Wahlwerbung als politische Kultur? Wahlwerbung als Teil der Wahlkampfkommunikation Präsentation der Partei und der eigenen Persönlichkeit in der Öffentlichkeit steht im Vordergrund Æ Politikvermittlung „Wahlkampf ist inzwischen die hohe Zeit der Vereinfacher, der Kommunikationsstrategen und Polit-Marketing-Experten“. (Sarcinelli 1986) Wahlkampfkommunikation hat einen sehr großen Stellenwert in der Politik. Æ Wahlwerbespots Wahlen als Legitimationsprozess Möglichkeit sich am politischen Entscheidungsprozess zu beteiligen. Es wird Macht auf Zeit zugewiesen und der Volkswille herausgebildet. Mit Hilfe von Wahlen wird das politische System legitimiert. Politik ist das Streben nach Entscheidungsmacht. Wahlkampf als Kommunikationsereignis I Wahlkampf als öffentlicher Wettstreit. Politiker treten verstärkt in den Medien auf, vor allem in elektronischen Massenmedien. Ohne eine breitengelegte Werbung wären die Ereignisse nur von sehr geringem Publikumsinteresse. Denn Massenmedien wird eine große Wirkung unterstellt. Wahlkampf als Kommunikationsereignis II Wahlkampfkommunikation spielt sich zwischen Politik und der Gesellschaft ab. Wichtig, Aufmerksamkeit zu erwecken um Wirkung zu erzielen. Passivität des Publikums ändern durch den Abbau von Unsicherheiten und Komplexität. Aufmerksamkeit der Wähler binden und kurzfristig beeinflussen Wahlwerbung als Wirklichkeitsangebot I „Nichts ist wirksam und wirklich, was nicht in den Massenmedien konstruiert wird.“ (Merten 1994) Objektive, wirklichkeitsgetreue Darstellung der Wahlwerbung ist nicht vorhanden. Erklärungs-Annahme: Zur vereinfachten Darstellung politischer Prozesse wird auf Erklärungen weitgehend verzichtet. Symbol-Annahme: Symbole ersetzen diese Erklärungen. Wahlwerbung als Wirklichkeitsangebot II „Die Parteien täuschen den Wähler nicht hinsichtlich ihrer Absichten. Die Parteien täuschen den Wähler aber hinsichtlich der Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen, diese Absichten in die Tat umzusetzen. Diese Täuschung ist Resultat des Wirklichkeitsmodells, das die Parteien in politischer Fernsehwerbung entfalten.“ (Wachtel 1988). Exkurs: Politische Funktionen der Massenmedien wichtig: Klarheit über Beziehung zwischen dem politischen und dem publizistischen System Funktionen der MM Informationsfunktion Artikulierfunktion Kritikfunktion nach Ronneberger: Herstellung von Öffentlichkeit politische Sozialisation und Integration Kontrolle bzw. Kritik Bildungs- und Erziehungsfunktion Erweiterung: Unterhaltungsfunktion Funktionen von Wahlwerbespots I Wahlwerbespots sind massenmedial vermittelte politische Aussagen mit werblichem Charakter Wahlwerbespots sind als Teil massenmedialer Wahlkämpfe anzusehen und orientieren sich daher auch an deren Funktionen „Wahlkampf ist intensive (…) Kommunikation mit dem Ziel, eine möglichst hohe Zahl von Wählern von der Richtigkeit der Wahl einer bestimmten politischen Partei zu überzeugen. Daher sind alle Grundrechte, deren spezifische Funktion in der Sicherung eines freien gesellschaftlichen Meinungs-, Willensbildungs- und Selbstorganisationsprozesses besteht – die sogenannten Kommunikationsgrundrechte – Rechtsgrundlage für die Wahlkampfaktivitäten schlechthin.“ Christoph J. Walther Funktionen von Wahlwerbespots II Arten von Wählern Stammwähler: starke Bindung an eine Partei, suchen Bestätigung ihrer Position Wechselwähler: für Parteien besonders wichtig Nicht- oder Protestwähler: schwer zu erreichen wichtige Voraussetzung: Vertrauen – Widerspiegelung in Wahlwerbespots Praxis: Vertrauensgrundlage für etablierte Parteien wichtig, für Kleinparteien hingegen zählt mehr die Erhöhung des Bekanntheitsgrades Funktionen von Wahlwerbespots III Motivation und Aktivierung Bestätigung und Verstärkung wichtig für Stammwähler Wahlwerbespots als Bekräftigungsmittel Vertrauen muss verstärkt werden, z.B. mit Verweis auf gute Taten in der Vergangenheit Kontakt und Bekanntheit wichtig für Wechselwähler Strategie der Personalisierung Vertrauen muss gewonnen werden für Klein- und Splitterparteien Darstellung der programmatischen Ausrichtung Typologisierung von Wahlspots Unterscheidung zwischen medienpräsenten und medienabstinenten Parteien Gesetzliche Grundlagen der Wahlwerbespots Exkurs: Grundsatz der Chancengleichheit in D Frage nach der Verteilung von Sendeplätzen zwei rechtswissenschaftliche Modelle Auffassung, dass alle Parteien dieselbe Anzahl an Sendeplätzen zur Verfügung gestellt bekommen Abstufung je nach Bedeutung der jeweiligen Partei in D: Verteilungsmodus der abgestuften Chancengleichheit Der Grundsatz der Chancengleichheit ist kein Gebot absoluter Gleichbehandlung, sondern berücksichtigt die Bedeutung der einzelnen Parteien. Diese Einschätzung wiederum obliegt den Rundfunkanstalten. Werbung im gesellschaftlichen Kontext Werbung als Indikator für gesellschaftlichen Wandel Wahlwerbung als Indikator für Wandel der politischen Kultur Doppelfunktion der Wahlwerbung Beeinflussung der Wahlentscheidung Definition politischer Realität Definition politischer Kultur Summe aller kognitiven, emotionalen und beurteilenden Einstellungen zum politischen System „Politisch relevantes Weltbild“ (Rohe) Wahlspots als Deutungs- und Sinnangebot der Parteien zur Durchsetzung ihrer Weltsicht Christina Holtz-Bacha: Analyse von Parteienspots Grundgesamtheit und Untersuchungszeitraum Forschungsinteresse Beeinflussung der Wahlentscheidung Veränderung der Selbstdarstellung der Parteien Untersuchungsrahmen und Methode 1957 (erste Wahlwerbung im TV) bis 1998 417 Spots aus 12 Bundestagswahlen Keine Wirkungsforschung Analyse von Fernsehspots Methode der Inhaltsanalyse Analyse auf zwei Ebenen Rahmencodierung und Sequenzcodierung Verteilung der Spots Partei Anzahl der Spots SPD 104 CDU 101 FDP 39 CSU 32 Bündnis 90/Die Grünen 20 Sonstige 121 Gesamt 417 Werbezeiten für SPD und CDU bei ARD und ZDF 1957 - 1998 in Minuten 160 140 120 100 SPD CDU Gesamt 80 60 40 20 0 '57 '61 '65 '69 '72 '76 '80 '83 '87 '90 '94 '98 Werbezeiten für SPD und CDU im öffentl.-rechtl. und im privaten TV in Minuten 250 200 150 öff.-recht. privat 100 50 0 1994 SPD 1998 1994 CDU 1998 Präsentationsformen ohne Kandidaten Anonymer On-Presenter Slice-of-Life-Technik Montage Metaphorische Präsentationen/Analogien Tarnspot Videoclip Packshot Plakative Einstellung mit Signetcharakter Präsentationsformen mit Kandidaten Montagen Kandidat als Testimonial Statement Rede Interview Bürgergespräch Diskussions- oder Gesprächsrunden Anteil der Sequenzen ohne sachpolitisches Thema in Prozent 40 35 30 25 20 15 10 5 0 '57 '61 '65 '69 '72 '76 '80 '83 alle pol. Parteien '87 '90 '94 '98 Kanzlerkandidat als Thema in den CDU-Spots in Prozent Kohl 100 Adenauer Kohl 80 Kohl Kohl Kohl Kiesinger Barzel 60 Adenauer Erhard Strauß 40 Kohl 20 0 '57 '61 '65 '69 '72 '76 Kanzlerkandidat vorhanden '80 '83 '87 '90 darunter als Thema '94 '98 Kanzlerkandidat als Thema in den SPD-Spots in Prozent Brandt Schmidt Schmidt Brandt 100 Rau Lafontaine Schröder Scharping 80 Vogel 60 Brandt Brandt 40 20 0 Ollenhauer '57 '61 '65 '69 '72 '76 Kanzlerkandidat vorhanden '80 '83 '87 '90 darunter als Thema '94 '98 Danke für eure Aufmerksamkeit! Quellenangaben Holtz-Bacha, Christina: Wahlwerbung als politische Kultur; Parteienspots im Fernsehen 1957–1998, Wiesbaden 2000, Westdeutscher Verlag Jakubowski, Alex: Parteienkommunikation in Wahlwerbespots; eine systemtheoretische und inhaltsanalytische Untersuchung von Wahlwerbespots zur Bundestagswahl 1994, Opladen 1998, Westdeutscher Verlag