Einführung in die Diskrete Finanzmathematik - Beck-Shop

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Springer-Lehrbuch
Einführung in die Diskrete Finanzmathematik
Bearbeitet von
Jürgen Kremer
1. Auflage 2005. Taschenbuch. XVI, 500 S. Paperback
ISBN 978 3 540 25394 5
Format (B x L): 15,5 x 23,5 cm
Gewicht: 1580 g
Weitere Fachgebiete > Mathematik > Mathematik Allgemein > Diskrete Mathematik,
Kombinatorik
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1
Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Die Aktienkurse zum aktuellen Zeitpunkt sind bekannt, nicht aber diejenigen
in einem Jahr. Damit ist auch ungewiß
, was ein Derivat, etwa eine Call-Option,
in einem Jahr wert sein wird. Eine Call-Option beinhaltet das Recht, eine
Aktie S zu einem bereits heute festgelegten Preis K zu einem zukünftigen
Zeitpunkt T kaufen zu dürfen. Es liegt im Ermessen des Eigentümers der
Call-Option, sein Kaufrecht auszuüben oder nicht. Wird das Optionsrecht
nicht ausgeübt, so verfällt die Option und wird wertlos. Besitzt die Aktie zum
Zeitpunkt T einen Marktwert von X > K, so kann er sie mit Hilfe seines
Optionsrechts zum Preis K kaufen und anschließ
end an der Börse zum Preis
X wieder veräuß
ern. Auf diese Weise erzielt er einen Gewinn von X K > 0.
Liegt der Marktwert der Aktie zum Zeitpunkt T aber unterhalb von K , gilt
also X < K , so kann er das Optionsrecht nicht sinnvoll nutzen, und die
Option ist in diesem Fall wertlos. In jedem Fall hängt der Wert der Option zum
Zeitpunkt T vom Aktienkurs zu diesem Zeitpunkt ab und ist daher ebenfalls
ungewiß
.
Nun können zwei extreme Positionen eingenommen werden. Die erste lautet, daßniemand verläß
lich in die Zukunft schauen kann, daßnicht einmal eine
genaue Vorhersage des Wetters der nächsten zwei Wochen möglich ist, und
daßdaher jede Prognose über die Aktienkurse in einem Jahr ausgeschlossen
ist. Unter diesen Voraussetzungen ist die Entwicklung einer sinnvollen Optionspreistheorie ausgeschlossen. Eine zweite, entgegengesetzte Position lautet,
daßes mit einem ausgefeilten ökonomischen Modell möglich sein sollte, genaue Voraussagen über die Kurse der Zukunft zu machen. Werden nur alle
wirtschaftlich und psychologisch relevanten Faktoren in einem entsprechend
komplexen Modell richtig verarbeitet, so sind Zukunftsprognosen für Aktienkurse verläß
lich möglich. Damit wiederum wird die Bewertung von Optionen
zur Trivialität.
Die moderne Finanzmathematik ordnet sich gewissermaß
en zwischen diesen beiden Alles-oder-nichts-Positionen ein. Die grundlegende Annahme besteht darin, daßzwar die Entwicklung eines betrachteten Finanzmarktes in
der Zukunft nicht vorausgesagt werden kann, daßaber die Klasse oder Men-
2
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
ge aller möglichen zukünftigen Szenarien dieses Marktes bekannt ist und daß
genau eines dieser Szenarien eintreten wird. In diesem Kontext lassen sich
Modelle so formulieren, daßdie möglichen Markt-Szenarien für zukünftige
Zeitpunkte t > 0 zu Zustandsräumen t zusammengefaß
t werden. Das einfachste nichttriviale Modell besteht darin, neben dem aktuellen Zeitpunkt 0
einen einzigen weiteren zukünftigen Zeitpunkt 1 zuzulassen, an dem der Markt
genau einen Zustand ! aus einer endlichen Menge
von Zuständen annehmen wird. Zum aktuellen Zeitpunkt 0 wird der Finanzmarkt als vollständig
bekannt vorausgesetzt. So einfach dieses Modell auch erscheinen mag, es ist
in der Analyse – wie wir sehen werden – erstaunlich reichhaltig, läß
t sich zu
komplexeren und realistischeren Modellen ausbauen und zeigt bereits viele
wesentliche Eigenschaften der allgemeinen zeitstetigen Modelle.
Das grundlegende Modell wird Ein-Perioden-Modell genannt und ist
durch folgende Daten gekennzeichnet:
Es gibt genau zwei Zeitpunkte, den Anfangszeitpunkt 0 und den Endzeitpunkt 1, wobei Handelsaktivitäten nur zum Zeitpunkt 0 möglich sind.
Wir nehmen an, daßder Zustand des Finanzmarktes zum Zeitpunkt 0
bekannt ist und daßder Markt zum Zeitpunkt 1 in genau einen Zustand aus
einer endlichen Menge von K Zuständen ! 1 ; : : : ; ! K übergehen wird. Zum
Zeitpunkt 0 sind alle diese möglichen zukünftigen Zustände bekannt, nicht
aber, welcher Zustand realisiert werden wird. Die Menge der möglichen
Szenarien wird zu einem endlichen Zustandsraum zusammengefaß
t,
= f! 1 ; : : : ; ! K g:
Es wird die Existenz einer endlichen Anzahl N von Wertpapieren S 1 ; : : : ; S N
vorausgesetzt. Es gibt zu diesen Wertpapieren einen Preisprozess S =
fSt = (St1 ; : : : ; StN ) jt = 0; 1 g. Dieser Prozess beschreibt die Preise der N
Wertpapiere S 1 ; : : : ; S N zu den beiden möglichen Zeitpunkten 0 und 1.
Die Preise S0i der Wertpapiere zum Zeitpunkt 0 sind Zahlen. Die Preise S1i
hängen dagegen vom eintretenden Zustand ab, sind also Funktionen auf
,
S1i : ! R:
Dabei bezeichnet S1i (!) den Kurs des i-ten Wertpapiers zum Zeitpunkt
1 im Zustand ! 2 .1 Sowohl die Preise S0i als auch die Werte S1i (!),
! 2 , sind den Investoren bekannt. Aber erst zum Zeitpunkt 1 entscheidet sich, welche Kurse S1i (!) zu diesem Zeitpunkt tatsächlich realisiert
1
O¤ensichtlich ist die Menge aller Funktionen X :
wobei der Isomorphismus gegeben ist durch
! R isomorph zum RK ,
X 7! (X (! 1 ) ; : : : ; X (! K )) :
Damit ist der PreisprozeßS1 = S11 ; : : : ; S1N isomorph zum RKN .
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
3
werden, denn erst in 1 stellt sich heraus, in welchen Zustand ! 2
Finanzmarkt übergegangen ist.
der
Zum Zeitpunkt 0 sind also die K Zustände der Menge = f! 1 ; : : : ; ! K g
als Endzustände zum Zeitpunkt 1 möglich, und zum Zeitpunkt 1 wird genau
einer dieser Zustände als Endzustand realisiert.
!1
%
&
t=0
..
.
!K
t=1
Abb. 1.1. Beispiel eines Ein-Perioden-Modells mit K Zuständen
Dieses Aufspalten der Menge in die Elementarzustände ! 1 bis ! K bildet
ein Strukturgerüst, das durch das Hinzufügen von Kursdaten ergänzt wird.
Zur Komplettierung des Marktmodells sind daher für die N Finanzinstrumente S 1 ; : : : ; S N des Modells zum Zeitpunkt 0 und für jeden Zustand ! 2 zum
Zeitpunkt 1 Preise vorzugeben. Abb. 1.2 zeigt die für die Zeitpunkte 0 und 1
zu spezi…zierenden Kursdaten.
0
1
S01
.
S0 = @ .. A
S0N
0
t=0
%
1
S11 (! 1 )
B
C
..
S1 (! 1 ) = @
A
.
N
S1 (!1)
..
.
&
0
1
S11 (! K )
B
C
..
S1 (! K ) = @
A
.
S1N (! K )
t=1
Abb. 1.2. Veranschaulichung der zu den Zeitpunkten t = 0 und t = 1 zu spezi…zierenden Kursdaten in einem Ein-Perioden-Modell
4
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Notation. Im folgenden werden Indizes, die Zustände und Zeitpunkte numerieren, tiefgestellt, während solche, die Finanzinstrumente numerieren, hochgestellt werden.
Anmerkung 1.1. In der Praxis können Ein-Perioden-Modelle beispielsweise
mit Hilfe von historischen Zeitreihen für jedes der interessierenden Finanzinstrumente S 1 ; : : : ; S N gebildet werden. Üblich sind Zeitreihen, die für jedes
Finanzinstrument S i , i = 1; : : : ; N , aus den Tageskursen der letzten K = 250
Handelstage – dies entspricht etwa einem Jahr – bestehen. Als Ausgangsdaten steht dann für jedes der N Finanzinstrumente eine Zeitreihe mit je K + 1
Einträgen zur Verfügung, wobei S0i für i = 1; : : : ; N den aktuellen Kurs des
i-ten Finanzinstruments bezeichnet. Mit Hilfe idieseri Daten werden nun für
S
S
jedes Instrument i die Tagesrenditen Rij := j S1i j , j = 1; : : : ; K, berechj
net, so daßpro Finanzinstrument K Renditewerte erhalten werden. Der Kern
der Modellierung besteht darin, jede der K Tagesrenditen der Vergangenheit
als mögliches Rendite-Szenario für den zukünftigen Tag zu de…nieren. Das auf
diese Weise erhaltene Ein-Perioden-Modell besteht dann aus folgenden Daten:
N Finanzinstrumente
K Szenarien
0 11
S0
B .. C
S0 = @ . A
S0N
0
B
S1 (! j ) = @
S01
S0N
1
1 + Rj1
C
..
A für j = 1; : : : ; K.
.
N
1 + Rj
Jede Tagesrendite Rij der letzten K Handelstage wird also durch die De…nition S1i (! j ) := S0i (1 + Rij ) in ein Kurs-Szenario für das i-te Finanzinstrument
zum Zeitpunkt 1 umgesetzt, wobei 1 der folgende Handelstag ist.
Beispiel 1.2. Wir betrachten folgendes Beispiel eines Ein-Perioden-Modells:
S0 =
1
10
S1 (! 1 ) =
1:02
12
S1 (! 2 ) =
1:02
9
%
&
t=0
t=1
Hier wird ein Ein-Perioden-Modell mit zwei Zuständen ! 1 und ! 2 modelliert. In dieses Strukturgerüst werden die Daten für zwei Finanzinstrumente
S 1 und S 2 eingefügt.
1.1 Portfolios
5
Das erste Finanzinstrument S 1 besitzt zum Zeitpunkt 0 den Wert S01 = 1.
Zum Zeitpunkt 1 besitzt S 1 die Werte S11 (! 1 ) = S11 (! 2 ) = 1:02. Da hier
die Kurse in beiden Zuständen übereinstimmen, entspricht dieses Finanzinstrument einer festverzinslichen Kapitalanlage. Im Beispiel beträgt der Zinssatz 2%. Das zweite Finanzinstrument S 2 besitzt zum Zeitpunkt 0 den Wert
S01 = 10. Zum Zeitpunkt 1 besitzt S 2 die Werte S12 (! 1 ) = 12 und S12 (! 2 ) = 9.
Damit könnte dieses Wertpapier als Aktie interpretiert werden, deren Kurs im
ersten Szenario ! 1 vom Anfangskurs 10 auf den Wert 12 steigt und im zweiten
Szenario ! 2 von 10 auf den Wert 9 sinkt.
4
1.1 Portfolios
De…nition 1.3. Ein Portfolio ist die Zusammenfassung von h1 Finanzinstrumenten S 1 , : : : und hN Finanzinstrumenten S N zu einer Gesamtheit.
Formal wird ein Portfolio de…niert als ein Vektor
0
1
h1
B
C
h = @ ... A 2 RN ;
hN
wobei eine Komponente hi als Stückzahl interpretiert wird, mit der das i-te
Finanzinstrument S i in der Gesamtheit vertreten ist.
Das Produkt hi S i wird als Position des i-ten Finanzinstruments S i im
Portfolio h bezeichnet.
Der Wert V0 (h) des Portfolios h zum Zeitpunkt 0 lautet
V0 (h) := h1 S01 +
= h S0 ;
+ hN S0N
(1.1)
während der Wert des Portfolios V1 (h) zum Zeitpunkt 1 vom eintretenden
Zustand ! j 2 abhängt. Daher gilt
0
1
h S1 (! 1 )
B
C
..
K
V1 (h) := h S1 := @
(1.2)
A2R :
.
h S1 (! K )
Betrachten wir ein beliebiges Portfolio h 2 RN , so lassen sich die Werte
V0 (h) und V1 (h) des Portfolios gemäßAbb. 1.3 veranschaulichen.
Im folgenden wird gelegentlich die Angabe des Portfolios h in V0 (h) oder
V1 (h) (!) weggelassen und einfach V0 oder V1 (!) geschrieben.
Anmerkung 1.4. Mit den De…nitionen (1.1) und (1.2) gilt
V1 (h) = V0 (h) + h
S;
6
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
V1 (h) (! 1 ) = h S1 (! 1 )
%
..
.
V0 (h) = h S0
&
V1 (h) (! K ) = h S1 (! K )
t=0
t=1
Abb. 1.3. Veranschaulichung der Werte V0 (h) und V1 (h) eines Portfolios h
wobei
S := (S1
S0 ). Die Di¤erenz
G(h) := V1 (h)
=h
S
V0 (h)
(1.3)
kennzeichnet den Gewinn, der mit der Portfoliostrategie h erzielt wird. An
(1.3) wird deutlich, daßder Gewinn eines Portfolios ausschließ
lich auf die
Änderungen S der Wertpapierpreise zurückzuführen ist.
Anmerkung 1.5. Bei der De…nition der Stückzahlen hi werden sowohl nichtganzzahlige als auch negative Werte zugelassen. Während die Zulassung nichtganzzahliger Werte vorwiegend technische Gründe hat, die später erläutert
werden, haben negative Werte eine unmittelbar ökonomische Bedeutung. Enthält ein Portfolio etwa eine negative Anzahl hi an Aktien, so bedeutet dies,
daßjhi j Aktien von einer Finanzinstitution geliehen und diese anschließ
end am
Markt verkauft wurden. Damit bestehen bei dem Verleiher der Aktien Schulden der Höhe jhi j. Eine negative Stückzahl an Finanzinstrumenten in einem
Portfolio entspricht also Schulden in diesem Finanzinstrument. Dies ist analog
zu Schulden in einer Währung. Um Schulden zu machen, wird Kapital bei einer …nanziellen Institution geliehen und dieses Kapital wird dann „verkauft“,
also gegen ein anderes Gut eingetauscht. Entsprechend werden Kapitalschulden in einem Portfolio durch eine negative Zahl an geschuldeten Einheiten
des Kapitals, also z.B. in Euro, ausgedrückt. Während die Verschuldung an
Kapital jedem Privatanleger über einen Bankkredit zugänglich ist, sind Leihegeschäfte für Aktien Privatanlegern in der Regel verwehrt. Der Grund ist das
hohe, mit diesen Leihegeschäften verbundene Risiko. Theoretisch sind die mit
Leihegeschäften verbundenen Verlustrisiken nach oben unbeschränkt. Denn
um die Leiheschulden zurückzahlen zu können, mußder Leihende die geliehenen Aktien am Markt zurückkaufen. Da der Kurs der Aktien theoretisch
beliebig hoch steigen kann, ist entsprechend das potentielle, für den Rückkauf
aufzuwendende Kapital nicht begrenzt.
Beispiel 1.6. Wir legen das Modell in Beispiel 1.2 zugrunde und betrachten
ein Portfolio
1.1 Portfolios
10
1
h=
7
:
Dies bedeutet, daßvom ersten Finanzinstrument S 1 Schulden in Höhe von
10 Stück bestehen und vom zweiten Finanzinstrument S 2 1 Stück im Portfolio enthalten ist. Wird S 1 mit einer festverzinslichen Kapitalanlage in Euro
identi…ziert, so entsprechen die Schulden von 10 Stück einer Kreditaufnahme
von 10 Euro. Wird das zweite Finanzinstrument S 2 als Aktie interpretiert, so
beinhaltet das Portfolio h neben einem Kredit von 10 Euro den Bestand von
einer Aktie.
Mit diesen Daten gilt
10
1
V 0 = h S0 =
1
10
=0
und
V1 (! 1 ) = h S1 (! 1 ) =
10
1
1:02
12
= 1: 8;
sowie
V1 (! 2 ) = h S1 (! 2 ) =
10
1
1:02
9
=
1: 2:
Zum Zeitpunkt 0 besitzt das Portfolio den Wert V0 = 0, d.h. die Schulden über
10 Euro entsprechen gerade dem Wert der einen Aktie S 2 zum Zeitpunkt 0.
Zum Zeitpunkt 1 führt das Steigen des Aktienkurses im Szenario ! 1 zu
einem positiven Wert des Portfolios von V1 (! 1 ) = 1:8, während das Sinken des
Aktienkurses im Szenario ! 2 zu einem negativen Wert V1 (! 2 ) = 1:2 führt.
Hier reicht der Wert der Aktie von 9 Euro nicht aus, um den Kreditbetrag
plus Kreditzinsen von 10:20 Euro zurückzuzahlen, sondern es besteht nach
Liquidierung des Portfolios eine Zahlungsverp‡ichtung von 1:20 Euro.
Die Situation kann graphisch wie folgt dargestellt werden:
V1 (! 1 ) = 1: 8
V0 = 0
%
&
t=0
V1 (! 2 ) =
1: 2
t=1
Eine Investition in das Portfolio h ist zum Zeitpunkt 0 mit einem Kapitaleinsatz von 0 möglich und führt zum Zeitpunkt 1 in dem einem Zustand zu
einem Gewinn und im dem anderen zu einem Verlust.
4
Die Ausdrücke h S0 und h S1 haben die Struktur von Skalarprodukten,
deren allgemeine De…nition zusammen mit einigen wichtigen Eigenschaften in
Kapitel 8 angegeben ist.
8
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
1.2 Optionen und Forward-Kontrakte
Auf der Basis der Instrumente, die in einem Marktmodell enthalten sind,
lassen sich weitere Finanzinstrumente de…nieren, deren Eigenschaften von
denjenigen des Marktmodells abhängen. Solche, von anderen Finanzprodukten abgeleitete Instrumente, heiß
en Derivate. Zu diesen zählen Optionen und
Forward-Kontrakte.
1.2.1 Optionen
De…nition 1.7. Eine Call-Option beinhaltet das Recht,
ein spezi…ziertes Wertpapier, das Underlying,
zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt,
zu einem heute schon festgesetzten Preis, dem Strike- oder Basispreis,
zu kaufen. Eine Call-Option heiß
t daher auch Kaufoption.
Es besteht das Recht, nicht jedoch die P‡icht, das Underlying zu erwerben.
Sollte also der aktuelle Marktpreis des Underlyings zum Fälligkeitszeitpunkt
unterhalb des Basispreises liegen, so ist es nicht sinnvoll, das Optionsrecht
auszuüben, da in diesem Fall das Underlying teurer erworben wird, als es am
Markt erhältlich ist. Ist umgekehrt der Marktpreis des Underlyings zum Fälligkeitszeitpunkt höher als der Basispreis, so ist es sinnvoll, das Optionsrecht
der Call-Option auszuüben, da sich durch den Kauf des Underlyings zum Basispreis und den sofortigen Verkauf zum – höheren – Marktpreis ein Gewinn
erzielen läß
t.
Bezeichnen wir den Kurs des Underlyings zum Fälligkeitszeitpunkt mit S
und den Basispreis mit K, so lautet der Wert der Option bei Fälligkeit
max(S
K; 0) =: (S
K)+ :
Da der Investor rational handelt, wird er nur im Falle von S (!) > K von seinem Optionsrecht Gebrauch machen. Daher ist der Wert einer Option niemals
negativ.
Betrachten wir eine Call-Option in einem Ein-Perioden-Modell, so lassen
sich die Werte
cj = (S1 (! j ) K)+
für alle j = 1; : : : ; K als Vektor des RK oder als Funktion von
! R interpretieren. c wird als Auszahlungspro…l oder zustandsabhängige Auszahlung bezeichnet.
De…nition 1.8. Eine Put-Option beinhaltet das Recht,
1.2 Optionen und Forward-Kontrakte
9
ein spezi…ziertes Wertpapier, das Underlying,
zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt,
zu einem heute schon festgesetzten Preis, dem Strike- oder Basispreis,
zu verkaufen. Eine Put-Option heiß
t daher auch Verkaufsoption.
Das Auszahlungspro…l einer Put-Option bei Fälligkeit lautet dementsprechend
max(K S; 0) =: (K S)+ :
Analog gilt für das Auszahlungspro…l c 2 RK in einem Ein-Perioden-Modell
S1 (! j ))+
cj = (K
für alle j = 1; : : : ; K.
Kann das Optionsrecht wie oben de…niert nur zu einem zuvor festgelegten
zukünftigen Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt, ausgeübt werden, so heiß
t
die Option europäisch. Kann es dagegen zu einem beliebigen Zeitpunkt während der Laufzeit bis zum Fälligkeitszeitpunkt ausgeübt werden, so heiß
t die
Option amerikanisch. O¤enbar können im Rahmen unseres Ein-PeriodenModells europäische und amerikanische Optionen nicht voneinander unterschieden werden.
Warum könnte es sinnvoll sein, Optionen zu erwerben? Angenommen, ein
Investor möchte in der Zukunft ein Wertpapier erwerben. Mit einer CallOption, das dieses Wertpapier als Underlying besitzt, kann er sich heute gegen
einen unerwarteten Preisanstieg versichern. Denn steigt der Preis am Markt
an, so mußder Investor dennoch nur den vereinbarten Basispreis zahlen. Sinkt
dagegen der Kurs unter den Basispreis, so läß
t der Investor sein Optionsrecht
verfallen und kauft das Wertpapier günstiger am Markt. Sei weiter angenommen, ein Investor verfügt heute über einen Wertpapierbestand. Mit einer Reihe
von Put-Optionen auf diesen Bestand kann er sich gegen einen unerwarteten
Preisverfall versichern. Sollte nämlich der Kurs eines Wertpapiers einbrechen,
so garantiert ihm die Option dennoch die Möglichkeit des Verkaufs zum vereinbarten Basispreis. Damit wirkt eine Put-Option wie eine Versicherung gegenüber negativen Kursentwicklungen. Dieses Optionsrecht hat einen Preis, so
wie Versicherungen ihren Preis besitzen. Ein zentrales Thema dieses Buches
ist die Entwicklung und Analyse einer sinnvollen Strategie zur Preis…ndung
für Optionen und andere Derivate.
Beispiel 1.9. Wir wählen wieder das Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell aus
Beispiel 1.2 und betrachten eine Call-Option auf das Finanzinstrument S 2 mit
Ausübungspreis K = 10:5 Euro und Fälligkeitszeitpunkt 1.
Zum Zeitpunkt 1 besitzt die Option je nach eintretendem Zustand die
Werte
c (! 1 ) = S12 (! 1 )
K
c (! 2 ) = S12 (! 2 )
K
+
+
= (12
= (9
+
10:5) = 1:5 und
+
10:5) = 0:
10
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Die zustandsabhängige Auszahlung c der Call-Option beträgt damit zusammengefaß
t
1:5
c=
:
0
Betrachten wir in diesem Beispiel dagegen eine Put-Option mit Ausübungspreis K = 11, so ergeben sich je nach Zustand die Auszahlungen
c (! 1 ) = K
S12 (! 1 )
+
c (! 2 ) = K
S12 (! 2 )
+
+
= (11
12) = 0 und
= (11
9) = 2;
+
also zusammengefaß
t die Auszahlung
c=
0
2
:
4
Der Käufer einer Option hat also bei t = 1 niemals eine Zahlungsverp‡ichtung gegenüber dem Verkäufer. Aus Sicht des Käufers verfällt die Option im
ungünstigsten Fall wertlos oder aber er besitzt gegenüber dem Verkäufer einen
Zahlungsanspruch.
Bevor wir der Frage nachgehen, wie sinnvolle Preise für Optionen bestimmt
werden können, stellen wir zunächst noch ein weiteres wichtiges Finanzinstrument vor.
1.2.2 Forward-Kontrakte
De…nition 1.10. Ein Forward-Kontrakt ist eine zum Zeitpunkt 0 eingegangene Verp‡ichtung,
ein Wertpapier, das Underlying,
zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt,
zu einem heute, bei t = 0, festgesetzten Preis F , dem Forward-Preis,
zu kaufen. Dabei wird der Forward-Preis F so bestimmt, daßdas Eingehen
der Kauf- bzw. Verkaufs-Verp‡ichtung zum Zeitpunkt 0 kostenlos ist.
Auch bei Forward-Kontrakten wird zum Zeitpunkt 0 der Preis vereinbart,
der für das Underlying zum Zeitpunkt 1 zu bezahlen ist. Aber im Gegensatz
zur Situation bei Optionen ist der Kauf des Wertpapiers, auf das sich der
Kontrakt bezieht, verbindlich. Während der Käufer einer Option entscheiden
kann, ob er von seinem Optionsrecht Gebrauch macht oder nicht, hat sich der
Käufer eines Forward-Kontrakts verp‡ichtet, das Wertpapier zum Fälligkeitszeitpunkt zu erwerben. Er ist also auch dann verp‡ichtet, es zum vereinbarten
Preis F zu kaufen, wenn er das betre¤ende Wertpapier an der Börse billiger
1.2 Optionen und Forward-Kontrakte
11
erhalten könnte. Andererseits ist das Eingehen eines Forward-Kontraktes kostenfrei, während der Käufer einer Option eine Optionsprämie zu bezahlen
hat.
Das Auszahlungspro…l eines Forward-Kontraktes bei t = 1 lautet einfach
S
F:
Also ist das zugehörige Auszahlungspro…l c 2 RK in einem Ein-PeriodenModell gegeben durch
cj = S1 (! j ) F:
Forward-Kontrakte werden häu…g nicht auf Aktien, sondern auf Wechselkursen gehandelt und können, wie Optionen, dazu dienen, Risiken zu kontrollieren. Wenn ein Unternehmen in einem halben Jahr beispielsweise Maschinen in
einer Fremdwährung erwerben möchte, so kann durch einen Forward-Kontrakt
auf die Fremdwährung das Wechselkursrisiko ausgeschlossen werden. Das Unternehmen gewinnt damit Planungssicherheit.
Beispiel 1.11. Im Marktmodell des Beispiels 1.2 betrachten wir einen ForwardKontrakt auf die Aktie S 2 mit Forward-Preis F . Damit gilt für die zugehörige
Auszahlung
c (! 1 ) = S12 (! 1 )
c (! 2 ) =
S12
(! 2 )
F = 12
F =9
F und
F:
Der Forward-Preis F ist nun so anzupassen, daßder Wert des Kontraktes zum
Zeitpunkt 0 gerade Null beträgt.
Legen wir den Forward-Preis beispielsweise auf einen willkürlichen Wert,
etwa F = 10, fest, so ergeben sich als Auszahlung c des Forward-Kontraktes
die Werte
c (! 1 ) = S12 (! 1 )
c (! 2 ) =
S12
(! 2 )
F = 12
F =9
10 = 2 und
10 =
1;
also
c=
2
1
:
Aber welchen Wert besitzt die Auszahlung c zum Zeitpunkt 0? Und wie kann
der Forward-Preis so angepaß
t werden, daßder Wert der auf diese Weise
entstehenden Auszahlung gleich Null ist?
4
Eine Besonderheit des Forward-Kontraktes besteht also darin, daßhier der
Preis zum Zeitpunkt 0 auf Null festgelegt wird und daßder Forward-Preis F
so bestimmt werden muß
, daßder Kontrakt bei t = 0 tatsächlich wertlos ist.
Für Forward-Kontrakte gibt es – im Gegensatz zu Optionen – eine sehr
einfache Strategie, um den Forward-Preis F festzulegen. Angenommen, ein
12
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Kontrahent kauft von uns einen Forward-Kontrakt auf eine Aktie S mit Fälligkeit t = 1. Die Aktie habe heute, zum Zeitpunkt 0, einen Wert S0 . Wir
sind nun verp‡ichtet, zum Zeitpunkt 1 eine Aktie S an den Kontrahenten zu
einem Preis F auszuliefern. Um dies garantieren zu können, kaufen wir die
Aktie bereits heute, zum Zeitpunkt 0, und …nanzieren sie durch einen Kredit
in Höhe von S0 Euro. Dieses Portfolio, Leihe von S0 Euro und Kauf einer
Aktie S, ist zum Zeitpunkt 0 kostenfrei.
Zum Zeitpunkt 1 verkaufen wir dem Kontrahenten die Aktie S zum
Forward-Preis F . Wählen wir F so, daßmit diesem Betrag der Kredit von
S0 (1 + r) zurückgezahlt werden kann, so können wir den Kontrakt ohne Gewinn oder Verlust erfüllen. Daher sollte F = S0 (1 + r) gewählt werden.
Bemerkenswert ist, daßder Forward-Preis lediglich vom risikolosen Zinssatz r abhängt und nicht, wie zunächst vermutet werden könnte, von den
modellierten Wertentwicklungen der Aktie zum Zeitpunkt 1.
Beispiel 1.12. Für den Forward-Kontrakt aus Beispiel 1.11 ergibt sich wegen
r = 2% somit ein Forward-Preis von F = S0 (1 + r) = 10 (1 + 0:02) = 10:2
Euro.
1.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len
Allen Beispielen des vorigen Abschnitts ist gemeinsam, daßder Wert des jeweiligen Finanzkontraktes zum Endzeitpunkt 1 leicht zu ermitteln und damit
bekannt ist. In allen Fällen ergibt sich eine zustandsabhängige Auszahlung
c 2 RK zum Zeitpunkt 1, wobei K die Anzahl der Zustände zum Endzeitpunkt bezeichnet. Das zu lösende Problem besteht darin, für eine möglichst
groß
e Klasse von Auszahlungspro…len c 2 RK einen sinnvollen Preis zum
Zeitpunkt 0 anzugeben.
Wir werden im folgenden das Problem der Bewertung von Auszahlungspro…len ganz allgemein behandeln. Es wird sich zeigen, daßes nicht erforderlich
ist Call- und Put-Optionen sowie Forward-Kontrakte getrennt zu behandeln,
obwohl für Forward-Kontrakte die im letzten Abschnitt vorgestellte, verblüffend einfache Bewertungsstrategie existiert, für Optionen dagegen nicht. Bei
der Entwicklung eines Verfahrens zur Preisbestimmung lassen wir uns von
einem vertrauten deterministischen Beispiel leiten.
1.3.1 Die zeitliche Transformation deterministischer
Zahlungsströme
Angenommen, eine Bank hat zu einem zukünftigen Zeitpunkt 1 die Zahlungsverp‡ichtung für einen Kapitalbetrag c > 0. Dies bedeutet, daßdie Bank zum
Zeitpunkt 1 einen Zahlungsstrom von c erfahren wird.
1.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len
#
t=0
13
c
t=1
Diese zukünftige Zahlungsverp‡ichtung kann wie folgt in eine äquivalente Zahlungsverp‡ichtung zum aktuellen Zeitpunkt 0 umgewandelt werden.
Zum Zeitpunkt 0 kauft die Bank eine Anleihe mit der Auszahlung c zum
Zeitpunkt 1.
Für diese Anleihe bezahlt die Bank heute, zum Zeitpunkt 0, den Betrag
c0 := dc, wobei d den Diskontfaktor zwischen t = 0 und t = 1 bezeichnet.
Zum Zeitpunkt 1 erhält die Bank den Betrag c als Rückzahlung aus der
Anleihe.
Mit dieser Auszahlung begleicht die Bank die Zahlungsverp‡ichtung c zum
Zeitpunkt 1, so daßnetto zu diesem Zeitpunkt kein Kapital ‡ieß
t.
# c0 = dc
t=0
lc
c=0
t=1
Insgesamt wurde auf diese Weise eine zukünftige Zahlungsverp‡ichtung c
in eine äquivalente Zahlungsverp‡ichtung über den Betrag c0 = dc zum
Zeitpunkt 0 transformiert.
Umgekehrt nehmen wir an, daßdie Bank zu einem zukünftigen Zeitpunkt
1 einen Kapitalbetrag c erhalten wird. Auch dieser Betrag läß
t sich in einen
Kapitalbetrag c0 zum Zeitpunkt 0 transformieren.
Dazu verkauft die Bank zum Zeitpunkt 0 eine Anleihe, die zum Zeitpunkt
1 mit dem Wert c zurückgezahlt werden muß
.
Die Bank nimmt auf diese Weise zum Zeitpunkt 0 den Kapitalbetrag c0 =
dc ein, wobei d den Diskontfaktor zwischen t = 0 und t = 1 bezeichnet.
Zum Zeitpunkt 1 erhält die Bank den angenommenen Kapitalbetrag c, mit
dem nun die Schuld aus der Anleihe beglichen wird.
Auch hier ‡ieß
t zum Zeitpunkt 1 netto kein Kapital, und der zukünftige Zahlungsstrom c wurde in einen äquivalenten Zahlungsstrom c0 zum Zeitpunkt 0
umgewandelt.
In jedem Fall läß
t sich ein beliebiger Betrag c, der zum Zeitpunkt 1 ‡ieß
t,
mit Hilfe von Handelsaktivitäten in eine äquivalente Zahlung c0 = dc zum
Zeitpunkt 0 transformieren.
14
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
1.3.2 Die zeitliche Transformation zustandsabhängiger
Zahlungsströme
Die Idee, Zahlungsströme durch Handelsaktivitäten in der Zeit zu verschieben,
übertragen wir nun auf zustandsabhängige Auszahlungen.
Zunächst betrachten wir erneut die bereits angesprochene Bewertungsstrategie für einen Forward-Kontrakt. Bezeichnet S0 den Kurs einer Aktie S zum
Zeitpunkt 0, r den risikolosen Zinssatz und F = S0 (1 + r) den Forward-Preis,
so führt eine Kreditaufnahme in Höhe von S0 Euro und der anschließ
ende Kauf
einer Aktie S zu dem Auszahlungspro…l
cj = S1 (! j )
S0 (1 + r)
für j = 1; : : : ; K. Wir betrachten nun ein Marktmodell, das aus den beiden
Finanzinstrumenten S 1 und S 2 besteht, wobei
S 1 eine festverzinsliche Kapitalanlage zum Zinssatz r und
S 2 die Aktie S
bezeichnet. Damit gilt S01 = 1 und S11 = 1 + r, sowie S 2 = S. Die Bewertungsstrategie für die Auszahlung c 2 RK des Forward-Kontrakts kann damit wie
folgt formuliert werden:
Eine Investition zum Zeitpunkt 0 in das Portfolio h = ( S0 ; 1), bestehend aus einem Kredit in Höhe S0 Euro und aus einer Aktie S, besitzt
zum Zeitpunkt 1 in einem beliebigen Szenario ! j den Wert cj = S1 (! j )
S0 (1 + r) = h S1 (! j ). Der Wert des Portfolios h zum Zeitpunkt 0 beträgt
h S0 = h1 1 + h2 S0 = 0.
In Verallgemeinerung dieses Beispiels nehmen wir nun an, daßeine Bank
die Verp‡ichtung hat, mit einem Kontrahenten je nach eintretendem Zustand
! j einen von diesem Zustand abhängigen Betrag c (! j ) = cj 2 R zum Zeitpunkt 1 auszutauschen. Ist c (! j ) > 0, so mußdie Bank dem Kontrahenten
c (! j ) auszahlen, ist c (! j ) < 0, so hat der Kontrahent die Verp‡ichtung, der
Bank den Betrag c (! j ) zu zahlen.
#
#
(=
t=0
#
"
c (! 1 )
c (! 2 )
..
.
c (! K 1 )
c (! K )
t=1
Eine derartige Verp‡ichtung kann also sowohl dadurch entstehen, daßdie
Bank dem Kontrahenten eine Option oder aber einen Forward-Kontrakt verkauft hat. Um für die betrachtete Auszahlung c einen Preis c0 zum Zeitpunkt
1.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len
15
0 zu …nden, versuchen wir, ein Portfolio h 2 RN so zu bestimmen, daßder
Wert des Portfolios mit der Auszahlung c zum Zeitpunkt 1 in jedem Zustand
exakt übereinstimmt. Das Portfolio h soll also die Eigenschaft
c (! 1 ) = h S1 (! 1 )
..
.
c (! K ) = h S1 (! K )
besitzen. Kann ein derartiges Portfolio gefunden werden, dann läß
t sich der
Wert c0 dieses Portfolios zum Zeitpunkt 0 sofort angeben, denn die Preise S0
aller Finanzinstrumente zum Zeitpunkt 0 sind bekannt. Es gilt
c0 = h S0 :
Damit ergibt sich folgende Strategie, um die Zahlung c zum Zeitpunkt 1
in die Zahlung c0 zum Zeitpunkt 0 zu transformieren:
Bestimme das Portfolio h, welches zum Zeitpunkt 1 die Auszahlung c besitzt und
kaufe dieses Portfolio zum Zeitpunkt 0 für den Preis von c0 = h S0 .
Zum Zeitpunkt 1 wird je nach eintretendem Zustand ! der Betrag c (!) =
h S1 (!) aus dem Portfolio erhalten, wenn c (!) > 0 ist, oder es wird der
Betrag c (!) geschuldet, falls c (!) < 0 ist.
In jedem Fall ist h S1 (!) gerade der Betrag, der dem Kontrahenten geschuldet oder von diesem erhalten wird, so daßnetto zum Zeitpunkt 1 kein
Kapital ‡ieß
t.
#
c0 = h S0
t=0
(=
l
l
h S1 (! 1 )
h S1 (! 2 )
c (! 1 ) = 0
c (! 2 ) = 0
l
l
h S1 (! K 1 ) c (! K 1 ) = 0
h S1 (! K ) c (! K ) = 0
..
.
t=1
1.3.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len mit Hilfe von
Replikation
Die Idee der Transformation einer zukünftigen zustandsabhängigen Zahlung
c 2 RK in einen äquivalenten Betrag c0 2 R zum Zeitpunkt 0 besteht zusammengefaß
t aus den beiden Schritten:
16
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
1. Zunächst wird versucht, ein Portfolio h zu …nden mit der Eigenschaft
c1 = V1 (h) (! 1 ) = h S1 (! 1 )
..
.
cK = V1 (h) (! K ) = h S1 (! K )
also
c1 = h S1 (! 1 )
..
.
:
cK = h S1 (! K )
t=0
t=1
2. Dann wird c0 als Preis dieses Portfolios zum Zeitpunkt 0 de…niert, also
c0 = V0 (h) = h S0 .
c1 = h S1 (! 1 )
..
.
c0 = h S0
:
cK = h S1 (! K )
t=0
t=1
Wir untersuchen nun, ob und wie zu gegebenem c 2 RK ein derartiges Portfolio h gefunden werden kann. Dazu ist folgender einfache Zusammenhang
hilfreich.
Lemma 1.13. Für jedes h 2 RN gilt
h S1 = D> h;
wobei
0
(1.4)
1
S1N (! 1 )
C
..
A
.
N
S1 (! K )
S11 (! 1 )
B
..
D> := @
.
S11 (! K )
die Transponierte der Matrix
0
S11 (! 1 )
B
..
D := (S1 (! 1 ) ; : : : ; S1 (! K )) = @
.
S1N (! 1 )
1
S11 (! K )
C
..
A
.
S1N (! K )
1.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len
17
bezeichnet, die spaltenweise aus den Preisen aller Finanzinstrumente in jeweils einem Zustand besteht.
Beweis. O¤enbar gilt
0
1
h S1 (! 1 )
B
C
..
h S1 = @
A
.
h S1 (! K )
0
1
h1 S11 (! 1 ) +
+ hN S1N (! 1 )
B
C
..
=@
A
.
1
N
h1 S1 (! K ) +
+ hN S1 (! K )
1
10
0 1
N
h1
S1 (! 1 )
S1 (! 1 )
C B .. C
B
..
..
=@
A@ . A
.
.
S11 (! K )
S1N (! K )
(1.5)
hN
>
= D h:
De…nition 1.14. Die N
K-Matrix
0 1
S1 (! 1 )
B
..
D=@
.
S1N (! 1 )
1
S11 (! K )
C
..
A
.
N
S1 (! K )
wird Auszahlungsmatrix oder Payo¤ matrix genannt.
Die Auszahlungsmatrix D wurde so de…niert, daßjede ihrer Spalten dieselbe Struktur besitzt wie der Preisvektor S0 . Wir de…nieren also die Komponenten von D durch Dij := S1i (! j ) für i = 1; : : : ; N und j = 1; : : : ; K.
Wir sehen, daßSchritt 1. der Bewertungsstrategie für Auszahlungspro…le
c 2 RK auf ein Standardproblem der Linearen Algebra führt, nämlich auf das
Lösen eines linearen Gleichungssystems
c = D> h:
(1.6)
Ist h 2 RN eine Lösung von (1.6), so sagen wir, h repliziert c.
De…nition 1.15. Ein Auszahlungspro…l c 2 RK heiß
t replizierbar oder erreichbar, wenn
c 2 Im D> :
Beispiel 1.16. Wir betrachten wieder die Daten des Beispiels 1.2 und versuchen, mit der beschriebenen Strategie den Preis einer Call-Option auf Finanzinstrument S 2 mit Ausübungspreis K = 10:5 zu ermitteln. Die Auszahlungsmatrix D aus Beispiel 1.2 lautet
18
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
1:02 1:02
12 9
:
In Beispiel 1.9 wurde das Auszahlungspro…l der Call-Option zu
c=
1:5
0
bestimmt. Damit ergibt sich das Gleichungssytem c = D> h, oder
1:5
0
=
1:02 12
1:02 9
h=
4: 412
0:5
h1
h2
mit der Lösung
:
Damit folgt für den Preis c0 := h S0 der Call-Option zum Zeitpunkt 0 zu
4: 412
0:5
c0 =
1
10
= 0:588:
Analog läß
t sich der Preis der Put-Option auf Finanzinstrument S 2 mit Ausübungspreis K = 10 aus Beispiel 1.9 berechnen. Hier lautet das Auszahlungspro…l
0
c=
;
2
und das Gleichungssystem c = D> h
0
2
=
1:02 12
1:02 9
h1
h2
besitzt die Lösung
h=
7: 843
0:667
;
so daßsich der Preis
c0 =
7: 843
0:667
1
10
= 1: 176
für die Put-Option zum Zeitpunkt 0 ergibt.
4
Beispiel 1.17. Wieder basierend auf Beispiel 1.2 wird der Wert eines ForwardKontrakts auf S 2 mit Forward-Preis F berechnet. Nach Beispiel 1.11 gilt für
das Auszahlungspro…l c des Forward-Kontrakts
c=
12 F
9 F
:
1.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len
19
Das replizierende Portfolio h löst das Gleichungssystem
12 F
9 F
=
d.h.
h=
1:02 12
1:02 9
1
1:02 F
1
h1
h2
;
:
Der Preis c0 := V0 (h) von h zum Zeitpunkt 0 beträgt daher
c0 =
1
1:02 F
1
1
10
= 10
1
F:
1:02
Wir bestimmen schließ
lich F so, daßc0 = 0 wird, also F = 10 1:02 =
S0 (1 + r). Wir erhalten damit genau den Wert, den wir bereits im Rahmen
der Diskussion im Anschlußan Beispiel 1.11 bestimmt hatten. Das Portfolio
h besteht also aus einer Anleihe von 10 Einheiten des festverzinslichen Finanzinstruments S 1 , also aus einem Kredit von 10 Euro, und aus dem Kauf einer
Aktie S 2 . Der Gesamtwert des Portfolios beträgt somit gerade 0.
Haben wir den Forward-Kontrakt verkauft, so müssen wir zum Zeitpunkt
1 eine Aktie S 2 an den Kontrahenten zum Preis von 10:2 Euro liefern. Im
Zustand ! 1 besitzt das Portfolio h einen Wert von 1:8 Euro. Zusammen mit
den 10:2 Euro ergibt dies genau den Wert von 12 Euro, also den Kurswert
der Aktie S 2 im Zustand ! 2 . Im Zustand ! 1 dagegen besitzt das Portfolio
h einen Wert von 1:2 Euro. Der Kontrahent zahlt 10:2 Euro für die Aktie.
Nach Abzug der 1:2 Euro zur Glattstellung des Portfolios bleiben gerade 9
Euro übrig, die dem Wert der Aktie S 2 im Zustand ! 2 entsprechen.
4
Das vorangegangene Beispiel zeigt auch, wie Forward-Kontrakte bewertet
werden, wenn F 6= S0 (1 + r) gilt. In der Praxis tritt dieser Fall z.B. dann
auf, wenn ein Forward-Kontrakt abgeschlossen wurde und zu einem späteren Zeitpunkt, aber vor dem Fälligkeitszeitpunkt, erneut bewertet wird. Im
Handelsgeschäft beispielsweise werden sämtliche Handelspositionen am Ende jedes Handelstages bewertet, und im Rahmen dessen mußder Wert jedes
gehandelten Finanzinstruments täglich neu ermittelt werden.
De…nition 1.18. Ein Tupel (S0 ; S1 ) = (b; D) 2 RN
Marktmodell mit Preisvektor
0 11
S0
B
C
b := S0 = @ ... A 2 RN
MN
K
(R) heiß
t
S0N
und Auszahlungsmatrix oder Payo¤ matrix
0 1
1
S11 (! K )
S1 (! 1 )
B
C
..
..
D := (S1 (! 1 ) ; : : : ; S1 (! K )) = @
A 2 MN
.
.
S1N (! 1 )
S1N (! K )
K
(R) :
20
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Dabei bezeichnet MN
K
(R) die Menge aller reellen N
K-Matrizen.
Die Schreibweise (S0 ; S1 ) = (b; D) bedeutet, daßsich ein Marktmodell (S0 ; S1 ) 2 RN
X X : ! RN auf äquivalente Weise auch durch
N
(b; D) 2 R
MN K (R) beschreiben läß
t. Aus einem vorgegebenen Tupel
(b; D) 2 RN
MN K (R) lassen sich alle charakterisierenden Bestandteile
eines Ein-Perioden-Modells ableiten. Die gemeinsame Anzahl der Zeilen von
b und D entspricht der Anzahl der Finanzinstrumente des Modells, und die
Anzahl der Spalten von D entspricht der Anzahl der Zustände des Modells.
Der Vektor b wird als Preisvektor S0 interpretiert, der die Preise aller N Finanzinstrumente zum Zeitpunkt 0 zusammenfaß
t, während die j-te Spalte von
>
1
N
D als Preisvektor S1 (! j ) = S1 (! j ) ; : : : ; S1 (! j )
interpretiert wird, der
die Preise aller Finanzinstrumente zum Zeitpunkt 1 im Zustand ! j enthält.
Beispiel 1.19. Das zu Beispiel 1.2 gehörende Marktmodell lautet
(b; D) =
1
10
1:02 1:02
12 9
;
:
Der Preisvektor b und die Payo¤matrix D enthalten jeweils 2 Zeilen. Also
besteht das Marktmodell aus zwei Finanzinstrumenten. Ferner besitzt D auch
2 Spalten, also werden hier zwei Szenarien zum Zeitpunkt 1 modelliert.
4
Beispiel 1.20. Ein Marktmodell (b; D) sei durch folgende Daten gegeben:
1 0
11
00
1:2 1:2
1
(b; D) = @@ 120 A ; @ 110 130 AA :
26 23
24
Es enthält drei Finanzinstrumente und zwei Zustände ! 1 und ! 2 bei t = 1,
so daß
1
1
0
1
0
0
1:2
1:2
1
S0 = @ 120 A ; S1 (! 1 ) = @ 110 A ; S1 (! 2 ) = @ 130 A :
23
26
24
4
Beispiel 1.21. Es sei (b; D) ein Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell, wobei das
erste Finanzinstrument eine festverzinsliche Kapitalanlage zum Zinssatz r ist.
Also gilt
1
1+r 1+r
b=
= S0 ; D =
= S1 :
S0
S1 (! 1 ) S1 (! 2 )
Ferner setzen wir S1 (! 1 ) 6= S1 (! 2 ) voraus. Sei
c=
c1
c2
1.3 Die Bewertung von Auszahlungspro…len
21
ein beliebiges Auszahlungspro…l. Dann betrachten wir mit s1 := S1 (! 1 ) und
s2 := S1 (! 2 ) das Gleichungssystem
h1 (1 + r) + h2 s1
h1 (1 + r) + h2 s2
h S1 = D > h =
=
c1
c2
:
Durch Subtraktion der zweiten von der ersten Gleichung folgt
c1
s1
h2 =
c2
:
s2
Multiplizieren wir nun die erste Gleichung mit s2 = S1 (! 2 ) und die zweite
mit s1 = S1 (! 1 ) so erhalten wir nach Subtraktion
1 c2 s1
1 + r s1
h1 =
c1 s2
:
s2
Damit lautet der Wert c0 := V0 (h) des replizierenden Portfolios
c0 = h S0 = h1 + h2 S0
c1 c2
1 c2 s1 c1 s2
+
S0
=
1 + r s1 s2
s1 s2
1
(1 + r) S0 s2
s1 (1 + r) S0
=
c1 +
c2
1+r
s1 s2
s1 s2
1
(qc1 + (1 q) c2 ) ;
=
1+r
wobei
q :=
(1.7)
(1 + r) S0 s2
:
s1 s2
4
Speziell für einen Forward-Kontrakt mit Forward-Preis F gilt
c1
c2
=
S1 (! 1 )
S1 (! 2 )
F
F
;
und (1.7) liefert
1
(1 + r) S0 s2
(s1
1+r
s1 s2
1
=
((1 + r) S0 F ) :
1+r
c0 =
F) +
s1
(1 + r) S0
(s2
s1 s2
F)
Dies ist genau dann 0, falls F = (1 + r) S0 , wie wir bereits wissen. Das replizierende Portfolio lautet
h=
F
1+r
1
=
S0
1
:
22
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Zum Zeitpunkt 0 wird ein Kapitalbetrag von S0 Geldeinheiten geliehen, und
für diesen Betrag wird eine Aktie S gekauft. Die Aktie wird zum Zeitpunkt 1
an den Käufer des Forward-Kontraktes zum Preis von (1 + r) S0 übergeben.
Dies entspricht aber gerade dem geliehenen Betrag plus den rückzuzahlenden
Kreditzinsen.
1.4 Replikation und Arbitrage
Der im letzten Abschnitt entwickelte Ansatz zur Bewertung zustandsabhängiger Auszahlungen c 2 RK lautet
Löse das Gleichungssystem c = h S1 = D> h und
bestimme den Preis c0 von c zum Zeitpunkt 0 als c0 = h S0 .
Mit Hilfe dieser Strategie kann das zum Zeitpunkt 1 ‡ieß
ende zustandsabhängige Auszahlungspro…l c 2 RK in eine Zahlung c0 2 R transformiert
werden, die zum Zeitpunkt 0 erfolgt.
Anmerkung 1.22. Beachten Sie, daßetwaige Wahrscheinlichkeiten pj , mit denen die jeweiligen Zustände ! j 2 zum Zeitpunkt 1 eintreten, hier keine Rolle
spielen und bei der oben vorgestellten Preis…ndung nirgends auftreten. Diese
auf den ersten Blick überraschende Tatsache erklärt sich durch die Bewertungsstrategie. Ein vorgegebenes Auszahlungspro…l c wird durch ein Portfolio
h repliziert. Da jede Komponente cj repliziert wird, spielen die Eintrittswahrscheinlichkeiten für die verschiedenen Komponenten keine Rolle.
Anmerkung 1.23. Die dargestellte Strategie verwendet entscheidend Argumente, wie Injektivität und Orthogonalität, aus der Linearen Algebra. Dies
setzt jedoch voraus, daßdie Portfoliovektoren als Elemente aus RN – und
nicht aus ZN – interpretiert werden. Tatsächlich können jedoch keine 3:14
Aktien gehandelt werden. Andererseits sind in der Praxis Transaktionen über
eine einzige Aktie auch selten. Üblicherweise werden Vielfache, wie etwa 50
oder 100 Stücke, gehandelt. Daher wird mit reellwertigen Stückzahlen gerechnet, die für die Umsetzung in die Praxis auf die nächste ganze Zahl gerundet
werden.
Bei der Umsetzung der Bewertungsstrategie können zwei grundsätzliche
Probleme auftreten. Sei dazu (S0 ; S1 ) = (b; D) ein Marktmodell und sei c 2
RK ein Auszahlungspro…l. Folgende Situationen sind denkbar.
Die Replikation ist nicht möglich: Es gibt kein Portfolio h mit der
Eigenschaft c = D> h, also c 62 Im D> .
1.4 Replikation und Arbitrage
23
Die Replikation ist nicht eindeutig bestimmt: Es gibt verschiedene
~ mit c = D> h = D> h.
~ In diesem Fall stimmen mögPortfolios h und h
~
licherweise die Preise h b und h b nicht überein, so daßkein eindeutig
bestimmter Preis für c angegeben werden kann. Dies ist gleichbedeutend
mit c 2 Im D> und ker D> 6= f0g.
Die Replikation ist nicht möglich
Ein Auszahlungspro…l c ist genau dann replizierbar, wenn es ein Portfolio
h 2 RN gibt mit c = D> h. Wenn c nicht replizierbar ist, dann kann c nicht
in einen äquivalenten Zahlungsstrom zum Zeitpunkt 0 transformiert werden.
Wir werden uns in dieser Darstellung auf den Fall c 2 Im D> konzentrieren.
De…nition 1.24. Ein Marktmodell (b; D) heiß
t vollständig, wenn D> surjektiv ist, also wenn gilt
Im D> = RK :
Wenn (b; D) vollständig ist, dann ist jedes Auszahlungspro…l c replizierbar,
d.h. in diesem Fall gibt es zu jedem c 2 RK ein h 2 RN mit c = D> h.
Zur Bewertung nicht-replizierbarer Auszahlungspro…le
Wir betrachten nun kurz einige mögliche Bewertungsstrategien für den Fall,
daßfür ein Auszahlungspro…l c 2 RK keine Replikation möglich ist, d.h. für
den Fall c 62 Im D> .
Superhedging Wir setzen voraus, daßes wenigstens ein Instrument S i gibt mit
S0i > 0 und S1i (!) > 0 für alle ! 2 . Wir betrachten die Menge C+ (c) der
replizierbaren Auszahlungspro…le c0 mit c0 c, also
C+ (c) := fc0 2 RK c0
c; c0 = D> h für ein h 2 RN g:
Die Menge C+ (c) ist nicht leer, denn es gibt zu jedem c 2 RK ein
S1i > c, und es gilt S1i = D> ( ei ). Damit de…nieren wir
V+ (c) := inf fh b D> h
h2RN
2 R mit
c g:
Wir haben nun ein typisches Problem der linearen Optimierung vor uns. Zu
lösen ist
inf h b
unter der Nebenbedingung
D> h
c:
Eine Lösung v dieses Optimierungsproblems kann als der kleinste Preis interpretiert werden, zu dem ein Verkäufer die Auszahlung c ohne Verlustrisiko
verkaufen kann.
24
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Analog de…nieren wir
C (c) := fc0 2 RK c0
c; c0 = D> h für ein h 2 RN g
und
V (c) := sup fh b D> h
h2RN
c g:
Auch C (c) ist nicht leer, denn es gibt zu jedem c 2 RK ein 2 R mit S1i < c.
Wieder erhalten wir ein Problem der linearen Optimierung; es lautet:
sup h b
unter der Nebenbedingung
D> h
c:
Eine Lösung v dieses Optimierungsproblems kann entsprechend als höchster
Preis interpretiert werden, zu dem ein Käufer für die Auszahlung c in keinem
Zustand zuviel bezahlt.
O¤enbar gilt
v
v ;
und c ist genau dann replizierbar, wenn v = v gilt.
Projektionsansatz Für c 62 Im D> besteht ein weiterer Ansatz zur Preis…ndung darin, ein Portfolio h zu suchen, welches die Di¤erenz zu c minimiert.
Die Aufgabe besteht also darin, die Funktion
D> h
c
2
=
K
X
D> h
2
j
cj
(1.8)
j=1
für h 2 RN zu minimieren.
Dies entspricht der Bestimmung der Projektion von c auf den Bildraum
Im D> und läß
t sich numerisch durch das Lösen der Normalengleichung
DD> h = Dc
oder mit Hilfe einer QR-Zerlegung …nden.
Minimale mittlere quadratische Abweichung Ein weiterer Ansatz lautet: Minimiere die mittlere quadratische Abweichung
E
h
D> h
c
2
i
=
K
X
P (! j )
D> h
2
j
cj
j=1
über alle Handelsstrategien h 2 RN . Die Idee besteht hier darin, einen Zahlungsstrom cj , der zu einem Zustand ! j gehört, um so stärker zu berücksichtigen, je höher die Eintrittswahrscheinlichkeit für diesen Zustand ist.
1.4 Replikation und Arbitrage
25
Dieser Ansatz erfordert jedoch, daßdas Marktmodell um die Modellierung
der Wahrscheinlichkeiten ergänzt wird, mit denen die jeweiligen Zustände zum
Zeitpunkt 1 eintreten werden. Bei der bisherigen Bewertungsstrategie spielten
diese Wahrscheinlichkeiten keine Rolle.
Wir nehmen also für diesen Ansatz an, daßdie Wahrscheinlichkeiten
P (! j ) := pj vorgegeben sind, mit denen die zukünftigen Zustände ! j des
betrachteten Finanzmarktes eintreten werden. Auf diese Weise wird ein WahrscheinlichkeitsmaßP auf de…niert.
Der Ansatz, die mittlere quadratische Abweichung zu minimieren, kann
auf den Projektionsansatz zurückgeführt werden. Dazu wird
1
0 p
1
0p
p
p1
0
p1 S11 (! 1 )
p1 S1N (! 1 )
C
B
C
B
..
..
A := @ ... . . . ... A D> = @
A
.
.
p
p
p
1
N
pK
0
pK S1 (! K )
pK S1 (! K )
de…niert. Mit
gilt dann
0p
1
0 p 1 1
p1 c
p1
0
B
C
C
B
..
z := @ ... . . . ... A c = @
A
.
p
p
0
pK
pK cK
E
h
D> h
c
2
i
= jjAh
zjj2 ;
und wir erhalten ein Problem vom Typ (1.8).
Untersuchungen von Absicherungsstrategien in unvollständigen Märkten
…nden Sie in Föllmer/Schied [10] und in Pliska [33].
Die Replikation ist nicht eindeutig bestimmt
Wir betrachten nun den Fall, daßc zwar replizierbar ist, jedoch nicht auf
eindeutig bestimmte Weise. Wir nehmen also an, daßes zwei Portfolios h und
~ gibt mit h
~ 6= h und mit c = D> h = D> h.
~
h
~
~ b gilt. Dies
Zunächst kann es auch im Falle von h 6= h sein, daßh b = h
~
bedeutet, daßdie beiden Portfolios h und h ökonomisch gleichwertig sind; sie
kosten dasselbe und liefern dieselbe Auszahlung.
Der folgende Satz charakterisiert diese Situation.
Satz 1.25. (Law of One Price) Sei (b; D) ein Marktmodell und sei c 2
Im D> ein replizierbares Auszahlungspro…l. Dann ist der mit Hilfe einer Replikationsstrategie de…nierte Preis c0 von c genau dann eindeutig bestimmt,
wenn
ker D> ? b
gilt.
26
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Beweis. Sei h0 eine spezielle Lösung von c = D> h. Die allgemeine Lösung
lautet dann h = h0 + f , wobei f 2 ker D> beliebig. Nun gilt h b = h0 b
genau dann, wenn f b = 0, also wenn ker D> ? b.
Aufgabe 1.1. Konstruieren Sie ein Beispiel eines Marktmodells mit zwei
Finanzinstrumenten und zwei Zuständen, wobei das erste ein Vielfaches des
zweiten ist. Machen Sie sich klar, daßhier für ein replizierbares Auszahlungspro…l unendlich viele replizierende Portfolios mit gleichem Anfangspreis existieren.
~ aber h b 6= h
~ b gilt?
Welche Situation liegt aber vor, wenn D> h = D> h,
~
Nehmen wir dazu o.B.d.A. h b < h b an. In diesem Fall hat das Portfolio
~ die Eigenschaften h h
~ b < 0 und D> (h h)
~ = 0. Dies bedeutet,
h h
~ zum Zeitpunkt 0 mit einer Kapitaleinnahme von
daßder Erwerb von h h
~ b > 0 verbunden ist. Die Einnahme beinhaltet keinerlei Risiko,
h h
denn das Portfolio ist zum Zeitpunkt 1 wertlos, insbesondere bestehen zu diesem Zeitpunkt keinerlei Zahlungsverp‡ichtungen. Eine Möglichkeit, risikolos
Gewinne ohne eigenen Kapitaleinsatz erzielen zu können, wird Arbitragegelegenheit genannt.
De…nition 1.26. Eine Handelsstrategie h heiß
t Arbitragegelegenheit, falls
h b
0 und D> h > 0
(1.9)
oder
h b < 0 und D> h
0:
(1.10)
Existieren in einem Marktmodell (b; D) keine Arbitragegelegenheiten, so
heiß
t das Marktmodell arbitragefrei.
Dabei bedeutet D> h > 0, daß D> h j 0 für alle j = 1; : : : ; K und daß
D h k > 0 für wenigstens ein k.
Für x 2 Rn schreiben wir allgemein x > 0, falls xi 0 für alle i = 1; : : : ; n
und xk > 0 für wenigstens ein k. Wir schreiben x
0, und nennen x strikt
positiv, falls xi > 0 für alle i = 1; : : : ; n.
In (1.9) kostet das Portfolio anfangs nichts oder es bringt sogar etwas ein,
V0 (h) = h b 0, und später, zum Zeitpunkt 1, bestehen in keinem Zustand
Zahlungsverp‡ichtungen, aber es gibt die Chance auf einen positiven Gewinn,
V1 (h) = D> h > 0. In (1.10) wird sofort ein Gewinn realisiert, V0 (h) = h b < 0,
und später bestehen keinerlei Zahlungsverp‡ichtungen, eventuell kann sogar
ein Gewinn realisiert werden, V1 (h) = D> h 0.
Gilt V0 (h) > 0, so ist das der Betrag, der für den Kauf des Portfolios aufzuwenden ist. Ist V0 (h) < 0, so wird bei der Zusammenstellung des Portfolios
h zum Zeitpunkt 0 das Kapital V0 (h) > 0 entnommen.
Der Betrag V1 (h) stellt den zustandsabhängigen Wert des Portfolios zum
Zeitpunkt 1 dar. Gilt V1 (h) (! j ) > 0, so bezeichnet dies den Gewinn, der beim
>
1.4 Replikation und Arbitrage
27
Verkauf des Portfolios erzielt wird, falls zum Zeitpunkt 1 der Zustand ! j realisiert wird. Gilt V1 (h) (! j ) < 0, so bedeutet dies eine Zahlungsverp‡ichtung
für den Besitzer des Portfolios im Zustand ! j .
Für die Bewertung von Auszahlungspro…len kann die Arbitragefreiheit des
zugrundeliegenden Marktmodells in der Regel vorausgesetzt werden. Denn jede Arbitragegelegenheit würde von vielen Investoren ausgenutzt. Dies hätte
eine Verschiebung der Preise, und damit eine Änderung des Modells, zur Folge, bis die Gewinnmöglichkeit wieder verschwunden ist. In der Praxis treten
Arbitragegelegenheiten auf, aber üblicherweise nur für kurze Zeit.
Lemma 1.27. In einem arbitragefreien Marktmodell (b; D) beinhaltet jede
zum Zeitpunkt 0 getätigte kostenlose Investition in ein Portfolio h mit D> h 6=
0 das Risiko eines Verlustes.
Beweis. Sei h eine kostenlose Investition mit D> h 6= 0. Dann gilt D> h 0,
denn sonst wäre h eine Arbitragegelegenheit. Wegen D> h 6= 0 mußdaher
wenigstens eine Komponente von D> h negativ sein, und dies kennzeichnet
einen Verlust.
Daßim vorangegangenen Lemma eine zum Zeitpunkt 0 kostenlose Investition h betrachtet wurde, ist wesentlich. Denn das Erzielen risikoloser Gewinne
bei einem positiven Kapitaleinsatz ist bei jeder festverzinslichen Geldanlage
mit positivem Zinssatz möglich. Bei der Anlage eines Kapitalbetrags K, der
sich bis zum Zeitpunkt t mit einem Zinssatz r > 0 verzinst, beträgt das Endkapital K (1 + r). Also wurde hier der Gewinn rK erzielt, der unabhängig
vom zum Zeitpunkt t eintretenden Zustand !, und damit risikolos, ist.
Satz 1.28. In einem arbitragefreien Marktmodell (b; D) gilt
ker D> ? b;
und der Preis jedes replizierbaren Auszahlungspro…ls c = D> h ist eindeutig
bestimmt durch h b.
Beweis. Angenommen, es gilt ker D> 6? b. Dann gibt es ein f 2 ker D> mit
f b 6= 0. Durch Multiplikation mit 1 kann gegebenenfalls erreicht werden,
daßf b < 0 gilt. Wegen D> f = 0 ist f dann aber eine Arbitragegelegenheit.
Die zweite Aussage folgt aus Satz 1.25.
Gilt umgekehrt ker D> ? b, so kann daraus nicht geschlossen werden, daß
das Marktmodell (b; D) arbitragefrei ist, wie die beiden folgenden Beispiele
demonstrieren.
Beispiel 1.29. Betrachten Sie das Marktmodell
00
1 0
11
0:99
1:1 1:1
(b; D) = @@ 7:0 A ; @ 10 9 AA :
2:1
9 6
28
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Für D> =
1: 1 10 9
1: 1 9 6
: R3 ! R2 gilt Rang D> = 2, das Modell ist also
0
1
19:091
vollständig. Ferner gilt dim ker D> = 1 und f := @ 3:0 A löst das Glei1
chungssystem D> f = 0. Damit ist ker D> = f f j 2 Rg. Wegen
0
1 0
1
19:091
0:99
f b = @ 3:0 A @ 7:0 A = 0
1
2:1
gilt ker D> ?b. Dennoch ist sofort zu sehen, daßdas Marktmodell nicht arbitragefrei ist, denn eine Verschuldung im ersten Finanzinstrument und eine Investition in das dritte führt in jedem Szenario zu einem positiven
Gewinn.
4
Ist ein Marktmodell arbitragefrei und ist h ein replizierendes Portfolio für
das Auszahlungspro…l c, so ist der Wert h b mit c = D> h eindeutig durch c
bestimmt.
Das folgende Beispiel zeigt jedoch, daßumgekehrt aus der eindeutigen
Bestimmtheit eines replizierenden Portfolios nicht gefolgert werden kann, daß
das zugrundeliegende Marktmodell arbitragefrei ist.
Beispiel 1.30. Betrachten Sie das Marktmodell
1 0
11
00
1:035 1:035 1:035
1
13
9 AA :
(b; D) = @@ 12 A ; @ 15
100
82
95 111
Es ist leicht zu sehen, daßdie Matrix D einen Isomorphismus von R3 nach
R3 de…niert. Damit bildet auch D> : R3 ! R3 einen Isomorphismus, so daß
insbesondere ker D> = f0g gilt, woraus bereits b ? ker D> folgt. Da D>
ein Isomorphismus ist, ist ferner jedes beliebige Auszahlungspro…l c 2 R3 auf
eindeutig bestimmte Weise replizierbar.
Andererseits ist leicht nachzurechnen, daßfür das Portfolio
1
0
249: 28
h = @ 10: 387 A
1: 246
gilt
und
0
1
0
D> h = @ 4:57 A > 0
26:174
h b=
0:004 < 0:
1.4 Replikation und Arbitrage
29
Also ist h eine Arbitragegelegenheit.
Der Frage, wie Arbitragegelegenheiten gefunden werden können, werden
wir später nachgehen.
4
Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell. Den Wert h b als Preis für
das Auszahlungspro…l c zu interpretieren, wobei c = D> h ein replizierendes
Portfolio ist, ist nicht nur naheliegend, sondern zwingend. Jeder von h b
abweichende Preis ermöglicht eine Arbitragestrategie, wie der folgende Satz
zeigt.
Satz 1.31. Sei c = D> h ein replizierbares Auszahlungspro…l in einem arbitragefreien Marktmodell (b; D). Dann ist h b der einzig mögliche arbitragefreie
Preis für c.
Beweis. Wird etwa das Auszahlungspro…l c für einen Preis s < h b angeboten,
so kaufe c zum Preis von s und verkaufe das Portfolio h zum Preis von h b.
Auf diese Weise wird zum Zeitpunkt 0 der Gewinn h b s > 0 realisiert. Zum
Zeitpunkt 1 münden die getätigten Transaktionen in das Auszahlungspro…l
D> h c = 0. Also bestehen zum Zeitpunkt 1 keine Zahlungsverp‡ichtungen,
aber zum Zeitpunkt 0 wurde ein positiver Gewinn realisiert. Im Falle s > h b
kaufe das Portfolio h und verkaufe das Auszahlungspro…l zum Preis s.
Äquivalent zu De…nition 1.26 kann eine Arbitragegelegenheit auch als ein
Portfolio h 2 RN de…niert werden, für das gilt
( h b; D> h) > 0.
(1.11)
Dabei werden das Negative des Anfangswertes h b des Portfolios h und die
zustandsabhängige Auszahlung D> h des Portfolios zu einem Vektor ( h
b; D> h) 2 R RK = RK+1 zusammengefaß
t.
De…nition 1.32. Die lineare Abbildung
L : RN ! R
RK = RK+1 ;
gegeben durch
L(h) := ( h b; D> h)
= ( h S0 ; h S1 ) ;
wird Entnahmeprozess genannt. Dabei ist
L0 (h) :=
h b=
h S0
die zum Erwerb des Portfolios h erforderliche Abbuchung des Betrags h S0
vom Konto des Portfolioinhabers, und
L1 (h) := D> h = h S1
ist der Wert des Portfolios bei t = 1. Dieser Betrag kann dem Portfolio durch
Au‡ösung zum Zeitpunkt 1 entnommen werden.
30
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Ein Portfolio h ist also genau dann eine Arbitragegelegenheit, wenn h
niemals Kapital zugeführt werden mußund wenn dem Portfolio zum Zeitpunkt
0 oder zum Zeitpunkt 1 Kapital entnommen werden kann.
Satz 1.33. Sei (b; D) ein Marktmodell. Angenommen, es gibt ein Portfolio
mit b > 0 und D> > 0. Dann existieren genau dann Arbitragegelegenheiten,
wenn es ein Portfolio h gibt mit h b = 0 und D> h > 0.
Beweis. Jedes Portfolio h mit h b = 0 und D> h > 0 ist o¤enbar eine
Arbitragegelegenheit. Sei h umgekehrt eine Arbitragegelegenheit. Dann gilt
( h b; D> h) > 0. Nach Voraussetzung besitzt das Portfolio in unserem
Marktmodell die Eigenschaften b > 0 und D> > 0. Wir wählen nun
0
so, daß(h + ) b = 0 gilt. Wegen h b 0 folgt daraus = h bb 0.
Nun ist = 0 genau dann, wenn h b = 0. Dann aber folgt D> h > 0, da
h nach Voraussetzung eine Arbitragegelegenheit ist.
Gilt dagegen > 0, so folgt h b < 0, also D> h 0, und wir betrachten
D> (h +
Wegen D> h
daher
0 und
) = D> h + D> :
D> > 0 folgt D> (h +
D> (h +
) > 0. In jedem Fall gilt
) > 0:
Ist also (b; D) nicht arbitragefrei, so gibt es sogar Arbitragegelegenheiten h
mit h b = 0 und D> h > 0. Dies aber beweist die Behauptung.
Folgerung 1.34. Sei (b; D) ein Marktmodell. Angenommen, es gibt ein Finanzinstrument S i mit S0i > 0 und S1i > 0. Das Marktmodell beinhaltet genau
dann Arbitragegelegenheiten, wenn es ein Portfolio h gibt, mit h b = 0 und
D> h > 0.
>
Beweis. Das Portfolio ei = (0; : : : ; 0; 1; 0; : : : ; 0) besitzt in unserem Marktmodell nach Voraussetzung die Eigenschaften ei b = bi = S0i > 0 und
D> ei = ei S1 = S1i > 0. Damit folgt die Behauptung aus Satz 1.33.
Folgerung 1.35. Ein Marktmodell (b; D) ist genau dann arbitragefrei, wenn
jedes zum Zeitpunkt 0 kostenfreie Portfolio h mit D> h 6= 0 das Risiko eines
Verlustes birgt, wenn also gilt
D> h
j
< 0 für wenigstens ein j:
Beweis. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell. Aus Lemma 1.27 folgt,
daßjedes zum Zeitpunkt 0 kostenfreie Portfolio h mit D> h 6= 0 in wenigstens
einem Zustand einen negativen Wert besitzt.
Angenommen, es gilt für jedes Portfolio h mit h b = 0 und D> h 6= 0 die
Eigenschaft D> h j < 0 für wenigstens ein j. Dann gibt es kein Portfolio h mit
h b = 0 und D> h > 0. Nach dem letzten Satz folgt daraus die Arbitragefreiheit
des Marktmodells.
1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie
31
1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie
Im folgenden werden Skalarprodukte, bei denen über Finanzinstrumente summiert wird, wie bisher mit einem Punkt gekennzeichnet, während für Skalarprodukte, bei denen über Zustände summiert wird, die Klammer h ; i verwendet wird.
In diesem Abschnitt wird gezeigt, daßein Marktmodell (b; D) genau dann
arbitragefrei ist, wenn es einen Vektor
2 RK gibt mit
0 und mit
b=D .
Satz 1.36. (Law of One Price, zweite Version) Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell. Dann gilt b 2 Im D. Also gibt es ein 2 RK mit b = D .
In diesem Fall gilt für jedes Portfolio h 2 RN
h b=
; D> h :
Beweis. Aus der Arbitragefreiheit von (b; D) folgt nach Satz 1.28 b ? ker D> .
Nach Satz 8.39 gilt
ker D> ? Im D
und
RN = ker D>
Im D;
(1.12)
woraus bereits die Behauptung b 2 Im D folgt. Also gibt es ein
b = D . Die zweite Behauptung folgt nun aus
h b=D
h=
2 RK mit
; D> h :
Die Bedeutung von Satz 1.36 besteht darin, daßder Preis c0 = h b eines
replizierbaren Auszahlungspro…ls c = D> h unter der Voraussetzung b = D
eindeutig bestimmt ist und ohne Kenntnis des replizierenden Portfolios h als
c0 = h ; ci berechnet werden kann.
Satz 1.37. Gilt b = D für ein
2 RK mit
Arbitragefreiheit des Marktmodells (b; D).
0, so folgt daraus die
Beweis. Nach Satz 1.36 gilt h b =
; D> h . Ist nun D> h > 0, so folgt
>
h b > 0 wegen
0. Ist dagegen D h 0, so folgt entsprechend h b 0.
Damit ist h aber keine Arbitragegelegenheit.
De…nition 1.38. Ein
Zustandsvektor.
2 RK mit
0 und der Eigenschaft b = D
Beispiel 1.39. Wir betrachten das Marktmodell
(b; D) =
1
10
;
1:02 1:02
12 9
heiß
t
32
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
des Beispiels 1.2 und untersuchen das Gleichungssystem D = b, also
1:02 1:02
12 9
1
2
=
1
10
:
Es besitzt die eindeutig bestimmte Lösung
=
Da
0:392
0:588
:
0, ist das Marktmodell (b; D) arbitragefrei.
4
Satz 1.40. Sei (b; D) ein arbitragefreies und vollständiges Marktmodell. Dann
gibt es in (b; D) einen Zustandsvektor.
Beweis. Sei 2 RK mit b = D und sei ei 2 RK der i-te Standardbasisvektor. Aufgrund der Vollständigkeit des Marktmodells gibt es ein hi 2 RN mit
ei = D> hi . Damit gilt
i = h ; ei i = hi b:
Wäre i = hi b
0, so wäre hi wegen D> hi = ei > 0 eine Arbitragegelegenheit. Da das Marktmodell (b; D) aber nach Voraussetzung arbitragefrei
ist, folgt i > 0 für alle i = 1; : : : ; K.
Im folgenden wird gezeigt, wie aus der Arbitragefreiheit eines Marktmodells ganz allgemein, also ohne die Voraussetzung der Vollständigkeit, die Existenz eines Zustandsvektors abgeleitet werden kann. Dazu werden zunächst
zwei Trennungssätze bewiesen.
1.5.1 Trennungssätze im Rn
Satz 1.41 (Erster Trennungssatz). Sei C Rn eine abgeschlossene, konvexe Menge, die den Ursprung nicht enthält. Dann gibt es ein x0 2 Rn und
ein > 0, so daß
hx0 ; xi
für alle x 2 C.
Insbesondere schneidet C nicht die Hyperebene hx0 ; xi = 0.
Beweis. Sei
> 0 so gewählt, daßC \ B (0) 6= ;, wobei B (0) = fx 2
Rn j kxk
g. Sei x0 2 C der Punkt, an dem die stetige Abbildung x 7 ! kxk
auf der kompakten Menge C \B (0) ihr Minimum annimmt. Dann folgt sofort
kxk
kx0 k für alle x 2 C:
Für beliebiges x 2 C gilt für alle t 2 [0; 1]
x0 + t (x
x0 ) 2 C;
da C konvex ist. De…nieren wir f : R ! R durch
1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie
f (t) := kx0 + t (x
2
2
x0 )k = kx0 k + 2t hx0 ; x
x0 i + t2 k(x
33
2
x0 )k ;
2
so ist f di¤erenzierbar und es gilt kx0 k = f (0)
f (t) für alle t 2 [0; 1].
0. Wegen f 0 (0) = 2hx0 ; x x0 i =
Daher ist f 0 (0) = limt#0 f (t) t f (0)
2
2 hx0 ; xi kx0 k folgt hx0 ; xi
folgt die Behauptung.
2
kx0 k > 0 für jedes x 2 C. Mit
2
:= kx0 k
C
MBB x
0
B
B
B
hx0 ; xi = 0
Abb. 1.4. Erster Trennungssatz
Aufgabe 1.2. Machen Sie sich klar, daßdie Schnittmenge C \ B (0) im
Beweis von Satz 1.41 gebildet wurde, um die Tatsache zu verwenden, daß
stetige Funktionen auf kompakten Mengen ein Minimum annehmen.
Wegen 0 < hx0 ; xi = kx0 k kxk cos ] (x0 ; x) besitzen alle x 2 C in Satz 1.41
einen spitzen Winkel mit x0 . Dies bedeutet, daßC in einer Hälfte des durch
n
die Hyperebene x?
0 := fx 2 R jhx0 ; xi = 0 g getrennten Raumes liegt.
Satz 1.42 (Zweiter Trennungssatz). Sei K eine kompakte und konvexe
Teilmenge des Rn und sei V ein Untervektorraum des Rn . Wenn V und K
disjunkt sind, so gibt es ein x0 2 Rn mit folgenden Eigenschaften:
1. hx0 ; xi > 0 für alle x 2 K.
2. hx0 ; xi = 0 für alle x 2 V .
Daher ist der Unterraum V in einer Hyperebene enthalten, die K nicht schneidet.
Beweis. Die Menge
C=K
V = fx 2 Rn j9(k; v) 2 K
V; x = k
vg
34
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
ist konvex, da V als Untervektorraum und K nach Voraussetzung konvex
sind. Ferner ist C abgeschlossen, da V abgeschlossen und da K kompakt ist.
Weiter enthält C nicht den Ursprung, da K und V disjunkt sind. Auf Grund
des letzten Satzes existieren ein x0 2 Rn und ein > 0 mit
hx0 ; xi >
für alle x 2 C.
Daher gilt für alle k 2 K und für alle v 2 V
hx0 ; ki
hx0 ; vi
:
Für festes k 2 K gilt daher für jedes v 2 V und für alle
hx0 ; vi
hx0 ; ki
2 R die Ungleichung
:
Dies ist aber nur möglich, wenn hx0 ; vi = 0. Wir erhalten also
hx0 ; vi = 0 für alle v 2 V:
Daraus folgt dann
hx0 ; ki
> 0 für alle k 2 K:
K
6x0
V
PP
P
PP
PP
P
PP
P
PP
P
hx0 ; xi = 0
PP
PP
PP
Abb. 1.5. Zweiter Trennungssatz
Die folgenden Aufgaben beziehen sich auf den vorangegangenen Satz und
seinen Beweis.
1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie
35
Aufgabe 1.3. Weisen Sie die Konvexität von C nach.
Aufgabe 1.4. Zeigen Sie, daßUntervektorräume des Rn abgeschlossen sind.
Aufgabe 1.5. Zeigen Sie, daßC abgeschlossen ist.
Satz 1.43 (Fundamentalsatz der Preistheorie). In einem Marktmodell
(b; D) sind folgende Aussagen äquivalent.
1. (b; D) ist arbitragefrei.
2. Es gibt ein 2 RK+1 ,
0, mit
h ; L (h)i = 0
für alle h 2 RN .
3. Es gibt einen Zustandsvektor
2 RK ,
0, mit
b=D :
Beweis. 1.=)2. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell. Dann gibt es nach
(1.11) kein h 2 RN mit
L(h) = ( h b; D> h) > 0:
Ferner ist L : RN ! RK+1 linear, so daßIm L ein Untervektorraum des
RK+1 ist, der den positiven Quadranten fx 2 RK+1 j x > 0 g nicht schneidet.
Insbesondere schneidet Im L nicht die kompakte und konvexe Menge M =
fx 2 RK+1 j x > 0; x0 +
+ xK = 1 g. Also folgt aus Satz 1.42 die Existenz
eines 2 RK+1 mit h ; xi = 0 für alle x 2 Im L und h ; xi > 0 für alle x 2 M .
Aus hx; i > 0 für alle x 2 M folgt
0, wie die Wahl x = ej zeigt,
wobei ej den j-ten Standardbasisvektor bezeichnet.
2.=)3. Sei
2 RK+1 ,
0, mit h ; L (h)i = 0. Wir schreiben
=
( 0 ; 1 ) mit 0 2 R und 1 2 RK . Wegen
0 folgt 0 > 0 und 1
0.
Damit erhalten wir
0 = h ; L (h)i
= (
0;
=
0
h b; D> h)
1) ; (
(h b) +
1; D
>
also
h b=
1
0
; D> h :
h ;
36
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
RK
@
@
@
@
@ M
@
@
@
ImL
P
PP
P
@
@
@
PP
PP
P
PP
P
R
PP
P
PP
P
P
Abb. 1.6. Fundamentalsatz
Mit der De…nition
:=
1
0
gilt
2 RK ,
0 und
h b=D
h
für alle h 2 RN . Daraus folgt aber b = D .
3.=)1. Dies ist gerade die Aussage von Satz 1.37.
Aufgabe 1.6. Begründen Sie im Detail, warum die Menge
M = fx 2 RK+1 j x > 0; x0 +
+ xK = 1 g
aus dem vorangehenden Beweis kompakt und konvex ist.
De…nition 1.44. Ein Tupel = ( 0 ; 1 ) 2 R RK ,
0 für alle h 2 RN wird Zustandsprozeß genannt.
0, mit h ; L (h)i =
Anmerkung 1.45. Ein Zustandsprozeß ist niemals eindeutig bestimmt. Jedes
positive Vielfache , > 0, de…niert o¤enbar ebenfalls einen Zustandsprozeß
.
Jedoch gilt
1
1
( 1 ; : : : ; K )> =
( 1 ; : : : ; K )>
0
für jedes
2R
0
f0g.
Satz 1.46. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell. Ist
R RK ein Zustandsprozeß
, so de…niert
:=
1
0
2 RK
= (
0;
1)
2
1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie
37
2 RK ein Zustandsvektor, so de…niert
einen Zustandsvektor. Ist umgekehrt
RK
:= (1; ) 2 R
einen Zustandsprozeß
.
Beweis. Ist
=(
0;
1)
ein Zustandsprozeß
, so gilt
0 = h ; L (h)i
=
Mit
:=
0
(h b) +
1; D
>
h :
0 folgt daraus
1
0
1
h b=
; D> h
=D
h
0
für alle h 2 RN . Daraus folgt b = D . Dieses Argument ist identisch mit dem
des Beweisteils 2.=)3. von Satz 1.43.
Ist umgekehrt 2 RK ,
0, ein Zustandsvektor, so folgt aus b = D
der Zusammenhang
0=
; D> h
h b+
= (1; ) ; h b; D> h
= h ; L (h)i
mit
:= (1; ) 2 R
RK . Wegen
0 ist
ein Zustandsprozeß
.
Satz 1.47. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell und sei = (
R RK ein Zustandsprozeß
. Dann gilt für jedes Portfolio h 2 RN
h S0 =
1
; h S1
0
mit
:=
1
0
= h ; h S1 i
0;
1)
2
(1.13)
2 RK .
Beweis. Es gilt
0 = h ; L (h)i =
0
(h b) +
1; D
>
h :
Das Einsetzen von b = S0 und D> h = h S1 liefert
h S0 =
1
; h S1 ;
0
und der Satz ist bewiesen.
Aus Satz 1.47 folgt, daßreplizierbare Auszahlungspro…le ohne Kenntnis
des replizierenden Portfolios bewertet werden können.
38
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Folgerung 1.48. Sei (S0 ; S1 ) ein arbitragefreies Marktmodell mit Zustandsvektor . Sei weiter c 2 RK ein replizierbares Auszahlungspro…l, d.h. es gibt
ein Portfolio h 2 RN mit c = h S1 . Dann ist der Wert c0 von c zum Zeitpunkt
0 gegeben durch
c0 = h ; ci :
Beweis. Mit Satz 1.47 gilt
c0 = h S0 = h ; h S1 i = h ; ci :
(1.14)
Ist also ein Zustandsvektor für ein arbitragefreies Marktmodell einmal
berechnet, so läß
t sich der Preis jedes replizierbaren Auszahlungspro…ls unmittelbar mit Hilfe von (1.14) angeben.
Die Bewertung replizierbarer zustandsabhängiger Auszahlungen durch
(1.14) kann als Verallgemeinerung des Diskontierens deterministischer Zahlungsströme interpretiert werden. Analog zur Diskontierung einer deterministischen Zahlung c 2 R durch c0 = dc auf den Zeitpunkt 0 wird eine zustandsabhängige replizierbare Auszahlung c 2 RK durch c0 = h ; ci auf den
Zeitpunkt 0 diskontiert.
De…nition 1.49. Eine lineare Abbildung
: Rn ! R
wird Linearform genannt.
wird als positiv bezeichnet, wenn gilt
(c) > 0
für c > 0.
Lemma 1.50. Die Zuordnung
c ! h ; ci ; c 2 RN ;
de…niert eine positive Linearform. Angenommen, für zwei zustandsabhängige
Auszahlungen c; c0 2 RK gilt c > c0 im Sinne von c c0 > 0. Dann ist
h ; ci > h ; c0 i :
Ist also eine replizierbare Auszahlung c zum Zeitpunkt 1 in jedem Zustand
mindestens so viel wert wie eine replizierbare Auszahlung c0 und sei weiter
angenommen, daßck > c0k für wenigstens einen Zustand k, so ist der Preis
von c zum Zeitpunkt 0 höher als der von c0 .
Beweis. Dies folgt sofort aus
0.
1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie
1.5.2 Interpretation von
39
als Zustandspreisvektor
Für den Fall, daßes Portfolios j mit der Eigenschaft D>
gibt, gilt
>
j S0 = h ; D
j i = h ; ej i = j :
j
=
j
S1 = ej
Daraus erklärt sich der alternative Name Zustandspreisvektor für , denn j
sind die Kosten für ein Portfolio, das im Zustand ! j den Wert 1 auszahlt und
in allen anderen Zuständen den Wert 0. j wird daher auch als Zustandspreis
des j-ten Zustands bezeichnet. Der Preis eines Portfolios h,
h S0 = h ; D> hi;
kann daher auch als Summe der Auszahlungen des Portfolios in den verschiedenen Zuständen D> h j , gewichtet mit den Zustandspreisen j , interpretiert
werden.
1.5.3 Der Nachweis der Arbitragefreiheit
Der Fundamentalsatz bietet einen Ansatz, um ein beliebiges Marktmodell
(b; D) auf Arbitragefreiheit zu überprüfen. Es ist dazu das Gleichungssystem
b=D ;
0;
(1.15)
auf Lösbarkeit mit einem strikt positiven Vektor
2 RK zu untersuchen.
Existiert ein solcher Vektor, so ist das Marktmodell arbitragefrei. Besitzt das
Gleichungssystem (1.15) dagegen keine Lösung oder nur Lösungen, bei denen
die Bedingung
0 nicht zutri¤t, so existieren Arbitragegelegenheiten.
Wenn D : RK ! RN injektiv ist, dann existiert höchstens eine Lösung
des Gleichungssystems (1.15), und das Marktmodell (b; D) kann in diesem
Fall etwa mit Hilfe des Gauß
-Algorithmus auf Arbitragefreiheit untersucht
werden. Ist D dagegen nicht injektiv, so besitzt (1.15) entweder keine Lösung
oder aber die unendlich vielen Lösungen
' + f , f 2 ker D;
wobei ' eine beliebige spezielle Lösung von b = D' ist. Wenn keine Lösung
existiert, dann kann dies wieder mit Hilfe des Gauß
-Algorithmus nachgewiesen
werden. Existieren aber unendlich viele Lösungen, so ist eine beliebige spezielle
Lösung ' nicht notwendigerweise strikt positiv. Im allgemeinen ist nun aber
die Beantwortung der Frage, ob es ein f 2 ker D gibt mit ' + f
0 schwierig.
Zur Lösung von (1.15) kann die Aufgabenstellung in diesem Fall jedoch als
Lineares Optimierungsproblem gemäßDe…nition 8.41 umformuliert werden.
Dazu setzen wir := 0 2 RK und betrachten die Optimierungsaufgabe
max h ; i
40
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
unter den Nebenbedingungen
b=D
0:
Die Zielfunktion max h ; i besitzt für jedes stets den Wert 0. Entscheidend ist daher nicht die Optimierung der Zielfunktion, sondern die Erfüllung
der Nebenbedingungen. Der Standard-Simplex-Algorithmus löst das Lineare
Optimierungsproblem genau dann, wenn das Gleichungssystem (1.15) strikt
positive Lösungen besitzt.
1.5.4 Das Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell
Wir betrachten nun das allgemeine Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell und
werden sehen, daßdie Frage der Arbitragefreiheit des zugehörigen Marktmodells mit Hilfe der Begri¤sbildung des Zustandsvektors leicht und übersichtlich
beantwortet werden kann.
Beispiel 1.51. Sei B eine Währungseinheit, also etwa 1 Euro, oder ein beliebiges anderes Anfangskapital zum Zeitpunkt 0, und sei S eine Aktie. Wir
betrachten ein Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell
b=
B
S0
; D=
B (1 + r) B (1 + r)
S1 (! 1 ) S1 (! 2 )
und untersuchen dies auf Arbitragefreiheit. Dazu betrachten wir das Gleichungssytem b = D ;also
B
S0
=
=
B (1 + r) B (1 + r)
S1 (! 1 ) S1 (! 2 )
B (1 + r)
S1 (! 1 )
1
1
1
(1.16)
2
+ B (1 + r)
+ S1 (! 2 ) 2
2
:
Daraus folgen mit s1 := S1 (! 1 ) und s2 := S1 (! 2 ) die beiden Gleichungen
s1 (1 + r) S0 = (1 + r) (s1
(1 + r) S0 s2 = (1 + r) (s1
s2 )
s2 )
2
(1.17)
1:
Wir nehmen nun folgende Fallunterscheidung vor:
1. Angenommen, es gilt s1 = s2 =: s, dann ist das Gleichungssystem genau
dann lösbar, wenn
s = (1 + r) S0
gilt. In diesem Fall hat die Auszahlungsmatrix D die Gestalt
D = (1 + r)
B B
S0 S0
:
1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie
Damit ist der Rang von D gleich 1 und wir können ein
beispielsweise wählen als
!
=
1
=
2
1
2(1+r)
1
2(1+r)
41
0 mit b = D
:
Das Marktmodell ist also arbitragefrei, aber nicht vollständig. O¤enbar gilt
Im D> =
=
(1 + r)
1
1
B S0
B S0
h1
h2
h=
h1
h2
2 R2
2R :
1
ein replizierbares Auszahlungspro…l. Dann ist der Preis c0 von
1
c zum Zeitpunkt 0 gegeben durch
Sei c =
c0 = h ; ci =
1+r
:
Damit ist c0 gerade der auf den Zeitpunkt 0 abdiskontierte Wert von .
2. Angenommen, es gilt s1 s2 > 0. Dann ist
1
=
1 (1 + r) S0 s2
1+r
s1 s2
(1.18)
2
=
1 s1 (1 + r) S0
1+r
s1 s2
(1.19)
und
also
1
2
> 0 () (1 + r) S0 > s2
> 0 () s1 > (1 + r) S0 :
Das Marktmodell ist also im Falle s1
s2 > 0 genau dann arbitragefrei, wenn
s1 > (1 + r) S0 > s2 :
3. Analog folgt, daßdas Marktmodell im Falle s1 < s2 genau dann arbitragefrei ist, wenn
s1 < (1 + r) S0 < s2 :
In jedem Fall folgt aus s1 6= s2 die eindeutige Lösbarkeit des Gleichungssystems b = D . Also ist D in diesem Fall injektiv und damit ein Isomorphismus.
Dies ist aber gleichbedeutend mit der Vollständigkeit des Marktmodells. 4
42
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Beispiel 1.52. Wir betrachten erneut das Beispiel 1.51, de…nieren aber hier
zwei Konstanten u und d mit u > d > 0, so daß
S1 (! 1 ) := uS0
und
S2 (! 2 ) := dS0 :
Dann lautet das Gleichungssystem (1.16)
B
S0
B (1 + r) B (1 + r)
uS0
dS0
=
1
2
und ist nach Division durch B bzw. durch S0 identisch mit
1
1
1+r 1+r
u
d
=
1
:
(1.20)
2
Daraus folgt
1 = (1 + r) (
1=u 1+d
1
+
2)
2
mit den Lösungen
1
=
1 (1 + r) d
1+r u d
(1.21)
und
1 u (1 + r)
:
(1.22)
1+r u d
Wir sehen also, daßdie Komponenten des Zustandsvektors nun nicht mehr
von den Anfangskursen B und S0 , sondern nur noch von den Renditefaktoren u, d und 1 + r abhängen. Diese Tatsache wird bei der Erweiterung des
Binomial-Modells auf mehrere Perioden verwendet werden.
O¤enbar ist das Marktmodell genau dann arbitragefrei, wenn
2
=
u > 1 + r > d:
(1.23)
4
Beispiel 1.53. Wir betrachten erneut das Marktmodell
(b; D) =
1
10
;
1:02 1:02
12 9
:
Hier gilt
u=
12
9
> 1:02 = 1 + r >
= d;
10
10
1.5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie
43
woraus die Arbitragefreiheit von (b; D) folgt. Der Zustandsvektor ergibt sich
entweder als eindeutig bestimmte Lösung des Gleichungssystems D = b oder
durch Einsetzen von u und d in (1.21) und (1.22) zu
=
0:392
0:588
:
Nun betrachten wir eine Call-Option auf S 2 mit Basispreis 10. Die zustandsabhängige Auszahlung c dieser Option lautet
c=
1
0
;
und daraus erhalten wir das replizierende Portfolio h als Lösung des Gleichungssystems D> h = c mit
h=
2: 941
0:333
:
Der Wert c0 von c ergibt sich nun als Wert h S0 des Portfolios h zum Zeitpunkt
0 zu
c0 = h S0 = 0:392:
Mit Hilfe des Zustandsvektors erhalten wir diesen Wert für c0 unmittelbar
als
c0 = h ; ci = 0:392:
Betrachten wir nun eine Put-Option auf S 2 mit Basispreis 10:5, so lautet das
zugehörige Auszahlungspro…l
c=
0
1:5
;
und der Preis c0 von c ergibt sich als
c0 = h ; ci = 0:882:
4
Sind die Bedingungen d < 1 + r < u in (1.23) verletzt, so ist die Bedingung
0 nicht erfüllt. Dies bedeutet aber, daßdas Marktmodell nicht
arbitragefrei sein kann. Nehmen wir beispielsweise an, daß1 + r d < u gilt,
so ist die Rendite bei Investition in die Aktie in jedem Zustand größ
er als die
Rendite r einer festverzinslichen Kapitalanlage. Damit liegt eine Arbitragestrategie auf der Hand: Leihe Kapital zum risikolosen Zinssatz und investiere
dies in die Aktie. Da die Aktie in jedem Fall nicht weniger Rendite erzielt als
die festverzinsliche Kapitalanlage, kann die entstehende Schuld in jedem Fall
vollständig zurückgezahlt werden. Formalisiert wird dies durch eine Handelsstrategie h = (h1 ; h2 ) =
1; S10 . Wir leihen 1 Geldeinheit und kaufen für
44
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
1
S0
Anteile der Aktie. Die Gesamtinvestition entspricht dem Portfolio1
wert zum Zeitpunkt 0 und beträgt h
= 0. Für die Auszahlung zum
S0
Zeitpunkt 1 gilt
diese
D> h =
=
1 + r uS0
1 + r dS0
u
d
1
1
S0
(1 + r)
(1 + r)
> 0:
Also ist diese Handelsstrategie tatsächlich eine Arbitragegelegenheit.
1.6 Replizierbarkeit und Vollständigkeit
Für die lineare Abbildung D : RK ! RN gilt analog zu (1.12)
RK = ker D
Im D| :
(1.24)
Satz 1.54. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell. Ein Auszahlungspro…l
c 2 RK ist genau dann replizierbar, wenn
ker D?c:
Dies ist genau dann der Fall, wenn h ; ci für alle Zustandsvektoren
ben Wert besitzt.
densel-
Beweis. Die erste Behauptung folgt sofort aus der Zerlegung (1.24) und aus
der Tatsache, daßc 2 RK genau dann replizierbar ist, wenn c 2 Im D> gilt.
Zum Beweis der zweiten Behauptung sei ein Zustandsvektor, also eine
strikt positive Lösung von b = D . Ist ein weiterer Zustandsvektor, so folgt
= + f für ein f 2 ker D. Ist c replizierbar, so ist ker D?c und daher gilt
h ; ci = h ; ci, also hat h ; ci für jeden Zustandsvektor denselben Wert.
Sei umgekehrt angenommen, daßh ; ci für jeden Zustandsvektor denselben
Wert besitzt, und sei f 2 ker D beliebig. Sei 0 := min f i ji = 1; : : : ; K g und
de…niere
0
:=
> 0:
1 + jf1 j +
+ jfK j
Dann gilt für alle j = 1; : : : ; K
j
+ fj
0
1 + jf1 j +
+ (jfj j + fj ) +
1 + jf1 j +
+ jfK j
+ jfK j
> 0;
so daß + f
0. Damit ist aber + f ein Zustandsvektor. Nach Voraussetzung gilt nun h ; ci = h + f; ci, woraus hf; ci = 0 folgt. Da f beliebig
war, erhalten wir ker D?c, also c 2 Im D> .
1.6 Replizierbarkeit und Vollständigkeit
45
Sei insbesondere D injektiv. Nach Satz 1.54 ist c 2 RK genau dann replizierbar, wenn ker D ? c. Wegen ker D = f0g ist also jedes c replizierbar, und
das Marktmodell (b; D) ist somit vollständig.
Satz 1.55. In einem arbitragefreien Marktmodell (b; D) sind folgende Aussagen äquivalent.
1. Das Marktmodell (b; D) ist vollständig.
2. D ist injektiv.
3. Der Zustandsvektor ist eindeutig bestimmt.
Beweis. 1.()2. Nach De…nition ist das Marktmodell genau dann vollständig,
wenn D> surjektiv ist. Wegen (1.24),
RK = ker D
Im D| ;
ist dies gleichbedeutend mit ker D = f0g, also der Injektivität von D.
2.=)3. Ist der Zustandsvektor
nicht eindeutig bestimmt, so gibt es
insbesondere verschiedene Lösungen der Gleichung D = b, und D ist somit
nicht injektiv.
3.=)2. Wenn D nicht injektiv ist, so gibt es ein Element f 2 ker D,
f 6= 0. Dann zeigt aber der Beweis von Satz 1.54, daßes ein > 0 gibt, so
daß + f ein Zustandsvektor ist. Damit ist aber der Zustandsvektor nicht
eindeutig bestimmt.
Folgerung 1.56. Sei (b; D) ein Marktmodell. Dann ist die Vollständigkeit des
Modells äquivalent zu Im D> = RK . Aus N = dim ker D> + dim Im D> folgt
damit die Beziehung N
K. Daher mußin einem vollständigen Marktmodell die Zahl der im Modell spezi…zierten Finanzinstrumente stets größ
er oder
gleich der Anzahl der Zustände sein.
Folgerung 1.57. Liegt in einem vollständigen, arbitragefreien Modell speziell die Situation K = N vor, existieren also genau so viele Zustände, wie es
Finanzinstrumente im Marktmodell gibt, so ist D> : RN ! RK ein Isomorphismus.
Beispiel 1.58. Wir betrachten wieder das allgemeine Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell aus Beispiel 1.51 mit
b=
B
S0
;D =
B (1 + r) B (1 + r)
S1 (! 1 ) S1 (! 2 )
:
Angenommen, das Marktmodell ist arbitragefrei und der Rang von D ist 2.
Dann gilt o.B.d.A. S1 (! 1 ) > S1 (! 2 ) und
S1 (! 1 ) > (1 + r) S0 > S1 (! 2 ) :
Die Abbildung D> bildet also einen Isomorphismus, so daßdas Marktmodell
vollständig ist, ker D = f0g gilt und die Gleichung
46
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
b=D
eindeutig lösbar ist. Wegen ker D = f0g gilt für jedes c 2 R2 die Aussage
c ? ker D.
Im Falle S1 (! 1 ) = S1 (! 2 ) ist der Rang von D gleich 1 und das Gleichungssystem b = D ist genau dann lösbar, wenn
S1 (! 1 ) = S1 (! 2 ) = (1 + r) S0 :
In diesem Fall gilt
B B
S0 S0
D = (1 + r)
und b = D ;
0, ist lösbar mit
=
1
2 (1 + r)
1
1
:
Ferner gilt ker D = f v j 2 R; v = (1; 1) g. Sei nun c = D> h ein replizierbares Auszahlungspro…l, so gilt
c = (1 + r)
B S0
B S0
h1
h2
= (1 + r)
Bh1 + S0 h2
Bh1 + S0 h2
=
2 R;
;
und daher c ? ker D. Ein Auszahlungspro…l c ist genau dann nicht re1
plizierbar, wenn c =
mit
2
1
2
;
1
1
=
1
2
1
6=
2.
In diesem Fall gilt o¤enbar
6= 0.
4
Beispiel 1.59. Wir untersuchen das Marktmodell
(b; D) =
1
100
;
1:03 1:03
125 85
auf Arbitragefreiheit. Dazu betrachten wir das Gleichungssystem
1:03 1:03
125 85
1
=
2
und …nden die eindeutig bestimmte Lösung
=
0:437
0:534
:
1
100
1.7 Preise als diskontierte Erwartungswerte
47
Also ist das Marktmodell (b; D) arbitragefrei. Sei c 2 R2 ein beliebiges Auszahlungspro…l. Da es nur einen Zustandsvektor gibt, besitzt der Ausdruck h ; ci
für jeden Zustandsvektor denselben Wert. Also ist das Marktmodell vollständig. Die Vollständigkeit folgt auch aus der Tatsache, daßD ein Isomorphismus
ist.
4
1.7 Preise als diskontierte Erwartungswerte
Die Wahrscheinlichkeitstheorie spielt in der modernen Finanzmathematik eine überragende Rolle. Dennoch wurden in diesem Kapitel bislang weder ein
Wahrscheinlichkeitsraum noch ein Wahrscheinlichkeitsmaßverwendet. Insbesondere spielt es bei der hier vorgestellten Bewertungsstrategie keine Rolle,
mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Zustand ! 2 zum Zeitpunkt 1 eintritt.
Wir werden jedoch gleich sehen, daßsich die Preise von beliebigen replizierbaren Auszahlungspro…len c 2 RK bis auf einen Faktor als Erwartungswerte
formulieren lassen. Allerdings wird der Erwartungswert bezüglich eines aus
dem Zustandsvektor konstruierten formalen Wahrscheinlichkeitsmaß
es gebildet – und nicht mit Hilfe des natürlichen Wahrscheinlichkeitsmaß
es, das
das Eintreten der Szenarien ! 2 bewertet.
De…nition 1.60. Sei eine endliche Menge und sei P ( ) die Potenzmenge
von , also die Menge aller Teilmengen von . Ein Wahrscheinlichkeitsraum ist ein Tupel ( ; P ), wobei
P : P ( ) ! [0; 1]
Wahrscheinlichkeitsmaßgenannt wird und folgende Eigenschaften erfüllt:
P ( ) = 1;
P (A [ B) = P (A) + P (B) , falls A \ B = ?:
Aus der De…nition folgt P (?) = 0, denn es gilt [? = und \? = ?,
also P ( ) = P ( [ ?) = P ( ) + P (?).
Sei f :
! R eine Funktion mit f (!) > 0 für alle ! 2
und mit
PK
f
(!
)
=
1.
Dann
induziert
f
ein
Wahrscheinlichkeitsmaß
P
auf
durch
j
j=1
P
die De…nition P (A) := !2A f (!) für alle A
.
Mit Hilfe eines Zustandsvektors läß
t sich daher ein Wahrscheinlichkeitsmaßauf wie folgt de…nieren.
De…nition 1.61. Setzen wir d :=
1
+
Q (! j ) :=
+
K
> 0, so de…niert
j
d
für j = 1; : : : ; K formal ein WahrscheinlichkeitsmaßQ. Q wird risikoloses Wahrscheinlichkeitsmaßoder synthetisches Wahrscheinlichkeitsmaßgenannt.
48
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Der Name risikoloses Wahrscheinlichkeitsmaßwird später begründet. Wie
bereits angemerkt haben die Wahrscheinlichkeiten Q (! j ) nichts mit den
Wahrscheinlichkeiten zu tun, mit denen die Zustände ! j im Ein-PeriodenModell eintreten werden, sondern werden abstrakt aus den Komponenten eines Zustandsvektors gewonnen.
De…nition 1.62. Sei ( ; P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Eine Funktion X :
! R heiß
t Zufallsvariable auf ( ; P ).
Häu…g spricht man auch von einer Zufallsvariablen X auf
.
De…nition 1.63. Sei X :
! R eine beliebige Zufallsvariable auf einem
Wahrscheinlichkeitsraum ( ; P ). Dann ist der Erwartungswert EP [X] von
X bezüglich P de…niert durch
X
EP [X] :=
X (!) P (!) :
!2
Der Erwartungswert von X ist also die Summe der mit den Wahrscheinlichkeiten P (!) gewichteten Ausprägungen X (!) von X. Es gilt
Lemma 1.64. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell und sei
ein Zustandsvektor. Dann gilt für den Preis c0 jedes replizierbaren Auszahlungspro…ls
c 2 Im D>
c0 = dEQ [c];
(1.25)
wobei
Q (! j ) =
j
d
für j = 1; : : : ; K.
Beweis. Sei c 2 Im D> . Dann gilt c0 = h ; ci und daher
c0 = h ; ci
= dh ; ci
d
K
X
=d
cj Q (! j )
j=1
= dEQ [c];
wobei der Erwartungswert EQ mit Hilfe des synthetischen Wahrscheinlichkeitsmaß
es Q gebildet wird.
1.7 Preise als diskontierte Erwartungswerte
49
1.7.1 Interpretation von d als Diskontfaktor
Wir interpretieren nun d unter der Annahme, daßein Portfolio existiert,
das in jedem Zustand den Wert 1 auszahlt. Diese Annahme ist beispielsweise dann erfüllt, wenn das zugehörige Marktmodell vollständig ist oder wenn
das Marktmodell ein Finanzinstrument enthält, welches zum Zeitpunkt 1 in
jedem Zustand denselben Wert besitzt. Ein derartiges Portfolio oder Finanzinstrument ist festverzinslich in dem Sinne, daßdie Auszahlung, und damit
auch die Rendite des investierten Kapitals, vom eintretenden Zustand ! unabhängig ist.
Lemma 1.65. Sei
2 RN ein Portfolio mit der Eigenschaft
D> =
S1 = (1; : : : ; 1):
Dann gilt
d=
Beweis. Für das Portfolio
S0 :
gilt o¤enbar
d = h ; (1; : : : ; 1)i = h ; D> i = D
=
S0 :
Also ist d =
S0 der Preis des Portfolios zum Zeitpunkt 0. Da zum
Zeitpunkt 0 gerade d investiert werden muß
, um zum Zeitpunkt 1 in jedem
Zustand die Auszahlung 1 zu erzielen, kann d als Diskontfaktor interpretiert
werden.
Folgerung 1.66. Sei (S0 ; S1 ) = (b; D) ein arbitragefreies und vollständiges
Marktmodell.
Dann existiert ein eindeutig bestimmter Zustandsvektor , und
PK
d = j=1 j ist daher der eindeutig bestimmte Diskontfaktor des Modells.
Lemma 1.67. Angenommen, eines der Finanzinstrumente, etwa S 1 , ist selbst
festverzinslich, d.h. es gibt ein r > 1 mit der Eigenschaft S01 = 1 und
S11 (! j ) = 1 + r für alle j = 1; : : : ; K. Dann gilt
d=
1
:
1+r
(1.26)
1
Beweis. Wird in Lemma 1.65
= ( 1+r
; 0; : : : ; 0) gewählt, so gilt D> =
1
1
1
1
S0 = 1+r
S1 = 1+r (S1 (! 1 ); : : : ; S1 (! K )) = (1; : : : ; 1). Weiter folgt d =
,
1
und wir erhalten den vertrauten Diskontfaktor d = 1+r
.
Damit kann der Preis c0 = dEQ [c] eines replizierbaren Auszahlungspro…ls
c 2 Im D> als abdiskontierter Erwartungswert von c unter dem synthetischen
PreismaßQ = d interpretiert werden. Der mit Hilfe von (1.26) de…nierte
Zinssatz r := d1 1 wird auch risikoloser Zinssatz oder risikolose Rendite
50
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
genannt. Die Bezeichnung risikolos bedeutet in diesem Zusammenhang, daß
zum Zeitpunkt 0 keine Unsicherheiten über die Rendite zum Zeitpunkt 1
bestehen.
Durch die Darstellung c0 = dEQ [c] für den Wert einer replizierbaren Auszahlung c zum Zeitpunkt 0 wird andererseits die Analogie zur Diskontierung
deterministischer Zahlungen gegenüber der Schreibweise c0 = h ; ci noch
deutlicher. Ist insbesondere c selbst deterministisch, gilt also c = c (1; : : : ; 1),
so erhalten wir
c0 = dcEQ [(1; : : : ; 1)] = dc;
und c0 ist gerade der diskontierte Wert der zukünftigen deterministischen
Zahlung c 2 R. In diesem Sinne wird der Ausdruck dEQ [c] als verallgemeinerte
Diskontierung der Auszahlung c 2 RK interpretiert, und die Komponenten
Q (! j ) werden als Gewichte der Zustände, nicht aber als Wahrscheinlichkeiten
aufgefaß
t.
Beispiel 1.68. Für das allgemeine Zwei-Perioden-Zwei-Zustands-Modells in
Beispiel 1.51 wurde folgende Darstellung für die Komponenten des Zustandsvektors erhalten:
1 (1 + r) S0 s2
1 =
1+r
s1 s2
und
2
=
1 s1 (1 + r) S0
:
1+r
s1 s2
Dies können wir schreiben als
=
1
1+r
q
1
= dQ;
q
1
0 s2
und d := 1+r
wobei q := (1+r)S
. Der Wert c0 einer Auszahlung c 2 R2
s1 s2
zum Zeitpunkt 0 kann daher geschrieben werden als
h ; ci = dEQ [c] = d (qc1 + (1 + q) c2 ) :
Dies stimmt mit (1.7) aus Beispiel 1.21 überein.
4
Beispiel 1.69. Wir betrachten wir erneut das Ein-Perioden-Zwei-ZustandsModell aus Beispiel 1.59. Hier hatten wir für das Marktmodell
(b; D) =
1
100
;
1:03 1:03
125 85
den Zustandsvektor
gefunden. Dann gilt d = 0:971 =
=
0:437
0:534
1
1:03
und
1.7 Preise als diskontierte Erwartungswerte
Q=
0:45
0:55
51
:
Damit gilt für das Auszahlungspro…l c einer Call-Option mit Basispreis K =
100
25
c=
0
und daher
h ; ci =
0:437
0:534
;
25
0
1
0:45
;
0:55
1:03
1
25
EQ
=
0
1:03
=
25
0
= 10: 925:
4
1.7.2 Interpretation von Q als Martingalmaß
Wir betrachten nun die speziellen Portfolios ei , i = 1; : : : ; N , wobei ei den
i-ten Standardbasisvektor bezeichnet. Dann gilt
S0i = ei S0 = D ei = h ; D> ei i
0 i
1
*
S1 (! 1 ) +
B
C
..
=
;@
A
.
i
S1 (! K )
13
20 i
S1 (! 1 )
C7
6B
..
= dEQ 4@
A5
.
(1.27)
S1i (! K )
= dEQ S1i :
Diese Rechnung zeigt, daßdie bisherigen Überlegungen auch in dem Sinne
konsistent sind, daßsich der Preis S0i des i-ten Wertpapiers zum Zeitpunkt
0 als abdiskontierter Erwartungswert der zustandsabhängigen Preise S1i zum
Zeitpunkt 1 bezüglich des Maß
es Q darstellen läß
t.
Damit bildet der diskontierte Preisprozess (S0 ; dS1 ) ein Martingal unter
dem WahrscheinlichkeitsmaßQ. Aus diesem Grunde wird Q auch Martingalmaßgenannt. Der Begri¤ des Martingals spielt im Zusammenhang mit den
Mehr-Perioden-Modellen und im Rahmen der stochastischen Finanzmathematik eine wichtige Rolle und wird später ausführlich erläutert.
1
Aus (1.27) folgt mit d = 1+r
weiter
52
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
EQ
Si
S1i
S0i
= r:
S0i
Si
Die Größ
e 1S i 0 wird als Rendite von S i bezeichnet, und wir erhalten das Er0
gebnis, daßunter dem WahrscheinlichkeitsmaßQ die erwartete Rendite jedes
Finanzinstruments im Marktmodell mit der risikolosen Rendite r übereinstimmt. Dies begründet den Namen risikoloses Wahrscheinlichkeitsmaßfür
Q.
Beispiel 1.70. Wir betrachten wiederum das Marktmodell aus Beispiel 1.59,
(b; D) =
1
100
;
1:03 1:03
125 85
;
und berechnen den Forward-Preis F eines Forward-Kontraktes auf die Aktie
S. Wie wir wissen, wird der Forward-Preis so bestimmt, daßder Wert des
Forward-Kontrakts zum Zeitpunkt 0 verschwindet. Dies bedeutet
0 = h ; S1
F i = h ; S1 i
h ; F i = S0
d F:
Damit erhalten wir
F =
1
S0 = S0 (1 + r) = 103:
d
4
Satz 1.71. Bildet der diskontierte Preisprozess (S0 ; dS1 ) in einem arbitragefreien Marktmodell (b; D) ein Martingal, gilt also S0i = dEQ S1i für alle
i = 1; : : : ; N , so gilt für jedes Portfolio h 2 RN
h S0 = dEQ [h S1 ]:
Beweis.
h S0 =
N
X
hi S0i
i=1
=d
N
X
hi EQ S1i
i=1
= dEQ [h S1 ] :
1.7.3 Erwartungswert versus Diskontierung
Sollte die Darstellung (1.25) zur Bestimmung des Preises einer Auszahlung c,
also c0 = dEQ [c]; eher
1.7 Preise als diskontierte Erwartungswerte
53
wahrscheinlichkeitstheoretisch als abdiskontierter Erwartungswert in einer
risikoneutralen Welt
oder als verallgemeinerte Diskontierung zukünftiger Zahlungsströme
interpretiert werden?
Wir wissen, daßdie grundlegende Idee, zustandsabhängige Auszahlungspro…le c 2 RK in einem Marktmodell (b; D) zu bewerten, darin besteht, diese
durch Portfolios h 2 RN nachzubilden, d.h. h so zu wählen, daßc = D> h gilt.
Der Preis c0 = h b von h zum Zeitpunkt 0 wird dann als Preis von c de…niert.
Ist (b; D) arbitragefrei, so existiert ein Zustandsvektor
0 mit b = D .
Wegen h b = h D = D> h;
= hc; i gilt dann auch c0 = h ; ci, so daßder
Preis c0 von c mit Hilfe von ohne Kenntnis des replizierenden Portfolios h
berechnet werden kann. Jede zum Zeitpunkt 1 erfolgende zustandsabhängige
replizierbare Auszahlung c 2 RK wird also durch h ; ci in einen äquivalenten
Wert zum Zeitpunkt 0 transformiert, und dies entspricht einer Diskontierung
von c auf denPZeitpunkt 0.
K
Mit d := j=1 j sowie Q := d gilt c0 = h ; ci = dEQ [c], und für den Fall,
daßc selbst deterministisch ist, d.h. daßc (!) = c für alle ! 2 gilt, erhalten
wir c0 = dEQ [c] = dc, also die klassische Formel für die Diskontierung eines
in der Zukunft ‡ieß
enden Kapitalbetrags. Daher verallgemeinert die Darstellung c0 = dEQ [c] die Diskontierung deterministischer auf zustandsabhängige
Auszahlungen.
Es erscheint dabei naheliegend, die Q (!) als Gewichte zu interpretieren,
mit denen die einzelnen Zustände in die Bewertung eingehen, nicht aber als
Wahrscheinlichkeiten. Denn die Replikationsstrategie besitzt die Eigenschaft,
daßjede in einem Zustand ! benötigte Auszahlung c (!) durch das replizierende Portfolio h exakt nachgebildet wird, daßalso c (!) = h S1 (!) für
alle ! 2
gilt. Es ist daher unerheblich, welcher Zustand ! realisiert wird
oder mit welcher Wahrscheinlichkeit er eintritt. Es gibt keine vorteilhaften
oder unvorteilhaften Zustände, und die Auszahlung c wird nicht nur im Mittel bei vielen Transaktionen realisiert, sondern c (!) wird in jedem Zustand
! 2 bei jedem Erwerb eines Replikationsportfolios erzielt. Insofern besitzt
die Replikationsstrategie sogar deterministische Züge. Warum sollte also eine
Preisformel für c von –wie auch immer konstruierten –Wahrscheinlichkeiten
Q (!) für die eintretenden Zustände abhängen?
Andererseits ist eine wahrscheinlichkeitstheoretische Interpretation der
Darstellung (1.25) aufgrund folgender Analogie verführerisch. Die hier vorgestellte Replikationsstrategie ist nämlich zunächst nicht die einzig naheliegende
Idee zur Bewertung von Auszahlungspro…len. Angenommen, es gibt K Szenarien ! 1 ; : : : ; ! K für den Zeitpunkt 1 und angenommen, diese Szenarien treten
mit den Wahrscheinlichkeiten P (! 1 ) ; : : : ; P (! K ) ein. Welchen Wert besitzt
54
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
dann eine vom Zustand abhängige Auszahlung c = (c (! 1 ) ; : : : ; c (! K ))? Naheliegend ist der Ansatz, hierfür den Erwartungswert der verschiedenen Zahlungen c (! 1 ) P (! 1 ) +
+ c (! K ) P (! K ) = EP [c] anzusetzen. Wird dieser
P
zukünftige Wert E [c] nun auf den Zeitpunkt 0 abdiskontiert, so erhalten wir
c0 = dEP [c]:
(1.28)
Wird der Betrag c0 in (1.28) risikolos angelegt, so erhalten wir zum Zeitpunkt
1 einen Wert, der im Mittel mit der gewünschten Auszahlung c (!) übereinstimmt. In diesem Fall gibt es Zustände, die vorteilhaft und solche, die
unvorteilhaft sind. Gleichung (1.28) stimmt nun mit (1.25) überein, wenn das
MaßP durch das synthetische WahrscheinlichkeitsmaßQ ersetzt wird. Da bezüglich Q die erwartete Rendite jedes Finanzinstruments gleich der risikolosen
Rendite r = d1 1 ist, wird (1.25) auch als „abdiskontierter Erwartungswert
in einer risikoneutralen Welt“ bezeichnet. Trotz ihrer formalen Ähnlichkeit
sind die beiden Bewertungsstrategien (1.25) und (1.28) inhaltlich vollkommen
verschieden.
Beachten Sie schließ
lich, daßc0 = h ; ci = dEQ [c] interpretationsunabhängig der ökonomisch richtige Preis ist, weil jeder andere Wert eine Arbitragegelegenheit bietet. Damit ist die Bewertung von c durch dEP [c] –von zufälligen
Übereinstimmungen abgesehen –nicht nur keine Alternative, sondern falsch.
Den Ansatz, die Replikationsstrategie als verallgemeinerte Diskontierung
zu interpretieren, werden wir in Kapitel 3 aufgreifen und auf Mehr-PeriodenModelle ausdehnen.
1.8 Wertgrenzen für Call- und Put-Optionen
Es ist sowohl von theoretischem als auch von praktischem Interesse, einfach
berechenbare obere und untere Schranken von Optionspreisen angeben zu
können.
Dazu betrachten wir ein arbitragefreies Marktmodell (S0 ; S1 ) mit S0 > 0
und S1 > 0 sowie die Auszahlung einer Call-Option
+
cC := (S1
K)
cP := (K
S1 )
und die einer Put-Option
mit Basispreis K
+
0. O¤enbar gilt
0
S1
Daraus folgen wegen
cC und
K
(1.29)
C
c
S1 :
0 die Eigenschaften
1.8 Wertgrenzen für Call- und Put-Optionen
0
S0
55
; cC =: cC
0 und
dK = h ; S1 i
also
(S0
; cC =: cC
0
h ; Ki
+
dK)
cC
0
S0 :
S0 ;
(1.30)
Für nicht-negative Zinsen, also für d 1, gilt S0 K S0 dK, und wir erhalten auch die folgende, etwas schwächere, aber einprägsamere Abschätzung
S0
cC
0
K
S0 :
Beispiel 1.72. Wir betrachten eine Call-Option auf eine Aktie S mit Basispreis
K = 27 Euro. Sei S0 = 29 Euro, und der risikolose Zinssatz betrage 2:7%.
1
= 0:974. Für den Wert cC
Dann gilt d = 1+r
0 der Call-Option gilt dann
2: 702 = 29
0:974 27
cC
0
29:
4
Analog gilt
0
cP
K;
woraus
; cP =: cP
0
0
folgt. Für d
Abschätzung
1 erhalten wir wegen dK
0
cP
0
dK
(1.31)
K auch die etwas schwächere
K:
Beispiel 1.73. Wir betrachten eine Put-Option auf eine Aktie S mit Basispreis
K = 32 Euro. Sei S0 = 30 Euro, und der risikolose Zinssatz betrage 2:7%.
Für den Wert cC
0 der Call-Option gilt dann d = 0:974 und
0
cP
0
0:974 30 = 29: 22:
4
Weiter gilt
cC
cP = S1
K:
(1.32)
Aus (1.32) folgt
cC
0
cP
0 = h ; S1 i
h ; Ki = S0
dK:
(1.33)
Der Zusammenhang (1.33) wird Put-Call-Parität genannt und zeigt, wie
Call- und Put-Preise mit identischem Ausübungspreis zusammenhängen. Nach
der Put-Call-Parität besitzt eine Put-Option den gleichen Wert wie eine entsprechende Call-Option falls K = d1 S0 .
56
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
1.9 Das Au¢ nden von Arbitragegelegenheiten
Ein Portfolio h 2 RN ist nach De…nition genau dann eine Arbitragegelegenheit, wenn
L (h) =
b h; D> h > 0:
De…nieren wir die erweiterte Payo¤matrix Db durch
0
1
b1 D11
D1K
B
..
.. C ;
Db := ( b jD ) := @ ...
.
. A
bN DN 1
DN K
so gilt
L (h) = Db> h:
Zum Au¢ nden von Arbitragegelegenheiten betrachten wir das lineare Optimierungsproblem
min b h
Db> h > 0:
Auf diese Weise wird eine Lösung gesucht, für die die Entnahme
Zusammenstellung von h zum Zeitpunkt 0 möglichst großist.
b h bei der
Der Fundamentalsatz der Preistheorie, Satz 1.43, bietet alternative Möglichkeiten, um ein Marktmodell (b; D) auf Arbitragefreiheit zu prüfen. Dazu
ist das Gleichungssystem
b=D
auf strikt positive Lösungen
0 zu untersuchen.
Lemma 1.74. Sei (b; D) ein Marktmodell mit der Eigenschaft
b 62 Im D:
Dann ist
h :=
bk
eine Arbitragegelegenheit, wobei bk die Projektion von b auf ker D> bezeichnet.
Beweis. Sei
b = bk + bi 2 ker D>
Im D:
Wegen b 62 Im D folgt bk 6= 0. Damit gilt
h b=
bk b k < 0
D> h =
D> bk = 0;
und
da bk 2 ker D> nach Voraussetzung.
1.9 Das Au¢ nden von Arbitragegelegenheiten
Folgerung 1.75. Ist also insbesondere b 2 ker D> mit b 6= 0, so ist h :=
eine Arbitragegelegenheit.
57
b
Lemma 1.76. Sei (b; D) ein vollständiges Marktmodell mit der Eigenschaft
b 2 Im D:
Sei
gilt
2 RK die eindeutig bestimmte Lösung von b = D . Angenommen, es
6
0:
De…niere eine Auszahlung c 2 RK durch
cj :=
0 falls
1 falls
j
j
>0
:
0
Dann gilt c > 0. Da (b; D) vollständig ist, existiert ein Portfolio h 2 RN mit
c = D> h:
Dann ist h eine Arbitragegelegenheit.
Beweis. Wegen b 2 Im D existiert ein 2 RK mit b = D . Da (b; D) nach
Voraussetzung vollständig ist, ist D> : RN ! RK surjektiv. Aus der Zerlegung
RK = ker D Im D> folgt ker D = f0g, also ist D injektiv, und ist eindeutig
bestimmt.
Nach Voraussetzung ist 6 0. Also gilt j
0 für wenigstens ein j 2
f0; : : : ; Kg. Daraus folgt aber c > 0. Sei h 2 RN ein Portfolio, das c repliziert.
Dann gilt
b h = h ; ci 0
und
D> h = c > 0:
Also ist h eine Arbitragegelegenheit.
Wird (b; D) in Lemma 1.76 nicht als vollständig vorausgesetzt, dann existieren zwar Auszahlungspro…le c > 0 mit h ; ci
0, jedoch ist über die
Replizierbarkeit derartiger c, also über die Eigenschaft c 2 Im D> , zunächst
nichts bekannt.
Anmerkung 1.77. Sei (b; D) ein Marktmodell mit N = K und sei D> ein
Isomorphismus. Dann enthält (b; D) genau dann Arbitragegelegenheiten, wenn
für die eindeutig bestimmte Lösung 2 RK von b = D gilt
6
0:
58
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
1.10 Das diskontierte Marktmodell
In den letzten Abschnitten wurde der Wert c0 eines replizierbaren Auszahlungspro…ls c 2 RK als abdiskontierter Erwartungswert c0 = dEQ [c] dargestellt. Das Wahrscheinlichkeitsmaßwurde dabei durch Normierung des Zustandsvektors gewonnen.
In diesem Abschnitt stellen wir eine alternative Vorgehensweise zur Bestimmung von c0 vor, die unmittelbar auf die Erwartungswert-Darstellung
führt. Dazu ist es jedoch notwendig, die Existenz eines strikt positiven Finanzinstrumentes im Marktmodell vorauszusetzen. Wir nehmen daher im folgenden an, daß
S01 > 0 und S11 (! j ) > 0 für alle j = 1; : : : ; K
gilt.
Unter dieser Voraussetzung transformieren wir das Marktmodell (S0 ; S1 )
in ein neues Modell (S~0 ; S~1 ). Dazu de…nieren wir
Si
S~0i := 01 für i = 1; : : : ; N und
S0
S i (! j )
S~1i (! j ) := 11
für i = 1; : : : ; N und j = 1; : : : ; K:
S1 (! j )
Das neue Marktmodell (S~0 ; S~1 ) besitzt also die Eigenschaften S~01 = S~11 (! 1 ) =
= S~11 (! K ) = 1 und wird diskontiertes Marktmodell genannt. Es enthält
alle Preise relativ zu den Preisen von S 1 . Dieses Finanzinstrument S 1 , relativ zu dem die Preise aller anderen Finanzinstrumente angegeben werden,
wird auch Numéraire genannt. Die Bezeichnung diskontiertes Marktmodell
für S~0 ; S~1 begründet sich dadurch, daßS 1 häu…g die Eigenschaften S01 = 1
und S11 (! j ) = 1 + r für alle j = 1; : : : ; K besitzt. In diesem Fall gilt S~0 = S0
und S~i (! j ) = 1 S i (! j ), also werden die Wertpapierpreise S i (! j ) mit dem
1
Faktor
1
1+r
1+r
1
1
abdiskontiert.
Satz 1.78. Ein Marktmodell (S0 ; S1 ) ist genau dann arbitragefrei, wenn das
diskontierte Marktmodell S~0 ; S~1 arbitragefrei ist.
Beweis. Dies folgt sofort aus den Beziehungen
1
h S~0 = 1 h S0 und
S0
1
h S~1 (! j ) = 1
h S1 (! j )
S1 (! j )
unter Beachtung von S11 (! 1 ) > 0; : : : ; S11 (! K ) > 0 und S01 > 0.
1.10 Das diskontierte Marktmodell
59
Ist also das Marktmodell (S0 ; S1 ) arbitragefrei, so auch S~0 ; S~1 , und es
~ ~ = ~b, wobei
existiert ein Zustandsvektor ~
0 mit D
~b := S~0 = S0 = b
S01
b1
und
i
~ ij := S~1i (! j ) = S1 (! j ) = Dij :
D
S11 (! j )
S11 (! j )
Im diskontierten Modell ist das Portfolio e1 = (1; 0; : : : ; 0) eine festverzinsliche
~ > e1 = (D
~ 11 ; : : : ; D
~ 1K ) =
Handelsstrategie zum Zinssatz r = 0, denn es gilt D
(1; : : : ; 1). Daher ist
d~ :=
K
X
j=1
~ = h ~ ; (1; : : : ; 1)i = h ~ ; D
~ > e1 i = D
~ ~ e1 = ~b e1 = ~b1 = 1;
j
so daßdie Komponenten des Zustandsvektors ~ formal ein Wahrscheinlichkeitsmaß
~ := ~
Q
(1.34)
bilden. Zur Erinnerung: Im ursprünglichen Modell bildet dagegen Q = d ein
Wahrscheinlichkeitsmaß
.
Ist c 2 RK ein in (S0 ; S1 ) replizierbares Auszahlungspro…l, so gibt es ein
h 2 RN mit c = D> h. Dann gilt für c~ 2 RK , de…niert durch
c~j :=
S11
cj
;
(! j )
die Darstellung
N
X
cj
1
c~j = 1
= 1
D>
S1 (! j )
S1 (! j ) i=1
ji
hi =
N
X
~>
D
i=1
ji
~ > h:
hi = D
Also ist c~ in S~0 ; S~1 replizierbar, und es gilt
Wegen
D
E D
E
~ ~ = ~; D
~ > h = ~ ; c~ = EQ~ [~
c~0 := h S~0 = h D
c] :
1
1
c~0 = h S~0 = 1 h S0 = 1 c0
S0
S0
folgt also
~
~
c0 = S01 EQ [~
c] = S01 EQ
c
:
S11
(1.35)
60
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Wir betrachten nun den Zusammenhang zwischen den Zustandsvektoren in
~ .
(S0 ; S1 ) = (b; D) und denen im diskontierten Marktmodell S~0 ; S~1 = ~b; D
Sei ein Zustandsvektor in (b; D). Dann gilt wegen b = D
K
X
~bi = bi = 1 (D ) = 1
Dij
i
b1
b1
b1 j=1
=
j
K
X
~ ij
D
j=1
D1j
b1
j
:
(1.36)
Bezeichnen wir andererseits den Zustandsvektor im diskontierten Marktmo~ ~ und damit
dell mit ~ , so gilt ~b = D
~bi = D
~~
i
=
K
X
~ ij ~ j :
D
j=1
Durch Vergleich mit (1.36) folgt
~ = D1j
j
b1
j
=
S11 (! j )
S01
j
für j = 1; : : : ; K:
(1.37)
Den Zusammenhang (1.37) erhalten wir auch mit Hilfe von (1.35) durch
h b = h ; ci =
b1
D1
;
c
b1
D1
wobei D1 die erste Zeile von D bezeichnet und
= b1 h ~ ; c~i;
D1
b1
j
:=
D1j
b1
j
gilt.
Mit (1.34) folgt aus (1.37)
1
~ j = ~ j = S1 (! j )
Q
S01
j
=
1 S11 (! j )
Qj :
d S01
(1.38)
Anmerkung 1.79. Angenommen das Finanzinstrument S 1 ist ein festverzinsliches Wertpapier mit b1 = S01 = 1 und mit D1j = S11 (! j ) = 1 + r für alle
j = 1; : : : ; K. Dann gilt für den Preis c0 = h b eines replizierbaren Auszahlungspro…ls c mit c = D> h der Zusammenhang
~
c0 = h b = S01 EQ
c
c
~
= EQ
:
1
S1
1+r
(1.39)
In diesem wichtigen Spezialfall hist also
i der Wert eines Auszahlungspro…ls
~
1
c
des mit dem Diskontfaktor 1+r
abgleich dem Erwartungswert EQ 1+r
diskontierten Auszahlungspro…ls c. Dabei wird der Erwartungswert bezüglich
~ := ~ gebildet, das durch die Bedingungen
des Wahrscheinlichkeitsmaß
es Q
1
~b = D
~ ~, ~
0, de…niert ist. Wegen (1.38) und wegen d = 1+r
folgt ferner
~ = Q:
Q
1.10 Das diskontierte Marktmodell
61
Existiert in einem arbitragefreien Marktmodell (S0 ; S1 ) also ein festverzinsliches Wertpapier und wird dieses als Numéraire verwendet, so stimmen die
~ im ursprünglichen und im diskontierten Mobeiden Martingalmaß
e Q und Q
dell überein.
Beispiel 1.80. Wir betrachten das Beispiel 1.53 mit dem arbitragefreien Marktmodell
1
1:02 1:02
(b; D) =
;
:
10
12 9
Der zugehörige eindeutig bestimmte Zustandsvektor lautet
0:392
0:588
=
:
Wählen wir S 1 als Numéraire, so lautet das zugehörige diskontierte Marktmodell
1
1
1
~b; D
~ =
;
:
10
11: 765 8: 823
Der zu diesem Marktmodell gehörende Zustandsvektor ~ ergibt sich als Lö~ ~ und lautet
sung des linearen Gleichungssystems ~b = D
~=
0:4
0:6
=: Q:
Erwartungsgemäßist ~ = Q formal ein Wahrscheinlichkeitsmaß
. Für die in
1
Beispiel 1.53 betrachtete Call-Option mit Auszahlungspro…l c =
berech0
nen wir nun (1.39) und erhalten
c0 = EQ
c
= EQ
1+r
1
1:02
=
0
0:4
= 0:392;
1:02
also den bereits bekannten Wert aus Beispiel 1.53. Entsprechend ergibt sich
0
für die in Beispiel 1.53 betrachtete Put-Option mit c =
der Wert
1:5
c0 = EQ
c
= EQ
1+r
0
=
1:5
1:02
0:9
= 0:882:
1:02
4
1.10.1 Arbitragefreiheit und Gewinne
Wir betrachten den in (1.3) de…nierten Gewinn
G(h) = V1 (h)
=h
S
eines Portfolios h.
V0 (h)
62
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Satz 1.81. Wenn ein Portfolio h eine Arbitragegelegenheit ist, so gilt G(h) >
0. Aus der Eigenschaft G(h) > 0 folgt umgekehrt jedoch nicht, daßArbitragemöglichkeiten existieren.
Beweis. Angenommen, h ist eine Arbitragegelegenheit, so gilt L(h) = ( h
S0 ; h S1 ) > 0. Daraus folgt bereits G(h)j = h S1 (! j ) h S0
0 für alle
j = 1; : : : ; K und G(h)j > 0 für wenigstens ein j.
Umgekehrt betrachten wir ein Marktmodell, das nur aus einer festverzinslichen Anlage S mit S0 = 1 und mit S1 (!) = 1 + r, r > 0, für jedes ! 2
besteht. In diesem Fall gilt h S0 = h und h S1 = h (1 + r). Für jedes Portfolio
h 2 R, h > 0, gilt dann G (h) (!) = (1 + r)h h = rh > 0. Das Marktmodell ist aber arbitragefrei, denn h S0 = h und h S1 = (1 + r) h haben stets
gleiches Vorzeichen.
Wir betrachten im folgenden ein Portfolio h mit der Eigenschaft G (h) >
0, also mit positivem Gewinn zwischen t = 1 und t = 0. Wir untersuchen
nun, unter welchen Voraussetzungen wir auf ein Marktmodell (b; D) schließ
en
können, das Arbitragegelegenheiten enthält.
Gilt zusätzlich h S0 = 0, so ist h bereits eine Arbitragegelegenheit nach
De…nition. Wir untersuchen nun den Fall h S0 6= 0. Zunächst betrachten wir
Lemma 1.82. Sei (b; D) ein Marktmodell und sei h ein beliebiges Portfolio.
Sei ein weiteres Portfolio mit der Eigenschaft
S0 6= 0:
Dann gilt mit
=
h S0
S0
(h +
) S0 = 0
und
(h +
) S1 = G (h)
wobei
S1
R :=
die Rendite von
S0
S0
bezeichnet.
Beweis. O¤enbar gilt mit
(h +
(h S0 ) R ;
=
h S0
S0
) S1 = h S1 +
S1
= h S1
h S0 + h S0
= G (h)
(h S0 )
S1
h S0
( S1 )
S0
S0
:
S0
1.10 Das diskontierte Marktmodell
63
Angenommen, es gilt h S0 > 0, so hat das Portfolio zum Zeitpunkt 0 einen
positiven Wert. Daraus und aus einem positiven Gewinn kann in der Regel
nicht auf eine Arbitragegelegenheit geschlossen werden, wie das Beispiel einer
festverzinslichen Geldanlage mit positivem Zinssatz zeigt. Aber es gilt
Folgerung 1.83. Sei (b; D) ein Marktmodell und sei h ein Portfolio mit den
Eigenschaften
h S0 > 0
und
G (h) > 0:
Angenommen, es gibt ein Portfolio
d.h. mit
mit
R
S0 6= 0 und mit negativer Rendite,
0;
dann existieren Arbitragegelegenheiten.
Beweis. Aus Lemma 1.82 folgen mit
(h +
h S0
S0
=
die Eigenschaften
) S0 = 0
und
(h +
) S1 = G (h)
(h S0 ) R > 0:
Wir betrachten nun ein Portfolio h mit den Eigenschaften
h S0 < 0
und mit einem positiven Gewinn G (h) > 0. Die Handelsstrategie h läß
t sich
o¤enbar ohne eigenen Kapitaleinsatz realisieren, beim Erwerb des Portfolios h zum Zeitpunkt 0 wird sogar ein positiver Betrag h S0 eingenommen.
Zum Zeitpunkt 1 mögen zwar Zahlungsverp‡ichtungen h S1 (!) < 0 in einem Zustand ! 2
bestehen, aber der Gewinn G (h) ist dennoch in jedem
Zustand positiv. Trotz dieser Eigenschaft handelt es sich bei h nicht um eine
Arbitragegelegenheit im Sinne der De…nition. Es gilt aber
Folgerung 1.84. Sei (b; D) ein Marktmodell und sei h ein Portfolio mit den
Eigenschaften
h S0 < 0
und
G (h) > 0:
Angenommen, es gibt ein Portfolio
d.h. mit
mit
R
dann existieren Arbitragegelegenheiten.
0;
S0 6= 0 und mit positiver Rendite,
64
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
Beweis. Aus Lemma 1.82 folgen mit
(h +
h S0
S0
=
die Eigenschaften
) S0 = 0
und
(h +
) S1 = G (h)
(h S0 ) R > 0:
Beispiel 1.85. Angenommen, es gibt eine festverzinsliche Kapitalanlage mit
negativem Zinssatz 1 < r < 0. In diesem Fall mußfür einen geliehenen
Kapitalbetrag h < 0 eine Rückzahlung in Höhe von h (1 + r) > h geleistet
werden, so daßdie Di¤erenz positiv ist, also gilt
h (1 + r)
h = rh > 0:
Der negative Zinssatz führt dazu, daßzum Zeitpunkt 1 ein geringerer Betrag
zurückgezahlt werden mußals der, der zum Zeitpunkt 0 geliehen wurde. 4
Beispiel 1.86. Betrachten Sie das Marktmodell
100
10
(b; D) =
;
10 20
2 1
:
Dies entspricht einem Szenario stark fallender Märkte. Das Marktmodell ist
arbitragefrei, denn es gilt D = b für
!
=
10
3
10
3
0:
Dann gilt für das Portfolio
h=
1
0
die Beziehungen
h S0 = h b =
100
und
h S1 = D > h =
10
20
;
also
G (h) =
90
80
:
Damit ist der Gewinn G (h) zwar positiv, aber dennoch liegt keine Arbitragegelegenheit vor.
4
1.10 Das diskontierte Marktmodell
65
Wir sehen am vorangegangenen Beispiel, daßder Gewinn oder Verlust
zwischen den Zeitpunkten 0 und 1 dann wenig aussagekräftig ist, wenn sich
das Preisniveau des Gesamtmarkts im Zeitverlauf wesentlich verschiebt. Der
Begri¤ der Arbitragegelegenheit ist daher nicht mit Hilfe des Gewinns, sondern
mit Hilfe der positiven Entnahme zu jedem Zeitpunkt de…niert.
Für den Rest des Abschnitts setzen wir wieder
S01 > 0 und S11 (! j ) > 0 für alle j = 1; : : : ; K
voraus. Für das diskontierte Marktmodell S~0 ; S~1 werden wir nun nachweisen, daßdie Existenz von Arbitragemöglichkeiten äquivalent ist zur Eigen~
schaft, daßein Portfolio h existiert mit G(h)
= h S~1 h S~0 > 0. Analog zur
~
Darstellung von G(h) läß
t sich G(h) schreiben als
~
G(h)
=h
S~1
S~0 = h
~
S;
wobei S~ = S~1 S~0 gesetzt wird. Der diskontierte Gewinn setzt sich also
aus den Änderungen der diskontierten Wertpapierpreise, gewichtet mit den
zugehörigen Stückzahlen, zusammen.
Satz 1.87. Ein Marktmodell (S0 ; S1 ) beinhaltet genau dann Arbitragemöglichkeiten, wenn es ein Portfolio h gibt mit
~
G(h)
= h S~1
h S~0 = h
S~ > 0;
wobei (S~0 ; S~1 ) das diskontierte Marktmodell bezeichnet.
Zur Vorbereitung des Beweises dieses Satzes führen wir eine Rechnung
durch, die wir in folgendem Satz zusammenfassen. Wir transformieren dazu
^ das die Eigenschaft h
^ S0 =
ein beliebiges Portfolio h in ein neues Portfolio h,
~
0 besitzt. Diese Rechnung wird dazu verwendet, um aus G(h) > 0 auf die
Existenz von Arbitragegelegenheiten zu schließ
en.
Lemma 1.88. Sei (S0 ; S1 ) ein Marktmodell mit S01 > 0 und S11 (! j ) > 0 für
alle j = 1; : : : ; K. Sei weiter h 2 RN ein beliebiges Portfolio. Wir de…nieren
^ durch
nun ein neues Portfolio h
^ := (h
^ 1 ; h 2 ; : : : ; hN )
h
^ 1 :=
h
N
1 X
hi S0i :
S01 i=2
Dann gilt
^ S0 = 0 und
h
^ S1 = h S1
h
(h S0 )
S11
:
S01
66
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
^ 1 wohlde…niert. Es gilt
Beweis. Wegen S01 > 0 ist h
^ S0 = h
^ 1S1 +
h
0
N
X
hi S0i = 0:
i=2
Ferner gilt für beliebiges ! 2
^ S1 (!) = h
^ 1 S 1 (!) +
h
1
N
X
^ i S i (!)
h
1
i=2
=
S11 (!)
S01
=
S11
=
S11
=
N
X
hi S0i +
i=2
(!)
h S0
S01
N
X
hi S1i (!)
i=2
h1 S01 +
N
X
hi S1i (!)
i=2
N
X
(!)
1
(h
S
)
+
h
S
(!)
+
hi S1i (!)
0
1
1
S01
i=2
S11 (!)
(h S0 ) + h S1 (!) :
S01
Obige Rechnung läß
t sich auch auf folgende Weise darstellen. Es gilt
^ =h
^ S1
G(h)
^ S1
=h
= h S1
^ S0
h
(h S0 )
S11
:
S01
~ über, so erhalten wir in
Gehen wir nun zum diskontierten Marktmodell (~b; D)
diesem Fall für ein beliebiges Portfolio h
^ =h
^
~ h)
G(
^
=h
S~1
S~1
^ S~0
h
= h S~1
S~11
h S~0
S~01
= h S~1
h S~0
~
= G(h);
denn S~0 = 1 und S~11 (!) = 1 für alle ! 2 .
^ im diskontierWir sehen also, daßsich die Gewinne der Portfolios h und h
ten Marktmodell nicht voneinander unterscheiden. Mit Hilfe dieses Ergebnisses läß
t sich der Beweis des Satzes 1.87 nun leicht führen.
1.10 Das diskontierte Marktmodell
67
Beweis von Satz 1.87. Wir betrachten das diskontierte Marktmodell (S~0 ; S~1 ).
~
Angenommen, h ist eine Arbitragegelegenheit, so gilt G(h)
= h S~1 h S~0 > 0.
^ Für dieses
~
Gilt umgekehrt G(h)
> 0, so transformiere h in das Portfolio h.
gilt dann
^
h
^
h
^ = G(h)
~ h)
~
S~1 = G(
> 0 und
~
S0 = 0;
^ eine Arbitragegelegenheit. Da ferner (~b; D)
~ genau dann arbitragefrei
also ist h
ist, wenn (b; D) arbitragefrei ist, folgt die Behauptung.
Lemma 1.89. Angenommen, es gilt S01 > 0 und S11 (!) > 0 für alle ! 2 .
Das Marktmodell (S0 ; S1 ) enthält genau dann Arbitragegelegenheiten, wenn es
ein Portfolio h 2 RN gibt mit
h S1 >
S11 (!)
h S0 :
S01
(1.40)
S 1 (!)
Beweis. Angenommen, es gilt h S1 > 1S 1 h S0 für ein Portfolio h. Daraus
0
~ (h) > 0. Nach Satz 1.87 folgt daraus die Existenz
folgt h S~1 > h S~0 , also G
von Arbitragegelegenheiten.
Verfügt ein Marktmodell umgekehrt über Arbitragegelegenheiten, so gibt
es ein Portfolio h mit
h S0 < 0 und h S1 0 oder
h S0 0 und h S1 > 0:
In jedem Fall folgt daraus
h S1 >
wegen
S11 (!)
S01
S11 (!)
h S0
S01
> 0.
Insbesondere enthält ein Marktmodell also Arbitragegelegenheiten, wenn
für ein h 2 RN gilt
S 1 (!)
h S1 > 1 1 h S0 > 0:
S0
Dies bedeutet
Rh > R1 ;
so daßeine Investition in h eine höhere Rendite liefert als eine Investition in
S1.
68
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
1.11 Zusammenfassung
Eine zustandsabhängige Auszahlung c 2 RK heiß
t replizierbar in einem
Marktmodell (b; D) 2 RN MN K (R), wenn c 2 Im D> . In diesem Fall gibt
es ein Portfolio h 2 RN , mit c = D> h. Ein Marktmodell heiß
t vollständig,
wenn jedes Auszahlungspro…l replizierbar ist. Einer replizierbaren Auszahlung
c läß
t sich genau dann ein eindeutig bestimmter Preis c0 zum Zeitpunkt 0 zuordnen, wenn gilt c0 = h b für jedes replizierende Portfolio h. Dies ist genau
dann der Fall, wenn ker D> ? b.
Im Rahmen eines Marktmodells (b; D) heiß
t ein Portfolio h Arbitragegelegenheit, falls L(h) = ( h b; D> h) > 0 gilt. In diesem Fall bietet die
Investition in das Portfolio h eine risikolose Gewinnmöglichkeit ohne eigenen
Kapitaleinsatz.
Arbitragegelegenheiten sollten in e¢ zienten Märkten nicht oder nur kurzzeitig auftreten, da Investoren jede dieser Gelegenheiten sofort ausnutzen würden. Dies hätte eine Verschiebung der Preise der zugehörigen Finanzinstrumente zur Folge, so daßdie Arbitragegelegenheit schnell wieder verschwunden
wäre.
In einem arbitragefreien Marktmodell gilt ker D> ? b, so daßder Preis c0
jeder replizierbaren Auszahlung c durch c0 = h b gegeben ist, wobei h ein
beliebiges Portfolio ist mit c = D> h.
In einem Marktmodell (b; D) gilt ein fundamentaler Struktursatz, der Fundamentalsatz der Preistheorie. Er besagt, daßdie Arbitragefreiheit äquivalent ist zur Existenz eines Zustandsvektors. Dies ist ein Vektor
2 RK
mit den Eigenschaften
0 und b = D . Damit läß
t sich der Preis eines beliebigen replizierbaren Auszahlungspro…ls c = D> h auch schreiben als
h b = D h = h ; D> hi = h ; ci. Zur Bewertung von c mußdas replizierende
Portfolio also nicht bekannt sein.
Ein Auszahlungspro…l c ist genau dann replizierbar, wenn h ; ci für jeden
Zustandsvektor denselben Wert besitzt. Ist also der Zustandsvektor in einem Marktmodell (b; D) eindeutig bestimmt, so ist jedes Auszahlungspro…l
replizierbar, und in diesem Fall ist (b; D) daher vollständig.
Sei
ein Zustandsvektor in einem arbitragefreien Marktmodell. Wegen
0 läß
t sich der Preis h ; ci jedes replizierbaren Auszahlungspro…ls c
formal als diskontierter Erwartungswert desPAuszahlungspro…ls c schreiben,
K
denn h ; ci = h d ; dci = EQ [dc], wobei d = j=0 j und Q = d . Die Zahl d
läß
t sich dabei als Diskontfaktor interpretieren. Das Wahrscheinlichkeitsmaß
Q = d wird auch risikoloses Wahrscheinlichkeitsmaßgenannt, oder, wegen
EQ [dS1i ] = h ; S1i i = h ; D> ei i = hD ; ei i = ei S0 = S0i , auch äquivalentes
2
Martingalmaß
. Die Darstellung c0 = dEQ [c] für den Wert einer replizierbaren Auszahlung c zum Zeitpunkt 0 verallgemeinert die Diskontierung deterministischer Zahlungen. Ist insbesondere c selbst deterministisch, gilt also
2
Wegen EQ [dS1i ] = S0i de…niert der diskontierte Preisprozess (S0 ; dS1 ) ein Martingal bezüglich Q und der Filtration F0 = f?; g, F1 = P ( ). Auf die Begri¤e
Filtration und Martingal wird in späteren Kapiteln noch ausführlich eingegangen.
1.12 Weitere Aufgaben
69
c = c (1; : : : ; 1), so erhalten wir
c0 = dcEQ [(1; : : : ; 1)] = dc;
und c0 ist gerade der diskontierte Wert der zukünftigen deterministischen
Zahlung c 2 R.
Die Darstellung der Ein-Perioden-Modelle und der Bewertung zustandsabhängiger Auszahlungspro…le in diesem Kapitel wurde durch Du¢ e [9] motiviert. Siehe auch Pliska [33], Dothan [8] und Föllmer/Schied [10].
1.12 Weitere Aufgaben
Aufgabe 1.7. Betrachten Sie das Marktmodell
1
5
(b; D) =
;
1:1 1:1
7 4
:
1. Untersuchen Sie (b; D) auf Vollständigkeit und auf Arbitragefreiheit.
2. Bestimmen Sie den Wert einer Call-Option auf S 2 mit Basispreis K = 6.
3. Berechnen Sie den Forward-Preis F eines Forward-Kontrakts auf S 2 .
Aufgabe 1.8. Betrachten Sie das Marktmodell
(b; D) =
1
5
;
1:1 1:1 1:1
7 4 6
:
1. Untersuchen Sie (b; D) auf Vollständigkeit und auf Arbitragefreiheit.
2. Bestimmen Sie den Wert einer Call-Option auf S 2 mit Basispreis K = 6.
3. Berechnen Sie den Forward-Preis F eines Forward-Kontrakts auf S 2 .
Aufgabe 1.9. Betrachten Sie das Marktmodell
11
1 0
00
1:1 1:1 1:1
1
(b; D) = @@ 5 A ; @ 7 4 6 AA :
12 9 9
10
1. Zeigen Sie, daß(b; D) vollständig, aber nicht arbitragefrei ist.
2. Finden Sie eine Arbitragegelegenheit.
Aufgabe 1.10. Betrachten Sie das Marktmodell
00
1 0
11
1
1:1 1:1 1:1 1:1
(b; D) = @@ 5 A ; @ 7 4 6 3 AA :
10
12 9 9 13
70
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
1. Zeigen Sie, daß(b; D) nicht vollständig, dagegen aber arbitragefrei ist.
2. Geben Sie eine zustandsabhängige Auszahlung c 2 R4 an, die nicht repliziert werden kann.
3. Bestimmen Sie die Menge aller replizierbaren Auszahlungen.
Aufgabe 1.11. Betrachten Sie das Marktmodell
00
1 0
11
1
1:1 1:1 1:1
(b; D) = @@ 5 A ; @ 3 4 7 AA :
10
12 9 11
1. Zeigen Sie, daßdas Marktmodell arbitragefrei und vollständig ist.
2. Bestimmen Sie die Werte einer Call- und einer Put-Option auf S 3 mit
Basispreis K = 10.
3. Veri…zieren Sie die Put-Call-Parität mit Hilfe der Ergebnisse aus 2.
4. Bestimmen Sie die Werte aus 2. mit Hilfe des diskontierten Marktmodells,
wobei S 1 als Numéraire gewählt werden soll.
5. Bestimmen Sie die Werte aus 2. mit Hilfe des diskontierten Marktmodells,
wobei S 3 als Numéraire gewählt werden soll.
Aufgabe 1.12. Betrachten Sie das Marktmodell
1 0
11
00
60 59 57
56
(b; D) = @@ 8 A ; @ 11 7 10 AA :
32 36 41
33
1. Zeigen Sie, daß(b; D) arbitragefrei und vollständig ist, und bestimmen Sie
den eindeutig bestimmten Zustandsvektor .
2. Finden Sie die eindeutig bestimmte festverzinsliche Anlage mit der Eigenschaft
S1 (!) = 1 für alle ! 2 .
3. Bestimmen Sie daraus den Diskontfaktor d und den risikolosen Zinssatz
r.
P3
4. Veri…zieren Sie d = j=1 j .
Aufgabe 1.13. Sei (b; D) ein arbitragefreies Marktmodell mit Zustandsvektor
und seien C und C 0 zwei Investitionsalternativen, die zu den beiden
zukünftigen zustandsabhängigen replizierbaren Auszahlungen c 2 RK und
c0 2 RK führen. Wir möchten ein Kriterium einführen, nach dem derartige
Investitionen bewertet werden können und nach dem insbesondere festgestellt
werden kann, ob und wann C 0 gegenüber C zu bevorzugen ist. Dazu wird auf
Im D> Im D> eine Relation de…niert durch
c0
c () h ; c0 i
h ; ci :
1.12 Weitere Aufgaben
71
c0 c bedeutet, daßc0 wenigstens so gut ist wie c. Dies ist de…nitionsgemäß
also genau dann der Fall, wenn der auf t = 0 transformierte Wert h ; c0 i von
c0 größ
er gleich dem auf t = 0 transformierten Wert h ; ci von c ist.
1. Zeigen Sie, daß eine re‡exive und transitive Relation de…niert.
2. De…niert auch eine Ordnungsrelation?3
3
Eine Relation
auf einer Menge M heiß
t Ordnungsrelation, wenn gilt
a
a für alle a 2 M (re‡exiv)
a
b und b
a
b; b
a =) a = b (antisymmetrisch)
c =) a
c (transitiv)
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