Krebs und Vererbung Familiäre Krebserkrankungen Dr. Dagmar Lang Ärztin Praxis für Humangenetik Erlenring 9 35037 Marburg www.humangenetik-marburg.de Gliederung Einführung ins Thema Die Genetische Beratung Familiärer Brustkrebs Familiärer Darmkrebs Zusammenfassung Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 2 DNA Gene (Erbmerkmale) Chromosomen 23 23 Befruchtete Eizelle 46 46 Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 46 Tochterzellen 3 Krebsgene Proto-Onkogene: steuern und steigern Wachstum und Teilung von Zellen Tumor-Suppressorgene : hemmen Wachstum und Teilung von Zellen Reparaturgene: können Mutationen wieder rückgängig machen (reparieren) Mutationen in diesen Genen führen zu Fehlsteuerungen und ungeregelten Zellteilungen Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 4 Mutationen Mutation = Veränderung einer Erbanlage, die auf Tochterzellen vererbt wird Somatische Mutation Keine Vererbung an Nachkommen Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg KeimbahnMutation Wird mit 50 % W (1:1) an an Nachkommen weitergegeben 5 Entstehung von Mutationen Spontan (ohne erkennbaren Anlass) Angeborene Veranlagung Äußere Faktoren (z.B. UV-Strahlen, Tabakrauch, Virusinfektionen, Schimmelpilzgifte, Radioaktivität) Alter (Abnahme der Reparaturfähigkeit des Organismus) Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 6 Erbgänge Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 7 Genetische Untersuchung = Mutationsnachweis Sporadische Tumore Erblich bedingte Tumore aus Tumorzellen z.B. Knochenmarkzellen aus allen verfügbaren Zellen in der Regel Armvenenblut genaue Diagnose, Prognose (Remission), Therapieentscheidung z.B. Philadelphia-Chr. K-Ras-Gene Her 2 - Gen Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg Keimbahnmutation, Voraussetzung für die prädiktive Untersuchung gesunder Anghöriger, eigene Prognose (Risiko 2.-Ca) z.B. BRCA 1 / 2 , Darmkrebsgene 8 Neigung zu Krebserkrankungen Gewisse Veranlagung äußere Einflüsse Neumutationen Eine bestimmte (mono)genetische Veränderung führt zu einem bestimmten genetischen Syndrom (z.B. Down Syndrom, NF, ATM) Disposition zu Krebserkrankungen Keimbahnmutation in 1 Gen mit Schlüsselfunktion Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 9 Entstehung von Krebserkrankungen 1. Mutation 2. Mutation x x x Krebs Tumorsuppressor-Gene z. B. familiärer Brustkrebs (BRCA1/2) 1. Mutation 2. Mutation x x x Gen. Instabilität x Weitere Mutationen x x Krebs Reparatur-Gene z. B. familiärer Darmkrebs (HNPCC) Krebs Sporadischer Krebs Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 10 Ablauf einer genetischen Beratung Für die genetische Beratung genügt ein einfacher Überweisungsschein (z. B. vom Hausarzt ausgestellt ) Klärung des individuellen Erkrankungsrisikos durch: − Eigenanamnese − Familienanamnese − Befundberichte Möglichkeiten, Grenzen und Konsequenzen einer genetischen Untersuchung werden erläutert Hilfe bei der Entscheidung für / gegen eine genetische Untersuchung Nach Untersuchung Erläuterung des Ergebnisses Konsequenzen aus dem Ergebnis für Ratsuchende und Familienangehörige Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 11 Brust- und Eierstockkrebs Auftreten in % 5% Familiär, erblich bedingt (BRCA1, BRCA2, AD) 25% Familiäre Häufung 75% Isoliertes Auftreten Jede 8.-10. Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brust- oder Eierstockkrebs Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 12 Eine genetische Beratung ist sinnvoll bei: Zwei an Brustkrebs Erkrankten, davon eine unter 50 Jahren Drei oder mehr an Brustkrebs Erkrankten, unabhängig vom Alter Eine unter 30 Jahren an Brustkrebs Erkrankte Eine unter 40 Jahren an zweiseitigem Brustkrebs Erkrankte Mindestens eine an Brustkrebs und eine an Eierstockkrebs Erkrankte Zwei oder mehr an Eierstockkrebs Erkrankte Mann mit Brustkrebs Bei allen, die eine erbliche Erkrankung für sich oder ihre Kinder befürchten Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 13 Bei der Beratung werden erfasst Vollständiger Stammbaum über mindestens drei Generationen Diagnose aller Tumoren für alle betroffenen Angehörigen Alter bei Erstdiagnose für alle Tumorpatienten in der Familie Alter und Geschlecht für alle betroffenen und nicht betroffenen Familienangehörigen Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 14 Kriterien für Keimbahnuntersuchung Hochrisikogruppen für fam. Brustkrebs A: Betroffene und nicht Erkrankte 1. und 2. Grades mit 2 und mehr Erkrankten, davon 2 unter 50 Jahren B: Betroffene und nicht Erkrankte 1. und 2. Grades mindestens 1 mal Brustkrebs und 1 mal Eierstockkrebs C: Betroffene und nicht Erkrankte 1. Grades mit 3 und mehr Erkrankten Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 15 Genetische Beratung Kriterien für Keimbahnuntersuchung erfüllt Keine Untersuchung gewünscht erweitertes Früherkennungsprogramm Untersuchung einer Erkrankten Keine Mutation Mutation nachgewiesen Keine prädiktive Untersuchung. Erweitertes Früherkennungsprogramm für alle Risikopersonen Prädikative Untersuchung möglich bei allen Risikopersonen Familiäre Mutation bei Ratsuchenden Hohes Risiko für Krebs ; erweitertes Früherkennungsprogramm Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg Keine familiäre Mutation bei Ratsuchenden Bevölkerungstypisches Krebsrisiko; normale Vorsorge 16 Früherkennungsprogramm Monatlich: Selbstabtasten ½ jährlich: ab 25.Lebensjahr Untersuchung Brüste, Achsel, Eierstöcke, Ultraschall der Brust Jährlich: Mammografie ab 30.Lebensjahr, Kernspin von ca. 25. - 55. Lebensjahr, Ultraschall Eierstöcke, Tumormarker Zusätzlich kann über medikamentöse und chirurgische Prophylaxe nachgedacht werden, z. B. Eierstöcke entfernen Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 17 Risiko bei Keimbahnmutation Ca. 80% Risiko für Brustkrebs bei Frauen Ca. 20-60% Risiko für Eierstockkrebs (je nach Mutation) Erhöhtes Risiko auch für Gebärmutterkrebs Männer mit BRCA1-Mutation haben ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs und Brustkrebs Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 18 Darmkrebs 5% familiär, erblich bedingt Auftreten in % 25% familiäre Häufung 75% isoliertes Auftreten Ca. 70.000 Neuerkrankungen/Jahr Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 19 Eine genetische Beratung ist sinnvoll: Mehrere Betroffene in einer Familie an Darmkrebs oder assoziierten Tumor erkrankt Gebärmutter-, Magen-, Dünndarm-, ableitende Harnwege-, Gallenwege-, Eierstock-, Hirn- und Hautkrebs Mehrfache Tumoren bei 1 Betroffenen Einzelerkrankungen bei jungen Betroffenen Polyposis-Erkrankung Bei allen, die eine erbliche Erkrankung bei sich oder ihren Angehörigen befürchten Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 20 Erblicher Darmkrebs − HNPCC: MLH1-Gen MSH2-Gen MSH6-Gen PMS1-Gen PMS2-Gen MSH3-Gen − FAP: APC-Gen Vor genetischer Untersuchung muss eine umfassende klinische Diagnostik erfolgen: − Anamnese − Familiäres Tumorspektrum − Ggf. Zahl und Lokalisation von Polypen − Histologie des Tumors Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 21 HNPCC (erblicher Darmkrebs ohne Polyposiserkrankung) Klinische Hauptmerkmale: Autosomal dominanter Erbgang Frühes Erkrankungsalter (Durchschnitt 45J.) Häufig 2.-Karzinom Krebs im rechten Dickdarmabschnitt Häufung anderer Tumoren in der Familie Histologie: häufig Siegelring-Adeno-Karzinome mit entzündlicher Beteiligung Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 22 Amsterdam Kriterien Alle Kriterien müssen erfüllt sein. − mindestens drei Familienangehörige mit HNPCCassoziiertem Karzinom (Kolon/ Rektum, Gebärmutter, Dünndarm, Nierenbecken/Ureter) − einer davon Verwandter ersten Grades der beiden anderen − Erkrankungen in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Generationen − mindestens ein Patient mit der Diagnose eines Karzinoms vor dem 50. Lebensjahr − Ausschluss einer FAP (Familiäre adenomatöse Polyposis) Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 23 Bethesda-Kriterien 1 Betroffener mit 2 Dickdarmtumoren oder 2 assoziierten Krebserkrankungen 2 Betroffene mit Dickdarmkrebs und/oder assoziierten Krebserkrankungen, davon einer vor dem 45.Lebensjahr oder mit Adenom vor dem 40.Lebensjahr 1 Betroffene jünger als 45 Jahre mit Darm- und Gebärmutterkrebs 1 Betroffener mit Krebs im rechten Dickdarmabschnitt, mit auffälliger Histologie, jünger als 45 Jahre Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 24 Genetische Untersuchung Alle Amsterdam-Kriterien erfüllt Untersuchung auf Keimbahnmutation direkt möglich 1 Bethesda-Kriterium erfüllt Voruntersuchung von Tumorgewebe (Mikrosatelliteninstabilität und/oder immunhistochemische Untersuchungen) Bei weiter bestehendem Verdacht auf HNPCC: Untersuchung auf Keimbahnmutation Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 25 Wie hoch ist das Erkrankungsrisiko bei Keimbahnmutation (Lebenszeitrisiko)? 90% Risiko für Krebserkrankung allgemein 80% Risiko für Dickdarmkrebs 50% Risiko für Gebärmutterkrebs bei Frauen 70% Risiko für 2. Krebserkrankung Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 27 Früherkennungsprogramm ab 25.Lebensjahr Komplette Darmspiegelung jährlich Körperliche Untersuchung jährlich Bauchultraschalluntersuchung jährlich Gynäkologische Untersuchung inklusive vaginalem Ultraschall Ggf. Magen und Dünndarmspiegelung Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 28 Auswahl familiärer Krebserkrankungen Retinoblastom RB1 FAP APC MEN2 RET Malignes Melanom CDKN2A (=P16) VHL VHL Li-Fraumeni TP53 Wilms-Tumor WT1 Nierenzellkarzinom MET Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 29 Zusammenfassung Keimbahnmutation mit Schlüsselfunktion Schlüsselmerkmale − Mehrere nahe Verwandte − In mehreren aufeinanderfolgenden Generationen − Erstdiagnose in jüngeren Jahren als üblich − Mehrere Tumoren bei einer Person (nicht Metastasen!) Genetische Beratung − Gegebenenfalls Genetische Untersuchung von Risikopersonen Genetische Leistungen sind Kassenleistungen und werden bei gegebener Indikation in vollem Umfang übernommen Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg 30 Gründe für die genetische Beratung Der Verdacht einer erblichen Erkrankung bei den Ratsuchenden bzw. deren Familien Geburt eines kranken Kindes Wenn Kinderwunsch besteht und eine Behinderung (geistig und/oder körperlich) in der Familie bekannt ist Risiken, die im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge für das werdende Kind festgestellt werden (erhöhtes Alter der Mutter, Auffälligkeiten bei der Ultraschalluntersuchung, auffälliger sog. Triple-Test) Medikamenteneinnahme in der Schwangerschaft Röntgenaufnahmen in der Schwangerschaft Vorliegen einer Verwandtenehe wiederholte Fehlgeburten unerfüllter Kinderwunsch vor einer künstlichen Befruchtung (ICSI, IVF) gehäuftes Auftreten von Krebserkrankungen in der Familie Dr. Dagmar Lang, Praxis für Humangenetik, Erlenring 9, Marburg, Tel.: 06421 / 17 50 765 www.humangenetik-marburg.de 31