Wahlwerbung Rechtliche Rahmenbedingungen der Plakatierung im Wahlkampf Peter Kehl Stand: April 2011 1 Einführung tische Ziele zu formulieren und diese den Bürgern zu vermitteln. Sie helfen dabei, dass die Probleme der Gesellschaft und des einzelnen Bürgers erkannt, benannt und angemessenen Lösungen zugeführt werden. Ferner ist es Aufgabe der Parteien, die Rückkopplung zwischen Staatsorganen und Volk sicherzustellen.2 Die politischen Parteien können diesen Auftrag des Grundgesetzes nur dann wirksam wahrnehmen, wenn sie nicht nur innerparteilich arbeiten, sondern auch nach außen tätig und sichtbar werden. Nur durch den offenen Wettbewerb mit anderen Parteien und Verbänden wird der für die Demokratie entscheidende pluralistische Diskurs gewährleistet. In der Vergangenheit war nicht selten zu beobachten, dass die Kommunen übermäßiges Plakatieren im Wahlkampf ordnungsrechtlich einschränken wollten. Dies nicht zuletzt deshalb, weil sich immer mehr Einwohner durch die vielen Plakate der ohnehin ungeliebten Parteien gestört fühlten. Möglicherweise auch deshalb, weil die Wahlplakte den Platz für kommerzielle Werbung und die damit verbundenen Einnahmen reduzieren. Dabei wird häufig übersehen, dass der Ruf der politischen Parteien meist schlechter ist, als sie es verdienen und den Parteien eine wichtige Funktion im freiheitlichdemokratischen Staat zukommt.1 Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt ist die Funktionszuweisung des Grundgesetzes. Das Grundgesetz bestimmt in Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG, dass die politischen Parteien die Aufgabe haben, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Es ist die Aufgabe der Parteien, poli1 2 Grundsätze Ausgehend von diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung die folgenden Grundsätze für die Plakatierung im Wahlkampf aufgestellt: Jedem Wahlbewerber stehen grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im Wahlkampf, also „im Wettbewerb um die Wäh- Streinz, in: BK-GG, Bd II, Art. 21 Abs. 1, Rn. 73. 2 1 BVerfGE 85, 264 (284). lerstimmen“, offen.3 Dies bedeutet insbesondere, dass die staatlichen Organe verpflichtet sind, Rechtsvorschriften, die sich auf eine Wahl beziehen gleichmäßig zur Anwendung zu bringen und ihnen gleichmäßig zur Durchsetzung zu verhelfen. Gleichermaßen gilt dies für Dienstvorschriften, die nur behördenintern wirken, aber das Ermessen im Sinne einer Gleichbehandlung aller Betroffenen reduzieren.4 2.1 Erlaubnispflicht Die Wahlplakatierung stellt zwar eine erlaubnispflichtigte Sondernutzung des öffentlichen Straßenraums dar. Die politischen Parteien haben aber einen Anspruch auf Genehmigung der Plakatierung in der „heißen“ Wahlkampfphase, also jedenfalls in den letzten vier Wochen vor dem Wahltermin.5 Grundsätzlich muss sich die Wahlplakatierung auch im Rahmen der erteilten Sondernutzungserlaubnis halten, da der Zweck einer Sondernutzung für die Entscheidung über deren Erlaubnis von zentraler Bedeutung ist und zum wesentlichen Inhalt einer Sondernutzungserlaubnis gehört.6 Es muss sich also auch um Wahlwerbung mit Bezug zur konkreten Wahl handeln. Hier steht den Parteien aber aus den oben geschilderten verfassungsrechtlichen Gründen ein sehr weiter Beurteilungsspielraum zu. Die Behörde hat dies zu berücksichtigen, insbesondere darf sie nicht isoliert auf einzelne textliche oder bildliche Elemente eines Plakats abstellen.7 2.2 Auflagen Die Gemeinde kann bestimmte Auflagen erteilen. In Grenzen zulässig sind Auflagen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit, der Wahrung des Ortsbildes, der Vermeidung von Verschmutzungen des Straßenraums und der Gewährleistung von Chancengleichheit. Ebenso dürfen die Gemeinden grundsätzlich selbst Plakatflächen zur Verfügung stellen und die Plakatierung darauf beschränken, sofern sichergestellt ist, dass die Parteien angemessene und wirksame Wahlwerbemöglichkeiten haben. Es muss möglich sein, flächendeckend im gesamten Stadtgebiet und seinen Stadtteilen Wahlwerbung aufzustellen. Anderslautende Vereinbarung über die Begrenzung der Wahlsichtwerbung sind unverbindlich.8 . Unzulässig ist dagegen die Festlegung einer bestimmten Mindestgröße der Plakate. Werden weitere Anforderungen für die Anbringung an Bäumen und Masten aus Gründen der Verkehrssicherheit aufgestellt, muss dies plausibel begründet werden können.9 2.3 Verkehrssicherheit Eine politische Partei muss Wahlplakate im öffentlichen Straßenraum jedoch verkehrssicher aufhängen. Anderenfalls muss sie damit rechnen, dass die Plakate im Rahmen einer Ersatzmaßnahme kostenpflichtig durch die Gemeinde entfernt werden. Das Verwaltungsgericht Dresden hat in diesem Zusammenhang Kosten in Höhe von 3 EUR pro Plakat anerkannt.10 3 BVerfGE 47, 198 (226). VG Dresden, LKV 2000, 509 (509). 5 OVG Saarlouis, NVwZ-RR 1999, 218 (219). 6 VGH Kassel, GewArch 1998, 437; BVerwG, Beschl. v. 12.11.1998, Az. 3 BN 2/98. 7 OVG Münster, NVwZ-RR 2004, 794. 4 8 BVerwG, NJW 1975, 1293 (1293). OVG Bremen, NordÖR 2000, 70 (70). 10 VG Dresden, Urt. v. 19.04.2011, Az.: 3 K 1728/09. 9