228 Himmlische Sehnsüchte – Irdische Regungen Thema: Himmlische Sehnsüchte Irdische Regungen Schwule Ordensleute Udo Rauchfleisch Psychologische Reflexionen zur Situation schwuler Ordensangehöriger D I E C H A R A K T E R I S I E R U N G schwule Ordensangehörige löst bei vielen katholischen Christen (weniger bei Christinnen) und vor allembeidenLeitendeninderkatholischenKirchesicherBefremdenaus. Entweder wird – zumindest offiziell – die Existenz schwuler Ordensleute striktgeleugnet,odereswirdbeimSichtbar-WerdenbeispielsweiseschwulerPriestervon»Einzelfällen«gesprochen,wodurchverhindertwerdensoll, dasskritischeFragennachdemLebendieserMännerundnachdenStrukturenderKirchegestelltwerdenkönnten.DennochwissenwirausverlässlichenSchätzungen,dassimKlerusundindenklösterlichenGemeinschaften derAnteilvonMännernmitgleichgeschlechtlichenOrientierungendeutlich grösserist(erliegtbeica.20bis25%)alsinderübrigenBevölkerung. Udo Rauchfleisch: Psychologische Reflexionen 229 Hingegen wissen wir so gut wie nichts über die Situation gleichgeschlechtlichorientierterFrauenindenFrauenklöstern,obwohlauchhiermit einemgrossenAnteilzurechnenist.HierzeigtsichdasinteressantePhänomen,dassimBereichgleichgeschlechtlicherOrientierungenundLebensweisendieinderGesamtgesellschaftbestehendenTendenzenindeutlichausgeprägtererForminErscheinungtreten:Diesgiltbeispielsweisefürdendie GesamtgesellschaftprägendenJugendkult,derinderschwulenSzenejedoch extremereFormenannimmt,undfürdieTendenzvonMännernschlechthin, unabhängigvonihrersexuellenOrientierung,einegrössereZahlvonsexuellenBeziehungeneinzugehen(wasSchwulendassiediskriminierendeEtikett,»promisk«zuleben,eingetragenhat),ebensowiefürdieTendenzvon Frauen,ehermonogameBeziehungen,wiesievonLesbeninbesondersausgeprägterFormgelebtwerden,zupflegen,undfürdieTatsache,dassFrauen in unserer Gesellschaft nach wie vor kaum als Menschen mit eigenem sexuellenBegehrenangesehenwerden,wassichimgleichgeschlechtlichen Bereich darin zeigt, dass Lesbenpaare von der Umgebung oft lediglich als »Freundinnen«undnichtalsPartnerinnenwahrgenommenwerdenunddass gleichgeschlechtlichorientierteOrdensfrauenoffiziell»inexistent«sind. DieSituationschwulerOrdensmännerzeichnetsichauspsychologischer SichtvorallemdurchdreiAspekteaus:1)durchdasSpannungsfeld,einerseitsdiegleichgeschlechtlicheOrientierungwenigstenseinStückweitinder OrdensgemeinschaftlebenzukönnenundandererseitsdiesexuelleOrientierunggeradeimengstenLebenskreispermanentverheimlichenzumüssen, 2)durchdieverhängnisvollenFolgenderoffiziellenVerlautbarungenderkatholischenKirchezurHomosexualität,und3)durchdieSchwierigkeiten,die äusserlichwieinnerlichaufbrechen,wennOrdensmännerSchritteaufdem WegihresschwulenComing-outtunwollen. 1.SpannungsfeldzwischenVerheimlichungundLebendergleichgeschlechtlichenOrientierunginderOrdensgemeinschaft Wieeingangserwähnt,wirddieTatsache,dassesschwuleOrdensangehörige–undzwaringrosserZahl–gibt,offiziellgeleugnet.Homosexualität existiertzwarindenoffiziellenVerlautbarungen,imWeltkatechismusundin denverschiedenenVerlautbarungenderGlaubenskongregation.Dochgeht es hier immer ausdrücklich nur um eine negative Konnotation. Ich werde weiteruntennochaufdiedarausfürschwuleOrdensmännererwachsenden Probleme eingehen. Für das Leben im Orden bedeutet dies, dass schwule MännerineinerzentralenDimensionihrerPersönlichkeitoffiziellnichtexistierenundinBezugaufdiesenKernihrerPersönlichkeittotalentwertetwerden.DieFolgeist,dasssieihresexuelleOrientierungvielfachverleugnen, 230 Himmlische Sehnsüchte – Irdische Regungen insbesonderewennsieineinerkonkretengleichgeschlechtlichenBeziehung gelebtwird. Gewissmagesmituntermöglichsein,indemspirituellenRahmen,den dieOrdensgemeinschaftbietet,–wieauchmancheheterosexuellorientierte Ordensmänner–einegewisseSublimierungzuerreichenundeinzölibatäresLebenzuführen.DieswirdjedochgeradefürSchwulezueinembesonderenProblem,weilsie,andersalsheterosexuelleOrdensangehörige,nicht nureinenKampfgegenihrealsverpöntgeltendensexuellenImpulseführen müssen,sondernvonKindheitanerfahrenhaben,dasszudemdieRichtung ihressexuellenBegehrenseineschwereSündesei.DasausdiesemKonflikt resultierendeVerheimlichen der gleichgeschlechtlichen Orientierung führt zubesondersintensivenGefühlenderEinsamkeit,desAusgeschlossen-Seins, derSchuldundderSchamundkannzueinerQuellepermanenterSelbstentwertungwerden. ImGegensatzzudieserTendenzzurVerheimlichungderschwulenOrientierungstehtdieTatsache,dassinderOrdensgemeinschaftgleichgeschlechtlichesBegehreneinStückweitgelebtwerdenkann.EinbesonderesMerkmalderOrdensgemeinschaftistjageradedieTatsache,dassdieMitglieder demgleichenGeschlechtangehören,undseitaltershersindindenKlöstern auchgleichgeschlechtlicheBeziehungengelebtworden.1Insofernbietetdie OrdensgemeinschafteinenRahmen,indeminsublimierterFormwieauch mitunterinkonkretenBeziehungendiegleichgeschlechtlicheOrientierung gelebtwerdenkann.DiesistwohlauchfüreinenTeilderschwulenOrdensangehörigenmiteinGrundfürdenEintrittindieGemeinschaftgewesen. DiewenigstenvonihnenwerdenjedochindieserSituationohnegrosse Konflikteleben.ImGegenteil!DasZusammenlebenmitanderenMännern befriedigt zwar bis zu einem gewissen Grad die gleichgeschlechtlichen Bedürfnisse, stellt zugleich aber auch eine permanenteVersuchungs- und Versagungssituationdar–wieesähnlichfüreinenheterosexuellenOrdensmannwäre,derineinemFrauenklosterlebte!Diesgiltganzbesondersfür diejenigen,dieindenOrdenmitderHoffnungeingetretensind,derspirituelleRahmenwerdeihnenhelfen,ihrgleichgeschlechtlichesBegehrentotal auszulöschen. 2.FolgenderoffiziellenVerlautbarungenderkatholischenKirchefür schwuleOrdensangehörige Füralle,dieeinetraditionellekatholischeSozialisationdurchlaufenhaben –unddiestrifftwohlfürdenweitausgrösstenTeilderspäterenOrdensan1 Vgl.dieBeiträgeinWeSTh9(HeftNr.1,2002)vonMartinHüttinger,DieKörper widerstehen einander – der Kampf um die Lust. Schwule Kirchenväter von der AntikebiszurNeuzeit,S.17-22undAndreasMittler,PortraitskizzeeinesKirchenmannes.VersucheinesAugustinus-Psychogramms,S.4-9. Udo Rauchfleisch: Psychologische Reflexionen 231 gehörigezu–,warvonKindheitanklar,dassHomosexualitätzueinerder schwersten Sünden gehört. Ebenso klar spürbar war für die meisten aber auch von Kindheit an, dass sie nicht heterosexuell, sondern homosexuell orientiertsind.AuchwennderWeltkatechismusundandereVerlautbarungen zwischenAnlage undVollzug differenzieren, bringt dies keine Entlastung.EsbedeutetfürMenschenmitgleichgeschlechtlichenOrientierungen imGegenteilvielmehreinenzusätzlichenDruck,weilihnenmitdieser–aus psychologischerSichtvölligunsinnigen–UnterteilungeinezusätzlicheLast auferlegt wird und sie einer letztlich unerfüllbaren Forderung ausgesetzt werden. HinzukommtdiefürdiePersönlichkeitsentwicklungeinesschwulenkatholischenChristenenormbelastendeTatsache,vonoffiziellerSeiteimmer wiederundausschliesslichnegativeÄusserungenüberseinesexuelleOrientierung zu hören.2 Diese negative Bewertung hat nochmals tiefgreifendere FolgenalsdienegativeHaltung,aufdieLesbenundSchwulesonstinmanchenTeilenunsererGesellschafttreffen,3weilesimreligiösenBereichungleichschwererist,sichemotionalzudistanzieren.EssindfürdenBetreffendennicht»irgendwelche«Meinungenvonmehroderwenigerunwichtigen NachbarnoderBezugspersonen,sondern»offizielle«Verlautbarungeneiner Kirche,diefürihnvonexistenziellerBedeutungistundderersichzutiefst verbundenfühlt. IstdiesschonfürschwulekatholischeMännergenerelleinschwerlösbarerKonflikt,sowirddieSituationnochmalsbrisanter,wennesumschwule Ordensangehörigegeht.Siekönnenundwollennicht,wieandere,deroffiziellenKircheundihrenInstitutionentotaldenRückenkehrenundsichbeispielsweiselesbisch-schwulenBasiskirchenanschliessen,sondernsieleben geradeindemUmfeld,dassieimKernihrerPersönlichkeitentwertetundablehnt.GewissgestaltetsichdasLebendereinzelnenschwulenOrdensangehörigenjenacheigenerPersönlichkeitundderjeweiligenUmgebungunterschiedlich,wieauchdieBeiträgeindiesemThemenheftzeigen.Dochstehen 2 Vgl.ChristianKäufl,GraueJungs.KircheundHomosexualitätinderWahrnehmunghomosexuellerMänner,Mainz2000undM.Steinhäuser,Homosexualität alsSchöpfungserfahrung.EinBeitragzurtheologischenUrteilsbildung,Stuttgart 1998. 3 Vgl.MichaelBochow,EinstellungenundWerthaltungenzuhomosexuellenMännerninOst-undWestdeutschland.In:C.Lange(Hg.):Aids–EineForschungsbilanz.Berlin1993.–Ch.Knoll,M.Edinger,G.Reisbeck,Grenzgänge.Schwule und Lesben in derArbeitswelt, München 1997. – Udo Rauchfleisch,Arbeit im psychosozialenFeld.Beratung.Begleitung,Psychotherapie,Seelsorge,Göttingen 2001.–A.Schneeberger,PsychosomatischeFolgenundBegleitphänomeneder DiskriminierungamArbeitsplatzbeiMenschenmithomosexuellerOrientierung, Diss.Med.Fakult.Basel1998(erscheint2002in»Schweiz.Arch.Neurol.Psychiat.«). 232 Himmlische Sehnsüchte – Irdische Regungen schwuleOrdensmänneraufgrundderbeschriebenenSituationgenerellunter einemstarkenDruck,undesbestehtdieGefahr,dasssie–wieMenschen imallgemeinen–dienegativenEinstellungenderUmgebung,ihnenselbst oftnichtbewusst,inihrSelbstbildübernehmen.Durchdieseinternalisierte Homophobie4 kann es dann zu massiven Selbstentwertungen, quälenden Schuld- und Schamgefühlen, mitunter bis zum Suizid, kommen, und/oder es wird die eigene abgelehnte Homosexualität an anderen bekämpft, eine tragischeDynamik,diesichgeradeinkirchlichenKreisenbeidenscharfen KritikernderHomosexualitäthäufigfindet. 3.SchwulesComing-outimOrden IstschondasWortpaar»schwuleOrdensangehörige«füretlicheKatholiken schwerverdaulich,soklingtdieFormulierung»schwulesComing-outimOrden«zweifellosfürvielewiezweisichgegenseitigabsolutausschliessende Dinge.DennochzeigenErfahrungenvonOrdensangehörigen(sieheu.a.die Beiträge in diesem Heft), dass es ein Coming-out im Orden durchaus gibt und dass dies, wenn diese Schritte gewagt werden und gelingen, zu einer enormenEntlastungführt.DerProzessdesComing-outumfasstbekanntlich zwei Dimensionen, die in engerWechselwirkung miteinander stehen: das innereGewahrwerdenundAkzeptierendergleichgeschlechtlichenOrientierungsowiedasSichtbar-MachenderOrientierunggegenüberderUmgebung unddasFindeneinesspezifischenLebensstils.5Wieobenbeschrieben,resultierenausdenoffiziellenVerlautbarungenderkatholischenKircheerhebliche Behinderungen beim Aufbau einer positiven gleichgeschlechtlichen Identität. DieserWegistfürOrdensleuteundPriesterzwaroftschwierigeralsfür andere schwule Männer. Es wäre jedoch eine verzerrte, einseitig negative Sicht,zumeinen,unterdiesenBedingungenseidieEntwicklungeinerpositiven schwulen Identität prinzipiell nicht möglich. Gleichgeschlechtlich empfindendeMenschensindjavonKindheitangezwungen,sichüberdie eigenenGefühleundStrebungenRechenschaftabzulegenundsichmitihrem»Anders-Sein«auseinanderzusetzen.DiesbringtzwaretlicheSchwierigkeitenmitsich,denenHeterosexuelleindiesemAusmassnichtausgesetzt sind,undstelltgrössereAnforderungenandiepsychischeVerarbeitungsfähigkeitvonSchwulen.ZugleichstelltdasGewahrwerdenundAkzeptieren dergleichgeschlechtlichenOrientierungunddasFindeneinesentsprechendenLebens-undBeziehungsstilsaberaucheineproduktiveHerausforderung 4 Vgl.UdoRauchfleisch,J.Frossardu.a.,Gleichunddochanders.Psychotherapie undBeratungvonLesben,Schwulen,BisexuellenundihrenAngehörigen.Stuttgart2002. 5 Vgl. Udo Rauchfleisch, Schwule. Lesben. Bisexuelle. Lebensweisen,Vorurteile, Einsichten,Göttingen32001. Udo Rauchfleisch: Psychologische Reflexionen 233 darundkann,wieEdmundWhiteesinseinemEssay»DerschwulePhilosoph«6beschriebenhat,geradezuzueinerbesondersreflektierten»philosophischen«Grundhaltungführen. Insofern ist ein Coming-out im Sinne des Akzeptierens der eigenen gleichgeschlechtlichen Orientierung für schwule Ordensmänner durchaus möglich.BegrenztersindindesimallgemeinendieMöglichkeitenweiterer SchritteaufdemWegdesHinaustretensindieÖffentlichkeitunddesFindens eines spezifischen gleichgeschlechtlichen Lebens- und Beziehungsstils.AuchhierbestehenjenachPersönlichkeitderBetreffendenundnach denBedingungen,unterdenensieleben,grosseindividuelleUnterschiede. SchwierigkeitenerwachsenihnenaberaufjedenFallinfolgedereindeutig negativenoffiziellenVerlautbarungen.Besondersschwierigwirdesfürdiejenigenunterihnen,diesichniemandemzueröffnenwagenundinderoben beschriebenen permanentenVersuchungs- undVersagungssituation mit ihreninnerenKonfliktenvölligalleingelassensind. Hinzukommt,dassOrdensangehörigemitheterosexuellerOrientierung in der Öffentlichkeit und auch in kirchlichen Kreisen eher mitVerständnis rechnen können, wenn sie sexuelle Beziehungen eingehen und u. U. den Orden verlassen. In der schweizerischen Vereinigung ZöFra (»Verein der vomZölibatbetroffenenFraueninderSchweiz«)habensiesogareineihre SituationindieÖffentlichkeittragende,alsLobbyfürsiewirkendeGruppe gefunden.GanzandersisteshingegenfürschwuleOrdensangehörige:Ihre sexuelle Orientierung wird in den offiziellenVerlautbarungen der katholischenKircheabgelehntundentwertet,siehabendiesenegativenBilderim SinnederinternalisiertenHomophobiemehroderwenigerverinnerlichtund besitzen keine Lobby, die ihreAnliegen in die Öffentlichkeit trägt und sie unterstützt.EinegleichgeschlechtlicheBeziehungeinzugehenistfürschwule OrdensmännereindoppelterTabubruch,indemnichtnur–wiebeidenheterosexuellenMitbrüdern–dasZölibatsgebotgebrochenwird,sondernder VollzuggleichgeschlechtlicherSexualitätselbstvonderkatholischenKirche als schwere Sünde betrachtet wird. Ausserdem stehen diesen Männern in derRegelkeineModellegleichgeschlechtlicherBeziehungenzurVerfügung. IndieserschwierigenSituationsindschwuleOrdensangehörigeweitgehend allein gelassen. Einzig die in verschiedenen Ländern gegründeten Vereinigungen schwuler Priester (so in der Schweiz derVerein ADAMIM) bieten schwulenOrdensangehörigenRückhalt,SolidaritätundUnterstützungund vertretenihreAnliegengegenüberderÖffentlichkeit.DenMutaufzubringen, sicheinersolchenGruppeanzuschliessen,bedeutetjedoch,bereitsgrosse SchritteaufdemWegderSelbstakzeptanzgetanzuhaben. 6 EdmundWhite,DerschwulePhilosoph.In:EdmundWhite,DiebrennendeBibliothek.München1996,S.33-52. 234 Himmlische Sehnsüchte – Irdische Regungen 4.Wasistzutun? DasübergeordneteZielseheichdarin,dassgleichgeschlechtlichempfindendeOrdensangehörigeihresexuelleOrientierungalsgöttlichesGeschenkim SinneeinesCharisma7bejahen,alsderHeterosexualitätgleichwertigbetrachten und damit sich selbst akzeptieren können und, falls sie dies möchten, ihrgleichgeschlechtlichesBegehrenineinerPartnerschaftlebenundgestaltendürfen.Miristklar,dassunterdenheutigenBedingungendasErreichen diesesZielsinrechtweiterFerneliegt.Docherscheintesmirwichtig,eine solcheVisionaufrechtzuerhalten,erwächstdochausihrdieMotivationund dieKraft,Dingezuverändern,diedringendverändertwerdenmüssen. AufdemWegzudemgenanntenZielsindvierSchrittenötig,diemiteinanderinengerWechselwirkungstehen: 1)SchwulePriesterundOrdensangehörigebedürfeneinerLobby,dieihnenSolidaritätbekundet(waswiederumdieSelbstakzeptanzstärkt)undihre AnliegengegenüberderKirchenleitungundderbreiterenÖffentlichkeitvertritt.DiebereitsbestehendenVereinigungenschwulerPriestermüssenausgebautunddurchbreitangelegteUnterstützungsgremienverstärktwerden. Ausserdemmussversuchtwerden,inKircheundGesellschaftalleKräfte,die dengleichgeschlechtlichenOrientierungenwertschätzendgegenüberstehen, zusammenzufassenundihreAktivitätenzukoordinieren. 2) Für die konstruktive Auseinandersetzung mit der Situation schwuler –undlesbischer–OrdensangehörigeristdieEnttabuisierungundEntpathologisierungderHomosexualitätdringendnotwendig.IndenMedienundin derpsychologisch-psychiatrischenFachliteraturistdiesindenletztenJahren durchaus geschehen. Mitunter taucht das Thema »Homosexualität« aber im Zusammenhang mit spektakulären Ereignissen auf, so in jüngster Zeit anlässlich der sexuellen Übergriffe von Priestern gegenüber Kindern und Jugendlichen, wobei hier eine unheilvolle – und keineswegs zutreffende –VerknüpfungzwischenHomosexualitätmitPädosexualitätvorgenommen wird.EingutesBeispielfüreinekonstruktiveAuseinandersetzungmitdem Thema »Homosexualität« stellt die sehr differenzierte Stellungnahme des KatholischenFrauenbundesderSchweizzumThemagleichgeschlechtlicher Orientierungendar(wasdennauchentsprechendnegativeReaktionender SchweizerBischöfehervorgerufenhat!). 7 Vgl.JensWeizer,VomandernUfer.SchwulefordernHeimatinderKirche,Düsseldorf1995. Udo Rauchfleisch: Psychologische Reflexionen 235 3)AufdiesemWegistdaraufhinzuwirken,dassinderbreiterenÖffentlichkeitundvoralleminkirchlichenKreisendiegleichgeschlechtlicheOrientierungalseinederHeterosexualitätgleichwertigeOrientierungakzeptiert wird.DiesisteineVoraussetzungdafür,dassauchschwuleOrdensangehörigeihreOrientierungselbstakzeptierenundeinkonstruktivesComing-out durchlaufenkönnen. 4)DiebeschriebenenSchrittesindindesnurmöglich,wenndiekatholischeKirchebereitist,sichdenheutigenhumanwissenschaftlichenKenntnissen zu öffnen, und wenn tiefgreifende Änderungen in der katholischen Sexualmoralvorgenommenwerden.DiesistderwohlschwierigsteSchritt, weil es hier nicht nur um dasThema »Homosexualität« geht, sondern um weitreichende Fragen wie Empfängnisverhütung, voreheliche sexuelle Beziehungen, Selbstbefriedigung, Zölibat und Frauenordination, um nur die wichtigstenzunennen.Unddasheisst:EssindgrundsätzlicheVeränderungen in den patriarchalen, homophoben Machtstrukturen der katholischen Kirchevorzunehmen! Udo Rauchfleisch ist Professor für Klinische Psychologie an der Psychiatrischen Universitäts-Poliklinik Basel. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Udo Rauchfleisch, Hauptstr.49,CH-4102Binningen.