E
−
x − V0 )ϕ(x) = 0
dx2
2
h̄2
Unsere Aufgabe besteht darin, Lösungen der SG zu suchen, die quadratisch
integrierbar sind:
Z
+∞
−∞
| ϕ(x) |2 dx = 1
32
KAPITEL 3. EINDIMENSIONALE PROBLEME
Abbildung 3.10: Mit Hilfe eines piezoelektrischen Stellelements wird eine Sonde aus Platin/Iridium oder Wolfram in z-Richtung auf etwa 1 nm an die Oberfläche einer elektrisch
leitenden Probe herangeführt. Bei diesem Abstand ”überlappt” sich die Elektronenwolke
des Atoms an der Sondenspitze mit dem Atom an der gegenüberliegenden Probenoberfläche. Wegen dem kleinen Abstand, können die Elektronen den geringen Abstand zwischen
den beiden Atomen, welcher für die Elektronen eine Potentialbarriere darstellt, durchtunneln. Es entsteht ein Tunnelstrom, dessen Stärke empfindlch vom Abstand zwischen Sonde
und Probe und damit vom Höhenrelief der abgetasteten Oberfläche abhängt. Indem die
Sonde rasterartig in x- und y-Richtung über die Probenoberfläche mit subatomarer Rasterweite geführt wird, kann eine Abbildung der Probenoberfläche erzeugt werden, welche
die atomare Struktur des Probenmaterials deutlich erkennen lässt.
Wir führen die Variablensubstitution
wir die DG zweiter Ordnung
2(E−E0 )
h̄ω
q
≡ und ξ = x
mω
.
h̄
So erhalten
d2 ϕ
+ ( − ξ 2)ϕ = 0
dξ 2
Damit die Wellenfunktion normierbar ist, muss ϕ(ξ) für ξ → ±∞ genügend
2
rasch gegen Null streben. Wir benutzen den Ansatz ϕ(ξ) = v(ξ) · e−ξ /2 und
finden als Gleichung für die Funktion v(ξ)
v 00 − 2ξv 0 + ( − 1)v = 0
(der Strich bedeutet Ableitung nach ξ). Zu ihrer Lösung bietet sich auf Grund
der allgemeinen Theorie der DG ein Potenzreihenansatz der Form v(ξ) =
P∞
ν
ν=0 cν ξ an, womit man aus der DG die Gleichung
∞
X
ν=0
[Cν+2 (ν + 2)(ν + 1) + cν (−2ν + − 1))]ξ ν = 0
33
KAPITEL 3. EINDIMENSIONALE PROBLEME
erhält, die nur erfüllt sein kann, wenn der Koeffizient jeder Potenz von ξ
verschwindet, d.h. wenn
2ν + 1 − Cν+2
=
cν
(ν + 1)(ν + 2)
Mit Hilfe dieser Rekursionsformel lassen sich bei Vorgabe von C0 bzw. C1
sämtliche Koeffizienten der Potenzreihe bestimmen. Von C0 aus entsteht eine Lösung ϕ(ξ), die nur gerade Potenzen in der Reihe enthält und, da der
Exponentialfaktor von ξ 2 abhängt, symmetrisch gegenüber der Spiegelung
ξ → −ξ bzw. x → −x ist. Diejenigen Lösungen, die von C1 ausgehen, sind
daher antisymmetrisch. Besonders wichtig ist es nun zu überprüfen, ob die
aus Exponentialfaktor und Potenzreihe bestehenden Lösungen auch wirklich normierbar sind, denn nur dann sind sie als Eigenfunktionen anzusehen.
Da für die Normierbarkeit das Verhalten im Unendlichen ausschlaggebend
ist, müssen wir das asymptotische Verhalten der Potenzreihe studieren. Für
grosse ν-Werte geht die Rekursionsformel in CCν+2
→ 2/ν über. Dieses asymν
ptotische Verhalten hat nun aber die Rekursionsformel der Koeffizienten von
2ξ 2
e
=
∞
X
ξ 2µ
µ=0
2µ
µ!
2
Die unendliche Reihe verhält sich demnach asymptotisch wie e2ξ , und die
2
durch den Faktor e−ξ /2 erhoffte quadratische Integrierbarkeit von ϕ(ξ) ist
nicht gegeben, wenn die volle Potenzreihe vorliegt. Man kann jedoch noch
über die in enthaltene Energie so verfügen, dass die Reihe bei einem bestimmeten ν = n abbricht und somit ein Polynom n-ter Ordnung repräsentiert:
dann bleibt e− ξ 2 /2 für die quadratische Integrierbarkeit ausschlaggebend,
wie die Absicht des Ansatzes war. Abbrechen der Reihe bei ν = n bedeutet,
cn+2 = 0 zu setzen, d.h. = 2n + 1, n = 0, 1, .... Diese Bedingung produziert
eine Quantisierung der erlaubten Energieniveaux eines linearen harmonischen Oszillators:
1
En = h̄ω(n + ) + V0
2
mit n = 0, 1, 2, .... Die zu En gehörige Eigenfunktion ist
ϕn (ξ) = An e−ξ
2 /2
Hn (ξ)
wobei die Polynome n-ten Grades Hn (ξ) die sog. Hermiteschen Polynome
sind
n −ξ 2
n
ξ2 d e
Hn (ξ) = (−1) · e ·
dξ n
KAPITEL 3. EINDIMENSIONALE PROBLEME
34
Der Normierungsfaktor An beträgt
An =
s
2n
1
√
· n! π
Die ersten Hermiteschen Polynome haben die Form H0 (ξ) = 1, H1 (ξ) = 2ξ,
H2 (ξ) = 4ξ 2 − 2,...
Abbildung 3.11: Die ersten Hermiteschen Polynome haben die Form H0 (ξ) = 1,
H1 (ξ) = 2ξ, H2 (ξ) = 4ξ 2 − 2. In der Abb. erkennt man, dass im Grundzustand (n = 0)
die grösste Aufenthaltsw-keit in der Umgebung von x = 0 vorliegt, während sie für die
angeregten Zustände n > 0 im klassich zulässigen Gebiet in der Nähe der ”Umkehrpunkte” relativ gross ist. Man beachte auch die n Knoten, in welchen die Aufenthaltsw-keit
exakt Null ist. Im klassisch unzugänglichem Gebiet (ausserhalb der Umkehrpunkte) geht
die Aufenthaltsw-keit exponentiell gegen Null.
Kapitel 4
Das Wasserstoffatom
In der Entwicklung der QM hat das Wasserstoffatom einen entscheidenden
Prüfstein geliefert: denn die für dieses physikalische System gewonnenen spektroskopischen Aussagen waren eindeutig und überzeugend und dabei auf der
Basis der klassischen Theorie unerklärlich. Jede neue Theorie, um überhaupt
akzeptiert zu werden, musste sich mit diesen Resultaten konfrontieren: nur
wenn sie die diskreten Energieniveaus des H-Atoms und die darausfolgenden spektroskopischen Seriengesetze erklären konnte, hatte eine Theorie eine
Chance. Auch E. Schrödinger sah in dieser Aufgabe bei seiner ersten Mitteilung (1926) über die Quantisierung des Eigenwertproblems sein wesentliches
Anliegen. Die Wechselwirkung zwischen Kern und Elektron ist die bekannte
Coulomb Wechselwirkung: an der gibt es nichts zu rütteln. Betrachtet man
den Kern als unendliches schweres Punktteilchen, resultiert daraus ein kugelsymmetrisches Problem: zuerst wollen wir einige allgemeine Resultate
für solche Probleme erarbeiten, danach werden wir den Fall des CoulombPotentials explizit berechnen.
Die zeitfreie Einteilchen-SG für eine kugelsymmetrische potentielle Energie V (~r) = V (r) mit | ~r |≡ r lautet
[
−h̄2
4 +V (r)]ψ(~r) = Eψ(~r)
2m
Die Kugelsymmetrie von V (r) berücksichtigt man am besten mit der Wahl
der Kugelkoordinate (r, ϑ, ϕ). Der Laplace Operator wird zu
4=
mit
1 ∂ 2∂
1
(r
) + 2Λ
2
r ∂r ∂r
r
1 ∂
∂
1 ∂2
Λ≡[
(sin ϑ ) +
]
sin ϑ ∂ϑ
∂ϑ
sin2 ϑ ∂ϕ2
35
KAPITEL 4. DAS WASSERSTOFFATOM
36
Somit lautet die SG
[
h̄2
−h̄2 1 ∂ 2 ∂
(r
)
−
Λ + V (r)]ψ(~r) = Eψ(~r)
2m r 2 ∂r ∂r
2mr 2
Da die potentielle Energie nur vom Betrag von~r abhängt, ist es zweckmässig
einen Separationsansatz durchzuführen:
ψ(r, ϑ, ϕ) = f (r) · Y (ϑ, ϕ)
Somit lautet die DG:
(r 2 f 0 )0 Y + f · ΛY +
2m 2
· r [E − V (r)]f · Y = 0
h̄2
(0 bedeutet Ableitung nach r) oder
(r 2 f 0 )0 2m 2
ΛY
+ 2 · r [E − V (r)] = −
f
Y
h̄
Die rechte Seite der Gleichung hängt nur von ϕ, ϑ ab, die linke nur von r ab:
das ist nur möglich, falls beide Seite eine Konstante sind, die wir λ nennen.
Man erhählt seinerseits die radiale Gleichung
(r 2 f 0 )0 +
2m 2
· r [E − V (r)]f − λ · f = 0
h̄2
mit den Randbedingungen f (0) endlich, f (r) quadarisch integrierbar, anderseits das Kugelproblem
ΛY + λY = 0
mit der Randbedingung, dass Y (ϕ, ϑ auf der Einheitskugel eindeutig ist. Die
Lösung des EW-Problems auf der Kugel ist bekannt aus der mathematischen
Physik:
λ = l · (l + 1), l = 0, 1, 2, 3, .....
Zu jedem l gehören die 2l + 1 Kugelfunktionen Ylm (ϑ, ϕ) (m = l, l − 1, ..., −l):
Yl,m = Θl,m (2π)−1/2 · ei·mϕ
und
Θl,m =
v
l+m u
u
Yl,−m = (−1)m · Y ∗ (ϑ, ϕ)
dl+m
(−1)
t (2l + 1)(l − m)! (sin ϑ)m
(1 − cos ϑ2 )l
l
l+m
2 · l!
2(l + m)!
d(cos ϑ)
37
KAPITEL 4. DAS WASSERSTOFFATOM
Die reellen Funktionen Θl,m kann man auch durch die Ableitung der Legendreschen Polynome bekommen.
Pl (cos ϑ) =
Θl,m =
1
dl
[(cos ϑ2 − 1)]l
l! · 2l d(cos ϑ)l
v
u
u
m t (2l + 1)(l − m)!
(−1)
2(l + m)!
sin ϑm
dm
Pl (cos ϑ)
d(cos ϑ)m
Die Kugelfunktionen erfüllen die Normierungs-und Orthogonalitätsrelationen
Z
∗
Yl,m
(ϑ, ϕ)Yl0,m0 (ϑ, ϕ) sin ϑdϑdϕ = δll0 δmm0
Hier folgt die Liste der Kugelfunktionen zu l = 0, 1, 2.
1
Y00 = √
4π
s
Y11 = −
Y10 =
Y1−1
Y22
Y21
Y20
Y2−1
Y22
=
3
sin ϑeiϕ
8π
s
3 iϕ
e
4π
s
3
sin ϑe−iϕ
8π
1
=
4
s
15
sin2 ϑe2iϕ
2π
s
15
sin ϑ cos ϑeiϕ
8π
s
5 3
1
( cos2 ϑ − ϑ
=
4π 2
2
= −
=
s
1
=
4
15
sin ϑ cos ϑe−iϕ
8π
s
15
sin2 ϑe−2iϕ
2π
Bemerkung: im Kapitel 4 werden wir zeigen, dass
−h̄2 · Λ = −h̄2 [
1 ∂
∂
1 ∂2
~ op )2
(sin ϑ ) +
] = (L
sin ϑ ∂ϑ
∂ϑ
sin2 ϑ ∂ϕ2
KAPITEL 4. DAS WASSERSTOFFATOM
38
~ op in Kugelkoordinaten ausgedruckt). D.h. h̄2 l · (l + 1) (l = 0, 1, 2, ... sind
(L
die Eigenwerte des quadrates des Drehimpulsoperators. l nennt man entsprechend Drehimpulsquantenzahl. Wir werden auch zeigen, dass
Lz = −ih̄(x
∂
∂
∂
− y ) = −ih̄
∂y
∂x
∂ϕ
Die Kugelfunktion Yl,m erfüllt die Gleichung
−ih̄
∂
Yl,m = h̄ · mYl,m
∂ϕ
Somit ist h̄ · m ein Eigenwert der z-Komponente des Drehimpulsoperators.
m nennt man magnetische Quantenzahl. Für jede Zahl l hat Lz die mögliche
EW (l, l − 1, ..., −l).
Die gesuchte Eigenfunktionen haben die Gestalt fl (r) · Ylm (ϑ, ϕ), wobei
f (r) die Lösung der radiale EW
2m 2
· r [El − V (r)]fl − l(l + 1) · fl = 0
h̄2
.
sind. Mit dem Ansatz fl (r) = Rrl erhalten wir
(r 2 fl0 )0 +
h̄2 d2 Rl
h̄2 l(l + 1)
+ [V (r) +
]Rl (r) = El · Rl (r)
−
2m dr 2
2mr 2
zur Bestimmung der Energieeigenwerte El des Systems. Für r = 0 muss die
radiale Funktion R(r)/r endlich sein, daher muss R(r) bei Null verschwinden.
Jeder stationäre Zustand mit der radialen W-Funktion Rl (r) wird (2l + 1)fach entartet sein, weil es (2l + 1) m-Werte gibt. Der einzige Unterschied
steckt in dem winkelabhängigen Teil der Wellenfunktion. Für die Zustände
zu den verschiedenen Werten l = 0, 1, 2, ... ist die Bezeichnung durch kleine lateinische Buchstaben s,p,d,f,.... usw. gebräuchlich. So heissen z.B. die
Zustände mit dem Bahndrehimpuls Null (l = 0) s-Zustände, die Zustände
mit l = 1 p-Zustände. Diese Bahndrehimpulsklassifizierung der Zustände ist
eine direkte Folge der Kugelsymmetrie des Potentials.
Wir befassen uns mit der Bewegung eines Elektrons im Coulomb-Feld mit
der potentiellen Energie V (r) = −Ze2 /(4π0 r). Z = 1 beschreibt das Wasserstoffatom. Z = 2, 3, .. bezeichnet wasserstoffähnliche Ionen He+ , Li++ ,
etc., die ein Elektron enthalten (dabei setzt man voraus, dass der Kern ein
Punktteilchen ist). Damit wird die SG
d2 R
2mE
2mZe2
l(l + 1)
+[ 2 +
]R(r) = 0
2 −
2
dr
r2
h̄
4π0h̄ r
39
KAPITEL 4. DAS WASSERSTOFFATOM
Es ist zweckmässig, in der Gleichung zu dimensionslosen Variablen überzugehen. Dazu führen wir die atomare Längeneinheit – den sog. Bohrschen
Radius–
4π0 h̄2
a=
≈ 0.529 · 10−10 m
me2
und die atomare Energieeinheit (den sog. Hartree)
me4
e2
.
=
2 = 27.21eV = 1Ha
2
4π0 a
(4π0 ) h̄
.
ein. Wir verwenden die dimensionslosen Grössen ρ = r/a und ε = E/Ea und
bringen die radiale SG in die Gestalt
Ea =
[
d2
2Z l(l + 1)
− α2 +
−
]R(ρ) = 0
2
dρ
ρ
ρ2
Die potentielle Energie ist so gewählt, dass sie im Unendlichen gleich Null ist.
Die gebundenen Zustände gehören daher zu negativen Werten der Gesamt.
energie: es ist zweckmässig die positive Grösse α2 = −2 einzuführen. Wir
wollen zuerst die Lösung dieser Gleichung für grosse Werte von ρ untersuchen. Für ρ → ∞ kann man in der Gleichung die letzten beiden Summanden
vernachlässigen. Die asymptotische Lösung (ρ → ∞) muss die Gestalt
R(ρ) → Ae−αρ + Beαρ
haben. Da die Wellenfunktion im Unendlichen nicht gegen unendich streben
darf, ist B = 0. Man kann daher die Lösung der exakten Gleichung in der
Form Rl (ρ) = F (ρ) · e−αρ ansetzen. Die Funktion F (ρ) setzen wir dabei als
Potenzreihe an:
∞
F (ρ) = ργ
X
βν ρν
ν=0
Zur Bestimmung des Verhaltens von F (ρ) für klein ρ setzen wir den Ansatz
für R(ρ) in die Gleichung ein und behalten nur die kleinsten Potenzen von
ρ. Dadurch erhalten wir eine Gleichung zur Bestimmung von γ: γ(γ − 1) =
l(l + 1). Daraus folgt γ = l + 1 oder γ = −l. Da R(ρ) für ρ → 0 gegen Null
streben soll, muss man die Lösung γ = l + 1 verwenden. Die Lösung, die die
Randbedingung für ρ = 0 im Unendlichen erfüllt, hat deshalb die Form
−αρ
Rl (ρ) = e
l+1
·ρ
·
∞
X
βν ρν
ν=0
Einsetzen in die DG ergibt eine Summe von Potenzen von ρ. Der Koeffizient
jeder Potenz muss verschwinden. Daraus ergibt sich die Rekursionsformel
βν+1 = βν
2[α(ν + l + 1) − Z]
(ν + l + 2)(ν + l + 1) − l(l + 1)
KAPITEL 4. DAS WASSERSTOFFATOM
40
Für grosse ν gilt die Rekursionsformel ββν+1
→ 2α/ν. Eine solche Rekursiν
2αρ
onsformel gilt für die Funktion e : wenn wir die Reihenentwicklung nicht
auf endlich viele Glieder beschränken, dann erhalten wir eine für ρ → ∞ exponentiell wachsende, nicht normierbare Funktionen. Die Forderung, dass
die Potenzreihe bei dem Glied ν = nr abbrechen soll besagt, dass α(nr + l +
Z
,
1) − Z = 0. Wir können diese Forderung nur dann erfüllen, falls α = nr +l+1
.
Z2
2
oder, anders geschrieben, ε = −α /2 = 2(nr +l+1)2 . Die Grösse n = nr + l + 1
nennen wir Hauptquantenzahl, da sie die Energie der stationären Zustände
bestimmt:
me4 Z 2
En = −
2(4π0 )2h̄2 · n2
E1 , für das Wassestoffatom, beträgt −13.6 eV, d.h. ein Rydberg (= 1/2Ha).
Dessen Abstand von E = 0 ist die Ionisationsenergie, und wurde experimentell sehr gut bestätigt. Wegen nr , l = 0, 1, 2, 3... nimmt die Hauptquantenzahl
beginnend von 1 ab alle positiven Zahlen an. Die Energie hängt nur von der
Hauptquantenzahl ab. Die Zustände mit bestimmter Energie und Drehimpuls
bezeichnet man kurz mit nl, wobei man statt l den entsprechenden lateinischen Buchstabe schreibt. Für n = 1 gibt es einen Zustand 1s. Für n = 2
gibt es die beiden Zustände 2s und 2p, von denen der Zweite in der magnetischen Quantenzahl dreifach entartet ist. Für n = 3 gibt es die Zustände 3s,
3p, 3d. Im Allgemeinen gehören zu jedem Energieniveau mit Hauptquantenzahl n auch n Zustände mit den Quantenzahlen l = 0, 1, 2, ...(n − 1). Diese
Entartung ist nur im Coulomb-Potential vorhanden. Jeder Zustand mit bestimmter l ist 2l + 1 entartet in den Werten m = 0, ±1, ±2, ... Der gesamte
Entartungsgrad eines stationären Zustandes mit der Quantenzahl n ist daher
Pn−1
2
l=0 (2l + 1) = n . Einige Wellenfunktionen sind hier gegeben.
ψ(r, ϑ, ϕ)1s =
2
3/2
a0
− ar
·e
0
· Y00 (ϑ, ϕ)
2
r
− 2ar
0 · (1 −
·
e
) · Y00 (ϑ, ϕ)
3/2
(2a0 )
2a0
2
r
− 2ar
0 · (
·
e
= √
) · Y1m (ϑ, ϕ)(m = 1, 0, −1)
3/2
2a0
3(2a0 )
2r
2
2 r2
− 3ar
0 · (1 −
=
·
e
+
) · Y00 (ϑ, ϕ)
(3a0 )3/2
3a0 3 (3a0 )2
ψ(r, ϑ, ϕ)2s =
ψ(r, ϑ, ϕ)2p
ψ(r, ϑ, ϕ)3s
Bemerkung. Für die Frequenz der elektromagnetischen Strahlung, die beim
Übergang des Elektrons aus einem angeregten Zustand (Hauptquantenzahl
n) in einen anderen (Hauptquantezahl m) emittiert bzw. absorbiert wird,
m|
folgt die bekannte Balmer Formel ωn→m = |En −E
= R | n−2 − m−2 |,
h̄
KAPITEL 4. DAS WASSERSTOFFATOM
41
Abbildung 4.1: Graph von f (r) für 1s,2s,2p,3s,3p,3d, Zustände (links) und
Thermschema des Wasserstoffatoms (rechts).
4
mit der Rydberg Konstante R = 32πme
2 2 h̄3 . Hält man in diesem Ausdruck n
0
fest und lässt m alle möglichen Werte durchlaufen, so erhält man Serien von
Spektrallinien.
KAPITEL 4. DAS WASSERSTOFFATOM
42
Abbildung 4.2: Eine Veranschaulichung der mit den Kugelfunktionen verknüpften Wdichte besteht in der Darstellung von | √12 Ylm (ϑ, ϕ) ± √12 Yl−m (ϑ, ϕ) |2 in einem Polardiagramm, wodurch besonders die räumliche Richtungsverteilung der W-keitsdichte gut zum
Ausdruck gebracht wird.
Kapitel 5
Der Drehimpulsoperator
5.1
Der Drehimpuls in Kugelkoordinaten
In den vorangegangenen Kapiteln haben wir gesehen, dass sich die stationäre
Zustände des H-Atoms durch diskrete Werte des Drehimpulses und dessen
Projektion auf eine Raumrichtung charakterisieren lassen. Das gilt allgemein
~ 2 wollen wir jetzt explizit herleiten.
falls V (~r) = V (|~r|). Die EW von Lz und L
h
i
~ op = ~rop × p~op = −ih̄ ~r × ∇
~ .
In der Ortsdarstellung gilt L
−ih̄ · 

∂
∂
− z ∂y
y ∂z
~ex ~ey ~ez  ∂
∂ 
x y z = −ih̄  z ∂x − x ∂z

∂
∂
∂ ∂
∂
−
y
x
∂x
∂y
∂z
∂y
∂x
Die Kugelkoordinaten sind durch die Gleichungen
x = r sin ϑ cos ϕ y = r sin ϑ sin ϕ
z=
r cos ϑ
definiert. Die inverse Transformation lautet:
r=
q
x2 + y 2 + z 2
cos ϑ = √
x2
z
+ y2 + z2
tan ϕ =
Wir betrachten als Beispiel
Lz =
n
∂
∂
−ih̄ · [x ∂y
− y ∂x
]
= −ih̄ r sin ϑ cos ϕ
−r sin ϑ sin ϕ
h
h
∂r ∂
∂y ∂r
∂r ∂
∂x ∂r
43
+
+
∂ϑ ∂
∂y ∂ϑ
∂ϑ ∂
∂x ∂ϑ
+
+
∂ϕ ∂
∂y ∂ϕ
∂ϕ ∂
∂x ∂ϕ
i
io
y
x
44
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
Um die Transformation durchzuführen brauchen wir folgende Tabelle:
∂r/∂z = cos ϑ
∂r/∂y = sin ϑ sin ϕ
∂r/∂x = sin ϑ cos ϕ
∂ϑ/∂z = − sin ϑ/r ∂ϑ/∂y = cos ϑ sin ϕ/r ∂ϑ/∂x = cos ϑ cos ϕ/r
∂ϕ/∂z = 0 ∂ϕ/∂y = cos ϕ/(r sin ϑ) ∂ϕ/∂x = − sin ϕ/(r sin ϑ)
Wir leiten
∂ϕ
∂y
≡ ∂y ϕ als Beispiel explizit ab:
∂y ϕ = ∂y tan ϕ
1
∂ϕ tan ϕ
1
cos2 ϕ
x
1
=
· cos2 ϕ
r sin ϑ sin ϕ
1 cos ϕ
=
r sin ϑ
=
∂
Somit lässt sich Lz in Kugelkoordinaten als −ih̄ ∂ϕ
darstellen. Die andere
~ lassen sich mit der gleichen Methode gewinnen:
Komponente von L
∂
∂
Lx = ih̄· sin ϕ
+ cos ϑ cos ϕ
∂ϑ
∂ϕ
!
∂
∂
Ly = −ih̄· cos ϕ
− cos ϑ sin ϕ
∂ϑ
∂ϕ
!
Aus dem Ausdruck in Kugelkoordinaten lassen sich die folgende Gleichungen
sofort beweisen:
∂
−ih̄ Y`m (ϑϕ) = h̄mY`m (ϑ, ϕ)
∂ϕ
~2
2
L = −h̄
"
#
1 ∂
∂
1 ∂2
Y m (ϑ, ϕ
(sin ϑ
+
sin ϑ ∂ϑ
∂ϑ sin ϑ ∂ϑ2 `
= h̄2 `(` + 1)Y`m (ϑ, ϕ)
Bedeutung der Kugelfunktionen
Wir ordnen zu jeder Richtung (ϑ, ϕ) (Raumpunkt ~x) einen Basiszustand
uϑ,ϕ (u~x ) zu: uϑ,ϕ (u~x ) stellt ein Zustand dar, in welchem sich das Teilchen
genau entlang der durch (ϑ, ϕ) vorgegebenen Richtung (an dem durch ~x
vorgegeben Punkt) befindet. Wir wollen zeigen, dass uϑ,ϕ Basiszustände sind,
d.h. (uϑ,ϕ , uϑ0,ϕ0 ) berechnen. Aus dem Superpositionsprinzip
u=
Z
(uϑ0 ,ϕ0 , u) uϑ0 ,ϕ0 dΩ0
45
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
folgt
(uϑ,ϕ , u) = u(ϑ, ϕ) =
=
Z
Z
(uϑ0 ,ϕ0 , u) (uϑ,ϕ , uϑ0 ,ϕ0 ) dΩ0
u(ϑ0 , ϕ0) (uϑ,ϕ , uϑ0 ,ϕ0 ) dΩ0
Daraus muss
δ(ϑ − ϑ0 )δ(ϕ − ϕ0 )
sin ϑ
Wir erinnern daran, dass die entprechende Gleichung für u~x lautet:
(uϑ,ϕ , uϑ0 ϕ0 ) =
(u~x , u~x0 ) = δ(~x − ~x0 )
(uϑ,ϕ ) und (u~x ) sind uneigentliche Basiszustände: u~x lokalisiert ein Teilchen
bei (~x) und (uϑ,ϕ ) lokalisiert ein Teilchen entlang (ϑ, ϕ) Wir vorbereiten ein
Teilchen im Zustand ul,m, d.h. wir geben dem Teilchen wohldefinierten Drehimpulsqunatenzahlen l und m. Dann ist die W-amplitude, dass sich ein
solches Teilchen entlang (ϑ, ϕ) befindet
(uϑ,ϕ , u`,m ) = Y`m (ϑ, ϕ)
Somit ist |Y`m (ϑ, ϕ)|2 dΩ die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen innnerhlab des
Raumwinkels dΩ(ϑ, ϕ) zu finden (Born).
5.2
Matrixdarstellung des Drehimpulsoperators
Nach unsere Regel lassen sich alle Operatoren als Matrizen darstellen. Das
~ Sei [ui ] ein VONS. Dann
gilt auch für L.
[Lx,y,z ]ij = (ui , Lx,y,z uj ) ⇒
[Lx,y,z ] =









(u1 , Lx,y,z u1 ) (u1, Lx,y,z u2 ) (u1 , Lx,y,z u3 ) ....

..

.
(u2 , Lx,y,z u1 ) (u2, Lx,y,z u2 )


..
..


.
(u3 , Lx,y,z u1 )
.
.. 
..
..
..
.
.
.
.
i ist diskret aber kann ∞ sein. Wir wählen als Beispiel die Basiszustände
(ui = u`,m ) und konstuieren, als Einführung, die Matrixdarstellungen von Lz
46
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
~ 2 . Dazu gehöhrt die Berechnung der Matrix-Elemente (u`0,m0 , Lz u`,m),
und
L
~ 2 u`,m . Zur Berechnung dieser Matrixelemente, schreiben wir
u`0 ,m0 , L
u
=
`0 ,m0
u`,m =
Z
Z
dΩ0 (uϑ0 ,ϕ0 , u`0 ,m0 ) uϑ0 ,ϕ0
dΩ (uϑ,ϕ , u`,m ) uϑ,ϕ
~ 2)
Einsetzen ergibt (als Übung: die Matrixelemente von L
(u`0 ,m0 , Lz u`,m ) =
=
Z
Z
∗
dΩdΩ0 (uϑ0,ϕ , u`0 ,m0 ) (uϑ0 ,ϕ0 , Lz uϑ,ϕ ) (uϑ,ϕ , u`,m )
|
dΩY
m0 ∗
`0
0
{z
∗ (ϑ0 ,ϕ0 )
Y`m
0
"
}
∂
(ϑ, ϕ) −ih̄ Y`m (ϑ, ϕ)
∂ϕ
#
= mh̄δ`,ell0 δm,m0
wegen
(u
Analog:
Somit
ϑ0 ,ϕ0
δ(ϕ − ϕ0 )δ(ϑ − ϑ0 ) ∂
, Lz uϑ,ϕ ) = −ih̄
sin ϑ
∂ϕ
~ 2 ϕ`,m = h̄2 `(` + 1)δm,m0 δ`,`0
u`0,m0 , L

Lz
=
h̄





















0
1 0 0
0 0 0
0 0 1̄
2
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
1̄
0
0
0
0
0
2̄
..
.




















|
{z
Y`m (ϑ,ϕ)
}
47
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR

L2z
=
h̄2

0




















2 0 0
0 2 0
0 0 2
6
0
0
0
0
0
6
0
0
0
0
0
6
0
0
0
0
0
6
0
0
0
0
0
6
..
.




















Diese Matrizen bestehen aus Blöcke. Ausserhalb der Blöcke sind die Matrixelemente alle Null. Jedem Block kann eine Quantenzahl l zugeordnet werden.
Die Blöcke sind (2l + 1) × (2l + 1)-dimensional. Da sowohl Lx als auch Ly
~ 2 kommutieren, erwarten wir, dass auch sie aus Blöcken bestehen. Darmit L
aus kann man folgende Definition ”postulieren”: Die zu einem bestimmten
S (S sei zuerst ein Integer!!) gehörenden 2S + 1-Basiszustände stellen den
Hilbertraum für ein Teilchen mit Drehimpuls (Spin) S dar. Diese Räume
~ 2.
tragen eine 2S + 1-dimensionalen Matrixdarstellungen von Sx , Sy , Sz und S
Man spricht von einem Spin-S Teilchen. Die zu S gehörende Blockmatrizen
wurden zum Beispiel bei Condon und Shortley berechnet:
Sz
us,m =
m, sonst 0
h̄
q
Sx
us,m , us,m = 1/2 (S ∓ m)(S ± m + 1)
h̄
q
Sy
us,m+1, us,m = ∓ 2i (S ∓ m)(S ± m + 1)
h̄
us,m ,
1
1
0
1
Als Illustration wollen
wir zum Beispiel
q
q (Y1 , Lx Y1 ) und (Y
q1 , Lx Y1 ) berech3
3
3
nen, mit Y11 = − 8π
sin ϑeiϕ , Y10 = 4π
cos ϑ und Y1−1 = 8π
sin ϑe−iϕ .
cos ϑ
∂ 1
∂
Y1 ) +i (Y11
cos ϕ Y11 ) = 0
sin ϑ
∂ϕ
{z ∂ϑ
}
(Y11 , Lx Y11 ) = i (Y11 , sin ϕ
|
Y10 , Lx Y11
=0
!
|
{z
}
=0
∂
∂
= i Y10 , sin ϕ Y11 +i Y10 , cot ϑ cos ϕ Y11
∂ϑ
∂ϕ
= i
|
!
{z
}
−i
−i
√ +i √
2 2
2 2
!
|
1
=√
2
{z
!
}
48
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
Somit sind die Matrizen Lx und Ly zu l = 1:


[Lx ] = 

5.3
0
√1
2
0
√1
2
0
√1
2
0
√1
2
0





0

√1
[Ly ] = 
 i 2
0

−i √12
0

0
−i √12 

i √12
0
Stern-Gerlach Experiment
Im Jahr 1921 gelang Stern und Gerlach der direkte Nachweis der Drehimpulsquantisierung. Am Eingang der Stern-Gerlach Apparatur steht ein Ag-Ofen.
Abbildung 5.1: Apparatur nach Stern und Gerlach (links) und gemessene
Intensität beim Stern-Gerlach Versuch (rechst).
Wird der Ofen geheizt, so verdampfen Ag-Atome. Die Elektronenkonfiguration von Ag-Atomen ist 4d10 5s1 , d.h. die d-Schale ist vollständig und die
5s-Schale enthält nur ein Elektron. Das Elektron sei im (zuerst umbekannten) Spinzustand S. Der Strahl wird in einem Gebiet eingeführt, in welchem
~ – vorwiegend in z-Richtung –
ein starker Magnetfeldgradient herrscht: B
ist stark inhomogen entlang der z-Achse. Eine solche Inhomogenität erreicht
man, indem man die Polschuhe nicht eben gestaltet, sondern als scharfe Kante. Das mit dem Spin S verbundene magnetische Moment kann nur Werte von
µz = gµB Sz annehmen (g ist für ein Elektron genau 2, siehe Dirac Gleichung;
~ = B(z),
~
µB ist das Bohrsche Magneton). Da B
erfährt das magnetische Mo~ µ · B)
~ = (~µ · ∇)
~ B,
~ in unserem Fall Fz = µz dBz .
ment eine Kraft F~ = ∇(~
dz
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
49
Diese Kraft ist je nach Spinsorte Sz positiv oder negativ: wegen der Quantisierung des Elektronenspins, produziert eine solche Kraft eine räumliche
Trennung der Spinsorten, je nach Sz -Wert. Der Atomstrahl spaltet sich in
Teilstrahlen auf. Klassisch wäre jede Einstellung möglich, sodass man nur ein
breites Maximum erwartet. Stern und Gerlach beobachteten 2 Teilstrahlen.
Das bedeutet:
1. Der Elektronenspin ist quantisiert, d.h. kann nur diskrete Werte annehmen.
2. Der Elektronenspin kann genau zwei Werte annehmen, da aus 2S + 1 =
2 folgt S1 /2. Somit haben Elektronen einen Eigenspin mit Sz = ± h̄2 .
Da die d-Schale voll ist, haben auch Ag-Atome Spin 1/2. Das bedeutet,
dass Ag-Atome in zwei Arten existieren: solche mit z-Komponente des
Spins +1/2 und solche mit z-Komponente −1/2.
Diese Spin-Hypothese wurde 1925 von Uhlenbeck und Goudsmit eingeführt.
Sie basiert sowohl auf dem Stern-Gerlach Experiment als auch auf spektroskopische Beobachtungen am Na-Dampf. Der in der Figur eingezeichnete Über-
Abbildung 5.2: Thermschema des Na-Atoms mit Übergänge im sichtbaren
Bereich.
gang ist die bekannte Na-D-Linie (λ ≈ 589 nm), die eine gelbe Färbung der
Flamme hervorruft, wenn man ein wenig Kochsalz hineinstreut. Bei genügend
hoher Auflösung des Spektrometers erkennt man, dass sie aus zwei eng beieinander liegenden Linien – einem sog. Dublett – besteht (Feinstruktur
der Spektrallinien, ein von A. Sommerfeld eingeführte Begriff). Verantwortlich für diese Feinstruktur ist eben der Spin des Elektrons. Die Existenz von
halbzahligen Spins regt die Frage nach der Existenz von S = 1/3, S = 1/5,
usw. Teilchen an. (die Ladung kommt nur in ganzzahligen Vielfachen von
50
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
|e− |, aber 13 |e− | existiert auch!) Die eindeutige Antwort liefert die Gruppentheorie: Wegen der Rotationssymmetrie des Raumes sind nur ganzahlige oder
halbzahlige Spins möglich.
Die Matrizen für Spin-1/2 Teilchen:
Sz
=
h̄
1/2
0
0 −1/2
!
Sx
=
h̄
0 1/2
1/2 0
σx =
0 1
1 0
~ = 1/2h̄ · ~σ
Man schreibt: S
1 0
0 −1
σz =
!
!
!
Sy
=
h̄
σy =
0 − 2i
i
0
2
0 −1
1 0
!
!
~σ : Paulimatrizen Die Sz -Eigenzustände
u1/2,1/2 , u1/2,−1/2
Bilden die Basiszustände im Hilbertraum zu Spin 1/2 Teilchen. Es gibt leider
keine Ortsdarstellung, nur eine Darstellung als Vektoren in C 2 :
u1/2,1/2 →
1
0
!
u1/2,1̄/2 →
0
1
!
Ein allgemeiner Zustand eines Spin 1/2-Teilchens ist:
c1/2 (~r, t)
1
0
!
0
1
+ c1̄/2
!
=
c1/2 (~r, t)
c1̄/2 (~r, t)
!
.
=
c(~r, t, 1/2)
c(~r, t, 1̄/2)
!
Basiszustände zu Spin S-Teilchen heissen Spinoren. Gegenüber Spin-0
skalaren Wellenfunktionen enthält ein Spinor eine Zustandsvariable m, welche diskrete Werte annimt. Ein Zustand wird durch Angabe einer Amplitude
c spezifiziert; c wird für t, ~r und m angegeben: c(~r, t, m). Für ein Spin STeilchen müssen 2S+1 solche Amplituden angeben:






c(~r, t, s)
c(~r, t, s − 1)
..
.
c(~r, t, s̄)






Nach Born ist |c(~r, t, m)|2 dV die Wahrscheinlichkeit, eines Teilchens zur Zeit
t am Ort ~r zu finden, und mit Sz = m. Es muss:
Z
S
X
m=−S
dV |c(~r, t, m)|2 = 1
(Normierungsbedingung für Spinoren).
51
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
5.4
Anwendungen
5.4.1
Spin-1/2-Teilchen in einem uniformen Magnetfeld: Zeeman-Aufspaltung
Die Schrödingergleichung für skalare (⇔ Spin-0 Teilchen) ist
ih̄
p~2
∂ψ
=
ψ + V (~r)ψ
∂t
2m
Von Pauli stammt die Erweiterung der BG für Spinoren in einem Magnetfeld
(Pauli Gleichung, als nicht-relativistischen Grenzfall der Dirac-Gleichung):
ih̄
~ 2
(~p − eA)
∂ψ
~ ψ
=
ψ + V (~r)ψ − ~µs · B
∂t
2m
~ |e|h̄
g|e|h̄ S
J
= µB = 9.274 · 10−23
2m h̄ 2m
T
g ist der gyromagnetischer Faktor: in einem ”klassichen” Modell ist g = 1,
nach Dirac g = 2 (für Elektronen), mit QED-Korrekturen g = 2.0023. Ein
allegmeinen Ansatz zur Lösung der Pauli-Gleichung eines Spin-1/2 Teilchen
in einem Magnetfeld ist
~µs =
ψ(~r, t) =
=
ψ(~r, t, 1/2)
ψ(~r, t, 1̄/2)
X
n,`,m
"
!
ψn,l,m (~r, t) ·
1
0
(t)
Cn,`,m,1/2
!
+ ψn,`,m (~r, t) ·
(t)
Cn,`,m,1̄/2
0
1
!#
Wir wollen die stationäre Zustände der Pauli-Gleichung für ein 1s-Zustand
des H-Atoms finden, und zwar die Eigenwerte eines 1s-Elektrons im Magnetfeld (0, 0, B). Wir suchen die Eigenfunktionen im Unterraum aufgespannt
durch die Spinoren
− h̄i E0,0,0 t
e
ψ0,0,0 (~r)
C1/2 (t)
0
!
− h̄i E0,0,0 t
e
ψ0,0,0 (~r)
0
C1̄/2 (t)
!
Diese Einschränkung auf einem Unterraum ist rechnerisch sehr nützlich und
physikalisch sinnvoll. In einem Magnetfeld von einem Tesla erwarten wir
eine Korrektur der B = 0 Eigenwerte um ≈ µB · 1T ≈ 10−4 eV. Das ist
viel kleiner als der Abstand zwischen den Energie-Niveaus des H-Atoms.
Somit ist das Magnetfeld eine sehr kleine Störung der B = 0 Eigenwerte.
Will man die Korrektur des Eigenwertes En,l,m berechnen, darf mann alle
52
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
Spinoren zu anderen QZ vernachlässigen: Das Konzept der kleinen Störung
für die Konkrete Lösung eines Eigenwertproblems bedeutet konkret, dass
weitliegenden Niveaus nicht berücksichtigt werden müssen. Einsetzen ergibt:
~ 2 i
(~p − eA)
H(~r, ~s)ψ =
e− h̄ E0 t ψ000 (~r)
2m
|
{z
|
~s ~
= µB
µB · B
h̄
!
1/2
0
0 −1/2
− h̄i E0 t
+ V (~r)e
− h̄i E0 t
e
{z
!
C1/2
C1̄/2
ψ000 (~r)
{z
!
}
V (~r) =
V ((~r)
0
0
V (~r)
!
0 − 2i
i
0
2
Bx + µB
!
}
(II)
(III)
0 1/2
1/2 0
C1/2
C1̄/2
ψ000 (~r)
|
}
(I)
+BgµB
wegen
!
C1/2
C1̄/2
!
By + µB
1 0
0 1
= V (~r)
!
Bz
C1/2
C1̄/2
!
1/2
0
0 −1/2
!
~ ≈ 0 (A
~ ist eine kleine Störung)
I+II für A


~ 2
(~p − eA)
i

+ V (~r) e− 2 E0 t ψ000
2m
!
C1/2
C1̄/2
i
∼
= E0 e− 2 E0 t ψ000
C1/2
C1̄/2
!
I+II+III:
− h̄i E0 t
E0 · e
ψ000 (~r)
C1/2
C1̄/2
!
+ gµB B
1/2
0
0 −1/2
!
− h̄i E0 t
e
ψ000 (~r)
Linke Seite:

ih̄ 
∂(ψ000 (~
r ,t)C1/2 )
∂t
∂(ψ000 (~
r ,t)C1̄/2 )
∂t

ψ000 (~r)
Ċ1/2
Ċ1̄/2
i
i
 = ih̄ψ000 (~
r) − E0 e− h̄ E0 t
h̄
− h̄i E0 t
+ e
!
Setzen von ”Linke Seite = I+II+III” ergibt
ih̄
Ċ1/2
Ċ1̄/2
!
=
gµB B
2
0
0
− gµ2B B
!
C1/2
C1̄/2
!
C1/2
C1̄/2
!
53
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
Es bleibt eine Differentialgleichung für die unbekannte Koeffizienten C±1/2 .
Wir suchen stationäre Zustände mit dem Ansatz
i
Cm = e− h̄ εt · am
Einsetzen ergibt
(
εa1/2 = gµ2B B a1/2
εa1̄/2 = − gµ2B B a1̄/2
ein lineares homogenes Gleichungssystem für die Koeffizienten a1/2 , a1̄/2
ε−
gµB B
2
0
0
ε+
{z
|
gµB B
2
!
a1/2
a1̄/2
!
=0
}
Damit eine Lösung existiert, muss die Determinante gleich Null sein:
(ε −
gµB B
gµB B
)(ε +
)=0
2
2
Die Lösung der Determinantengleichung gibt die mögliche Eigenwerte eines
~
Spin-1/2 im Feld B:
gµB B
ε± = ±
2
Der Niveau E000 des H-Atoms wird, in einem uniformen Magnetfeld, um ε±
verändert. Aus einem Energieniveau entstehen durch die Störung zwei. Die
urspruengliche zweifache Entartung von E0,0,0 – [ψ0 C1/2 , ψ0 C1̄/2 ] – wird aufgehoben. Die neue Energieniveaus E± = E0 +ε± besitzen die Eigenfunktionen
ψ0 (~r)u1/2 und ψ0 (~r)u1̄/2 . Die Zeeman aufspaltung beträgt:
E+ − E− = 2gµB B · 1/2 = gµB B = 2µB B
5.4.2
Magnetische Resonanz (I. Rabi, Phys. Rev. 51,
652 (1937), Nobel Preis 1944)
~ 0 o.E.d.A. entlang
In Rabi’s MR Experiment wird ein grosses statisches Feld B
z angelegt. Dieses Feld produziert eine Zeeman Aufspaltung für die Zustände
eines Teilchens mit Spin 1/2. Darüberhinaus wird noch ein kleines, mit der
~ 0:
Frequenz ω oszillierende Magnetfeld angelegt, und zwar senkrecht zu B
~ 1 = B1 · cos ωt, B1 · sin ωt, 0. Die Pauli-Gleichung lautet:
B
ih̄
∂ψ
~ = 2µB~s = µB ~s · B
~ ψ
= −~µ · Bψ
∂t
= µB (σz · B0 ψ + σx B1x + σy B1y ) ψ
54
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
= µB
1 0
0 1̄
!
B0 ψ
+ µB
0 1
1 0
!
B1 cos ωtψ
+ µB
0 ī
i 0
!
B1 sin ωtψ
µB B0
µB B1 e−iωt
µB B1 eiωt −µB B0
=
Mit ψ = C+
1
0
!
Ċ+
Ċ−
ih̄
!
ψ
!
0
1
+ C−
!
µB B1 e−ωt
B0 µb
µB B1 eiωt −B0 µB
=
!
C+
C−
!
Es handelt sich um durch die nicht-diagonalen Elementen gekoppelten Differentialgleichungen 1. Ordnung, linear, mit nicht konstanten Koeffizienten.
Mit B0h̄µB = ω0 und B1h̄µB = ω1 wir erhalten
!
Ċ1
Ċ−
i
!
1
0
Falls ω1 = 0 sind
!
=
,
1
0
Elektron im Zustand
ω0
ω1 e−iωt
iωt
ω1 e
−ω0
!
0
1
!
!
C+
C−
!
die Eigenzustände. Falls ω1 6= 0 wird ein
möglicherweise, mit der Zeit, in den Zustand
0
übergehen. Ansatz zur Gewinnung der allgemeine Lösung des DG1
Systems:
!
!
C+
e−iω0 t F (t)
=
C−
eiω0 t G(t)
Einsetzen:
i −iω0 e−iωt F (t) + e−ω0 t Ḟ (t)
i iω0 eiω0 t G(t) + eiωt Ġ
(
= ωF (t)e−iωt + ω1 e−it G(t)eiωt
= ω1 e−iωt F (t)e−iω0 t − ω0 Geiω0 t
iḞ (t)e−ω0 t = ω1 e−iωt G(t)eiω0 t |eiω0 t
iĠ(t)eiω0 t = ω1 e−iωt F (t)e−iωt |e−iω0 t
i
Ḟ
Ġ
!
= ω1
Gei(zω0 −ω)t
F e−i(zω0 −ω)t
!
55
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
Wir definieren eine charakteristische Frequenz 2ω0 =
morfrequenz
!
!
Ḟ
Gei(ωL −ω)t
i
= ω1
F e−i(ωL −ω)t
Ġ
∆
h̄
.
= ωL , die sog. Lar-
Entkopplung durch Zeitableitung
iF̈ = ω1 Gi(ωL − ω)ei(ωL −ω) + ω1 Ġei(ωl −ω)t |·i
⇒ −F̈ = ω1 (ωL − ω)Gei(ωL −ω)t + ω12F
⇒ −F̈ = −i(ωL − ω)Ḟ + ω12 F
⇒ F̈ − i(ωL − ω)Ḟ + ω12 F = 0
F = eip ⇒
−p2 + p(ωL − u) + ω12 = 0
p∓ =
(ωL − ω) ∓
q
q
(ωL − ω)2 + 4ω02
2
(ωL − ω)2 + 4ω02 = Ω
F = aei(
ωL −ω−Ω
)t
2
+ bei(
ωL −ω+Ω
)t
2
a, b: Integrationskonstanten, werden durch die Anfangsbedingungen bestimmt.
G(t) =
a2ω1
ei(ωL −ω+Ω)t
ωL −ω+Ω
1
+ ωLb2ω
e−i(ωL −ω−Ω)t
−ω−Ω
Die allgemeine Lösung lautet:
C+ (t) = e−iωL /2t aei(
iωL /2t
C− (t) = e
ωL −ω−Ω
)t
2
+ bei(
ωL −ω+Ω)
t
2
ωL −ω+Ω
ωL −ω−Ω)
2ω1
2ω1
a
e−i( 2 )t + b
e−i( 2 t
(ωL − ω + Ω)
ωL − ω + Ω
!
Für die praktische Anwendung dieser allgemeiner Lösung hat Rabi eine
Modifikation des Stern-Gerlach Experimentes benutzt. Wir betrachten einen
”Ofen”, der Atome oder andere Teilchen produziert, welche einen magnetische Moment tragen (Spin 1/2). Der Magnet 1 in der Figur ist so konzipiert,
z
dass ein ∂B
den Atomstrahl in zwei Teile trennt. In jedem Teilstrahl sind nur
∂z
Atome mit bestimmter z-Projektion des magnetischen Momentes vorhanden.
Magnet 1 legt die Anfangsbedingungen fest, die durch Betreten des Magnets
2 angenommen werden. Im Magnet 2 sind ein homogenes Feld B0 und –
56
KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
Abbildung 5.3: Das Rabi MR-Experiment.
senkrecht dazu – ein homogenes oszillierendes Feld B angelegt, das aus den
Eigenzuständen (1, 0) und (0, 1) die durch C+ , C− beschriebenen Zustände
produziert. Im Magnet 2 wird kein Gradient angelegt, so dass die Bahn der
Spins nicht beeinflusst wird. Falls B = 0, werden die Teilchen das Gebiet 2 im
gleichen Eigenzustand passieren wie am Eingang, und im Magnet 3 werden
sich ihre Bahnen am Eingang des Spalts S2 wieder kreuzen: praktisch alle
Atome treffen auf dem hinter S2 gelegten Detektor ein. Falls B 6= 0 werden
sich die Wellenfunktionen in Teil 2 ändern. Wir betrachten, als konkreten
Beispiel, die Anfangsbedingung
t=0
Es folgt:





(
(
C+ = 0
C− = 1
a+b=0
a2ω1
+
ωL −ω+Ω
b=
(ωL −ω)2 −Ω2
4Ωω1
=
a=
Ω2 −(ωL −ω)2
4Ωω1
=
b2ω1
(ωL −ω+Ω)
)
=1
(ωL −ω)2 −(ωL −ω)−4ω12
√
4
(ωL −ω)2 +4ω12 ω1
√ ω1 2 2
(ωL −ω) +4ω1
= √
−ω1
(ωL −ω)2 +4ω12
Somit ergibt sich für Teilchen mit Spinkomponente −1/2 eine endliche Wkeit, dass sie nach Verlassen der Region 2 ihre Spinkomponente umgeklappt
haben.

ω1
(ω −ω−Ω)
t
i L 2
C+ (t) = e−iωL /2t  q
e
(ωL − ω)2 + 4ω12
ω t
−i L
2
=e
t
−i ω
2
=e
(ω −ω)
i L2
t
e
"
(ω −ω+Ω)
t
i L 2
−q
e
(ωL − ω)2 + 4ω12
ω1 i Ω t
ω1 −i Ω t
√ e 2 −√ e2
...
...
ω1
#
ω −2iω1
ω1
Ω
Ω
Ω
−i sin t − i sin t = e−i 2 t √
sin t
√
...
2
2
...
2


KAPITEL 5. DER DREHIMPULSOPERATOR
57
Diese W-keit ist gegeben durch die Rabi Formel
| C+ | 2 =
4ω12
2 Ω
·
sin
( t)
2
(ωL − ω)2 + 4ω1
2
4ω 2
Die Funktion (ωL −ω)21 +4ω2 ist eine typische Resonanzkurve, zentriert bei
1
der Resonanzfrequenz ωL und mit Breite 4ω1 . Nur bei der Larmorfrequenz
existiert eine relativ hohe W-keit, dass die Spins ihre z-Komponente umklappen. Aber solche Spins, die ihre Komponente umgeklappt haben, werden in
Magnet 3 einer der gestrichelten Trajektorien folgen und fehlen im Detektor. Die Anzahl der im Detektor nachgewiesenen Teilchen als Funktion von
ω hat einen Verlauf wie in der Figur: Bei der Resonanzfrequenz, und nur
Abbildung 5.4: Typische Messkurve in einem MR-Rabi Experiment.
da, wird ein deutliches Resonanzminimum beobachtet. Aus der Messung der
Resonanzfrequenz lässt sich mit grosser Präzision der Wert des magnetischen
Momentes der Teilchen (zum Beispiel Neutronen, Atome) bestimmen.
Kapitel 6
Atome, Moleküle, Festkörper
6.1
Das Mendelejewsche Periodensystem
Für ein System mit Atomzahl Z gibt es Z Elektronen, die von der Anziehungskraft des Kernes zusammengehalten sind. Allerdings führt die CoulombKraft zwischen den Elektronen selbst zur Abstossung: damit entsteht ein
kompliziertes Mehrteilchenproblem, dessen Lösung nur näherungsweise gefunden werden kann. Es existieren viele Näherungsverfahren zur Berechnung
der Wellenfunktionen und der Energiezustände von Atomen des Mendelejewschen Periodensystems der Elemente. Das Hauptergebnis dieser Rechenverfahren ist der Beweis, dass man in Atomen näherungsweise von einzelnen
Elektronen sprechen kann, die sich im Kernfeld und im mittleren Feld
der anderen Elektronen bewegen (Einelektron-Näherung in eng. independent particle model). Auf Grund dieses Resultates kann man die
qualitativen Gesetzmässigkeiten der Atomstruktur durch einfache und elementare Überlegungen untersuchen. Insbesondere gelingt es, die Periodizität
in der Änderung der Eigenschaften der Elemente zu erklären, wenn man diese
nach zunehmenden Ordnungszahlen ordnet.
Das resultierende elektrische Feld (Kern + andere Elektronen) auf ein
Elektron im Atom kennt man nicht, kann man aber als kugelsymmetrisch
ansehen. Der Zustand eines Elektrons in einem solchen Feld wird durch die
vier Quantenzahlen n (Hauptquantenzahl), l (Nebenquantenzahl), m (magnetische Quantenzahl) und ms (Spinquantenzahl) bestimmt. Die normalerweise beobachtete Folge der Energiezustände der Elektronen in Atomen in der
Reihenfolge zunehmender Energie ist in der Figur angegeben. Alle Zustände
entlang der gestrichelten Geraden stammen aus der Zeile zur Hauptquantenzahl n im Thermschema des H-Atoms. Im Thermschema des H-Atoms haben
alle Energieniveaus mit Hauptquantenzahl n genau die gleiche Energie. Zum
58
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
59
Abbildung 6.1: Schematisches Thermschema eines Elektrons in einem Atom.
Beispiel haben im Wasserstoffatom die Zustände 3s, 3p und 3d die gleiche
Energie. In komplizierten Atomen sind die Energien dieser Zustände verschieden, wie man aus der Figur entnimmt. Diese Energiedifferenz kann auf
Grund einfacher qualitativer Überlegungen verstanden werden, wenn man die
Wirkung des Feldes der anderen Elektronen auf das betreffende Elektron beachtet. Um diesen Effekt zu berücksichtigen, kann man in erster Näherung die
Wellenfunktionen wasserstoffähnlicher Atome verwenden. Der Radialteil der
Wellenfunktion für Zustände mit einem bestimmten Bahndrehimpuls (Quantenzahl l) verschwindet für r → 0 wie r l . Die Elektronen in s-Zuständen
können daher näher an den Kern herankommen als die Elektronen mit höheren Zahlen l. Daher wirkt die volle Anziehung des Kerns auf die Elektronen
in s-Zuständen stärker als auf die Elektronen in p, d- und f -Zuständen. Im
Zusammenhang damit ist, zum Beispiel, die Energie des 4s-Zustandes klei-
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
60
ner als die Energie des 3d-Zustandes, (siehe Figur). Besonders wirkt sich die
Abschirmung in den f-Zuständen aus; z.B. liegt das 4f -Niveau höher als das
6s-Niveau. In komplizierten Atomen hängt deswegen die Energie nicht nur
von n ab, sondern auch von l. Die Zustände mit gleichen n, l Quantenzahlen
bilden eine Schale.
Nachdem wir die Energieniveaus eines Atoms abgeschätzt haben, müssen wir
angeben, wie wir diese Niveaus mit Elektronen besetzen. Im Grundzustand
der Atome besetzen die Elektronen nach dem Pauli-Prinzip die niedrigsten
Energiezustände, und zwar dürfen nur Elektronen mit unterschiedlicher Spinquantenzahl dieselben Quantenzahlen n, l, m haben. In
jedem s-Zustand können nicht mehr als zwei Elektronen sein, in jedem pZustand nicht mehr als 6, in einem d-Zustand nicht mehr als 10, in einem
f -Zustand nicht mehr als 14. Dieses ”Baukasten-Füllungsprinzip” nennt man
Schalenmodell des Atoms. Im Heliumatom (He2 ) füllen die beiden Elektronen die erste Schale (1s)2 . Im Neonatom (Ne10 ) sind drei Schalen ganz
besetzt – Konfiguration (1s)2 (2s)2 (2p)6 . Beim Argonatom (Ar18 ) sind 5 Schalen gefüllt, beim Kryptonatom (Kr36 ) 8. Die aufgezählten Atome mit abgeschlossenen Elektronenschalen haben den resultierenden Bahndrehimpuls
und den Gesamtspin Null. Diese Atome sind sehr stabil, nur schwer gehen
sie chemische Verbindungen mit anderen Atomen ein, und untereinander haben sie eine geringe Wechselwirkung (Edelgase). In jeder neu begonnenen
Schale wird zuerst ein Elektron in einem s-Zustand eingebaut (sog. Leuchtelektron). Alle Atome mit einem Elektron ausserhalb abgeschlossener Schalen
haben ähnliche chemische Eigenschaften und gehören zu den Alkalimetallen:
Li3 , Na11 , K19 , Rb37 , Cs55 , F r87 . In der Figur sind die Elektronenkonfigurationen der ersten 36 Elemente des Periodensystems zusammengestellt. Da
die 3d-Schale eine niedrigere Energie hat als die 4p Schale, wird sie zuerst
gefüllt. Das gleiche beobachtet man für die 4d und 5d Schale. Die d Elemente
in einer Spalte haben alle ähnliche äussere Elektronenkonfigurationen (bis auf
wenige Ausnahmen), und können daher chemisch als äquivalent betrachtet
werden. Die 4f -Schale liegt energetisch tiefer als die 5d-Schale und wird entsprechend vorher gefüllt. Die 4f-Zustände werden nach dem Element Lanthan
(La5 7) aufgefüllt, bei dem 54 Elektronen innerhalb vollgefüllter Schalen untergebracht sind. Der Zustand der drei restlichen Elektronen wird durch die
Konfiguration (5d)1 , (6s)2 bestimmt. Bei den folgenden 14 Elementen, die als
Seltene Erden oder Lanthaniden bezeichnet werden, werden die 4f-Zustände
besetzt. Da die Elektronen der 4f-Zustände in inneren Bereichen des Atoms
untergebracht werden, bleibt die (räumlich gesehen) äussere Schale beim Lanthan und den Seltenen Erden beinahe unverändert (Konfiguration (6s)2 ). Die
chemischen Eigenschaften dieser Elemente sind einander sehr ähnlich, und sie
gehören zu einem Platz im Periodensystem, dem Platz des Lanthans.
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
61
Abbildung 6.2: Elektronekonfiguration der ersten 36 Elemente.
Bei einer anderen Gruppe von Elementen werden die Elektronen in das
Atom eingebaut, indem die 5f-Schale aufgefüllt wird, ohne dabei die Konfiguration der äusseren Elektronen zu ändern. Die Konfiguration der äusseren Elektronen (7s)2 ist für alle diese Elemente gleich und stimmt mit der
Konfiguration von Ac89 überein. Diese Elemente werden daher als Aktinide
bezeichnet und gehören zum Platz des Aktiniums im Periodensystem.
Die Schalenstruktur der Elektronenzustände in den Atomen, die aus den
quantenmechanischen Bewegungsgesetzen der Elektronen folgt, ist in gewisser Weise von dem bedeutenden russischen Chemiker Mendelejew 1868 voraus
geahnt worden, d.h. lange vor der Entstehung der Quantenmechanik. Mendelejew entdeckte eine periodische Gesetzmässigkeit der chemischen Elemente,
die er in der Tabelle des Periodensystems der Elemente in Gruppen und Reihen darstellte. Das Periodensystem der Elemente besteht aus horizontalen
Reihen (der Beginn einer neuen Reihe ist charakterisiert durch einen Übergang zu einer höheren Zahl n) und vertikalen Spalten, in denen untereinander einander ähnliche Elemente angeordnet sind (weil die Konfiguration der
äusseren Schale ähnlich ist). Nicht nur die genaue Berechnung der Energieni-
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
62
veaux des Wasserstoffatoms ist ein grosser Triumph der SG sondern auch die
Erklärung der Mendelejewschen Tabelle der Elemente und des Atomaufbaus.
6.2
Elementare Theorie der chemischen Bindung
Eine der Hauptaufgaben der Quantenchemie ist, die Natur der chemischen
Bindung zwischen den Atomen zu erklären. Die Auswertung reichhaltigen
experimentellen Materials über chemische Bindungen ergab, dass die chemischen Eigenschaften der Atome durch die Konfiguration der äusseren Elektronen bestimmt werden. Alle Edelgasatome (He, Ar, Ne, Kr, ...), die im
Grundzustand keine chemischen Verbindungen mit anderen Atomen eingehen, haben in diesem Zustand voll abgeschlossene Elektronenschalen. Die
äusseren Elektronenschalen entsprechen in diesen Atomen den Elektronenkonfigurationen (ns)2 und (np)6 .
Ein Weg, eine chemische Bindung einzugehen, besteht in der sog. ionischen
Abbildung 6.3: Ionisationsenergie der Elemente
oder heteropolaren Bindung. Ein Elektron (oder mehrere Elektronen) eines Atoms gehen zu einem anderen Atom über, so dass Ionen mit einer
stabilen Elektronenkonfiguration gebildet werden, die der Konfiguration der
Edelgase ähnlich ist. Ein solcher Umbau findet dann statt, wenn bei Bildung
eines solchen Moleküls insgesamt Energie frei wird. Die Atome der Metalle
(zum Beispiel Na), bilden gewöhnlich positive Ionen, indem sie Elektronen
an die Nichtmetalle, zum Beipiel Cl abgeben. Die Wertigkeit eines Atoms
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
63
in einem Molekül mit Ionenbildung ist die Zahl der abgegebenen Elektronen (positive Wertigkeit), oder sie ist die Zahl der von anderen Atomen des
Moleküls erhaltenen Elektronen (negative Wertigkeit).
Stark ausgeprägte Metalle und Nichtmetalle sind aber nur wenige Elemente des Periodensystems. Den grössten Teil der chemischen Bindungen kann
man nicht durch Ionenbindung erklären. Chemische Bindungen sind auch
zwischen gleichen Atomen möglich, das beweisen die stabilen Moleküle H2 ,
O2 , N2 u.a. Die chemische Bindung ohne merkliche Verschiebung der Elektronen von einem zu einem anderen Atom bezeichnet man als homöopolare
oder kovalente Bindung. Das einfachste Beispiel für eine kovalente Bindung
ist die Bindung der Atome im Wasserstoffion H2+ . Wegen der grossen mathematischen Schwierigkeiten bei der Behandlung von Vielelektronenproblemen gibt es gegenwärtig noch keine befriedigende quantitative Theorie der
homöopolaren Bindung komplizierter Moleküle. Die qualitativen Eigenschaften dieser Wechselwirkungen können anhand einfacher Modellvorstellungen
leicht erklärt werden; diese Vorstellungen basieren auf der Ausdehnung der
Theorie des Wasserstoffions auf kompliziertere Moleküle. Wir wollen zuerst
die Bildung von H2+ mathematisch untersuchen.
Das Molekül H2+
H2+ besteht aus zwei Kernen mit der Ladung Z = 1 und einem Elektron. Bei
festen Kernabstand R (sog. Born-Oppenheimer-Näherung ) bewegt sich das
Elektron in dem Feld der beiden Kerne A und B. In dieser Näherung ist der
Hamilton-Operator
h̄2 ~ 2 e2
e2
e2
H=−
∇ −
−
+
2m
rA rB
R
(wobei 4π0 = 1 gesetzt wird). rA und rb sind die Abstände des Elektrons
vom Kern A bzw. B. Wir finden einen Ansatz zur Lösung des Eigenwertproblems (als Funktion des Parameters R) indem wir uns Gedanken machen
über mögliche Basiszustände. Falls R sehr gross ist, erwarten wir mindestens zwei mögliche Basiszustände: ψA und ψB , siehe Figur. ψA (ψB ) stellt
einen Zustand dar, in welchem sich das Elektron in der Nähe des Kerns A (B)
befindet. Für (ψ~r , ψA(B) ) wählen wir die wasserstoffähnliche Wellenfunktion
(πa3 )−1/2 e−rA(B) /a
2
h̄
a = me
2 ist der Bohrsche Radius. Selbstverständlich gibt es unendlich viele andere Basiszustände, die für eine genaue Rechnung berücksichtigt werden müssen. Solche sind zum Beipiel alle angeregten wasserstoffähnlichen
64
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
Zustände. Die dazugehörige SG in Matrixform wird, wenn man die Rechnung so genau durchführen will, unendlich gross und das entsprechende Eigenwertproblem unmöglich zu lösen. Wir versuchen daher, das Eigenwertproblem innerhalb des von den zwei genannten Basiszuständen gespannten
Hilbertraums zu lösen und hoffen, dass die daraus resultierenden Energien nicht allzu falsch sind. Diese Hoffnung beruht auf dem sog. Ritzschen
Variationsverfahren – ein wichtiges Theorem der QM, das erlaubt, mit einer beschränkten Anzahl geeigneter Testfunktionen eine zuverlässige Lösung
des exakten Eigenwertproblems zu finden. Falls die Wahl der Testfunktionen
physikalisch vernünftig ist, sollten die berechneten Energieeigenwerte nicht
allzu falsch sein (der Nachteil dieses Theorems: man hat überhaupt keine
direkte Kontrolle über die Genauigkeit der Lösung). Für die Formulierung
des Eigenwertproblems müssen wir noch auf ein wichtiges Detail achten: eine
physikalische Wahl der Basisfunktionen führt nicht notwendigerweise dazu,
dass die Basisfunktionen auch orthogonal sind. In der Tat gilt
(ψA , ψB ) = (ψB , ψA ) =
Z
1
dV ψA (~r) · ψB (~r) = 3
πa
Z
dV e−(
rA +rB
a
)
≡S
S ist das sog. Überlappungsintegral der Wellenfunktionen. Die Be-
Abbildung 6.4: Basiszustände für die Berechnug der Eigenwerte der H2+ Molekül.
rechnung dieses Integrals erfolgt in elliptischen Koordinaten. Daraus ergibt
sich das EW Problem
HAA − E(R)
HAB − E(R) · S
HBA − E(R) · S
HBB − E(R)
!
CA
CB
!
=0
CA und CB sind die Koeffizienten der Linearkombination von Basiszuständen,
die Eigenfunktionen produziert. Die Matrixelemente lauten
2
HAA = E1s + e /R −
Z
dV ψA2
e2
rB
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
2
HBB = E1s + e /R −
dV
ψB2
e2
rA
1
e2
+ E1s · S + · S
rA
R
Z
2
e
1
= −e2 dV ψB ψA
+ E1s · S + · S
rB
R
HAB = −e2
HBA
Z
65
Z
dV ψA ψB
Aus Symmetriegründen ist HAA = HBB und HAB = HBA . Die Matrixelemente wurden mit der Berücksichtigung der Tatsache gebildet, dass
[−
R
h̄2 ~
e2
∇ − ]ψA = E1s ψA
2m
rA
2
− dV ψA2 reB ≡ −VAA ist der Mittelwert der Coulomb Wechselwirkung des
Atomkerns B mit dem Elektron mit der Elektronendichte −eψA (~r)2 . Das
R
Integral −e2 dV ψA ψB r1A bezeichen wir als −VAB und gibt die Amplitude,
dass das Elektron mit Zustand ψB unter der Wirkung des Hamiltonoperators
in der Nähe von A zu finden ist. Alle Integrale können analytisch berechnet
werden. Das aus dem EW-Problem resultierende homogene Gleichungssy2
stem lautet (ξ ≡ E(R) − E1s − eR )
(VAA + ξ)CA + (VAB + ξ · S)CB = 0
(VAB + ξ · S)CA + (VAA + ξ)CB = 0
Gleichsetzen der Determinante zu 0 (sog. Determinantengleichung) liefert die
Eigenwerte
VAA + VAB
1+S
VAA − VAB
ξa = −
1−S
ξb = −
, CA = CB = (2(1 + S))−1/2
, CA = −CB = (2(1 − S))−1/2
Die Eigenzustände sind durch Linearkombination atomarer Orbitale enstanden (LCAO- Methode,”Linear Combination of Atomic Orbitals”) – eine wichtige Methode der Quantenchemie. Wegen VAB > 0 gehört die niedrigere
Energie des Sytems zu dem Zustand mit CA = CB . In diesem Zustand ist
die Aufenthalts-w-keit des Elektrons zwischen den Kernen lokalisiert. Mit
anderen Worten: im Eigenzustand ψb teilen sich die beiden Protonen das
gleiche Elektron. Der Buchstabe b in ψb bedeutet ”bindend”, der Buchstabe
a entsprechend ”antibindend”. Die zu ξa und ξb gehörenden Energien sind
als Funktion von R in der Figur dargestellt. Danach durchläuft die Energie
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
66
Abbildung 6.5: Schematische Darstellung der bindenden und antibindenden
Orbitale (links) und Thermschema von H2+ als Funktion des Abstands D der
Protonen (rechts). EH = −13.6 eV.
im b-Zustand (EII in der Figur) ein Minimum bei einem bestimmten Abstand. Bei diesem Abstand ergibt sich auch ein Energiegewinn des Moleküls
gegenüber den freien Atomen: damit entsteht eine chemische Bindung. Diese
chemische Bindung wird im Wesentlichen durch das nicht-diagonale Matrixelement VAB produziert. Dieses Matrixelement gibt dem Elektron die Chance,
von einem Proton zum anderen überzuspringen. Dieser Prozess gibt der Energie den nötigen negativen Beitrag, um die Coulombabstossung der Kerne bei
geeignetem Abstand R0 zu überwinden. Im anderen Zustand überwiegt die
Coulomabsstossung der Kerne für alle Abstände R. Qualitativ hängt diese
Abstossung damit zusammen, dass im a-Zustand die Aufenthaltsw-keit des
Elektrons zwischen den Kernen klein ist. Diese Einelektron-Bindung ist ein
(rechnerisch einfaches) Modellbeispiel für eine kovalente chemische Bindung
und bildet die Grundlage zum Independent Particle Model der chemischen
Bindung.
Bemerkung 1
Eine stabilere kovalente Bindung sieht vor, dass mindestens zwei Elektronen in der Bindung involviert sind. Diese chemische Bindung wird in Kapitel
6 behandelt (Paradebeispiel für diese Bindung ist das H2 Molekül). Eine
detaillierte Rechnung zeigt, dass geeignete Basisfunktionen so wie in der Figur aussehen. Der Unterschied zwischen den beiden Wellenfunktionen ist die
gegenseitige Spinorientierung der beiden Elektronen. In ψ1 sind die Spins
antiparallel und in ψ2 sind sie parallel orientiert. Die darausresultierende
Energieeigenwerte als Funktion von R zeigen ein ähnliches Verhalten wie bei
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
67
Abbildung 6.6: Links: mögliche Basiszustände. Rechts: Energieeigenwerte als Funktion
von R. Die Eigenfunktionen sind Linearkombinationen von ψ1 und ψ2 . Im s-Zustand (auch
Singlettzustand genannt) sind die Spins antiparallel orientiert, im t-Zusantd (Tripplett)
sind sie parallel orientiert. Rechts: Energie des s (t) Zustandes als Funktion des ProtonProton Abstandes. Im s-Zustand gibt es ein Minimum.
dem H2+ Molekül, siehe Figur. Der Unterschied zwischen den Energien im s
und t Zustand ist ein Ausdruck des Pauli Prinzips: die Paarung von Elektronen mit antiparallelen Spins ist energetisch bevorzugt. Dieses Resultat ist
auch so zu erklären: durch den Singlettzustand nehmen die zwei Elektronen
eine stabile Elektronenkonfiguration an, die wir aus dem He-Atom kennen.
Durch diese Paarung wird die Sättigung chemischer Kräfte erzielt, allerdings
teilen sich die zwei Protonen die chemisch gesättigte Konfiguration.
Man kann die Elektronen eines beliebigen Atoms in jedem Zustand in zwei
Gruppen einteilen: in Valenzelektronen (”ungepaarte”) der äusseren Elektronenschalen und in die anderen, gepaarte Elektronen (Rumpfelektronen), die
an der Bildung einer kovalenten chemischen Bindung unbeteiligt sind. Die
Zahl der äusseren ungepaarten Elektronen in einem gegebenen Zustand eines Atoms bestimmt dessen chemische Wertigkeit oder Valenz. Die beiden
Elektronen des Wasserstoffmoleküls, die die kovalente Bindung im Singulettzustand bewirken, sind eben gepaarte Elektronen; ihre Wechselwirkung mit
Kern und Elektron eines anderen Wasserstoffatoms ergibt Abstossung. Auf
diese Weise kann man die Sättigung der kovalenten chemischen Bindungen
zwischen Atomen qualitativ erklären. Man kann anschaulich sagen, dass jede kovalente Bindung zwischen Atomen durch Paarung der Valenzelektronen
entsteht. Nach der Paarung aller Valenzelektronen können keine neuen kovalenten chemischen Bindungen entstehen. Die Quantenmechanik rechtfertigt
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
68
also in gewissem Sinne die in der Chemie übliche Darstellung eines Moleküls
als Ansammlung von Atomen, die durch lokalisierte Valenzstriche verbunden
werden (pro Bindung einen Strich, jede Bindung enthält zwei Elektronen).
Bemerkung 2.
Auf Grund experimenteller Untersuchungen führten die Chemiker bereits im
19. Jahrhundert den Begriff der chemischen Struktur eines Moleküls ein, d.h.,
sie stellten eine bestimmte räumliche Anordnung der Atome im Molekül fest.
Zum Beispiel sind die Atome in einem H2 O-Molekül auf einem Dreieck angeordnet; im CO2 -Molekül liegen die Atome auf einer Geraden, das Kohlenstoffatom bildet das Zentrum. Zur Erklärung der stereochemischen Struktur der
Moleküle muss man annehmen, dass die Wertigkeit der Atome in bestimmter Weise gerichtet ist. Die Quantenmechanik liefert eine einfache Erklärung
für die gerichteten Wertigkeiten der Atome. Wir wollen uns einfache Beispiele ansehen. Das Stickstoffatom hat im Grundzustand die Konfiguration
(1s)2 (2s)2 (2p)3 . Die vier Elektronen in der 1s- und in der 2s-Schale sind
gepaart und spielen für die chemische Bindung keine Rolle. Die 2p-Schale
hat drei verschiedene Ortszustände, die wir mit px , py und pz bezeichnen.
Die drei Elektronen in je einem dieser Zustände sind die Valenzelektronen.
Die Winkelverteilung dieser Elektronen wird durch die Betragsquadrate der
Wellenfunktionen gegeben, die in der Einheitskugel auf 1 normiert sind:
pz = Y10 =
px
py
s
3
cos ϑ
4π
s
1
3
= √ [Y11 + Y1,.1 ] =
sin ϑ cos ϕ
4π
2
s
−1
3
= √ [Y11 − Y1,.1] =
sin ϑ sin ϕ
4π
2
Die Richtungen, in denen die Wahrscheinlichkeiten für die räumliche Elektronenverteilung in diesen Zuständen maximal sind, bilden miteinander rechte
Winkel. Die Richtungen der von diesen Elektronen erzeugten chemischen
Bindungen bilden natürlich auch rechte Winkel miteinander, so dass sich
bei Annäherung von Atomen die Wellenfunktionen in diesen Richtungen am
stärksten überlappen. Experimentell ist festgestellt worden, dass das NH3 Molekül tatsächlich die Struktur einer Pyramide hat; die Winkel zwischen den
verschiedenen NH-Richtungen sind ≈ 107◦. Dieser Wert ist etwas grösser als
der theoretische Wert von 90◦ ; diese Differenz wird durch die gegenseitige Abstossung der Wasserstoffatome in der Grundfläche der Pyramide erklärt. Die
Elektronenkonfiguration des Phosphoratoms ist (1s)2 (2s)2 (2p)6 (3s)2 (3p)3 . Das
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
69
Phosphoratom hat drei Valenzelektronen in Zuständen mit den Winkelfunktionen px , py , pz . Die Richtungen der chemischen Bindungen müssen also den
Winkel 90◦ miteinander bilden. Experimentell wurden in der chemischen Verbindung P H3 die Winkel zwischen den P − H-Bindungen zu ≈ 93◦ festgestellt. Drei Valenzrichtungen unter einem rechten Winkel haben auch die
Atome von Arsen, Antimon und Wismut, weil ihre drei Valenzelektronen die
Konfiguration (np)3 haben. Die Atome von Sauerstoff und Schwefel haben die
Elektronenkonfigurationen (1s)2 (2s)2 (2p)4 bzw. (1s)2 (2s)2 (2p)6 (3s)2 (3p)4 . Von
den vier äusseren Elektronen in den drei p-Zuständen sind zwei gepaart. Diese Atome haben also je zwei Valenzelektronen, die sich in zwei der obigen
Zustände befinden. Die beiden Valenzen dieser Atome bilden also den Winkel
90◦ miteinander. In den Verbindungen H2 O und H2 S sind die Bindungswinkel ≈ 104◦ bzw. 92◦ .
Die Valenzzustände eines Atoms werden aber nicht immer so einfach bestimmt wie in den oben behandelten Fällen. Bei der Bildung einer chemischen
Verbindung wird die Elektronenhülle eines Atoms gewöhnlich umgebaut; der
Valenzzustand eines Atoms in einer chemischen Verbindung kann daher anders sein als derjenige eines isolierten Atoms. Wir wollen als Beispiel das
Kohlenstoffatom behandeln. Ein isoliertes Kohlenstoffatom hat die Konfiguration (1s)2 (2s)2 (2p)2 ; das entspricht einem zweiwertigen Atom. Bekannte
Verbindungen sind z.B. CH4 , CCl4 , C(CH3 )4 . Die in diesen Verbindungen
beobachteten Vierwertigkeiten sind vollkommen äquivalent und bilden vom
Kohlenstoffatom aus den Winkel ≈ 109◦ miteinander. Diese Winkel entstehen zwischen den Geraden, die man vom Mittelpunkt zu den vier Ecken eines
Tetraeders zieht. Man sagt deshalb häufig, dass die Valenzrichtungen eines
Kohlenstoffatoms die Tetraederwinkel miteinander bilden. Ein Diamant ist
ebenfalls ein Riesenmolekül, bei dem jedes Kohlenstoffatom an die vier benachbarten Kohlenstoffatome kovalent gebunden ist; diese Bindungen bilden
miteinander die Tetraederwinkel. Man kann diese Wertigkeit des Kohlenstoffatoms leicht theoretisch erklären, wenn man beachtet, dass sich die Energien
der 2s- und der 2p-Zustände im Kohlenstoffatom nur wenig voneinander unterscheiden. Die Valenzzustände eines Kohlenwasserstoffatoms werden beim
Umbau der Elektronenhülle gebildet und gehören nicht zu den vier Funktionen s, px , py , pz sondern zu vier zueinander orthogonalen Linearkombinationen daraus. Die hybridisierten, in der Einheitskugel normierten Funktionen
sind
1
ψ1 = (s + px + py + pz )
2
1
ψ1 = (s + px − py − pz )
2
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
70
1
ψ1 = (s − px + py − pz )
2
1
ψ1 = (s − px − py + pz )
2
Die ψi Funktionen heissen Tetraeder-Bindungsfunktionen. Im Valenzzustand
Abbildung 6.7: 2s-2p Hybridwellenfunktion
befinden sich die vier äusseren Elektronen des Kohlenstoffs, die im freien
Atom die Zustände (2s)2 (2p)2 einnehmen, in den Zuständen ψi (je ein Elektron pro Zustand). Das Betragsquadrat der Funktion ψ1 hat seinen grössten
Wert auf der Diagonalen des Oktanten, der von der x-, y- und z-Achse gebildet wird. In dieser Richtung liegt auch die Bindung, die von einem Elektron
in diesem Zustand realisiert wird. Das Betragsquadrat der Funktion ψ2 hat
sein Maximum auf der Diagonalen des Oktanten, der von der positiven xAchse, der negativen y- und der negativen z-Achse gebildet wird. Für die
Funktion ψ3 ist die Diagonale des Oktanden −x, y, −z und für die Funktion ψ4 die Diagonale des Oktanden −x, −y, z die ausgezeichnete Richtung.
Die zur Überführung des Atoms aus dem Zustand (2s)2 (2p)2 in den durch
die Funktionen ψi charakterisierten Zustand (2s)1 (2p)3 notwendige Energie
ist kleiner als die Energie, die bei der chemischen Bindung des Kohlenstoffes
(im Zustand der Tetraedervalenz) mit vier anderen Wasserstoff-, Kohlenstoffoder sonstigen Atomen frei wird. Auch die Atome von Silicium, Germanium
und Zinn haben die vier Tetraedervalenzen.
Die Elektronenhülle eines freien Atoms wird also gewöhnlich umgebaut, wenn
das Atom eine chemische Verbindung eingeht. Es gibt viele Beipiele davon,
wir haben nur die wichtigsten gesehen. Ein solcher Umbau der Elektronenhüllen erfordert immer Energie. Diese Energie wird aber immer durch
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
71
die freigesetzte Bindungsenergie der Atome im Molekül überkompensiert. Im
Allgemeinen werden auch in homöopolaren Verbindungen Elektronen von
gewissen Atomen zu anderen verlagert, so dass auch hier elektrische Dipolmomente auftreten. Aus diesem Grunde ist die Einteilung der chemischen
Bindungen in Ionenbindungen und rein homöopolare Bindungen nicht eindeutig.
Bemerkung 3: Mehrfachbindungen zwischen Atomen.
In einigen Molekülen sind Atome nicht nur durch ein, sondern zwei oder drei
Elektronenpaare aneinander gebunden. Solche Bindungen bezeichnet man als
Doppel- oder Dreifachbindungen. Ein typisches Beispiel für ein Molekül mit
einer Dreifachbindung ist das Stickstoffmolekül, das man in der Form N ≡ N
symbolisch schreiben kann. Wie schon oben bemerkt worden ist, sind die Valenzzustände der Stickstoffatome die drei Elektronenzustände px , py , pz : sie
bilden drei Wertigkeiten, die jeweils einen rechten Winkel miteinander einschliessen. Wir legen die z-Achse in die Verbindungslinie der beiden Stickstoffatome. Eine Bindung entsteht dann durch Überlappung der Wellenfunktionen pz der beiden Atome. Die zugehörige Wellenfunktion des Moleküls ist
vom Winkel ϑ unabhängig, d.h., sie ändert sich bei einer Drehung um die zAchse und bei Spiegelungen an Ebenen, die die z-Achse enthalten, nicht. Die
Elektronen, die eine solche Bindung herstellen, heissen σ-Elektronen. Elektronen, die Einfachbindungen zwischen Atomen realisieren, sind immer σ
-Elektronen. Die beiden anderen Paare von Valenzelektronen im N-Molekül
bilden zwei zusätzliche Bindungen. Ein Elektronenpaar schafft eine Bindung
durch Überlappung der Wellenfunktionen der Zustände px beider Atome, das
andere Elektronenpaar
durch Überlappung der Wellenfunktionen py . Die aus den Atomfunktionen py hervorgehende Wellenfunktion des Moleküls ändert bei der Spiegelung
an einer Ebene, die die z-Achse enthält, ihr Vorzeichen; denn die Funktion
enthält sin ϕ und wechselt bei ϕ → −ϕ ihr Vorzeichen (die Spiegelebene
enthält die Verbindungslinie zwischen den Atomen, wenn die y-Achse senkrecht auf dieser Fläche steht). Die Elektronen, die eine solche Bindung hervorbringen, werden als π-Elektronen bezeichnet. Natürlich ist die Bindungsenergie der π -Elektronen kleiner als die Bindungsenergie der σ-Elektronen
(die Wellenfunktionen überlappen sich weniger). Das Elektronenpaar mit der
Wellenfunktion, die aus den Atomfunktionen px entsteht, besteht ebenfalls
aus π-Elektronen, weil diese Funktion bei der Spiegelung an einer Ebene ihr
Vorzeichen wechselt, auf der die x-Achse senkrecht steht und die die Verbindungslinie enthält. Von den drei Bindungen im Stickstoffmolekül wird eine
von σ-Elektronen geschaffen, die beiden anderen durch π-Elektronen. Diese
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
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Regel gilt auch für Mehrfachbindungen zwischen anderen Atomen.
Zwischen Kohlenstoffatomen kann eine Doppelbindung bestehen. Eine solche
Doppelbindung besteht zum Beispiel im Äthenmolekül C2 H4 . Der Hauptanteil der Bindung zwischen den Kohlenstoffatomen im Äthenmolekül (und zwischen den Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen) stammt von σ-Elektronen.
π-Elektronen schaffen eine zusätzliche Bindung zwischen den Kohlenstoffatomen. Zwischen Kohlenstoffatomen ist auch eine Dreifachbindung möglich.
Eine solche wird im Äthinmolekül mit der linearen Struktur H − C ≡ C − H
festgestellt. Die Dreifachbindung zwischen den Kohlenstoffatomen in diesem
Molekül besteht aus einer σ-Bindung und zwei π-Bindungen.
Der Valenzzustand eines Atoms kann also in verschiedenen Molekülen verschieden sein. Im Kohlenstoffatom sind zum Beispiel drei Arten von Valenzzuständen möglich: a) vier äquivalente Valenzen, die zu den Ecken eines
regulären Tetraeders hin zeigen und vier σ-Bindungen hervorbringen; b) drei
Valenzen, die Winkel von 120◦ einschliessen und drei σ-Bindungen in einer
Ebene bilden, sowie eine Valenz, die eine π -Bindung bewirkt; c) zwei Valenzen in entgegengesetzten Richtungen, die zwei σ -Bindungen bilden, und
zwei Valenzen, die zu zwei π -Bindungen führen.
Bemerkung 4: Aromatische Verbindungen
In den oben behandelten Beispielen kann man die Zahl der Bindungen angeben, die ein bestimmtes Atom im Molekül festhalten. Man kann dabei in
gewisser Näherung jede chemische Bindung lokalisieren, an der je zwei Elektronen beteiligt sind. In diesem Falle kann man jede Bindung in der Strukturformel des Moleküls durch einen Strich darstellen. Dieser Sachverhalt trifft
nicht immer zu. Ein Beispiel für ein Molekül, in dem die Bindungen zwischen
den Atomen teilweise nicht lokalisiert werden können, ist das Benzenmolekül
C6 H6 . Das Benzenmolekül ist ein ebenes Molekül. Die sechs Kohlenstoffatome
sitzen an den Ecken eines regulären Sechsechs. Drei Valenzelektronen eines
jeden Kohlenstoffatoms sind an der Bindung dreier σ-Bindungen beteiligt:
eine mit dem Wasserstoffatom und zwei mit den benachbarten C-Atomen.
Diese drei Bindungen bilden einen Winkel von 120◦ miteinander. Das vierte
Valenzelektron in jedem C-Atom befindet sich im Zustand pz (die z-Achse
steht senkrecht auf der Molekülebene). Dieses Elektron gehört also zu den πElektronen. Jedes solche π-Elektron im Benzenmolekül ist an einer Bindung
gleichzeitig mit beiden benachbarten Kohlenstoffatomen und nicht nur mit
einem Atom beteiligt. Wegen dieser ”Delokalisierung”der Bindung können
sich die sechs π-Elektronen im Benzenring von einem Atom zum anderen
bewegen und einen Kreisstrom bilden. Beim Einschalten eines Magnetfeldes
senkrecht zur Ebene des Benzenringes entsteht z.B. ein elektrischer Kreis-
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
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strom im Molekül, der ein magnetisches Moment verursacht (Diamantmagnetismus). Da der Strom eine relativ grosse Fläche umläuft, ist das entstehende magnetische Moment gross (relativ zu Atom-Momenten). Eine grosse
Gruppe anderer organischer Verbindungen hat ähnliche Moleküle wie das
Benzen: Naphthalen, Anthracen, Naphthacen, Phenantren u.a. Verbindungen mit nicht-lokalisierten π-Elektronen heissen aromatische Verbindungen.
Der Kohlenstoff tritt unter allen anderen Elementen des Periodensystems
dadurch hervor, dass er die grösste Vielfalt von Verbindungen eingeht. Er
hat dabei verschiedene Wertigkeiten, bildet lokalisierte und nicht-lokalisierte
chemische Bindungen. Zusammen mit Wasserstoff, Sauerstoff, Schwefel und
Phosphor bildet der Kohlenstoff fast alle organischen Stoffe in der Natur.
Gegenwärtig sind schon mehr als zwei Millionen organische Verbindungen
bekannt.
Wie man aufgrund der Delokalisierung zu einer stabilen chemischen Bindung kommt wollen wir jetzt als Verallgemeinerung des H2 + Moleküls berechnen. Da die Anzahl Elektronen zu gross ist, um eine genaue Rechnung zu
machen, wenden wir die Einteilchen Approximation an (Schalenmodell). In
dieser Approximation werden die Energieniveaus eines einzelnen Elektrons
berechnet. Danach werden diese Niveaus gefüllt, bis alle Elektronen, mit der
Berücksichtigung des Pauli-Prinzips, Platz gefunden haben. Daher ist die
Rechnung mit dem H2+ Molekül so nützlich.
Wir betrachten, der einfachheithalber, einen auf einer Ebene arrangierten
HN Ring. Wir betrachten zuerst die N ”nackte” Protonen und fügen ein
einzelnes Elektron hinzu. In der Figur sind mögliche Basiszustande ψi für
das zugefügte Elektron dargestellt. Es wird, nach unserer Erfahrung, eine
Abbildung 6.8: Mögliche Basiszustände.
gewisse Amplitude A geben, dass das Elektron von einem Proton zu den
Nachbarnprotonen springen kann. Deswegen sind die Zustände ψi keine Eigenzustände des Systems. Das Eigenwertproblem dieses Systems lautet (wir
nehmen an, dass wir mit orthonormierten Basiszuständen arbeiten, d.h., dass
wir die ursprünglich nicht orthogonalen atomaren Orbitalen durch ein Or-
74
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
thogonalisierungsverfahren bearbeitet haben).










E0 − Ei
−A
0
−A
E0 − Ei
−A
0
−A
E0 − Ei
...
...
...
0
0
0
−A
0
0
...
0
−A
...
0
0
...
0
0
...
...
...
... E0 − Ei
−A
...
−A
E0 − Ei










C1i
C2i
C3i
...
i
C(N
−1)
CNi










=0
Die ringförmige Anordnung ist nicht nur da, um die Born-von Karmansche
Konstruktion zu gewährleisten (mit der es keine Randatome gibt und das
Problem symmetrischer wird), sondern vermeidet die ringförmige Anordnung
das Auftreten von Randatomen und somit von ungesättigten Valenzen, die
für eine Erhöhung der Energie sorgen würden. Selbst mit dieser ”Vereinfachung” bleibt die Lösung der Determinantengleichung recht kompliziert: es
handelt sich darum, die Nullstellen eines Polynoms N-ten Grades zu finden!!
Wir können aber Symmetrieargumente benutzen, um die Eigenfunktionen
direkt zu bestimmen. Die Symmetrie des Problems fordert
| C1i |2 = ..... =| CNi |2 =
1
N
Das bedeutet: die Koeffizienten Cji unterscheiden sich nur um einen Phasenfaktor: wir schreiben
i
Cj+1
i
= eik a
i
Cj
(a: Atomabstand), d.h.
1
i
i
Cji = (eik a )j = √ eik aj
N
wobei k i für jeden Eigenzustand ψ i charakteristisch ist. Aus Cj+N = Cj folgt
i
i
eine Bestimmungsgleichung für k i , d.h. eik a(j+N ) = eik aj , mit den Lösungen
ki =
2π
· i(i = 1, ..., N)
a·N
Jeder Eigenwert ist durch eine bestimmte ”Wellenzahl” k i gekennzeichet,
d.h., k i ist eine zur Klassifizierung der Eigenwerte brauchbare Quantenzahl.
Die zu k i gehörige Eigenfunktion ψ i lautet
1 X iki ja
ψi = √
e
ψj
N j
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
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Diese Form ist in der Festkörperphysik als Blochsche Konstruktion der Eigenzustände bekannt. Die Eigenwerte lassen sich jetzt direkt bestimmen:
1
1
1
i
i
i
√ [E0 − Ei ] · eik a − √ · A · eik 2a − √ · A · eik aN = 0
N
N
N
Die Lösung dieser Gleichung ist
Ei = E0 − 2 · A · cos(k i · a)
(k i = N2π·a · i). Diese sind die Energien eines einzelnen Elektrons in einem Ring
bestehend aus N-Protonen. Wir fügen dem System jetzt weitere Elektronen
zu. Das Schalenmodell besagt, dass jedes weitere Elektron die höherliegende
Einteilchen-Energieniveaus besetzt, bis alle Elektonen Platz gefunden haben.
Dabei muss berücksichtigt werden, dass nur Elektronen mit entgegengesetzten Spins gleiche Quantenzahlen haben dürfen. Wir betrachten als Beispiel
das H6 -Molekül. Aus dem Diagramm entnehmen wir, dass zwei von den sechs
Abbildung 6.9: Links: Thermschema eines H6 Molekül. Rechts: Totale Bindungsenergie als Funktion des Füllungsparameters n.
Eigenwerten zweimal entartet sind, d.h. die gleiche Energie haben und unterschiedliche k i . Zwei sind einfach entartet (darunter auch das niedrigste Energieniveau). Mit anderen Worten: wenn wir sechs Elektronen zufügen wollen,
beginnen wir damit, zwei Elektronen im Niveau E0 −2A zu platzieren. Danach
finden vier Elektronen im Niveau E0 −A (wegen Entartung) Platz: damit haben wir alle sechs Elektronen platziert. Die anderen Energieniveaus können
benutzt werden, um angeregte Zustände des Molküls zu bilden. Die totale Energie des Grundzustands des Moleküls ist somit 6E0 − 8A. Gegenüber
der Energie von 6E0 freien Wasserstoffatomen, hat die chemische Bindung
durch die Delokalisierung der Elektronen zu einer Energiesenkung um −8A
geführt, die wir als Bindungsenergie betrachten. Im nächsten Diagramm
wird die totale Bindungsenergie als Funktion des Elektronenfüllparameters n
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
76
aufgetragen (beim festen N = 6). Wie erwartet, ist das neutrale H6 Molekül
die stabilste Form, obwohl H64+ und H64− auch stabiler als andere sind. Der
Grund dafür ist einfach: mit n = 2, 6, 10 werden Schalen vollständig gefüllt,
und das ist immer ein Grund für Stablilität, wie wir aus der Edelgaskonfiguration wissen. Eine Füllung mit 0 bzw. 12 Elektronen führt zu keiner stabilen
chemischen Bindung.
Bemerkung 5: Schalenmodell in anderen Systemen.
Sogar für Kerne kann man ein Schalenmodell konstruieren, obwohl die Kernkräfte sehr stark sind. Experimentell hat man, in der Tat, besonders stabile
Kerne gefunden, mit den magischen Neutronenzahlen 2, 8, 20, 28, 50, 82. Ein
passendes Schalenmodell wurde von Maria Mayer gebaut. Auch die erfolgreiche Theorie der Bandstruktur eines Festkörpers basiert auf einem Einteilchen(Schalen)modell.
KAPITEL 6. ATOME, MOLEKÜLE, FESTKÖRPER
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