Springer-Lehrbuch Einführung in die Diskrete Finanzmathematik Bearbeitet von Jürgen Kremer 1. Auflage 2005. Taschenbuch. XVI, 500 S. Paperback ISBN 978 3 540 25394 5 Format (B x L): 15,5 x 23,5 cm Gewicht: 1580 g Weitere Fachgebiete > Mathematik > Mathematik Allgemein > Diskrete Mathematik, Kombinatorik Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte. 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Die Aktienkurse zum aktuellen Zeitpunkt sind bekannt, nicht aber diejenigen in einem Jahr. Damit ist auch ungewiß , was ein Derivat, etwa eine Call-Option, in einem Jahr wert sein wird. Eine Call-Option beinhaltet das Recht, eine Aktie S zu einem bereits heute festgelegten Preis K zu einem zukünftigen Zeitpunkt T kaufen zu dürfen. Es liegt im Ermessen des Eigentümers der Call-Option, sein Kaufrecht auszuüben oder nicht. Wird das Optionsrecht nicht ausgeübt, so verfällt die Option und wird wertlos. Besitzt die Aktie zum Zeitpunkt T einen Marktwert von X > K, so kann er sie mit Hilfe seines Optionsrechts zum Preis K kaufen und anschließ end an der Börse zum Preis X wieder veräuß ern. Auf diese Weise erzielt er einen Gewinn von X K > 0. Liegt der Marktwert der Aktie zum Zeitpunkt T aber unterhalb von K , gilt also X < K , so kann er das Optionsrecht nicht sinnvoll nutzen, und die Option ist in diesem Fall wertlos. In jedem Fall hängt der Wert der Option zum Zeitpunkt T vom Aktienkurs zu diesem Zeitpunkt ab und ist daher ebenfalls ungewiß . Nun können zwei extreme Positionen eingenommen werden. Die erste lautet, daßniemand verläß lich in die Zukunft schauen kann, daßnicht einmal eine genaue Vorhersage des Wetters der nächsten zwei Wochen möglich ist, und daßdaher jede Prognose über die Aktienkurse in einem Jahr ausgeschlossen ist. Unter diesen Voraussetzungen ist die Entwicklung einer sinnvollen Optionspreistheorie ausgeschlossen. Eine zweite, entgegengesetzte Position lautet, daßes mit einem ausgefeilten ökonomischen Modell möglich sein sollte, genaue Voraussagen über die Kurse der Zukunft zu machen. Werden nur alle wirtschaftlich und psychologisch relevanten Faktoren in einem entsprechend komplexen Modell richtig verarbeitet, so sind Zukunftsprognosen für Aktienkurse verläß lich möglich. Damit wiederum wird die Bewertung von Optionen zur Trivialität. Die moderne Finanzmathematik ordnet sich gewissermaß en zwischen diesen beiden Alles-oder-nichts-Positionen ein. Die grundlegende Annahme besteht darin, daßzwar die Entwicklung eines betrachteten Finanzmarktes in der Zukunft nicht vorausgesagt werden kann, daßaber die Klasse oder Men- 2 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte ge aller möglichen zukünftigen Szenarien dieses Marktes bekannt ist und daß genau eines dieser Szenarien eintreten wird. In diesem Kontext lassen sich Modelle so formulieren, daßdie möglichen Markt-Szenarien für zukünftige Zeitpunkte t > 0 zu Zustandsräumen t zusammengefaß t werden. Das einfachste nichttriviale Modell besteht darin, neben dem aktuellen Zeitpunkt 0 einen einzigen weiteren zukünftigen Zeitpunkt 1 zuzulassen, an dem der Markt genau einen Zustand ! aus einer endlichen Menge von Zuständen annehmen wird. Zum aktuellen Zeitpunkt 0 wird der Finanzmarkt als vollständig bekannt vorausgesetzt. So einfach dieses Modell auch erscheinen mag, es ist in der Analyse – wie wir sehen werden – erstaunlich reichhaltig, läß t sich zu komplexeren und realistischeren Modellen ausbauen und zeigt bereits viele wesentliche Eigenschaften der allgemeinen zeitstetigen Modelle. Das grundlegende Modell wird Ein-Perioden-Modell genannt und ist durch folgende Daten gekennzeichnet: Es gibt genau zwei Zeitpunkte, den Anfangszeitpunkt 0 und den Endzeitpunkt 1, wobei Handelsaktivitäten nur zum Zeitpunkt 0 möglich sind. Wir nehmen an, daßder Zustand des Finanzmarktes zum Zeitpunkt 0 bekannt ist und daßder Markt zum Zeitpunkt 1 in genau einen Zustand aus einer endlichen Menge von K Zuständen ! 1 ; : : : ; ! K übergehen wird. Zum Zeitpunkt 0 sind alle diese möglichen zukünftigen Zustände bekannt, nicht aber, welcher Zustand realisiert werden wird. Die Menge der möglichen Szenarien wird zu einem endlichen Zustandsraum zusammengefaß t, = f! 1 ; : : : ; ! K g: Es wird die Existenz einer endlichen Anzahl N von Wertpapieren S 1 ; : : : ; S N vorausgesetzt. Es gibt zu diesen Wertpapieren einen Preisprozess S = fSt = (St1 ; : : : ; StN ) jt = 0; 1 g. Dieser Prozess beschreibt die Preise der N Wertpapiere S 1 ; : : : ; S N zu den beiden möglichen Zeitpunkten 0 und 1. Die Preise S0i der Wertpapiere zum Zeitpunkt 0 sind Zahlen. Die Preise S1i hängen dagegen vom eintretenden Zustand ab, sind also Funktionen auf , S1i : ! R: Dabei bezeichnet S1i (!) den Kurs des i-ten Wertpapiers zum Zeitpunkt 1 im Zustand ! 2 .1 Sowohl die Preise S0i als auch die Werte S1i (!), ! 2 , sind den Investoren bekannt. Aber erst zum Zeitpunkt 1 entscheidet sich, welche Kurse S1i (!) zu diesem Zeitpunkt tatsächlich realisiert 1 O¤ensichtlich ist die Menge aller Funktionen X : wobei der Isomorphismus gegeben ist durch ! R isomorph zum RK , X 7! (X (! 1 ) ; : : : ; X (! K )) : Damit ist der PreisprozeßS1 = S11 ; : : : ; S1N isomorph zum RKN . 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte 3 werden, denn erst in 1 stellt sich heraus, in welchen Zustand ! 2 Finanzmarkt übergegangen ist. der Zum Zeitpunkt 0 sind also die K Zustände der Menge = f! 1 ; : : : ; ! K g als Endzustände zum Zeitpunkt 1 möglich, und zum Zeitpunkt 1 wird genau einer dieser Zustände als Endzustand realisiert. !1 % & t=0 .. . !K t=1 Abb. 1.1. Beispiel eines Ein-Perioden-Modells mit K Zuständen Dieses Aufspalten der Menge in die Elementarzustände ! 1 bis ! K bildet ein Strukturgerüst, das durch das Hinzufügen von Kursdaten ergänzt wird. Zur Komplettierung des Marktmodells sind daher für die N Finanzinstrumente S 1 ; : : : ; S N des Modells zum Zeitpunkt 0 und für jeden Zustand ! 2 zum Zeitpunkt 1 Preise vorzugeben. Abb. 1.2 zeigt die für die Zeitpunkte 0 und 1 zu spezi…zierenden Kursdaten. 0 1 S01 . S0 = @ .. A S0N 0 t=0 % 1 S11 (! 1 ) B C .. S1 (! 1 ) = @ A . N S1 (!1) .. . & 0 1 S11 (! K ) B C .. S1 (! K ) = @ A . S1N (! K ) t=1 Abb. 1.2. Veranschaulichung der zu den Zeitpunkten t = 0 und t = 1 zu spezi…zierenden Kursdaten in einem Ein-Perioden-Modell 4 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Notation. Im folgenden werden Indizes, die Zustände und Zeitpunkte numerieren, tiefgestellt, während solche, die Finanzinstrumente numerieren, hochgestellt werden. Anmerkung 1.1. In der Praxis können Ein-Perioden-Modelle beispielsweise mit Hilfe von historischen Zeitreihen für jedes der interessierenden Finanzinstrumente S 1 ; : : : ; S N gebildet werden. Üblich sind Zeitreihen, die für jedes Finanzinstrument S i , i = 1; : : : ; N , aus den Tageskursen der letzten K = 250 Handelstage – dies entspricht etwa einem Jahr – bestehen. Als Ausgangsdaten steht dann für jedes der N Finanzinstrumente eine Zeitreihe mit je K + 1 Einträgen zur Verfügung, wobei S0i für i = 1; : : : ; N den aktuellen Kurs des i-ten Finanzinstruments bezeichnet. Mit Hilfe idieseri Daten werden nun für S S jedes Instrument i die Tagesrenditen Rij := j S1i j , j = 1; : : : ; K, berechj net, so daßpro Finanzinstrument K Renditewerte erhalten werden. Der Kern der Modellierung besteht darin, jede der K Tagesrenditen der Vergangenheit als mögliches Rendite-Szenario für den zukünftigen Tag zu de…nieren. Das auf diese Weise erhaltene Ein-Perioden-Modell besteht dann aus folgenden Daten: N Finanzinstrumente K Szenarien 0 11 S0 B .. C S0 = @ . A S0N 0 B S1 (! j ) = @ S01 S0N 1 1 + Rj1 C .. A für j = 1; : : : ; K. . N 1 + Rj Jede Tagesrendite Rij der letzten K Handelstage wird also durch die De…nition S1i (! j ) := S0i (1 + Rij ) in ein Kurs-Szenario für das i-te Finanzinstrument zum Zeitpunkt 1 umgesetzt, wobei 1 der folgende Handelstag ist. Beispiel 1.2. Wir betrachten folgendes Beispiel eines Ein-Perioden-Modells: S0 = 1 10 S1 (! 1 ) = 1:02 12 S1 (! 2 ) = 1:02 9 % & t=0 t=1 Hier wird ein Ein-Perioden-Modell mit zwei Zuständen ! 1 und ! 2 modelliert. In dieses Strukturgerüst werden die Daten für zwei Finanzinstrumente S 1 und S 2 eingefügt. 1.1 Portfolios 5 Das erste Finanzinstrument S 1 besitzt zum Zeitpunkt 0 den Wert S01 = 1. Zum Zeitpunkt 1 besitzt S 1 die Werte S11 (! 1 ) = S11 (! 2 ) = 1:02. Da hier die Kurse in beiden Zuständen übereinstimmen, entspricht dieses Finanzinstrument einer festverzinslichen Kapitalanlage. Im Beispiel beträgt der Zinssatz 2%. Das zweite Finanzinstrument S 2 besitzt zum Zeitpunkt 0 den Wert S01 = 10. Zum Zeitpunkt 1 besitzt S 2 die Werte S12 (! 1 ) = 12 und S12 (! 2 ) = 9. Damit könnte dieses Wertpapier als Aktie interpretiert werden, deren Kurs im ersten Szenario ! 1 vom Anfangskurs 10 auf den Wert 12 steigt und im zweiten Szenario ! 2 von 10 auf den Wert 9 sinkt. 4 1.1 Portfolios De…nition 1.3. Ein Portfolio ist die Zusammenfassung von h1 Finanzinstrumenten S 1 , : : : und hN Finanzinstrumenten S N zu einer Gesamtheit. Formal wird ein Portfolio de…niert als ein Vektor 0 1 h1 B C h = @ ... A 2 RN ; hN wobei eine Komponente hi als Stückzahl interpretiert wird, mit der das i-te Finanzinstrument S i in der Gesamtheit vertreten ist. Das Produkt hi S i wird als Position des i-ten Finanzinstruments S i im Portfolio h bezeichnet. Der Wert V0 (h) des Portfolios h zum Zeitpunkt 0 lautet V0 (h) := h1 S01 + = h S0 ; + hN S0N (1.1) während der Wert des Portfolios V1 (h) zum Zeitpunkt 1 vom eintretenden Zustand ! j 2 abhängt. Daher gilt 0 1 h S1 (! 1 ) B C .. K V1 (h) := h S1 := @ (1.2) A2R : . h S1 (! K ) Betrachten wir ein beliebiges Portfolio h 2 RN , so lassen sich die Werte V0 (h) und V1 (h) des Portfolios gemäßAbb. 1.3 veranschaulichen. Im folgenden wird gelegentlich die Angabe des Portfolios h in V0 (h) oder V1 (h) (!) weggelassen und einfach V0 oder V1 (!) geschrieben. Anmerkung 1.4. Mit den De…nitionen (1.1) und (1.2) gilt V1 (h) = V0 (h) + h S; 6 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte V1 (h) (! 1 ) = h S1 (! 1 ) % .. . V0 (h) = h S0 & V1 (h) (! K ) = h S1 (! K ) t=0 t=1 Abb. 1.3. Veranschaulichung der Werte V0 (h) und V1 (h) eines Portfolios h wobei S := (S1 S0 ). Die Di¤erenz G(h) := V1 (h) =h S V0 (h) (1.3) kennzeichnet den Gewinn, der mit der Portfoliostrategie h erzielt wird. An (1.3) wird deutlich, daßder Gewinn eines Portfolios ausschließ lich auf die Änderungen S der Wertpapierpreise zurückzuführen ist. Anmerkung 1.5. Bei der De…nition der Stückzahlen hi werden sowohl nichtganzzahlige als auch negative Werte zugelassen. Während die Zulassung nichtganzzahliger Werte vorwiegend technische Gründe hat, die später erläutert werden, haben negative Werte eine unmittelbar ökonomische Bedeutung. Enthält ein Portfolio etwa eine negative Anzahl hi an Aktien, so bedeutet dies, daßjhi j Aktien von einer Finanzinstitution geliehen und diese anschließ end am Markt verkauft wurden. Damit bestehen bei dem Verleiher der Aktien Schulden der Höhe jhi j. Eine negative Stückzahl an Finanzinstrumenten in einem Portfolio entspricht also Schulden in diesem Finanzinstrument. Dies ist analog zu Schulden in einer Währung. Um Schulden zu machen, wird Kapital bei einer …nanziellen Institution geliehen und dieses Kapital wird dann „verkauft“, also gegen ein anderes Gut eingetauscht. Entsprechend werden Kapitalschulden in einem Portfolio durch eine negative Zahl an geschuldeten Einheiten des Kapitals, also z.B. in Euro, ausgedrückt. Während die Verschuldung an Kapital jedem Privatanleger über einen Bankkredit zugänglich ist, sind Leihegeschäfte für Aktien Privatanlegern in der Regel verwehrt. Der Grund ist das hohe, mit diesen Leihegeschäften verbundene Risiko. Theoretisch sind die mit Leihegeschäften verbundenen Verlustrisiken nach oben unbeschränkt. Denn um die Leiheschulden zurückzahlen zu können, mußder Leihende die geliehenen Aktien am Markt zurückkaufen. Da der Kurs der Aktien theoretisch beliebig hoch steigen kann, ist entsprechend das potentielle, für den Rückkauf aufzuwendende Kapital nicht begrenzt. Beispiel 1.6. Wir legen das Modell in Beispiel 1.2 zugrunde und betrachten ein Portfolio 1.1 Portfolios 10 1 h= 7 : Dies bedeutet, daßvom ersten Finanzinstrument S 1 Schulden in Höhe von 10 Stück bestehen und vom zweiten Finanzinstrument S 2 1 Stück im Portfolio enthalten ist. Wird S 1 mit einer festverzinslichen Kapitalanlage in Euro identi…ziert, so entsprechen die Schulden von 10 Stück einer Kreditaufnahme von 10 Euro. Wird das zweite Finanzinstrument S 2 als Aktie interpretiert, so beinhaltet das Portfolio h neben einem Kredit von 10 Euro den Bestand von einer Aktie. Mit diesen Daten gilt 10 1 V 0 = h S0 = 1 10 =0 und V1 (! 1 ) = h S1 (! 1 ) = 10 1 1:02 12 = 1: 8; sowie V1 (! 2 ) = h S1 (! 2 ) = 10 1 1:02 9 = 1: 2: Zum Zeitpunkt 0 besitzt das Portfolio den Wert V0 = 0, d.h. die Schulden über 10 Euro entsprechen gerade dem Wert der einen Aktie S 2 zum Zeitpunkt 0. Zum Zeitpunkt 1 führt das Steigen des Aktienkurses im Szenario ! 1 zu einem positiven Wert des Portfolios von V1 (! 1 ) = 1:8, während das Sinken des Aktienkurses im Szenario ! 2 zu einem negativen Wert V1 (! 2 ) = 1:2 führt. Hier reicht der Wert der Aktie von 9 Euro nicht aus, um den Kreditbetrag plus Kreditzinsen von 10:20 Euro zurückzuzahlen, sondern es besteht nach Liquidierung des Portfolios eine Zahlungsverp‡ichtung von 1:20 Euro. Die Situation kann graphisch wie folgt dargestellt werden: V1 (! 1 ) = 1: 8 V0 = 0 % & t=0 V1 (! 2 ) = 1: 2 t=1 Eine Investition in das Portfolio h ist zum Zeitpunkt 0 mit einem Kapitaleinsatz von 0 möglich und führt zum Zeitpunkt 1 in dem einem Zustand zu einem Gewinn und im dem anderen zu einem Verlust. 4 Die Ausdrücke h S0 und h S1 haben die Struktur von Skalarprodukten, deren allgemeine De…nition zusammen mit einigen wichtigen Eigenschaften in Kapitel 8 angegeben ist. 8 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte 1.2 Optionen und Forward-Kontrakte Auf der Basis der Instrumente, die in einem Marktmodell enthalten sind, lassen sich weitere Finanzinstrumente de…nieren, deren Eigenschaften von denjenigen des Marktmodells abhängen. Solche, von anderen Finanzprodukten abgeleitete Instrumente, heiß en Derivate. Zu diesen zählen Optionen und Forward-Kontrakte. 1.2.1 Optionen De…nition 1.7. Eine Call-Option beinhaltet das Recht, ein spezi…ziertes Wertpapier, das Underlying, zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt, zu einem heute schon festgesetzten Preis, dem Strike- oder Basispreis, zu kaufen. Eine Call-Option heiß t daher auch Kaufoption. Es besteht das Recht, nicht jedoch die P‡icht, das Underlying zu erwerben. Sollte also der aktuelle Marktpreis des Underlyings zum Fälligkeitszeitpunkt unterhalb des Basispreises liegen, so ist es nicht sinnvoll, das Optionsrecht auszuüben, da in diesem Fall das Underlying teurer erworben wird, als es am Markt erhältlich ist. Ist umgekehrt der Marktpreis des Underlyings zum Fälligkeitszeitpunkt höher als der Basispreis, so ist es sinnvoll, das Optionsrecht der Call-Option auszuüben, da sich durch den Kauf des Underlyings zum Basispreis und den sofortigen Verkauf zum – höheren – Marktpreis ein Gewinn erzielen läß t. Bezeichnen wir den Kurs des Underlyings zum Fälligkeitszeitpunkt mit S und den Basispreis mit K, so lautet der Wert der Option bei Fälligkeit max(S K; 0) =: (S K)+ : Da der Investor rational handelt, wird er nur im Falle von S (!) > K von seinem Optionsrecht Gebrauch machen. Daher ist der Wert einer Option niemals negativ. Betrachten wir eine Call-Option in einem Ein-Perioden-Modell, so lassen sich die Werte cj = (S1 (! j ) K)+ für alle j = 1; : : : ; K als Vektor des RK oder als Funktion von ! R interpretieren. c wird als Auszahlungspro…l oder zustandsabhängige Auszahlung bezeichnet. De…nition 1.8. Eine Put-Option beinhaltet das Recht, 1.2 Optionen und Forward-Kontrakte 9 ein spezi…ziertes Wertpapier, das Underlying, zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt, zu einem heute schon festgesetzten Preis, dem Strike- oder Basispreis, zu verkaufen. Eine Put-Option heiß t daher auch Verkaufsoption. Das Auszahlungspro…l einer Put-Option bei Fälligkeit lautet dementsprechend max(K S; 0) =: (K S)+ : Analog gilt für das Auszahlungspro…l c 2 RK in einem Ein-Perioden-Modell S1 (! j ))+ cj = (K für alle j = 1; : : : ; K. Kann das Optionsrecht wie oben de…niert nur zu einem zuvor festgelegten zukünftigen Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt, ausgeübt werden, so heiß t die Option europäisch. Kann es dagegen zu einem beliebigen Zeitpunkt während der Laufzeit bis zum Fälligkeitszeitpunkt ausgeübt werden, so heiß t die Option amerikanisch. O¤enbar können im Rahmen unseres Ein-PeriodenModells europäische und amerikanische Optionen nicht voneinander unterschieden werden. Warum könnte es sinnvoll sein, Optionen zu erwerben? Angenommen, ein Investor möchte in der Zukunft ein Wertpapier erwerben. Mit einer CallOption, das dieses Wertpapier als Underlying besitzt, kann er sich heute gegen einen unerwarteten Preisanstieg versichern. Denn steigt der Preis am Markt an, so mußder Investor dennoch nur den vereinbarten Basispreis zahlen. Sinkt dagegen der Kurs unter den Basispreis, so läß t der Investor sein Optionsrecht verfallen und kauft das Wertpapier günstiger am Markt. Sei weiter angenommen, ein Investor verfügt heute über einen Wertpapierbestand. Mit einer Reihe von Put-Optionen auf diesen Bestand kann er sich gegen einen unerwarteten Preisverfall versichern. Sollte nämlich der Kurs eines Wertpapiers einbrechen, so garantiert ihm die Option dennoch die Möglichkeit des Verkaufs zum vereinbarten Basispreis. Damit wirkt eine Put-Option wie eine Versicherung gegenüber negativen Kursentwicklungen. Dieses Optionsrecht hat einen Preis, so wie Versicherungen ihren Preis besitzen. Ein zentrales Thema dieses Buches ist die Entwicklung und Analyse einer sinnvollen Strategie zur Preis…ndung für Optionen und andere Derivate. Beispiel 1.9. Wir wählen wieder das Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell aus Beispiel 1.2 und betrachten eine Call-Option auf das Finanzinstrument S 2 mit Ausübungspreis K = 10:5 Euro und Fälligkeitszeitpunkt 1. Zum Zeitpunkt 1 besitzt die Option je nach eintretendem Zustand die Werte c (! 1 ) = S12 (! 1 ) K c (! 2 ) = S12 (! 2 ) K + + = (12 = (9 + 10:5) = 1:5 und + 10:5) = 0: 10 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Die zustandsabhängige Auszahlung c der Call-Option beträgt damit zusammengefaß t 1:5 c= : 0 Betrachten wir in diesem Beispiel dagegen eine Put-Option mit Ausübungspreis K = 11, so ergeben sich je nach Zustand die Auszahlungen c (! 1 ) = K S12 (! 1 ) + c (! 2 ) = K S12 (! 2 ) + + = (11 12) = 0 und = (11 9) = 2; + also zusammengefaß t die Auszahlung c= 0 2 : 4 Der Käufer einer Option hat also bei t = 1 niemals eine Zahlungsverp‡ichtung gegenüber dem Verkäufer. Aus Sicht des Käufers verfällt die Option im ungünstigsten Fall wertlos oder aber er besitzt gegenüber dem Verkäufer einen Zahlungsanspruch. Bevor wir der Frage nachgehen, wie sinnvolle Preise für Optionen bestimmt werden können, stellen wir zunächst noch ein weiteres wichtiges Finanzinstrument vor. 1.2.2 Forward-Kontrakte De…nition 1.10. Ein Forward-Kontrakt ist eine zum Zeitpunkt 0 eingegangene Verp‡ichtung, ein Wertpapier, das Underlying, zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt, zu einem heute, bei t = 0, festgesetzten Preis F , dem Forward-Preis, zu kaufen. Dabei wird der Forward-Preis F so bestimmt, daßdas Eingehen der Kauf- bzw. Verkaufs-Verp‡ichtung zum Zeitpunkt 0 kostenlos ist. Auch bei Forward-Kontrakten wird zum Zeitpunkt 0 der Preis vereinbart, der für das Underlying zum Zeitpunkt 1 zu bezahlen ist. Aber im Gegensatz zur Situation bei Optionen ist der Kauf des Wertpapiers, auf das sich der Kontrakt bezieht, verbindlich. Während der Käufer einer Option entscheiden kann, ob er von seinem Optionsrecht Gebrauch macht oder nicht, hat sich der Käufer eines Forward-Kontrakts verp‡ichtet, das Wertpapier zum Fälligkeitszeitpunkt zu erwerben. Er ist also auch dann verp‡ichtet, es zum vereinbarten Preis F zu kaufen, wenn er das betre¤ende Wertpapier an der Börse billiger 1.2 Optionen und Forward-Kontrakte 11 erhalten könnte. Andererseits ist das Eingehen eines Forward-Kontraktes kostenfrei, während der Käufer einer Option eine Optionsprämie zu bezahlen hat. Das Auszahlungspro…l eines Forward-Kontraktes bei t = 1 lautet einfach S F: Also ist das zugehörige Auszahlungspro…l c 2 RK in einem Ein-PeriodenModell gegeben durch cj = S1 (! j ) F: Forward-Kontrakte werden häu…g nicht auf Aktien, sondern auf Wechselkursen gehandelt und können, wie Optionen, dazu dienen, Risiken zu kontrollieren. Wenn ein Unternehmen in einem halben Jahr beispielsweise Maschinen in einer Fremdwährung erwerben möchte, so kann durch einen Forward-Kontrakt auf die Fremdwährung das Wechselkursrisiko ausgeschlossen werden. Das Unternehmen gewinnt damit Planungssicherheit. Beispiel 1.11. Im Marktmodell des Beispiels 1.2 betrachten wir einen ForwardKontrakt auf die Aktie S 2 mit Forward-Preis F . Damit gilt für die zugehörige Auszahlung c (! 1 ) = S12 (! 1 ) c (! 2 ) = S12 (! 2 ) F = 12 F =9 F und F: Der Forward-Preis F ist nun so anzupassen, daßder Wert des Kontraktes zum Zeitpunkt 0 gerade Null beträgt. Legen wir den Forward-Preis beispielsweise auf einen willkürlichen Wert, etwa F = 10, fest, so ergeben sich als Auszahlung c des Forward-Kontraktes die Werte c (! 1 ) = S12 (! 1 ) c (! 2 ) = S12 (! 2 ) F = 12 F =9 10 = 2 und 10 = 1; also c= 2 1 : Aber welchen Wert besitzt die Auszahlung c zum Zeitpunkt 0? Und wie kann der Forward-Preis so angepaß t werden, daßder Wert der auf diese Weise entstehenden Auszahlung gleich Null ist? 4 Eine Besonderheit des Forward-Kontraktes besteht also darin, daßhier der Preis zum Zeitpunkt 0 auf Null festgelegt wird und daßder Forward-Preis F so bestimmt werden muß , daßder Kontrakt bei t = 0 tatsächlich wertlos ist. Für Forward-Kontrakte gibt es – im Gegensatz zu Optionen – eine sehr einfache Strategie, um den Forward-Preis F festzulegen. Angenommen, ein 12 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Kontrahent kauft von uns einen Forward-Kontrakt auf eine Aktie S mit Fälligkeit t = 1. Die Aktie habe heute, zum Zeitpunkt 0, einen Wert S0 . Wir sind nun verp‡ichtet, zum Zeitpunkt 1 eine Aktie S an den Kontrahenten zu einem Preis F auszuliefern. Um dies garantieren zu können, kaufen wir die Aktie bereits heute, zum Zeitpunkt 0, und …nanzieren sie durch einen Kredit in Höhe von S0 Euro. Dieses Portfolio, Leihe von S0 Euro und Kauf einer Aktie S, ist zum Zeitpunkt 0 kostenfrei. Zum Zeitpunkt 1 verkaufen wir dem Kontrahenten die Aktie S zum Forward-Preis F . Wählen wir F so, daßmit diesem Betrag der Kredit von S0 (1 + r) zurückgezahlt werden kann, so können wir den Kontrakt ohne Gewinn oder Verlust erfüllen. Daher sollte F = S0 (1 + r) gewählt werden. Bemerkenswert ist, daßder Forward-Preis lediglich vom risikolosen Zinssatz r abhängt und nicht, wie zunächst vermutet werden könnte, von den modellierten Wertentwicklungen der Aktie zum Zeitpunkt 1. Beispiel 1.12. Für den Forward-Kontrakt aus Beispiel 1.11 ergibt sich wegen r = 2% somit ein Forward-Preis von F = S0 (1 + r) = 10 (1 + 0:02) = 10:2 Euro. 1.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len Allen Beispielen des vorigen Abschnitts ist gemeinsam, daßder Wert des jeweiligen Finanzkontraktes zum Endzeitpunkt 1 leicht zu ermitteln und damit bekannt ist. In allen Fällen ergibt sich eine zustandsabhängige Auszahlung c 2 RK zum Zeitpunkt 1, wobei K die Anzahl der Zustände zum Endzeitpunkt bezeichnet. Das zu lösende Problem besteht darin, für eine möglichst groß e Klasse von Auszahlungspro…len c 2 RK einen sinnvollen Preis zum Zeitpunkt 0 anzugeben. Wir werden im folgenden das Problem der Bewertung von Auszahlungspro…len ganz allgemein behandeln. Es wird sich zeigen, daßes nicht erforderlich ist Call- und Put-Optionen sowie Forward-Kontrakte getrennt zu behandeln, obwohl für Forward-Kontrakte die im letzten Abschnitt vorgestellte, verblüffend einfache Bewertungsstrategie existiert, für Optionen dagegen nicht. Bei der Entwicklung eines Verfahrens zur Preisbestimmung lassen wir uns von einem vertrauten deterministischen Beispiel leiten. 1.3.1 Die zeitliche Transformation deterministischer Zahlungsströme Angenommen, eine Bank hat zu einem zukünftigen Zeitpunkt 1 die Zahlungsverp‡ichtung für einen Kapitalbetrag c > 0. Dies bedeutet, daßdie Bank zum Zeitpunkt 1 einen Zahlungsstrom von c erfahren wird. 1.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len # t=0 13 c t=1 Diese zukünftige Zahlungsverp‡ichtung kann wie folgt in eine äquivalente Zahlungsverp‡ichtung zum aktuellen Zeitpunkt 0 umgewandelt werden. Zum Zeitpunkt 0 kauft die Bank eine Anleihe mit der Auszahlung c zum Zeitpunkt 1. Für diese Anleihe bezahlt die Bank heute, zum Zeitpunkt 0, den Betrag c0 := dc, wobei d den Diskontfaktor zwischen t = 0 und t = 1 bezeichnet. Zum Zeitpunkt 1 erhält die Bank den Betrag c als Rückzahlung aus der Anleihe. Mit dieser Auszahlung begleicht die Bank die Zahlungsverp‡ichtung c zum Zeitpunkt 1, so daßnetto zu diesem Zeitpunkt kein Kapital ‡ieß t. # c0 = dc t=0 lc c=0 t=1 Insgesamt wurde auf diese Weise eine zukünftige Zahlungsverp‡ichtung c in eine äquivalente Zahlungsverp‡ichtung über den Betrag c0 = dc zum Zeitpunkt 0 transformiert. Umgekehrt nehmen wir an, daßdie Bank zu einem zukünftigen Zeitpunkt 1 einen Kapitalbetrag c erhalten wird. Auch dieser Betrag läß t sich in einen Kapitalbetrag c0 zum Zeitpunkt 0 transformieren. Dazu verkauft die Bank zum Zeitpunkt 0 eine Anleihe, die zum Zeitpunkt 1 mit dem Wert c zurückgezahlt werden muß . Die Bank nimmt auf diese Weise zum Zeitpunkt 0 den Kapitalbetrag c0 = dc ein, wobei d den Diskontfaktor zwischen t = 0 und t = 1 bezeichnet. Zum Zeitpunkt 1 erhält die Bank den angenommenen Kapitalbetrag c, mit dem nun die Schuld aus der Anleihe beglichen wird. Auch hier ‡ieß t zum Zeitpunkt 1 netto kein Kapital, und der zukünftige Zahlungsstrom c wurde in einen äquivalenten Zahlungsstrom c0 zum Zeitpunkt 0 umgewandelt. In jedem Fall läß t sich ein beliebiger Betrag c, der zum Zeitpunkt 1 ‡ieß t, mit Hilfe von Handelsaktivitäten in eine äquivalente Zahlung c0 = dc zum Zeitpunkt 0 transformieren. 14 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte 1.3.2 Die zeitliche Transformation zustandsabhängiger Zahlungsströme Die Idee, Zahlungsströme durch Handelsaktivitäten in der Zeit zu verschieben, übertragen wir nun auf zustandsabhängige Auszahlungen. Zunächst betrachten wir erneut die bereits angesprochene Bewertungsstrategie für einen Forward-Kontrakt. Bezeichnet S0 den Kurs einer Aktie S zum Zeitpunkt 0, r den risikolosen Zinssatz und F = S0 (1 + r) den Forward-Preis, so führt eine Kreditaufnahme in Höhe von S0 Euro und der anschließ ende Kauf einer Aktie S zu dem Auszahlungspro…l cj = S1 (! j ) S0 (1 + r) für j = 1; : : : ; K. Wir betrachten nun ein Marktmodell, das aus den beiden Finanzinstrumenten S 1 und S 2 besteht, wobei S 1 eine festverzinsliche Kapitalanlage zum Zinssatz r und S 2 die Aktie S bezeichnet. Damit gilt S01 = 1 und S11 = 1 + r, sowie S 2 = S. Die Bewertungsstrategie für die Auszahlung c 2 RK des Forward-Kontrakts kann damit wie folgt formuliert werden: Eine Investition zum Zeitpunkt 0 in das Portfolio h = ( S0 ; 1), bestehend aus einem Kredit in Höhe S0 Euro und aus einer Aktie S, besitzt zum Zeitpunkt 1 in einem beliebigen Szenario ! j den Wert cj = S1 (! j ) S0 (1 + r) = h S1 (! j ). Der Wert des Portfolios h zum Zeitpunkt 0 beträgt h S0 = h1 1 + h2 S0 = 0. In Verallgemeinerung dieses Beispiels nehmen wir nun an, daßeine Bank die Verp‡ichtung hat, mit einem Kontrahenten je nach eintretendem Zustand ! j einen von diesem Zustand abhängigen Betrag c (! j ) = cj 2 R zum Zeitpunkt 1 auszutauschen. Ist c (! j ) > 0, so mußdie Bank dem Kontrahenten c (! j ) auszahlen, ist c (! j ) < 0, so hat der Kontrahent die Verp‡ichtung, der Bank den Betrag c (! j ) zu zahlen. # # (= t=0 # " c (! 1 ) c (! 2 ) .. . c (! K 1 ) c (! K ) t=1 Eine derartige Verp‡ichtung kann also sowohl dadurch entstehen, daßdie Bank dem Kontrahenten eine Option oder aber einen Forward-Kontrakt verkauft hat. Um für die betrachtete Auszahlung c einen Preis c0 zum Zeitpunkt 1.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len 15 0 zu …nden, versuchen wir, ein Portfolio h 2 RN so zu bestimmen, daßder Wert des Portfolios mit der Auszahlung c zum Zeitpunkt 1 in jedem Zustand exakt übereinstimmt. Das Portfolio h soll also die Eigenschaft c (! 1 ) = h S1 (! 1 ) .. . c (! K ) = h S1 (! K ) besitzen. Kann ein derartiges Portfolio gefunden werden, dann läß t sich der Wert c0 dieses Portfolios zum Zeitpunkt 0 sofort angeben, denn die Preise S0 aller Finanzinstrumente zum Zeitpunkt 0 sind bekannt. Es gilt c0 = h S0 : Damit ergibt sich folgende Strategie, um die Zahlung c zum Zeitpunkt 1 in die Zahlung c0 zum Zeitpunkt 0 zu transformieren: Bestimme das Portfolio h, welches zum Zeitpunkt 1 die Auszahlung c besitzt und kaufe dieses Portfolio zum Zeitpunkt 0 für den Preis von c0 = h S0 . Zum Zeitpunkt 1 wird je nach eintretendem Zustand ! der Betrag c (!) = h S1 (!) aus dem Portfolio erhalten, wenn c (!) > 0 ist, oder es wird der Betrag c (!) geschuldet, falls c (!) < 0 ist. In jedem Fall ist h S1 (!) gerade der Betrag, der dem Kontrahenten geschuldet oder von diesem erhalten wird, so daßnetto zum Zeitpunkt 1 kein Kapital ‡ieß t. # c0 = h S0 t=0 (= l l h S1 (! 1 ) h S1 (! 2 ) c (! 1 ) = 0 c (! 2 ) = 0 l l h S1 (! K 1 ) c (! K 1 ) = 0 h S1 (! K ) c (! K ) = 0 .. . t=1 1.3.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len mit Hilfe von Replikation Die Idee der Transformation einer zukünftigen zustandsabhängigen Zahlung c 2 RK in einen äquivalenten Betrag c0 2 R zum Zeitpunkt 0 besteht zusammengefaß t aus den beiden Schritten: 16 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte 1. Zunächst wird versucht, ein Portfolio h zu …nden mit der Eigenschaft c1 = V1 (h) (! 1 ) = h S1 (! 1 ) .. . cK = V1 (h) (! K ) = h S1 (! K ) also c1 = h S1 (! 1 ) .. . : cK = h S1 (! K ) t=0 t=1 2. Dann wird c0 als Preis dieses Portfolios zum Zeitpunkt 0 de…niert, also c0 = V0 (h) = h S0 . c1 = h S1 (! 1 ) .. . c0 = h S0 : cK = h S1 (! K ) t=0 t=1 Wir untersuchen nun, ob und wie zu gegebenem c 2 RK ein derartiges Portfolio h gefunden werden kann. Dazu ist folgender einfache Zusammenhang hilfreich. Lemma 1.13. Für jedes h 2 RN gilt h S1 = D> h; wobei 0 (1.4) 1 S1N (! 1 ) C .. A . N S1 (! K ) S11 (! 1 ) B .. D> := @ . S11 (! K ) die Transponierte der Matrix 0 S11 (! 1 ) B .. D := (S1 (! 1 ) ; : : : ; S1 (! K )) = @ . S1N (! 1 ) 1 S11 (! K ) C .. A . S1N (! K ) 1.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len 17 bezeichnet, die spaltenweise aus den Preisen aller Finanzinstrumente in jeweils einem Zustand besteht. Beweis. O¤enbar gilt 0 1 h S1 (! 1 ) B C .. h S1 = @ A . h S1 (! K ) 0 1 h1 S11 (! 1 ) + + hN S1N (! 1 ) B C .. =@ A . 1 N h1 S1 (! K ) + + hN S1 (! K ) 1 10 0 1 N h1 S1 (! 1 ) S1 (! 1 ) C B .. C B .. .. =@ A@ . A . . S11 (! K ) S1N (! K ) (1.5) hN > = D h: De…nition 1.14. Die N K-Matrix 0 1 S1 (! 1 ) B .. D=@ . S1N (! 1 ) 1 S11 (! K ) C .. A . N S1 (! K ) wird Auszahlungsmatrix oder Payo¤ matrix genannt. Die Auszahlungsmatrix D wurde so de…niert, daßjede ihrer Spalten dieselbe Struktur besitzt wie der Preisvektor S0 . Wir de…nieren also die Komponenten von D durch Dij := S1i (! j ) für i = 1; : : : ; N und j = 1; : : : ; K. Wir sehen, daßSchritt 1. der Bewertungsstrategie für Auszahlungspro…le c 2 RK auf ein Standardproblem der Linearen Algebra führt, nämlich auf das Lösen eines linearen Gleichungssystems c = D> h: (1.6) Ist h 2 RN eine Lösung von (1.6), so sagen wir, h repliziert c. De…nition 1.15. Ein Auszahlungspro…l c 2 RK heiß t replizierbar oder erreichbar, wenn c 2 Im D> : Beispiel 1.16. Wir betrachten wieder die Daten des Beispiels 1.2 und versuchen, mit der beschriebenen Strategie den Preis einer Call-Option auf Finanzinstrument S 2 mit Ausübungspreis K = 10:5 zu ermitteln. Die Auszahlungsmatrix D aus Beispiel 1.2 lautet 18 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte 1:02 1:02 12 9 : In Beispiel 1.9 wurde das Auszahlungspro…l der Call-Option zu c= 1:5 0 bestimmt. Damit ergibt sich das Gleichungssytem c = D> h, oder 1:5 0 = 1:02 12 1:02 9 h= 4: 412 0:5 h1 h2 mit der Lösung : Damit folgt für den Preis c0 := h S0 der Call-Option zum Zeitpunkt 0 zu 4: 412 0:5 c0 = 1 10 = 0:588: Analog läß t sich der Preis der Put-Option auf Finanzinstrument S 2 mit Ausübungspreis K = 10 aus Beispiel 1.9 berechnen. Hier lautet das Auszahlungspro…l 0 c= ; 2 und das Gleichungssystem c = D> h 0 2 = 1:02 12 1:02 9 h1 h2 besitzt die Lösung h= 7: 843 0:667 ; so daßsich der Preis c0 = 7: 843 0:667 1 10 = 1: 176 für die Put-Option zum Zeitpunkt 0 ergibt. 4 Beispiel 1.17. Wieder basierend auf Beispiel 1.2 wird der Wert eines ForwardKontrakts auf S 2 mit Forward-Preis F berechnet. Nach Beispiel 1.11 gilt für das Auszahlungspro…l c des Forward-Kontrakts c= 12 F 9 F : 1.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len 19 Das replizierende Portfolio h löst das Gleichungssystem 12 F 9 F = d.h. h= 1:02 12 1:02 9 1 1:02 F 1 h1 h2 ; : Der Preis c0 := V0 (h) von h zum Zeitpunkt 0 beträgt daher c0 = 1 1:02 F 1 1 10 = 10 1 F: 1:02 Wir bestimmen schließ lich F so, daßc0 = 0 wird, also F = 10 1:02 = S0 (1 + r). Wir erhalten damit genau den Wert, den wir bereits im Rahmen der Diskussion im Anschlußan Beispiel 1.11 bestimmt hatten. Das Portfolio h besteht also aus einer Anleihe von 10 Einheiten des festverzinslichen Finanzinstruments S 1 , also aus einem Kredit von 10 Euro, und aus dem Kauf einer Aktie S 2 . Der Gesamtwert des Portfolios beträgt somit gerade 0. Haben wir den Forward-Kontrakt verkauft, so müssen wir zum Zeitpunkt 1 eine Aktie S 2 an den Kontrahenten zum Preis von 10:2 Euro liefern. Im Zustand ! 1 besitzt das Portfolio h einen Wert von 1:8 Euro. Zusammen mit den 10:2 Euro ergibt dies genau den Wert von 12 Euro, also den Kurswert der Aktie S 2 im Zustand ! 2 . Im Zustand ! 1 dagegen besitzt das Portfolio h einen Wert von 1:2 Euro. Der Kontrahent zahlt 10:2 Euro für die Aktie. Nach Abzug der 1:2 Euro zur Glattstellung des Portfolios bleiben gerade 9 Euro übrig, die dem Wert der Aktie S 2 im Zustand ! 2 entsprechen. 4 Das vorangegangene Beispiel zeigt auch, wie Forward-Kontrakte bewertet werden, wenn F 6= S0 (1 + r) gilt. In der Praxis tritt dieser Fall z.B. dann auf, wenn ein Forward-Kontrakt abgeschlossen wurde und zu einem späteren Zeitpunkt, aber vor dem Fälligkeitszeitpunkt, erneut bewertet wird. Im Handelsgeschäft beispielsweise werden sämtliche Handelspositionen am Ende jedes Handelstages bewertet, und im Rahmen dessen mußder Wert jedes gehandelten Finanzinstruments täglich neu ermittelt werden. De…nition 1.18. Ein Tupel (S0 ; S1 ) = (b; D) 2 RN Marktmodell mit Preisvektor 0 11 S0 B C b := S0 = @ ... A 2 RN MN K (R) heiß t S0N und Auszahlungsmatrix oder Payo¤ matrix 0 1 1 S11 (! K ) S1 (! 1 ) B C .. .. D := (S1 (! 1 ) ; : : : ; S1 (! K )) = @ A 2 MN . . S1N (! 1 ) S1N (! K ) K (R) : 20 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Dabei bezeichnet MN K (R) die Menge aller reellen N K-Matrizen. Die Schreibweise (S0 ; S1 ) = (b; D) bedeutet, daßsich ein Marktmodell (S0 ; S1 ) 2 RN X X : ! RN auf äquivalente Weise auch durch N (b; D) 2 R MN K (R) beschreiben läß t. Aus einem vorgegebenen Tupel (b; D) 2 RN MN K (R) lassen sich alle charakterisierenden Bestandteile eines Ein-Perioden-Modells ableiten. Die gemeinsame Anzahl der Zeilen von b und D entspricht der Anzahl der Finanzinstrumente des Modells, und die Anzahl der Spalten von D entspricht der Anzahl der Zustände des Modells. Der Vektor b wird als Preisvektor S0 interpretiert, der die Preise aller N Finanzinstrumente zum Zeitpunkt 0 zusammenfaß t, während die j-te Spalte von > 1 N D als Preisvektor S1 (! j ) = S1 (! j ) ; : : : ; S1 (! j ) interpretiert wird, der die Preise aller Finanzinstrumente zum Zeitpunkt 1 im Zustand ! j enthält. Beispiel 1.19. Das zu Beispiel 1.2 gehörende Marktmodell lautet (b; D) = 1 10 1:02 1:02 12 9 ; : Der Preisvektor b und die Payo¤matrix D enthalten jeweils 2 Zeilen. Also besteht das Marktmodell aus zwei Finanzinstrumenten. Ferner besitzt D auch 2 Spalten, also werden hier zwei Szenarien zum Zeitpunkt 1 modelliert. 4 Beispiel 1.20. Ein Marktmodell (b; D) sei durch folgende Daten gegeben: 1 0 11 00 1:2 1:2 1 (b; D) = @@ 120 A ; @ 110 130 AA : 26 23 24 Es enthält drei Finanzinstrumente und zwei Zustände ! 1 und ! 2 bei t = 1, so daß 1 1 0 1 0 0 1:2 1:2 1 S0 = @ 120 A ; S1 (! 1 ) = @ 110 A ; S1 (! 2 ) = @ 130 A : 23 26 24 4 Beispiel 1.21. Es sei (b; D) ein Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell, wobei das erste Finanzinstrument eine festverzinsliche Kapitalanlage zum Zinssatz r ist. Also gilt 1 1+r 1+r b= = S0 ; D = = S1 : S0 S1 (! 1 ) S1 (! 2 ) Ferner setzen wir S1 (! 1 ) 6= S1 (! 2 ) voraus. Sei c= c1 c2 1.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len 21 ein beliebiges Auszahlungspro…l. Dann betrachten wir mit s1 := S1 (! 1 ) und s2 := S1 (! 2 ) das Gleichungssystem h1 (1 + r) + h2 s1 h1 (1 + r) + h2 s2 h S1 = D > h = = c1 c2 : Durch Subtraktion der zweiten von der ersten Gleichung folgt c1 s1 h2 = c2 : s2 Multiplizieren wir nun die erste Gleichung mit s2 = S1 (! 2 ) und die zweite mit s1 = S1 (! 1 ) so erhalten wir nach Subtraktion 1 c2 s1 1 + r s1 h1 = c1 s2 : s2 Damit lautet der Wert c0 := V0 (h) des replizierenden Portfolios c0 = h S0 = h1 + h2 S0 c1 c2 1 c2 s1 c1 s2 + S0 = 1 + r s1 s2 s1 s2 1 (1 + r) S0 s2 s1 (1 + r) S0 = c1 + c2 1+r s1 s2 s1 s2 1 (qc1 + (1 q) c2 ) ; = 1+r wobei q := (1.7) (1 + r) S0 s2 : s1 s2 4 Speziell für einen Forward-Kontrakt mit Forward-Preis F gilt c1 c2 = S1 (! 1 ) S1 (! 2 ) F F ; und (1.7) liefert 1 (1 + r) S0 s2 (s1 1+r s1 s2 1 = ((1 + r) S0 F ) : 1+r c0 = F) + s1 (1 + r) S0 (s2 s1 s2 F) Dies ist genau dann 0, falls F = (1 + r) S0 , wie wir bereits wissen. Das replizierende Portfolio lautet h= F 1+r 1 = S0 1 : 22 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Zum Zeitpunkt 0 wird ein Kapitalbetrag von S0 Geldeinheiten geliehen, und für diesen Betrag wird eine Aktie S gekauft. Die Aktie wird zum Zeitpunkt 1 an den Käufer des Forward-Kontraktes zum Preis von (1 + r) S0 übergeben. Dies entspricht aber gerade dem geliehenen Betrag plus den rückzuzahlenden Kreditzinsen. 1.4 Replikation und Arbitrage Der im letzten Abschnitt entwickelte Ansatz zur Bewertung zustandsabhängiger Auszahlungen c 2 RK lautet Löse das Gleichungssystem c = h S1 = D> h und bestimme den Preis c0 von c zum Zeitpunkt 0 als c0 = h S0 . Mit Hilfe dieser Strategie kann das zum Zeitpunkt 1 ‡ieß ende zustandsabhängige Auszahlungspro…l c 2 RK in eine Zahlung c0 2 R transformiert werden, die zum Zeitpunkt 0 erfolgt. Anmerkung 1.22. Beachten Sie, daßetwaige Wahrscheinlichkeiten pj , mit denen die jeweiligen Zustände ! j 2 zum Zeitpunkt 1 eintreten, hier keine Rolle spielen und bei der oben vorgestellten Preis…ndung nirgends auftreten. Diese auf den ersten Blick überraschende Tatsache erklärt sich durch die Bewertungsstrategie. Ein vorgegebenes Auszahlungspro…l c wird durch ein Portfolio h repliziert. Da jede Komponente cj repliziert wird, spielen die Eintrittswahrscheinlichkeiten für die verschiedenen Komponenten keine Rolle. Anmerkung 1.23. Die dargestellte Strategie verwendet entscheidend Argumente, wie Injektivität und Orthogonalität, aus der Linearen Algebra. Dies setzt jedoch voraus, daßdie Portfoliovektoren als Elemente aus RN – und nicht aus ZN – interpretiert werden. Tatsächlich können jedoch keine 3:14 Aktien gehandelt werden. Andererseits sind in der Praxis Transaktionen über eine einzige Aktie auch selten. Üblicherweise werden Vielfache, wie etwa 50 oder 100 Stücke, gehandelt. Daher wird mit reellwertigen Stückzahlen gerechnet, die für die Umsetzung in die Praxis auf die nächste ganze Zahl gerundet werden. Bei der Umsetzung der Bewertungsstrategie können zwei grundsätzliche Probleme auftreten. Sei dazu (S0 ; S1 ) = (b; D) ein Marktmodell und sei c 2 RK ein Auszahlungspro…l. Folgende Situationen sind denkbar. Die Replikation ist nicht möglich: Es gibt kein Portfolio h mit der Eigenschaft c = D> h, also c 62 Im D> . 1.4 Replikation und Arbitrage 23 Die Replikation ist nicht eindeutig bestimmt: Es gibt verschiedene ~ mit c = D> h = D> h. ~ In diesem Fall stimmen mögPortfolios h und h ~ licherweise die Preise h b und h b nicht überein, so daßkein eindeutig bestimmter Preis für c angegeben werden kann. Dies ist gleichbedeutend mit c 2 Im D> und ker D> 6= f0g. Die Replikation ist nicht möglich Ein Auszahlungspro…l c ist genau dann replizierbar, wenn es ein Portfolio h 2 RN gibt mit c = D> h. Wenn c nicht replizierbar ist, dann kann c nicht in einen äquivalenten Zahlungsstrom zum Zeitpunkt 0 transformiert werden. Wir werden uns in dieser Darstellung auf den Fall c 2 Im D> konzentrieren. De…nition 1.24. Ein Marktmodell (b; D) heiß t vollständig, wenn D> surjektiv ist, also wenn gilt Im D> = RK : Wenn (b; D) vollständig ist, dann ist jedes Auszahlungspro…l c replizierbar, d.h. in diesem Fall gibt es zu jedem c 2 RK ein h 2 RN mit c = D> h. Zur Bewertung nicht-replizierbarer Auszahlungspro…le Wir betrachten nun kurz einige mögliche Bewertungsstrategien für den Fall, daßfür ein Auszahlungspro…l c 2 RK keine Replikation möglich ist, d.h. für den Fall c 62 Im D> . Superhedging Wir setzen voraus, daßes wenigstens ein Instrument S i gibt mit S0i > 0 und S1i (!) > 0 für alle ! 2 . Wir betrachten die Menge C+ (c) der replizierbaren Auszahlungspro…le c0 mit c0 c, also C+ (c) := fc0 2 RK c0 c; c0 = D> h für ein h 2 RN g: Die Menge C+ (c) ist nicht leer, denn es gibt zu jedem c 2 RK ein S1i > c, und es gilt S1i = D> ( ei ). Damit de…nieren wir V+ (c) := inf fh b D> h h2RN 2 R mit c g: Wir haben nun ein typisches Problem der linearen Optimierung vor uns. Zu lösen ist inf h b unter der Nebenbedingung D> h c: Eine Lösung v dieses Optimierungsproblems kann als der kleinste Preis interpretiert werden, zu dem ein Verkäufer die Auszahlung c ohne Verlustrisiko verkaufen kann. 24 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Analog de…nieren wir C (c) := fc0 2 RK c0 c; c0 = D> h für ein h 2 RN g und V (c) := sup fh b D> h h2RN c g: Auch C (c) ist nicht leer, denn es gibt zu jedem c 2 RK ein 2 R mit S1i < c. Wieder erhalten wir ein Problem der linearen Optimierung; es lautet: sup h b unter der Nebenbedingung D> h c: Eine Lösung v dieses Optimierungsproblems kann entsprechend als höchster Preis interpretiert werden, zu dem ein Käufer für die Auszahlung c in keinem Zustand zuviel bezahlt. O¤enbar gilt v v ; und c ist genau dann replizierbar, wenn v = v gilt. Projektionsansatz Für c 62 Im D> besteht ein weiterer Ansatz zur Preis…ndung darin, ein Portfolio h zu suchen, welches die Di¤erenz zu c minimiert. Die Aufgabe besteht also darin, die Funktion D> h c 2 = K X D> h 2 j cj (1.8) j=1 für h 2 RN zu minimieren. Dies entspricht der Bestimmung der Projektion von c auf den Bildraum Im D> und läß t sich numerisch durch das Lösen der Normalengleichung DD> h = Dc oder mit Hilfe einer QR-Zerlegung …nden. Minimale mittlere quadratische Abweichung Ein weiterer Ansatz lautet: Minimiere die mittlere quadratische Abweichung E h D> h c 2 i = K X P (! j ) D> h 2 j cj j=1 über alle Handelsstrategien h 2 RN . Die Idee besteht hier darin, einen Zahlungsstrom cj , der zu einem Zustand ! j gehört, um so stärker zu berücksichtigen, je höher die Eintrittswahrscheinlichkeit für diesen Zustand ist. 1.4 Replikation und Arbitrage 25 Dieser Ansatz erfordert jedoch, daßdas Marktmodell um die Modellierung der Wahrscheinlichkeiten ergänzt wird, mit denen die jeweiligen Zustände zum Zeitpunkt 1 eintreten werden. Bei der bisherigen Bewertungsstrategie spielten diese Wahrscheinlichkeiten keine Rolle. Wir nehmen also für diesen Ansatz an, daßdie Wahrscheinlichkeiten P (! j ) := pj vorgegeben sind, mit denen die zukünftigen Zustände ! j des betrachteten Finanzmarktes eintreten werden. Auf diese Weise wird ein WahrscheinlichkeitsmaßP auf de…niert. Der Ansatz, die mittlere quadratische Abweichung zu minimieren, kann auf den Projektionsansatz zurückgeführt werden. Dazu wird 1 0 p 1 0p p p1 0 p1 S11 (! 1 ) p1 S1N (! 1 ) C B C B .. .. A := @ ... . . . ... A D> = @ A . . p p p 1 N pK 0 pK S1 (! K ) pK S1 (! K ) de…niert. Mit gilt dann 0p 1 0 p 1 1 p1 c p1 0 B C C B .. z := @ ... . . . ... A c = @ A . p p 0 pK pK cK E h D> h c 2 i = jjAh zjj2 ; und wir erhalten ein Problem vom Typ (1.8). Untersuchungen von Absicherungsstrategien in unvollständigen Märkten …nden Sie in Föllmer/Schied [10] und in Pliska [33]. Die Replikation ist nicht eindeutig bestimmt Wir betrachten nun den Fall, daßc zwar replizierbar ist, jedoch nicht auf eindeutig bestimmte Weise. Wir nehmen also an, daßes zwei Portfolios h und ~ gibt mit h ~ 6= h und mit c = D> h = D> h. ~ h ~ ~ b gilt. Dies Zunächst kann es auch im Falle von h 6= h sein, daßh b = h ~ bedeutet, daßdie beiden Portfolios h und h ökonomisch gleichwertig sind; sie kosten dasselbe und liefern dieselbe Auszahlung. Der folgende Satz charakterisiert diese Situation. Satz 1.25. (Law of One Price) Sei (b; D) ein Marktmodell und sei c 2 Im D> ein replizierbares Auszahlungspro…l. Dann ist der mit Hilfe einer Replikationsstrategie de…nierte Preis c0 von c genau dann eindeutig bestimmt, wenn ker D> ? b gilt. 26 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Beweis. Sei h0 eine spezielle Lösung von c = D> h. Die allgemeine Lösung lautet dann h = h0 + f , wobei f 2 ker D> beliebig. Nun gilt h b = h0 b genau dann, wenn f b = 0, also wenn ker D> ? b. Aufgabe 1.1. Konstruieren Sie ein Beispiel eines Marktmodells mit zwei Finanzinstrumenten und zwei Zuständen, wobei das erste ein Vielfaches des zweiten ist. Machen Sie sich klar, daßhier für ein replizierbares Auszahlungspro…l unendlich viele replizierende Portfolios mit gleichem Anfangspreis existieren. ~ aber h b 6= h ~ b gilt? Welche Situation liegt aber vor, wenn D> h = D> h, ~ Nehmen wir dazu o.B.d.A. h b < h b an. In diesem Fall hat das Portfolio ~ die Eigenschaften h h ~ b < 0 und D> (h h) ~ = 0. Dies bedeutet, h h ~ zum Zeitpunkt 0 mit einer Kapitaleinnahme von daßder Erwerb von h h ~ b > 0 verbunden ist. Die Einnahme beinhaltet keinerlei Risiko, h h denn das Portfolio ist zum Zeitpunkt 1 wertlos, insbesondere bestehen zu diesem Zeitpunkt keinerlei Zahlungsverp‡ichtungen. Eine Möglichkeit, risikolos Gewinne ohne eigenen Kapitaleinsatz erzielen zu können, wird Arbitragegelegenheit genannt. De…nition 1.26. Eine Handelsstrategie h heiß t Arbitragegelegenheit, falls h b 0 und D> h > 0 (1.9) oder h b < 0 und D> h 0: (1.10) Existieren in einem Marktmodell (b; D) keine Arbitragegelegenheiten, so heiß t das Marktmodell arbitragefrei. Dabei bedeutet D> h > 0, daß D> h j 0 für alle j = 1; : : : ; K und daß D h k > 0 für wenigstens ein k. Für x 2 Rn schreiben wir allgemein x > 0, falls xi 0 für alle i = 1; : : : ; n und xk > 0 für wenigstens ein k. Wir schreiben x 0, und nennen x strikt positiv, falls xi > 0 für alle i = 1; : : : ; n. In (1.9) kostet das Portfolio anfangs nichts oder es bringt sogar etwas ein, V0 (h) = h b 0, und später, zum Zeitpunkt 1, bestehen in keinem Zustand Zahlungsverp‡ichtungen, aber es gibt die Chance auf einen positiven Gewinn, V1 (h) = D> h > 0. In (1.10) wird sofort ein Gewinn realisiert, V0 (h) = h b < 0, und später bestehen keinerlei Zahlungsverp‡ichtungen, eventuell kann sogar ein Gewinn realisiert werden, V1 (h) = D> h 0. Gilt V0 (h) > 0, so ist das der Betrag, der für den Kauf des Portfolios aufzuwenden ist. Ist V0 (h) < 0, so wird bei der Zusammenstellung des Portfolios h zum Zeitpunkt 0 das Kapital V0 (h) > 0 entnommen. Der Betrag V1 (h) stellt den zustandsabhängigen Wert des Portfolios zum Zeitpunkt 1 dar. Gilt V1 (h) (! j ) > 0, so bezeichnet dies den Gewinn, der beim > 1.4 Replikation und Arbitrage 27 Verkauf des Portfolios erzielt wird, falls zum Zeitpunkt 1 der Zustand ! j realisiert wird. Gilt V1 (h) (! j ) < 0, so bedeutet dies eine Zahlungsverp‡ichtung für den Besitzer des Portfolios im Zustand ! j . Für die Bewertung von Auszahlungspro…len kann die Arbitragefreiheit des zugrundeliegenden Marktmodells in der Regel vorausgesetzt werden. Denn jede Arbitragegelegenheit würde von vielen Investoren ausgenutzt. Dies hätte eine Verschiebung der Preise, und damit eine Änderung des Modells, zur Folge, bis die Gewinnmöglichkeit wieder verschwunden ist. In der Praxis treten Arbitragegelegenheiten auf, aber üblicherweise nur für kurze Zeit. Lemma 1.27. In einem arbitragefreien Marktmodell (b; D) beinhaltet jede zum Zeitpunkt 0 getätigte kostenlose Investition in ein Portfolio h mit D> h 6= 0 das Risiko eines Verlustes. Beweis. Sei h eine kostenlose Investition mit D> h 6= 0. Dann gilt D> h 0, denn sonst wäre h eine Arbitragegelegenheit. Wegen D> h 6= 0 mußdaher wenigstens eine Komponente von D> h negativ sein, und dies kennzeichnet einen Verlust. Daßim vorangegangenen Lemma eine zum Zeitpunkt 0 kostenlose Investition h betrachtet wurde, ist wesentlich. Denn das Erzielen risikoloser Gewinne bei einem positiven Kapitaleinsatz ist bei jeder festverzinslichen Geldanlage mit positivem Zinssatz möglich. Bei der Anlage eines Kapitalbetrags K, der sich bis zum Zeitpunkt t mit einem Zinssatz r > 0 verzinst, beträgt das Endkapital K (1 + r). Also wurde hier der Gewinn rK erzielt, der unabhängig vom zum Zeitpunkt t eintretenden Zustand !, und damit risikolos, ist. Satz 1.28. In einem arbitragefreien Marktmodell (b; D) gilt ker D> ? b; und der Preis jedes replizierbaren Auszahlungspro…ls c = D> h ist eindeutig bestimmt durch h b. Beweis. Angenommen, es gilt ker D> 6? b. Dann gibt es ein f 2 ker D> mit f b 6= 0. Durch Multiplikation mit 1 kann gegebenenfalls erreicht werden, daßf b < 0 gilt. Wegen D> f = 0 ist f dann aber eine Arbitragegelegenheit. Die zweite Aussage folgt aus Satz 1.25. Gilt umgekehrt ker D> ? b, so kann daraus nicht geschlossen werden, daß das Marktmodell (b; D) arbitragefrei ist, wie die beiden folgenden Beispiele demonstrieren. Beispiel 1.29. Betrachten Sie das Marktmodell 00 1 0 11 0:99 1:1 1:1 (b; D) = @@ 7:0 A ; @ 10 9 AA : 2:1 9 6 28 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Für D> = 1: 1 10 9 1: 1 9 6 : R3 ! R2 gilt Rang D> = 2, das Modell ist also 0 1 19:091 vollständig. Ferner gilt dim ker D> = 1 und f := @ 3:0 A löst das Glei1 chungssystem D> f = 0. Damit ist ker D> = f f j 2 Rg. Wegen 0 1 0 1 19:091 0:99 f b = @ 3:0 A @ 7:0 A = 0 1 2:1 gilt ker D> ?b. Dennoch ist sofort zu sehen, daßdas Marktmodell nicht arbitragefrei ist, denn eine Verschuldung im ersten Finanzinstrument und eine Investition in das dritte führt in jedem Szenario zu einem positiven Gewinn. 4 Ist ein Marktmodell arbitragefrei und ist h ein replizierendes Portfolio für das Auszahlungspro…l c, so ist der Wert h b mit c = D> h eindeutig durch c bestimmt. Das folgende Beispiel zeigt jedoch, daßumgekehrt aus der eindeutigen Bestimmtheit eines replizierenden Portfolios nicht gefolgert werden kann, daß das zugrundeliegende Marktmodell arbitragefrei ist. Beispiel 1.30. Betrachten Sie das Marktmodell 1 0 11 00 1:035 1:035 1:035 1 13 9 AA : (b; D) = @@ 12 A ; @ 15 100 82 95 111 Es ist leicht zu sehen, daßdie Matrix D einen Isomorphismus von R3 nach R3 de…niert. Damit bildet auch D> : R3 ! R3 einen Isomorphismus, so daß insbesondere ker D> = f0g gilt, woraus bereits b ? ker D> folgt. Da D> ein Isomorphismus ist, ist ferner jedes beliebige Auszahlungspro…l c 2 R3 auf eindeutig bestimmte Weise replizierbar. Andererseits ist leicht nachzurechnen, daßfür das Portfolio 1 0 249: 28 h = @ 10: 387 A 1: 246 gilt und 0 1 0 D> h = @ 4:57 A > 0 26:174 h b= 0:004 < 0: 1.4 Replikation und Arbitrage 29 Also ist h eine Arbitragegelegenheit. Der Frage, wie Arbitragegelegenheiten gefunden werden können, werden wir später nachgehen. 4 Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell. Den Wert h b als Preis für das Auszahlungspro…l c zu interpretieren, wobei c = D> h ein replizierendes Portfolio ist, ist nicht nur naheliegend, sondern zwingend. Jeder von h b abweichende Preis ermöglicht eine Arbitragestrategie, wie der folgende Satz zeigt. Satz 1.31. Sei c = D> h ein replizierbares Auszahlungspro…l in einem arbitragefreien Marktmodell (b; D). Dann ist h b der einzig mögliche arbitragefreie Preis für c. Beweis. Wird etwa das Auszahlungspro…l c für einen Preis s < h b angeboten, so kaufe c zum Preis von s und verkaufe das Portfolio h zum Preis von h b. Auf diese Weise wird zum Zeitpunkt 0 der Gewinn h b s > 0 realisiert. Zum Zeitpunkt 1 münden die getätigten Transaktionen in das Auszahlungspro…l D> h c = 0. Also bestehen zum Zeitpunkt 1 keine Zahlungsverp‡ichtungen, aber zum Zeitpunkt 0 wurde ein positiver Gewinn realisiert. Im Falle s > h b kaufe das Portfolio h und verkaufe das Auszahlungspro…l zum Preis s. Äquivalent zu De…nition 1.26 kann eine Arbitragegelegenheit auch als ein Portfolio h 2 RN de…niert werden, für das gilt ( h b; D> h) > 0. (1.11) Dabei werden das Negative des Anfangswertes h b des Portfolios h und die zustandsabhängige Auszahlung D> h des Portfolios zu einem Vektor ( h b; D> h) 2 R RK = RK+1 zusammengefaß t. De…nition 1.32. Die lineare Abbildung L : RN ! R RK = RK+1 ; gegeben durch L(h) := ( h b; D> h) = ( h S0 ; h S1 ) ; wird Entnahmeprozess genannt. Dabei ist L0 (h) := h b= h S0 die zum Erwerb des Portfolios h erforderliche Abbuchung des Betrags h S0 vom Konto des Portfolioinhabers, und L1 (h) := D> h = h S1 ist der Wert des Portfolios bei t = 1. Dieser Betrag kann dem Portfolio durch Au‡ösung zum Zeitpunkt 1 entnommen werden. 30 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Ein Portfolio h ist also genau dann eine Arbitragegelegenheit, wenn h niemals Kapital zugeführt werden mußund wenn dem Portfolio zum Zeitpunkt 0 oder zum Zeitpunkt 1 Kapital entnommen werden kann. Satz 1.33. Sei (b; D) ein Marktmodell. Angenommen, es gibt ein Portfolio mit b > 0 und D> > 0. Dann existieren genau dann Arbitragegelegenheiten, wenn es ein Portfolio h gibt mit h b = 0 und D> h > 0. Beweis. Jedes Portfolio h mit h b = 0 und D> h > 0 ist o¤enbar eine Arbitragegelegenheit. Sei h umgekehrt eine Arbitragegelegenheit. Dann gilt ( h b; D> h) > 0. Nach Voraussetzung besitzt das Portfolio in unserem Marktmodell die Eigenschaften b > 0 und D> > 0. Wir wählen nun 0 so, daß(h + ) b = 0 gilt. Wegen h b 0 folgt daraus = h bb 0. Nun ist = 0 genau dann, wenn h b = 0. Dann aber folgt D> h > 0, da h nach Voraussetzung eine Arbitragegelegenheit ist. Gilt dagegen > 0, so folgt h b < 0, also D> h 0, und wir betrachten D> (h + Wegen D> h daher 0 und ) = D> h + D> : D> > 0 folgt D> (h + D> (h + ) > 0. In jedem Fall gilt ) > 0: Ist also (b; D) nicht arbitragefrei, so gibt es sogar Arbitragegelegenheiten h mit h b = 0 und D> h > 0. Dies aber beweist die Behauptung. Folgerung 1.34. Sei (b; D) ein Marktmodell. Angenommen, es gibt ein Finanzinstrument S i mit S0i > 0 und S1i > 0. Das Marktmodell beinhaltet genau dann Arbitragegelegenheiten, wenn es ein Portfolio h gibt, mit h b = 0 und D> h > 0. > Beweis. Das Portfolio ei = (0; : : : ; 0; 1; 0; : : : ; 0) besitzt in unserem Marktmodell nach Voraussetzung die Eigenschaften ei b = bi = S0i > 0 und D> ei = ei S1 = S1i > 0. Damit folgt die Behauptung aus Satz 1.33. Folgerung 1.35. Ein Marktmodell (b; D) ist genau dann arbitragefrei, wenn jedes zum Zeitpunkt 0 kostenfreie Portfolio h mit D> h 6= 0 das Risiko eines Verlustes birgt, wenn also gilt D> h j < 0 für wenigstens ein j: Beweis. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell. Aus Lemma 1.27 folgt, daßjedes zum Zeitpunkt 0 kostenfreie Portfolio h mit D> h 6= 0 in wenigstens einem Zustand einen negativen Wert besitzt. Angenommen, es gilt für jedes Portfolio h mit h b = 0 und D> h 6= 0 die Eigenschaft D> h j < 0 für wenigstens ein j. Dann gibt es kein Portfolio h mit h b = 0 und D> h > 0. Nach dem letzten Satz folgt daraus die Arbitragefreiheit des Marktmodells. 1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie 31 1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie Im folgenden werden Skalarprodukte, bei denen über Finanzinstrumente summiert wird, wie bisher mit einem Punkt gekennzeichnet, während für Skalarprodukte, bei denen über Zustände summiert wird, die Klammer h ; i verwendet wird. In diesem Abschnitt wird gezeigt, daßein Marktmodell (b; D) genau dann arbitragefrei ist, wenn es einen Vektor 2 RK gibt mit 0 und mit b=D . Satz 1.36. (Law of One Price, zweite Version) Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell. Dann gilt b 2 Im D. Also gibt es ein 2 RK mit b = D . In diesem Fall gilt für jedes Portfolio h 2 RN h b= ; D> h : Beweis. Aus der Arbitragefreiheit von (b; D) folgt nach Satz 1.28 b ? ker D> . Nach Satz 8.39 gilt ker D> ? Im D und RN = ker D> Im D; (1.12) woraus bereits die Behauptung b 2 Im D folgt. Also gibt es ein b = D . Die zweite Behauptung folgt nun aus h b=D h= 2 RK mit ; D> h : Die Bedeutung von Satz 1.36 besteht darin, daßder Preis c0 = h b eines replizierbaren Auszahlungspro…ls c = D> h unter der Voraussetzung b = D eindeutig bestimmt ist und ohne Kenntnis des replizierenden Portfolios h als c0 = h ; ci berechnet werden kann. Satz 1.37. Gilt b = D für ein 2 RK mit Arbitragefreiheit des Marktmodells (b; D). 0, so folgt daraus die Beweis. Nach Satz 1.36 gilt h b = ; D> h . Ist nun D> h > 0, so folgt > h b > 0 wegen 0. Ist dagegen D h 0, so folgt entsprechend h b 0. Damit ist h aber keine Arbitragegelegenheit. De…nition 1.38. Ein Zustandsvektor. 2 RK mit 0 und der Eigenschaft b = D Beispiel 1.39. Wir betrachten das Marktmodell (b; D) = 1 10 ; 1:02 1:02 12 9 heiß t 32 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte des Beispiels 1.2 und untersuchen das Gleichungssystem D = b, also 1:02 1:02 12 9 1 2 = 1 10 : Es besitzt die eindeutig bestimmte Lösung = Da 0:392 0:588 : 0, ist das Marktmodell (b; D) arbitragefrei. 4 Satz 1.40. Sei (b; D) ein arbitragefreies und vollständiges Marktmodell. Dann gibt es in (b; D) einen Zustandsvektor. Beweis. Sei 2 RK mit b = D und sei ei 2 RK der i-te Standardbasisvektor. Aufgrund der Vollständigkeit des Marktmodells gibt es ein hi 2 RN mit ei = D> hi . Damit gilt i = h ; ei i = hi b: Wäre i = hi b 0, so wäre hi wegen D> hi = ei > 0 eine Arbitragegelegenheit. Da das Marktmodell (b; D) aber nach Voraussetzung arbitragefrei ist, folgt i > 0 für alle i = 1; : : : ; K. Im folgenden wird gezeigt, wie aus der Arbitragefreiheit eines Marktmodells ganz allgemein, also ohne die Voraussetzung der Vollständigkeit, die Existenz eines Zustandsvektors abgeleitet werden kann. Dazu werden zunächst zwei Trennungssätze bewiesen. 1.5.1 Trennungssätze im Rn Satz 1.41 (Erster Trennungssatz). Sei C Rn eine abgeschlossene, konvexe Menge, die den Ursprung nicht enthält. Dann gibt es ein x0 2 Rn und ein > 0, so daß hx0 ; xi für alle x 2 C. Insbesondere schneidet C nicht die Hyperebene hx0 ; xi = 0. Beweis. Sei > 0 so gewählt, daßC \ B (0) 6= ;, wobei B (0) = fx 2 Rn j kxk g. Sei x0 2 C der Punkt, an dem die stetige Abbildung x 7 ! kxk auf der kompakten Menge C \B (0) ihr Minimum annimmt. Dann folgt sofort kxk kx0 k für alle x 2 C: Für beliebiges x 2 C gilt für alle t 2 [0; 1] x0 + t (x x0 ) 2 C; da C konvex ist. De…nieren wir f : R ! R durch 1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie f (t) := kx0 + t (x 2 2 x0 )k = kx0 k + 2t hx0 ; x x0 i + t2 k(x 33 2 x0 )k ; 2 so ist f di¤erenzierbar und es gilt kx0 k = f (0) f (t) für alle t 2 [0; 1]. 0. Wegen f 0 (0) = 2hx0 ; x x0 i = Daher ist f 0 (0) = limt#0 f (t) t f (0) 2 2 hx0 ; xi kx0 k folgt hx0 ; xi folgt die Behauptung. 2 kx0 k > 0 für jedes x 2 C. Mit 2 := kx0 k C MBB x 0 B B B hx0 ; xi = 0 Abb. 1.4. Erster Trennungssatz Aufgabe 1.2. Machen Sie sich klar, daßdie Schnittmenge C \ B (0) im Beweis von Satz 1.41 gebildet wurde, um die Tatsache zu verwenden, daß stetige Funktionen auf kompakten Mengen ein Minimum annehmen. Wegen 0 < hx0 ; xi = kx0 k kxk cos ] (x0 ; x) besitzen alle x 2 C in Satz 1.41 einen spitzen Winkel mit x0 . Dies bedeutet, daßC in einer Hälfte des durch n die Hyperebene x? 0 := fx 2 R jhx0 ; xi = 0 g getrennten Raumes liegt. Satz 1.42 (Zweiter Trennungssatz). Sei K eine kompakte und konvexe Teilmenge des Rn und sei V ein Untervektorraum des Rn . Wenn V und K disjunkt sind, so gibt es ein x0 2 Rn mit folgenden Eigenschaften: 1. hx0 ; xi > 0 für alle x 2 K. 2. hx0 ; xi = 0 für alle x 2 V . Daher ist der Unterraum V in einer Hyperebene enthalten, die K nicht schneidet. Beweis. Die Menge C=K V = fx 2 Rn j9(k; v) 2 K V; x = k vg 34 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte ist konvex, da V als Untervektorraum und K nach Voraussetzung konvex sind. Ferner ist C abgeschlossen, da V abgeschlossen und da K kompakt ist. Weiter enthält C nicht den Ursprung, da K und V disjunkt sind. Auf Grund des letzten Satzes existieren ein x0 2 Rn und ein > 0 mit hx0 ; xi > für alle x 2 C. Daher gilt für alle k 2 K und für alle v 2 V hx0 ; ki hx0 ; vi : Für festes k 2 K gilt daher für jedes v 2 V und für alle hx0 ; vi hx0 ; ki 2 R die Ungleichung : Dies ist aber nur möglich, wenn hx0 ; vi = 0. Wir erhalten also hx0 ; vi = 0 für alle v 2 V: Daraus folgt dann hx0 ; ki > 0 für alle k 2 K: K 6x0 V PP P PP PP P PP P PP P hx0 ; xi = 0 PP PP PP Abb. 1.5. Zweiter Trennungssatz Die folgenden Aufgaben beziehen sich auf den vorangegangenen Satz und seinen Beweis. 1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie 35 Aufgabe 1.3. Weisen Sie die Konvexität von C nach. Aufgabe 1.4. Zeigen Sie, daßUntervektorräume des Rn abgeschlossen sind. Aufgabe 1.5. Zeigen Sie, daßC abgeschlossen ist. Satz 1.43 (Fundamentalsatz der Preistheorie). In einem Marktmodell (b; D) sind folgende Aussagen äquivalent. 1. (b; D) ist arbitragefrei. 2. Es gibt ein 2 RK+1 , 0, mit h ; L (h)i = 0 für alle h 2 RN . 3. Es gibt einen Zustandsvektor 2 RK , 0, mit b=D : Beweis. 1.=)2. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell. Dann gibt es nach (1.11) kein h 2 RN mit L(h) = ( h b; D> h) > 0: Ferner ist L : RN ! RK+1 linear, so daßIm L ein Untervektorraum des RK+1 ist, der den positiven Quadranten fx 2 RK+1 j x > 0 g nicht schneidet. Insbesondere schneidet Im L nicht die kompakte und konvexe Menge M = fx 2 RK+1 j x > 0; x0 + + xK = 1 g. Also folgt aus Satz 1.42 die Existenz eines 2 RK+1 mit h ; xi = 0 für alle x 2 Im L und h ; xi > 0 für alle x 2 M . Aus hx; i > 0 für alle x 2 M folgt 0, wie die Wahl x = ej zeigt, wobei ej den j-ten Standardbasisvektor bezeichnet. 2.=)3. Sei 2 RK+1 , 0, mit h ; L (h)i = 0. Wir schreiben = ( 0 ; 1 ) mit 0 2 R und 1 2 RK . Wegen 0 folgt 0 > 0 und 1 0. Damit erhalten wir 0 = h ; L (h)i = ( 0; = 0 h b; D> h) 1) ; ( (h b) + 1; D > also h b= 1 0 ; D> h : h ; 36 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte RK @ @ @ @ @ M @ @ @ ImL P PP P @ @ @ PP PP P PP P R PP P PP P P Abb. 1.6. Fundamentalsatz Mit der De…nition := 1 0 gilt 2 RK , 0 und h b=D h für alle h 2 RN . Daraus folgt aber b = D . 3.=)1. Dies ist gerade die Aussage von Satz 1.37. Aufgabe 1.6. Begründen Sie im Detail, warum die Menge M = fx 2 RK+1 j x > 0; x0 + + xK = 1 g aus dem vorangehenden Beweis kompakt und konvex ist. De…nition 1.44. Ein Tupel = ( 0 ; 1 ) 2 R RK , 0 für alle h 2 RN wird Zustandsprozeß genannt. 0, mit h ; L (h)i = Anmerkung 1.45. Ein Zustandsprozeß ist niemals eindeutig bestimmt. Jedes positive Vielfache , > 0, de…niert o¤enbar ebenfalls einen Zustandsprozeß . Jedoch gilt 1 1 ( 1 ; : : : ; K )> = ( 1 ; : : : ; K )> 0 für jedes 2R 0 f0g. Satz 1.46. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell. Ist R RK ein Zustandsprozeß , so de…niert := 1 0 2 RK = ( 0; 1) 2 1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie 37 2 RK ein Zustandsvektor, so de…niert einen Zustandsvektor. Ist umgekehrt RK := (1; ) 2 R einen Zustandsprozeß . Beweis. Ist =( 0; 1) ein Zustandsprozeß , so gilt 0 = h ; L (h)i = Mit := 0 (h b) + 1; D > h : 0 folgt daraus 1 0 1 h b= ; D> h =D h 0 für alle h 2 RN . Daraus folgt b = D . Dieses Argument ist identisch mit dem des Beweisteils 2.=)3. von Satz 1.43. Ist umgekehrt 2 RK , 0, ein Zustandsvektor, so folgt aus b = D der Zusammenhang 0= ; D> h h b+ = (1; ) ; h b; D> h = h ; L (h)i mit := (1; ) 2 R RK . Wegen 0 ist ein Zustandsprozeß . Satz 1.47. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell und sei = ( R RK ein Zustandsprozeß . Dann gilt für jedes Portfolio h 2 RN h S0 = 1 ; h S1 0 mit := 1 0 = h ; h S1 i 0; 1) 2 (1.13) 2 RK . Beweis. Es gilt 0 = h ; L (h)i = 0 (h b) + 1; D > h : Das Einsetzen von b = S0 und D> h = h S1 liefert h S0 = 1 ; h S1 ; 0 und der Satz ist bewiesen. Aus Satz 1.47 folgt, daßreplizierbare Auszahlungspro…le ohne Kenntnis des replizierenden Portfolios bewertet werden können. 38 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Folgerung 1.48. Sei (S0 ; S1 ) ein arbitragefreies Marktmodell mit Zustandsvektor . Sei weiter c 2 RK ein replizierbares Auszahlungspro…l, d.h. es gibt ein Portfolio h 2 RN mit c = h S1 . Dann ist der Wert c0 von c zum Zeitpunkt 0 gegeben durch c0 = h ; ci : Beweis. Mit Satz 1.47 gilt c0 = h S0 = h ; h S1 i = h ; ci : (1.14) Ist also ein Zustandsvektor für ein arbitragefreies Marktmodell einmal berechnet, so läß t sich der Preis jedes replizierbaren Auszahlungspro…ls unmittelbar mit Hilfe von (1.14) angeben. Die Bewertung replizierbarer zustandsabhängiger Auszahlungen durch (1.14) kann als Verallgemeinerung des Diskontierens deterministischer Zahlungsströme interpretiert werden. Analog zur Diskontierung einer deterministischen Zahlung c 2 R durch c0 = dc auf den Zeitpunkt 0 wird eine zustandsabhängige replizierbare Auszahlung c 2 RK durch c0 = h ; ci auf den Zeitpunkt 0 diskontiert. De…nition 1.49. Eine lineare Abbildung : Rn ! R wird Linearform genannt. wird als positiv bezeichnet, wenn gilt (c) > 0 für c > 0. Lemma 1.50. Die Zuordnung c ! h ; ci ; c 2 RN ; de…niert eine positive Linearform. Angenommen, für zwei zustandsabhängige Auszahlungen c; c0 2 RK gilt c > c0 im Sinne von c c0 > 0. Dann ist h ; ci > h ; c0 i : Ist also eine replizierbare Auszahlung c zum Zeitpunkt 1 in jedem Zustand mindestens so viel wert wie eine replizierbare Auszahlung c0 und sei weiter angenommen, daßck > c0k für wenigstens einen Zustand k, so ist der Preis von c zum Zeitpunkt 0 höher als der von c0 . Beweis. Dies folgt sofort aus 0. 1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie 1.5.2 Interpretation von 39 als Zustandspreisvektor Für den Fall, daßes Portfolios j mit der Eigenschaft D> gibt, gilt > j S0 = h ; D j i = h ; ej i = j : j = j S1 = ej Daraus erklärt sich der alternative Name Zustandspreisvektor für , denn j sind die Kosten für ein Portfolio, das im Zustand ! j den Wert 1 auszahlt und in allen anderen Zuständen den Wert 0. j wird daher auch als Zustandspreis des j-ten Zustands bezeichnet. Der Preis eines Portfolios h, h S0 = h ; D> hi; kann daher auch als Summe der Auszahlungen des Portfolios in den verschiedenen Zuständen D> h j , gewichtet mit den Zustandspreisen j , interpretiert werden. 1.5.3 Der Nachweis der Arbitragefreiheit Der Fundamentalsatz bietet einen Ansatz, um ein beliebiges Marktmodell (b; D) auf Arbitragefreiheit zu überprüfen. Es ist dazu das Gleichungssystem b=D ; 0; (1.15) auf Lösbarkeit mit einem strikt positiven Vektor 2 RK zu untersuchen. Existiert ein solcher Vektor, so ist das Marktmodell arbitragefrei. Besitzt das Gleichungssystem (1.15) dagegen keine Lösung oder nur Lösungen, bei denen die Bedingung 0 nicht zutri¤t, so existieren Arbitragegelegenheiten. Wenn D : RK ! RN injektiv ist, dann existiert höchstens eine Lösung des Gleichungssystems (1.15), und das Marktmodell (b; D) kann in diesem Fall etwa mit Hilfe des Gauß -Algorithmus auf Arbitragefreiheit untersucht werden. Ist D dagegen nicht injektiv, so besitzt (1.15) entweder keine Lösung oder aber die unendlich vielen Lösungen ' + f , f 2 ker D; wobei ' eine beliebige spezielle Lösung von b = D' ist. Wenn keine Lösung existiert, dann kann dies wieder mit Hilfe des Gauß -Algorithmus nachgewiesen werden. Existieren aber unendlich viele Lösungen, so ist eine beliebige spezielle Lösung ' nicht notwendigerweise strikt positiv. Im allgemeinen ist nun aber die Beantwortung der Frage, ob es ein f 2 ker D gibt mit ' + f 0 schwierig. Zur Lösung von (1.15) kann die Aufgabenstellung in diesem Fall jedoch als Lineares Optimierungsproblem gemäßDe…nition 8.41 umformuliert werden. Dazu setzen wir := 0 2 RK und betrachten die Optimierungsaufgabe max h ; i 40 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte unter den Nebenbedingungen b=D 0: Die Zielfunktion max h ; i besitzt für jedes stets den Wert 0. Entscheidend ist daher nicht die Optimierung der Zielfunktion, sondern die Erfüllung der Nebenbedingungen. Der Standard-Simplex-Algorithmus löst das Lineare Optimierungsproblem genau dann, wenn das Gleichungssystem (1.15) strikt positive Lösungen besitzt. 1.5.4 Das Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell Wir betrachten nun das allgemeine Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell und werden sehen, daßdie Frage der Arbitragefreiheit des zugehörigen Marktmodells mit Hilfe der Begri¤sbildung des Zustandsvektors leicht und übersichtlich beantwortet werden kann. Beispiel 1.51. Sei B eine Währungseinheit, also etwa 1 Euro, oder ein beliebiges anderes Anfangskapital zum Zeitpunkt 0, und sei S eine Aktie. Wir betrachten ein Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell b= B S0 ; D= B (1 + r) B (1 + r) S1 (! 1 ) S1 (! 2 ) und untersuchen dies auf Arbitragefreiheit. Dazu betrachten wir das Gleichungssytem b = D ;also B S0 = = B (1 + r) B (1 + r) S1 (! 1 ) S1 (! 2 ) B (1 + r) S1 (! 1 ) 1 1 1 (1.16) 2 + B (1 + r) + S1 (! 2 ) 2 2 : Daraus folgen mit s1 := S1 (! 1 ) und s2 := S1 (! 2 ) die beiden Gleichungen s1 (1 + r) S0 = (1 + r) (s1 (1 + r) S0 s2 = (1 + r) (s1 s2 ) s2 ) 2 (1.17) 1: Wir nehmen nun folgende Fallunterscheidung vor: 1. Angenommen, es gilt s1 = s2 =: s, dann ist das Gleichungssystem genau dann lösbar, wenn s = (1 + r) S0 gilt. In diesem Fall hat die Auszahlungsmatrix D die Gestalt D = (1 + r) B B S0 S0 : 1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie Damit ist der Rang von D gleich 1 und wir können ein beispielsweise wählen als ! = 1 = 2 1 2(1+r) 1 2(1+r) 41 0 mit b = D : Das Marktmodell ist also arbitragefrei, aber nicht vollständig. O¤enbar gilt Im D> = = (1 + r) 1 1 B S0 B S0 h1 h2 h= h1 h2 2 R2 2R : 1 ein replizierbares Auszahlungspro…l. Dann ist der Preis c0 von 1 c zum Zeitpunkt 0 gegeben durch Sei c = c0 = h ; ci = 1+r : Damit ist c0 gerade der auf den Zeitpunkt 0 abdiskontierte Wert von . 2. Angenommen, es gilt s1 s2 > 0. Dann ist 1 = 1 (1 + r) S0 s2 1+r s1 s2 (1.18) 2 = 1 s1 (1 + r) S0 1+r s1 s2 (1.19) und also 1 2 > 0 () (1 + r) S0 > s2 > 0 () s1 > (1 + r) S0 : Das Marktmodell ist also im Falle s1 s2 > 0 genau dann arbitragefrei, wenn s1 > (1 + r) S0 > s2 : 3. Analog folgt, daßdas Marktmodell im Falle s1 < s2 genau dann arbitragefrei ist, wenn s1 < (1 + r) S0 < s2 : In jedem Fall folgt aus s1 6= s2 die eindeutige Lösbarkeit des Gleichungssystems b = D . Also ist D in diesem Fall injektiv und damit ein Isomorphismus. Dies ist aber gleichbedeutend mit der Vollständigkeit des Marktmodells. 4 42 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Beispiel 1.52. Wir betrachten erneut das Beispiel 1.51, de…nieren aber hier zwei Konstanten u und d mit u > d > 0, so daß S1 (! 1 ) := uS0 und S2 (! 2 ) := dS0 : Dann lautet das Gleichungssystem (1.16) B S0 B (1 + r) B (1 + r) uS0 dS0 = 1 2 und ist nach Division durch B bzw. durch S0 identisch mit 1 1 1+r 1+r u d = 1 : (1.20) 2 Daraus folgt 1 = (1 + r) ( 1=u 1+d 1 + 2) 2 mit den Lösungen 1 = 1 (1 + r) d 1+r u d (1.21) und 1 u (1 + r) : (1.22) 1+r u d Wir sehen also, daßdie Komponenten des Zustandsvektors nun nicht mehr von den Anfangskursen B und S0 , sondern nur noch von den Renditefaktoren u, d und 1 + r abhängen. Diese Tatsache wird bei der Erweiterung des Binomial-Modells auf mehrere Perioden verwendet werden. O¤enbar ist das Marktmodell genau dann arbitragefrei, wenn 2 = u > 1 + r > d: (1.23) 4 Beispiel 1.53. Wir betrachten erneut das Marktmodell (b; D) = 1 10 ; 1:02 1:02 12 9 : Hier gilt u= 12 9 > 1:02 = 1 + r > = d; 10 10 1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie 43 woraus die Arbitragefreiheit von (b; D) folgt. Der Zustandsvektor ergibt sich entweder als eindeutig bestimmte Lösung des Gleichungssystems D = b oder durch Einsetzen von u und d in (1.21) und (1.22) zu = 0:392 0:588 : Nun betrachten wir eine Call-Option auf S 2 mit Basispreis 10. Die zustandsabhängige Auszahlung c dieser Option lautet c= 1 0 ; und daraus erhalten wir das replizierende Portfolio h als Lösung des Gleichungssystems D> h = c mit h= 2: 941 0:333 : Der Wert c0 von c ergibt sich nun als Wert h S0 des Portfolios h zum Zeitpunkt 0 zu c0 = h S0 = 0:392: Mit Hilfe des Zustandsvektors erhalten wir diesen Wert für c0 unmittelbar als c0 = h ; ci = 0:392: Betrachten wir nun eine Put-Option auf S 2 mit Basispreis 10:5, so lautet das zugehörige Auszahlungspro…l c= 0 1:5 ; und der Preis c0 von c ergibt sich als c0 = h ; ci = 0:882: 4 Sind die Bedingungen d < 1 + r < u in (1.23) verletzt, so ist die Bedingung 0 nicht erfüllt. Dies bedeutet aber, daßdas Marktmodell nicht arbitragefrei sein kann. Nehmen wir beispielsweise an, daß1 + r d < u gilt, so ist die Rendite bei Investition in die Aktie in jedem Zustand größ er als die Rendite r einer festverzinslichen Kapitalanlage. Damit liegt eine Arbitragestrategie auf der Hand: Leihe Kapital zum risikolosen Zinssatz und investiere dies in die Aktie. Da die Aktie in jedem Fall nicht weniger Rendite erzielt als die festverzinsliche Kapitalanlage, kann die entstehende Schuld in jedem Fall vollständig zurückgezahlt werden. Formalisiert wird dies durch eine Handelsstrategie h = (h1 ; h2 ) = 1; S10 . Wir leihen 1 Geldeinheit und kaufen für 44 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte 1 S0 Anteile der Aktie. Die Gesamtinvestition entspricht dem Portfolio1 wert zum Zeitpunkt 0 und beträgt h = 0. Für die Auszahlung zum S0 Zeitpunkt 1 gilt diese D> h = = 1 + r uS0 1 + r dS0 u d 1 1 S0 (1 + r) (1 + r) > 0: Also ist diese Handelsstrategie tatsächlich eine Arbitragegelegenheit. 1.6 Replizierbarkeit und Vollständigkeit Für die lineare Abbildung D : RK ! RN gilt analog zu (1.12) RK = ker D Im D| : (1.24) Satz 1.54. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell. Ein Auszahlungspro…l c 2 RK ist genau dann replizierbar, wenn ker D?c: Dies ist genau dann der Fall, wenn h ; ci für alle Zustandsvektoren ben Wert besitzt. densel- Beweis. Die erste Behauptung folgt sofort aus der Zerlegung (1.24) und aus der Tatsache, daßc 2 RK genau dann replizierbar ist, wenn c 2 Im D> gilt. Zum Beweis der zweiten Behauptung sei ein Zustandsvektor, also eine strikt positive Lösung von b = D . Ist ein weiterer Zustandsvektor, so folgt = + f für ein f 2 ker D. Ist c replizierbar, so ist ker D?c und daher gilt h ; ci = h ; ci, also hat h ; ci für jeden Zustandsvektor denselben Wert. Sei umgekehrt angenommen, daßh ; ci für jeden Zustandsvektor denselben Wert besitzt, und sei f 2 ker D beliebig. Sei 0 := min f i ji = 1; : : : ; K g und de…niere 0 := > 0: 1 + jf1 j + + jfK j Dann gilt für alle j = 1; : : : ; K j + fj 0 1 + jf1 j + + (jfj j + fj ) + 1 + jf1 j + + jfK j + jfK j > 0; so daß + f 0. Damit ist aber + f ein Zustandsvektor. Nach Voraussetzung gilt nun h ; ci = h + f; ci, woraus hf; ci = 0 folgt. Da f beliebig war, erhalten wir ker D?c, also c 2 Im D> . 1.6 Replizierbarkeit und Vollständigkeit 45 Sei insbesondere D injektiv. Nach Satz 1.54 ist c 2 RK genau dann replizierbar, wenn ker D ? c. Wegen ker D = f0g ist also jedes c replizierbar, und das Marktmodell (b; D) ist somit vollständig. Satz 1.55. In einem arbitragefreien Marktmodell (b; D) sind folgende Aussagen äquivalent. 1. Das Marktmodell (b; D) ist vollständig. 2. D ist injektiv. 3. Der Zustandsvektor ist eindeutig bestimmt. Beweis. 1.()2. Nach De…nition ist das Marktmodell genau dann vollständig, wenn D> surjektiv ist. Wegen (1.24), RK = ker D Im D| ; ist dies gleichbedeutend mit ker D = f0g, also der Injektivität von D. 2.=)3. Ist der Zustandsvektor nicht eindeutig bestimmt, so gibt es insbesondere verschiedene Lösungen der Gleichung D = b, und D ist somit nicht injektiv. 3.=)2. Wenn D nicht injektiv ist, so gibt es ein Element f 2 ker D, f 6= 0. Dann zeigt aber der Beweis von Satz 1.54, daßes ein > 0 gibt, so daß + f ein Zustandsvektor ist. Damit ist aber der Zustandsvektor nicht eindeutig bestimmt. Folgerung 1.56. Sei (b; D) ein Marktmodell. Dann ist die Vollständigkeit des Modells äquivalent zu Im D> = RK . Aus N = dim ker D> + dim Im D> folgt damit die Beziehung N K. Daher mußin einem vollständigen Marktmodell die Zahl der im Modell spezi…zierten Finanzinstrumente stets größ er oder gleich der Anzahl der Zustände sein. Folgerung 1.57. Liegt in einem vollständigen, arbitragefreien Modell speziell die Situation K = N vor, existieren also genau so viele Zustände, wie es Finanzinstrumente im Marktmodell gibt, so ist D> : RN ! RK ein Isomorphismus. Beispiel 1.58. Wir betrachten wieder das allgemeine Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell aus Beispiel 1.51 mit b= B S0 ;D = B (1 + r) B (1 + r) S1 (! 1 ) S1 (! 2 ) : Angenommen, das Marktmodell ist arbitragefrei und der Rang von D ist 2. Dann gilt o.B.d.A. S1 (! 1 ) > S1 (! 2 ) und S1 (! 1 ) > (1 + r) S0 > S1 (! 2 ) : Die Abbildung D> bildet also einen Isomorphismus, so daßdas Marktmodell vollständig ist, ker D = f0g gilt und die Gleichung 46 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte b=D eindeutig lösbar ist. Wegen ker D = f0g gilt für jedes c 2 R2 die Aussage c ? ker D. Im Falle S1 (! 1 ) = S1 (! 2 ) ist der Rang von D gleich 1 und das Gleichungssystem b = D ist genau dann lösbar, wenn S1 (! 1 ) = S1 (! 2 ) = (1 + r) S0 : In diesem Fall gilt B B S0 S0 D = (1 + r) und b = D ; 0, ist lösbar mit = 1 2 (1 + r) 1 1 : Ferner gilt ker D = f v j 2 R; v = (1; 1) g. Sei nun c = D> h ein replizierbares Auszahlungspro…l, so gilt c = (1 + r) B S0 B S0 h1 h2 = (1 + r) Bh1 + S0 h2 Bh1 + S0 h2 = 2 R; ; und daher c ? ker D. Ein Auszahlungspro…l c ist genau dann nicht re1 plizierbar, wenn c = mit 2 1 2 ; 1 1 = 1 2 1 6= 2. In diesem Fall gilt o¤enbar 6= 0. 4 Beispiel 1.59. Wir untersuchen das Marktmodell (b; D) = 1 100 ; 1:03 1:03 125 85 auf Arbitragefreiheit. Dazu betrachten wir das Gleichungssystem 1:03 1:03 125 85 1 = 2 und …nden die eindeutig bestimmte Lösung = 0:437 0:534 : 1 100 1.7 Preise als diskontierte Erwartungswerte 47 Also ist das Marktmodell (b; D) arbitragefrei. Sei c 2 R2 ein beliebiges Auszahlungspro…l. Da es nur einen Zustandsvektor gibt, besitzt der Ausdruck h ; ci für jeden Zustandsvektor denselben Wert. Also ist das Marktmodell vollständig. Die Vollständigkeit folgt auch aus der Tatsache, daßD ein Isomorphismus ist. 4 1.7 Preise als diskontierte Erwartungswerte Die Wahrscheinlichkeitstheorie spielt in der modernen Finanzmathematik eine überragende Rolle. Dennoch wurden in diesem Kapitel bislang weder ein Wahrscheinlichkeitsraum noch ein Wahrscheinlichkeitsmaßverwendet. Insbesondere spielt es bei der hier vorgestellten Bewertungsstrategie keine Rolle, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Zustand ! 2 zum Zeitpunkt 1 eintritt. Wir werden jedoch gleich sehen, daßsich die Preise von beliebigen replizierbaren Auszahlungspro…len c 2 RK bis auf einen Faktor als Erwartungswerte formulieren lassen. Allerdings wird der Erwartungswert bezüglich eines aus dem Zustandsvektor konstruierten formalen Wahrscheinlichkeitsmaß es gebildet – und nicht mit Hilfe des natürlichen Wahrscheinlichkeitsmaß es, das das Eintreten der Szenarien ! 2 bewertet. De…nition 1.60. Sei eine endliche Menge und sei P ( ) die Potenzmenge von , also die Menge aller Teilmengen von . Ein Wahrscheinlichkeitsraum ist ein Tupel ( ; P ), wobei P : P ( ) ! [0; 1] Wahrscheinlichkeitsmaßgenannt wird und folgende Eigenschaften erfüllt: P ( ) = 1; P (A [ B) = P (A) + P (B) , falls A \ B = ?: Aus der De…nition folgt P (?) = 0, denn es gilt [? = und \? = ?, also P ( ) = P ( [ ?) = P ( ) + P (?). Sei f : ! R eine Funktion mit f (!) > 0 für alle ! 2 und mit PK f (! ) = 1. Dann induziert f ein Wahrscheinlichkeitsmaß P auf durch j j=1 P die De…nition P (A) := !2A f (!) für alle A . Mit Hilfe eines Zustandsvektors läß t sich daher ein Wahrscheinlichkeitsmaßauf wie folgt de…nieren. De…nition 1.61. Setzen wir d := 1 + Q (! j ) := + K > 0, so de…niert j d für j = 1; : : : ; K formal ein WahrscheinlichkeitsmaßQ. Q wird risikoloses Wahrscheinlichkeitsmaßoder synthetisches Wahrscheinlichkeitsmaßgenannt. 48 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Der Name risikoloses Wahrscheinlichkeitsmaßwird später begründet. Wie bereits angemerkt haben die Wahrscheinlichkeiten Q (! j ) nichts mit den Wahrscheinlichkeiten zu tun, mit denen die Zustände ! j im Ein-PeriodenModell eintreten werden, sondern werden abstrakt aus den Komponenten eines Zustandsvektors gewonnen. De…nition 1.62. Sei ( ; P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Eine Funktion X : ! R heiß t Zufallsvariable auf ( ; P ). Häu…g spricht man auch von einer Zufallsvariablen X auf . De…nition 1.63. Sei X : ! R eine beliebige Zufallsvariable auf einem Wahrscheinlichkeitsraum ( ; P ). Dann ist der Erwartungswert EP [X] von X bezüglich P de…niert durch X EP [X] := X (!) P (!) : !2 Der Erwartungswert von X ist also die Summe der mit den Wahrscheinlichkeiten P (!) gewichteten Ausprägungen X (!) von X. Es gilt Lemma 1.64. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell und sei ein Zustandsvektor. Dann gilt für den Preis c0 jedes replizierbaren Auszahlungspro…ls c 2 Im D> c0 = dEQ [c]; (1.25) wobei Q (! j ) = j d für j = 1; : : : ; K. Beweis. Sei c 2 Im D> . Dann gilt c0 = h ; ci und daher c0 = h ; ci = dh ; ci d K X =d cj Q (! j ) j=1 = dEQ [c]; wobei der Erwartungswert EQ mit Hilfe des synthetischen Wahrscheinlichkeitsmaß es Q gebildet wird. 1.7 Preise als diskontierte Erwartungswerte 49 1.7.1 Interpretation von d als Diskontfaktor Wir interpretieren nun d unter der Annahme, daßein Portfolio existiert, das in jedem Zustand den Wert 1 auszahlt. Diese Annahme ist beispielsweise dann erfüllt, wenn das zugehörige Marktmodell vollständig ist oder wenn das Marktmodell ein Finanzinstrument enthält, welches zum Zeitpunkt 1 in jedem Zustand denselben Wert besitzt. Ein derartiges Portfolio oder Finanzinstrument ist festverzinslich in dem Sinne, daßdie Auszahlung, und damit auch die Rendite des investierten Kapitals, vom eintretenden Zustand ! unabhängig ist. Lemma 1.65. Sei 2 RN ein Portfolio mit der Eigenschaft D> = S1 = (1; : : : ; 1): Dann gilt d= Beweis. Für das Portfolio S0 : gilt o¤enbar d = h ; (1; : : : ; 1)i = h ; D> i = D = S0 : Also ist d = S0 der Preis des Portfolios zum Zeitpunkt 0. Da zum Zeitpunkt 0 gerade d investiert werden muß , um zum Zeitpunkt 1 in jedem Zustand die Auszahlung 1 zu erzielen, kann d als Diskontfaktor interpretiert werden. Folgerung 1.66. Sei (S0 ; S1 ) = (b; D) ein arbitragefreies und vollständiges Marktmodell. Dann existiert ein eindeutig bestimmter Zustandsvektor , und PK d = j=1 j ist daher der eindeutig bestimmte Diskontfaktor des Modells. Lemma 1.67. Angenommen, eines der Finanzinstrumente, etwa S 1 , ist selbst festverzinslich, d.h. es gibt ein r > 1 mit der Eigenschaft S01 = 1 und S11 (! j ) = 1 + r für alle j = 1; : : : ; K. Dann gilt d= 1 : 1+r (1.26) 1 Beweis. Wird in Lemma 1.65 = ( 1+r ; 0; : : : ; 0) gewählt, so gilt D> = 1 1 1 1 S0 = 1+r S1 = 1+r (S1 (! 1 ); : : : ; S1 (! K )) = (1; : : : ; 1). Weiter folgt d = , 1 und wir erhalten den vertrauten Diskontfaktor d = 1+r . Damit kann der Preis c0 = dEQ [c] eines replizierbaren Auszahlungspro…ls c 2 Im D> als abdiskontierter Erwartungswert von c unter dem synthetischen PreismaßQ = d interpretiert werden. Der mit Hilfe von (1.26) de…nierte Zinssatz r := d1 1 wird auch risikoloser Zinssatz oder risikolose Rendite 50 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte genannt. Die Bezeichnung risikolos bedeutet in diesem Zusammenhang, daß zum Zeitpunkt 0 keine Unsicherheiten über die Rendite zum Zeitpunkt 1 bestehen. Durch die Darstellung c0 = dEQ [c] für den Wert einer replizierbaren Auszahlung c zum Zeitpunkt 0 wird andererseits die Analogie zur Diskontierung deterministischer Zahlungen gegenüber der Schreibweise c0 = h ; ci noch deutlicher. Ist insbesondere c selbst deterministisch, gilt also c = c (1; : : : ; 1), so erhalten wir c0 = dcEQ [(1; : : : ; 1)] = dc; und c0 ist gerade der diskontierte Wert der zukünftigen deterministischen Zahlung c 2 R. In diesem Sinne wird der Ausdruck dEQ [c] als verallgemeinerte Diskontierung der Auszahlung c 2 RK interpretiert, und die Komponenten Q (! j ) werden als Gewichte der Zustände, nicht aber als Wahrscheinlichkeiten aufgefaß t. Beispiel 1.68. Für das allgemeine Zwei-Perioden-Zwei-Zustands-Modells in Beispiel 1.51 wurde folgende Darstellung für die Komponenten des Zustandsvektors erhalten: 1 (1 + r) S0 s2 1 = 1+r s1 s2 und 2 = 1 s1 (1 + r) S0 : 1+r s1 s2 Dies können wir schreiben als = 1 1+r q 1 = dQ; q 1 0 s2 und d := 1+r wobei q := (1+r)S . Der Wert c0 einer Auszahlung c 2 R2 s1 s2 zum Zeitpunkt 0 kann daher geschrieben werden als h ; ci = dEQ [c] = d (qc1 + (1 + q) c2 ) : Dies stimmt mit (1.7) aus Beispiel 1.21 überein. 4 Beispiel 1.69. Wir betrachten wir erneut das Ein-Perioden-Zwei-ZustandsModell aus Beispiel 1.59. Hier hatten wir für das Marktmodell (b; D) = 1 100 ; 1:03 1:03 125 85 den Zustandsvektor gefunden. Dann gilt d = 0:971 = = 0:437 0:534 1 1:03 und 1.7 Preise als diskontierte Erwartungswerte Q= 0:45 0:55 51 : Damit gilt für das Auszahlungspro…l c einer Call-Option mit Basispreis K = 100 25 c= 0 und daher h ; ci = 0:437 0:534 ; 25 0 1 0:45 ; 0:55 1:03 1 25 EQ = 0 1:03 = 25 0 = 10: 925: 4 1.7.2 Interpretation von Q als Martingalmaß Wir betrachten nun die speziellen Portfolios ei , i = 1; : : : ; N , wobei ei den i-ten Standardbasisvektor bezeichnet. Dann gilt S0i = ei S0 = D ei = h ; D> ei i 0 i 1 * S1 (! 1 ) + B C .. = ;@ A . i S1 (! K ) 13 20 i S1 (! 1 ) C7 6B .. = dEQ 4@ A5 . (1.27) S1i (! K ) = dEQ S1i : Diese Rechnung zeigt, daßdie bisherigen Überlegungen auch in dem Sinne konsistent sind, daßsich der Preis S0i des i-ten Wertpapiers zum Zeitpunkt 0 als abdiskontierter Erwartungswert der zustandsabhängigen Preise S1i zum Zeitpunkt 1 bezüglich des Maß es Q darstellen läß t. Damit bildet der diskontierte Preisprozess (S0 ; dS1 ) ein Martingal unter dem WahrscheinlichkeitsmaßQ. Aus diesem Grunde wird Q auch Martingalmaßgenannt. Der Begri¤ des Martingals spielt im Zusammenhang mit den Mehr-Perioden-Modellen und im Rahmen der stochastischen Finanzmathematik eine wichtige Rolle und wird später ausführlich erläutert. 1 Aus (1.27) folgt mit d = 1+r weiter 52 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte EQ Si S1i S0i = r: S0i Si Die Größ e 1S i 0 wird als Rendite von S i bezeichnet, und wir erhalten das Er0 gebnis, daßunter dem WahrscheinlichkeitsmaßQ die erwartete Rendite jedes Finanzinstruments im Marktmodell mit der risikolosen Rendite r übereinstimmt. Dies begründet den Namen risikoloses Wahrscheinlichkeitsmaßfür Q. Beispiel 1.70. Wir betrachten wiederum das Marktmodell aus Beispiel 1.59, (b; D) = 1 100 ; 1:03 1:03 125 85 ; und berechnen den Forward-Preis F eines Forward-Kontraktes auf die Aktie S. Wie wir wissen, wird der Forward-Preis so bestimmt, daßder Wert des Forward-Kontrakts zum Zeitpunkt 0 verschwindet. Dies bedeutet 0 = h ; S1 F i = h ; S1 i h ; F i = S0 d F: Damit erhalten wir F = 1 S0 = S0 (1 + r) = 103: d 4 Satz 1.71. Bildet der diskontierte Preisprozess (S0 ; dS1 ) in einem arbitragefreien Marktmodell (b; D) ein Martingal, gilt also S0i = dEQ S1i für alle i = 1; : : : ; N , so gilt für jedes Portfolio h 2 RN h S0 = dEQ [h S1 ]: Beweis. h S0 = N X hi S0i i=1 =d N X hi EQ S1i i=1 = dEQ [h S1 ] : 1.7.3 Erwartungswert versus Diskontierung Sollte die Darstellung (1.25) zur Bestimmung des Preises einer Auszahlung c, also c0 = dEQ [c]; eher 1.7 Preise als diskontierte Erwartungswerte 53 wahrscheinlichkeitstheoretisch als abdiskontierter Erwartungswert in einer risikoneutralen Welt oder als verallgemeinerte Diskontierung zukünftiger Zahlungsströme interpretiert werden? Wir wissen, daßdie grundlegende Idee, zustandsabhängige Auszahlungspro…le c 2 RK in einem Marktmodell (b; D) zu bewerten, darin besteht, diese durch Portfolios h 2 RN nachzubilden, d.h. h so zu wählen, daßc = D> h gilt. Der Preis c0 = h b von h zum Zeitpunkt 0 wird dann als Preis von c de…niert. Ist (b; D) arbitragefrei, so existiert ein Zustandsvektor 0 mit b = D . Wegen h b = h D = D> h; = hc; i gilt dann auch c0 = h ; ci, so daßder Preis c0 von c mit Hilfe von ohne Kenntnis des replizierenden Portfolios h berechnet werden kann. Jede zum Zeitpunkt 1 erfolgende zustandsabhängige replizierbare Auszahlung c 2 RK wird also durch h ; ci in einen äquivalenten Wert zum Zeitpunkt 0 transformiert, und dies entspricht einer Diskontierung von c auf denPZeitpunkt 0. K Mit d := j=1 j sowie Q := d gilt c0 = h ; ci = dEQ [c], und für den Fall, daßc selbst deterministisch ist, d.h. daßc (!) = c für alle ! 2 gilt, erhalten wir c0 = dEQ [c] = dc, also die klassische Formel für die Diskontierung eines in der Zukunft ‡ieß enden Kapitalbetrags. Daher verallgemeinert die Darstellung c0 = dEQ [c] die Diskontierung deterministischer auf zustandsabhängige Auszahlungen. Es erscheint dabei naheliegend, die Q (!) als Gewichte zu interpretieren, mit denen die einzelnen Zustände in die Bewertung eingehen, nicht aber als Wahrscheinlichkeiten. Denn die Replikationsstrategie besitzt die Eigenschaft, daßjede in einem Zustand ! benötigte Auszahlung c (!) durch das replizierende Portfolio h exakt nachgebildet wird, daßalso c (!) = h S1 (!) für alle ! 2 gilt. Es ist daher unerheblich, welcher Zustand ! realisiert wird oder mit welcher Wahrscheinlichkeit er eintritt. Es gibt keine vorteilhaften oder unvorteilhaften Zustände, und die Auszahlung c wird nicht nur im Mittel bei vielen Transaktionen realisiert, sondern c (!) wird in jedem Zustand ! 2 bei jedem Erwerb eines Replikationsportfolios erzielt. Insofern besitzt die Replikationsstrategie sogar deterministische Züge. Warum sollte also eine Preisformel für c von –wie auch immer konstruierten –Wahrscheinlichkeiten Q (!) für die eintretenden Zustände abhängen? Andererseits ist eine wahrscheinlichkeitstheoretische Interpretation der Darstellung (1.25) aufgrund folgender Analogie verführerisch. Die hier vorgestellte Replikationsstrategie ist nämlich zunächst nicht die einzig naheliegende Idee zur Bewertung von Auszahlungspro…len. Angenommen, es gibt K Szenarien ! 1 ; : : : ; ! K für den Zeitpunkt 1 und angenommen, diese Szenarien treten mit den Wahrscheinlichkeiten P (! 1 ) ; : : : ; P (! K ) ein. Welchen Wert besitzt 54 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte dann eine vom Zustand abhängige Auszahlung c = (c (! 1 ) ; : : : ; c (! K ))? Naheliegend ist der Ansatz, hierfür den Erwartungswert der verschiedenen Zahlungen c (! 1 ) P (! 1 ) + + c (! K ) P (! K ) = EP [c] anzusetzen. Wird dieser P zukünftige Wert E [c] nun auf den Zeitpunkt 0 abdiskontiert, so erhalten wir c0 = dEP [c]: (1.28) Wird der Betrag c0 in (1.28) risikolos angelegt, so erhalten wir zum Zeitpunkt 1 einen Wert, der im Mittel mit der gewünschten Auszahlung c (!) übereinstimmt. In diesem Fall gibt es Zustände, die vorteilhaft und solche, die unvorteilhaft sind. Gleichung (1.28) stimmt nun mit (1.25) überein, wenn das MaßP durch das synthetische WahrscheinlichkeitsmaßQ ersetzt wird. Da bezüglich Q die erwartete Rendite jedes Finanzinstruments gleich der risikolosen Rendite r = d1 1 ist, wird (1.25) auch als „abdiskontierter Erwartungswert in einer risikoneutralen Welt“ bezeichnet. Trotz ihrer formalen Ähnlichkeit sind die beiden Bewertungsstrategien (1.25) und (1.28) inhaltlich vollkommen verschieden. Beachten Sie schließ lich, daßc0 = h ; ci = dEQ [c] interpretationsunabhängig der ökonomisch richtige Preis ist, weil jeder andere Wert eine Arbitragegelegenheit bietet. Damit ist die Bewertung von c durch dEP [c] –von zufälligen Übereinstimmungen abgesehen –nicht nur keine Alternative, sondern falsch. Den Ansatz, die Replikationsstrategie als verallgemeinerte Diskontierung zu interpretieren, werden wir in Kapitel 3 aufgreifen und auf Mehr-PeriodenModelle ausdehnen. 1.8 Wertgrenzen für Call- und Put-Optionen Es ist sowohl von theoretischem als auch von praktischem Interesse, einfach berechenbare obere und untere Schranken von Optionspreisen angeben zu können. Dazu betrachten wir ein arbitragefreies Marktmodell (S0 ; S1 ) mit S0 > 0 und S1 > 0 sowie die Auszahlung einer Call-Option + cC := (S1 K) cP := (K S1 ) und die einer Put-Option mit Basispreis K + 0. O¤enbar gilt 0 S1 Daraus folgen wegen cC und K (1.29) C c S1 : 0 die Eigenschaften 1.8 Wertgrenzen für Call- und Put-Optionen 0 S0 55 ; cC =: cC 0 und dK = h ; S1 i also (S0 ; cC =: cC 0 h ; Ki + dK) cC 0 S0 : S0 ; (1.30) Für nicht-negative Zinsen, also für d 1, gilt S0 K S0 dK, und wir erhalten auch die folgende, etwas schwächere, aber einprägsamere Abschätzung S0 cC 0 K S0 : Beispiel 1.72. Wir betrachten eine Call-Option auf eine Aktie S mit Basispreis K = 27 Euro. Sei S0 = 29 Euro, und der risikolose Zinssatz betrage 2:7%. 1 = 0:974. Für den Wert cC Dann gilt d = 1+r 0 der Call-Option gilt dann 2: 702 = 29 0:974 27 cC 0 29: 4 Analog gilt 0 cP K; woraus ; cP =: cP 0 0 folgt. Für d Abschätzung 1 erhalten wir wegen dK 0 cP 0 dK (1.31) K auch die etwas schwächere K: Beispiel 1.73. Wir betrachten eine Put-Option auf eine Aktie S mit Basispreis K = 32 Euro. Sei S0 = 30 Euro, und der risikolose Zinssatz betrage 2:7%. Für den Wert cC 0 der Call-Option gilt dann d = 0:974 und 0 cP 0 0:974 30 = 29: 22: 4 Weiter gilt cC cP = S1 K: (1.32) Aus (1.32) folgt cC 0 cP 0 = h ; S1 i h ; Ki = S0 dK: (1.33) Der Zusammenhang (1.33) wird Put-Call-Parität genannt und zeigt, wie Call- und Put-Preise mit identischem Ausübungspreis zusammenhängen. Nach der Put-Call-Parität besitzt eine Put-Option den gleichen Wert wie eine entsprechende Call-Option falls K = d1 S0 . 56 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte 1.9 Das Au¢ nden von Arbitragegelegenheiten Ein Portfolio h 2 RN ist nach De…nition genau dann eine Arbitragegelegenheit, wenn L (h) = b h; D> h > 0: De…nieren wir die erweiterte Payo¤matrix Db durch 0 1 b1 D11 D1K B .. .. C ; Db := ( b jD ) := @ ... . . A bN DN 1 DN K so gilt L (h) = Db> h: Zum Au¢ nden von Arbitragegelegenheiten betrachten wir das lineare Optimierungsproblem min b h Db> h > 0: Auf diese Weise wird eine Lösung gesucht, für die die Entnahme Zusammenstellung von h zum Zeitpunkt 0 möglichst großist. b h bei der Der Fundamentalsatz der Preistheorie, Satz 1.43, bietet alternative Möglichkeiten, um ein Marktmodell (b; D) auf Arbitragefreiheit zu prüfen. Dazu ist das Gleichungssystem b=D auf strikt positive Lösungen 0 zu untersuchen. Lemma 1.74. Sei (b; D) ein Marktmodell mit der Eigenschaft b 62 Im D: Dann ist h := bk eine Arbitragegelegenheit, wobei bk die Projektion von b auf ker D> bezeichnet. Beweis. Sei b = bk + bi 2 ker D> Im D: Wegen b 62 Im D folgt bk 6= 0. Damit gilt h b= bk b k < 0 D> h = D> bk = 0; und da bk 2 ker D> nach Voraussetzung. 1.9 Das Au¢ nden von Arbitragegelegenheiten Folgerung 1.75. Ist also insbesondere b 2 ker D> mit b 6= 0, so ist h := eine Arbitragegelegenheit. 57 b Lemma 1.76. Sei (b; D) ein vollständiges Marktmodell mit der Eigenschaft b 2 Im D: Sei gilt 2 RK die eindeutig bestimmte Lösung von b = D . Angenommen, es 6 0: De…niere eine Auszahlung c 2 RK durch cj := 0 falls 1 falls j j >0 : 0 Dann gilt c > 0. Da (b; D) vollständig ist, existiert ein Portfolio h 2 RN mit c = D> h: Dann ist h eine Arbitragegelegenheit. Beweis. Wegen b 2 Im D existiert ein 2 RK mit b = D . Da (b; D) nach Voraussetzung vollständig ist, ist D> : RN ! RK surjektiv. Aus der Zerlegung RK = ker D Im D> folgt ker D = f0g, also ist D injektiv, und ist eindeutig bestimmt. Nach Voraussetzung ist 6 0. Also gilt j 0 für wenigstens ein j 2 f0; : : : ; Kg. Daraus folgt aber c > 0. Sei h 2 RN ein Portfolio, das c repliziert. Dann gilt b h = h ; ci 0 und D> h = c > 0: Also ist h eine Arbitragegelegenheit. Wird (b; D) in Lemma 1.76 nicht als vollständig vorausgesetzt, dann existieren zwar Auszahlungspro…le c > 0 mit h ; ci 0, jedoch ist über die Replizierbarkeit derartiger c, also über die Eigenschaft c 2 Im D> , zunächst nichts bekannt. Anmerkung 1.77. Sei (b; D) ein Marktmodell mit N = K und sei D> ein Isomorphismus. Dann enthält (b; D) genau dann Arbitragegelegenheiten, wenn für die eindeutig bestimmte Lösung 2 RK von b = D gilt 6 0: 58 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte 1.10 Das diskontierte Marktmodell In den letzten Abschnitten wurde der Wert c0 eines replizierbaren Auszahlungspro…ls c 2 RK als abdiskontierter Erwartungswert c0 = dEQ [c] dargestellt. Das Wahrscheinlichkeitsmaßwurde dabei durch Normierung des Zustandsvektors gewonnen. In diesem Abschnitt stellen wir eine alternative Vorgehensweise zur Bestimmung von c0 vor, die unmittelbar auf die Erwartungswert-Darstellung führt. Dazu ist es jedoch notwendig, die Existenz eines strikt positiven Finanzinstrumentes im Marktmodell vorauszusetzen. Wir nehmen daher im folgenden an, daß S01 > 0 und S11 (! j ) > 0 für alle j = 1; : : : ; K gilt. Unter dieser Voraussetzung transformieren wir das Marktmodell (S0 ; S1 ) in ein neues Modell (S~0 ; S~1 ). Dazu de…nieren wir Si S~0i := 01 für i = 1; : : : ; N und S0 S i (! j ) S~1i (! j ) := 11 für i = 1; : : : ; N und j = 1; : : : ; K: S1 (! j ) Das neue Marktmodell (S~0 ; S~1 ) besitzt also die Eigenschaften S~01 = S~11 (! 1 ) = = S~11 (! K ) = 1 und wird diskontiertes Marktmodell genannt. Es enthält alle Preise relativ zu den Preisen von S 1 . Dieses Finanzinstrument S 1 , relativ zu dem die Preise aller anderen Finanzinstrumente angegeben werden, wird auch Numéraire genannt. Die Bezeichnung diskontiertes Marktmodell für S~0 ; S~1 begründet sich dadurch, daßS 1 häu…g die Eigenschaften S01 = 1 und S11 (! j ) = 1 + r für alle j = 1; : : : ; K besitzt. In diesem Fall gilt S~0 = S0 und S~i (! j ) = 1 S i (! j ), also werden die Wertpapierpreise S i (! j ) mit dem 1 Faktor 1 1+r 1+r 1 1 abdiskontiert. Satz 1.78. Ein Marktmodell (S0 ; S1 ) ist genau dann arbitragefrei, wenn das diskontierte Marktmodell S~0 ; S~1 arbitragefrei ist. Beweis. Dies folgt sofort aus den Beziehungen 1 h S~0 = 1 h S0 und S0 1 h S~1 (! j ) = 1 h S1 (! j ) S1 (! j ) unter Beachtung von S11 (! 1 ) > 0; : : : ; S11 (! K ) > 0 und S01 > 0. 1.10 Das diskontierte Marktmodell 59 Ist also das Marktmodell (S0 ; S1 ) arbitragefrei, so auch S~0 ; S~1 , und es ~ ~ = ~b, wobei existiert ein Zustandsvektor ~ 0 mit D ~b := S~0 = S0 = b S01 b1 und i ~ ij := S~1i (! j ) = S1 (! j ) = Dij : D S11 (! j ) S11 (! j ) Im diskontierten Modell ist das Portfolio e1 = (1; 0; : : : ; 0) eine festverzinsliche ~ > e1 = (D ~ 11 ; : : : ; D ~ 1K ) = Handelsstrategie zum Zinssatz r = 0, denn es gilt D (1; : : : ; 1). Daher ist d~ := K X j=1 ~ = h ~ ; (1; : : : ; 1)i = h ~ ; D ~ > e1 i = D ~ ~ e1 = ~b e1 = ~b1 = 1; j so daßdie Komponenten des Zustandsvektors ~ formal ein Wahrscheinlichkeitsmaß ~ := ~ Q (1.34) bilden. Zur Erinnerung: Im ursprünglichen Modell bildet dagegen Q = d ein Wahrscheinlichkeitsmaß . Ist c 2 RK ein in (S0 ; S1 ) replizierbares Auszahlungspro…l, so gibt es ein h 2 RN mit c = D> h. Dann gilt für c~ 2 RK , de…niert durch c~j := S11 cj ; (! j ) die Darstellung N X cj 1 c~j = 1 = 1 D> S1 (! j ) S1 (! j ) i=1 ji hi = N X ~> D i=1 ji ~ > h: hi = D Also ist c~ in S~0 ; S~1 replizierbar, und es gilt Wegen D E D E ~ ~ = ~; D ~ > h = ~ ; c~ = EQ~ [~ c~0 := h S~0 = h D c] : 1 1 c~0 = h S~0 = 1 h S0 = 1 c0 S0 S0 folgt also ~ ~ c0 = S01 EQ [~ c] = S01 EQ c : S11 (1.35) 60 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Wir betrachten nun den Zusammenhang zwischen den Zustandsvektoren in ~ . (S0 ; S1 ) = (b; D) und denen im diskontierten Marktmodell S~0 ; S~1 = ~b; D Sei ein Zustandsvektor in (b; D). Dann gilt wegen b = D K X ~bi = bi = 1 (D ) = 1 Dij i b1 b1 b1 j=1 = j K X ~ ij D j=1 D1j b1 j : (1.36) Bezeichnen wir andererseits den Zustandsvektor im diskontierten Marktmo~ ~ und damit dell mit ~ , so gilt ~b = D ~bi = D ~~ i = K X ~ ij ~ j : D j=1 Durch Vergleich mit (1.36) folgt ~ = D1j j b1 j = S11 (! j ) S01 j für j = 1; : : : ; K: (1.37) Den Zusammenhang (1.37) erhalten wir auch mit Hilfe von (1.35) durch h b = h ; ci = b1 D1 ; c b1 D1 wobei D1 die erste Zeile von D bezeichnet und = b1 h ~ ; c~i; D1 b1 j := D1j b1 j gilt. Mit (1.34) folgt aus (1.37) 1 ~ j = ~ j = S1 (! j ) Q S01 j = 1 S11 (! j ) Qj : d S01 (1.38) Anmerkung 1.79. Angenommen das Finanzinstrument S 1 ist ein festverzinsliches Wertpapier mit b1 = S01 = 1 und mit D1j = S11 (! j ) = 1 + r für alle j = 1; : : : ; K. Dann gilt für den Preis c0 = h b eines replizierbaren Auszahlungspro…ls c mit c = D> h der Zusammenhang ~ c0 = h b = S01 EQ c c ~ = EQ : 1 S1 1+r (1.39) In diesem wichtigen Spezialfall hist also i der Wert eines Auszahlungspro…ls ~ 1 c des mit dem Diskontfaktor 1+r abgleich dem Erwartungswert EQ 1+r diskontierten Auszahlungspro…ls c. Dabei wird der Erwartungswert bezüglich ~ := ~ gebildet, das durch die Bedingungen des Wahrscheinlichkeitsmaß es Q 1 ~b = D ~ ~, ~ 0, de…niert ist. Wegen (1.38) und wegen d = 1+r folgt ferner ~ = Q: Q 1.10 Das diskontierte Marktmodell 61 Existiert in einem arbitragefreien Marktmodell (S0 ; S1 ) also ein festverzinsliches Wertpapier und wird dieses als Numéraire verwendet, so stimmen die ~ im ursprünglichen und im diskontierten Mobeiden Martingalmaß e Q und Q dell überein. Beispiel 1.80. Wir betrachten das Beispiel 1.53 mit dem arbitragefreien Marktmodell 1 1:02 1:02 (b; D) = ; : 10 12 9 Der zugehörige eindeutig bestimmte Zustandsvektor lautet 0:392 0:588 = : Wählen wir S 1 als Numéraire, so lautet das zugehörige diskontierte Marktmodell 1 1 1 ~b; D ~ = ; : 10 11: 765 8: 823 Der zu diesem Marktmodell gehörende Zustandsvektor ~ ergibt sich als Lö~ ~ und lautet sung des linearen Gleichungssystems ~b = D ~= 0:4 0:6 =: Q: Erwartungsgemäßist ~ = Q formal ein Wahrscheinlichkeitsmaß . Für die in 1 Beispiel 1.53 betrachtete Call-Option mit Auszahlungspro…l c = berech0 nen wir nun (1.39) und erhalten c0 = EQ c = EQ 1+r 1 1:02 = 0 0:4 = 0:392; 1:02 also den bereits bekannten Wert aus Beispiel 1.53. Entsprechend ergibt sich 0 für die in Beispiel 1.53 betrachtete Put-Option mit c = der Wert 1:5 c0 = EQ c = EQ 1+r 0 = 1:5 1:02 0:9 = 0:882: 1:02 4 1.10.1 Arbitragefreiheit und Gewinne Wir betrachten den in (1.3) de…nierten Gewinn G(h) = V1 (h) =h S eines Portfolios h. V0 (h) 62 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Satz 1.81. Wenn ein Portfolio h eine Arbitragegelegenheit ist, so gilt G(h) > 0. Aus der Eigenschaft G(h) > 0 folgt umgekehrt jedoch nicht, daßArbitragemöglichkeiten existieren. Beweis. Angenommen, h ist eine Arbitragegelegenheit, so gilt L(h) = ( h S0 ; h S1 ) > 0. Daraus folgt bereits G(h)j = h S1 (! j ) h S0 0 für alle j = 1; : : : ; K und G(h)j > 0 für wenigstens ein j. Umgekehrt betrachten wir ein Marktmodell, das nur aus einer festverzinslichen Anlage S mit S0 = 1 und mit S1 (!) = 1 + r, r > 0, für jedes ! 2 besteht. In diesem Fall gilt h S0 = h und h S1 = h (1 + r). Für jedes Portfolio h 2 R, h > 0, gilt dann G (h) (!) = (1 + r)h h = rh > 0. Das Marktmodell ist aber arbitragefrei, denn h S0 = h und h S1 = (1 + r) h haben stets gleiches Vorzeichen. Wir betrachten im folgenden ein Portfolio h mit der Eigenschaft G (h) > 0, also mit positivem Gewinn zwischen t = 1 und t = 0. Wir untersuchen nun, unter welchen Voraussetzungen wir auf ein Marktmodell (b; D) schließ en können, das Arbitragegelegenheiten enthält. Gilt zusätzlich h S0 = 0, so ist h bereits eine Arbitragegelegenheit nach De…nition. Wir untersuchen nun den Fall h S0 6= 0. Zunächst betrachten wir Lemma 1.82. Sei (b; D) ein Marktmodell und sei h ein beliebiges Portfolio. Sei ein weiteres Portfolio mit der Eigenschaft S0 6= 0: Dann gilt mit = h S0 S0 (h + ) S0 = 0 und (h + ) S1 = G (h) wobei S1 R := die Rendite von S0 S0 bezeichnet. Beweis. O¤enbar gilt mit (h + (h S0 ) R ; = h S0 S0 ) S1 = h S1 + S1 = h S1 h S0 + h S0 = G (h) (h S0 ) S1 h S0 ( S1 ) S0 S0 : S0 1.10 Das diskontierte Marktmodell 63 Angenommen, es gilt h S0 > 0, so hat das Portfolio zum Zeitpunkt 0 einen positiven Wert. Daraus und aus einem positiven Gewinn kann in der Regel nicht auf eine Arbitragegelegenheit geschlossen werden, wie das Beispiel einer festverzinslichen Geldanlage mit positivem Zinssatz zeigt. Aber es gilt Folgerung 1.83. Sei (b; D) ein Marktmodell und sei h ein Portfolio mit den Eigenschaften h S0 > 0 und G (h) > 0: Angenommen, es gibt ein Portfolio d.h. mit mit R S0 6= 0 und mit negativer Rendite, 0; dann existieren Arbitragegelegenheiten. Beweis. Aus Lemma 1.82 folgen mit (h + h S0 S0 = die Eigenschaften ) S0 = 0 und (h + ) S1 = G (h) (h S0 ) R > 0: Wir betrachten nun ein Portfolio h mit den Eigenschaften h S0 < 0 und mit einem positiven Gewinn G (h) > 0. Die Handelsstrategie h läß t sich o¤enbar ohne eigenen Kapitaleinsatz realisieren, beim Erwerb des Portfolios h zum Zeitpunkt 0 wird sogar ein positiver Betrag h S0 eingenommen. Zum Zeitpunkt 1 mögen zwar Zahlungsverp‡ichtungen h S1 (!) < 0 in einem Zustand ! 2 bestehen, aber der Gewinn G (h) ist dennoch in jedem Zustand positiv. Trotz dieser Eigenschaft handelt es sich bei h nicht um eine Arbitragegelegenheit im Sinne der De…nition. Es gilt aber Folgerung 1.84. Sei (b; D) ein Marktmodell und sei h ein Portfolio mit den Eigenschaften h S0 < 0 und G (h) > 0: Angenommen, es gibt ein Portfolio d.h. mit mit R dann existieren Arbitragegelegenheiten. 0; S0 6= 0 und mit positiver Rendite, 64 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte Beweis. Aus Lemma 1.82 folgen mit (h + h S0 S0 = die Eigenschaften ) S0 = 0 und (h + ) S1 = G (h) (h S0 ) R > 0: Beispiel 1.85. Angenommen, es gibt eine festverzinsliche Kapitalanlage mit negativem Zinssatz 1 < r < 0. In diesem Fall mußfür einen geliehenen Kapitalbetrag h < 0 eine Rückzahlung in Höhe von h (1 + r) > h geleistet werden, so daßdie Di¤erenz positiv ist, also gilt h (1 + r) h = rh > 0: Der negative Zinssatz führt dazu, daßzum Zeitpunkt 1 ein geringerer Betrag zurückgezahlt werden mußals der, der zum Zeitpunkt 0 geliehen wurde. 4 Beispiel 1.86. Betrachten Sie das Marktmodell 100 10 (b; D) = ; 10 20 2 1 : Dies entspricht einem Szenario stark fallender Märkte. Das Marktmodell ist arbitragefrei, denn es gilt D = b für ! = 10 3 10 3 0: Dann gilt für das Portfolio h= 1 0 die Beziehungen h S0 = h b = 100 und h S1 = D > h = 10 20 ; also G (h) = 90 80 : Damit ist der Gewinn G (h) zwar positiv, aber dennoch liegt keine Arbitragegelegenheit vor. 4 1.10 Das diskontierte Marktmodell 65 Wir sehen am vorangegangenen Beispiel, daßder Gewinn oder Verlust zwischen den Zeitpunkten 0 und 1 dann wenig aussagekräftig ist, wenn sich das Preisniveau des Gesamtmarkts im Zeitverlauf wesentlich verschiebt. Der Begri¤ der Arbitragegelegenheit ist daher nicht mit Hilfe des Gewinns, sondern mit Hilfe der positiven Entnahme zu jedem Zeitpunkt de…niert. Für den Rest des Abschnitts setzen wir wieder S01 > 0 und S11 (! j ) > 0 für alle j = 1; : : : ; K voraus. Für das diskontierte Marktmodell S~0 ; S~1 werden wir nun nachweisen, daßdie Existenz von Arbitragemöglichkeiten äquivalent ist zur Eigen~ schaft, daßein Portfolio h existiert mit G(h) = h S~1 h S~0 > 0. Analog zur ~ Darstellung von G(h) läß t sich G(h) schreiben als ~ G(h) =h S~1 S~0 = h ~ S; wobei S~ = S~1 S~0 gesetzt wird. Der diskontierte Gewinn setzt sich also aus den Änderungen der diskontierten Wertpapierpreise, gewichtet mit den zugehörigen Stückzahlen, zusammen. Satz 1.87. Ein Marktmodell (S0 ; S1 ) beinhaltet genau dann Arbitragemöglichkeiten, wenn es ein Portfolio h gibt mit ~ G(h) = h S~1 h S~0 = h S~ > 0; wobei (S~0 ; S~1 ) das diskontierte Marktmodell bezeichnet. Zur Vorbereitung des Beweises dieses Satzes führen wir eine Rechnung durch, die wir in folgendem Satz zusammenfassen. Wir transformieren dazu ^ das die Eigenschaft h ^ S0 = ein beliebiges Portfolio h in ein neues Portfolio h, ~ 0 besitzt. Diese Rechnung wird dazu verwendet, um aus G(h) > 0 auf die Existenz von Arbitragegelegenheiten zu schließ en. Lemma 1.88. Sei (S0 ; S1 ) ein Marktmodell mit S01 > 0 und S11 (! j ) > 0 für alle j = 1; : : : ; K. Sei weiter h 2 RN ein beliebiges Portfolio. Wir de…nieren ^ durch nun ein neues Portfolio h ^ := (h ^ 1 ; h 2 ; : : : ; hN ) h ^ 1 := h N 1 X hi S0i : S01 i=2 Dann gilt ^ S0 = 0 und h ^ S1 = h S1 h (h S0 ) S11 : S01 66 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte ^ 1 wohlde…niert. Es gilt Beweis. Wegen S01 > 0 ist h ^ S0 = h ^ 1S1 + h 0 N X hi S0i = 0: i=2 Ferner gilt für beliebiges ! 2 ^ S1 (!) = h ^ 1 S 1 (!) + h 1 N X ^ i S i (!) h 1 i=2 = S11 (!) S01 = S11 = S11 = N X hi S0i + i=2 (!) h S0 S01 N X hi S1i (!) i=2 h1 S01 + N X hi S1i (!) i=2 N X (!) 1 (h S ) + h S (!) + hi S1i (!) 0 1 1 S01 i=2 S11 (!) (h S0 ) + h S1 (!) : S01 Obige Rechnung läß t sich auch auf folgende Weise darstellen. Es gilt ^ =h ^ S1 G(h) ^ S1 =h = h S1 ^ S0 h (h S0 ) S11 : S01 ~ über, so erhalten wir in Gehen wir nun zum diskontierten Marktmodell (~b; D) diesem Fall für ein beliebiges Portfolio h ^ =h ^ ~ h) G( ^ =h S~1 S~1 ^ S~0 h = h S~1 S~11 h S~0 S~01 = h S~1 h S~0 ~ = G(h); denn S~0 = 1 und S~11 (!) = 1 für alle ! 2 . ^ im diskontierWir sehen also, daßsich die Gewinne der Portfolios h und h ten Marktmodell nicht voneinander unterscheiden. Mit Hilfe dieses Ergebnisses läß t sich der Beweis des Satzes 1.87 nun leicht führen. 1.10 Das diskontierte Marktmodell 67 Beweis von Satz 1.87. Wir betrachten das diskontierte Marktmodell (S~0 ; S~1 ). ~ Angenommen, h ist eine Arbitragegelegenheit, so gilt G(h) = h S~1 h S~0 > 0. ^ Für dieses ~ Gilt umgekehrt G(h) > 0, so transformiere h in das Portfolio h. gilt dann ^ h ^ h ^ = G(h) ~ h) ~ S~1 = G( > 0 und ~ S0 = 0; ^ eine Arbitragegelegenheit. Da ferner (~b; D) ~ genau dann arbitragefrei also ist h ist, wenn (b; D) arbitragefrei ist, folgt die Behauptung. Lemma 1.89. Angenommen, es gilt S01 > 0 und S11 (!) > 0 für alle ! 2 . Das Marktmodell (S0 ; S1 ) enthält genau dann Arbitragegelegenheiten, wenn es ein Portfolio h 2 RN gibt mit h S1 > S11 (!) h S0 : S01 (1.40) S 1 (!) Beweis. Angenommen, es gilt h S1 > 1S 1 h S0 für ein Portfolio h. Daraus 0 ~ (h) > 0. Nach Satz 1.87 folgt daraus die Existenz folgt h S~1 > h S~0 , also G von Arbitragegelegenheiten. Verfügt ein Marktmodell umgekehrt über Arbitragegelegenheiten, so gibt es ein Portfolio h mit h S0 < 0 und h S1 0 oder h S0 0 und h S1 > 0: In jedem Fall folgt daraus h S1 > wegen S11 (!) S01 S11 (!) h S0 S01 > 0. Insbesondere enthält ein Marktmodell also Arbitragegelegenheiten, wenn für ein h 2 RN gilt S 1 (!) h S1 > 1 1 h S0 > 0: S0 Dies bedeutet Rh > R1 ; so daßeine Investition in h eine höhere Rendite liefert als eine Investition in S1. 68 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte 1.11 Zusammenfassung Eine zustandsabhängige Auszahlung c 2 RK heiß t replizierbar in einem Marktmodell (b; D) 2 RN MN K (R), wenn c 2 Im D> . In diesem Fall gibt es ein Portfolio h 2 RN , mit c = D> h. Ein Marktmodell heiß t vollständig, wenn jedes Auszahlungspro…l replizierbar ist. Einer replizierbaren Auszahlung c läß t sich genau dann ein eindeutig bestimmter Preis c0 zum Zeitpunkt 0 zuordnen, wenn gilt c0 = h b für jedes replizierende Portfolio h. Dies ist genau dann der Fall, wenn ker D> ? b. Im Rahmen eines Marktmodells (b; D) heiß t ein Portfolio h Arbitragegelegenheit, falls L(h) = ( h b; D> h) > 0 gilt. In diesem Fall bietet die Investition in das Portfolio h eine risikolose Gewinnmöglichkeit ohne eigenen Kapitaleinsatz. Arbitragegelegenheiten sollten in e¢ zienten Märkten nicht oder nur kurzzeitig auftreten, da Investoren jede dieser Gelegenheiten sofort ausnutzen würden. Dies hätte eine Verschiebung der Preise der zugehörigen Finanzinstrumente zur Folge, so daßdie Arbitragegelegenheit schnell wieder verschwunden wäre. In einem arbitragefreien Marktmodell gilt ker D> ? b, so daßder Preis c0 jeder replizierbaren Auszahlung c durch c0 = h b gegeben ist, wobei h ein beliebiges Portfolio ist mit c = D> h. In einem Marktmodell (b; D) gilt ein fundamentaler Struktursatz, der Fundamentalsatz der Preistheorie. Er besagt, daßdie Arbitragefreiheit äquivalent ist zur Existenz eines Zustandsvektors. Dies ist ein Vektor 2 RK mit den Eigenschaften 0 und b = D . Damit läß t sich der Preis eines beliebigen replizierbaren Auszahlungspro…ls c = D> h auch schreiben als h b = D h = h ; D> hi = h ; ci. Zur Bewertung von c mußdas replizierende Portfolio also nicht bekannt sein. Ein Auszahlungspro…l c ist genau dann replizierbar, wenn h ; ci für jeden Zustandsvektor denselben Wert besitzt. Ist also der Zustandsvektor in einem Marktmodell (b; D) eindeutig bestimmt, so ist jedes Auszahlungspro…l replizierbar, und in diesem Fall ist (b; D) daher vollständig. Sei ein Zustandsvektor in einem arbitragefreien Marktmodell. Wegen 0 läß t sich der Preis h ; ci jedes replizierbaren Auszahlungspro…ls c formal als diskontierter Erwartungswert desPAuszahlungspro…ls c schreiben, K denn h ; ci = h d ; dci = EQ [dc], wobei d = j=0 j und Q = d . Die Zahl d läß t sich dabei als Diskontfaktor interpretieren. Das Wahrscheinlichkeitsmaß Q = d wird auch risikoloses Wahrscheinlichkeitsmaßgenannt, oder, wegen EQ [dS1i ] = h ; S1i i = h ; D> ei i = hD ; ei i = ei S0 = S0i , auch äquivalentes 2 Martingalmaß . Die Darstellung c0 = dEQ [c] für den Wert einer replizierbaren Auszahlung c zum Zeitpunkt 0 verallgemeinert die Diskontierung deterministischer Zahlungen. Ist insbesondere c selbst deterministisch, gilt also 2 Wegen EQ [dS1i ] = S0i de…niert der diskontierte Preisprozess (S0 ; dS1 ) ein Martingal bezüglich Q und der Filtration F0 = f?; g, F1 = P ( ). Auf die Begri¤e Filtration und Martingal wird in späteren Kapiteln noch ausführlich eingegangen. 1.12 Weitere Aufgaben 69 c = c (1; : : : ; 1), so erhalten wir c0 = dcEQ [(1; : : : ; 1)] = dc; und c0 ist gerade der diskontierte Wert der zukünftigen deterministischen Zahlung c 2 R. Die Darstellung der Ein-Perioden-Modelle und der Bewertung zustandsabhängiger Auszahlungspro…le in diesem Kapitel wurde durch Du¢ e [9] motiviert. Siehe auch Pliska [33], Dothan [8] und Föllmer/Schied [10]. 1.12 Weitere Aufgaben Aufgabe 1.7. Betrachten Sie das Marktmodell 1 5 (b; D) = ; 1:1 1:1 7 4 : 1. Untersuchen Sie (b; D) auf Vollständigkeit und auf Arbitragefreiheit. 2. Bestimmen Sie den Wert einer Call-Option auf S 2 mit Basispreis K = 6. 3. Berechnen Sie den Forward-Preis F eines Forward-Kontrakts auf S 2 . Aufgabe 1.8. Betrachten Sie das Marktmodell (b; D) = 1 5 ; 1:1 1:1 1:1 7 4 6 : 1. Untersuchen Sie (b; D) auf Vollständigkeit und auf Arbitragefreiheit. 2. Bestimmen Sie den Wert einer Call-Option auf S 2 mit Basispreis K = 6. 3. Berechnen Sie den Forward-Preis F eines Forward-Kontrakts auf S 2 . Aufgabe 1.9. Betrachten Sie das Marktmodell 11 1 0 00 1:1 1:1 1:1 1 (b; D) = @@ 5 A ; @ 7 4 6 AA : 12 9 9 10 1. Zeigen Sie, daß(b; D) vollständig, aber nicht arbitragefrei ist. 2. Finden Sie eine Arbitragegelegenheit. Aufgabe 1.10. Betrachten Sie das Marktmodell 00 1 0 11 1 1:1 1:1 1:1 1:1 (b; D) = @@ 5 A ; @ 7 4 6 3 AA : 10 12 9 9 13 70 1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte 1. Zeigen Sie, daß(b; D) nicht vollständig, dagegen aber arbitragefrei ist. 2. Geben Sie eine zustandsabhängige Auszahlung c 2 R4 an, die nicht repliziert werden kann. 3. Bestimmen Sie die Menge aller replizierbaren Auszahlungen. Aufgabe 1.11. Betrachten Sie das Marktmodell 00 1 0 11 1 1:1 1:1 1:1 (b; D) = @@ 5 A ; @ 3 4 7 AA : 10 12 9 11 1. Zeigen Sie, daßdas Marktmodell arbitragefrei und vollständig ist. 2. Bestimmen Sie die Werte einer Call- und einer Put-Option auf S 3 mit Basispreis K = 10. 3. Veri…zieren Sie die Put-Call-Parität mit Hilfe der Ergebnisse aus 2. 4. Bestimmen Sie die Werte aus 2. mit Hilfe des diskontierten Marktmodells, wobei S 1 als Numéraire gewählt werden soll. 5. Bestimmen Sie die Werte aus 2. mit Hilfe des diskontierten Marktmodells, wobei S 3 als Numéraire gewählt werden soll. Aufgabe 1.12. Betrachten Sie das Marktmodell 1 0 11 00 60 59 57 56 (b; D) = @@ 8 A ; @ 11 7 10 AA : 32 36 41 33 1. Zeigen Sie, daß(b; D) arbitragefrei und vollständig ist, und bestimmen Sie den eindeutig bestimmten Zustandsvektor . 2. Finden Sie die eindeutig bestimmte festverzinsliche Anlage mit der Eigenschaft S1 (!) = 1 für alle ! 2 . 3. Bestimmen Sie daraus den Diskontfaktor d und den risikolosen Zinssatz r. P3 4. Veri…zieren Sie d = j=1 j . Aufgabe 1.13. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell mit Zustandsvektor und seien C und C 0 zwei Investitionsalternativen, die zu den beiden zukünftigen zustandsabhängigen replizierbaren Auszahlungen c 2 RK und c0 2 RK führen. Wir möchten ein Kriterium einführen, nach dem derartige Investitionen bewertet werden können und nach dem insbesondere festgestellt werden kann, ob und wann C 0 gegenüber C zu bevorzugen ist. Dazu wird auf Im D> Im D> eine Relation de…niert durch c0 c () h ; c0 i h ; ci : 1.12 Weitere Aufgaben 71 c0 c bedeutet, daßc0 wenigstens so gut ist wie c. Dies ist de…nitionsgemäß also genau dann der Fall, wenn der auf t = 0 transformierte Wert h ; c0 i von c0 größ er gleich dem auf t = 0 transformierten Wert h ; ci von c ist. 1. Zeigen Sie, daß eine re‡exive und transitive Relation de…niert. 2. De…niert auch eine Ordnungsrelation?3 3 Eine Relation auf einer Menge M heiß t Ordnungsrelation, wenn gilt a a für alle a 2 M (re‡exiv) a b und b a b; b a =) a = b (antisymmetrisch) c =) a c (transitiv)