FRAGE 138 A Geheimhaltung, Offenbarung und Veröffentlichung von Daten in Informationsnetzwerken Jahrbuch 1997/III, Seiten 342 - 345 Geschäftsführender Ausschuss von Wien, 18. - 22. April 1997 Q138A FRAGE Q138A Geheimhaltung, Offenbarung und Veröffentlichung von Daten in Informationsnetzwerken Entschliessung Die beachtliche Entwicklung des Austausches und der Übertragung von Daten mittels Computernetzwerken hat die AIPPI veranlasst, einige damit zusammenhängende Probleme bezüglich der Geheimhaltung, Offenbarung und Veröffentlichung von Daten, die auf solchen Netzwerken gespeichert sind, zu untersuchen. Die verschiedenen Typen von Netzwerken und Methoden der Kommunikation über Netzwerke erfordert eine technische Analyse der verschiedenen zu prüfenden Fälle. Geheimhaltung, Offenbarung und Veröffentlichung sind dann im Hinblick auf diese erste Analyse zu prüfen. Netzwerke und Methoden der Datenkommunikation Die AIPPI stellt fest, dass die Bezeichnung „Netzwerk“ sich auf verschiedene Formen von Netzwerken bezieht, auf denen verschiedene Kommunikationsmethoden verwendet werden können. Netzwerke Einige Netzwerke sind geschlossene Netzwerke, weil sie einer einzigen Organisation gehören, die das Netzwerk vollumfänglich kontrolliert; andere Netzwerke werden von mehreren Organisationen benutzt; öffentliche Netzwerke (wie das Internet) sind jedem Individuum entweder direkt oder durch einen Access Provider zugänglich. 1 Netzwerkbetreiber können technische Mittel einsetzen, um den Zugang zu einzelnen Informationen oder Dienstleistungen zu limitieren oder zu kontrollieren. Benutzer können ebenfalls technische Mittel einsetzen, wie z.B. die Verschlüsselung oder Passworte, um die Vertraulichkeit von über ein Netzwerk gesendeten oder darin gespeicherten Daten zu verbessern. Methoden der Datenkommunikation Auf jeder Art von Netzwerk können verschiedene Methoden der Datenkommunikation eingesetzt werden, nämlich - von Person zu Person (wie z. B. E-Mail), entweder von einer Person zu einer Person oder zu einer Vielzahl von Personen; und - Klient/Server oder Fernabfrage (wie z. B. World Wide Web), bei der ein ServerComputer einem Kunden-Computer Informationen anbietet (Daten, Bilder, Klang); der Betreiber des Servers kann sich entscheiden, alle oder nur Teile von Informationen, die auf seinem Server-Computer gespeichert sind, zugänglich zu machen; er kann auch den Zugang zu bestimmten Informationen oder für bestimmte Personen durch technische Mittel limitieren (einschliesslich Login und Passworte). Die Vielzahl von verschiedenen Netzwerken und Methoden der Datenkommunikation erfordert daher eine spezifische Prüfung der verschiedenen Fälle. Allerdings können einige generelle Regeln festgehalten werden. Geheimhaltung Wenn vertrauliche Information einem autorisierten Empfänger übermittelt wird, können die Mittel und Umstände der Informationsübertragung die Vertraulichkeit aus rechtlichen Gründen beeinflussen. Die Vertraulichkeit ist eine Methode für den Schutz von Innovationen, und ihr Schutz sollte durch das Recht gewährleistet werden, was in Artikel 39.2 TRIPS anerkannt wird. Die Übertragung vertraulicher Information über ein Computernetzwerk zwecks Datenübermittlung kann eine ungewollte Offenbarung der Information oder einen unrechtmässigen Zugriff darauf bewirken. Eine solche Übermittlung kann den Verlust des rechtlichen Geheimnisschutzes zur Folge haben. Selbstverständlich setzen einige Methoden der Datenkommunikation (wie z. B. eine frei zugängliche Site auf dem World Wide Web) aufgrund ihrer technischen Spezifikationen freien Zugang von dritten Parteien zu diesen Informationen voraus, was unvereinbar ist mit einer Beibehaltung der Vertraulichkeit oder Geheimhaltung. Selbst im Fall einer Kommunikation von einer Person zur nächsten (wie z. B. bei E-Mail) bieten solche Netzwerke nicht immer einen wirksamen Schutz gegen die Aneignung oder unbeabsichtigte Offenbarung der Daten, die eine Person vertraulich behandelt wissen will. 2 Aus diesem Grunde empfiehlt AIPPI, dass Behörden, Institutionen, Unternehmen und Berater, alle erforderlichen Schritte unternehmen, die aufgrund der Natur der übermittelten Information und dem Grad ihrer Sensitivität eine Sicherstellung und Aufrechterhaltung ihrer vertraulichen oder geheimen Natur gewährleisten, wenn sie über ein Computernetzwerk übermittelt werden. AIPPI empfiehlt ausserdem, dass die Vertraulichkeit einer Information als gewahrt betrachtet werden soll, sofern angemessene Geheimhaltungsmassnahmen vorgekehrt worden sind. Solche Vorsichtsmassnahmen können beinhalten: - den Einsatz von Netzwerken, die aufgrund ihrer technischen Spezifikationen und der vertraglichen Zusicherung, die durch die Netzwerkbetreiber gewährleistet werden, eine zufriedenstellende Garantie der Vertraulichkeit gewährleisten; und - den Einsatz einer Verschlüsselung (wo eine solche nicht aufgrund der Gesetzgebung verboten wird). AIPPI vertritt die Auffassung, dass die Gesetzgebung die Verschlüsselung von Informationen zum Zweck des Schutzes der Geheimhaltung von Immaterialgüterrechten bei der Übertragung in Computernetzwerken nicht verbietet oder nicht in einer Art und Weise einschränkt, die die legitimen Interessen von Inhabern von Immaterialgüterrechten gefährdet. Offenbarung In bestimmten Rechtssystemen kann die Offenbarung von Informationen deren Inhaber daran hindern, Rechte zu erwerben, die der Registrierung bedürfen, wie z. B. Patentoder Musterrechte. Dies ist beispielsweise in den meisten Ländern für Patente der Fall (unter Vorbehalt einer Schonfrist unter bestimmten Voraussetzungen). In den Gesetzen der meisten Länder wird Information als offenbart erachtet, wenn sie öffentlich zugänglich gemacht wurde, und zwar unabhängig davon, ob jemand tatsächlich vom Zugang Gebrauch machte. Die AIPPI erachtet die blosse Tatsache der Informationsübermittlung durch ein Computernetzwerk nicht als Umstand, der die betreffende Information öffentlich zugänglich macht und sie damit als offenbart gelten kann. Vielmehr sollte der Grad der Zugänglichkeit zum betreffenden Netzwerk mitberücksichtigt werden, der unter anderem bestimmt wird durch: - die technischen Charakteristika des Netzwerks; - die Methode der Datenkommunikation; und - die Zugangs- und Sicherheitsvorschriften Zum Beispiel kann eine Information, die auf dem World Wide Web abgelegt wird, obwohl auf den ersten Blick dem Publikum öffentlich zugänglich, tatsächlich dennoch nicht zugänglich sein, wenn ein sicheres Passwort erforderlich ist, um den Zugang zu ermöglichen; andererseits macht eine Übertragung von einem Sender zu einem Empfänger die 3 Information nicht zugänglich, dennoch kann eine solche Übertragung eine Offenbarung darstellen, wenn es sich beim Empfänger um eine Gruppe von Personen handelt, die an keine Vertraulichkeit gebunden sind. Die bestehenden Gesetze stellen massgebliche Kriterien zur Verfügung, um zu bestimmen, ob eine Information öffentlich zugänglich gemacht wurde. Im Hinblick auf die zunehmende Notwendigkeit, diese neuen Kommunikationsmittel einzusetzen, und auf den zunehmenden Druck, frühzeitig zu publizieren, wäre die Einführung einer Schonfrist, die der Priorität der Pariser Verbandsübereinkunft vorausgeht, wieder zu erwägen, und zwar in dem Sinn wie bereits bei früherer Gelegenheit durch die AIPPI vorgeschlagen in (Q 75). Veröffentlichung Der gesetzliche Begriff der Veröffentlichung wird unterschiedlich verstanden und definiert, einerseits durch das Urheberrecht und andererseits in verschiedenen anderen Immaterialgüterrechtsgesetzen. „Veröffentlichung“ im Patentrecht bedeutet, dass Information Dritten ausserhalb des Kontrollbereichs des Schöpfers zugänglich gemacht wird. Im Gegensatz dazu hat dieser Begriff im Urheberrecht eine genaue, wenn auch unterschiedliche Bedeutung, je nach anwendbaren internationalen Übereinkommen und nationalen Gesetzen. Der Begriff der „Veröffentlichung“ verursacht ausserhalb des Bereichs des Urheberrechts keine spezifischen Probleme, die sich besonders auf Informationsnetzwerke beschränken würden. Die Situation im Urheberrecht verursacht andererseits eine Vielzahl von Problemen, die zur Zeit durch nationale und internationale Behörden geprüft werden. Die AIPPI drückt ihre Hoffnung aus, dass diese Probleme schlussendlich im Interesse der Autoren und Inhaber von Urheberrechten gelöst werden. ********* 4