Partnerschaftlich handeln Eine Ausbildungshilfe für Lehrkräfte an den Ausbildungseinrichtungen der Streitkräfte und für Vorgesetzte 2003 DSK: FF 14-75-21046 Zentrum Innere Führung Koblenz Strausberg Lahnstein Partnerschaftlich handeln Einführung 1 Impressum Zentrum Innere Führung Von-Witzleben-Straße 17 56067 Koblenz Bereich 1 Tel AllgFspWNBw 44 005613/5611 in Zusammenarbeit mit Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Ostmerheimer Straße 220 51109 Köln Tel.: (0221) 89 92-0 Fax: (0221) 89 2-300 www.bzga.de www.familienplanung.de Redaktion: René Domschat, Sinus – Büro für Kommunikation, Köln OTL Dipl. Päd. Hans Günter Fröhling, Zentrum Innere Führung Mechthild Paul, BZgA mit UNterstützung von Pro Phila Freiburg 2003 2 Partnerschaftlich handeln Einführung Einführung Zielgruppe Die Ausbildungshilfe „Partnerschaftlich handeln“ wendet sich an Lehrkräfte der militärischen Ausbildungseinrichtungen der Streitkräfte und Vorgesetzte. Sie bietet als Nachschlagewerk umfangreiche Informationen für die eigene Qualifizierung und dient als Grundlage für die Ausarbeitung von Schulungseinheiten innerhalb der lehrgangsgebundenen Ausbildung. Aufgabe Ihr Anliegen ist es, ein von Gleichberechtigung und Respekt gekennzeichnetes Arbeitsklima und Verhalten in der Bundeswehr zu unterstützen und zu fördern. Aufbau Sie gliedert sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Der Theorieteil umfasst vier Themenbausteine. Jeder dieser Bausteine beginnt mit einer Übersicht der zentralen Fragestellungen, Zielsetzungen und einem inhaltlichen Leitfaden. Im Praxisteil finden sich zu jedem Themenbaustein Methoden, Checklisten und Arbeitsblätter für die Ausbildung. Baustein 1 Frauen und Männer in der Bundeswehr beschäftigt sich mit der Veränderung von Frauen- und Männerrollen inner- wie außerhalb der Bundeswehr, geschlechtsspezifischen Fähigkeiten und Potenzialen, hartnäckigen Klischees und Vorbehalten sowie mit der Herbeiführung gleichberechtigter Berufschancen. Baustein 2 Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz setzt sich auseinander mit grenzverletzendem Verhalten durch sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Mobbing, zeigt Hilfsangebote auf und entwickelt präventive und reaktive Maßnahmen zu mehr Partnerschaftlichkeit am Arbeitsplatz. Baustein 3 Vereinbarkeit von Privatleben, Familie und Beruf thematisiert die persönliche Lebens- und Berufsplanung, Vereinbarkeitsmodelle und schwierigkeiten sowie Ansätze für eine familienorientierte Kultur in der Bundeswehr mit den Themen Mutterschutz, Elternzeit, Kinderbetreuung. Arbeitszeiten und –orte. Baustein 4 Kommunikatives Handeln unterstützt themenübergreifend mit Anregungen in den Feldern Kommunikation, Beratung, Gruppenmoderation und Veranstaltungsplanung. Adressen & Broschüren für Soldaten/innen und Vorgesetzte sind gesondert zusammengefasst. Entwicklung der Ausbildungshilfe Die Ausbildungshilfe wurde in Verantwortung des Zentrums Innere Führung in Kooperation mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln entwickelt. Die Basis bildet das durch die BZgA erarbeitete Bausteinmanual >partnerschaftlich handeln. Für eine mitarbeiterorientierte Personalpolitik<, das sich an Trainer/innen und Ausbilder/innen in der freien Wirtschaft und der öffentlichen Hand richtet. Das BZgA-Manual wurde in zahlreichen Unternehmen erprobt, die gewonnenen Erfahrungen wurden durch ein unabhängiges Forschungsinstitut begleitend evaluiert. Partnerschaftlich handeln Einführung 3 4 Partnerschaftlich handeln Einführung Gesamtinhalt Teil I – Theorie zentrale Fragestellungen, Zielsetzungen und inhaltliche Leitfäden als Nachschlagewerk Baustein 1 Frauen und Männer in der Bundeswehr Gender Mainstreaming B1 … 4 Wandel von Frauen- und Männerrollen B1 … 6 Geschlechtsspezifische Fähigkeiten und Potenziale B1 … 9 Gleiche Ausbildungs- und Berufschancen B1 … 13 rechtliche Grundlagen B1 … 23 Material B1 … 27 Baustein 2 Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Zeitgemäße Führung B2 … 4 Sprachliche Entgleisungen B2 … 4 Sexuelle Belästigung – wo hört der „Spaß“ auf? B2 … 6 Diskriminierung – oder die Angst vor dem Anderssein B2 … 16 Mobbing – Stoppp dem Psychoterror B2 … 23 Auswirkungen auf Betroffene und Handlungsstrategien B2 … 31 Präventive Strategien und Maßnahmen – auch in der Bundeswehr?! B2 … 39 Material B2 … 42 Baustein 3 Vereinbarkeit von Privatleben. Familie und Beruf Sexualität und Partnerscchaften in der Bundeswehr B3 … 4 Lebensplanung junger Erwachsener B3 … 5 Zeitbudgets von Frauen und Männern bei der Hausarbeit und Kinderbetreuung B3 … 8 Familienplanung und Schwangerschaftsverhütung B3 … 11 Familienorientierte Unternehmenskultur B3 … 16 Arbeitszeiten und -orte B3 … 19 Mutterschutz, Elternzeit und Betreuungsurlaub B3 … 22 Kinderbetreuung und Familienservice B3 … 27 Partnerschaftlich handeln Einführung 5 Baustein 4 Kommunikatives Handeln Kommunikation B4 … 4 Beratung – individuelle Hilfen B4 … 10 Moderation B4 … 13 Material B4 … 18 Adressen und Broschüren für Soldaten/innen und Vorgesetzte Teil II – Praxis Methoden, Checklisten und Arbeitsblätter für die Ausbildung Baustein 1 Frauen und Männer in der Bundeswehr Baustein 2 Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Baustein 3 Vereinbarkeit von Privatleben. Familie und Beruf Baustein 4 Kommunikatives Handeln – Kommunikation, Beratung und Moderation 6 Partnerschaftlich handeln Einführung Baustein 1 Frauen und Männer in der Bundeswehr Inhalt Einführung ................................................................................................ 2 Zentrale Fragen ......................................................................................... 3 Gender Mainstreaming ................................................................................................................. 4 Wandel von Frauen und Männerrollen ................................................................................................................. 6 Geschlechtsspezifische Fähigkeiten und Potenziale Kommunikation, Emotionalität ............................................................... 10 Zusammenarbeit, Umgangston, Motivation ............................................. 11 Umgang mit Konflikten, körperliche und praktische Leistung .................. 12 mentale und theoretische Leistung ......................................................... 12 Gleiche Ausbildungs- und Berufschancen Leistungsstandards ................................................................................. 13 Fördermaßnahmen, Dienstposten und Einsatzbereiche ........................... 14 Konkurrrenzen ........................................................................................ 16 Sonderbehandlungen und Benachteiligungen ......................................... 18 Maßnahmen zur Gleichstellung ............................................................... 21 Rechtliche Grundlagen ............................................................................................................... 23 Wandel von Frauen und Männerrollen ............................................................................................................... 27 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-1 Einführung Der Amsterdamer Vertrag (Artikel 2 und 3 Abs. 2 EG-Vertrag) verpflichtet seit 1999 alle Mitgliedstaaten zu einer aktiven und integrierten Gleichstellungspolitik im Sinne des „Gender Mainstreaming“. Laut Vorgabe der Europäischen Kommission geht es darum, die Bemühungen um das Vorantreiben der Chancengleichheit nicht auf die Durchführung von Sondermaßnahmen für Frauen zu beschränken, sondern (sie) zur Verwirklichung der Gleichberechtigung ausdrücklich in sämtliche politische Konzepte und Maßnahmen für beide Geschlechter einzuspannen.1 Auf nationaler Ebene fordert das Grundgesetz in Artikel 3: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Die Bundeswehr wird diese Vorgaben konsequent umsetzen. Die vollständige Integration beider Geschlechter ist von der Bundeswehr gewollt und wird auch praktisch realisiert. Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte leisten Frauen wie Männer in Friedensmissionen und Kampfeinsätzen ihren Dienst. Die Erfahrungen im internationalen Vergleich zeigen, dass Frauen in der Lage sind, militärische Funktionen in sämtlichen Bereichen der Streitkräfte ebenso gut zu erfüllen wie ihre Kameraden. In vielen Verbänden der Bundeswehr ist die Zusammenarbeit von Männern und Frauen bereits zur Normalität geworden und gestaltet sich grundsätzlich nicht anders als an gemischtgeschlechtlichen Arbeitsplätzen im zivilen Berufsalltag. Die Zusammenarbeit von Frauen und Männern in der Bundeswehr wirkt sich positiv auf das Arbeitsklima aus. Die Kommunikation verbessert sich. Der Umgangston wird freundlicher und umgänglicher. Die Konkurrenz zwischen Frauen und Männern wirkt anregend und fördernd, sie führt insgesamt zu besseren Arbeitsergebnissen. Wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen müssen Frauen in von Männern dominierten Berufen mit Vorurteilen aufräumen und sich durchsetzen. Der Erfolg ihrer Bemühungen hängt von ihnen selbst ebenso ab wie von der Bereitschaft der männlichen Kameraden und der Bundeswehrführung, Frauen zu akzeptieren. Die Mehrheit der Soldaten und der Gesellschaft insgesamt begrüßt diese Entwicklung im Sinne von Chancengleichheit. Eine nicht unbedeutende Minderheit ist jedoch gegenüber Frauen skeptisch bis strikt ablehnend eingestellt. Die Erfahrungen in allen Streitkräften zeigen, dass die Anpassungsprobleme auf Seiten der Männer deutlich größer sind. Männer sind über einen längeren Zeitraum unsicher, wie sie sich gegenüber Frauen verhalten sollen. Die meisten Vorurteile und Probleme im Alltag resultieren daraus, dass es an einem Dialog zwischen beiden Geschlechtern mangelt. Sprich: Soldaten/innen müssen lernen, offener miteinander zu reden und einander zuzuhören. An diesem Punkt setzt die Führungshilfe an. Aufgabe für die Bundeswehr ist es, die Zusammenarbeit in gemischtgeschlechtlichen Zügen, Einheiten und Verbänden so partnerschaftlich wie möglich zu gestalten. 1 vgl. Dr. Schweigertr, B. (2001): a. a. O. B1-2 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr Zentrale Fragen Welche alltäglichen Vorbehalte und Probleme behindern die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Frauen und Männer in der Bundeswehr? Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen Frauen und Männern in ihren Fähigkeiten, Leistungen und Kompetenzen, in ihrem Verhalten oder sind das alles Klischees? Was kann für eine Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Bundeswehr getan werden? Zielsetzungen Sensibilisierung für klischeehafte Vorstellungen über Geschlechterunterschiede und das Rollenverhalten von Frauen und Männern Abbau von Vorurteilen und Sonderbehandlungen Förderung der Kommunikation miteinander und einer Kultur gegenseitigen Respekts und Achtung Gegenseitiges Voneinander-Lernen, unter Beibehaltung der eigenen Stärken und Qualitäten Bekanntmachung der „Ansprechstellen für die spezifischen Probleme weiblicher Soldaten“ sowie die Broschüre "info zur sozialen Absicherung für Soldatinnen" Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-3 Gender Mainstreaming Eine strategische Aufgabe und Herausforderung für die Bundeswehr In Deutschland bestimmt seit einiger Zeit ein innovativer strategischer Ansatz das politische Denken und Handeln in der Geschlechterfrage: Gender Mainstreaming. „Gender Mainstreaming besteht in der Reorganisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluation von Entscheidungsprozessen in allen Politikbereichen und Arbeitsbereichen einer Organisation. Das Ziel von Gender Mainstreaming ist es, in alle Entscheidungsprozesse die Perspektive des Geschlechterverhältnisses einzubeziehen und alle Entscheidungsprozesse für die Gleichstellung der Geschlechter nutzbar zu machen.“2 Gender Mainstreaming verbindet zwei Begriffe, um einen geschlechterbezogenen und geschlechtssensiblen Ansatz von Politik zu verdeutlichen. „Gender“ betrachtet die soziale Dimension von Geschlechtszugehörigkeit sowie die dadurch gesellschaftlich geprägten Rollen, Rechte und Pflichten für Frauen und Männer. „Mainstreaming“ bezeichnet ein Konzept, das die Gleichstellung der Geschlechter – einschließlich der Berücksichtigung der unterschiedlichen Perspektiven von Frauen und Männern – zu einer „Hauptströmung“ und damit zu einem wesentlichen Planungsaspekt von Organisationen macht.3 Es ist zu erwarten, dass dieser Ansatz in allen Unternehmen seinen Platz finden wird. Auf europäischer Ebene ist Gender Mainstreaming durch Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages im Jahr 1999 rechtlich verbindlich festgeschrieben worden. Durch Artikel 2 und 3 Abs. 2 EG-Vertrag sind alle Mitgliedstaaten zu einer aktiven und integrierten Gleichstellungspolitik im Sinne des Gender Mainstreaming verpflichtet. Gender Mainstreaming ist als Ergänzung und Fortschreibung gezielter Frauenförderprogramme zu verstehen. Es trägt der Realität Rechnung, dass die gesetzlich festgeschriebene Gleichstellung Frauen und Männern faktisch in politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozessen bisher nicht erreicht wurde.4 Es geht um die Anerkennung von geschlechtsbezogenen Unterschieden und darauf begründeten Benachteiligungen in den Lebensbedingungen und den Praktiken der Lebensführung zwischen Frauen und Männern, aber auch innerhalb eines Geschlechts (also auch unter Frauen und unter Männern).5 Ziel ist das Aufbrechen überlieferter starrer Festlegungen von Frauen / Männern auf bestimmte geschlechtsbezogene Muster der Lebensführung, Geschlechterideale und Identitäten sowie die Überwindung tradierter geschlechtsbezogener Benachteiligungen.6 Gender Mainstreaming ist eine Top-Down-Strategie, die Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern als allgemeine Aufgabe aller politischen Handlungsfelder und auf allen politischen Ebenen reklamiert. Verpflichtender Grundsatz ist es, schon bei der Planung von Maßnahmen zu prüfen und zu berücksichtigen, welche Auswirkungen sie auf Frauen und Männer haben oder haben werden.7 Von daher muss Gleichstellungsförderung entsprechend zentral verankert werden. Das heißt, dass alle Akteure, die an betrieblichen Entschei- vgl. Wirtschafts- und sozialpolitisches Forschungs- und Beratungszentrum der Friedrich-EbertStiftung (Hg.) (2000): Wie Gender in den Mainstream kommt, Rheinbreitbach, Seite 8. 3 vgl. Dr. Schweikert, B. a. a. O. 4 vgl. Dr. Schweikert, B. a. a. O. Grundlagenpapier zu Gender Mainstreaming, www.bmfsj.de 5 vgl. Scherr, A. a. a. O. 6 vgl. Scherr, A. a. a. O. 7 vgl. Meyer, D. (2001): Gender Mainstreaming: Bedutung – Entstehung – Kontexte einer neuen politischen Strategie, in: Stiftung SPI (HG.): Gender Mainstreaming, Berlin 2 B1-4 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr dungsprozessen beteiligt sind, eine geschlechtsbezogene und -differenzierte Sichtweise einbringen müssen. Dies gilt sowohl für diejenigen, die Maßnahmen planen, als auch für diejenigen, die für das Controlling zuständig sind.8 Weitere Informationen finden sich im Internet unter www.gender-mainstreaming.net. 8 vgl. Dr. Schweikert, B. a. a. O. Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-5 Wandel von Frauen- und Männerrollen Angeboren oder erworben? Wie groß der Einfluss des Geschlechts auf die Unterschiede zwischen Menschen in ihren Motivationen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen ist, beschäftigt die Wissenschaft seit langem. Früher glaubte man, eine große Anzahl von Persönlichkeitseigenschaften sei durch das Geschlecht von Geburt an biologisch festgelegt. Die Forschung hat mittlerweile jedoch festgestellt, dass nur sehr wenige persönliche Eigenschaften durch das Geschlecht alleine bedingt werden. Wesentliche Unterschiede im Rollenverhalten werden erst während der Sozialisation durch die Einflüsse aus der Umwelt herbeigeführt. In ähnlicher Weise, wie sich gesellschaftliche Normen und Erwartungen und auch die Erziehung verändert haben, haben sich auch die Geschlechtsunterschiede gewandelt und sind insgesamt kleiner geworden.9 Typisch männlich + typisch weiblich - Geschlechtsstereotype Dennoch gibt es nach wie vor in praktisch jeder Kultur übereinstimmende Vorstellungen über Eigenschaften von Männern und Frauen. Sie bilden ab, welche Verhaltensweisen, Fähigkeiten etc. als „typisch“ für das jeweilige Geschlecht angesehen werden, auch wenn sie zu Klischees und Vorurteilen führen. Das männliche Stereotyp wird allgemein durch Aktivität, Stärke, Wettbewerbsorientierung, Durchsetzungsfähigkeit und Leistungswillen gekennzeichnet. Eigenschaften, die für eine berufliche Tätigkeit und die Auseinandersetzung mit der Welt „draußen“ passend scheinen. Das weibliche Stereotyp wird mit Eigenschaften wie Emotionalität, soziale Kompetenz, Passivität und praktische Intelligenz charakterisiert. Merkmale, die emotionalen und sozialen Familienaufgaben zugeordnet werden. Diese Geschlechtsstereotypen sind Bestandteil des Alltagswissens und werden schon früh in der Kindheit vermittelt und eingeübt. Sie halten sich hartnäckig in den Köpfen. Treffen Menschen auf Frauen oder Männer, die diesen Zuschreibungen nicht entsprechen, neigen sie trotzdem dazu, nur von einer Ausnahme von der Regel zu sprechen. Auch die Annahme von fehlenden oder besonderen „Begabungen“ bei Männern bzw. Frauen resultiert aus diesen stereotypen Zuschreibungen. Erwartungen an das Verhalten von Frauen und Männern - Geschlechterrollen Geschlechterrollen gehen über die Beschreibung von Eigenschaften hinaus. Sie umfassen auch konkrete Erwartungen an das Verhalten von Menschen. Sie beinhalten Regeln über den sozialen Umgang und die familiäre und berufliche Arbeitsteilung. Geschlechterrollen gehen auf einen frühen Lernprozess zurück. Sie sind genauso wie auch die Geschlechtsstereotype meist unbewusst verinnerlicht und erscheinen dadurch als kulturelle Selbstverständlichkeit.10 Im Vergleich zu den relativ starren Geschlechtsstereotypen haben sich die Rollenerwartungen an Frauen und Männer deutlich gewandelt. Neben den klassischen, meist als traditionell bezeichneten Rollenmodellen von Frauen und Männern haben sich individuelle Mo- vgl. Alfermann, D. (1996): Geschlechterrollen und geschlechtstypisches Verhalten, Stuttgart vgl. Garhammer, M. (1996): Auf dem Weg zu egalitären Geschlechterrollen? Familiale Arbeitsteilung im Wandel, in: Buba, H., Schneider, N. (Hg.): Familie zwischen gesellschaftlicher Prägung und individuellem Design, Opladen 9 10 B1-6 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr delle gebildet, die offen sind für vielfältige Formen des Zusammenlebens der Geschlechter und eine flexible, gleichberechtigte, partnerschaftliche Arbeitsteilung ermöglichen.11 Noch bis zur Ehe- und Familienrechtsreform 1977 war Frauen in der alten Bundesrepublik eine Erwerbstätigkeit nur dann gestattet, wenn sich diese mit ihren „Pflichten in Ehe und Familie“ vereinbaren ließ. Familienpolitische Maßnahmen förderten, dass sich Frauen auf ihre Rolle als Mutter konzentrierten. In der DDR dagegen wurde Frauenerwerbstätigkeit parallel zur Kindererziehung staatlich nicht nur gefördert, sondern war sogar gesellschaftlich gefordert.12 Das Leitbild, wonach eine Frau in die Familie und ein Mann in den Betrieb gehört, verschwindet immer mehr. Jugendliche entscheiden heute eigenverantwortlich, wie sie ihr Leben gestalten wollen. Die große Mehrheit strebt eine tatsächliche Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen an.13 Einstellungen zur vollständigen Öffnung der Bundeswehr für Frauen Deutlich mehr Soldatinnen (84,2%) als Soldaten (50,9%) befürworten die vollständige Öffnung der Bundeswehr für Frauen.14 Die Akzeptanz für die Integration ohne jegliche Einschränkung ist unter den männlichen Soldaten ausgeglichen: 51% sind dafür, 49% dagegen. Unter den Frauen lehnen nur 21,5% auch Kampfverwendungen ab. Wo sollten Frauen in der Bundeswehr Dienst tun?15 Menschen, die traditionelle Werte bewahren wollen, lehnen die Vorstellung von gleichberechtigten, d.h. geschlechtsunabhängigen Rollen, Aufgaben und Verhaltensweisen ab. Vor allem Männer reagieren teilweise skeptisch bis abwehrend gegenüber diesen „Neuerungen“. Sind die „neuen“ Freiheiten von Frauen doch mit der Forderung an die Männer verbunden, sich neuer ungewohnter Konkurrenz am Arbeitsplatz zu stellen: Insbesondere älteren Männern fehlt eine Vorstellung davon, welchen Gewinn sie erleben können, wenn sie einen Teil ihrer beruflichen Zuständig- und Verantwortlichkeiten mit Frauen tei- vgl. Alfermann, D. (1996) a. a. O. vgl. Schnack, D. Gesterkammp, Th. (1998): Hauptsache Arbeit? Männer zwischen Beruf und Familie, Reinbeck 13 vgl. Jugend 2000. 13. Shell-Jugendstudie 14 vgl. Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehrr: Bd. 71. Die ambivalente Sicht männlicher Soldaten auf die weitere Öffnung der Bundeswehr für Frauen, S. 15 15 vgl. Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehrr: Bd. 71. und 76 11 12 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-7 len und sich selber zum Beispiel um die Hausarbeit und Kindererziehung kümmern. Auch die langjährigen Erfahrungen europäischer und nordamerikanischer Streitkräfte belegen deutlich größere Anpassungsprobleme seitens der Männer als der Frauen. Innerhalb der Bundeswehr bestehen folgende Vorbehalte von Männern:16 Überdurchschnittlich hohe Vorbehalte finden sich im Heer. Sie beruhen überwiegend auf traditionellen Bildern vom Militär und Vorstellungen vom Geschlechterverhältnis. Soldaten auf Zeit und insbesondere diejenigen mit kurzer Verpflichtungsdauer äußern sich besonders ablehnend, weil sie Befürchtungen vor der Konkurrenz von Frauen in der Bundeswehr haben. Soldaten, die bereits konkrete Erfahrungen mit Frauen in ihrem Beruf haben, fürchten ebenfalls die Konkurrenz und beklagen sich über ungerechte Behandlungen, d.h. Benachteiligungen von Männern bzw. Sonderbehandlungen von Frauen. Soldaten, die besonders hohe Vorbehalte gegenüber Soldatinnen hegen, konnte das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr zwei Gruppen zuordnen: Zum einen jene Soldaten, die die Bundeswehr als Ort ansehen, wo man noch ein „echter Mann“ sein kann. Sie gehen vom Bild des aggressiven Mannes und der friedfertigen Frau aus und bevorzugen klare geschlechtsspezifische Arbeitsteilungen - mit Männern, die zuständig sind für das Kämpfen, Töten und Zerstören sowie Frauen, die sich um das Nähren, Gebären und Pflegen kümmern. Zum anderen Soldaten, die Frauen als Konkurrenz um Posten und Stellen ansehen. Diese Gruppe reagiert besonders sensibel auf jegliche Sonderbehandlung von Soldatinnen und fühlt sich dadurch gegenüber den Kameradinnen benachteiligt. Einstellungen von Soldatinnen Neun von zehn Frauen streben eine langfristige Berufstätigkeit in der Bundeswehr an. Sie sind wesentlich öffnungsfreundlicher, weniger skeptisch hinsichtlich der Wirkungen der Integration von Frauen auf die militärische Effektivität und weitaus weniger einem traditionellen Frauen- (und damit auch einem traditionellen Manner-) Bild verhaftet als Männer. Die Gleichbehandlung beider Geschlechter ist für die Soldatinnen zentrales Prinzip. Unisono wird die soziale Integration von Frauen in die Bundeswehr als ein auch zukünftig schwierig bleibende Aufgabe bewertet, was aber weniger den Soldatinnen selbst als der Organisation und ihren männlichen Angehörigen zugeschrieben wird. Für 3/4 der Frauen ist es wichtig, eine eigene Familie mit Kindern zu haben. Dementsprechend erwarten sie von ihrem Arbeitgeber, dass er diese Vereinbarkeit herstellt und fördert (vgl. dazu Baustein 3).17 16 17 vgl. SOWI Bd. 71 vgl. Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr: Bd. 76. Soldat weiblich, Jahrgang 2001, 2003 B1-8 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr Geschlechtsspezifische Fähigkeiten und Potenziale In Ausübung der Geschlechterrolle erwerben Frauen und Männer in unserer Kultur unterschiedliche Fertigkeiten und Fähigkeiten. Diese tragen dazu bei, dass sich die Rollen und Rollenerwartungen an Frauen und Männer wiederum bestätigen. Geschlechtsunterschiede im sozialen Handeln müssen daher größtenteils als Ergebnis des Erziehungsprozesses verstanden werden. Nur so lassen sich Geschlechtsunterschiede z.B. im aggressiven wie sozialen Verhalten, im Einfühlungsvermögen, in der Kommunikation und in Führungsstilen erklären.18 Männer und Frauen kommunizieren, motivieren, arbeiten anders, gehen verschieden mit Emotionen und Konflikten um und lösen Probleme auf unterschiedliche Art und Weise. Positiv verstanden haben Frauen und Männer jeweils eigene Potentiale, die sie gewinnbringend für das Berufs- wie das Privatleben einbringen können und von denen das jeweils andere Geschlecht profitieren kann. Dennoch sehen sich Männer wie Frauen zum Teil auf Grund traditioneller Rollenvorstellungen Erwartungen ausgesetzt, die nicht ihren wirklichen Bedürfnissen und Interessen entsprechen. So wird es Männern in Unternehmen mit traditionellen Geschlechtsrollenvorstellungen erschwert, sich z.B. zurückzunehmen und zuzuhören, da ein solches Verhalten dem typischen Rollenklischee widerspricht und daher häufig negativ bewertet wird. Modern eingestellte Unternehmen hingegen bevorzugen gerade diese Fähigkeiten des aktiven Zuhörens und der kooperativen Arbeit, die eher Frauen zugesprochen werden, und bewerten diese als wichtige Führungskompetenzen.19 Wichtig in der Ausbildung sind daher folgende Ziele: bislang eigene verborgene Potentiale und Ressourcen zu entdecken und zu entwickeln, voneinander zu lernen, ohne die eigenen Stärken und Qualitäten abzulegen (vgl. auch Baustein 4 „Kommunikatives Handeln: Kommunikation“). Frauen wie Männern ist bei ihrer Berufswahl „Soldat“ bewusst, dass sie sich in eine traditionell männliche Berufswelt begeben. Für viele ist dies ein wesentlicher Grund, sich bei der Bundeswehr zu bewerben. Nach einem Jahr bei der Bundeswehr berichten befragte Frauen mehrheitlich von folgenden Veränderungen: Frauen sehen sich als härter, belastbarer, weniger empfindlich, selbstbewusster, lebenserfahrener und „mit Hornhaut“ versehen. Gleichzeitig auch als sozialer und kameradschaftlicher. Durchaus selbstironisch berichten Frauen von der Kommandostimme, die sie bekommen haben und auf die die heimatliche Umgebung überrascht reagiert hätte. Persönliche Erfahrungen, die Männer auch machen – allerdings ohne, dass diese persönlichen Veränderungen bewusst auffallen und/oder zum Gesprächsthema werden. Professionalität in der Bundeswehr ist derzeit noch vor allem mit männlichen Attributen assoziiert. Beispiel Wenn Soldatinnen professionell sind, sagt man ihnen nach, sie seien nicht „weiblich“. Geben sie sich „weiblich“, wirft man ihnen vor nicht professionell zu sein. Nachfolgend wird geschlechtstypisches Verhalten beschrieben, ohne zu unterstellen, dass jede einzelne Frau und jeder einzelne Mann dem genauso entspricht. Es handelt sich levgl. Alfermann, D.: a. a. O. Dzalakowski, I. (1995): GenderWorking: Frauen und Männer im Team. Synergien nutzen, Potentiale erschließen, Wiesbaden 18 19 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-9 diglich um Tendenzen aufgrund von geschlechtsspezifischen Zuschreibungen und Sozialisationsprozessen. Kommunikation Als „typisch weiblich“ wird ein Kommunikationsverhalten angesehen, das sich durch eine leise, zurückhaltende Sprache und durch ein integratives, offenes und verbindliches Agieren charakterisieren lässt. Frauen wird eher nachgesagt, dass sie verhältnismäßig unüberlegt, unstrukturiert und emotional vorgehen; hingegen wird im Allgemeinen von Männern erwartet, dass sie gradlinig, klar und kategorisch, eventuell auch dominant und aggressiv agieren. „Männliche“ Redebeiträge sind tendenziell länger und werden lauter und mit weniger Fragen oder Konjunktiven vorgebracht. Männer hören sich selbst angeblich gerne reden und unterbrechen andere Gesprächsteilnehmer/innen eher, wobei Frauen eher nachgesagt wird, besser zuzuhören. Sehr plakativ formuliert empfinden Männer die Frauensprache als zu unsachlich (denn Männer achten in erster Linie auf die Informationen, Fakten und Resultate), während für Frauen die Sprache der Männer zu unpersönlich ist (sie achten in stärkerem Ausmaß auf die Beziehungsebene, Appelle und Selbstoffenbarungen) (vgl. auch Baustein 4 „kommunikatives Handeln“). Die US-Streitkräfte stellen fest, dass Soldatinnen insgesamt kommunikativer als ihre Kameraden sind. Sie Soldatinnen unterstützen damit positiv das Arbeitsklima und die Zusammenarbeit am Ar hören gut zu und erwarten, dass auch ihnen zugehört wird, haben wenig Scheu, Fragen zu stellen, erwarten plausible Begründungen, wenn ihr Verhalten korrigiert wird und konkrete Anleitungen, wie ein beanstandetes Verhalten verbessert werden kann. beitsplatz. Qualitäten, die im Sinne sozialer Kompetenz von allen Soldaten/innen gleich welchen Geschlechts entwickelt werden sollten. Zudem hat die Tätigkeit von Frauen einen positiven Einfluss auf ein kooperatives Führungsverhalten in den Verbänden/Einheiten und Dienststellen. Besonders im Einsatz kann sich durch diese Kommunikationsebene die soziale Integration der gesamten Gruppe deutlich vertiefen. Emotionalität Emotionalität im Sinne von Einfühlungsvermögen und Unterstützung wird hauptsächlich Frauen zugeschrieben. Ihnen wird allerdings der Ausdruck von Wut oder Aggressivität eher vorgehalten als Männern, bei denen diese Gefühle als Zeichen der Stärke gelten. Männer gestatten sich in der Regel nicht, Angst zu zeigen oder Gefühle der Verletztheit auszudrücken. Die „weiche“ Emotionalität wird von ihnen nicht erwartet bzw. von anderen Männern auch seltener gebilligt. Entsprechend unsicher und unerfahren sind beide Geschlechter im Umgang mit solchen, für sie „ungewohnten“ Gefühlen.20 Soldatinnen kritisieren häufiger als Männer einen unangemessenen überharten Umgangston von Soldaten. Männer zeigen sich wiederum eher als Frauen verunsichert, wie sie mit Tränen von Frauen in beruflichen Situationen umgehen sollen. Beispiele im O-Ton vgl. Maier, M. S., Koppetsch, C. Burkart, G. (1996): Emotionen in Paarbeziehungen, in: Zeitschrift für Frauenforschung 4/96, Bielefeld, und Campell, A. (1995): Zornige Frauen, wütende Männer, Frankfurt 20 B1-10 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr „Wenn ich eine Frau mal härter anfasse, kann es mir passieren, dass sie anfängt zu weinen. Männer machen das meist nicht öffentlich, sondern nur ganz privat. Was soll ich tun, wenn Frauen weinen?“ „Warum muss der mich so anbrüllen? Kann der das nicht in einem vernünftigen Ton sagen? Eine Alltagserfahrung bestätigt sich auch in der Bundeswehr nach Dienstende: Männer sprechen über persönliche berufliche Sorgen und private Themen eher mit ihren Kameradinnen als untereinander. Zusammenarbeit Im Bereich der Zusammenarbeit wird eine Frau mit einem ausgeprägten psychologischen Gespür für Gruppenprozesse und einer Neigung zu einer partnerschaftlichen, gleichberechtigten Kommunikation als „typisch“ für ihr Geschlecht gelten. Von Männern hingegen wird traditionellerweise eine hohe Entschlusskraft und Durchsetzungsfähigkeit und eventuell auch ein Konkurrenzkampf um die Durchsetzung eigener Positionen erwartet. Die Fähigkeit zum Verhandeln und Interessenausgleich wird tendenziell Frauen zugeschrieben. Denn ihnen liegt es auf Grund ihrer Sozialisation näher, individuell auf den Gesprächspartner einzugehen, aktiv zuzuhören und auch die Zwischentöne im Gespräch wahrzunehmen. Als männlich wird die Fähigkeit der Interessendurchsetzung im zielorientierten Gespräch assoziiert. Wenn Fehler auftreten, ist ein weiterer geschlechtstypischer Unterschied festzustellen: Tendenziell suchen Frauen Fehler zunächst eher bei sich, Männer hingegen eher bei anderen. Welches Verhalten „richtig“ oder angemessen ist, hängt natürlich vom Einzelfall ab. Auch in der Bundeswehr wirkt sich die Zusammenarbeit von Frauen und Männern positiv auf das Arbeitsklima aus wie Soldaten/innen beiderlei Geschlechts rückmelden. Die Kommunikation verbessert sich. Der Umgangston wird freundlicher und umgänglicher. Zwei Drittel der Soldatinnen sieht keinen Unterschied in dem guten Verhältnis zu Kameraden und Kameradinnen. Ein Drittel bewertet das Verhältnis zu den Kameraden ebenfalls als „loyal“, „tolerant“ und „ehrlich“, die Beziehungen zu ihren Geschlechtsgenossinnen bezeichnen sie allerdings mit Attributen wie „Zicke“, „Neid“ und „Konkurrenz“.21 Umgangston Soldatinnen machen die Erfahrung, dass Männer im Umgang mit ihnen noch unsicher sind. Beispiel Männern wird befohlen – Frauen werden gebeten Motivation Auch bezüglich der Motivation sind häufig typische Unterschiede zwischen Frauen und Männern zu beobachten. Frauen sind im Allgemeinen aus sich heraus (intrinsisch) motiviert: Ihr Interesse liegt an der Sache selbst, an der Möglichkeit Ideen weiterzuentwickeln, kreativ zu sein oder mit interessanten Menschen umzugehen. Sie sind in der Lage, Mitarbeitende zu motivieren, indem sie diese von ihren eigenen Fähigkeiten überzeugen und stärken, an sich selbst zu glauben. Männer sind tendenziell eher von außen (extrinsisch) motiviert: Ihr Karriereverhalten ist traditionell an einem Zuwachs an Status, Macht, Erfolg und Geld orientiert. Bei der Motivation von anderen sind sie bemüht, deren Karrierewunsch zu unter- 21 vgl. SOWI Bd. 76 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-11 stützen. Männer können aber auch die Motivation zur Lösungsfindung bei Mitarbeitenden anregen. Umgang mit Konflikten Ein schwieriges Feld stellt bisweilen der traditionell unterschiedliche Umgang mit Konflikten durch Männer und Frauen dar. Hier können die geschlechtsspezifischen Verschiedenheiten zu zahlreichen Problemen führen. Andererseits ist dies ein Feld, in dem alle hervorragend voneinander lernen können. Tendenziell erwarten Frauen, dass andere Personen auch die ihnen indirekt mitgeteilten Wünsche und Bedürfnisse hören. Frauen setzen bei anderen das gleiche Einfühlungsvermögen voraus wie bei sich selbst. Das führt häufig zu Missverständnissen und Konflikten. Sie lassen sich durch Kritik leichter nachhaltig verunsichern und ziehen sich gegebenenfalls zurück. Auf der anderen Seite zeigen sie ein gutes Gespür für Konflikte, nehmen sie schnell wahr und können sie oft sehr genau bestimmen. Konflikte zu übergehen, ist demgegenüber eine „typisch männliche“ Verhaltensweise. Männer versuchen oft, in einer Sachdiskussion Prestige zu gewinnen. Wenn sie rüde und hart im Ton werden, gehört dies zu der für sie notwendigen Auseinandersetzung, um die eigene Position durchzusetzen. Häufig ist es nicht persönlich „gemeint“ und entsprechend kann nach einer Auseinandersetzung schnell zur Tagesordnung übergegangen werden. Körperliche und praktische Leistung Bestimmte körperliche Leistungen können Männer aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen im Vergleich zu Frauen statistisch häufiger erbringen. Deutliche Vorteile haben Männer gegenüber Frauen bei der Oberkörperkraft: Körperlich können sich statistisch nur 20 Prozent der stärksten Frauen mit 20 Prozent der schwächsten Männer messen. Männer sind im Schnitt größer und schwerer als Frauen. Sie haben mehr Muskeln und weniger Fett. Männer können besser bei Hitze mit schwerem Gepäck marschieren. Dafür sind Frauen Männern im Ausdauerbereich überlegen und zeigen sich auch weniger empfindlich gegen Kälte als Männer.22 Unter wehrergonomischen Gesichtspunkten können Frauen wie Männer alle Tätigkeiten bei der Bundeswehr ausüben. Insbesondere, wenn man die körperliche Trainierbarkeit von Frauen wie Männern berücksichtigt. Mentale und theoretische Leistung Im schulischen Bereich erreichen Frauen im Schnitt mittlerweile eine höhere Qualifikation als Männer23. Auch in den Lehrgängen der Bundeswehr erzielen Frauen bessere Resultate in der Theorieausbildung als Männer. Der Leistungs- und mentale Durchhaltewillen von Frauen liegt oft über dem Niveau von Männern. Frauen geben offensichtlich nicht so schnell auf wie Männer und sind eher bereit, an Leistungsgrenzen zu gehen und diese auch wenn nötig zu überschreiten.24 vgl. vgl. von Restorff, W., Land, K. (1998): Evaluierung von Anthropometrie und Fitneß bei Soldatinnen. Wehrmedizinische Zeitscchrift 8–9/1998, S. 161 ff. In: Zetrum Innere Führung (2000): Frauen in den Streitkräften 23 vgl. PISA 2000: Zusammenfassung zentraler Befunde, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin 2003 24 vgl. Dokumentation Zentrum Innere Führung, Impulsseminar „Frauen in den Streitkräften“ v. 22.–25.05.2000/ s.a. PISA-Studie 22 B1-12 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr Gleichberechtigte Ausbildungsund Berufschancen Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist eine zentrale Aufgabe der Bundeswehr. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Erkenntnis, dass sich die Potentiale von Männern und Frauen in der Arbeitswelt gut ergänzen. In der Realität ist jedoch die Gleichberechtigung von Männern und Frauen noch nicht vollständig umgesetzt. Umso wichtiger ist es, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um die bestehenden Diskriminierungen abzubauen. Leistungsstandards Für Männer wie Frauen gleich welcher Herkunft, Identität und Orientierung legt die Bundeswehr die gleichen Leistungskriterien fest. Die körperlichen Anforderungen für Kampfaufgaben werden klar definiert und zwar geschlechtsunabhängig. Zur Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr muss sichergestellt werden, dass die Anforderungen eines jeden einzelnen Dienstpostens von dem Inhaber unabhängig vom Geschlecht erfüllt werden können.25 Das Zentrale Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ermittelt in Arbeitsplatzanalysen die günstigsten körperlichen Voraussetzungen für den einzelnen Arbeitsplatz. Aus Sicht der Wehrergonomie gibt es in den Streitkräften keine Aufgabe, die nicht prinzipiell von einer Frau ebenso erledigt werden kann wie von einem Mann. Ob eine Soldatin fähig und bereit ist, genauso viel wie ein Mann zu leisten, beurteilt eine Minderheit der Soldaten skeptisch: Beispiel „Kann ich mich im Ernstfall wirklich auf eine Frau verlassen?“ Umfrageergebnisse zeigen: Die Mehrheit der Männer (57%) kann sich Soldatinnen auch bei Verwendungen vorstellen, die hohe körperliche Anforderungen stellen, 43% allerdings nicht. 26 Unter den Frauen sind nur 20,7% diesbezüglich skeptisch. Zwei Drittel (69,2%) der Männer sind der Ansicht, Frauen seien dem harten Leben im Feld gewachsen, jeder dritte Mann (30,8%) allerdings nicht. Von den Frauen bezweifeln dies nur 11.6%. 61,8% der Männer und 89,5% der Frauen meinen, Soldatinnen in der Bundeswehr seien gut für die Kampfkraft; 38,3% der Männer und knapp 10% der Frauen befürchten, dass die Bundeswehr an Kampfkraft verlieren könnte. Einige Frauen meinen, sie müssten bisweilen 150% Leistung erbringen, um sich im männlichen Umfeld zu behaupten. Einzelne Männer meinen, in Ausbildungsteilen mit hohen körperlichen Belastungen würde zu stark auf Frauen Rücksicht genommen. Die Erfahrungen amerikanischer Streitkräfte und der Polizei zeigen, dass Frauen wie Männer in Gefahrensituationen gleich professionell handeln.27 25 26 vgl. Bundesministerium der Verteidigung, Inspekteur Sanitätswesen I 5 Az 42-.13-04 v. 22.12.99 (internes Papier) vgl. SOWI Bd. 71, S. 13 und 76 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-13 Fördermaßnahmen Besonders optimale Leistungen erbringen Menschen, wenn sie weder unter- noch überfordert sind. Aufgrund geschlechtsspezifischer Stärken und Defizite, benötigen Frauen wie Männer erfahrungsgemäß in einigen Leistungsbereichen durchschnittlich mehr Zeit als das jeweils andere Geschlecht. Schulische Leistungen zeigen, dass Frauen/ Mädchen bessere Resultate in der Theorie erzielen, Männer/ Jungen in der Praxis.28 Erste Erfahrungen zeigen, dass Frauen vor allem in den Offizierslehrgängen i.d.R. eine bessere Qualifikation und eine höhere Motivation als ihre männlichen Mitbewerber mitbringen. Dies könnte bedeuten: Stellten Frauen die Mehrheit in der Bundeswehr, könnte entweder die Theorieausbildung verkürzt oder um neue Anforderungen erweitert werden. Zu Beginn der Grundausbildung haben erfahrungsgemäß mehr Frauen als Männer Defizite in der körperlichen Kondition und größere Schwierigkeiten in der Schießausbildung. Beide Ausbildungsbereiche erfordern für Frauen einen höheren Zeitaufwand, erbringen dann aber den gleichen Erfolg. Die USA und die Niederlande fördern Soldatinnen zusätzlich im sportlichen Bereich, um Kraft und Kondition zu verbessern. Die österreichische Polizei empfiehlt Frauen, sich selbständig um die Verbesserung ihrer körperlichen Verfassung zu kümmern. Sind Männer in einer Ausbildungseinheit in der Minderheit, lässt sich ein interessanter Anpassungsprozess beobachten: Die körperliche Leistung der Männer sinkt auf das niedrigere Durchschnittniveau der Soldatinnen wie Erfahrungswerte aus den USA zeigen.29 Dienstposten und Einsatzbereiche Frauen und Männer in der Geschichte der deutschen Streitkräfte Männern standen i.d.R. immer alle Möglichkeiten und Tätigkeiten in den deutschen Streitkräften offen. Auch Frauen sind in der deutschen Geschichte immer wieder im militärischen Dienst eingesetzt worden – allerdings überwiegend in Hilfsdiensten wie z.B. im 2. Weltkrieg im Rahmen der sogenannten „Reichsverteidigung“ im Reichsarbeitsdienst und in den Helferinnencorps der Wehrmacht und der SS. Nach der Teilung Deutschlands gab es in beiden deutschen Armeen unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich des Einsatzes von Frauen und Männern. In der NVA leisteten Männer ihren Wehrdienst ab. Frauen konnten auf freiwilliger Basis als Zeit- oder Berufssoldaten in allen Verwendungsbereichen Dienst tun. Trotzdem blieb ihr Anteil verhältnismäßig gering. Überwiegend dienten sie in der Fernmelde- und Sanitätstruppe. Das Grundgesetz der Bundesrepublik sah und sieht eine allgemeine Wehrpflicht nur für Männer vor. Als Reaktion auf den Einsatz von Frauen zu militärischen Zwecken im 2. Weltkrieg untersagte das Grundgesetz Frauen den Dienst mit der Waffe, ermöglichte aber eine Beschäftigung in der Bundeswehrverwaltung und in zivilen Funktionen bei den Streitkräften. 1975 wurden die ersten Frauen als Ärztinnen oder Apothekerinnen von der Bundeswehr eingestellt. Die Grundlage war eine Änderung des Grundgesetzes. vgl. Dokumentation Zentrum Innere Führung, Impulsseminar „Frauen in den Streitkräften“ a. a. O. vgl. Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr Bd. 69. Die weitere Öffnung der Bundeswehr für Frauen, S. 15 29 vgl. SOWI Bd. 69 27 28 B1-14 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr 1989 folgten die ersten Sanitätsoffiziersanwärter (w). 1991 wurden auch die Laufbahngruppen der Unteroffiziere und Mannschaften im Sanitätsund Militärmusikdienst für den freiwilligen Dienst von Frauen geöffnet. Seit 1992 fördert die Bundeswehr auch Spitzensportlerinnen. 1994 wurde erstmals eine Frau in der deutschen Militärgeschichte als Generalarzt (w) in einen Generalsrang befördert. Im Januar 2000 entschied der Europäische Gerichtshof, dass Frauen und Männer im Militärdienst gleich zu behandeln sind. Das Gericht hatte einer Bewerberin Recht gegeben, die in Deutschland auf Einstellung geklagt hatte. Auch andere EU-Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, sich Frauen zu öffnen. Am 27. Oktober 2000 stimmte der Bundestag einer Änderung von Artikel 12 Grundgesetz zu. Frauen können nunmehr Dienst an der Waffe leisten. „Sie dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden.“ Frauen können ohne Einschränkungen in allen Verwendungen und Laufbahnen nach Eignung, Leistung und Befähigung Dienst tun. Das Soldatengesetz und die Soldatenlaufbahnverordnung wurden entsprechend geändert. Weitere grundlegende inhaltliche Anforderungen und Änderungen in den vorhandenen militärischen Vorschriften und Verordnungen sind nicht erforderlich. Für Frauen und Männer gelten die gleichen Regeln. Eine Festlegung von „Quoten“ gibt es nicht, auch keine geschlechtsspezifischen Truppenteile oder Dienststellen. Frauen leisten zumindest zu zweit, im Regelfall zu mehreren in einer Einheit zusammen mit Männern Dienst. Verwendungsmöglichkeiten in NATO-Staaten Je nach der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung sowie den kulturellen Erfahrungen haben NATO-Staaten die Gleichstellung beider Geschlechter unterschiedlich weit gefasst. Männern stehen alle Verwendungen offen. Frauen können neben Deutschland derzeit in Belgien, Kanada, Luxemburg, Norwegen, Spanien und Ungarn uneingeschränkt in den Streitkräften – einschließlich den Kampftruppen- eingesetzt werden. Die Mehrzahl der deutschen Soldatinnen befindet sich in den Laufbahngruppen der Mannschaften und Unteroffiziere. Der größte Anteil dieser Soldatinnen gehört dem Sanitätsdienst an.30 Einsatz bei Friedensmissionen und Kampfeinsätzen Die internationalen Erfahrungen zeigen: Frauen haben sich in Friedensmissionen in nahezu allen Armeen bewährt und sind dort nicht mehr wegzudenken. In Friedenseinsätzen z.B. werden vor allem soziale Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen, zuhören können, Kooperation und Verhandlungsgeschick nachgefragt. Frauen sind weltweit umso stärker gefragt, je mehr die Streitkräfte in Friedensmissionen, in der Katastrophenhilfe und bei Missionen mit Polizeicharakter einbezogen sind. Deutlich geringer oder überhaupt nicht sind Frauen gefragt, je größer die Bedeutung von Kampfeinsätzen, insbesondere am Boden ist (s.o.). 31 In Schweden fahren Soldatinnen Panzer. In Norwegen gibt es eine U-Boot-Kommandantin. In Frankreich fliegt eine Frau einen Mirage-2000-Kampfjet, eine weitere navigiert ein Kriegsschiff. In den USA dürfen Frauen seit einigen Jahren zur „Eliteangriffsgruppe“ der Marine, fliegen Kampfflugzeuge, Militär- 30 31 vgl. Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr: Bd. 76. Soldat weiblich, Jahrgang 2001, 2003 vgl. Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr: Bd. 69. Sie weitere Öffnung der Bundeswehr für Frauen, S. 11 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-15 hubschrauber und Transportflugzeuge. Kampfeinsätze am Boden sind allerdings in den USA nicht vorgesehen. Die hierfür definierten körperlichen Fähigkeiten und Leistungen werden Frauen nur sehr selten erbracht. Ob diese US-amerikanische Praxis gesellschaftspolitische Gründe hat, auf männlichen Vorurteilen beruht oder aber durch die bisherigen Erfahrungen mit Frauen in anderen Verwendungen bedingt ist, kann nicht gesagt werden. High-techWaffen und deren Miniaturisierung, Massenvernichtungswaffen, die Spezialisierung des Soldatenberufs, Computerisierung, und der Übergang zum „information warfare“ verändern allerdings die Kriegsführung. Ein Kombattantenstatus für Frauen wird damit wesentlich erleichtert, da nicht mehr die körperlichen Fähigkeiten und Leistungen (allein) im Mittelpunkt stehen.32 Die Vorstellung von Frauen im Kampfeinsatz am Boden und daraus resultierenden möglicher Folgen, ist Kern der hartnäckigsten Vorbehalte: Beispiel im O-Ton „Soldatinnen können auf viel grausamere Arten gequält und vergewaltigt werden als Soldaten.“ Hinter den Vorbehalten steckt die Angst, psychisch nicht ertragen zu können, wenn eine Frau vor den eigenen Augen und Ohren gefoltert wird. Männer mit dieser Haltung gegenüber Soldatinnen äußern ein übersteigertes Schutzverhalten, das auf traditionellen Rollenbilder fußt. Dieser schwächt den Zusammenhalt der Kampfgruppe sowie die Kampfmoral. 24,2% der Männer aber nur 7,1% der Frauen folgen einem traditionellen Rollenbild und meinen, Frauen müssten beschützt werden. Die weitaus meisten Soldatinnen sehen sich als Kämpferin.33 Im Sinne der Gleichbehandlung ist niemand bevorzugt vor einer Gefahr zu schützen, insbesondere im Kampfeinsatz. Dies entmündigt die entsprechende Person. Frauen, die in Kampftruppen eingesetzt werden, haben sich genauso wie ihre Kameraden für diese Aufgabe entschieden und qualifiziert und bedürften keines gesonderten Schutzes. Konkurrenzen Rivalität um Führungspositionen Bei der Personalauswahl in den Zentren für Nachwuchsgewinnung und in der Offiziersbewerberprüfzentrale erbringen Frauen im Eignungstest gute Leistungen. Insgesamt ist die Zahl der Bewerberinnen, die das Auswahlverfahren erfolgreich abschließen, im Verhältnis höher als die der männlichen Bewerber. Manchmal beweisen sie sogar eine höhere Fitness als ihre Kameraden. Hieraus erwächst bei einigen Soldaten eine neue Sorge. 22,8% der Soldaten befürchten, dass Frauen Männern in der Bundeswehr den Arbeitsplatz wegnehmen könnten. Diese Ansicht teilen nur 5% der Soldatinnen. 34 Diese Angst ist – derzeit – nicht real. Bei der Bundeswehr fehlen 6.963 Unteroffiziere und 723 Offiziere (Stand 07.01.03). Meldeten sich früher zwischen 8 und 10 Bewerber auf eine Stelle, so sind es bei den Offizieren nur noch 5 und den Unteroffizieren sogar nur noch 3 Männer Grundsätzlich begrüßt die Bundeswehr diese gesunde Form neuer Konkurrenz. Die Öffnung der Bundeswehr für Frauen wirkt anregend, fördernd und lässt einen größeren Pool vgl. SOWI Bd. 69 vgl. SOWI Bd. 71 und 76 34 vgl. SOWI Bd. 71, S. 13 und 76 32 33 B1-16 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr an qualifizierten Soldaten/innen mit voraussichtlich insgesamt besseren Arbeitsergebnissen erwarte. Akzeptanzprobleme von Frauen in Führungspositionen Umfrageergebnis 22,8% der Soldaten sind der Ansicht, dass Soldatinnen als militärische Vorgesetzte ungeeignet sind.35 Jeder fünfte männliche Soldat spricht also den Kameradinnen die für eine Führungsposition notwendigen Eigenschaften ab. Auch hier wirken geschlechtstypische Zuschreibungen und Rollenerwartungen. Wissenschaftliche Untersuchungen aus der Wirtschaft zeigen, dass die meisten Männer und Frauen die Zusammenarbeit mit einer Frau – egal ob gleichrangig oder vorgesetzt – für genauso gut halten wie die Zusammenarbeit mit einem Mann. Männer wie Frauen können grundsätzlich kooperativ führen und sind fähig, sich autoritär zu verhalten, wenn es die Situation erfordert.36 Rein rechtlich haben Frauen und Männer in fast allen Armeen Europas und Nordamerikas die gleichen Karrierechancen. Beiden Geschlechtern stehen i.d.R. alle Dienstgrade offen. In der Praxis haben Frauen durchweg Schwierigkeiten, in ihren Dienstgradgruppen in großer Zahl Führungspositionen zu erreichen. Eine Situation, die genauso in der Wirtschaft festzustellen ist. Bisher machten Frauen z.B. als Sanitätsoffizier (w) die Erfahrung, dass Ausbilder ebenso gern Soldaten wie Soldatinnen ausbilden. Die Männer verhalten sich aber kritisch, wenn sie eine Frau als Vorgesetzte bekommen. Beispiel im O-Ton „Bei jedem Wechsel auf eine Dienststelle schlug mir grundsätzlich zunächst Ablehnung oder zumindest Distanz entgegen. Ich habe im Nachhinein immer erfahren, dass vor Ort alles mögliche unternommen worden ist, um auf den Dienstposten keine Frau zu bekommen. Gründe waren immer: Frauen machen nur Arbeit, haben ständig ihre Tage oder Migräne und fallen sofort wegen Schwangerschaft aus. Sie gackern wie Hühner, heulen, brauchen nur mit ihrem Hintern zu wackeln, um etwas zu bekommen und machen Zicken, wenn es Ernst wird.“ Die Streitkräfte berichten immer wieder von den gleichen Schwierigkeiten: Einerseits zeigen Untersuchungen, dass sich z.B. Soldatinnen in Nicht-Kampf-Situationen in Somalia besser bewährten als weiße Soldaten. Andererseits haben Soldatinnen durchweg Probleme, von Männern als Vorgesetzte akzeptiert zu werden.37 Für Männer gilt es zu lernen und zu akzeptieren, dass die bisherige Ausnahme immer häufiger zur Regel werden wird: In Zukunft werden auch qualifizierte Frauen den Ton angeben. Geschlechter-Parität in Führungspositionen Die Verwirklichung der Chancengleichheit müsste perspektivisch zu einem ausgeglichenen Anteil von Frauen und Männern in Führungspositionen führen. Im zivilen Bereich ist allerdings zu beobachten, dass sich der Frauenanteil im oberen Management weiterhin im einstelligen Bereich bewegt. Ein Grund ist, dass sozialisationsbedingt die berufliche Orientierung für viele Frauen keine so große Rolle wie für Männer spielt. Zudem fehlt es vielen Frauen nach Beobachtungen von Personalberater/innen aus der Wirtschaft an dem notwendigen vgl. SOWI Bd. 71, S. 13 Ergebnisse eines Impulsseminars des Zentrums Innere Führung 37 vgl. Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr: Bd. 69. Sie weitere Öffnung der Bundeswehr für Frauen, S. 29 35 36 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-17 Selbstbewusstsein, ihre Qualifikation und Leistung angemessen zu „verkaufen“ und sich in einer männlich dominierten Welt durchzusetzen. Zudem wird eine weibliche Karriere solange erschwert, wie die Vereinbarkeit von Beruf & Familie schwierig ist und Männer sich nicht gleichberechtigt an der Kinderbetreuung beteiligen (vgl. dazu Baustein 3). Abbau geschlechtsspezifischer Sonderbehandlungen und Benachteiligungen Gleichberechtigte Berufschancen zu ermöglichen bedeutet auch, sich mit bestehenden Sonderbehandlungen bzw. Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts auseinander zu setzen und diese abzubauen. Grundsätzlich haben männliche und Soldatinnen die gleichen Pflichten und Rechte. Für Soldatinnen gelten zusätzlich die Sonderregelungen zum Mutterschutz bei einer Schwangerschaft (vgl. Baustein 3). 86,4% der Soldaten vertreten die Ansicht, dass es bei einer vollständigen Integration von Soldatinnen keine Sonderbehandlungen geben darf. 83,6% der Soldatinnen sind derselben Meinung.38 Anlass zu Diskussionen geben folgende geschlechtsspezifische Regelungen:39 Unterkunft und sanitäre Einrichtungen Die Bundeswehr bringt Frauen und Männer – falls möglich – geschlechtsgetrennt auf eigenen Etagen, in Stuben und Zelten unter. Hieraus ergeben sich, z.T. aus Neid, gelegentlich Vorwürfe, z.B. wenn Stuben und Zelte bei Männern voll- und bei Frauen nur teilweise belegt sind: Beispiel im O-Ton „Frauen werden bei der Unterbringung bevorzugt und haben Platz ohne Ende.“ Männer wie Frauen sollten gleichermaßen auf die Bestimmungen der Unterkunftsordnung und die damit verbundenen Verhaltensregeln hingewiesen werden. Aus der Forderung einer Gleichbehandlung stellen sich folgende Fragen für Verhaltensregeln: Wenn Frauen ein Abschließen der Zimmer während des Umkleidens und nachts erlaubt ist, um die private Intimsphäre zu schützen, sollte dies nicht auch Männern gestattet sein? Wenn von Männern gefordert wird, dass sie Zimmer grundsätzlich nur auf Einladung, zumindest mit Ankündigung (z.B. Anklopfen) betreten, sollte dies nicht auch für Frauen gelten? Weiterhin gelten z. Zt. folgende Regelungen: 38 39 Ausbilder und Vorgesetzte sollten nicht allein in die Unterkünfte des jeweils anderen Geschlechts gehen, auch nicht im Rahmen innendienstlicher Kontrollen. Das Offenlassen der Zimmertüren bei dienstlichen Aufenthalten ist anzuraten. vgl. SOWI Bd. 76 vgl. Jahresberichte des Wehrbeauftragten B1-18 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr Beispiele Ein Ausbilder verlässt fluchtartig die Stube, um Kameraden zur „Verstärkung“ zu holen, als er feststellt, dass er sich befehlswidrig als Mann allein mit einer Frau auf der Stube befunden hat. Ein Vorgesetzter ist unsicher, ob er in einem Zimmer überhaupt noch ein Vier-AugenGespräch mit einer Kameradin führen darf. Die Beispiele zeigen, wie Verhaltensregeln die Entwicklung eines normalen von gegenseitigem Vertrauen gekennzeichneten Arbeitsklimas zwischen Frauen und Männern behindern können. Die Regeln sind in der guten Absicht erlassen worden, sexuelle Belästigungen vorzubeugen, verstärken aber unnötig die Differenz zwischen Kameradinnen und Kameraden und lösen Berührungsängste aus. Sanitäre Anlagen (Duschen und Toiletten) sollen ebenfalls geschlechtsspezifisch bereit gestellt werden. Anders in Dänemark: Dort wird die Infrastruktur geschlechtstunabhängig genutzt. Beispiel im O-Ton Eine Soldatin frotzelt: „Es ist doch albern, wenn ein Soldat nach dem Duschen nicht mit freiem Oberkörper in seine Stube gehen darf und sich vermummen muss, weil im selben Gebäude auch Frauen leben.“ Anregung: Könnte nicht bei einer gemeinsamen Nutzung sanitärer Anlagen ein Schild „Mann duscht“ bzw. „Frau duscht“ eine einfache praktikable Lösung bieten? Rechtliche Grundlagen ZDv 10/5 „Leben in der militärischen Gemeinschaft“ Uniform Die Uniform für Soldatinnen stößt auf Akzeptanzprobleme. Der Rock wird als „sackförmig“ und „unkleidsam“ empfunden. Die Uniformhose als Alternative weist häufig nicht die entsprechende Passform auf. Frauen sehen sich durch die unterschiedliche Kopfbedeckung von Luftwaffensoldaten/innen in eine Sonderrolle gedrängt, für die keine Notwendigkeit besteht. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat eine Koordinierungsgruppe „Bekleidung“ eingesetzt zur Verbesserung des Tragekomforts und der Pflegeleichtigkeit, auch unter modischen Aspekten. Kontrovers diskutiert wird die Handhabung, dass sich Männer zum Waschen nach einem Marsch das T-Shirt ausziehen sollen, Frauen ihres aber zum Schutz vor „starrenden Blicken“ anbehalten dürfen. Beispiele im O-Ton „Auf einem Truppenübungsplatz erhalten auch die Soldatinnen den Befehl „T-Shirt ausziehen“; anderenfalls werden ihnen Konsequenzen angedroht.“ „Ein weiblicher Soldat zieht immer ihr T-Shirt vor allen aus; mehrere Soldaten fühlen sich peinlich berührt und möchten eine Schamgrenze eingehalten wissen.“ Rechtliche Grundlagen Allgemeiner Umdruck 37/3 Richtlinien für Bekleidung, Nr. 2508 ZDv 37/10 Anzugordnung für die Bundeswehr, Nr. 110 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-19 Haar- und Bartfrisur Männer haben das Haar kurz zu tragen, Frauen nicht. Umstritten ist, ob Frauen selbst das Tragen langer Haare als Ausdruck von Weiblichkeit empfinden und die unterschiedliche Behandlung durch gesellschaftliche Normen und Maßstäbe der Bevölkerungsmehrheit gedeckt ist. Beispiel im O-Ton „Wieso werden wir Männer zum Friseurbesuch verdonnert, während die Frauen Schmuck und langes Haar tragen dürfen?“. Rechtliche Grundlagen ZDv 10/5 „Leben in der militärischen Gemeinschaft“ Schmuck Soldaten/innen ist es außerhalb des Dienstes gestattet, dezenten Schmuck zur Uniform zu tragen. Dies umfasst derzeit höchstens zwei Fingerringe, eine Krawattenspange und Manschettenknöpfe. Soldatinnen dürfen zusätzlich Ohrringe und Kette tragen. Über die Frage was „dezent“ ist, gibt es Streit unter den Soldaten/innen. Sie argumentieren zudem: Beispiel im O-Ton „Bei Frauen werden Piercings toleriert, dann kann das Männern doch nicht untersagt werden.“ Das bisherige Verbot von sichtbarem Piercing-Schmuck beruht ausschließlich auf Gründen der Sicherheit. Piercings, die die Arbeitssicherheit im Dienst gefährden, müssen grundsätzlich entfernt oder mit Pflaster überklebt werden. Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr untersucht, wie die Akzeptanz von Schmuck, insbesondere Piercings, in der Gesellschaft ist. Rechtliche Grundlagen ZDv 37/10 „Anzugordnung für die Soldaten der Bundeswehr“ Der Sporttest Beim sogenannten „PFT“ (Physical Fitness Test), den Soldaten/innen der Bundeswehr einmal im Jahr ablegen müssen, werden unterschiedliche Kriterien angelegt. Sie stellen allerdings lediglich einen körperlichen Mindeststandard für den Dienst in der Bundeswehr dar und sind nicht mit den Leistungskriterien für Verwendungen zu verwechseln. Wie beim Deutschen Sportabzeichen unterscheiden sich die zu erbringenden körperlichen Leistungen nach Altersklassen und Geschlecht. Sie beruhen auf dem unterschiedlichen Körperbau von Frauen und Männern und den sich daraus ergebenden langjährig ermittelten Durchschnittswerten. Ausfall- und Fehlzeiten Behauptung im O-Ton „Frauen haben viel höhere Fehlzeiten als Männer wegen ihrer Menstruation und Schwangerschaften. Dies führt zu Personalengpässen und Mehrbelastungen.“ In den USA werden rund 5,4% der Soldatinnen pro Jahr schwanger. Die gesundheitsbezogenen Fehlzeiten von Frauen und damit auch die laufenden Kosten übersteigen damit erklärlicherweise diejenigen von Männern. Insgesamt sind die Fehlzeiten bei Soldaten allerdings deutlich höher, was auf wesentlich häufigeren Alkohol-/Drogenmissbrauch und unerlaubte Abwesenheiten zurückzuführen ist. B1-20 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr Damit Ausfallzeiten z.B. wegen Mutterschutz Frauen nicht geschlechtsbedingt „angelastet“ werden, bietet es sich an, frühzeitig Vertretungslösungen zu finden. Einsatz von Soldaten/innen mit kleinen Kindern Die bisherige Erfahrung zeigt, dass sich nur wenige Vorgesetzte „trauen“, Frauen und Männer mit Kindern unter sechs Jahren in einen Einsatz zu schicken.40 Positiv zu bewerten ist, dass Vorgesetzte damit die meist schwierige Aufgabe berücksichtigen, eine dauerhafte Betreuung für Kinder zu finden. Andererseits plädieren Soldaten/innen dafür, keine Sonderbehandlungen von Soldaten/innen mit Kindern vorzunehmen. Soldatinnen mit kleinen Kindern, die in einen Einsatz gehen, bekommen den Vorwurf zu hören, sie seien „Rabenmütter“, die ihr Kind vernachlässigten. – Männer mit kleinen Kindern hören den Vorwurf „Rabenvater“ allerdings nicht. (vg. Auch Baustein 3) Geschlechtsspezifische Bevorzugungen und Benachteiligungen Bekannt sind in der Bundeswehr Fälle, in denen männliche Ausbilder, „ihre“ Soldatinnen protegierten, indem sie die allgemeinen Leistungskriterien absenkten. Ein großer Teil der Frauen legt größten Wert auf Gleichbehandlung und reagiert sehr empfindlich auf etwaige Vergünstigungen. Einige Frauen berichten allerdings vom gegenteiligen Verhalten einiger Kameraden. Sie müssten über 100% Leistung erbringen, um sich im männlichen Umfeld zu behaupten. Vereinzelt wird auch von Beispielen berichtet, in denen männliche Ausbilder ein unangemessenes „Gockel- und Balzverhalten“ zeigen oder Soldatinnen versuchen, sich Vorteile zu verschaffen: Beispiel Ein männlicher Ausbilder hat sich auf einige Frauen „eingeschossen“. Mit geschwollener Brust verkündet er jedem: „Ich hab’ jetzt Ausbildung mit meinen Frauen!“ Frauen wie Männer empfinden es als problematisch, wenn einige Soldatinnen ihre Weiblichkeit und Attraktivität gezielt einsetzen, um sich Vorteile zu verschaffen. Maßnahmen zur Gleichstellung Gleichstellungsförderung im zivilen Bereich ist eine strategische Aufgabe und wird dementsprechend zentral verankert. Die freie Wirtschaft und der öffentliche Dienst haben erfolgreich Programme und Vereinbarungen verabschiedet, mit denen sie die Gleichstellung von Mann und Frau bei der Arbeit realisieren wollen. Diesem Ziel dienen vielfältige Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen41. Sie berücksichtigen bereits prinzipielle Forderungen, die sich aus den Bausteinen 2 „Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz“+ 3 „Vereinbarkeit von Privatleben/ Familie &, Beruf“ ergeben. Offen ist, wie diese Aufgabe in der Bundeswehr auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen (s.u.) in Zukunft realisiert werden kann: vgl. SOWI Bd. 76 a. a. O. vgl. Gemeinnützige Hertie-Stiftung (Hg.) (1998): Leitfaden: Mit der Familie zum Unternehmenserfolg. Impulse für eine zukunftsfähige Personalpolitik, Frankfurt am Main, und: Riegraf, B. (1997): Gleichstellungsmaßnahmen in Unternehmen. Ein umkämpftes Terrain, in: Zeitschrift für Frauenforschung, Ausgabe 1+2/97 40 41 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-21 Ziele für die Realisierung der Chancengleichheit werden in einem konfliktorientierten und konsensualen Prozess entwickelt und verabschiedet, an dem möglichst viele Gruppen beteiligt sind. Es werden weisungsunabhängige Gleichstellungsbeauftragte eingesetzt. Bestehende Benachteiligungen und Sonderbehandlungen werden analysiert und konkretisiert. Ein Plan zur Gleichstellung aller Beschäftigter wird aufgestellt, die Umsetzung wird kontinuierlich überprüft (Gleichstellungs-Controlling). Die Einstellung von Frauen wie Männern wird z.B. über Praktika gefördert, in denen die Anforderungen an die jeweiligen Verwendungen unmittelbar erfahrbar werden. Frauen wie Männer werden in Bewerbungsanzeigen gezielt angesprochen und motiviert. Die Einstellung von Männern auf weiblich assoziierten Arbeitsplätzen und umgekehrt wird bei Bedarf und Interesse ausdrücklich unterstützt. Eine potentielle Familiengründung ist bei der Einstellung nicht hinderlich. Frauen werden genauso wie bisher schon Männer gezielt motiviert, unterstützt und qualifiziert, Führungspositionen zu übernehmen. In den Beurteilungen von Mitarbeiter/innen werden Familien- und Sozialkompetenz erfasst und als Qualifikationen anerkannt. Die gleichstellungsfördernden Maßnahmen werden mit den familienfördernden verbunden. Familienunterstützende Maßnahmen sind Frauen wie Männern gleichermaßen zugänglich; der Dienstherr unterstützt und wertschätzt deren Inanspruchnahme durch Männer. Der Wiedereinstieg nach einer „Familienpause“ wird ermöglicht bzw. gefördert. Auch während der Elternzeit können Frauen und Männer an Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen. Soldaten/innen, die hinsichtlich der Gleichberechtigung eine Vorbildfunktion für junge Soldaten/innen übernehmen, werden in ihrem Verhalten unterstützt und anerkannt. Gleichbehandlung bedeutet, Frauen und Männer in der gesprochenen Sprache hörbar und in der geschriebenen sichtbar zu machen, d.h. Nennung sowohl der weiblichen wie der männlichen Form. B1-22 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr Rechtliche Grundlagen Grundgesetz Artikel 3 Gleichheit vor dem Gesetz (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Bürgerliches Gesetzbuch § 611a Gleichbehandlung von Männern und Frauen (1) Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechtes ist jedoch zulässig, so weit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit ist. Wenn im Streitfall der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist. (2) Hat der Arbeitgeber bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 zu vertreten, so kann der hierdurch benachteiligte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld in Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten verlangen. Als Monatsverdienst gilt, was dem Bewerber bei regelmäßiger Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis hätte begründet werden sollen, an Geld und Sachbezügen zugestanden hätte. (3 ) Ist ein Arbeitsverhältnis wegen eines vom Arbeitgeber zu vertretenden Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 nicht begründet worden, so besteht kein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses. (4) Ein Anspruch auf Entschädigung nach Absatz 2 muss innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung der Bewerbung schriftlich geltend gemacht werden. (5) Die Absätze 2 und 4 gelten beim beruflichen Aufstieg entsprechend, wenn auf den Aufstieg kein Anspruch besteht. § 611b Ausschreibung eines Arbeitsplatzes Der Arbeitgeber darf einen Arbeitsplatz weder öffentlich noch innerhalb des Betriebes nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben, es sei denn, dass ein Fall des § 611a Abs. 1 Satz 2 vorliegt. Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-23 § 612 Vergütung42 (3)Bei einem Arbeitsverhältnis darf für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vereinbart werden als bei einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts. Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers besondere Schutzvorschriften gelten. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB ist entsprechend anzuwenden. § 612a Maßregelungsverbot43 Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Bundesgleichstellungsgesetz vom 30. November 2001Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes. Das Bundesgleichstellungsgesetz gilt für den Bereich der Bundeswehrverwaltung und die zivilen Bereiche der Streitkräfte. Der militärische Teil der Streitkräfte ist ausgenommen. Das Gesetz beinhaltet u.a.: einen auf die Bundesverwaltung in Privatrechtsform erweiterten, und vertraglich auch auf zu privatisierende Bundesunternehmen und institutionelle Leistungsempfänger des Bundes auszudehnenden Anwendungsbereich die einzelfallbezogene Quote umfangreiche Rechte der Gleichstellungsbeauftragten das explizite und konkretisierte Verbot auch mittelbarer Diskriminierung Vorgaben für effektivere Gleichstellungspläne auch in Zeiten von Personal- und Stellenabbau sowie verbesserte Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, z.B. die Regelung, dass alle Dienstposten grundsätzlich teilzeitfähig sind. Mit dem Gesetz zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern soll die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männer im öffentlichen Dienst des Bundes entscheidend vorangebracht werden. Die Verbesserungen und Konkretisierungen im Bundesgleichstellungsgesetz sehen insbesondere die bevorzugte Berücksichtigung von Frauen im Falle gleicher Qualifikation bei Ausbildung, Einstellung, Anstellung und Beförderung im Falle ihrer Unterrepräsentanz in dem jeweiligen Bereich unter Einzelfallberücksichtigung (sog. einzelfallbezogene Quote) sowie konkrete Benachteiligungsverbote unter dem Aspekt mittelbarer Diskriminierungen vor. Aufgaben und Rechte der Gleichstellungsbeauftragten werden im Vergleich zu vorherigen Regelungen konkretisiert und gestärkt; die Vorgaben für die Gleichstellungspläne, deren Geltungsdauer verlängert wird, sind konkreter und verbindlicher ausgestaltet und sollen auch bei Stellenabbau gewährleisten, dass der Frauenanteil in Bereichen mit Unterrepräsentanz zumindest gleich bleibt. Die Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit werden verbessert unter ausdrücklicher Einbeziehung neuerer Arbeitsmodelle wie Telearbeit und Sabbatjahr. Nicht zuletzt müssen künftig Rechtsund Verwaltungsvorschriften des Bundes kraft Gesetzes auch sprachlich die Gleichstellung von Frauen und Männern berücksichtigen. Frauen und Frauenbelange sollen damit auch in diesem Bereich sichtbarer werden. Gilt für den Bereich der Bundeswehrverwaltung und die zivilen Bereiche der Streitkräfte. Der militärische Bereich der Streitkräfte ist ausgenommen. 43 s.o. 42 B1-24 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr Gleichstellungsbeauftragten-Wahlverordnung (GleibWV)44 Die Verordnung über die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin in Dienststellen des Bundes (Gleichstellungsbeauftragten-Wahlverordnung – GleibWV) ist am 13. Dezember 2001 in Kraft getreten. Es gilt ebenfalls nicht für den militärischen Teil der Streitkräfte. Beide Texte sind online unter www.bmfsfj.de, Stichwort „Gesetze“, auch als Printversion direkt bestellbar. Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) § 67 Gleichbehandlung aller Dienststellenangehörigen (1) Dienststelle und Personalvertretung haben darüber zu wachen, dass alle Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechtes unterbleibt. Dabei müssen sie sich so verhalten, dass das Vertrauen der Verwaltungsangehörigen in die Objektivität und Neutralität ihrer Amtsführung nicht beeinträchtigt wird. Der Leiter der Dienststelle und die Personalvertretung haben jede parteipolitische Betätigung in der Dienststelle zu unterlassen; die Behandlung von Tarif-, Besoldungs- und Sozialangelegenheiten wird hierdurch nicht berührt. Bundesgremienbesetzungsgesetz (BGremBG) § 1 Gesetzesziel Der Bund und andere am Besetzungsverfahren von Gremien Beteiligte haben nach Maßgabe dieses Gesetzes darauf hinzuwirken, dass eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Gremien geschaffen oder erhalten wird. Europarechtliche Grundlagen. Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.3.1957 Art. 119 Gleiches Entgelt für Männer und Frauen Jeder Mitgliedstaat wird während der ersten Stufe den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit anwenden und in der Folge beibehalten. Unter „Entgelt“ im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber auf Grund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar oder unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung auf Grund des Geschlechts bedeutet, dass das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit auf Grund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird; dass für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist. 44 s.o. Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-25 Soldatenlaufbahnverordnung (SLV) vom 19.03.2002 Soldatengesetz § 3 Ernennungs- und Verwendungsgrundsätze § 12 Kameradschaft § 35 Beteiligungsrechte der Soldaten § 70 Personalvertretung der Beamten, Angestellten und Arbeiter Lastenhandhabungsverordnung - LasthandhabV vom 04.12. 1996 (BGBl. I S. 1841) weiterhin: Führungshilfe für Vorgesetzte „Umgang mit Sexualität“ Der Generalinspekteur der Bundeswehr vom 20.12.2000 ZDv14/3 B 173 Sexuelles Verhalten von und zwischen Soldaten B1-26 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr Material Broschüre "info zur sozialen Absicherung für Soldatinnen" Mit wichtigen Informationen für Frauen, aber auch für Männer, die Vater werden oder sind. Themen: Truppenärztliche Versorgung, Krankenversicherung, Anwartschaft, Beihilfe, Mutterschutz, finanzielle Ansprüche und Unterstützungsmöglichkeiten, Erholungs- und Sonderurlaub zur Betreuung eines Kindes, Elternzeit, Betreuungsurlaub, Terminübersicht, Ansprechstellen für Soldatinnen Bezug über Vorschriftenverteilerweg unter DSK SS11-82-20112 und im intr@net bw Arbeitshilfen Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. (Hg.) et al. (1996): Auf dem Weg zur Chancengleichheit im Arbeitsleben. Beitrag der EU-Förderprogramme zur beruflichen Bildung von Frauen, Frankfurt am Main Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. (Hg.) et al. (1997): Frauen und Wirtschaft: Gemeinsam erfolgreicher. Ein handlungsorientierter Leitfaden für Frauen und Unternehmen auf dem Weg in die Dienstleistungsgesellschaft. Erfurt, Frankfurt am Main Beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) diverse Broschüren zu dieser Thematik: BMFSFJ (2000): best practices. Vorbildhafte Unternehmensbeispiele zu Chancengleichheit in der Wirtschaft BMFSFJ (2001): Das neue Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz BGleiG) BMFSFJ (2002): Gender Mainstreaming - Was ist das? BMFSFJ (2002): Frauen in Deutschland Adressen Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. Emil-von-Behring-Str. 4, 60439 Frankfurt am Main Tel. 069-95808-271/-272 www.bwhw.de Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Rochusstraße 8-10, 53123 Bonn Telefonische Broschürenbestellung: 0180-532 93 29 (von 7.00 bis 20.00 Uhr) Email: [email protected], Internet: www.bmfsfj.de Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Ostmerheimer Str. 220, 51109 Köln Tel. 0221-8992-0 E-mail: [email protected], Internet: www.bzga.de Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr B1-27 Literaturtipps Alfermann, D. (1996): Geschlechterrollen und geschlechtstypisches Verhalten, Stuttgart Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Hg.) (1988): Geschlechterrollen im Wandel. Partnerschaft und Aufgabenteilung in der Familie. Schriftenreihe Bd. 235, Stuttgart Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hg.) (2001): Forum Sexualaufklärung und Familienplanung, Heft 4 „Gender Mainstreaming“, Köln Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hg.) (2001): frauen leben, Köln Dzalakowski, I. (1995): GenderWorking: Männer und Frauen im Team. Synergien nutzen, Potentiale erschließen, Wiesbaden Oppermann, K., Weber, E. (1995): Frauensprache – Männersprache. Die verschiedenen Kommunikationsstile von Männern und Frauen, Zürich Pinl, C. (1997): Männer können putzen! Strategien gegen die Tricks des faulen Geschlechts, Frankfurt Shell Jugendstudie (2000): „Jugend 2000“, Band 1 und 2, Opladen Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr (SOWI): Kümmel, G., Klein, P., Lohmann, K. (2000): Zwischen Differenz und Gleichheit – Die Öffnung der Bundeswehr für Frauen – Bericht 69 Kümmel, G., Biehl, H. (2001): Warum nicht? Die ambivalente Sicht männlicher Soldaten auf die weitere Öffnung der Bundeswehr für Frauen. Bericht 71 Kümmel, G., Werkner, I.-J. (2003): Soldat, weiblich, Jahrgang 2001. Integration von Frauen in die Bundeswehr – Erste Befunde Stiftung SPJ (Hg.) (2001): Gender Mainstreaming, Berlin Vaskoovics, L., Lipinski, H. (1997): Familiale Lebenswelten und Bildungsarbeit. Ehe und Familie im sozialen Wandel (2), Opladen Wirtschafts- und sozialpolitisches Forschungs- und Beratungszentrum der Friedrich-EbertStiftung (Hg.) (2000):Wie Gender in den Mainstream kommt, Rheinbreitbach Zulehner, P., Volz, R. (1999): Männer im Aufbruch, wie Deutschlands Männer sich selbst und wie Frauen sie sehen, Ostfildern B1-28 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer in der Bundeswehr Baustein 2 Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Inhalt Einführung, Zentrale Fragen, Zielsetzungen ............................................... 2 Zeitgemäße Führung ................................................................................................................. 3 Sprachliche Entgleisungen ................................................................................................................. 3 Sexuelle Belästigung – wo hört der „Spaß“ auf Begriff und Definition ............................................................................... 5 Formen, Betroffene und Täter/innen .......................................................... 7 Rechtliche Grundlagen ............................................................................ 10 Diskriminierung – oder die Angst vor dem Anderssein Begriff und Definition ............................................................................. 15 Formen, Betroffene und Täter/innen ....................................................... 16 Ursache der Fremdenfurcht, Aufnahmerituale ......................................... 19 Rechtliche Grundlagen ............................................................................ 20 Mobbing – Stopp dem Psychoterror Begriff und Definition ............................................................................. 22 Handlungen, Betroffene und Täter/innen ................................................ 23 Phasen und Ursachen ............................................................................. 25 Ursachen ................................................................................................ 26 Rechtliche Grundlagen ............................................................................ 28 Auswirkungen auf Betroffene und Handlungsstrategien Handlungsmöglichkeiten für Betroffene .................................................. 31 Handlungsmöglichkeiten für Kameraden/innen und Personen des Vertrauens ......................................................................... 35 Handlungsmöglichkeiten für Personalräte ............................................... 37 Handlungsmöglichkeiten für Vorgesetzte ................................................ 37 Präventive Strategien und Maßnahmen – auch in der Bundeswehr?! ............................................................................................................... 38 Material ............................................................................................................... 41 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-1 Einführung Menschen arbeiten in der Bundeswehr wie in der übrigen Gesellschaft mit anderen Menschen zusammen. In den meisten Fällen sind dies ganz unterschiedliche Menschen mit zahlreichen Unterschieden hinsichtlich des Aussehens, der Begabungen, möglicher Behinderungen und ihrer Ansichten, der Herkunft und Lebensweise, der Fragen des Glaubens, der sexuellen Orientierung usw. Mit welchen Personen sie es bei der Arbeit zu tun haben, können sich nur die wenigsten selbst aussuchen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Zusammenarbeit unterschiedlich gut funktioniert. Läuft sie gut, dann macht die Arbeit in aller Regel (mehr) Spaß, werden die Arbeitsziele erreicht und die Beschäftigten fühlen sich wohl. Manchmal funktioniert die Zusammenarbeit weniger gut und die Auswirkungen sind – grob gesagt – jeweils das Gegenteil des oben so Beschriebenen. Die Fragen, was unter partnerschaftlichem Verhalten am Arbeitsplatz verstanden wird und wovon es abhängt, inwieweit in einer Arbeitsgruppe partnerschaftlich gearbeitet wird, können auf ganz unterschiedlichen Ebenen beantwortet werden. In dem Baustein „Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz“ geht es bei den Themen „Sexuelle Belästigung“, „Diskriminierung“ und „Mobbing“ um Situationen, in denen der Kontakt zwischen Menschen ganz erheblich gestört ist. Die Praxis zeigt, dass die Grenzen häufig fließend sind und bei konkreten Fällen auch zwei oder sogar alle drei grenzverletzenden Themen vorliegen können. Für die Bundeswehr werden diese Themen besonders relevant, da Soldaten zeitweise Bedingungen akzeptieren müssen und sich Belastungen ausgesetzt sehen, die in anderen Berufen nicht gerade alltäglich sind, vor allem im Einsatz und auf Übungen. Notwendig ist eine vorbeugende Auseinandersetzung mit diesen Themen, bevor es zu Meldungen, Eingaben oder Verfahren kommt. In diesem Sinne versteht sich diese Arbeitshilfe als präventives Instrument. Die drei Themenbereiche werden zunächst getrennt jeweils mit einer Begriffsklärung/ Definition, einer Beschreibung der Formen des grenzverletzenden Verhaltens potenzieller Betroffener und Täter/innen sowie mit einem Hinweis auf die spezifischen rechtlichen Grundlagen aufbereitet. Die Auswirkungen auf Betroffene sowie individuelle und betriebliche Handlungsstrategien gegen grenzverletzendes Verhalten und Übergriffe werden anschließend themenübergreifend dargestellt, da sie weitgehend deckungsgleich sind. Zentrale Fragen Was macht ein partnerschaftliches/ kameradschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz aus? Wo werden die Grenzen verletzt hinsichtlich sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Mobbing? Wie können sich einzelne wehren; was sollen Kameraden/innen und Vorgesetzte tun? Zielsetzungen Sensibilisierung für ein verletzendes grenzüberschreitendes Verhalten und seine Folgen Stärkung der Fähigkeit von Soldaten/innen, sich effektiv zu wehren und solidarisch zu sein Vermittlung von Strategien, sexueller Belästigung, Diskriminierung und Mobbing vorzubeugen B2-2 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Zeitgemäße Führung Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitplatz Unter partnerschaftlichem Verhalten wird eine Form des Umgangs verstanden, der durch Toleranz, Wertschätzung, Akzeptanz und Fairness gekennzeichnet ist. Damit geht einher, dass die Verschiedenartigkeit der militärischen wie zivilen Mitarbeiter/innen in der Bundeswehr z.B. in Bezug auf Geschlecht, Nationalität, Religionszugehörigkeit, Alter, Behinderungen oder auch sexuelle Orientierung gewollt und als Bereicherung verstanden wird. Es wird ferner von Seiten der Führung darauf geachtet, dass nicht-partnerschaftliches Verhalten nicht geduldet, sondern beendet und ggf. sanktioniert wird und den Beteiligten entsprechende Hilfsangebote zur Verfügung gestellt werden. Die Innere Führung wird maßgeblich bestimmt durch wechselseitiges Vertrauen und insbesondere durch Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit, Zivilcourage und ein vorbildliches Verhalten. Situationsorientiertes Verhalten zwingt zu klarer Befehlsgebung, auch zum Schutz der Soldaten. Erforderliche, auch harte Ausbildung darf nicht in Schikane münden. Die Grundrechte der Soldaten müssen jederzeit – auch im Einsatz – gewahrt bleiben. Aufgabe der Verantwortlichen ist es, dies stets zu beachten, zu kontrollieren und zu sanktionieren, wenn nötig mit Auffrischung ihrer Kenntnisse des Disziplinarrechts. Sprachliche Entgleisungen Nicht jede Äußerung ist gleich eine sexuelle Belästigung oder Mobbing. Nicht alle Soldaten realisieren jedoch, dass sie mit ihren Äußerungen Grenzen überschreiten und damit andere kränken, persönlich verletzen, oder herabsetzen. Der Wehrbeauftragte kritisiert, dass gelegentlich Mängel im Umgangston insbesondere bei jüngeren männlichen Vorgesetzten zu beobachten sind. Wenn sprachliche Entgleisungen das Gesprächsklima im Kameraden/innen-Kreis bestimmen, sind nicht selten Diskriminierung und Isolierung Einzelner die Folge. Die Grenze eines Spruches oder Witzes ist dann überschritten, wenn jemand der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Verschärfend kommt hinzu, wenn dies z.B. vor versammelter Mannschaft geschieht. Der oder die Betroffene ist dann zu recht verletzt und reagiert keinesfalls zu „zimperlich“. Auch oder gerade, wenn ein Soldat es nicht „so gemeint hat“, sich der oder die andere aber gekränkt fühlt, muss der Vorfall angesprochen werden: Wie war der Spruch gemeint? Was steckt dahinter? Was ist an dem Spruch verletzend oder kränkend? Wie würde es dem Soldaten/ der Soldatin gehen, wenn er/ sie an Stelle des/ der Betroffenen wäre? Beispiele Ein Oberleutnant (m) fällt mehrfach wegen verbaler Entgleisungen auf. Einen Stabsunteroffizier (m) bezeichnet er als „Tippse mit Sack“. Ein Unteroffizier (w) wird während eines Leistungsmarsches verbal hart angegangen. Sie bricht in Tränen aus. Der Zugführer kritisiert: „Wenn Sie das nicht durchstehen, Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-3 gehen sie besser wieder nach Hause. Heulsusen haben bei der Bundeswehr nichts verloren.“ Ein Vorgesetzter versucht während eines Leistungsmarsches eine Sanitäterin mit den Worten anzutreiben: „Beim ersten Mal tut’s noch weh, das ist wie beim Ficken.“ „Sie würde ich nicht von der Bettkante schupsen“. Gerede und Gerüchte Auch die Bundeswehr erfährt mit der vollständigen Öffnung für beide Geschlechter, dass die Themen Flirts, Sexualität und Partnerschaften am Arbeitsplatz größer wird. Solange Frauen in der Bundeswehr noch deutlich in der Minderheit sind, ist selbst ein bloßes Kennenlernen anderer Kameraden ohne Unterstellungen kaum möglich. Wie im zivilen Bereich auch kommt es dazu, dass hinter dem Rücken geredet wird, dass Sprüche fallen und Gerüchte in die Welt gesetzt werden – leider (vgl. auch Baustein 3). Beispiele Ein weiblicher Soldat fühlt sich permanent beobachtet: „Ich kann ja nicht einmal mit jemandem Kaffee trinken, ohne dass gleich geredet wird.“ Ein anderer weiblicher Soldat ist kontaktfreudig und unterhält sich auch gern länger mit ihren Kameraden. Als Reaktion wird über sie gelästert: „Die schläft ja wohl mit jedem...“ Ein weiblicher Soldat geht drei Abende hintereinander mit demselben Mann abends einen trinken. Am nächsten Tag fragt der Vorgesetzte sie vor versammelter Mannschaft: „Na, läuft da was?“ Material Sprache und Sprachentgleisung. Arbeitspapier 1/2000. Zentrum Innere Führung B2-4 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Sexuelle Belästigung – wo hört der „Spaß“ auf? Begriff und Definition Zwischen den Menschen eines Kulturkreises besteht ein unausgesprochener Konsens darüber, welche Umgangsformen als korrekt und respektvoll angesehen werden und welche andererseits die Würde und die Privatsphäre verletzen. Zum Begriff Sexuelle Belästigung ist ein Verletzen dieser Konventionen, insbesondere im Umgang zwischen Frauen und Männern, aber auch zwischen Männern oder zwischen Frauen untereinander. Jemand bricht im Bereich der Geschlechterverhältnisse die Umgangsregeln und dringt ohne Erlaubnis bzw. trotz Ablehnung in die Intimsphäre des Gegenübers ein. Auf diese Weise übt die Person Macht aus und missachtet die Würde des Gegenübers. Dies kann auf direkte oder indirekte Weise erfolgen, z.B. durch körperliche Annäherungsversuche oder auch durch anzügliche Bemerkungen oder pornografische Poster 1. Definition Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist jedes sexuell bestimmte Verhalten, das von den Betroffenen unerwünscht und geeignet ist, sie als Person herabzuwürdigen. Hierzu gehören etwa körperliche Berührungen und Übergriffe, Bemerkungen mit sexuellem Inhalt, Vorzeigen pornografischer Darstellungen und Aufforderungen zu sexuellen Handlungen. Sexuelle Belästigung kann sich in Worten, Handlungen, Gesten oder sonstigem sexuell bestimmten Verhalten ausdrücken. Sexuelle Belästigung ist immer ein einseitiges und unerwünschtes Verhalten. Besonders verwerflich ist sexuelle Belästigung dann, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt wird, insbesondere berufliche Vorteile versprochen und Nachteile angedroht werden.2 Es hängt ausschließlich von den individuellen Empfindungen ab, ob und inwieweit sich Betroffene sexuell belästigt fühlen. Dabei ist zu beachten, dass die persönlichen Wahrnehmungen und Toleranzgrenzen sehr unterschiedlich sind. Eine Frau empfindet die intensiven Blicke ihrer Kollegen als unangenehm, während eine andere sie als Kompliment interpretiert oder sie einer Dritten gleichgültig sind. Jede Person muss für sich entscheiden, welches Verhalten sie im Einzelfall akzeptiert und wo sie andererseits ihre Grenzen verletzt sieht. Die persönlichen Grenzen des Einzelnen sind in jedem Fall von anderen Personen zu achten und zu respektieren. „Nein“ heißt „Nein“ und nicht „Jein“, „Ja, vielleicht“ oder sogar „Ja“. Es geht bei dem Thema „sexuelle Belästigung“ nicht um das Verbot von Flirts und Beziehungen am Arbeitsplatz. Wenn sie von beiden Seiten gleichermaßen erwünscht sind, können sie die Arbeitszufriedenheit erhöhen. Schließlich lernen zahlreiche Frauen oder Männer ihre Beziehungspartner/innen am Arbeitsplatz kennen. Vielmehr geht es darum, ein Arbeitskli- vgl. Schneble, A. Domsch, M. (1990): Sexuelle Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz: Eine Bestandsaufnahme im Hamburger öffentlichen Dienst, München 2 vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): (K)ein Kavaliersdelikt? S. 8–9 1 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-5 ma zu gewährleisten, das für Frauen wie Männer frei von erniedrigenden, beleidigenden und abwertenden Verhaltensweisen ist und sie akzeptiert und würdigt. Aufforderung zu sex. Handlungen Androhen beruflicher Nachteile Versprechen beruflicher Vorteile 80 % – 100 % Telefonate/ Briefe mit sex. Inhalt absichtliche Körperberührung wiederholte Kontaktversuche 50 % – 79 % anzügliche Worte zu Figur, Sex-Porno-Bilder zufällige Körperberührung anzügliche Witze, Bemerkungen Hinterherpfeifen anstarren, taxieren 20 % – 49 % 0 – 19 % Formen, Betroffene und Täter/innen Frauen wie Männer definieren sexuelle Belästigung folgendermaßen3: aufgedrängte Küsse 99% unerwartetes Berühren der Brust 98% Androhung beruflicher Nachteile bei sexueller Verweigerung 98% Versprechen beruflicher Vorteile bei sexuellem Entgegenkommen 97% Telefongespräche und Briefe mit sexuellen Anspielungen 96% Po kneifen oder Klapse 91% unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht 86% anzügliche Bemerkungen über die Figur und das Privatleben 85% pornografische Bilder am Arbeitsplatz5 73% Formen der sexuellen Belästigung und Opferprofil Die Mehrheit der Frauen würde sich durch folgende Verhaltensweisen belästigt fühlen4: vgl. Deutsche Post AG a. a. O., prozentuale Zustimmung von jeweils 100 vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): a. a. O. 5 zu einer Arbeitsdefinition von Pornografie: vgl. Knoll, J. (1998): Jugendliche Medienwelt – Sexualität und Pornografie, in: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hg.): Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung, Köln 3 4 B2-6 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Beispiele aus der Bundeswehr Nicht immer ist es einfach, die persönliche Grenzen zwischen Flirts, kameradschaftlich lockeren Scherzen auf der einen und unangemessenen Sprüchen sowie verletzenden Belästigungen auf der anderen Seite klar zu unterscheiden. Wann muss ein Soldat disziplinarrechtlich bestraft werden oder wann nicht? Wie würden diese Situationen im zivilen Bereich geregelt werden? Beispiele verbal - Umgang mit „blöden“ Sprüchen (vgl. a. Kap. „Sprachliche Entgleisungen“) „Sie würde ich nicht von der Bettkante schupsen“. „Sagen Sie mal, wie sind Sie denn so im Bett?“ „Sind Sie beim Sex auch so wenig engagiert?“ „Die möchte doch immer nur zur See fahren, um die ganzen Männer durchzuvögeln.“ „Die ist schön naiv – und wird im Ausland nur Orgien feiern.“ „Der würde ich auch mal gern an die Brust fassen.“ „Sie haben mich doch bereits im Wartezimmer angefickt“. Eine Soldatin findet morgens das Wort „Bitch“ (Schlampe, Weibstück, Hure auf deutsch) auf die Windschutzscheibe geschmiert. Ein Zugführer fordert einen weiblichen Sanitätssoldaten auf, einen Soldaten oral zu befriedigen. Dieser solle hinterher berichten, wie es gewesen sei. körperlich Ein männlicher Soldat will einen weiblichen Kamerad in den Arm nehmen und trösten. Er schreckt aber davor zurück, man könnte es ihm ja auch als Betatschen auslegen. Bei einem privaten Abendessen fummeln ein Soldat und die Frau eines Kameraden, der sich angetrunken schon verabschiedet hatte. Drei Soldatinnen lassen sich in der Kaserne „oben ohne“ von Kameraden den Rücken massieren. Ein männlicher Inspektionschef klopft sechs Unteroffiziersanwärtern (w) während eines Lehrgangs aufs Gesäß, fasst ihnen an die Brüste und fragt, wann sie das letzte Mal Sex hatten. Eine Soldatin nimmt immer wieder subtil körperlich Kontakt zu einem männlichen Rekruten auf. An einem Zugabend wird ein alkoholisierter Unteroffizier (m) zudringlich. Er umarmt mehrere Soldatinnen und versucht, sie zu küssen. Ein Obergefreiter (m) missbraucht eine Bundeswehrbewerberin sexuell. Er überfällt sie auf der Stube, zerrt sie in ein anderes Zimmer und vergewaltigt sie trotz starker Gegenwehr. Ein Feldwebel (m), dem sich die Bewerberin anvertraut, versucht das Verbrechen zu vertuschen. Erfahrungen Betroffener und Konsequenzen für Täter/innen Solange sich ein unangemessenes Verhalten noch in einer Grauzone vor einer sexuellen Belästigung bewegt, geht es den meisten Betroffenen nicht darum, die Belästiger/innen disziplinarrechtlich zu belangen. Die Betroffenen erwarten aber, dass der Übergriff sofort aufhört sowie eine ehrliche Entschuldigung. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-7 Kommt es zu einem eindeutigen sexuellen Übergriff, machen einige Soldaten allerdings die Erfahrung, dass ihre berechtigte Beschwerde mit verharmlosenden Begründungen abgewiesen wird: Dem Hauptmann sei „keine schuldhafte Verletzung der Dienstpflichten vorzuwerfen“. In anderen Fällen ist von „unglücklichen Missverständnissen“ oder „dummen Jungenstreichen“ die Rede. Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Ehrverletzungen sind jedoch straf- und disziplinarrechtlich zu verfolgen. Dagegen wird in einigen Fällen mitunter auch disziplinarrechtlich überreagiert – aus Furcht vor dem Vorwurf, etwas verharmlosen oder vertuschen zu wollen. Im Zweifelsfall landet ein Vorfall vor Gericht. Und die Richter verhängen z.T. harte Urteile als „generalpräventive Maßnahme“. Beispiel Ein männlicher Vorgesetzter versucht während eines Leistungsmarsches einen weiblichen Sanitäter mit den Worten anzutreiben: „Beim ersten Mal tut’s noch weh, das ist wie beim Ficken.“ - Der Soldat wurde mit einem zweijährigen Beförderungsverbot bestraft. Hätte bei einer ersten Verfehlung vielleicht auch ein „Anschiss“ des Vorgesetzten gereicht? Profil Betroffener Spätestens seit 1997 sind das Ausmaß und die Bedeutung sexueller Belästigung im Berufsleben durch eine Untersuchung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bekannt. 72% der befragten Frauen gaben an, am Arbeitsplatz Situationen erlebt zu haben, die als sexuelle Belästigung einzustufen sind. Aber auch Männer berichten zunehmend von Situationen sexueller Belästigung.6 35% von den in der belgischen Armee befragten Frauen (1998) wurden mit pornografischen Medien konfrontiert. 39% berichteten von unerwünschten Berührungen und 28% von offenen sexuellen Angeboten. 5% fühlten sich sexuellen Erpressungen ausgesetzt und 3% gaben sexuelle Gewalt an.7 In den USA klagten über 60% der Soldatinnen über sexuelle Belästigung. Aufgrund der Inneren Führung ist allerdings ein vergleichbares Ausmaß in Deutschland nicht zu erwarten. Trotzdem hat der Wehrbeauftragte des Bundestages eine weit verbreitete Neigung beobachtet, sexuelle Übergriffe zu vertuschen und zu verharmlosen. Belästigte Frauen (Gesamtgesellschaft) Alter der Belästigten zum Zeitpunkt der Belästigung8 unter 20 Jahre 22% 20 bis unter 30 Jahre 53% 30 bis unter 40 Jahre 19% 40 bis unter 50 Jahre 5% 50 bis unter 60 Jahre 1% vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): a. a. O. vgl. Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr: Bd. 69. Die weitere Öffnung der Bundeswehr für Frauen, S. 28 8 vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (1997): Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Schriftenreihe Band 141, S. 20 6 7 B2-8 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Familienstand der belästigten Frauen verheiratet 23% feste Partnerschaft 35% allein stehend, geschieden, verwitwet 40% in Trennung lebend 3% Aus weiteren Studien geht hervor, dass die Opfer häufig jüngere Frauen in der beruflichen Einstiegsphase sind. Ihre Unsicherheit und Abhängigkeit als „Berufsanfängerin“ hindern sie oftmals daran, sich deutlich und vehement zur Wehr zu setzen. Belästigte Männer (Gesamtgesellschaft) In einem Unternehmen wurden 265 männliche Beschäftigte befragt. 19% der Männer gaben an, selbst sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt zu haben. Sie nannten ähnliche Erfahrungen wie die Frauen. Im Gegensatz zu den Frauen wurden sie jedoch weniger von den Vorgesetzten, sondern eher von gleichrangigen Personen beiderlei Geschlechts belästigt. Auf Grund der selten bestehenden Abhängigkeit von den Tätern/innen wurden die Belästigungen weniger belastend erlebt und es gelang den betroffenen Männern daher, sich besser vor weiteren Belästigungen zu schützen. Der größte Unterschied zu den belästigten Frauen bestand darin, dass die Männer angaben, sich in den meisten Fällen erfolgreich gewehrt zu haben.9 Die Belästiger/innen Die sexuelle Belästigung erfolgt in erster Linie durch Männer. Frauen sind vergleichsweise seltener „Täterinnen“. Im Gegensatz zu den Belästigungsopfern arbeiten die zumeist männlichen „Täter“ meist in gesicherten beruflichen Positionen und sind schon lange im Unternehmen tätig. Sexuelle Belästigung geht zu 64% von Kollegen/innen aus, zu 17% von Vorgesetzten oder Ausbildern/innen, zu 14% von anderen Personen und zu 5% von nachgeordneten Mitarbeitern/innen.10 Oft sind sie „unter der Hand“ bereits für ihr Verhalten bekannt, aber es sind nur selten „brutale Sittlichkeitsverbrecher“ oder „perverse Typen“. Meist sind es ganz „normale“ Männer mit Familie, deren Verhalten deshalb toleriert wird. Laut der bundesweiten Studie des BMFSFJ aus dem Jahr 1997 liegt das Durchschnittsalter der Belästiger/innen zwischen 30 und 50 Jahre. 62% von ihnen waren zum Zeitpunkt der Belästigung verheiratet. Eine betriebliche Studie weist folgende Geschlechterverteilung aus11: Frauen wurden belästigt zu: Männer wurden belästigt zu: 90 % durch einen Mann 50 % durch einen Mann 10 % durch eine Frau 50 % durch eine Frau Neben der heterosexuellen gibt es natürlich auch die homosexuell orientierte Belästigung. Jede zweite sexuelle Belästigung eines Mannes und jede zehnte Belästigung einer Frau geht von einer Person gleichen Geschlechts aus. vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (1997): a. a. O. vgl. Deutsche Post AG: a. a. O. 11 vgl. vgl. Deutsche Post AG: a. a. O. 9 10 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-9 Rechtliche Grundlagen Zum Verbot aller Verhaltensweisen, die unter sexuelle Belästigung fallen, existiert eine Vielzahl gesetzlicher Bestimmungen. Sie beziehen sich auf Situationen, in denen Frauen wie Männer in ihrer Arbeitssituation beeinträchtigt und in ihrer persönlichen Würde verletzt werden. In rechtlichen Auseinandersetzungen befinden sich die betroffenen Personen dennoch oft in einer schwierigen Lage: Zum einen ist der Beweis der sexuellen Belästigung in vielen Fällen nicht leicht zu erbringen. Zum anderen spiegeln sich in der Rechtsprechung häufig nicht nur das subjektive Ermessen der zuständigen Staatsanwälte/innen und Richter/ innen wider, sondern auch vorherrschende gesellschaftliche Sichtweisen von Sexualität und Gewaltverhältnissen zwischen den Geschlechtern. Nachfolgend werden die wichtigsten Rechtsvorschriften zu diesem Thema aufgeführt. Grundgesetz Art. 1 Schutz der Menschenwürde (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar ... Art. 2 Allgemeines Persönlichkeitsrecht (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, so weit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In dieses Recht darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. Art. 3 Gleichheit vor dem Gesetz (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt ... (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, ... ,benachteiligt oder bevorzugt werden. Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte (EMRK) (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und Korrespondenz. (2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechtes nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, ... zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz ... der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Strafgesetzbuch § 174 Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen (1) Wer sexuelle Handlungen 1. an einer Person unter sechzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, 2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut oder im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit vornimmt oder an sich von den Schutzbefohlenen vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. B2-10 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz § 223b Misshandlung von Schutzbefohlenen (1) Wer Personen unter achtzehn Jahren, ..., die durch ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis von ihm abhängig sind, quält oder roh misshandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. § 184 Verbreitung pornografischer Schriften (1) Wer pornografische Schriften einer Person unter achtzehn Jahren überlässt oder zugänglich macht, an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Bürgerliches Gesetzbuch § 611a Gleichbehandlung von Männern und Frauen Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung, nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen ...Wenn im Streitfall der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist. § 612 a Maßregelungsverbot12 Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. § 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. § 823 Schadensersatzpflicht Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Gesetz zum Schutz der Beschäftigten § 1 Ziel, Anwendungsbereich Ziel des Gesetzes ist die Wahrung der Würde von Frauen und Männern durch den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind 1. die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben und Verwaltungen des privaten oder öffentlichen Rechts (Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte, zu ihrer Berufsbildung Gilt für den Bereich der Bundeswehrverwaltung und die zivilen Bereiche der Streitkräfte. Der militärische Teil der Streitkräfte ist ausgenommen. 12 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-11 Beschäftigte),ferner Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten; für sie tritt an die Stelle des Arbeitgebers der Auftraggeber oder Zwischenmeister; 2. die Beamtinnen und Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Bundes oder eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts; 3. die Richterinnen und Richter des Bundes und der Länder; 4.weibliche und Soldaten (§ 6). § 2 Schutz vor sexueller Belästigung Arbeitgeber und Dienstvorgesetzte haben die Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt. Dazu gehören 1. sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen, die nach strafgesetzlichen Vorschriften unter Strafe gestellt sind, sowie 2. sonstige sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen, die von den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten oder ein Dienstvergehen. § 3 Beschwerderecht der Beschäftigten Die betroffenen Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebes oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, von anderen Beschäftigten oder von Dritten am Arbeitsplatz sexuell belästigt im Sinne des § 2 Abs. 2 fühlen. Die Vorschriften der §§ 84, 85 des Betriebsverfassungsgesetzes bleiben unberührt. Der Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzte hat die Beschwerde zu prüfen und geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Fortsetzung einer festgestellten Belästigung zu unterbinden. § 4 Maßnahmen des Arbeitgebers oder Dienstvorgesetzten, Leistungsverweigerungsrecht Bei sexueller Belästigung hat 1. der Arbeitgeber die im Einzelfall angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Die Rechte des Betriebsrates nach § 87 Abs.1 Nr.1, §§ 99 und 102 des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalrates nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 a und Abs. 3 Nr. 15, § 77 Abs. 2 und § 79 des Bundespersonalvertretungsgesetzes sowie nach den entsprechenden Vorschriften der Personalvertretungsgesetze der Länder bleiben unberührt; 2. der Dienstvorgesetzte die erforderlichen dienstrechtlichen und personalwirtschaftlichen Maßnahmen zu treffen. Die Rechte des Personalrates in Personalangelegenheiten der Beamten nach den §§ 76, 77 und 78 des Bundespersonalvertretungsgesetzes sowie nach den entsprechenden Vorschriften der Personalvertretungsgesetze der Länder bleiben unberührt. Ergreift der Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzte keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung der sexuellen Belästigung, sind die belästigten Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit am betreffenden Arbeitsplatz ohne Verlust des Arbeitsentgelts und der Bezüge einzustellen, so weit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist. Der Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzte darf die belästigten Beschäftigten nicht benachteiligen, weil diese sich gegen eine sexuelle Belästigung gewehrt und in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt haben. B2-12 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz § 5 Fortbildung für Beschäftigte im öffentlichen Dienst Im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst sollen die Problematik der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, der Rechtsschutz für die Betroffenen und die Handlungsverpflichtung des Dienstvorgesetzten berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere bei der Fortbildung von Beschäftigten der Personalverwaltung, Personen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben, Ausbildern sowie Mitgliedern des Personalrates und Frauenbeauftragten. § 6 Sonderregelung für Soldaten Für weibliche und Soldaten bleiben die Vorschriften des Soldatengesetzes, der Wehrdisziplinarordnung und der Wehrbeschwerdeordnung unberührt § 7 Bekanntgabe des Gesetzes In Betrieb und Dienststellen ist dieses Gesetz an geeigneter Stelle zur Einsicht auszulegen und auszuhängen. Jugendarbeitschutzgesetz § 1 Geltungsbereich Dieses Gesetz gilt für die Beschäftigung von Personen, die noch nicht 18 Jahre alt sind, 1. in der Berufsausbildung, ... 4. in einem der Berufsausbildung ähnlichem Ausbildungsverhältnis sind. § 22 Gefährliche Arbeiten Jugendliche dürfen nicht beschäftigt werden: mit Arbeiten, bei denen sie sittlichen Gefahren ausgesetzt sind. § 25 Verbot der Beschäftigung durch bestimmte Personen Personen, die ... 2. wegen einer vorsätzlichen Straftat, die sie unter Verletzung der ihnen als Arbeitgeber, Ausbildender oder Ausbilder obliegenden Pflichten zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen begangen haben, zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt sind, dürfen Jugendliche nicht beschäftigen sowie im Rahmen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 1 nicht beaufsichtigen, nicht anweisen, nicht ausbilden und nicht mit der Beaufsichtigung, Anweisung oder Ausbildung von Jugendlichen beauftragt werden. Eine Verurteilung bleibt außer Betracht, wenn seit dem Tage ihrer Rechtskraft fünf Jahre verstrichen sind ... § 27 Behördliche Anordnungen und Ausnahmen Die zuständige Behörde kann 1. den Personen, die die Pflichten, die ihnen kraft Gesetzes zu Gunsten der von ihnen beschäftigten, beaufsichtigten, angewiesenen oder auszubildenden Kinder und Jugendlichen obliegen, wiederholt oder gröblich verletzt haben, 2. den Personen, gegen die Tatsachen vorliegen, die sie in sittlicher Beziehung zur Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung oder Ausbildung von Kindern und Jugendlichen ungeeignet erscheinen lassen, verbieten, Kinder und Jugendliche zu beschäftigen oder im Rahmen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 1 zu beaufsichtigen, anzuweisen oder auszubilden. § 28 Menschengerechte Gestaltung der Arbeit Der Arbeitgeber hat bei der Einrichtung und der Unterhaltung der Arbeitsstätte einschließlich der Maschinen, Werkzeuge und Geräte und bei der Regelung der Beschäftigung die Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen, die zum Schutze der Jugendlichen gegen Gefahren für Leben und Gesundheit sowie zur Vermeidung einer Beeinträchtigung der körperlichen oder seelisch- geistigen Entwicklung der Jugendlichen erforderlich sind. Hierbei sind Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-13 das mangelnde Sicherheitsbewusstsein, die mangelnde Erfahrung und der Entwicklungsstand der Jugendlichen zu berücksichtigen. EU-Richtlinie Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen Erstmals definieren Rat und Parlament auf EU-Ebene den Tatbestand der sexuellen Belästigung und schreiben ihn als Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts rechtlich fest. Die neue Richtlinie wird u.a. Bestimmungen in Bezug auf Durchsetzung von Rechtsansprüchen, Wiedergutmachungsleistungen, die nicht an bestimmte Höchstbeträge gebunden sind, und Strafmaßnahmen enthalten. Ferner verpflichtet sie Arbeitgeber/innen, vorbeugende Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung zu treffen und jedem Betriebsangehörigen regelmäßig einen Bericht zum Stand der im Betrieb verwirklichten Gleichbehandlungsmaßnahmen auszuhändigen. In Kraft tritt die neue Richtlinie im Jahr 2005. Die aktuelle EU Gesetzgebung findet sich unter http://europa.eu.int/employment_social/equ_opp/rights_de.html Weiterhin: Führungshilfe für Vorgesetzte „Umgang mit Sexualität“ Der Generalinspekteur der Bundeswehr vom 20.12.2000 ZDv14/3 B 173 Sexuelles Verhalten von und zwischen Soldaten Wehrbeschwerdeordnung vom 16.01. 1991 (BGBl. I S.47), geändert durch Zweites Gesetz zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung anderer Vorschriften vom 16.8.2001 Wehrdisziplinarordnung vom 24. 7. 1995 (BGBl. I S. 964) Wehrstrafgesetz (WStG) vom 21.12.1979 BGBl. 1 S.2326 Soldatengesetz § 3 Ernennungs- und Verwendungsgrundsätze § 10 Pflichten des Vorgesetzten § 11 Gehorsam § 12 Kameradschaft § 13 Wahrheit § 14 Verschwiegenheit § 23 Dienstvergehen § 34 Beschwerde § 35 Beteiligungsrechte der Soldaten § 70 Personalvertretung der Beamten, Angestellten und Arbeiter B2-14 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Diskriminierung – oder die Angst vor dem Anderssein Die Bundeswehr ist geprägt von der Vielfalt ihrer Soldaten und zivilen Beschäftigten. Sie bringen ein breites Potenzial unterschiedlicher persönlicher Fähigkeiten, Erfahrungen und Sichtweisen in die Streitkräfte ein. Damit das Zusammenspiel reibungslos funktioniert, sind Offenheit, Toleranz und Verständnis unabdingbare Voraussetzungen. Diskriminierung darf in der Bundeswehr keinen Platz haben. Die Bundeswehr setzt sich daher für vollständige Gleichbehandlung und den Abbau von Sonderbehandlungen ein (vgl. auch Baustein 1). Eine besondere Herausforderung für jeden Vorgesetzten stellt ein Angehöriger einer Minderheit dar. Es gilt die persönlichen Besonderheiten des Soldaten zu berücksichtigen, seine Integration in die Gemeinschaft zu fördern und Diskriminierung wie Ausgrenzung zu verhindern. Dienstaufsichtsführende Vorgesetzte müssen die Menschenwürde auch und gerade von Angehörigen von Minderheiten achten. Ein Gebot der Kameradschaft ist es für Soldaten, Menschen in ihrer „anderen“ Art zu achten und zu akzeptieren. Erfahrungsgemäß neigen Minderheiten zunächst dazu, die eigene Leistung niedrig zu bewerten. Diese abwertende Selbsteinschätzung lässt sich auch durch eigene positive Leistungen nicht so schnell korrigieren. Notwendig sind kontinuierliche Rückmeldungen im Sinne konstruktiver Kritik und Ermutigung. Eine zu rücksichtsvolle Behandlung wirkt wie eine unerwünschte Sonderbehandlung und löst damit neue Probleme auf beiden Seiten aus. Begriff und Definition Zum Begriff Diskriminierung kommt aus dem Lateinischen und steht für „unterscheiden“, „aussondern“. Von den verbotenen Diskriminierungen unterscheiden sich unterschiedliche Behandlungen aufgrund staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten sowie einer Bevorzugung bislang benachteiligter Gruppen13. Viele Fälle von Diskriminierung gehen nahtlos in Mobbing über. Definition Als Diskriminierung einzustufen sind alle Äußerungen, Handlungen oder Unterlassungen, die Personen aufgrund ihres Alters, Geschlechts, Familienstands, Glaubens, Gesundheitszustands, ihrer Nationalität, Herkunft, Kultur, Sprache, sexuellen Orientierung, Behinderung, Gestalt, Bildung, Lebenserfahrung, Mentalität, Lebensweise, ihrer Meinungen, Werte, oder aus einem anderen Grund verächtlich machen, herabwürdigen oder benachteiligen.14 vgl. Volkswagen AG Zentrales Personalwesen (1997): Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz, Eine Information für Betroffene und Beteiligte 14 Zusammenfassung aus diversen Definitionen 13 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-15 Formen, Betroffene und Täter/innen Daten In Deutschland werden diskriminierende Handlungen auf bundesweiter Ebene nicht vollständig statistisch erfasst. Gleichwohl sind Tendenzen erkennbar. Formen Diskriminierung ist am häufigsten auf dem Arbeitsmarkt und am Arbeitsplatz anzutreffen15. Diskriminierungen können durch demütigende Äußerungen, abweisende Körpersprache, beleidigende Gesten oder Mimik erfolgen wie auch durch anonyme Verbreitung von Symbolen, Sprüchen und Schmierereien, aber auch durch Handlungen und Unterlassungen.16 Handlungen Bei der Diskriminierung dominieren Beleidigungen (34%) gefolgt von Belästigungen, Bedrohungen und der Anwendung körperlicher Gewalt.17 Als Diskriminierung können weiterhin alle Mobbinghandlungen gelten. Täter und Täter/innen Diskriminierungen können von Einzelnen, Gruppen, Institutionen oder auch von staatlichen Stellen ausgehen. Betroffene diskriminierender Angriffe Bevorzugt werden Angehörige von Randgruppen und Minderheiten an ihren Arbeitsplätzen diskriminiert oder auch gemobbt. Als Gründe für die Diskriminierung wird am häufigsten das Kriterium Herkunft genannt (68,4%). Danach kommen die Kategorien Staatsangehörigkeit (32,1%), Hautfarbe (21,4%), Sozialstatus (15,3%), Sprache (13%) und Geschlecht (4,7%).18 Frauen in der Minderheit Studien aus den USA zeigen, dass ein Frauenanteil zwischen 20% und 50% in den Streitkräften optimal ist.19 Unterschreitet der Anteil einer Minderheit eine Grenze von 15%, kann sie sich nur bedingt bemerkbar machen und ist sozial nicht vollständig integriert20. Vor allem zeigen sich dann ein Aufbrechen des Gruppenzusammenhalts und polarisierende Verhaltensweisen, z.B. vermehrtes Balzverhalten, Sprüche, Pfiffe, übertriebenes Kavaliers- und Schutzverhalten der Männer. Bis auf die USA hat kein NATO-Staat diesen Prozentsatz bislang erreicht. Auch für die Bundeswehr stellt das Sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut Polarisierungstendenzen zwischen Männern und Frauen fest.21 vgl. Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit EUMC (2000): Vielfalt und Gleichheit für Europa, Jahresbericht 16 vgl. Volkswagen AG: a. a. O. 17 vgl. Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen MASQT (2001): Modellprojekt, Antidiskriminierung von neun Antidiskriminierungs-Stellen 1997–2000 18 vgl. MASQT: a. a. O. 19 vgl. vgl. Dokumentation Zentrum Innere Führung, Impulsseminar „Frauen in den Streitkräften“ a. a. O. 20 vgl. die von Kanter aufgestellt Theorie des „Tokenism“ u.a. in SOWI Bd. 76 a. a. O. 21 vgl. SOWI Bd. 76 a. a. O. 15 B2-16 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Männer in der Minderheit Generell liegen keine Erfahrungen vor, ob Männer Opfer diskriminierender Angriffe von Frauen werden, wenn sie in die Rolle einer Minderheit geraten. Menschen mit Behinderungen Behinderte sind fünfmal häufiger von Diskriminierung und Mobbing betroffen als nichtbehinderte Kollegen/innen22. Eine Behinderung „passiert“ meist im Laufe eines Lebens durch Unfälle oder Erkrankungen. Sie stellen einen tiefen persönlichen Einschnitt im Leben Betroffener dar. Individuell verändern sich einzelne Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die Erfahrung zeigt aber, dass Menschen mit einer Behinderung im Arbeitsleben besonders motiviert sind. Sie wollen, dass man ihnen etwas zutraut, dass sie gefordert werden, dazu lernen und sich weiter entwickeln können. Dafür brauchen sie Unterstützung. Menschen mit einer „anderen“ sexuellen Orientierung und Identität Bis zu 10 Prozent bekennen sich in anonymen Umfragen zur gleichgeschlechtlichen Liebe. Doch nur wenige wagen das "Coming out". Statt offen wie die anderen über die neue große Liebe zu sprechen, verbergen viele Lesben, Schwule und Bisexuelle immer noch ihr Privatleben und führen ein belastendes Doppelleben. 80,9% befragter Lesben und Schwule kennen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Nur knapp 30% der Kollegen/innen wissen von der Homosexualität der Befragten.23 Die Bundeswehr trägt den gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung und weist mit der Führungshilfe „Umgang mit Sexualität“ explizit auf die Gleichbehandlung hetero- und homosexueller Bundeswehrangehöriger hin. Rechte und Pflichten gelten konsequent für alle Soldaten unabhängig von der sexuellen Orientierung. Sexualität fällt in die Privatsphäre eines jeden Soldaten und ist damit unerheblich für Kameradschaft, Leistungsbewertung und ähnliches. Historie Offen lebende Schwule werden erst seit 1982 zum Wehrdienst eingezogen, davor wurden sie ausgemustert. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte noch am 25.10.1979: "Eine homosexuelle Neigung schließt die Eignung eines Soldaten zum Vorgesetzten aus." Die Bundeswehr nahm bei schwulen Soldaten generell Einschränkungen ihrer Eignung und Verwendungsfähigkeit an. 1982 wurde General Günther Kießling wegen seiner angeblichen Homosexualität entlassen. Der MAD (Militärische Abschirmdienst) glaubte ein Sicherheitsrisiko zu erkennen, da General Kießling erpressbar wäre. Seit dem Erlass der Führungshilfe für Vorgesetzte „Umgang mit Sexualität vom 20. 12. 2000 (neu gefasst durch die ZDv 14/3 „Sexuelles Verhalten von und zwischen Soldaten“) können schwule Soldaten Offiziere oder Unteroffiziere werden, wenn ihre Homosexualität bekannt ist. Noch tabuisierter leben Transgender, sprich Menschen, deren biologisches Geschlecht als „männlich“ oder „weiblich“ nicht mit ihrem eigenen Empfinden übereinstimmt und die dieses möglicherweise verändern wollen. Viele alltägliche Probleme resultieren aus der Angst, offen über das Thema zu sprechen. Vorurteile lassen sich am besten über ein Gespräch abbauen. Skeptiker/innen können zumindest angeregt werden, ihre Einstellung zu überprüfen und noch einmal zu überdenken. vgl. Leymann, H. (1993): Mobbing. Psychoterror am Arbeitsplatz vgl. Knoll, C., Bittner, M., Ediner, M., Reisbeck, G., Schmitt, R., Keupp, H. (1995): Lesben und Schwule in der Arbeitswelt 22 23 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-17 Nicht selten werden Schwule ähnlich wie Frauen mit Sprüchen konfrontiert, die sich allein auf ihre sexuelle Orientierung beziehen. Beispiel Kameraden zu einem offen schwulen Versorgungsfeldwebel: „Na Süßer, du hast aber einen knackigen Po. Da werden ja noch viele ihren Spaß mit haben...“ Die Bundeswehr akzepetiert Soldaten/innen, die zu ihrer sexuellen Orientierung und Identität stehen, und duldet keine Diskriminierung. Ausländische Mitbürger/innen Leider werden in Deutschland immer noch Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion und anderer Nationalität diskriminiert. Vielen Soldaten/innen sind „andere“ kulturelle oder religiöse Lebensweisen fremd. Einige reagieren darauf mit Interesse, Offenheit und Neugier. Andere fühlen sich eher bedroht und wehren eine Andersartigkeit mit Spott, Intoleranz und Ausgrenzung ab. Nach Informationen des Wehrbeauftragten sind bei fremdenfeindlichen Vorfällen Grundwehrdienstleistende zu etwa 80% beteiligt. Mannschaftsdienstgrade sind zu 88% betroffen, Unteroffiziere zu 11% und Offiziere zu 1%. Die Bundeswehr duldet kein fremdenfeindliches und extremistisches Verhalten und geht konsequent dagegen vor. Auch im Truppenalltag müssen die Angehörigen der Bundeswehr lernen, sich auf Soldaten/innen verschiedener Kulturkreise einzustellen. Derzeit dienen Soldaten aus rund 90 Nationen in der Bundeswehr. Das Statistische Bundesamt erwartet, dass in zehn Jahren jeder achte Wehrdienstleistende ausländischer Herkunft sein wird. Die Integration von Soldaten/innen mit einer zunehmenden Vielfalt in Herkunft und Religionen ist eine Herausforderung. Material Muslime in den Streitkräften. Arbeitspapier Zentrum Innere Führung 3/2000 Minderheiten in der Bundeswehr. Ausbildungsfilm, Info-Forum 4/99, Informations- und Medienzentrale der Bundeswehr, St., Augustin Spätaussiedler/innen Soldaten/innen, die als Deutschstämmige aus osteuropäischen, asiatischen und anderen Ländern nach Deutschland einwandern, bringen vielfältige persönliche Erfahrungen aufgrund ihrer Kultur ein und bereichern damit die Bundeswehr. Der Prozess der Integration kann allerdings auch von typischen Herausforderungen begleitet sein, z.B. hinsichtlich Sprachkenntnissen, Umgang mit Alkohol, Gewaltbereitschaft, sogar durch die Konfrontation mit dem bei uns bewährten Prinzip der Auftragstaktik. Beispiel Soldaten, die aus streng hierarchisch strukturierten Staaten kommen, haben z.T. Schwierigkeiten das Prinzip der Auftragstaktik zu verstehen. Sie führen Befehle nur dem engen Wortlaut entsprechend durch und lassen eine weitergehende Initiative vermissen. Material Aussiedlerdeutsche in der Bundeswehr. Arbeitspapier Innere Führung, 2/99 B2-18 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Ursachen der Fremdenfurcht Ausländerfeindlichkeit resultiert fast nie aus persönlichen Erfahrungen mit Ausländern/ innen, im Gegenteil: Die wenigsten besonders ausländerfeindlichen Jugendlichen hatten und haben Kontakte zu Nichtdeutschen. Nicht die Attraktivität rechtsextremer Milieus oder autoritäre Verhaltensmuster begünstigen die Übernahme fremdenfeindlicher Motive, sondern die in solchen Kreisen häufig bewusst vermittelte Angst vor eigener Arbeitsund Chancenlosigkeit. Diese Angst schlägt sich nieder in der These von der Konkurrenz zu Asylbewerbern/innen und Ausländern/innen, die zu zahlreich seien und „einem deshalb die Stellen wegnehmen“. Im Kern der ausländerfeindlichen Haltung scheinen sich Deprivationsängste zu verstecken, bzw. die Furcht, in der wachsenden Konkurrenz um Arbeitsplätze und Zukunftschancen zu unterliegen.24 Eine geeignete Gegenstrategie ergibt sich deshalb nicht allein aus dem Ansatz der Widerlegung und argumentativen Auseinandersetzung mit „rechten“ Thesen oder Gruppierungen. Ergänzend müssen vorhandene und meist irreale Ängste abgebaut werden. Die Politik ist gefordert, reale berufliche Zukunftsperspektiven zu eröffnen. Aufnahmerituale Soldaten, die zum Unteroffizier befördert wurden, mussten in einigen Fällen Aufnahmerituale über sich ergehen lassen, wie der Wehrbeauftragte berichtet. Einzelne wurden damit einem diskriminierenden Gruppenzwang unterworfen, und durch Misshandlung, Demütigung oder einer entwürdigenden Behandlung in ihren Grundrechten verletzt. Auch wenn viele ältere Unteroffiziere diese Rituale selbst über sich hatten ergehen lassen müssen, ist dies kein Grund, sie weiter zu pflegen. 24 vgl. 13. Shell Jugendstudie: Jugend 2000 auch im Folgenden Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-19 Rechtliche Grundlagen Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten Art. 14 Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten. EU-Richtlinie EU-Richtlinie des Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft 2000/43/EG vom 29.Juni 2000 und EU-Richtlinie des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf 2000/78/EG vom 27.November 2000 Beide unter http://europa.eu.int/comm/employment_social Antidiskriminierungsgesetz Auf der Basis des Amsterdamer Vertrages wird Deutschland bis 2003 die zwei o.g. europäischen Richtlinien in nationales Recht umsetzen. Der entsprechende Gesetzestext wird unter www.bmj.bund.de zu finden sein. Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) § 67 Gleichbehandlung aller Diensstellenangehörigen (1) Dienststelle und Personalvertretung haben darüber zu wachen, dass alle Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechtes unterbleibt. Dabei müssen sie sich so verhalten, dass das Vertrauen der Verwaltungsangehörigen in die Objektivität und Neutralität ihrer Amtsführung nicht beeinträchtigt wird. Der Leiter der Dienststelle und die Personalvertretung haben jede parteipolitische Betätigung in der Dienststelle zu unterlassen; die Behandlung von Tarif-, Besoldungs- und Sozialangelegenheiten wird hierdurch nicht berührt. Soldatengesetz vgl. die entsprechenden Paragrafen unter Thema „Sexuelle Belästigung" B2-20 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Weiterhin: Führungshilfe für Vorgesetzte „Umgang mit Sexualität“ Der Generalinspekteur der Bundeswehr vom 20.12.2000 ZDv14/3 B 173 Sexuelles Verhalten von und zwischen Soldaten Wehrbeschwerdeordnung vom 16.01. 1991 (BGBl. I S.47), geändert durch Zweites Gesetz zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung anderer Vorschriften vom 16.8.2001 Wehrdisziplinarordnung vom 24. 7. 1995 (BGBl. I S. 964) Wehrstrafgesetz (WStG) vom 21.12.1979 BGBl. 1 S.2326 Weitere Gesetze: Diskriminierende Äußerungen und Handlungen verstoßen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes Artikel 3.Vergleiche auch die rechtlichen Grundlagen gegen „sexuelle Belästigung“ und „Mobbing“. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-21 Mobbing – Stopp dem Psychoterror Begriff und Definition Zum Begriff Das Wort „Mobbing“ hat sich als umgangssprachlicher Sammelbegriff für alle Konflikte am Arbeitsplatz etabliert. Dies trifft den Kern seiner Bedeutung allerdings nicht. Nicht alle, die sich subjektiv als Mobbingopfer fühlen, sind es auch. Nicht jede „alltägliche“ Auseinandersetzung, jede Schikane oder Ungerechtigkeit zwischen Menschen in Unternehmen ist Mobbing. Definition Mobbing meint das systematische Anfeinden, Intrigieren, Schikanieren oder Diskriminieren von Kameraden/innen bzw. Mitarbeitern/innen untereinander oder durch Vorgesetzte, ob bewusst oder unbewusst, über einen längeren Zeitraum.25 „To mob“ bedeutet sich zusammenrotten und anpöbeln, jemanden bedrängen, attackieren, angreifen, über jemanden herfallen. „Bossing“ oder „bullying“ meint den Psychoterror, der von Vorgesetzen ausgeht. Wenn Mitarbeiter/innen gegen Vorgesetzte vorgehen, wird von „staffing“ gesprochen.26 25 26 in Anlehnung an das Bundesarbeitsgericht, nach Lorenz, G.: Mobbing am Arbeitsplatz, in: Der Personalrat 2/2000 vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: a. a. O. B2-22 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Handlungen, Betroffene und Täter/innen Mobbinghandlungen nach Häufigkeit des Auftretens27 0% 20 % 40 % 60 % Gerüchte, Unwahrheiten 61,8 % Arbeitsleistung falsch bewertet 57,2 % Sticheleien, Hänseleien 55,9 % Verweigerung wichtiger Informationen Arbeit massiv, ungerecht kritisiert 51,9 % 48,1 % Ausgrenzung, Isolierung 39,7 % als unfähig dargestellt 38,1 % Beleidigungen 36,0 % Arbeitsbehinderungen Arbeitsentzug 26,5 % 18,1 % Die zwanzig „beliebtesten“ Mobbinghandlungen28 1. hinter dem Rücken schlecht über jemanden reden 2. abwertende Blicke oder Gesten 3. Kontaktverweigerungen durch Andeutungen 4. Arbeitsleistungen falsch oder kränkend beurteilen 5. Gerüchte verbreiten ständig an der Arbeit kritisieren 6. Vorgesetzte schränken Äußerungsmöglichkeiten ein 7. Entscheidungen in Frage stellen 8. Arbeitsaufgaben weit unter dem Können zuteilen 9. jemanden lächerlich machen nicht mehr mit dem Betroffenen sprechen ebd. vgl. Knorz, C. & Zapf, D. (1996): Mobbing – eine extreme Form sozialer Stressoren am Arbeitsplatz, in: Zeitschrift für Arbeits- & Organisationspsychologie, 40, S. 12–21 27 28 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-23 10. ständig unterbrechen Kolleg/innen schränken die Äußerungsmöglichkeiten ein 11. sich nicht ansprechen lassen 12. anschreien, laut schimpfen 13. jemanden verdächtigen, psychisch krank zu sein oder zu selbstwertverletzenden Arbeiten zwingen 14. mündlich drohen 15. sinnlose Arbeitsaufgaben zuteilen 16. ständig neue Aufgaben vergeben 17. kränkende Arbeitsaufgaben zuteilen 18. Kolleg/innen das Ansprechen verbieten 19. die politische Einstellung angreifen 20. ständige Kritik am Privatleben üben, keine Arbeitsaufgaben zuweisen Soldaten/innen, die sich beschweren, machen im Einzelfall schlechte Erfahrungen: Sie werden als Störenfriede verunglimpft, von ihren Vorgesetzten im Stich gelassen, isoliert oder sogar gemobbt. Beispiel im O-Ton „Seit ich vom Urlaub zurück bin, redet keiner mehr mit mir. Ich habe das Gefühl, dass während meiner Abwesenheit Stimmung gegen mich gemacht wurde.“ Als einziger Ausweg wird ein Antrag auf Versetzung gesehen. Mobbingbetroffene Mobbing kann Jede/n treffen. Trotzdem gibt es bestimmte Merkmale, die das Mobbingrisiko erhöhen. 3,5% der weiblichen Beschäftigten fühlen sich betroffen, bei den männlichen Erwerbstätigen sind es dagegen nur 2,0%; d.h. das Risiko von Frauen liegt um 75% höher. Beschäftigte bis zu einem Alter von 25 Jahren zeigen eine etwas höhere Betroffenheitsquote als der Durchschnitt.29 Wenn gemobbt wird, dann in der Regel in kurzen Intervallen und regelmäßig: 62,1% der betroffenen Frauen und 48,5 % der betroffenen Männer sind nahezu täglich von Mobbing betroffen.30 Frauen sind überwiegend von Attacken im sozialen Kontext betroffen, z.B. durch Ausgrenzung und Isolierung, Beleidigungen sowie Sticheleien und Hänseleien. Männer werden überwiegend im fachlichen Kontext gemobbt, z.B. durch ungerechte Kritik an der Arbeit ebd. Bisherige Untersuchungen in Deutschland führen diese Unterschiede auf die hohe Quote betroffener Frauen in den entsprechenden Branchen zurück. Zudem sei aus der Stressforschung bekannt, dass Frauen eher bereit seien, gesundheitliche Probleme zuzugeben und daher eventuell auch eher an einer Mobbingstudie teilnehmen würden; vgl. hierzu: Zapf, D. (1999): Mobbing in Organisationen. Ein Überblick zum Stand der Forschung, in: Zeitschrift für Arbeitsund Organisationspsychologie, 43, S. 1–25 30 vgl. Sozialforschungsstelle Dortmund: a. a. O. 29 B2-24 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz und Arbeitsentzug. Die soziale Isolierung erfolgt bei männlichen Beschäftigen demnach tendenziell stärker durch Zweifel an der Leistungsfähigkeit und mangelnde Anerkennung. Frauen reagieren demgegenüber auch auf Störungen der sozialen Beziehungen. Daraus kann die These entwickelt werden, dass Mobber/innen bewusst oder intuitiv Strategien einsetzen, die erfolgreich auf geschlechtsspezifische „Schwachstellen“ abzielen.31 In der Altersgruppe der unter 25-Jährigen wird überdurchschnittlich häufig die Arbeitsleistung falsch bewertet bzw. die Arbeit massiv und ungerecht kritisiert. Auch werden jüngere Beschäftigte überdurchschnittlich häufig als unfähig dargestellt. Sticheleien und Hänseleien kommen häufiger vor. Von Arbeitsentzug und Verweigerung wichtiger Informationen zur Arbeit sind sie weniger betroffen als der Durchschnitt. Täter/innen Täter/innen können Kollegen/innen und Vorgesetzte sein. Von 100 Fällen gehen32 38,2% von Vorgesetzten alleine 2,8% von einem oder mehreren Kollegen/innen 20,1% von einer Gruppe von Kollegen/innen 22,3% von Kollegen/innen als Einzelpersonen 2,3% von Beschäftigten einer nachgeordneten Hierarchieebene aus. Frauen mobben oft anders als Männer. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede im Mobbingverhalten spiegeln nicht allein psychische und erziehungsbedingte Differenzen wider. Es liegt auch nahe, dass die ungleiche Verteilung von Positionen im Hierarchiegefüge der Unternehmen Männern andere Instrumente der Machtausübung liefert, als sie Frauen zu Verfügung stehen.33 Leymann zufolge zeigen Frauen und Männer ein geschlechtsspezifisches Verhalten bei der Wahl von Mobbinghandlungen. Männer wählen häufiger passive Handlungen, wie die Verweigerung der Kommunikation oder weichen durch die Veränderung der Arbeitsaufgabe oder der Arbeitsplatzsituation auf Sachthemen aus. Frauen bevorzugen demgegenüber aktive Handlungen, die das Ansehen der Person verletzen. Zu diesen zählen z.B. die Verbreitung von Gerüchten, Verleumdungen, indirekte Anspielungen.34 Phasen und Ursachen Dauer Der Mobbingzeitraum beträgt im Durchschnitt der abgeschlossenen Fälle 16,4 Monate. Die am häufigsten genannte Dauer eines Mobbingprozesses beträgt 12 Monate.35 ebd. ebd. 33 vgl. http://www.igmetall.de/buecher/onlinebroschueren/mobbing/mobbing.html 34 aus: www.mobbing-am-arbeitsplatz.de: nach Leymann, H. (1993): Mobbing. Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann 35 vgl. Sozialforschungsstelle: a. a. O. 31 32 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-25 Mobbingphasen36 Im Mobbingprozess lassen sich vier Phasen unterscheiden:37 1. Konflikte Am Anfang stehen schlecht oder nicht bewältigte Konflikte. Aus ihnen resultieren Schuldzuweisungen und persönliche Angriffe. Noch ist nicht abzusehen, wohin die Situation führt. Einzelne Aktionen wirken unbedeutend, lapidar. Eine Absicht ist nicht beweisbar. 2. Psychoterror In der zweiten Phase weiten sich die Differenzen zur gezielten und systematischen Schikane aus. Es entsteht eine feindselige, bedrückende, doppelbödige Arbeitsatmosphäre. Versuche zur Klärung scheitern vielfach. Die Betroffenen finden wenig bis keine Hilfe im beruflichen Umfeld. Im Gegenteil: Andere Personen lassen sich anstecken. Die Folge: Stressbedingte psychosomatische Symptome treten auf. 3. Eskalation und Sanktionen Zu diesem Zeitpunkt ist für Außenstehende nicht mehr erkennbar, wer oder was Auslöser des Mobbings war. Mit jeweils passenden Interpretationen und gegenseitigen Schuldzuweisungen lassen sich die Feindbilder und Vorurteile wie in einem Teufelskreis bestätigen. Vorgesetzte versuchen, die verhärtete Situation mit Sanktionen wie Abmahnungen, Versetzungen und Degradierungen in den Griff zu bekommen. Oft kommt es zu Fehlentscheidungen zu Lasten der Betroffenen. 4. Zusammenbruch und Ausschluss Die Situation spitzt sich dramatisch zu. Das Mobbingopfer ist den beruflichen und sozialen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Vorgesetzte setzen alles daran, den Betriebsfrieden wiederherzustellen. Es kommt zum Verlust des Arbeitsplatzes, zu schwerwiegenden Erkrankungen, im Extremfall bis zum Suizid der gemobbten Person. Ursachen Ich werde unwichtiger, keine/r achtet mehr auf mich. (Schwindendes Ansehen) Die/der Andere läuft mir den Rang ab. (Gefährdung der Position) Ich könnte ausgebootet, umgesetzt, entlassen werden. (Drohender Arbeitsplatzverlust) Ich kann meine Arbeitsleistung nicht mehr erbringen. (Steigender Leistungsdruck) Die/der Andere will etwas Neues einführen, das mir nicht liegt. (Einschränkung von Freiheiten) Die/der Andere könnte mir auf die Schliche kommen. (Ablenkungsmanöver und Schuldzuweisung) Lieber treten als getreten werden. (Ansehen auf Kosten anderer) Ich kann die/den einfach nicht ab. (Blitzableiter, Sündenbock persönliche Abneigung) Die/der Neue will nicht so wie bisher. (Machtdemonstration) vgl. Sozialforschungsstelle: a. a. O. vgl. ebd.: a. a. O. und www.igemetall.de/mobbing nach Leymann: a. a. O. Arbeitsatmosphäre. Versuche zur Klärung scheitern vielfach. Die Betroffenen finden wenig bis keine Hilfe im beruflichen Umfeld. Im Gegenteil: Andere Personen lassen sich anstecken. Stressbedingte psychosomatische Symptome treten auf. 38 vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: a. a. O. 36 37 B2-26 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Typische Einstellungen und Meinungen von Mobbern/innen sind:38 Die tieferliegenden Wurzeln für derartige Haltungen sind zumeist nicht in der Persönlichkeit der Betroffenen begründet, sondern liegen im Management des Unternehmens. Wesentliche Faktoren sind39: Strukturelle Motive dauerhafte Über- wie Unterforderung Stress und Leistungsdruck chronischer Personalmangel Umstrukturierungen Angst vor Arbeitsplatzverlust (Stellenabbau) diffuse Zuständigkeiten Unklarheiten in Arbeitsabläufen Motive im Führungsverhalten Defizite im Führungsverhalten fehlende Gesprächsbereitschaft unzureichende Information und Beteiligung der Beschäftigten unzureichendes Konfliktmanagement mangelnde Transparenz bei Entscheidungen Abwälzung der Verantwortung Die wichtigsten personenbezogenen Motive und Hauptgründe unerwünscht geäußerte Kritik Konkurrenz und Neid Vermutete Motive nach Geschlecht Frauen vermuten mehr als dreimal so häufig wie Männer, dass ihre Geschlechtszugehörigkeit von zentraler Bedeutung für das Mobbing ist. 11,9% der Frauen aber nur 5,3% der Männer geben an, dass ihr Aussehen ein Motiv für Mobbing sein kann. Signifikant mehr Männern (jeder zweite) als Frauen (ca. jede dritte) führen Spannungen mit dem/der Vorgesetzten als Motiv an. Auch bei den Motiven Arbeitsstil und angeblich unzureichende Leistung überwiegen die Nennungen durch männliche Betroffene.40 Vermutete Motive jüngerer Beschäftigter Jüngere Betroffene (bis 25 Jahre) führen das Mobbing relativ häufig auf ihren Arbeitsstilund Lebensstil, ihr Aussehen oder ihre sexuelle Orientierung zurück. Überdurchschnittlich häufig geben sie als Motive auch ihre unzureichende Leistungsfähigkeit und ihre erst kurze Anwesenheit in der Abteilung/Gruppe an sowie das Argument, dass ein Sündenbock gesucht wurde.41 vgl. ebd. und Sozialforschungsstelle: a. a. O. vgl. Sozialforschungsstelle: a. a. O. 41 vgl. ebd. 39 40 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-27 Rechtliche Grundlagen Grundgesetz „Mobbing“ stellt einen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes nach Artikel 1 und Artikel 2, Absatz 2 dar. Bürgerliches Gesetzbuch § 618 (1) Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber zum Handeln aufgefordert, im Rahmen des Arbeitsrechts, den Betriebsfrieden zu wahren und durch das Bundesgesetzbuch, Arbeitnehmer/innen vor Gefahr durch Leib und Gesundheit zu schützen. Betroffene können gegebenenfalls klageweise einen Anspruch auf Unterlassung nach § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder Schadensersatz nach § 823 BGB geltend machen. Bundespersonalvertretungsgesetz § 66 Betriebs-/Personalrat und Arbeitgeber sollen sich mindestens einmal im Monat zu einer Besprechung zusammensetzen und strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung behandeln. § 67 Abs. 1 Betriebs-/Personalräte und Arbeitgeber sind verpflichtet, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer/innen zu schützen und zu fördern. Dazu gehört auch ein Belästigungsverbot am Arbeitsplatz. Täter/innen können zur Rechenschaft gezogen werden. § 71 Der Personalrat kann anregen, dass zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen eine ständige Schlichtungs-/ Einigungsstelle eingerichtet wird. § 68 Abs. 2 Der Betriebs-/Personalrat hat beim Arbeitgeber Maßnahmen zu beantragen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen. § 68 Abs. 3 Personalräte haben Beschwerden von Beschäftigten entgegenzunehmen und auf Abhilfe hinzuwirken. § 77 Abs. 3 Der Personalrat besitzt das Recht, vom Arbeitgeber zu verlangen, Arbeitnehmer/innen zu versetzen oder zu entlassen, wenn diese durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung des Betriebsfriedens wiederholt ernsthaft gestört haben. Arbeitsschutzgesetz § 2 Arbeitsschutz einschließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit (1) „Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Sinne dieses Gesetzes sind Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit.“ B2-28 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz § 3 Grundpflichten des Arbeitgebers im Arbeitsschutz „Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.“ § 4 Allgemeine Grundsätze Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen: (1) Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird (2) Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen (3) Bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. (4) Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen. (5) Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen. (6) Spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen. (7) Den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen. (8) Mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist. § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen (1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich sind. § 6 Dokumentation (1) Der Arbeitgeber muss über die, je nach Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten, erforderlichen Unterlagen verfügen, aus denen das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die von ihm festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis ihrer Überprüfung ersichtlich sind. § 17 Rechte der Beschäftigten (1) Die Beschäftigten sind berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. Für Beamt/innen des Bundes ist § 171 des Bundesbeamtengesetzes anzuwenden. § 60 des Beamtenrechtsrahmengesetzes und entsprechendes Landesrecht bleiben unberührt. (2) Sind Beschäftigte auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und hilft der Arbeitgeber darauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht ab, können sich diese an die zuständige Behörde wenden. Hierdurch dürfen den Beschäftigten keine Nachteile entstehen. Die in Absatz 1 Satz 2 und 3 genannten Vorschriften sowie die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung und des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages bleiben unberührt. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-29 Strafgesetzbuch In Betracht kommen folgende Tatbestände bzw. Straftaten: Bedrohung § 241 Begünstigung § 257 Beleidigung § 185 Üble Nachrede § 186 Verleumdung § 187 Körperverletzung § 223 ff. Nötigung § 240 Sachbeschädigung § 303 Urkundenfälschung § 267 Soldatengesetz vgl. die entsprechenden Paragrafen unter Thema „Sexuelle Belästigung“ Auswirkungen auf Betroffene und Handlungsstrategien Auswirkungen auf Betroffene Die Auswirkungen von sexueller Belästigung und Diskriminierung sind vielfältig und doch gut vergleichbar. Die betroffenen Menschen verlieren zunächst den Spaß an ihrer Arbeit, sie fühlen sich seelisch und körperlich unwohl, angespannt und ausgeliefert. Hinzu kommen Zweifel an der eigenen beruflichen Belastbarkeit und Kompetenz. Wenn jemand statt fachlicher oder sozialer Anerkennung ständig An- und Übergriffen ausgesetzt ist, führt dies zu enormen psychischen und körperlichen Belastungen. Werden diese Übergriffe systematisch und über einen längeren Zeitraum ausgeübt, bezeichnet man sie als Mobbing (vgl. auch unter Mobbingphasen). Die häufigsten Beschwerden von gemobbten Personen sind42 42 psychisch physisch Leistungs- und Denkblockaden Schlafstörungen Konzentrationsfähigkeit Alpträume Ängste zermürbende Grübeleien Depressionen Verspannungen Selbstmordgedanken allergische Reaktionen Reizbarkeit Kopfschmerzen unberechenbares Verhalten Magenbeschwerden Agressionen Antriebslosigkeit Verunsicherungen Essstörungen übersteigertes Misstrauen Alkohol- und Medikamentenmissbrauch vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: a. a. O. B2-30 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Geschlechtsspezifische Folgen Frauen sind häufiger als Männer von sexueller Belästigung und Mobbing betroffen (über Diskriminierung fehlen zuverlässige Zahlen). Die damit verbundenen Dauerbelastungen führen bei Frauen häufiger zu Erkrankungen als bei Männern. Etwa die Hälfte der weiblichen Mobbingbetroffenen erkrankt, bei den Männern ist nur etwa ein Drittel betroffen. Auch bei einer Krankheitsdauer von mehr als sechs Wochen ist die Betroffenheitsquote der Frauen deutlich höher als die der Männer. Auffällig ist zudem, dass weibliche Betroffene mit 40,4% mehr als doppelt so häufig wie männliche Betroffene (18,0 %) freiwillig den Arbeitsplatz im Betrieb wechseln, um dem Mobbing zu entgehen. Sie wählen auch eher die freiwillige Kündigung; hier ist die Quote mit 28,5% fast doppelt so hoch wie die der Männer mit 14,5%. Etwas geringer ist die Differenz zwischen Frauen und Männern bei der Konsequenz Arbeitslosigkeit – hier beträgt das Verhältnis 12,8% zu 9,6%.43 Folgen für jüngere Beschäftigte Bei jüngeren Mobbingbetroffenen (bis zu 25 Jahren) finden sich überproportional häufig „Ausweichmanöver“, die auf scheinbar freiwilliger Basis beruhen, wie etwa „freiwilliger Arbeitsplatzwechsel im Betrieb“ oder „eigene Kündigung“. Obwohl diese Gruppe altersbedingte Vorteile bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung haben sollte, ist sie infolge der Kündigung überdurchschnittlich hoch von Arbeitslosigkeit betroffen. Der ungeplante Arbeitsplatzverlust stellt vermutlich einen schweren berufsbiografischen Einschnitt dar. Darüber hinaus wird die jüngste Altersgruppe überdurchschnittlich häufig krank durch Mobbing. Die hohe Krankheitsquote lässt sich möglicherweise durch psychosomatische Folgeerkrankungen erklären.44 Handlungsmöglichkeiten für Betroffene So unterschiedlich die von „mitleidlosen“ Mitarbeitern/innen hervorgerufenen Situationen aussehen, so unterschiedlich sind auch die möglichen Abwehrstrategien – Patentrezepte gibt es nicht. Jeder Fall liegt anders. Die Abwehrstrategie muss in Abhängigkeit von der Art der Übergriffe, der persönlichen und beruflichen Situation der Betroffenen und der Täter/ innen, der Größe des Betriebes usw. gewählt und angepasst werden. Generell ist es wichtig, den Tätern/innen möglichst sofort und unmittelbar deutlich zu machen, dass dieses Verhalten nicht erwünscht ist. Sie müssen so früh wie möglich aufgefordert werden, Übergriffe zu unterlassen. Je länger Übergriffe ohne Gegenwehr oder Kritik hingenommen werden, desto schwieriger ist es, sie zu unterbinden Im Folgenden werden verschiedene Strategien vorgeschlagen: 43 44 sich rechtzeitig wehren und abgrenzen möglichst frühzeitig Aussprache und Klärung fordern Konflikt offen legen, Vorschläge zur Lösung anbieten Vorgänge aufzeichnen Kameraden/innen ansprechen und um Aufklärung bitten sich selbst entlasten: Verbündete suchen, darüber reden vgl. Sozialforschungsstelle: a. a. O. vgl. ebd. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-31 (außer)betriebliche Beratungsangebote nutzen und gemeinsam gegen Belästigungen vorgehen Stressabbau und aufbauende Angebote nutzen, z.B. Selbsthilfegruppe sich eine Auszeit gönnen (Urlaub, Kur etc.) Arbeitsplatzwechsel als allerletzter Schritt, wenn keine Lösung in Sicht ist Strategie 1: Sofort zur Rede stellen45 Die betroffene Person macht unmittelbar nach einer Belästigung bzw. einem Übergriff deutlich, dass sie dieses Verhalten nicht billigt und duldet. Sie stellt den Täter, die Täterin oder eventuell auch eine Gruppe zur Rede. Folgende Sätze können hier hilfreich sein: Hören Sie auf! Ich will das nicht! Das lasse ich mir nicht gefallen! Stopp! So nicht! Mit diesen Sätzen macht eine betroffene Person deutlich, was sie will bzw. nicht will. Die Sätze sind auf unterschiedliche Situationen anwendbar. Oft fällt es allerdings nicht leicht auszusprechen, was übergreifende Personen gerade getan haben. Es ist jedoch wichtig, die Tat genau beim Namen zu nennen und damit das Tabu des Schweigens zu brechen. Die Verantwortung für die Grenzverletzung und das Gefühl der Peinlichkeit werden somit an die Täter/innen zurückgegeben, z.B.: Ich verbitte mir Fragen, die sich auf mein Privatleben beziehen! Sie kommen mir zu nah, ich will das nicht! Ich möchte von Ihnen nichts über meine Kleidung, mein Aussehen,... hören! Strategie 2: Mit Unterstützung einer Person des eigenen Vertrauens zur Rede stellen Manchmal fehlt den Betroffenen in der Situation selbst die Schlagfertigkeit oder der Mut, sich sofort zu wehren. Sie sind erschrocken und schockiert, möchten die Situation so schnell wie möglich beenden und verlassen daher den Raum. Wenn dies passiert ist, sollten sie später noch zu der Person gehen, die sie belästigt hat und sich ein derartiges Verhalten verbitten. Dies können sie alleine tun oder sie suchen sich eine Person ihres Vertrauens und sagen dem/der Belästiger/in in Gegenwart dieser „Vertrauensperson“, dass sie die Grenzverletzung missbilligen. Personen des Vertrauens können z.B. Kameraden/innen, Ausbilder/ innen, Vorgesetzte, Mitarbeiter/innen der Sozialdienste, der institutionalisierten Ansprechstellen oder der Militärseelsorge sein. Auf ein solches Gespräch sollten sich Betroffene gut vorbereiten und für sich selbst aufschreiben, was sie sagen wollen:46 Wann ist was genau passiert? Was genau hat mich daran gestört? Welcher Konflikt könnte sich dahinter verbergen? Wie stehe ich zu dem möglichen Konflikt? Welche Lösungen halte ich für denkbar? Was wünsche ich mir in Zukunft von meinem Gegenüber? vgl. Die folgenden Strategien wurden am Beispiel sexueller Belästigung entwickelt. Sie gelten ebenso für Diskriminierung und in Konfliktsituationen, bevor diese sich zum Mobbing entwickeln. 46 vgl. www.dgb.de/themen/mobbing_06.htm. 45 B2-32 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Was bin ich bereit dafür zu geben? Will ich weitere Schritte gegen ihn einleiten? Die Einleitung weiterer Schritte ist nicht unbedingt notwendig. Die Betroffenen müssen jedoch entschlossen sein, ihre Drohung wahr zu machen. Anderenfalls überzeugt die Ankündigung einen Gegenüber nicht. Die begleitende Vertrauensperson hat in erster Linie eine unterstützende Funktion für die Betroffenen. Außerdem kann sie die Reaktion der Täter/innen bezeugen. Nach dem Gespräch sollten die Betroffenen, evtl. zusammen mit der Person ihres Vertrauens, ein Protokoll des Gesprächs anlegen. Dieses kann möglicherweise nützlich sein, wenn die Täter/ innen ihr Verhalten nicht einstellen und weitere Schritte folgen müssen: Ort, Datum, Uhrzeit Name der Täter/innen Fakten: Was genau ist passiert? Wer hat was, wann, wie gemacht? eigene Gefühle Wen habe ich über den Vorfall informiert? Zeugen? Strategie 3: Suche nach Verbündeten Die Suche nach Verbündeten und der Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen sind ein weiterer hilfreicher Ansatz zur Bewältigung und Abwehr von sexueller Belästigung, Diskriminierung und ernsthaften Konflikten. Vielleicht gibt es auch andere Kameraden/innen, die mit der gleichen Person ähnliche Erfahrungen gemacht haben, nur traut sich niemand, das Problem anzusprechen. Gemeinsam lässt sich häufig effektiver handeln. Strategie 4: Brief an die belästigende Person Manchen Betroffenen ist es unangenehm, ein persönliches Gespräch mit den Tätern/innen zu führen. Sie ziehen es vor, ihnen einen Brief zu schreiben. In einem solchen Brief sollten Betroffene ihre Anschuldigungen ausführlich und möglichst sachlich formulieren und die Täter/innen auffordern, ihr Verhalten zu ändern. Wichtig ist auch die Ankündigung, bei nochmaligem Vorkommen weitere Schritte einzuleiten. Eine Kopie des Schreibens sollte aufbewahrt werden, falls später eine Beschwerde eingereicht wird. Die folgenden Punkte sind Empfehlungen am Beispiel sexueller Belästigung und sollten abhängig vom Vorgang behandelt werden: Konkrete schriftliche Beschreibung der Tatsache ohne Wertung mit Zeitpunkt des Vorfalls und Art der Belästigung. Beispiel: „Mehrmals haben Sie mir in den letzten Wochen (am 8.01., 12.01., 01.02.) den Arm um die Schulter gelegt und haben meinen Hals und Brustansatz gestreift.“ Beschreibung der eigenen Gefühle. Beispiel:„Mir ist das unangenehm und ich fühle mich nicht wohl dabei.“ Forderungen an die Täter/innen bezüglich einer Verhaltensänderung. Beispiel: „Ich fordere Sie auf, mich künftig nicht mehr körperlich anzufassen (Arm um die Schulter legen etc.).“ Eventuelle Androhung von Konsequenzen für den Fall, dass die Forderungen nicht erfüllt werden. Beispiel: „Sollten Sie meinen oben formulierten Erwartungen nicht nachkommen, sehe ich mich gezwungen, Ihre Vorgesetzten über den Vorfall zu informieren.“ Eventuelle Zusätze. Beispiel:„Ich erwarte, dass Sie sich für Ihr Verhalten bei mir persönlich entschuldigen.“ Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-33 Strategie 5: Anonyme Nachricht an die belästigende Person Um die grenzverletzende Person zum Nachdenken anzuregen, ist es auch möglich, ihr anonym am Arbeitsplatz Informationen zu ihrem Problemthema zu hinterlegen, zum Beispiel in Form von Aufklebern, kritischen Zeitungsartikeln oder Gerichtsurteilen. Strategie 6: Hilfen außerhalb der Bundeswehr nutzen Auch außerhalb der Bundeswehr gibt es Möglichkeiten über die belastenden Erfahrungen zu sprechen, Unterstützung zu finden und das Selbstbewusstsein zu stärken. Selbstverteidigungskurse, Rhetorikkurse oder auch örtliche Beratungsstellen finden sich im Telefonbuch und im Internet unter folgenden Stichwörtern: Notruf für Frauen, Sorgentelefon, Beratungsstellen gegen sexuelle Gewalt wie Wildwasser e.V., Wendepunkt e.V., Frauengesundheitszentrum, Pro Familia e.V., Beratungsstellen für Männer, Antidiskriminierungsstellen, Beratungsstelle gegen Mobbing u.a.. Vielfach haben sich auch Selbsthilfegruppen gebildet. Auch die großen Wohlfahrtsverbände Arbeiterwohlfahrt, Caritas, DPWV, DRK, Diakonie und die Sozialdienste katholischer Frauen wie Männer bieten Unterstützung an. Tipps für Soldaten/innen zum Umgang mit „dummen“ Sprüchen Beobachten Sie sich in Gesprächsituationen. Stehen Sie gerade? Haben Sie hängende oder nach oben gezogene Schultern? Unsichere Personen neigen zu einer engen Körperhaltung, mit dicht am Körper anliegenden Armen. Nehmen Sie Haltung an! Halten Sie stetig Blickkontakt zu Ihrem Gegenüber – ohne ihn jedoch anzustarren. Üben Sie die Körperhaltung ein, die Sie sich wünschen. Am besten probieren Sie das vor dem Spiegel aus. Sobald Sie durch Ihre Körperhaltung Selbstbewusstsein ausstrahlen, wird Ihr Gegenüber vorsichtiger. Legen Sie sich eine „Schutzglocke“ zu. Dumme Sprüche überrumpeln meistens. Rechtfertigen bringt nichts. Atmen Sie tief ein und wieder aus. Stellen Sie sich vor, dass Sie eine dicke Schutzglocke umgibt, welche die Stimme des anderen dämpft. Sie hören und sehen zwar alles deutlich, fühlen sich aber nicht wirklich betroffen. Sie merken sofort, dass Sie gelassener und sachlicher werden. Lassen Sie andere ins Leere laufen. Die Soldaten/innen wollen Sie mit einer dummen Bemerkung provozieren. Sie können seine/ihre spitze Zunge einfach überhören. Keine Antwort kann auch ein Zeichen von Souveränität sein. Sie können Ihren Gesprächspartner auch neugierig betrachten, wie ein exotisches Wesen. Lächeln Sie gern, dann kann Ihnen ein wissendes Lächeln ein wenig Zeit zum Nachdenken einbringen. Schlagfertigkeit lässt sich trainieren und hilft, zu reagieren, ohne zu explodieren oder alles in sich reinzufressen. Doch Vorsicht, gerade bei älteren Kameraden/ innen gilt Schlagfertigkeit schnell als Frechheit. Nutzen Sie Ihre Worte lieber, um eine Grenze zu ziehen, nicht aber um Ihren Gegner anzugreifen. Und fragen Sie sachlich nach. Sie können natürlich auch auf der gleichen Ebene kontern und sich dabei an den Sprachgebrauch der Kameraden/innen anpassen. Das ist nur nicht jedermanns Sache und Stil. Der Umgangston besonders unter einigen Kameraden/innen ist z.T. rauh und deftig. Lassen Sie den Spruch an sich abprallen. Legen sie sich ein etwas dickeres Fell zun. D.h. aber nicht, dass Sie alles hinnehmen müssen. B2-34 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Handlungsmöglichkeiten für Kameraden/innen Schweigegründe Nicht immer stehen Kameraden/innen helfend zur Seite. Typische Gründe für ein Schweigen sind:47 Tat erscheint gerechtfertigt (hat ja selber Schuld...) Grenzverletzung hat Unterhaltungswert (endlich mal was los hier) mangelnde Zivilcourage (ich trau mich nicht...) Angst (könnte selbst ins Kreuzfeuer der Kritik geraten...) Gefühl, unterlegen zu sein (hier kann man ja nichts machen...) Gleichgültigkeit (was geht mich das an...) Handlungsmöglichkeiten Betroffene sind jedoch meist dringend auf Unterstützung angewiesen. Häufig fehlt ihnen das Vertrauen in innerbetriebliche Hilfe.48 Handlungsmöglichkeiten sind: Betroffene ansprechen Betroffenen raten, sich Hilfe zu holen emotionale Unterstützung anbieten evtl. bei Klärungsgesprächen begleiten Intrigen nicht unterstützen destruktives Verhalten aufdecken und verdeutlichen einseitige Bilder zurechtrücken Partei für betroffene Person ergreifen Mitläufer/innen ansprechen, sensibilisieren Betroffene über Tratsch und Gerüchte informieren Handlungsmöglichkeiten für Personen des Vertrauens War die akute Intervention eines/r Betroffenen erfolglos oder erscheint sie im Einzelfall unangebracht, sollten sich die Betroffenen an eine Person ihres Vertrauens, z.B. an Vorgesetzte, Kameraden oder an eine der institutionalisierten Vertrauenspersonen bzw. an eine der in der Ausbildungshilfe weiter hinten genannten Ansprechstellen der Bundeswehr wenden. Diese Personen und Ansprechstellen haben die Aufgabe: 47 48 vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Mobbing, Themenblätter für den Unterricht Nr. 16 vgl. Sozialforschungsstelle: a. a. O. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-35 die Betroffenen zu beraten und zu unterstützen, in (getrennten oder gemeinsamen) Gesprächen mit den Betroffenen und den belästigenden Personen den Sachverhalt festzustellen und die grenzverletzende Person über die sachlichen und rechtlichen Zusammenhänge und Folgen aufzuklären und sie aufzufordern, ihr Verhalten zu ändern. Erstgespräch Tipps für das Erstgespräch:49 1. Hören Sie sich die Geschichte mit Anteilnahme an. Ermöglichen Sie den Beteiligten, ihre Gefühle zu äußern. Aber bleiben Sie neutral für eine gute Konfliktmoderation. 2. Achten Sie darauf, dass sich die Beteiligten zuhören. Unterbrechen Sie bei persönlichen Angriffen. 3. Unterstützen Sie die Konfliktparteien dabei, Maßnahmen für die weitere Zusammenarbeit festzulegen. Sichern Sie dabei Unterstützung zu, ohne die Position zu übernehmen. 4. Bevor Sie selbst handeln, erbitten Sie sich Bedenkzeit. Nutzen Sie diese Zeit, um gründlich zu analysieren, wie groß der Konflikt ist und wie er sich lösen lässt. Worum geht der Konflikt? Welche Parteien sind beteiligt? Wann ist der Konflikt entstanden? Was waren mögliche Anlässe und Auslöser? Welche Handlungen treten auf? In welchem Stadium befindet sich der Konflikt? Welche Macht haben die Täter/innen? Was wurde bisher unternommen? Welche Grundeinstellung zum Konflikt haben Sie selbst? Wird der Konflikt für lösbar gehalten? Was wird von einer Lösung erwartet? Passt die vorgeschlagene Lösung zum Arbeitsumfeld der Betroffenen? Ist es dafür hilfreich/notwendig, Arbeitsprozesse zu reorganisieren? Droht der Konflikt sich auszuweiten oder ist er begrenzbar? Bin ich der Konfliktmoderation gewachsen oder überlasse ich dies besser einer externen Mediation? vgl. www.dgb.de/themen/mobbing-einfuehrung.htm, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: a. a. O. und Kolodej, Ch. (1999): Mobbing: Psychoterror am Arbeitsplatz und seine Bewältigung 49 B2-36 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Handlungsmöglichkeiten für Personalräte Die Personalräte besitzen ein breites Spektrum von Handlungsmöglichkeiten, vgl. rechtliche Grundlagen zum Thema Mobbing. Handlungsmöglichkeiten für Vorgesetzte Problembewältigung Sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Mobbing sind eine schwerwiegende Störung des Betriebsfriedens. Vorgesetzte sind verpflichtet dagegen vorzugehen. Schritte können sein:50 ein Gespräch mit den Beteiligten führen und schriftlich dokumentieren den Konflikt mit Ursachen und Hintergründen analysieren; zerstörerisches Verhalten aufzeigen Verhaltensänderung fordern und die Beteiligten bei der Konfliktlösung unterstützen Problematik ansprechen und gemeinsamen Weg für die Zusammenarbeit der Beteiligten entwickeln ggf. praxiserfahrene interne oder externe Konfliktmoderatoren/innen („Mediatoren/innen“) hinzuziehen; eindeutig Position beziehen, wenn eine Schlichtung nicht möglich ist, und Sanktionen androhen bzw. disziplinare Maßnahmen gegen die Täter/innen einleiten Betroffene beruflich und sozial rehabilitieren, ggf. auf eigenen Wunsch versetzen, ihnen bei der Stellensuche helfen und an Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen vermitteln freiwillige Wiedergutmachung durch Täter/innen vorschlagen bzw. anmahnen vgl. Volkswagen AG Zentrales Personalwesen: a. a. O., Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmeditin: a. a. O., Kolodej, Ch.: a. a. O. 50 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-37 Präventive Strategien und Maßnahmen – auch in der Bundeswehr?! Ob in einer Organisation gemobbt, diskriminiert oder belästigt wird, hängt wesentlich von der Unternehmenskultur und der Unternehmensführung ab. Ein positives innerbetriebliches Arbeitsklima ist der beste Schutz gegen Psychoterror. Verbreitete Reaktionen Wie Organisationen auf Fälle von sexueller Belästigung, Diskriminierung oder Mobbing reagieren, hängt in hohem Maße von der Einstellung der Leitung ab. In vielen Fällen werden Probleme geleugnet oder vertuscht, was eine hohe Dunkelziffer zur Folge hat. Nicht selten überwiegt die Meinung, dass Übergriffe nur eine Ausnahme im betrieblichen Miteinander sind. Wenn Fälle bekannt werden, ist die Reaktion oft große Empörung. Viele wollen nicht glauben, dass in ihrem Unternehmen Beschäftigte zu einem solchen Verhalten fähig sind. Eine andere Reaktion in Organisationen ist es, Grenzverletzung zu bagatellisieren, sie als Betriebsflirt, Witz, Ausrutscher oder als nicht weiter ernst zu nehmendes Problem abzutun. Oftmals schieben auch die Täter/innen den Betroffenen die Schuld an der Situation zu. Oder sie gehen in die Gegenoffensive, indem sie einen Übergriff leugnen und die Betroffenen der Verleumdung beschuldigen. Dann ist es wichtig, dass Betroffene auf die Hilfe von Vorgesetzten und Verantwortlichen bauen können. Sonst werden sie schnell von den Täter/innen und dem sich mit ihnen solidarisierenden Kameraden/innen-Kreis ausgegrenzt. Unternehmenskultur Neben den individuellen Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen ist es wichtig zu erkennen, dass jede und jeder Einzelne in Unternehmen durch entsprechende Verhaltensweisen dazu beitragen muss, sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Mobbing abzubauen. Gleichzeitig müssen Unternehmen wie auch die Bundeswehr erkennen, dass die individuelle Ebene nicht die alleinige Lösung für Konfliktlösung und Bewältigung des Problems darstellen kann. Den von Mobbing betroffenen Personen darf nicht die Alleinverantwortung zugeschoben werden. Dauerhafte Lösungen lassen sich nur dann realisieren, wenn parallel auf der institutionellen Ebene Strategien verankert werden und eine eindeutige Position bezogen wird, die Mobbing als Mittel der Wahl ächtet. Mainstreaming Die EU-Kommission hat sich zum „Mainstreaming“-Grundsatz von Antirassismus bekannt, sich also verpflichtet, das Ziel der Diskriminierungsbekämpfung im Rahmen aller Aktionsund Politikbereiche der Gemeinschaft und auf allen Ebenen zu verfolgen. Vergleichbar dem an der Geschlechterfrage orientierten „Gender Mainstreaming“ (vgl. Baustein 1) bedeutet dies, dass die Kommission sich nicht auf einzelne Maßnahmen beschränkt, sondern den Kampf gegen Rassismus ausdrücklich zur Querschnittsaufgabe sämtlicher Aktionen und Politiken machen und bereits in der Konzeptionsphase den möglichen Beitrag zur Bekämpfung von Rassismus deutlich herausstellen will.51 51 vgl. http://europa.eu.int/comm/employment_social/fundamri/eu-raccism/main_de.htm B2-38 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz In Deutschland z.B. entwickeln unter diesem Grundsatz die ersten Großunternehmen Berufsausbildungssysteme unter Berücksichtigung interkultureller Aspekte. Diese umfassen die Ausbildung der Jugendlichen, Schulungen der Ausbilder/innen und die Installation einer begleitende Arbeitsgruppe.52 Diversity Insbesondere international operierende Unternehmen nutzen den Begriff „Diversity“. Er ist inhaltlich betrachtet praktisch identisch mit dem deutschen „Chancengleichheit“, und meint das betriebliche Engagement für Toleranz und Gleichbehandlung aller gesellschaftlichen Gruppen: Diversity bedeutet Vielfalt, Vielfältigkeit, Verschiedenartigkeit und schließt alle Unterschiede ein, die konstruktiv von Individuen in das Arbeitsleben eingebracht werden. Vielfalt bedeutet Stärke. Herausragende Dienstleistungen sind das Ergebnis vielfältiger Ideen und Impulse, die von verschiedenartigen Menschen beigesteuert wurden und werden. Ein Klima von Solidarität, gegenseitigem Respekt und der Wertschätzung dieser Vielfalt ermöglicht es erst, sich als ganze Person einzubringen und im Team Höchstleistungen zu erbringen.53 Präventionsmaßnahmen Um das Thema aus der Tabuzone zu holen, ist es notwendig, die Problematik im Unternehmen vorbeugend über die Bandbreite hinweg zu diskutieren:54 Einrichtung einer Projektgruppe/Beratungsstelle interne Umfragen Installierung eines klaren Beschwerdesystems mit formellen Wegen wie informellen Möglichkeiten (ist in der Bundeswehr bereits vorhanden) Bereitstellung geschulter Ansprech- oder Kontaktpersonen55 Informationen in Bundeswehr-Medien, Faltblättern, Broschüren, Rundschreiben Dienstversammlungen, Besprechungen, Gesprächsgruppen besonders im Hinblick auf Auszubildende und Berufsanfänger/innen Seminare in sozialer Kompetenz und Konfliktmanagement für alle Ebenen. (Erfahrungsgemäß haben Personen mit einer hohen sozialen Kompetenz und mit ausgeprägten Möglichkeiten zur Konfliktanalyse und -bewältigung in der Regel bessere Chancen, sich zu wehren) Anregungen für eigene Aktionen im Unternehmen geben diverse Anbieter im Internet. In vielen Regionen arbeiten bereits langjährig Organisationen und Basisinitiativen, die sich mit vorbeugenden Maßnahmen beschäftigen. Das Spektrum reicht von Kirchengruppen über Initiativen von Parteien, lokalen Vereinen, betrieblichen Gruppen und Schulinitiativen bis hin zu Jugendgruppen. Beispielhafte Projekte und Kontakte finden sich im Anhang. Vgl. eumc Jahresbericht: a. a. O.. Herausgestellt werden dort die Deutsche Post und die Deutsche Telekom sowie Stadt Göttingen; das Institut der deutschen Wirtschaft entwickelte, unterstützt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, ein binationales Ausbildungsprojekt. Ziel des Projektes ist es, junge Zuwander/innen und Angehörige ethnischer Minderheiten mit einer hohen interkulturellen Kompetenz auszustatten. 53 vgl. z.B. Ford unter http://deu.mycareer.ford.com 54 vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: a. a. O. 55 vgl. Dieser besteht bereits in der Bundeswehr, wobei im Unterschied zum zivilen Bereich der Bundeswehr die Ansprechstellen nicht weisungsunabhängig sind. 52 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-39 Patenschaften In der Bundeswehr könnte jede/r Neuzuversetzte/r einer Kameradin oder einem Kameraden anvertraut werden, die/der bereits länger in der Bundeswehr dient. Diese Paten/innen unterstützen nicht nur in der oft schwierigen Anfangsphase, sondern fungieren auch als Ansprechpartner/innen bei Problemen.56 Modell Konfliktschlichtung Kommt es zu ernsthaften Konflikten, ist die Chance zu einer befriedigenden Lösung in der Anfangsphase am größten. Können zwei Beschäftigte einen Konflikt nicht gemeinsam lösen, müssen sie sich an den direkten Vorgesetzten wenden. Ein Vorgesetzter hat immer zu prüfen, ob nicht Dienstvergehen vorliegen und ggf. dann zu ermitteln und zu handeln ist. Liegt trotz eines ernsthaften persönlichen Konflikts kein Dienstvergehen vor, könnte folgendes Modell hilfreich sein57: Der Vorgesetzte sucht mit den beiden Kontrahenten/innen nach einem tragfähigen Kompromiss. Misslingt dieser Versuch, muss die nächst höhere Vorgesetztenebene eingeschaltet werden. Diese darf allerdings nicht mehr nach einer gütlichen Lösung suchen, sondern muss sich „ohne wenn und aber“ für eine der beiden Parteien entscheiden. Da keine der Kontrahenten/innen das Risiko eingehen möchte, als Verlierer/in dazustehen, steigt die Kompromissbereitschaft bereits im Vorfeld spürbar. Der Konflikt lässt sich mit Hilfe dieses Modells aller Voraussicht nach bereits im Frühstadium bereinigen. 56 57 ebd. vgl. ebd. und Leymann (1993): a. a. O. B2-40 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Material sexuelle Belästigung Arbeitshilfen Meschkutat, B., Holzbecher, M., Richter, G. (1993): Strategien gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Konzeption – Materialien – Handlungshilfen, Köln Ministerium für Gleichstellung von Frau und Mann (neu: Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit) des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (1997): Nicht mit mir! Individuelle und betriebliche Handlungsstrategien gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Düsseldorf Broschüren Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (1997): (K)ein Kavaliersdelikt? Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, 3. Auflage, Bonn Volkswagen AG (Hg.) (1997): Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz, Wolfsburg Beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt es diverse Broschüren zu dieser Thematik. Bezug: BMFSFJ, Rochusstraße 8-10, 53123 Bonn Broschürenbestellung: Tel. 0180 5329329 oder www.bmfsfj.de Adressen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Ostmerheimer Str. 220, 51109 Köln Tel. 0221-89 90-0, www.bzga.de pro familia – Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e.V. – Bundesverband Stresemannallee 3, 60596 Frankfurt am Main www.profamilia.de Literaturtipps Deutsche Post AG (Hg.) (1998): Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. (Bezug: Deutsche Post AG Generaldirektion, Abteilung 501,53105 Bonn) Holzbecher, M., Braszeit, A., Müller, U., Plogstedt, S.(1997): Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Band 141,Stuttgart Kuhlmann, E. (1996): Sexuelle Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz. Eine Diskussion von Erklärungsmodellen und Handlungsperspektiven, in: Zeitschrift für Frauenforschung,3,S.73– 86 Meschkutat, B., Holzbecher, M., Richter, G. (1993): Strategien gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Bund-Verlag Ministerien für Inneres und Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen (o.J.): Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Eine Untersuchung bei der Polizei Nordrhein- Westfalen Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-41 Material Diskriminierung Arbeitshilfen Bei der Bundeszentrale für politische Bildung unter www.bpb-aktiv.de: Gesicht Zeigen! Handbuch für Zivilcourage von Gesicht Zeigen! Aktion weltoffenes Deutschland e.V. (2001), www.gesicht-zeigen.de, Bestell-Nr.: 2.125 Argumentationstraining gegen Stammtischparolen, Bestell-Nr.: 2.120 Argumente gegen den Hass (Bd. 1), Bestell-Nr.: 2.404 Handbuch: Interkulturelles Lernen; Bestell-Nr.: 2.417 Sprechbaukasten „Kontra geben gegen rechtsradikale Sprüche“, Multimediales Argumentationstraining der Bundeszentrale für Politische Bildung und der Deutschen Sportjugend, Email: [email protected] Broschüren Bundesarbeitministerium (2001): Ratgeber für behinderte Menschen, 400 Seiten, auch als CD-ROM bestellbar oder direkt per Download im Internet unter: www.bma.de BV Arbeit und Leben Nds. e.V. (2001): Informationen Recht gegen Rechts, Infos, Fallbeispiele, Ratgeber, Tel. 0531–123 36 30, Email: [email protected] Volkswagen AG (Hg.) (1997): Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz, Wolfsburg Informationen und Adressen AktionCourage e.V.: Füreinander Welten öffnen – frei von Rassismus: www.aktioncourage.org (Projekte, Dokumente, Publikationen) Bundeszentrale für politische Bildung: www.bpb-aktiv.de – Was tun gegen Rechtsextremismus? www.bpb.de, www.fluter.de, (online- und bestellbare Publikationen, Argumentationshilfen, Bildschirmschoner, Videos, Plakate, Ausstellungen, Unterrichtsmaterialien) Das Bündnis für Demokratie und Toleranz Bundesallee 216-218 10719 Berlin Tel. 030236340-81/82 www.buendnis-toleranz.de (Sammlung vorbildlicher Projekte und Initiativen) Dokumentations- und Informationszentrum für Rassismusforschung D.I.R. e.V. Postfach 1221 35002 Marburg Tel. 06421-37722, Fax: 06421-37794 Email: [email protected]: www.dir-info.de (zentrale Anlauf- und Austauschstelle für Personen, Gruppen und Projekte) Gesicht zeigen! Aktion für weltoffenes Deutschland e.V. Torstraße 124, 10119 Berlin: www.gesichtzeigen.de (Newsletter, Aktionen, Wettbewerbe, Handbuch, Poster, Spots) Initiativstelle berufliche Qualifizierung von Migranten/innen (IBQM) beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Tel. 0228 – 107-0 Email: [email protected] (geplant u.a.: Einrichtung von zehn regionalen Beratungsstellen, Materialien für Multiplikator/innen) Migration online – für die Durchsetzung von Chancengleichheit, Bildungs- und Informationsangebote für gewerkschaftliche und außergewerkschaftliche Multiplikator/innen, DGB Bildungswerk e.V., Bereich Migration und Qualifizierung Hans-Böckler-Straße 39 40476 Düsseldorf Tel. 0211-4301-151 Email:[email protected], www.migration- B2-42 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz online.de (monatlicher Newsletter, Betriebsvereinbarungen, Good-Practice-Dokumentation geplant) Material Step21. Die Jugendinitiative für Toleranz und Verantwortung, Aktionen, Projektbörse, Leitfaden, Chat:www.step21.de Literaturtipps 13. Shell Jugendstudie: Jugend 2000 Altmann, G., Fiebiger, H., Müller, R. (2001): Mediation – Konfliktmanagement für moderne Unternehmen DGB Bildungswerk: Forum Migration, Antidiskriminierung, Asyl & Flucht, Integration, Migration, monatlicher Newsletter, Print- oder Online-Version über www.migration-online.de DGB Bildungswerk: Migration – Aktiv gegen Rassismus, monatlicher Newsletter, Print- oder Online-Version über www.migration-online.de Scheve, S., Besamusca-Janssen, M.: Interkulturelles Management in Beruf und Betrieb, Bezug: ARIC-NRW Niederstraße 5 47051 Duisburg Tel. 0203/28 48 73 Email: [email protected] Wittschier, B. M. (1998): Konflikt und zugenäht, Konflikte kreativ lösen durch WirtschaftsMediation Material Mobbing/Konfliktmanagement Arbeitshilfen BMW AG in Zusammenarbeit mit Arbeitsgemeinschaft Friedenspädagogik e.V. und dem Stadtjugendamt der Landeshauptstadt München (1999): Fass mich nicht an! Interaktive CD-Rom-Beispiele, wie man in bedrohlichen Situationen reagieren kann; Vorschläge, wie sich Gewalt vermeiden lässt und wie man andere Reaktionen trainieren kann, incl. Begleitheft, Bestellung unter www.fassmichnichtan.de Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg.), Holzbecker, M., Meschkutat, B., Sozialforschungsstelle Dortmund (2002): Mobbing am Arbeitsplatz – Informationen, Handlungsstrategien, Schulungsmaterialien. Sonderschrift S 49, 5. Auflage Bundesinstitut für Berufsbildung (1998):Handlungsfähig statt handgreiflich, Konflikte lösen - Gewalt vermeiden, Strategien für die Berufsausbildung Bundeszentrale für politische Bildung: Mobbing, Themenblätter für den Unterricht Nr. 16, Download unter www.bpb.de, www.bpb-aktiv.de Broschüren IG Metall (1997):Wird so viel gemobbt? Frankfurt/Main, online unter: www.igmetall.de Volkswagen AG (Hg.) (1997): Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz, Wolfsburg Informationen und Adressen Gemeinschaftsinitiative Gesünder Arbeiten e.V. Dr. Gottfried Richenhagen, c/o Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes NRW Horionplatz 1 40213 Düsseldorf Hotline 0180-3 100 110 Tel. 0211-8618-3419 Fax 0211-8618-53419 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz B2-43 Email: [email protected] Emailberatung: [email protected] www.gesuender-arbeiten.de Fairness-Stiftung gem. GmbH Langer Weg 18 60489 Frankfurt am Main Tel. 069-78988144 Fax 069-789881-51 Email: [email protected], www.fairness-stiftung.de. Beratung per Telefon, Fax, Brief, Email, kostenlose Hotline 0800-783 66 73 (RUFMORD) Unter www.fairness-stiftung.de/Mobbingfall.htm findet sich auch eine besonders umfangreiche Übersicht regionaler Selbsthilfegruppen und Mobbing- Beratungsstellen. NAKOS Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen Albrecht-Achilles-Straße 65 10709 Berlin Tel. 030-891 40 19 Fax: 030- 893 40 14 http://hilfe.nettrade.de/nakos Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing (VPSM) Kemmelweg 10 65191 Wiesbaden Tel. 0611 - 54 17 37 Fax: 0611 - 9 57 03 81 www.vpsm.de Selbsthilfegruppennetzwerk, Materialien, Fortbildungen Weitere Internetlinks (Auswahl): www.dgb.de/themen www.mobbing-am-arbeitsplatz.de www.mobbingberater.de www.mobbing-net.de www.mobbing-zentrale.de Literaturtipps Zum Thema Mobbing erscheinen kontinuierlich Publikationen. Halt, K.(2000):„Mobbing oder gnadenlose Erfolge?“ Such Dir was aus, Frankfurt/ Main Knorz, C., & Zapf, D. (1996). Mobbing - eine extreme Form sozialer Stressoren am Arbeitsplatz. Zeitschrift für Arbeits- & Organisationspsychologie, 40, 12-21 Koelbl, S., Szandar, A. (2001): Streitkräfte. ganze Kerle. In: Der Spiegel 32/2001 Kolodej, Ch. (1999): Mobbing, Psychoterror am Arbeitsplatz und seine Bewältigung, Mit zahlreichen Fallbeispielen, Wien Lorenz, G. (2002): Mobbing am Arbeitsplatz – Handlungsmöglichkeiten von Betroffenen, Arbeitgeber und Personalrat, Der Personalrat, Ausgabe 2/2002 Wolmerath, M. (2001): Mobbing im Betrieb Sozialforschungsstelle Dortmund, Meschkutat, B., Stackelbeck, M., Langenhoff, G., Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2002): Der Mobbing-Report. Eine Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland Zapf, D. (1999). Mobbing in Organisationen - Überblick zum Stand der Forschung, Zeitschrift für Arbeits- & Organisationspsychologie, 43, 1-25 Zuschlag, B.(2001):Mobbing - Schikane am Arbeitsplatz,Göttingen,3.überarb.Auflage Regelmäßig berichten Fachzeitschriften, z.B. Arbeitsrecht im Betrieb, Arbeit und Recht, Der Personalrat, Personalführung und ZFO. B2-44 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Baustein 3 Vereinbarkeit von Privatleben, Familie und Beruf Inhalt Einführung, Zentrale Fragen, Zielsetzungen ............................................... 2 Sexualität und Partnerschaft in der Bundeswehr ................................................................................................................. 3 Lebensplanung junger Erwachsener Lebensziele................................................................................................ 5 Lebensformen und Berufskarriere .............................................................. 6 Zeitbudgets von Frauen und Männern bei der Hausarbeit und KInderbetreuung ................................................................................................................. 7 Familienplanung und Schwangerschaftsverhütung ............................................................................................................... 10 Wunsch und Wirklichkeit ....................................................................... 13 Familienorientierte Unternehmenskultur ............................................................................................................... 15 Dienstvereinbarungen ............................................................................. 16 Unternehmerische Handlungsmodelle ..................................................... 16 Arbeitszeiten und Orte Männer und Teilzeit ................................................................................ 18 Flexible Arbeitsorte ................................................................................ 20 Mutterschutz, Elternzeit und Betreuungsurlaub Mutterschutz .......................................................................................... 21 Beruflicher Wiedereinstieg, Truppenärztliche Versorgung ........................ 25 Krankenversicherung, Anwartschaft, Beihilfe ........................................... 25 Kinderbetreuung und Familienservice ............................................................................................................... 27 Berufstätigkeit, Fremdbetreuung und Entwicklung der Kinder ................. 28 Flexible Freistellungen ............................................................................ 29 Rechtliche Grundlage ............................................................................................................... 30 Material ............................................................................................................... 33 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-1 Einführung Die individuelle Berufs- und Lebensplanung von jungen Erwachsenen im Vergleich zur Generation ihrer Eltern wandelt sich deutlich. Viele junge Menschen haben heute die Erwartung, Beruf und Familie miteinander verbinden zu können. Die Familienorientierung tritt – zumindest zeitlich – zurück. Der allein verdienende Mann, unterstützt von seiner sich um den Haushalt und die Kindererziehung kümmernden Frau, ist nicht mehr das alleinige Leitbild. Neben die traditionelle Kernfamilie treten unterschiedliche Lebensformen. Die persönliche Entscheidung, Beruf und Familie zu vereinbaren, erfordert jedoch eine intensive persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechterrolle und dem eigenen Lebensplan, die Vereinbarung konkreter einvernehmlicher Lösungen in der Partnerschaft und eine familienverträgliche Gestaltung der Arbeit. Diese Aufgabe wird von vielen Menschen nicht bewusst wahrgenommen – die Probleme werden kaum gesehen. Die Bundeswehr erwartet von Soldaten/innen eine hohe Bereitschaft zur Mobilität. Bei bestimmten Ausbildungsabschnitten oder im Einsatz sind damit längere Abwesenheiten von Zuhause verbunden. Konsequenzen sind eine im Vergleich zum gesellschaftlichen Durchschnitt hohe Scheidungsquote bei Soldaten/innen sowie große Schwierigkeiten bei der Organisation der Kinderbetreuung. Zwar wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Soldaten/innen aufgrund der o.g. Mobilität grundsätzlich schwierig bleiben, die Bundeswehr ist als Arbeitgeber dennoch gefordert, auf diese veränderten Bedürfnisse einzugehen und Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Nicht nur, um ihre Stellen mit qualifiziertem Personen zu besetzen, sondern auch um qualifizierte und möglichst hoch motivierte Soldaten/innen zu halten. Der Baustein 3 nimmt sich des Themas „Vereinbarkeit von Privatleben, Familie und Beruf“ an: Er initiiert eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lebenskonzepten und -zielen, dem Stellenwert von Beruf, Familie, Kindern und Privatleben und der Familienplanung. Er beschäftigt sich im Weiteren mit Angeboten und Maßnahmen, die in der Bundeswehr möglich sind, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Großunternehmen haben in diesem Zusammenhang eine Vielzahl von Maßnahmen entwickelt. Nicht alle nachfolgend beschriebenen „Ideen“ lassen sich eins zu eins auf die Bundeswehr übertragen. Sie verstehen sich vielmehr als Anstoß, eigene Lösungen zu finden. Zentrale Fragen Welche Schwierigkeiten erwarten Soldaten/innen, ihr Privat-/ Familienleben mit dem Dienst in der Bundeswehr zu vereinbaren? Wie lässt sich das Privatleben innerhalb der Bundeswehr leben (Flirts, Partnerschaften & Sexualität)? Wie können Soldaten/innen konstruktiv mit diesen Problemen umgehen; welche Lösungsmöglichkeiten gibt es? Zielsetzungen Sensibilisierung hinsichtlich der Vereinbarkeitsproblematik Unterstützung von Soldaten/innen, sich bewusst mit Modellen zur Vereinbarkeit von Familie, Privatleben, & Beruf auseinanderzusetzen und die Konsequenzen für Karriere, Partnerschaft und Kinderbetreuung zu berücksichtigen Ermunterung von Soldaten/innen, einen gleichberechtigten Teil an Haus- und Familienarbeit (Elternzeit, Kinderbetreuung) zu übernehmen B3-2 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Sexualität und Partnerschaften in der Bundeswehr Mit der Öffnung der Bundeswehr für Frauen rückt das Thema sexuelle Beziehungen und Partnerschaften stärker ins Blickfeld. Im zivilen Bereich lernen sich die meisten Paare an ihrem Arbeitsplatz kennen. In der Bundeswehr ist dies noch die Ausnahme. Je mehr Frauen allerdings in der Bundeswehr arbeiten werden, desto eher wird sich auch der Umgang mit diesem Thema voraussichtlich „normalisieren“. Die Führungshilfe „Umgang mit Sexualität“ weist darauf hin, dass Sexualität in die Privatsphäre jeder Soldatin/ jedes Soldaten fällt und damit unerheblich für Kameradschaft, Leistungsbewertung und ähnliches ist. Die ZDv 14/3 B 173 „Sexuelles Verhalten von und zwischen Soldaten“ geht vom gleichen Grundsatz aus. Die Sexualität von Soldaten/innen ist nur dann von Bedeutung, wenn sie die dienstliche Zusammenarbeit erschwert, den kameradschaftlichen Zusammenhalt beeinträchtigt und damit zu nachhaltigen Störungen der dienstlichen Ordnung führt. Die Entscheidung, was stört und was nicht, liegt damit überwiegend im Ermessensspielraum der Vorgesetzten. Die Bundeswehr befürchtet, dass soziale Bindungen, die über Kameradschaften hinausgehen, die Gefahr von Begünstigungen vergrößern und militärisch nachteilig sein könnten. Im zivilen Bereich wird ebenfalls geprüft, wie sich Partnerschaften zwischen zwei Beschäftigten gestalten, die in unmittelbarer Weisungsabhängigkeit stehen. Gelegentlich entsteht daraus die Notwendigkeit aus Sicht des Arbeitgebers oder auf Wunsch der Betroffenen, dass ein Beteiligter in einen anderen Arbeitsbereich wechselt. Die Privatsphäre wird aber in jedem Fall respektiert, zumal es sich um zwei Erwachsene handelt. Nach der ZDv ist der Dienst „sexuell neutral“ abzuwickeln. Paare, die keine Privatwohnung außerhalb der militärischen Liegenschaften haben, stehen allerdings vor der großen Schwierigkeit, Freiräume für eine private Kommunikation zu finden. Noch schwieriger wird die Situation für Soldaten/innen bei den mehrmonatigen Einsätzen im Ausland oder an Bord. Sie finden häufig – wie andere Soldaten/innen auch - keine Möglichkeit, für sich allein zu sein. Für Vorgesetzte der Bundeswehr kann auch das Verhalten von Soldaten/innen außerhalb des Dienstes von Belang sein. Disziplinarrechtlich verfolgt werden z.B. das „Eindringen“ in Kameraden/innen-Ehen und Partnerschaften. Für den zivilen Bereich hat der Bundestag 1969 den Tatbestand des „Ehebruchs“ aufgehoben. Diskutiert wird immer wieder, ob die Sexualität von Soldaten/innen außerhalb des Dienstes überhaupt geregelt werden sollte. Beispiele aus dem Jahresbericht des Wehrbeauftragten mit disziplinarrechtlichen Folgen: Ein Unteroffizier (m) hat eine Beziehung zur Ehefrau seines Cousins (der ebenfalls Soldat ist) aufgenommen. Sie wollen heiraten. (Der Unteroffizier wird zu einer Gehaltskürzung verurteilt.) Ein Hauptfeldwebel (m) – verheiratet – und ein Obergefreiter (w) haben nachts in der Kaserne Geschlechtsverkehr. (Der Hauptfeldwebel muss eine Gehaltskürzung um 20% für ein Jahr hinnehmen.) Ein Unteroffizier und die schwangere Frau eines im Kosovo stationierten Kameraden haben Sex miteinander. (Der Unteroffizier wird zu einem Beförderungsverbot verurteilt.) Soldaten/innen-Ehepaare, die gemeinsam in Mazedonien Dienst tun, dürfen nicht im Wohncontainer übernachten. Wohlmeinende Kommandeure sorgen dafür, dass sich beide pragmatischerweise im Container des Mannes ungestört treffen können. Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-3 Gegen 5.30 Uhr tritt ein Obergefreiter (w) im Pyjama aus dem Wohncontainer ihres Vorgesetzten. Beide haben die Nacht miteinander verbracht. Zu Dienstfahrten brechen beide ohne Fahrer auf. (Ein Soldat meldet den Vorgang bei seinem Vorgesetzten. Beide erhalten eine Geldbuße von 1.000 € auf Bewährung.) Zwei Sanitäter im Auslandseinsatz nutzen die Vorschriftenlage und sorgen dafür, dass sie als „Strafe“ für ihr Dienstvergehen nach Hause zurückbeordert werden. Beide lassen sich fast ohne Kleidung im Lager erwischen. Die jeweiligen Partner der beiden in Deutschland waren vorher eingeweiht. Beim Auslandseinsatz in Somalia war Soldaten/innen noch der Kontakt zu Einheimischen untersagt. Heute lassen Kommandeure ihren Soldaten/innen mehr Freiheit und erlauben je nach Sicherheitslage im Einsatzgebiet Ausflüge und nehmen damit ggf. auch Besuche einheimischer Prostituierten in Kauf. Rechtliche Grundlagen ZDv14/3 B 173 Sexuelles Verhalten von und zwischen Soldaten Führungshilfe für Vorgesetzte „Umgang mit Sexualität“, Der Generalinspekteur der Bundeswehr vom 20.12.2000 Lebensplanung junger Erwachsener Die Familie als Lebensgemeinschaft von Erwachsenen und Kindern ist die von den meisten Menschen in Deutschland praktizierte Lebensform. Über die Hälfte der Bevölkerung lebt in Familienhaushalten. Der Anteil an Single-Haushalten steigt allerdings kontinuierlich und ist in Großstädten bereits die häufigste Lebensform. Familien Die Familie ist einem deutlichen Wandel unterworfen. Die Großelterngeneration verstand unter „Familie“ zumeist noch einen Familienverbund von mehreren Generationen, häufig auch unter Einbeziehung weiterer Verwandter, der in einem Haus oder einer Region zusammenlebte. Diese Form der Großfamilie wurde allmählich abgelöst durch die enger gefasste Kernfamilie von Eltern und ihren Kindern. Neben diesen traditionellen Familienformen bestehen weitere Formen von Lebensgemeinschaften, die ebenfalls durch verlässliche menschliche Beziehungen, emotionale Sicherheit, Geborgenheit und die gegenseitige Übernahme von Verantwortung geprägt sind. Auch sie nehmen zunehmend den Begriff „Familie“ im Sinne einer sozialen Wahlfamilie für sich in Anspruch, häufig auch ohne das Vorhandensein von Kindern, z.B. auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften zwischen Geschwistern oder engen Freunden, schwule und lesbische Partnerschaften. Lebensformen Verheiratet zusammenleben ist noch die dominierende Lebensform. Die Scheidungsquote steigt jedoch weiter, ungefähr jede dritte Ehe wird geschieden. Die zunehmende Zahl von nichtehelichen Lebensgemeinschaften weist auf eine Tendenz zu neuen Partnerschaftsformen hin. Jenseits der Kernfamilie haben sich neue Lebensformen gebildet: Die Zahl von B3-4 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Single-Haushalten, Alleinerziehenden mit Kindern und „Patchwork“-Familien (Familien mit Kindern und Eltern aus verschiedenen Ursprungsfamilien) steigt in Deutschland. Viele junge Erwachsene leben nach dem Auszug aus dem Elternhaus zunächst allein oder in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Geheiratet wird oft erst dann, wenn Kinder geboren werden sollen. Ein Teil der Ehen wird geschieden und die Geschiedenen gehen teilweise neue Ehen ein, leben als Alleinerziehende oder in nichtehelichen Partnerschaften.1 Die Übergänge zwischen den Lebensformen sind fließend:2 Single-Haushalte, Wohn- und Lebensgemeinschaften, zusammenlebende Paare ohne Kinder, getrennt wohnende Paare, Paare mit und ohne Trauschein, allein erziehende Frauen und Männer mit ihren Kindern, Patchwork-Familien, die sich neu gefunden haben, Paare, deren Kinder den Haushalt bereits verlassen haben. Lebensziele Junge Erwachsene streben sowohl die Erwerbstätigkeit und das berufliche Vorankommen als auch die Gründung einer eigenen Familie mit Kindern gleichberechtigt an. Drei von vier Jugendlichen wollen sowohl berufstätig sein als auch Kinder haben. Diesen Wunsch äußern weibliche und männliche Jugendliche gleichermaßen.3 Bedeutung von Lebenszielen Jugendlicher (in Prozent, Mehrfachnennungen) Wichtig oder sehr wichtig für Jugendliche ist: vgl. Schlemmer, E. (1996): Partnerschaftliche und familiale Konstellationen junger Erwachsener. In: Zeitschrift für Frauenforschung 4/96 2 Statistisches Bundesamt (1995): Im Blickpunkt: Familien heute, Stuttgart; vgl. a. Mitteilungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), Wiesbaden 3 vgl. BZgA (1995): a. a. O. 1 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-5 Die eigene Erwerbstätigkeit wurde von 88,4% der befragten Personen als sehr wichtig oder wichtig eingeschätzt. 72,2% der Jugendlichen gaben an, dass es ihnen wichtig oder besonders wichtig sei, später sowohl erwerbstätig zu sein als auch Kinder zu haben. Die Wichtigkeit einer eigenen Familie mit Kindern wurde von insgesamt 59% der Jugendlichen als groß bzw. sehr groß eingeschätzt. Die Frauen maßen diesem Ziel im Schnitt eine etwas größere Bedeutung zu. Einen weiteren Unterschied zwischen den Meinungen der jungen Frauen und Männer gibt es in der Bewertung des „beruflichen Vorankommens“ (insgesamt von 84,7% der Jugendlichen als wichtig oder sehr wichtig erachtet). Diesem Lebensziel maßen die Männer eine etwas größere Bedeutung bei .4 Im Zentrum des Lebensplans junger Erwachsener in Deutschland steht eindeutig die Berufs- und Familienorientierung. Sie gelten nicht mehr als widerstreitende Alternativen.5 Ost-West-Unterschiede Auch wenn in der DDR die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht verwirklicht war, waren Frauen besser qualifiziert und auf dem Arbeitsmarkt deutlich weniger benachteiligt als Frauen in der Bundesrepublik. Die Gleichzeitigkeit von Kindererziehung und Vollerwerbstätigkeit war sowohl Leitbild als auch Realität. Heirat und Elternschaft wurden angestrebt und von fast allen gelebt. Alternative Lebensformen (und damit auch Singles) gab es nicht im gleichen Umfang wie im Westen. Erst durch Scheidungen ergab sich eine gewisse Differenzierung der Lebensformen, indem manche Geschiedene anschließend wieder eine Partnerschaft eingingen, andere nicht.6 Teilzeit – Vollzeit? Die hohe Bedeutung der Erwerbstätigkeit für die Frauen spiegelt sich auch heute in den neuen Bundesländern wider, denn 42% der teilzeitarbeitenden Frauen würden gerne in eine Vollzeitbeschäftigung wechseln. In den alten Ländern hingegen wünschen sich 15% der weiblichen Vollerwerbstätigen einen Wechsel in die Teilzeitarbeit – dies verdeutlicht die niedrigere Bedeutung der Erwerbstätigkeit für die „West-Frauen“.7 Veränderungen für „Ost-Frauen“ nach der Wende Frauen aus den neuen Bundesländern mussten nach der Wende mit einer neuen biografischen Unsicherheit leben. Mangel an Arbeitsplätzen und Krippenplätzen gefährdet ihre Berufstätigkeit. Dies hat Auswirkungen auf ihre Lebensplanung. Sie bekommen im Gegensatz zu DDR-Zeiten das erste Kind später, beschränken die Kinderzahl und haben sich so den Frauen in den alten Bundesländern angeglichen.8 Lebensformen und Berufskarriere Beeinträchtigt die Entscheidung, Kinder zu bekommen derzeit (noch) eine berufliche Karriere? Die Antwort für verheiratete Frauen mit Kindern in den alten Bundesländern lautet ja. Sie haben die schlechtesten Karrierechancen sowohl im Vergleich zu Frauen in anderen Lebensformen als auch im Vergleich zu Männern in der gleichen oder einer anderen Lebens- vgl. BZgA (1995): a. a. O. vgl. 13. Shell-Jugendstudie (2000): Jugend 2000, (1), Opladen 6 Tölke, A., Sardei-Biermann, S. (1996): Berufliche Erstplazierung und Berufskarriere als Ausdruck der privaten Lebensform, in: Bien, W. (Hg.): Familien an der Schwelle zum neuen Jahrtausend, Opladen 7 vgl. Beckmann, P., Kempf, B. (1997): Arbeitszeit und Arbeitszeitwünsche von Frauen in West- und Ostdeutschland, Informationen für die Beratungs- und Vermittlungsdienste der Bundesanstalt für Arbeit, Nr. 26, 2026–2036 8 vgl. BZgA (2000): frauen leben – Eine Studie zu Lebensläufen und Familienplanung, Kurzfassung, Köln 4 5 B3-6 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf form und ebenso im Vergleich zu Frauen und Männern, die in der DDR gelebt haben. 62% der weiblichen, aber nur 16% der männlichen Führungskräfte leben ohne Kinder, ergab eine Studie der Zeitschrift Capital.9 Frauen können derzeit nur in Lebensformen ohne Kinder ähnliche berufliche Verbesserungen erreichen wie Männer. Beruflicher Erfolg ist derzeit in den alten Bundesländern für Frauen weitgehend nur unter Verzicht auf Kinder möglich.10 Männer profitieren dagegen unter den gesellschaftlichen Bedingungen der alten Bundesländer von den institutionalisierten Lebensformen Ehe und Familie. Ledige Männer sind – überraschenderweise – nicht die „Spitzenreiter des beruflichen Erfolgs“. Sie haben sich seit Karrierebeginn nicht mehr verbessern können als Frauen mit Familie. Zeitbudgets von Frauen und Männern bei der Hausarbeit und Kinderbetreuung Die Unterstützung der Hausarbeit durch Männer beurteilt die Mehrheit der Bevölkerung (82%) und insbesondere der Frauen (90%) seit langem prinzipiell positiv.11 Der Wandel der Geschlechterrollen hat zwar die Einstellungsebene erreicht, die Verhaltensebene aber nur marginal erfasst.12 Zeitbudgets Die Hausarbeit bleibt nach wie vor im Verantwortungsbereich der Frauen. Lediglich jede vierte berufstätige Frau in Deutschland berichtet von einer wirklich partnerschaftlichen Aufgabenteilung.13 Bei Ehepaaren arbeiten die Frauen täglich 1,5 bis 5,5 Stunden mehr im Haushalt als ihre Ehemänner.14 Im Durchschnitt leistet eine Frau am Tag 5 Stunden „unbezahlte“ Arbeit, ein Mann hingegen nur 2 Stunden und 48 Minuten.15 Innerhalb der Hausarbeit gibt es eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Hauswirtschaftliche Tätigkeiten sowie die Kinderbetreuung und Betreuung von Pflegebedürftigen sind meist weibliche Aufgaben. Bei handwerklichen Aufgaben und beim ehrenamtlichen Engagement, z.B. in Sportvereinen, überwiegt der zeitliche Einsatz der Männer:16 vgl. Schnack, D., Gesterkamp, Th. (1996): Hauptsache Arbeit. Männer zwischen Beruf und Familie, München vgl. Tölke, A., Sardei-Biermann, S.: a. a. O. 11 vgl. Institut für Demoskopie Allensbach (Hg.) (1993): Frauen in Deutschland. Lebensverhältnisse, Lebensstile und Zukunftserwartungen. Die Schering-Frauenstudie ‘93, Köln 12 vgl. Garhammer, M.: a. a. O. 13 vgl. Institut für Demoskopie Allensbach: a. a. O. 14 vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (1996): Zeit im Blickfeld. Ergebnisse einer repräsentativen Zeitbudgeterhebung, Stuttgart 15 vgl. Statistisches Bundesamt (1998): Im Blickpunkt: Frauen in Deutschland, Stuttgart 16 vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (1996): a. a. O. 9 10 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-7 Hauswirtschaftliche Tätigkeiten insg., darunter: Frauen min/tägl. 248 Männer min/tägl. 106 Essen kochen, Tisch decken, Geschirr spülen 86 25 Waschen, bügeln 39 3 Putzen 47 15 Pflanzen und Tiere versorgen 24 25 Einkaufen 22 13 Behördengänge, Organisation 12 12 16 8 12 35 Fahrzeiten Handwerkliche Tätigkeiten insg., darunter: Fahrzeug reparieren und pflegen 1 6 Gebrauchsgüter reparieren und herstellen 2 7 bauen und renovieren Pflege und Betreuung insg., darunter: 2 37 10 16 Kinder betreuen 27 11 Angehörige pflegen 4 2 5 7 300 3 11 168 Fahrzeiten Ehrenamt, soziale Hilfe Insgesamt Allerdings gibt es Bereiche, in denen sich die Geschlechterrollen verwischen: Drei von vier Ehemännern beteiligen sich am Kochen, die weibliche Dominanz ist hier nicht mehr so stark wie früher. Durch die Ausstattung des Haushalts mit technischen Geräten (z.B. Mikrowelle) und das Angebot von Tiefkühlkost und vorgefertigten Gerichten verliert sich der Geschlechtscharakter dieser Tätigkeit.17 Einfluss von Voll- und Teilzeitarbeit Um die Doppelbelastung von Beruf sowie Haus- und Familienarbeit zu reduzieren, arbeiten zahlreiche erwerbstätige Frauen in Teilzeit. Gegenüber vollerwerbstätigen Frauen erhöht sich dann ihre durchschnittliche Zeitverwendung für unbezahlte Arbeit von 190 auf 329 Minuten (plus 139 Minuten). Bei den wenigen in Teilzeitarbeit tätigen Männern, die es bislang gibt, erhöht sich das Zeitbudget für unbezahlte Arbeit im Vergleich zu vollerwerbstätigen Männern deutlich weniger von 145 auf 215 Minuten (plus 70 Minuten).18 Rollenteilung bei der Kinderbetreuung Frauen wenden deutlich mehr Zeit für Kinder auf als Männer, insgesamt etwa dreimal so viel. Auch wenn beide Elternteile berufstätig sind, kümmern sich die Mütter immer noch doppelt so lange um die gemeinsamen Kinder wie die Väter.19 vgl. Garhammer, M.: a. a. O. vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (1996): a. a. O. 19 vgl. Bundesministerium a. a. O. 17 18 B3-8 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Traditionalisierungs„falle“ In belastenden Phasen greifen Paare auf traditionelle Arbeitsteilungsmuster zurück, selbst solche, die vor der Elternschaft die Aufgaben innerhalb der Familie weitgehend gleichberechtigt verteilten. Zwar bleibt die Hausarbeit gleich verteilt, doch übernehmen die jungen Mütter neun Stunden länger die Betreuung der Kinder. Diese „Retraditionalisierung“ stabilisiert sich auch nach Ablauf des Erziehungsurlaubs unabhängig vom Berufsverlauf der Mutter.20 Gesellschaftliche Normen und Erwartungen Emotionalität im Sinne von Einfühlungsvermögen und Unterstützung wird hauptsächlich Frauen zugeschrieben. Ihnen wird allerdings der Ausdruck von Wut oder Aggressivität eher untersagt als Männern. Männern dagegen wird in der Regel nicht gestattet, Angst zu zeigen oder Gefühle der Verletztheit auszudrücken; diese Emotionalität wird von ihnen also nicht erwartet bzw. ihnen nicht gebilligt.21 So liegt es auf Grund der Geschlechterrollen nahe, dass im Privatleben die emotionalen und pflegerischen Bereiche z.B. in der Kindererziehung typischerweise von den Frauen übernommen werden, während Sport, Abenteuer und die Vorbereitung auf das „harte Arbeitsleben“ traditionell den Männern zugeordnete Aufgaben darstellen. Väter unternehmen eher Aktivitäten mit ihren Kindern, die Intelligenz, Motorik und zielgerichtetes Handeln fordern. Frauen fühlen sich in der Regel für die körperliche und psychische Entwicklung der Kinder zuständig. Sie haben meist die innigere Beziehung zu den Kindern. Männer beklagen dies, ohne es jedoch zu wagen, von Frauen zu lernen und die notwendige, als weiblich assoziierte Gefühlsarbeit mit zu übernehmen.22 Gesellschaftliche Anerkennung Männer vermeiden nicht nur Tätigkeiten in der Hausarbeit und Familienarbeit, die sie persönlich nicht gern tun, sondern generell solche, die zwar notwendig, aber gesellschaftlich nicht anerkannt sind, wie z.B. Toilette putzen und Kinder sauber machen. Zusätzlich gelingt es Männern eher als Frauen, sich den als „unangenehm“ und „lästig“ empfundenen Aufgaben zu entziehen. Wie schnell sich jedoch gesellschaftliche Normen verändern können, zeigt ein Vergleich mit der Elterngeneration. Noch in den sechziger Jahren schien z.B. ein Kinderwagen schiebender Mann undenkbar, heute ist er allgemein akzeptiert. vgl. Garhammer, M.: a. a. O. vgl. Maier, M. S., Koppetsch, C., Burkart, G. (1996): Emotionen in Paarbeziehungen, in: Zeitschrift für Frauenforschung 4/96, Bielefeld, und Campbell, A. (1995): Zornige Frauen, wütende Männer, Frankfurt 22 vgl. Maier a. a. O. 20 21 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-9 Familienplanung und Schwangerschaftsverhütung Kinderwunsch und Kinderzahl 88% der jungen Erwachsenen wünschen sich (später einmal) Kinder23. Allerdings geben 90% an, jetzt keine Kinder haben zu wollen. 95% der jungen Männer und 91% der jungen Frauen im Alter von 20 bis 24 Jahren haben auch noch keine Kinder.24 Der Beginn der Elternschaft verlagert sich in ein immer höheres Alter.25 Das durchschnittliche Alter der Frauen bei der Geburt des ersten Kindes beträgt derzeit rund 28 Jahre. Voraussetzung für einen Kinderwunsch ist für die meisten jungen Erwachsenen im Westen eine abgeschlossene Ausbildung und damit die Möglichkeit, ein Kind „ernähren“ und sich eine kindgerechte Wohnsituation leisten zu können.26 Geheiratet wird während der Ausbildung nur selten. Ungewollte Schwangerschaften Rund 47.500 Frauen unter 25 Jahren werden jedes Jahr ungewollt schwanger.27 Frauen zwischen 18 und 25 Jahren entscheiden sich am häufigsten dagegen, das Kind zu bekommen. Als Grund geben die meisten ihre berufliche/ finanzielle Situation an. Erwachsene zwischen 16 und 24 Jahren haben folgende Verhütungserfahrungen:28 Kondom Pille aufpassen Zäpfchen Spirale Temperatur Diaphragma Männer in % Frauen in % 67,4 62,6 59,6 72,5 16,0 15,0 3,7 4,9 1,6 1,4 0,5 3,0 0,9 0,9 Im Falle einer ungeplanten Schwangerschaft hätten junge Erwachsene sehr gemischte Gefühle. 38,4% der männlichen jungen Erwachsenen und 47,6% der jungen Frauen würden das Kind bekommen wollen. 17,1 bzw. 17,8% wollen es nicht bekommen. Die große Mehrheit, nämlich 44,5 der jungen Männer und 34,6% der jungen Frauen weiß es noch nicht.29 Generell fühlen sich junge Erwachsene über das Thema Schwangerschaftsabbruch eher schlecht informiert. vgl. 13. Shell-Jugendstudie (2000): Jugend 2000, (1), Opladen vgl. BzgA (1995): a. a. O. 25 vgl. Engstler, H. (1998): Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.), Bonn 26 vgl. BzgA (1995): a. a. O. 27 vgl. Statistisches Bundesamt 2001 28 vgl. BzgA (1998): Sexual- und Verhütungsverhalten 16–24-jähriger Jugendlicher und Erwachsener, Köln. Die Beschreibung und Anwendung der verschiedenen Verhütungsmittel und -methoden sowie ihre jeweiligen Vor- und Nschteile befinden sich in den Broschüren der BZgA und der PRO FAMILIA: s. am Ende des Bausteins unter Broschüren 29 vgl. BzgA (1995): a. a. O. 23 24 B3-10 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Die Beweggründe für einen Abbruch wären30: das Wissen um Missbildungen (54%), ein Risiko für sich bzw. die Partnerin (42%), die eigene finanzielle Situation (30%), das Lebensalter (28%), die Ausbildung (28%), die Verantwortung (22%), das Angebundensein durch das Kind (14%). 30 vgl. BZgA (1995): a. a. O. Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-11 Vereinbarkeitsmodelle und -probleme Beruf und Familie werden inzwischen in Politik und Öffentlichkeit und von der Mehrheit der Bevölkerung als prinzipiell vereinbar gesehen. Während früher erwerbstätige Mütter als „Rabenmütter“ angesehen wurden, die ihre „Schlüsselkinder“ sich selbst überlassen, glaubten 1994 81% der Bevölkerung, dass eine berufstätige Mutter ein „ebenso herzliches Verhältnis“ zu ihrem Kind haben kann, wie eine Mutter, die den ganzen Tag zu Hause ist.31 Bundeswehrzahlen Insgesamt rund 64.000 Soldaten/innen betreuen Kinder (Stand: 06.02.03), darunter 63.308 Soldaten und 903 Soldatinnen. 6.103 Soldaten und 226 Soldatinnen mit Kindern sind ledig. Erwerbsbeteiligung von Frauen Kontinuierlich steigt die Berufstätigenquote von Frauen. 2001 waren 64,9% der Frauen in Deutschland berufstätig. Parallel stieg der Anteil erwerbstätiger Mütter von 39,7% (1972) auf 64% (2001).32 Berufstätigkeit der Frau ist mittlerweile eine gesellschaftliche Norm. Mütter mit Kleinkindern Der Anteil erwerbswilliger Mütter mit Kleinkindern liegt in den neuen Bundesländern bei 96%, in den alten Bundesländern bei rund 86%. Erwerbstätige Mütter in den alten und neuen Bundesländern unterschieden sich 2001 in der Familiengründungsphase im Arbeitsumfang: Während in den alten Bundesländern die Teilzeit (43%) dominierte, nutzen Mütter diese Beschäftigungsform in den neuen Ländern nur zu 25%.33 Frauen aus Westdeutschland geben zu zwei Dritteln persönliche und familiäre Verpflichtungen dafür an, während in Ostdeutschland die meisten Frauen das fehlende Angebot an Vollzeitstellen als Grund für eine Teilzeitbeschäftigung angeben. 71% der Frauen veränderten auf Grund der Geburt eines Kindes ihre Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung.34 Der Trend zu Teilzeitbeschäftigung nimmt zu. Alleinerziehende Für die Bundeswehr liegen keine Zahlen für Alleinerziehende vor. Ingesamt umfassen 16% aller Eltern-Kind-Gemeinschaften in Deutschland nur ein Elternteil (Alleinerziehende).35 Die allein erziehende, auf Vollzeitarbeit angewiesene Frau ist die Verliererin in einer Gesellschaft, die in der Berufswelt Männer und in der Familienpolitik Ehen privilegiert. Über 87% der Alleinerziehenden sind Frauen; nur 13% Männer36 Besondere Schwierigkeiten, Beruf und Kindererziehung miteinander zu vereinbaren, haben allein erziehende Frauen, die auch vgl. Garhammer (1996): a. a. O. vgl. Statistisches Bundesamt 33 vgl. Statistisches Bundesamt 2001 34 vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (1996): Zeit im Blickfeld, Bonn, nach: Breuer, F., Gross, H., Schilling, G. (1994): Arbeitszeit 1993, Repräsentativbefragung bei abhängig Beschäftigten durch das Institut zur Erfassung sozialer Chancen, Köln 35 vgl. Statistisches Bundesamt 2001 36 vgl. Statistisches Bundesamt 2001 31 32 B3-12 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf die Arbeitslosigkeit am stärksten trifft. Dies zeigt sich am stärksten in den neuen Bundesländern: Über ein Drittel (37%) der ostdeutschen Alleinerziehenden sind arbeitslos. Noch 1990, im ersten Jahr der deutschen Einheit, waren allein erziehende Mütter in den neuen Ländern mit nur 2% praktisch kaum von Arbeitslosigkeit betroffen. Die noch bestehenden Einrichtungen zur Kinderbetreuung ermöglichten es offensichtlich auch gerade diesen Frauen, am Erwerbsleben teilzunehmen und ihre Kinder betreut zu wissen.37 Sofern Alleinerziehende berufstätig sind, geben sie aber von allen Gruppen den höchsten Arbeitsumfang an. Die Erwerbstätigenquote alleinerziehender Frauen steigt mit zunehmendem Alter des jüngsten Kindes von 43 % (unter 3 Jahren) auf 75 % (zwischen 15 und 17 Jahren).38 Motive für Berufstätigkeit (Gesamtgesellschaft) Das Hauptmotiv für die Berufstätigkeit bei knapp zwei Dritteln aller Frauen ist, eigenes Geld zu verdienen, um von anderen Menschen unabhängig zu sein. Sie schätzen an ihrem Beruf die Kontakte mit anderen Menschen, die Selbstbestätigung, den beruflichen Erfolg und die Bereicherung des eigenen Lebens39: Gründe für eine Berufstätigkeit (in %) West Ost eigenes Geld zu verdienen/unabhängig zu sein 63 64 Kontakte zu anderen Menschen zu bekommen 41 64 etwas zu leisten, meine Fähigkeiten einzusetzen 40 57 Damit wir uns mehr leisten können 39 64 Weil ich meinen Beruf liebe 36 53 Weil ich Abwechslung von meiner Hausarbeit brauche 31 38 Weil ich zum Unterhalt der Familie beitragen muss 23 43 um Anerkennung zu finden, angesehen zu sein 14 19 Wunsch und Wirklichkeit Traditionalisierungseffekt Beim Übergang zur Elternschaft setzt auf der Verhaltensebene häufig ein Traditionalisierungseffekt ein. Junge Mütter geben in großer Mehrheit ihre Berufstätigkeit zu Gunsten der Kinderbetreuung auf, auch wenn es nicht ihren ursprünglichen Wünschen entspricht.40 Männer arbeiten in der Regel uneingeschränkt weiter. Auf der Ebene der Einstellungen und Wünsche sind Frauen dabei eher für volle und stetige Berufstätigkeit, Männer eher für Teilzeit bzw. den vollständigen Rückzug der Frau bei Elternschaft.41 vgl. Schreier, K. (1996): Zur Erwerbssituation von Müttern mit minderjährigen Kindern. In: BIen, W. (Hg.): Familie an der Schwelle zum neuen Jahrtausend. Opladen 38 vgl. Statistisches Bundesamt 2001 39 vgl. Institut für Demosokipe Allensbach (Hg.) (1993): Frauen in Deutschland. Lebensverhältnisse, Lebensstile und Zukunftserwartungen. Die Schering-Frauenstudie 1993, Köln 40 vgl. Reichle, B. (1996): Der Traditionalisierungseffekt beim Übergang zur Elternschaft. In: Zeitschrift für Frauenforschung, 4/96. Bielefeld 41 vgl. Garhammer, M.: a. a. O. 37 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-13 3-Phasen-Modell Der „normale“ klassische Erwerbsverlauf einer Frau, die heiratet und Mutter wird, sieht folgendermaßen aus: Ledige Frauen zwischen 20 und 25 sind zu 76% berufstätig. Mit durchschnittlich 27 Jahren heiraten sie. Vier von fünf frisch verheirateten Frauen verdienen in der Ehe mit. Durchschnittlich nach einem Ehejahr kommt das erste Kind. Jede zweite Mutter zieht sich aus dem Berufsleben zurück, wenn das Kind bis zu 3 Jahre alt ist. Ist noch ein zweites Kind zu betreuen, verlassen noch mehr Mütter das Erwerbsleben. Wenn das Kind in der Schule ist, steigt die Hälfte der ausgeschiedenen Mütter im Alter zwischen 35 und 45 wieder in den Beruf ein, meist in Teilzeit.42 Vereinbarkeitsprobleme (Gesamtgesellschaft) Gefragt nach den größten Schwierigkeiten einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie nennen Frauen43: unflexible Arbeitszeiten 82 % Stress durch Doppelbelastung 55 % Unverständnis bei Vorgesetzten für Notfälle, z.B. Krankheit 54 % fehlende Kinderbetreuung am Wohnort 46 % im Betrieb 49 % Unverständnis/Neid der Kolleg/innen 20 % Abbau der Doppelbelastung In der Regel suchen Frauen nach Lösungen, ihre Doppelbelastung abzubauen. Wenn Frauen ihre Doppelbelastung durch Berufs- und Familienarbeit insgesamt verringern wollen, haben sie mehrere Möglichkeiten. Für berufstätige Väter bestehen natürlich die gleichen Möglichkeiten, nur ergreifen diese sie noch sehr selten. Väter oder Mütter hören ganz oder zumindest zeitweise auf zu arbeiten und übernehmen voll Kinderbetreuung und Hausarbeit, arbeiten bedarfsorientiert am Arbeitsplatz im Büro und zu Hause und können so flexibel die verschiedenen Aufgabenbereiche miteinander vereinbaren oder holen sich externe Unterstützung für Hausarbeit und Kinderbetreuung, sofern sie die finanziellen Möglichkeiten haben, motivieren ihre Partner/innen – falls vorhanden – verstärkt Aufgaben in der Kinderbetreuung und im Haushalt zu übernehmen. Die letztgenannte Möglichkeit verteilt die bestehenden Tätigkeiten beider Elternteile neu und entspricht am deutlichsten einem gleichberechtigten Verhalten in einer Partnerschaft. Damit die neue Aufgabenteilung nicht bei beiden Partnern/innen zu einer Doppelbelastung führt, müssen auch die Männer über Lösungswege nachdenken, wie sie sich stärker an Kinderbetreuung und Haushalt beteiligen können. Die dauerhafte Umsetzung eines Lösungs- 42 43 vgl. Garhammer, M.: a. a. O. vgl. Cosmopolitan (April 1998): Ergebnisse einer Umfrage auf der „TOP 97“ in Düsseldorf B3-14 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf modells erfordert erfahrungsgemäß eine klare Vereinbarung beider Beteiligten und eine persönliche Auseinandersetzung mit eigenen Rollenbildern, dem persönlichen Lebensplan zwischen Berufs- und Partnerschaftsorientierung, Gerechtigkeitsnormen und möglichen Widerständen im sozialen und beruflichen Umfeld. Tendenzen Die Unterbrechungen der Berufstätigkeit durch die Elternschaft werden kürzer. Die Erwerbsquoten der Frauen generell als auch die der Frauen mit Kindern steigen. Neben materieller Unabhängigkeit stehen eine tragfähige Alterssicherung und berufliche Entfaltungsspielräume im Vordergrund. Frauen haben weniger Kinder als früher und damit weniger Anlässe zur Unterbrechung der Berufstätigkeit.44 Die Reduzierung der Kinderzahl entspricht dabei nicht in jedem Fall einer freien Entscheidung. Etwa ein Drittel der 35- bis 44-jährigen Mütter wünscht sich mehr Kinder, als sie haben.45 Auch bei Männern ist eine Veränderung zu verzeichnen; die Familie findet eine immer stärkere Berücksichtigung in der individuellen Lebensplanung.46 Familienorientierte Unternehmenskultur Probleme am Arbeitsplatz Beschäftigte mit Kindern erleben im Kontakt mit Vorgesetzten und Kollegen/innen immer wiederkehrende Schwierigkeiten: eine einseitige Berufsorientierung von Vorgesetzten und Kameraden/innen, die verhindert, familiäre Anliegen im betrieblichen Rahmen zu erkennen, nachzuvollziehen oder zu akzeptieren, das Erleben von Unverständnis für Notfälle, z.B. Krankheit der Kinder oder von Betreuungspersonen, eine nachlassende Bereitschaft, dauerhaft Rücksicht zu nehmen, flexibel Aufgaben mit zu übernehmen,„einzuspringen“, Unverständnis von Beschäftigten ohne Familienaufgaben, wenn nur Eltern Sonderrechte eingeräumt werden und eigene private Interessen nicht ernst genommen werden, Aggressionen seitens Beschäftigter ohne Kinder auf Grund ihres Gefühls, dauerhaft benachteiligt zu sein. Lösungsansätze Die Gemeinnützige HERTIE-Stiftung hat im Rahmen des Schwerpunkts „Vereinbarkeit von Familie & Beruf“ Empfehlungen erarbeitet.47 Entscheidungsträger/innen sind gefordert, sich mit den Hintergründen auseinander zu setzen und Lösungen zu finden. Notwendig hierzu sind: vgl. Garhammer, M.: a. a. O. vgl. BZgA (2001): frauen leben a. a. O. 46 vgl. Bd. Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (2001): Chancen für Frauen in der Wirtschaft, Berlin 47 vgl. Gemeinnützige Hertie-Stiftung (1998): Mit Familie zum Unternehmenserfolg. Impulse für eine zukunftsfähige Personalpolitik. Und: Audit Beruf & Familie. Frankfurt am Main 44 45 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-15 eine Unternehmensführung, die eine familienorientierte Personalentwicklung formuliert und aktiv unterstützt,, eine lebendige Kommunikations-Kultur, in der Beschäftigte und Führungskräfte ihre familiären Interessen offen ansprechen können, sensibilisierte und qualifizierte Führungskräfte, die offen für Familienbelange der Beschäftigten sind und Probleme konsensorientiert lösen, die Vereinbarung klarer Regeln und Kriterien für die Art und den Umfang angemessener Rücksichtnahme, um der Entstehung von Stress und Aggressionen entgegenzuwirken, andererseits aber auch der Respekt gegenüber der Privatsphäre der Mitarbeiter/ innen und einer möglichen Entscheidung, über familiäre Belange nicht zu reden. Dienstvereinbarungen Innovative Unternehmen bemühen sich, den Anforderungen einer partnerschaftlichen Unternehmenspolitik mit der Entwicklung von Rahmenbedingungen für eine individuelle Personalpolitik für Frauen und Männer gerecht zu werden. Die größten Chancen der Verwirklichung haben Dienstvereinbarungen, die Wege zur Erreichung der gesetzten Ziele konkretisieren und diese als integrales Element der Personalarbeit behandeln.48 Parallel zum gesellschaftlichen Wandel zeigt sich in den letzten Jahren eine inhaltliche Neuorientierung im Fokus der Regelungen auf der Betriebs- oder Branchenebene: In den achtziger Jahren bezog sich die Mehrheit der Vereinbarungen auf „Sonderrechte“ für Frauen, z.B. bezüglich Elternurlaub und Teilzeitarbeit aus familiären Gründen. Neuere Regelungen brechen geschlechtsspezifische Zuordnungen auf und betonen die Kindererziehung und -betreuung als eine gleichberechtigte Aufgabe. Väter werden z.T. ausdrücklich ermutigt, Erziehungsurlaub zu nehmen. Teilweise gehen die Regelungen noch einen Schritt weiter. Sie schließen ausdrücklich auch teilzeitarbeitende Führungskräfte ein und integrieren auch private Interessen von Beschäftigten ohne Familienpflichten, um betriebsinterne Konflikte aus einem Gefühl der Benachteiligung bzw. dauerhafter einseitiger Rücksichtnahme auszuschließen.49 Alle familienunterstützenden Maßnahmen bleiben wirkungslos, wenn die Leitung und die Führungskräfte sie nicht aktiv unterstützen. Ob sich Beschäftigte mit ihren familiären Anliegen im Unternehmen verstanden fühlen und Probleme auch tatsächlich ansprechen, hängt im Wesentlichen von dem Verhalten und Engagement der Führungskräfte ab.50 Unternehmerische Handlungsmodelle Total E-Quality Mit einem Prädikat zeichnet die Wirtschaftsinitiative Total E-Quality Deutschland e.V. Unternehmen aus, deren Personalführung sich deutlich an Chancengleichheit orientiert. Total vgl. Weiler, A. (1997): Analsye und Dokumentation gleichstellungspolitischer Regelungen in Tarfiverträgen und Betriebsvereinbarungen, Studie im Auftrag des DGB-Bundesvorstands, Abteilung Frauenpolitik und Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut in der Hans-Böckler-Stiftung (Entwurf) 49 vgl. Weiler, A.: a. a. O. 50 vgl. Gemeinnützige Hertie-Stiftung: a. a. O. 48 B3-16 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf E-Quality setzt sich dafür ein, diese Aufgabe bekannt zu machen, sie zu fördern und voranzutreiben (Adresse s. unter Material). Audit Beruf & Familie In Anlehnung an den in den USA eingeführten „family-friendly-index“51 hat die HERTIE-Stiftung ein „Audit Beruf & Familie“ entwickelt. Dieser systematisierte Katalog gliedert nahezu alle praktizierten oder wünschenswerten Instrumente, Regelungen und Maßnahmen, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern können, in zehn Handlungsfelder.52 Er stellt damit einen Orientierungsrahmen dar, anhand dessen ein Unternehmen – ebenso wie seine Mitarbeiter/innen - überprüfen können, wie familienfreundlich und –bewusst hier gehandelt wird. Gleichzeitig bietet der Katalog eine Grundlage für mögliche personalpolitische Innovationen und Strategien. Die Handlungsfelder umfassen einen sich kontinuierlich erweiternden Rahmen, aus dem sich unternehmensspezifisch, tätigkeitsspezifisch oder sogar individuell erfolgversprechende Handlungsmodelle entwickeln können. Audit Familie & Beruf Handlungsfeld Kurzbeschreibung 1. Arbeitszeit flexible Gestaltung von Umfang, Lage und Unterbrechungen der Arbeitszeit bzw. von Freistellungsregelungen 2. Arbeitsabläufe und -inhalte flexible Gestaltung und Verteilung von Arbeitsaufträgen, z. B. Mitarbeiterregelungen 3. Arbeitsort flexibler Arbeitsort zu Hause, im Büro, auf Reisen und seine Anbindung an den Betrieb 4. Kommunikationspolitik unternehmensinterne Informations- und Öffentlichkeitsarbeit über familienunterstützende Aktivitäten 5. Führung familienbewusstes Verhalten der Führungskräfte und aktive Unterstützung von Vereinbarungen 6. Personalentwicklung Fortbildungs- und Fördermöglichkeiten für Beschäftigte mit Familie; positive Bewertung von Patchwork-Erwerbsbiografien 7. Entgeld und geldwerte finanzielle und soziale Unterstützung für Beschäftigte mit Familie Leistungen 8. Flankierender Service für Familien Versorgung für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige 9. Unternehmenspolitische Daten langfristig Kosten-Nutzen-Analyse familienbewusster Maßnahmen 10. Betriebsspezifika innovative familienbewusste Maßnahmen, die keinem der o.a. Felder zugeordnet sind vgl. Galinski, E., Friedmann, D.E., Hernandez, C.A. (1991): The corporate reference guide to work-family programs, Families and Work Institute, New York 52 vgl. Gemeinnützige Hertie-Stiftung: a. a. O. 51 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-17 Arbeitszeiten und -orte Einige Unternehmen bieten zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf flexible Teilzeit an. Im zivilen Bereich stellen solche Angebote den zentralen Aspekt für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dar. Beschäftigte der Bundeswehrverwaltung und sonstiger ziviler Funktionen der Bundeswehr haben wie alle Beschäftigte des Bundes prinzipiell einen Anspruch auf Teilzeit. Für Soldaten/innen existiert noch keine entsprechende Dienstzeitregelung. Im zivilen Bereich werden sehr unterschiedliche Modelle umgesetzt: Flexibler Zeitumfang Vollzeit volle tariflich vereinbarte Arbeitszeit Teilzeitarbeit individuelle oder standardisierte Vereinbarung zwischen tariflicher Normalarbeitszeit und sozialversicherungspflichtiger Mindestarbeitszeit Flexible Lage der Arbeitszeit Wann soll die vereinbarte Arbeitszeit geleistet werden? Gleitzeit möglichst kurze Kernarbeitszeit und innerhalb eines Zeitkorridors frei wählbare Arbeitszeiten Halbtagsarbeit vormittags, nachmittags, abends, im Wechsel: festes oder flexibles Modell 1-, 2-, 3-, 4-Tage-Woche feste oder flexible Tage Modular-Arbeitszeit Kombinationen von festen oder freien Zeitblöcken in der Woche oder im Monat Jobsharing zwei oder mehrere Personen teilen sich einen Arbeitsplatz nach festgelegten Zeitblöcken oder in freier Absprache Arbeitszeitkonten freie oder verschiebbare Arbeitszeiten innerhalb einer Woche, eines Monats oder Jahres mit oder ohne Übertragungen; Arbeit auf Abruf; kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit auf Grund Nachfrage innerhalb eines festgelegten Gesamtumfangs Männer und Teilzeit Bei einer hohen Zahl voll erwerbstätiger Väter liegt ein Interesse vor, sich mehr als bisher um die familiären Aufgaben kümmern zu können. Teilzeitwünsche äußern, je nach Befragung, zwischen 7 und 30% der Männer. In der realen Arbeitswelt wird dieser Wunsch von den meisten jedoch als (derzeit) nicht verwirklichbar angesehen.53 Teilzeitarbeit ist nach wie vor eine Frauendomäne: Im Westen arbeiteten im letzten Jahr 42 % der erwerbstätigen Frauen Teilzeit (Männer 5 %), in den östlichen Bundesländern waren es 23 % (Männer 4 %).54 vgl. Peinelt-Jordan, K. (1996): Männer zwischen Beruf und Familie – ein Anwendungsfall für die Individualisierung der Personalpolitik 54 vgl. Künstle, A. (1999): Hohe Hürden vor der Teilzeitarbeit, in: Badische Zeitung, Ausgabe vom 9. September 1999 53 B3-18 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Motive für Teilzeitarbeit Egal, ob die Männer tatsächlich in Teilzeit arbeiten oder eine volle Stelle haben: Für die meisten ist/wäre das Hauptmotiv für Teilzeitarbeit der Zugewinn an Zeit für sich selbst. Bei den teilzeitbeschäftigten Männern spielt der Wunsch nach einer aktiven Kinderbetreuung die zweitwichtigste Rolle, gefolgt von dem Anliegen, der Partnerin die Berufstätigkeit zu ermöglichen.55 Teilzeitbeschäftigte 5.88 Mio. voll erwerbstätige 31,78 Mio. darunter Männer 0,76 Mio. Junge Vaterschaft Die meisten jungen Väter sind in der ersten Zeit nach der Geburt sehr interessiert an ihren Kindern und sensibel für die Vereinbarkeitsproblematik. Rein zeitlich wenden sie durchschnittlich gut eineinhalb Stunden mehr für Hausarbeit und Kinderbetreuung auf als vor der Geburt. Mit zunehmender Dauer der Vaterschaft lässt das Interesse deutlich nach, Männer wenden sich wieder stärker ihrem Beruf zu.56 Hohe Arbeitszeitbelastung Über die Hälfte der Männer arbeitet mehr als tariflich vorgesehen, leistet Überstunden. Teilzeitarbeit als Wunschvorstellung spielt solange keine Rolle, wie das Grundbedürfnis „Normalzeit“ nicht erfüllt ist. Die übrigen Männer schätzen ihre berufliche Belastung als vergleichsweise gering ein und sind daher mit der Zeitaufteilung zufrieden. Sie sehen, dass sie sich mehr als andere um ihre Familie kümmern können und empfinden subjektiv die ihnen zur Verfügung stehende Zeit – im Vergleich zu den Kollegen – nicht als gering. Partnerschaftliche Konkurrenz und Macht Einzelne Frauen geben zu, dass sie trotz ihres Anspruchs, dass sich ihr Partner in gleichem Umfang um die Kinderbetreuung kümmern soll, die Liebe und Zuneigung zum Kind nicht teilen, geschweige denn ganz abgeben wollen. Teilweise erleben sie ein verstärktes Engagement des Partners im Haushalt und in der Kindererziehung auch als „Einbruch in ihren Bereich“. Nachteile von Teilzeitarbeit Der größte Nachteil von Teilzeitarbeit wird von allen Männern in finanziellen Problemen gesehen. Männer ohne Teilzeitarbeitswunsch befürchten ausserdem, dass der erforderliche Arbeitsumfang in Teilzeit nicht zu bewältigen sei – im Gegensatz zu solchen, die eine Teilzeitarbeit wünschen. Fehlende Unterstützung und Angst vor Repressalien 40% der teilzeitbeschäftigten Männer geben an, dass sie „große Schwierigkeiten“ oder „Schwierigkeiten, die sich in Grenzen hielten“, bei der Durchsetzung ihres Arbeitszeitwun55 56 vgl. Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V., Hg.: Trojaner. Forum für Lernen. Ausgabe 2/1997. Frankfurt/Main vgl. Peinelt-Jordan, K.: a. a. O. Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-19 sches hatten (oder gehabt hätten – denn inzwischen sind sie ja t.z.b.). 44% meinen, dass sich Aufstiegsmöglichkeiten stark oder etwas verschlechtert hätten. Teilzeitbeschäftigte Männer berichten von fehlender Akzeptanz bei ihren männlichen Kollegen. Verständnis finden sie am ehesten, wenn sie eine Stundenreduzierung arbeitsmarktpolitisch begründen oder sich auf gesundheitliche Gründe berufen. Familiäre oder gar rein persönliche Argumente werden selten anerkannt.57 Aktive Väter am Arbeitsplatz Um Teilzeitarbeit als ein Instrument zur besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Familie auch für Männer nutzen zu können, ist eine Aufwertung der Perzeption von Teilzeitarbeit bei Männern und Vorgesetzten ebenso nötig wie ein verändertes Selbst- und Rollenverständnis der Männer. Eine Teilzeitbeschäftigung wird von den meisten Männern bislang nicht als Lebensperspektive angesehen.58 Männer, die sich an ihrem Arbeitsplatz als aktive Väter bekennen, müssen in vielen Fällen mit beruflichen Nachteilen rechnen. Hintergrund sind zumeist Vorurteile. Das Erkennen und Überwinden dieser Vorurteile ist eine Voraussetzung, um väterfreundliche Arbeitsbedingungen zu schaffen.59 Väter, die sich aktiv um ihre Kinder kümmern (wollen), sind nicht freizeitorientiert, sondern in besonderem Maße leistungsbereit, auch wenn sich dies oft nicht an den traditionellen Kennzeichen von Leistungswillen wie Überstunden, Dauerstress und permanenter Präsenz zeigt; ordnen nicht persönliche Ziele den beruflichen unter, sondern sind im Gegenteil bereit persönliche, nämlich berufliche Nachteile zu Gunsten des Wohls ihrer Kinder und/oder ihrer Partnerin in Kauf zu nehmen; ruhen sich nicht auf der „sozialen Hängematte“ aus, sondern übernehmen eine verantwortungs- und anspruchsvolle Aufgabe; sind keine „Schwächlinge“, weil sie sich von ihren Partner/innen zusätzliche Aufgaben „aufdrücken“ lassen, sondern nehmen die Gleichberechtigung ernst und leben sie; sind keine Sonderlinge, sondern sind die ersten, die den Mut haben, ihre Überzeugungen auch zu leben; sind, wenn überhaupt, nicht für den Rest ihres Arbeitslebens in der Berufstätigkeit eingeschränkt, sondern nur vorübergehend. Flexible Arbeitsorte Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird wesentlich erleichtert, wenn Arbeiten flexibel auch von zu Hause aus erledigt werden können. Hierdurch bietet sich sowohl für die Unternehmen als auch für die Arbeitnehmer/innen eine gute Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis (in modifizierter Form) aufrechtzuerhalten. Der oftmals schwierige Wiedereinstieg in das Erwerbsleben nach einer Familienpause kann so abgemildert werden. vgl. Peinelt-Jordan, K.: a. a. O. vgl. Busch, G., Hess-Diebäcker, D., Stein-Hilbers, M. (1998): Den Männern die Hälfte der Familie, den Frauen mehr Chancen im Beruf 59 vgl. Peinelt-Jordan, K.: a. a. O. 57 58 B3-20 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Alternierende Telearbeit flexibles Splitting des Arbeitsplatzes zwischen zeitweiser Arbeit zu Hause, im Unternehmen und ggf. auf Reisen. Mehrere Beschäftigte können einen gemeinsamen Arbeitsplatz nutzen. Ausschließliche Telearbeit Arbeit zu Hause. Die Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit dieser Arbeitsform wird kontrovers eingeschätzt. Mutterschutz, Elternzeit und Betreuungsurlaub Obwohl Mütter wie Väter einen Anspruch auf Elternzeit haben, wird sie bislang praktisch ausschließlich von Frauen in Anspruch genommen. Ein komplexes Bündel von Unsicherheiten, Widerständen und Vorurteilen verhindert trotz einer vorhandenen positiven Grundhaltung – noch –, dass mehr Männer wagen, in die Elternzeit zu gehen. Mutterschutz Sobald eine Soldatin Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, sollte sie dies unverzüglich ihrem Truppenarzt/ ihrer Truppenärztin oder ihrem/ihrer Disziplinarvorgesetzten mitteilen. Eine Soldatin nimmt während der Schwangerschaft bis zum Beginn der Schutzfristen am regelmäßigen Dienst teil. Soldatinnen dürfen während der Schwangerschaft nicht zu solchen Dienstleistungen herangezogen werden, die Leben oder Gesundheit von Mutter und Kind gefährden. Schwangere dürfen keinen schweren körperlichen Belastungen oder schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, Staub, Gasen oder Dämpfen, Hitze, Kälte oder Nässe oder von Erschütterungen oder Lärm ausgesetzt werden. Dies gilt insbesondere auch für Tätigkeiten, bei denen erfahrungsgemäß die Gefahr einer Infektionskrankheit besteht und für den Kontrollbereich ionisierender Strahlung, radioaktiver Stoffe oder Röntgeneinrichtungen und die Teilnahme an militärischen Übungen unter feldmäßigen Bedingungen sowie im Einsatz. Werdende Mütter dürfen nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie regelmäßig Lasten von mehr als 5 kg Gewicht oder gelegentlich Lasten von mehr als 10 kg Gewicht ohne mechanische Hilfsmittel von Hand heben, bewegen oder befördern müssen. Soldatinnen sind z.T. unsicher, wie sie ihren Vorgesetzten eine Schwangerschaft mitteilen sollen. Sie befürchten eine ablehnende Haltung und wenig Unterstützung. Zudem kommt die Unsicherheit hinzu, nicht zu wissen, wie sie in der nächsten Zeit eingesetzt werden. In den USA werden pro Jahr rund 5,4% der Soldatinnen schwanger. Die Fehlzeiten von Frauen und damit auch die laufenden Kosten übersteigen damit erklärlicherweise diejenigen von Männern. (Bei Soldaten fallen demgegenüber wesentlich häufiger Fehlzeiten durch Alkohol-/Drogenmissbrauch und eigenmächtige Abwesenheit an.) Sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung darf kein Dienst geleistet werden. Die Mutterschutzfrist dauert mindestens 14 Wochen und verlängert sich bei Früh- und Mehrlingsgeburten um bis zu vier Wochen. Viele Soldaten wünschen sich mehr Interesse und Anteilnahme von ihren Vorgesetzten, wenn sie Vater werden. Beispiel Soldaten berichten, dass sie teilweise per Telex von der Geburt ihres Kindes erfahren haben. Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-21 Geburtsurlaub für Väter Ein vergleichbarer Vaterschutz bleibt bislang eine unerfüllte sozialpolitische Forderung. Eine solche Maßnahme könnte eine Integration der Väter in die Familienarbeit von vorneherein unterstützen. Elternzeit und Betreuungsurlaub Am 1. Januar 2001 trat das neue Bundeserziehungsgeldgesetz in Kraft. Der Gesetzgeber will mit dem neuen Gesetz die Gestaltungsmöglichkeiten von Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder verbessern, d.h., Eltern soll die Vereinbarkeit von Aufgaben aus Familie und Beruf erleichtert werden – und dies gilt gleichermaßen für Männer wie für Frauen. Mit dem Begriffswechsel von „Erziehungsurlaub“ zu „Elternzeit“ soll die in der Familie geleistete Arbeit aufgewertet und ihre Gleichwertigkeit gegenüber der Berufsarbeit betont werden. Was ist neu bei der Elternzeit? Neben neugefassten Anmeldefristen für die Elternzeit ergeben sich folgende inhaltlichen Veränderungen gegenüber der vormaligen Fassung des Gesetzes: Eltern können die Elternzeit ganz oder zeitweise gemeinsam nehmen. Bisher konnten sich Mutter und Vater nur abwechseln. Die Gesamtdauer der Elternzeit von bis zu drei Jahren bleibt unverändert, unabhängig davon, ob beide Partner gleichzeitig oder nur ein Elternteil sie in Anspruch nehmen. Im Zeitraum vom dritten bis zum achten Geburtstag des Kindes kann mit Zustimmung des Arbeitgebers eine Elternzeit von bis zu 12 Monaten genommen werden. Die während der Elternzeit zulässige Teilzeitarbeit (s.u.) erhöht sich von bisher 19 auf 30 Wochenstunden, um das Familieneinkommen in der Elterzeit besser abzusichern: Elternpaare können z.B. gemeinsam 60 Stunden in der Woche arbeiten. Eltern, die in der Bundeswehrverwaltung und in sonstigen zivilen Funktionen in der Bundeswehr tätig sind, haben nach dem geänderten Gesetz einen Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung und auf Rückkehr zur vorherigen Arbeitszeit nach Ablauf der Elternzeit. Eine Verringerung der Arbeitszeit ist möglich, wenn mehr als 15 Personen im Betrieb/ Unternehmen beschäftigt sind – Auszubildende nicht mitgezählt und das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung seit mehr als sechs Monaten besteht. Eine Teilzeitbeschäftigung als Soldat/in ist grundsätzlich nicht möglich. Während der Elternzeit können jedoch auch Soldaten/innen eine Teilzeitbeschäftigung von bis zu 30 Stunden wöchentlich als Angestellte ausüben. Die Beschäftigung muss im Einzelfall genehmigt werden. Ein Antrag ist beim Disziplinarvorgesetzten zu stellen. Die Verbesserung durch das neue Bundeserziehungsgeldgesetz löst aber nicht grundsätzlich das strukturelle Problem des unterschiedlichen Lohnniveaus von Frauen und Männern. Schon aus rein finanziellen Gründen entscheiden viele Paare, dass die Frau die Erwerbsarbeit reduziert. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Elternzeit ist für Paare ebenso wie für allein erziehende Eltern häufig die erste Weichenstellung hinsichtlich einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ungefähr 95 % aller anspruchsberechtigten jungen Elternteile nehmen bisher das Angebot „Elternzeit“ an. Davon sind knapp 98% Frauen. Als Soldat/in auf Zeit, dessen/deren militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung von mehr als sechs Monaten Dauer verbunden ist, gilt folgende Regelung: B3-22 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Wenn die Elternzeit nach dem Studium/ der Fachausbildung genommen wird, verlängert sich die Dienstzeit um die Dauer der Elternzeit. Väter in der Elternzeit Die Anzahl der Männer, die Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen60,steigt kontinuierlich, ist aber noch verschwindend gering: von 0,68% (1987) auf 1,5% (2001).61 Männer brechen nur sehr zögernd aus der klassischen männlichen Erwerbsbiografie aus und behalten eher traditionelle Rollenmuster bei. Väter nehmen hauptsächlich dann Elternzeit in Anspruch, wenn die berufstätige Partnerin mindestens gleich viel verdient, es also nicht zu finanziellen Einbußen kommt, beide Partner eine sichere Stellung haben, beide gern arbeiten und sich die Kinderbetreuung teilen wollen, sie keine wesentlichen beruflichen Nachteile befürchten oder von vornherein bereit sind, diese in Kauf zu nehmen, die Partnerin sich in einer beruflichen Fortbildung befindet und für deren erfolgreichen Abschluss eine Vollzeitbeschäftigung erforderlich ist, die Partnerin eine sichere Stellung hat und sie die Zeit nutzen möchten, um eine berufliche Veränderung vorzubereiten, sie den Wunsch haben, die Kinder nicht durch „Fremde" betreuen zu lassen und sie die daraus resultierenden Aufgaben nicht vollständig auf ihre Partnerin abwälzen bzw. dieser überlassen wollen, sie weniger Interesse an der beruflichen Arbeit haben als ihre Partnerin und diese daher zumindest vorläufig die Familienarbeit übernimmt. Väter, die Elternzeit in Anspruch nehmen, bemühen sich in der Regel, die negativen Auswirkungen auf den betrieblichen Ablauf so gering wie möglich zu halten: Sie informieren ihre Arbeitgeber sehr frühzeitig, beteiligen sich an der Planung der Vertretung, sind telefonisch zu Hause ansprechbar. Reaktionen Die Reaktionen von Vorgesetzten und Kollegen/innen resp. Kameraden/innen decken das gesamte denkbare Spektrum ab. Sie reichen von freundlich-wohlwollender Unterstützung bis zu schroffer Ablehnung. Sachliche Gründe sind nicht unbedingt entscheidend für die Reaktion von Vorgesetzten, sondern vielmehr spielen hier grundsätzliche Einstellungen eine Rolle. Wichtig ist auch die Beziehung innerhalb der Arbeitsgruppe. Ist das Verhältnis vgl. Zum Zeitpunkt der Erhebung galt noch der Begriff Erziehungsurlaub; seit 2001 heißt es Elternzeit. vgl. Vaskovics, L. Rost, H. (1999): Väter und Erziehungsurlaub, Band 179 der Scchriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Stuttgart; Beckmann, Petra: Neue Väter braucht das Land! IAB Werkstattbericht, Ausgabe Nr. 6/02.05.2001. 60 61 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-23 zwischen Kollegen/innen bzw. Kameraden/innen und Vorgesetzten kooperativ, teilweise auch kollegial, zeigen sich weniger Probleme. Andernfalls reagieren Vorgesetzte eher mit Ablehnung.62 Die Kameradinnen begrüßen durchgängig, wenn Väter Elternzeit in Anspruch nehmen. Die Reaktionen der Kameraden rangieren zwischen prinzipiell positiver Zustimmung – kaum einer kann sich jedoch vorstellen, selber Elternzeit zu nehmen –, reserviertem Verhalten und sehr ablehnenden Haltungen. Finanzielle Unterstützung Während der Mutterschutzfristen erhalten Soldatinnen Dienstbezüge. Der Antrag auf Gewährung von Kindergeld ist bei der Truppenverwaltung bzw. dem Rechnungsführer zu stellen. Zuständig für die Zahlung des Kindergeldes ist die WBV (Familienkasse), die Dienstbezüge zahlt. Nach Ablauf der Mutterschutzfrist können Soldaten/innen Elternzeit ohne Besoldung bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes beantragen. Wer Elternzeit nimmt, kann weiterhin kostenlos zum Truppenarzt gehen (der Anspruch auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung bleibt bestehen). Daneben haben Soldaten/innen Anspruch auf Erziehungsgeld bis zum vollendeten 24. Lebensmonat des Kindes. Das Erziehungsgeld ist allerdings an Einkommensgrenzen gebunden. Es beträgt unter bestimmten Voraussetzungen bis € 460,16 im Monat. Das Erziehungsgeld zahlen die in den jeweiligen Bundesländern dafür zuständigen Behörden aus. Gegebenenfalls haben Soldaten/innen Anspruch auf weitere finanzielle Unterstützung, z.B. Kinderzulage zur Wohnungsgrundförderung, Wohngeld, Gehaltsvorschuss, Unterhaltsvorschuss, Sozialhilfe. Informationen bei der Truppenverwaltung oder dem Sozialdienst der Bundeswehr. Betreuungsurlaub Berufssoldaten/innen und Soldaten/innen auf Zeit können ferner aus familiären Gründen bis zu drei Jahren Betreuungsurlaub erhalten, der auf längstens zwölf Jahre verlängert werden kann. Geld- und Sachbezüge, mit Ausnahme der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung, fallen dabei allerdings weg. Sonderregelungen gibt es für angenommene und in Adoptionspflege genommene Kinder. Des Weiteren sind ebenfalls der Erholungs- und Sonderurlaub zur Betreuung eines Kindes und für allein erziehende Soldaten/innen neu geregelt worden. Detaillierte Informationen bei den Ansprechstellen Disziplinarvorgesetzter Truppenarzt Truppenverwaltung Sozialdienst der Bundeswehr Beihilfestelle Finanzamt 62 vgl. Peinelt-Jordan, K.: a. a. O. B3-24 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Wohngeldstelle Jugendamt Erziehungsgeldstelle Sozialamt Beruflicher Wiedereinstieg Nach Ende der Elternzeit haben Soldaten/innen Anspruch auf einen gleichwertigen Dienstposten, aber keinen Anspruch auf eine Verwendung auf ihrem bisherigen Dienstposten, in der bisherigen Einheit oder am bisherigen Standort. Der Dienstherr wird sich jedoch bemühen, die persönliche Situation zu berücksichtigen. Eine (Regel-) Beurteilung findet in der Elternzeit nicht statt; daher kann die Inanspruchnahme der Elternzeit für Soldaten/innen durchaus ein Karrierehemmnis darstellen. Aus den Erfahrungen in der Wirtschaft sind für einen erfolgreichen beruflichen Wiedereinstieg entscheidend: Kontakthalteoptionen während der Elternzeit, z.B. durch Vertretungseinsätze, Einsatz in Spitzenlastzeiten und Projektarbeiten und Qualifizierungsangebote, z.B. Teilnahme an Fortbildungen und Seminaren und eine flexible wie verlässliche Kinderbetreuung. Bewährt haben sich auch Elternseminare als Möglichkeiten des Erfahrungsaustausches mit anderen Paaren in gleicher Situation. Als kontinuierliche, betrieblich organisierte Arbeitsgruppen oder Seminare, die bereits zu Beginn der Schwangerschaft ansetzen, können sie auch die folgenden Jahre begleitend unterstützen. Material und weitere Informationen Wir sind zurück – Reintegrationsseminar. Zentrum Innere Führung. Arbeitspapier 2/98 Truppenärztliche Versorgung Bei Vorliegen der Voraussetzungen bzw. auf Veranlassung des Truppenarztes können zivile Ärzte in Anspruch genommen werden. Dies gilt uneingeschränkt für die Untersuchung und Behandlung durch Gynäkologen/innen. Die Kosten für Aufwendungen von Schwangerschaft und Geburt, ggf. auch für medizinisch angezeigten Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation sowie die Beratung zur Empfängnisreglung werden im Rahmen der truppenärztlichen Versorgung übernommen. Nicht jedoch Eltern-Kind-Kuren. Bis zum vollendeten 20. Lebensjahr bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen ihren Mitgliedern empfängnisverhütende Mittel, z. B. die Pille, so weit sie ärztlich verordnet sind. Ansprechstellen Truppenarzt, Disziplinarvorgesetzter, Sozialdienst der Bundeswehr Krankenversicherung, Anwartschaft, Beihilfe Wenn mindestens ein Elternteil freiwilliges Mitglied in einer gesetzlichen Krankenversicherung ist, besteht für das Kind von Geburt an kostenfreier Versicherungsschutz im Rahmen der Familienversicherung. Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-25 Bei Soldaten/innen sind Kosten für das gesunde Neugeborene unter bestimmten Voraussetzungen beihilfefähig. Die Kosten werden dem Geburtsfall und damit der Mutter zugeordnet, was sich im Bemessungsgrundsatz auswirkt. Um eine Gesamtkostendeckung zu erhalten, muss für ein Kind bei einer privaten Versicherung eine Restkostenversicherung abgeschlossen werden. Ansprechstellen Sozialdienst der Bundeswehr Gesetzliche und Private Krankenkassen Beihilfestelle der WBV B3-26 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Kinderbetreuung und Familienservice Familienbetreuung bei Einsätzen, Kontingentdauer und Übungspausen Soldaten/innen mit Kindern sind durchschnittlich weniger mobil als kinderlose Soldaten/ innen; Soldaten/innen, die in festen Partnerschaften leben weniger, als Singles. Dies bringt Versetzungsprobleme mit sich. Frauen scheiden bei Schwangerschaft und Kindererziehung häufiger als Männer vorzeitig aus dem Dienst aus und sind in geringerem Maße als Reservisten verfügbar. Gründe sind: Probleme in der Kinderbetreuung die geringere Bereitschaft von Männern, aktiv Verantwortung zu übernehmen z.T. aber auch der Wunsch von Frauen, die ersten Jahre eines Kind möglichst umfassend miterleben zu wollen. Auslandseinsätze wirken sich belastend auf das Familienleben und partnerschaftliche wie soziale Beziehungen aus. Besonders für junge Familien mit kleinen Kindern. Die psychische Belastung für die Soldaten/innen, Angehörigen, Bekannten, Freundinnen und Freunde ist gerade in der Schlussphase des Einsatzes besonders groß. Eine Verkürzung der sechsmonatigen Kontingentdauer wird nach Aussage des Wehrbeauftragten derzeit geprüft. Bei der Einteilung zu Übungen sind die Belange von aus dem Einsatz zurückkehrenden Soldaten/innen, Ihrer Angehörigen und Familien, soweit wie möglich zu berücksichtigen. Dazu gehört nicht zuletzt die Freigabe von Wochenenden und Feiertagen. Kinderbetreuung Außerordentlich schwierig ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wenn ausreichende Betreuungsmöglichkeiten fehlen. Familienfreundliche Angebote zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass die Öffnungszeiten bestimmter Einrichtungen kompatibel sind zu den eigenen Arbeitszeiten Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren bereitgestellt werden, so dass auch eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit möglich ist. Beispiel Eine Sanitätssoldatin bat den Disziplinarvorgesetzten um Dienstbefreiung, weil ihr Kind schwer erkrankt war. Dieser verlangte von ihr, die Betreuung des Kindes auf andere Art und Weise sicherzustellen und am nächsten Morgen zum Dienst zu erscheinen. Dabei äußerte er, dass es ihm egal sei, wie sie das organisiere. Kurz darauf erhielt sie per Fax die Mitteilung ihres nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten mit dem Befehl, am nächsten Tag pünktlich zum Dienst zu erscheinen und die Betreuung des Kindes durch Familienangehörige sicherstellen zu lassen. Grundsätzlich besteht kein Auswahlermessen des Dienstherrn, wer die Betreuung eines erkrankten Kindes übernimmt. Dies ist im Einzelfall unter Berücksichtigung dienstlicher Erfordernisse abzustimmen. Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-27 Familien- bzw. Kinderbüro In zivilen Großunternehmen steht Eltern häufig ein betrieblicher Service mit Rat und Tat zur Seite und vermittelt dauerhafte Plätze bei Tagesmüttern/-vätern, Au-pair-Betreuung, Babysitten auch für Notfälle (übrigens auch Plätze in (Pflege-) Einrichtungen für Angehörige). Dauerhafte Lösungen zur Kinderbetreuung Im zivilen Bereich haben sich verschiedene Modelle etabliert: Betriebskinderkrippen, -gärten und –horte In betrieblicher Eigenregie für die Kinder von Beschäftigten; denkbar auch als integriertes Kinderhaus für 2- bis 12-jährige Kinder. Verbundkinderkrippen, -gärten und –horte Mehrere Unternehmen vor Ort errichten gemeinsam Einrichtungen. Kooperationsprojekte Betriebe, Kommunen und Eltern schließen sich zusammen. Elterninitiativen Mütter-/ Väterzentren Eltern schaffen eine Einrichtung, die ihrem Betreuungsbedarf entspricht. Belegplätze Sicherung einer festen Anzahl von Plätzen in Betreuungseinrichtungen für die Kinder der Beschäftigten. Berufstätigkeit, Fremdbetreuung und Entwicklung der Kinder Unterstützung durch Fremdbetreuung Die meisten Frauen in den USA und Großbritannien halten private Babysitter bzw. öffentliche Tageseinrichtungen als geeignet für die Kinderbetreuung. In Deutschland ist die Akzeptanz dieser Betreuungsformen sehr viel geringer, das höchste Vertrauen genießt hier die Großmutter.63 Entsprechend gering ist das Angebot an öffentlichen Betreuungsangeboten für Kinder unter 3 Jahren. So werden im Westen nur 2% und im Osten 16% der Kinder unter 3 Jahren in öffentlichen Einrichtungen (Kinderkrippen) betreut. Nur 60% der Kinder zwischen 3 und 6 Jahren im Westen und immerhin 87% im Osten besuchen einen Kindergarten, obwohl mittlerweile ein Recht auf einen Kindergartenplatz für jedes Kind besteht. Auch im Grundschulalter erfordert der verhältnismäßig kurze Tagesaufenthalt in der Schule die Anwesenheit einer familiären Betreuungsperson am Nachmittag. Öffentliche Ganztagsbetreuung wird in Deutschland nach wie vor nur wenig angeboten. Nur 4% der Kinder von 6 bis unter 9 Jahren im Westen werden in einem Hort betreut und auch im Osten sind es nur 26%.64 Die Kinder berufstätiger Eltern sind nicht dümmer, in der Schule erfolgloser, aggressiver oder gefühlsmäßig stärker belastet, fühlen sich nicht mehr vernachlässigt als Kinder mit „Vollzeitmutter“ oder „Vollzeitvater“. Offensichtlich ist weniger die reine Zeitdauer ausschlaggebend, die die Eltern zu Hause verbringen. Bedeutsamer wirkt sich die Art und In- 63 64 vgl. Garhammer, M.: a. a. O. vgl. IAB-Kurzbericht (2001): IAB-Projekt 3 – 523, 2000 B3-28 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf tensität aus, wie gemeinsame Zeit gelebt wird, wie sensibel Eltern für die Bedürfnisse der Kinder sind, wie sie ihre Kinder bei gemeinsamen Spielen oder Unternehmungen fördern. Kinder, deren Mütter und Väter berufstätig sind65, sind unabhängiger und selbstbewusster, erleben die familiäre Rollenverteilung als ausgewogener und halten Frauen für kompetenter als Kinder, deren Mutter nicht berufstätig ist. Eine qualitativ gute und kindgerecht organisierte außerfamiliäre Betreuung auch von Kleinkindern muss weder deren Entwicklung noch das Eltern-Kind-Verhältnis beeinträchtigen. Sie kann sogar Vorteile haben, z.B. im sozialen Gruppenverhalten von Einzelkindern.66 Flexible Freistellungen Wenn die generelle Versorgung der Kinder geklärt ist, bleibt ein weiteres Problem: Wie lassen sich darüber hinaus Freistellungen oder längerfristige Beurlaubungen realisieren? Lösungsansätze könnten sein: Notfallmanagement Vereinbarung klarer Regeln und Kriterien für Freistellungen z.B. bei unerwarteter Krankheit der Kinder oder der Betreuungsperson Sabbaticals Ansparen von Arbeitszeit / mehrmonatige oder einjährige Freistellungen für private Vorhaben vgl. LBS-Initiative Junge Familie (Hg.) (1994): Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eltern vor neuen Herausforderungen, Weinheim 66 vgl. LBS-Initiative: a. a. O. 65 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-29 Rechtliche Grundlagen Sexualität und Partnerschaften in der Bundeswehr Führungshilfe für Vorgesetzte „Umgang mit Sexualität“ Der Generalinspekteur der Bundeswehr vom 20.12.2000 ZDv14/3 B 173 Sexuelles Verhalten von und zwischen Soldaten Mutterschutz, Elternzeit, Betreuungsurlaub Mutterschutzgesetz vom 20.06.2002 (BGBL.I S. 2318) „Meldepflicht bei Schwangerschaft“ ergänzender Erlass in: Verordnung über den Mutterschutz für Soldatinnen“ (MuSchSoldV) im VMBl Nr. 9 S. 187 v. 27.09.2001 verlängerte und flexibilisierte Mutterschutzfrist bei einer vorzeitigen Entbindung auch für Soldatinnen in Anlehnung an Art. 1 Nr. 1 des 2. Gesetzes zur Änderung des Mutterschutzrecht vom 16. Juni 2002,, Änderung des § 6 Abs. 1 MuSchG, Fernschreiben FüS I 3 Mutterschutzrichtlinienverordnung/ Verordnung zur ergänzenden Umsetzung der EGMutterschutzrichtlinie, BGBl. I 1997 S. 782 MuSchSoldV in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.10.1997, geändert durch VO vom 21.04.1999; BGBl. I S. 804 Elternzeitverordnung – EltZV Verordnung für die Elternzeit für Bundesbeamte und Richter im Bundesdienst vom 24.07.2001 BGBl I S. 1669 Erziehungsurlaubsverodnung für Soldaten (ErzUrlVSold) in der zur Zeit gültigen Fassung VMBl. 1995, S. 358; Ausführungsbestimmungen zur Verordnung über den Erziehungsurlaub für Soldaten: Stand ist 29 April 1997 (VMBl. 1997, S. 141) mit Änderung vom 22. Januar 1999 (VMBl. 1999, S. 81) VwV zu § 31 SG über die Gewährung von Mietzuschuss und Überbrückungshilfe im Zusammenhang mit im Ausland gewährtem Erziehungsurlaub für Frauen in der Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes: VMBl 1987 S. 7 Vierte Verordnung zur Änderung mutterschutz- und urlaubsrechtlicher Vorschriften BGBl I vom, 24.07.2001 S. 1664 Art. 1 Erholungsurlaubsverordnung (7a) Urlaubsanspruch zur Kinderbetreuung Art. 3 Elternzeitverordnung Art. 4 Mutterschutzverordnung Art. 5 Elternzeitverordnung für Soldaten Art. 6 Mutterschutzverordnung für Soldatinnen Erlass „Meldepflicht“ bei Schwangerschaft“ Allgemeiner Umdruck 37/3 Richtlinien für Bekleidung, Nr. 2508 ZDV 37/10 Anzugordnung für die Bundeswehr, Nr. 110 Beihilfeverordnung Arbeitsstättenverordnung Lastenhandhabungsverordnung B3-30 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Lärmschutzverordnung Gefahrstoffverordnung Strahlenschutzverordnung Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001 BGBl. I 2001 S. 3926; § 50a BeamtVG Kindererziehungszuschlag Soldatenversorgungsgesetz Soldatenurlaubsverordnung ZDv 14/5, Soldatengesetz F 511 Sozialgesetzbuch VI Bundeserziehungsgeldgesetz Landeserziehungsgeldgesetz Einkommenssteuergesetz, Eigenheimzulagengesetz Wohngeldgesetz Bundessozialhilfegesetz Unterhaltvorschussgesetz Beihilfevorschriften Soldatengesetz § 3 Ernennungs- und Verwendungsgrundsätze § 12 Kameradschaft § 28 Urlaub (5) Einem Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit kann auf Antrag unter Wegfall der Geld und Sachbezüge mit Ausnahme der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung Urlaub bis zur Dauer von drei Jahren mit der Möglichkeit der Verlängerung auf längstens zwölf Jahre gewährt werden, wenn er 1. mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder 2. einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreut oder pflegt. Bei einem Soldaten auf Zeit ist die Gewährung nur insoweit zulässig, als er nicht mehr verpflichtet ist, auf Grund der Wehrpflicht Grundwehrdienst zu leisten. Der Antrag auf Verlängerung einer Beurlaubung ist spätestens sechs Monate vor Ablauf der genehmigten Beurlaubung zu stellen. Während der Beurlaubung dürfen nur solche Nebentätigkeiten genehmigt werden, die dem Zweck der Beurlaubung nicht zuwiderlaufen. Ein bereits bewilligter Urlaub kann aus zwingenden Gründen der Verteidigung widerrufen werden. (7) Soldaten haben Anspruch auf Elternzeit unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge mit Ausnahme der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung. Das Nähere wird durch eine Rechtsverordnung geregelt, die die Eigenart des militärischen Dienstes berücksichtigt. § 30 Geld- und Sachbezüge, Versorgung § 34 Beschwerde § 35 Beteiligungsrechte der Soldaten § 40 Begründung des Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit § 70 Personalvertretung der Beamten, Angestellten und Arbeiter Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-31 § 72 Zuständigkeit für den Erlass der Rechtsverordnungen § 73 Übergangsvorschrift aus Anlass des Änderungsgesetzes vom 6. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2588) Truppenärztliche Versorgung Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 69 Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz ZDV 60/7 Verwaltungsbestimmungen und Gebühren für Untersuchungen im Musterungs- und Annahmeverfahren und für die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung, Kap. 17 Krankenversicherung, Anwartschaft, Beihilfe Sozialgesetzbuch V (SGB V) Beihilfevorschriften ZDV 60/7 Kap. 17 B3-32 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Material Arbeitshilfen Vasovics, Laszlo A., Lipinski, H. (Hg.) (1998):Familiale Lebenswelten und Bildungsarbeit (3). Didaktische Erfahrungen und Materialien, Opladen Infothek „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“: eine interaktive Wanderausstellung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die mobile, flexibel einsetzbare Infothek bündelt Informationen über erfolgreiche Unternehmensstrategien zur Familienfreundlichkeit. Sie richtet sich an Arbeitgeber/innen sowie Personalverantwortliche. Mit Best-Practice-Modellen aus der deutschen Wirtschaft zeigt sie anschauliche und konkrete Möglichkeiten einer familienbewussten Unternehmensstruktur auf. Weitere Informationen unter www.vereinbarkeit.de. „Vater und Beruf“: virtuelle Beratungsstelle des Sozialnetzes Hessen in Kooperation mit der Gewerkschaft ver.di, www.sozialnetz.de, www.verdi.de Broschüren Alle wichtigen Informationen für Soldaten/innen, die Mutter bzw. Vater werden oder bereits sind, enthält die Broschüre "info zur sozialen Absicherung für Soldatinnen" Sie ist allen Soldaten/innen bekannt zu machen. Bezug über Vorschriftenverteilerweg unter DSK SS11-82-20112 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2001): Der familienfreundliche Betrieb 2000: Neue Chancen für Frauen und Männer, Dokumentation des Bundeswettbewerbs DGB Bundesvorstand, Abt. Jugend (2000). Eene meene muh – und (raus) schwanger bist du? Ein Ratgeber für Schwangere in der Berufsausbildung, Bezug: Tel: 0211-430 11 73, Fax 0211-430 11 17 Email: renate.telzin@bundesvorstand. ww.dgb.de Verein berufstätiger Mütter e.V.: Das Dschungelbuch. Leitfaden für berufstätige Mütter (Schutzgebühr DM 7, plus DM 3 Versand) Adressen Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. Emil-von-Behring-Str. 4, 60439 Frankfurt am Main Tel. 069-958 08-272 Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen e.V. (BAGE) c/o Die Mitarbeit in Bayern e.V. Einsteinstr. 111, 81675 München Tel. 089-47 06 50 3 Bundesarbeitsgemeinschaft Familienbildung & Beratung e.V. Bonn (AGEF) Hamburger Str. 137, 25337 Elmshorn Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-33 Tel. 04121-438 063 www.familienbildung.de Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Rochusstraße 8-10, 53123 Bonn Broschürenbestellung: Tel. 0180-532 93 29 oder www.bmfsfj.de Bundesverband allein erziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) Beethovenallee 7, 53173 Bonn Tel. 0228-35 29 95 Bundesverband für Kinderbetreuung in Tagespflege e.V. Breite Str. 2, 40670 Meerbusch Tel. 02159-13 77 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Ostmerheimer Str. 220, 51109 Köln Tel. 0221-8992-0 www.bzga.de Bundesverband Neue Erziehung e.V. (BNE) Am Schützenhof 4, 53119 Bonn Tel. 0228-66 405-5 Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Hans-Böckler-Str. 39, 40476 Düsseldorf Tel. 0211-4 30 10 Mobilzeit-Telefon Beratungstelefon des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung Tel. 0800-1 51 51 53 Mütterzentren Bundesverband e.V. Müggenkampstr. 16, 20257 Hamburg Tel. 040-49 61 56 Selbsthilfe-Initiative Alleinerziehender e.V. (SHIA Hauptverband) Görschstr. 38, 13187 Berlin Tel. 030-400 35 02 Total E-Quality Deutschland e.V. c/o DT Bad Kissingen Im Mangelsfeld 11–15, 97708 Bad Bocklet Tel. 09708-90 91 10 Verein berufstätiger Mütter e.V. (vbm) Corneliusstr. 2, 50678 Köln Tel. 0221-32 65 79 Landes,- Arbeits-, Familien- oder Wirtschaftsministerien, Landesjugendämter und Landeswohlfahrtsverbände setzen sich ebenfalls mit dem Thema „Beruf und Familie“ auseinander und haben z.T. eigene Informationsmaterialien entwickelt. Literaturtipps Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. et al. (Hg.): Mann ... Frau ... Familie ... Beruf. Trojaner, Forum für Lernen, Heft 1, 2/1997 B3-34 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. et al. (Hg.) (1995): Erfahrungen und Tendenzen betrieblich geförderter Kinderbetreuung. Dokumentation des 3. Sozialpolitischen Forums, Wiesbaden Birk, R. (1994):Welche Maßnahmen empfehlen sich, um die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie zu verbessern? Gutachten E zum 60. Deutschen Juristentag, München Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) Bundeswettbewerb (2000): Der familienfreundliche Betrieb, Bonn Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (1998): Kinderbetreuung gesucht? Leitfaden für Betriebe – Förderung von Kinderbetreuung, Bonn Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (2001): Chancen für Frauen in der Wirtschaft, Berlin Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2000): frauen leben. Studie zu Lebensläufen und Familienplanung, Kurzfassung, Köln Cosmopolitan (1998):Familienfreundliche Unternehmen. Die gibt's doch gar nicht, Ausgabe 4/98 Dahmen-Breiner, M., Dobat, R. (1993): Beruf kontra Familie? Wie Unternehmen von mitarbeiterorientierter Personalarbeit profitieren, Neuwied Fthenakis,W. (1999): Engagierte Vaterschaft, Opladen. Gemeinnützige Hertie-Stiftung (Hg.) (1998):Leitfaden: Mit der Familie zum Unternehmenserfolg. Impulse für eine zukunftsfähige Personalpolitik, und Audit Beruf & Familie, Frankfurt am Main Im Rahmen des Projektes sind auch erschienen: eine CD-ROM und eine branchenspezifische Dokumentation. Bezugsquelle: Gemeinnützige Hertie-Stiftung Lyoner Str. 15, 60528 Frankfurt am Main sowie ein wissenschaftlicher Reader. Bezug: Wirtschaftsverlag Bachem GmbH Ursulaplatz 1, 50668 Köln Gesellschaft für Informationstechnologie und Pädagogik am Institut für Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Eingliederung (IMBSE) (Hg.) (1998): Beschäftigungsrisiko Erziehungsurlaub. Die Bedeutung des „Erziehungsurlaubs“ für die Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit, Opladen Holm, C., Ludwig, U. (2002): Bundeswehr. Verführerische Situationen. In: Der Spiegel 45/2002 Peinelt-Jordan, K. (1996): Männer zwischen Beruf und Familie – ein Anwendungsfall für die Individualisierung der Personalpolitik, München Schnack, D., Gesterkamp, Th. (1996): Hauptsache Arbeit. Männer zwischen Beruf und Familie, München TOTAL E-QUALITY Deutschland e.V. (Hg.) (1997): Chancengleichheit im Unternehmen. Paradigmenwechsel in der Personalpolitik, Deutscher Wirtschaftsdienst, Köln Weiler, A. (1997): Analyse und Dokumentation gleichstellungspolitischer Regelungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, Studie im Auftrag des DGB-Bundesvorstands, Abteilung Frauenpolitik und Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut in der Hans-Böckler-Stiftung Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf B3-35 B3-36 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Baustein 4 Kommunikatives Handeln Inhalt Einführung, Zentrale Fragen, Zielsetzungen ............................................... 2 Kommunikation Grundlagen .............................................................................................. 3 Methoden der Gesprächsführung .............................................................. 5 Kommunikation in schwierigen Situationen .............................................. 7 Beratung – individuelle Hilfe Grundlagen ............................................................................................... 9 Der Beratungsprozess ............................................................................. 10 Moderation – Arbeit mit Gruppen Grundlagen ............................................................................................ 12 Meinungs- und Positionsübungen ........................................................... 13 Rollenspiele ............................................................................................ 15 Material ............................................................................................................... 17 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln B4-1 Einführung Erfolgreiches Ausbilden und sensibles Beraten bedeuten mehr als die Vermittlung fachlicher Kenntnisse. Hinzu kommen psychologisches Einfühlungsvermögen, soziale Kompetenz, ein modernes didaktisches Grundverständnis, ein breites Instrumentarium von Lernmethoden und die eigene Motivation und Sicherheit, genau diesen Weg zu gehen. Im Unterschied zu reinen Fachqualifikationen können Methoden- und Sozialkompetenzen nicht isoliert und ausschließlich kognitiv erlernt werden. Notwendig sind ganzheitliche Situationen, längerfristige Lernprozesse und eine aktive Auseinandersetzung, die sich nah an der Realität der Lernenden orientiert. Für Trainer/innen, Ausbilder/innen und Vorgesetzte bedeutet dies, die Lernenden zu einem möglichst selbstverantwortlichen und selbstständigen Lernen und Ausprobieren anzuleiten. Nicht Detailwissen steht im Vordergrund, sondern eine weitgehend teilnehmerbezogene Handlungsorientierung. Der Baustein „Kommunikatives Handeln“ unterstützt mit Informationen in den Feldern: Kommunikation, Beratung/ individuelle Hilfen, Moderation/ Arbeit mit Gruppen mit Tipps für die konkrete Umsetzung. Zentrale Fragen Welche kommunikativen Grundhaltungen und Techniken fördern eine offene und partnerschaftliche Kommunikation? Wie können Beratungssituationen so gestaltet werden, dass sich Soldaten/innen mit ihren Anliegen akzeptiert fühlen und sie eine reale Unterstützung bei der Problemlösung erfahren? Welche Moderationstechniken, Arbeitsformen und Methoden in Gruppenveranstaltungen fördern effektiv ein weitgehend selbstbewusstes, selbstständiges und selbstverantwortliches Handeln? Zielsetzungen Ausbau der Fähigkeit zur Metakommunikation, das heißt: bewusste Wahrnehmung und Steuerung des Kommunikationsprozesses Kompetenzstärkung für Beratungssituationen durch Sensibilisierung für mögliche Kommunikationsstörungen, bestehende Probleme, Konflikte und Lösungsansätze und durch Erkennen von Grenzen in der Beratung Ausbau eines sicheren und selbstbewussten Einsatzes von teilnehmeraktivierenden Methoden in Veranstaltungen B4-2 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln Kommunikation Grundlagen Sender-Empfänger-Modell Alles, was zwischen Menschen stattfindet, sei es im Unterricht, am Arbeitsplatz, in der Freizeit oder im Privatleben, ist Kommunikation. Es ist keinesfalls gleichgültig, wie Menschen miteinander umgehen, wie sie sich zueinander verhalten. Sowohl die sachliche Leistung als auch die seelische Gesundheit hängen in starkem Maß von der Art der zwischenmenschlichen Kommunikation ab.1 Ein einfaches Sender-Empfänger-Modell dient als Grundlage zum besseren Verständnis des Kommunikationsprozesses: Sender/in Nachricht Empfänger/in Wie selbstverständlich gehen wir als Sender davon aus, dass unsere Gesprächspartner/innen (Empfänger) das Gesagte (Nachricht) vollständig verstehen; oder umgekehrt, dass unser Gegenüber (Sender) auch gemeint hat, was wir als Empfänger wahrnehmen. Leider ist das jedoch nicht immer so einfach. An der Tagesordnung sind Missverständnisse, die viel zu häufig zu Konflikten führen. Vier Seiten der Kommunikation Die Nachricht hat nach Schulz von Thun vier verschiedene Seiten: Die Sach-Seite = Worüber ich informiere Die Selbstkunde-Seite = Was ich von mir selbst zeige Nachricht Die Appell-Seite = Wozu ich dich veranlassen möchte Die Beziehungs-Seite = Was ich von Dir halte und wie wir zueinander stehen Ein klassisches Beispiel: „Was ist denn das Grüne in der Soße?“, fragt sie ihren Freund beim Abendessen.2 Die vier Seiten meinen: Die Sach-Seite „Da ist was Grünes.“ Die Selbstkundgabe-Seite „Ich weiß nicht, was es ist.“ Die Appell-Seite „Sag mir, was es ist.“ Die Beziehungs-Seite „Du wirst es wissen.“ vgl. Fittkau, B, Müller-Wolf, H.-M., Schulz von Thun, F. (1994): Kommunizieren lernen (und umlernen). Trainingskonzeptionen und Erfahrungen, 7. Aufl., Aachen-Hahn 2 Fittkau, B., u.a.: a. a. O. 1 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln B4-3 Der Empfänger hört die ursprüngliche Nachricht mit seinen „vier Ohren“ und interpretiert sie etwas anders: „Vier Ohren“ Sach-Ohr „Da ist was Grünes.“ Appell-Ohr „Lass‘ nächstes Mal das Grüne weg!“ Selbstkundgabe-Ohr „Mir schmeckt das nicht.“ Beziehungs-Ohr „Du bist ein mieser Koch.“ Das Feedback Die Rückantwort des Empfängers/der Empfängerin („Feedback“) zeigt dem Sender, wie seine Nachricht angekommen ist: „Dann koch’ doch selber, wenn’s dir nicht schmeckt.“ Sender/in Nachricht Empfänger/in Feedback Der Empfänger hat prinzipiell die freie Auswahl, auf welchem Ohr er vorrangig hören will. In diesem Fall hörte der Mann nur mit seinem Beziehungsohr und interpretierte die Botschaft seiner Freundin für sich als Kritik an seiner Person. Dementsprechend negativ fiel sein Feedback aus. Er hätte sich z.B. auch auf den Sach-Aspekt der Aussage beziehen und antworten können: „Das ist Koriander. Schmeckt es dir?“ Oder auf den Selbstkundgabe- Aspekt: „Ich wollte mal was Neues ausprobieren und auf dem Markt habe ich ...“ Viele Menschen hören auch unabhängig von der konkreten Situation auf einem Ohr besonders gut. Je nachdem, welches Ohr vorrangig hört – oder zu hören meint –, kann das Gespräch einen unterschiedlichen Verlauf nehmen. Einseitiges oder überempfindliches Wahrnehmen und Verstehen führt zu Störungen, insbesondere auf der wichtigen Beziehungsebene. In diesem Beispiel wurde das Missverständnis offenkundig durch eine unmittelbare emotionale Reaktion. Alternativ hätte der Mann auch versuchen können, scheinbar sachlich zu bleiben, indem er antwortet: „Das ist Koriander“. Sie wiederum könnte seine Kränkung überhören. Seine persönlich empfundene Verletzung hätte weiter bestanden und die Beziehung möglicherweise zukünftig belastet. Nonverbale Kommunikation Eventuell könnte sie auch trotz seiner sachlichen Antwort: „Das ist Koriander“ eine Störung an seinem Tonfall, der Mimik und/oder Gestik bemerken. Die Körpersprache entscheidet mit, wie eine Nachricht verstanden wird. Ob sie als übereinstimmend („kongruent“) zu der rein sprachlichen Äußerung oder als zu ihr im Widerspruch stehend erlebt wird. Häufig erkennen Gesprächspartner/innen bereits unmittelbar an der Haltung des Gegenübers, ob er/sie sich sprachlich positiv oder ablehnend äußern wird. B4-4 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln Metakommunikation Die Chance, das Missverständnis aufzulösen, besteht darin, auf die übergeordnete Ebene, die Metaebene, zu wechseln. Metakommunikation heißt, den Kommunikationsprozess kritisch wahrzunehmen, Störungen zu bemerken und gegebenenfalls Änderungen einzuleiten. Sinnbildlich tritt der Empfänger einer Nachricht einen Schritt zurück und reflektiert kritisch das bisherige Gespräch und interveniert, zum Beispiel: „Ich habe den Eindruck, du bist sauer. Was ist los? ...“ Im Privat- wie auch im Berufsleben entstehen schwierige Situationen immer dann, wenn starke – vor allem negative – Gefühle auftauchen. Ein rein sachliches Gespräch ist dann nicht möglich. Wird jetzt die Gefühlsebene ignoriert und nur auf der Sachebene kommuniziert, entstehen Kommunikationsbarrieren.3 Die „passende“ Grundhaltung Zunächst muss im Gespräch dafür gesorgt werden, dass die Gesprächspartner/innen in einen ausgeglichenen entspannteren Zustand kommen. Erst danach können Informationen ausgetauscht, Anliegen besprochen und Lösungen für Konflikte gefunden werden. Wichtig für die Gesprächsführung ist eine „passende“ Grundhaltung. „Im richtigen Ton kann man alles sagen. Im falschen Ton nichts. Das Heikle ist, den richtigen Ton zu finden.“ George Bernard Shaw Der Therapeut Carl Rogers4 fand in langjährigen Untersuchungen drei Grundhaltungen, die allen guten und erfolgreichen Beratungsgesprächen gemein waren. Sie gelten auch für schwierige „Alltagsgespräche“ am Arbeitsplatz und im Privatbereich. Akzeptanz = emotionale Wärme, Akzeptieren und Achten des Gesprächspartners in einer Atmosphäre der Offenheit und des Vertrauens Empathie = einfühlendes Verstehen Kongruenz = Echtheit des Verhaltens Methoden der Gesprächsführung Über die Grundhaltung hinaus gibt es einige einfache Methoden und Techniken, die helfen, Gespräche konstruktiv und störungsfrei zu führen. Aktives Zuhören Ein aufmerksames und einfühlsames Verstehen des Anderen ohne sofortige Analyse und Bewertung seines Verhaltens ist die Grundlage jedes positiven menschlichen Kontaktes. Diese Technik entspringt der oben dargestellten Grundeinstellung und ist nicht nur für Therapeuten/innen und Berater/innen, sondern generell für Menschen in beruflichen, sozialen und privaten Lebenssituationen hilfreich. Aktiv zuhören bedeutet5: Mohl, A. (1997): Auch ohne dass ein Prinz dich küsst. NLP Kommunikationsmethoden & Lernstrategien. Ein Lernbuch für Frauen, Paderborn 4 Rogers, Carl R. (1994): Die nicht direktive Beratung. Counseling and Psychotherapy 5 Aue, M., Bader, B., Lühmann, J. (1994): Berater- und Betreuerausbildung im Aids-Bereich – Ein Handbuch mit Übungen – Berlin, vgl. auch im folgenden 3 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln B4-5 die Situation mit den Augen des/der Gesprächspartners/in sehen, auf Zwischentöne achten und Stimmungen wahrnehmen, offen sein für die Meinungen, Einstellungen, Werturteile, Wünsche und Ziele des anderen, ohne innerlich bereits eine vorgefertigte Antwort zu haben, die Gefühle des/der Anderen wahrnehmen und ernst nehmen, ihn/sie ermutigen, die mit seinem/ihrem Problem zusammenhängenden Gefühle an sich heranzulassen, deutlicher wahrzunehmen und zu verbalisieren, sich auf die/den Andere/n auch im nonverbalen Bereich einstellen, im Blickkontakt und durch kleine Gesten, z.B. Kopfnicken, mit zustimmenden Lauten, wie z.B.„ja“,„hm“,„genau“ oder konzentriertem Schweigen für einen guten Kontakt sorgen, sich sensibel auf die/den andere/n einstellen, ohne zu übertreiben und aufgesetzt zu wirken, mit dem Ziel, einen ehrlichen Kontakt herzustellen. Ohne die Berücksichtigung des ganzen Menschen, also auch seiner Gefühle, sind Problemlösungen im zwischenmenschlichen Bereich meist unmöglich. Kontrollierter Dialog Ob Beratende Ratsuchende richtig verstanden haben, können sie mit dieser Technik überprüfen. Missverständnisse können sofort beseitigt werden. Der kontrollierte Dialog trägt dazu bei, größere Klarheit im Denken und Fühlen zu gewinnen. Im kontrollierten Dialog zu sein, heißt: mit eigenen Worten den Sinn einer Aussage wiederzugeben, das Wesentliche des eben Gesagten zusammenzufassen und Einzelheiten wegzulassen. Typischerweise werden Gesprächspartner/innen mit „genau“, „ja“ oder einem Kopfnicken Zustimmung signalisieren und das Gespräch dann fortführen. Offene Fragen Gute Fragen ermuntern Gesprächspartner/innen zu reden, sich tiefer mit ihren Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen und eigene Problemlösungen zu erarbeiten. Zu viele Fragen lenken ab. Die Kunst besteht darin, das richtige Maß zu finden. Fragen sollten möglichst offen formuliert sein. Sie sollten nicht mit „ja“ oder nein“ beantwortet werden können. Eine Hilfe sind W-Fragen (wer, was, wie, wo, wann, warum, wozu, wodurch). Strukturieren Zusammenfassungen verknüpfen die wesentlichsten Aspekte eines Gespräches und ordnen sie. Sie geben den Gesprächspartnern/innen eine klare Rückmeldung über den Gesprächsinhalt und bieten einen Orientierungsrahmen, von dem aus einzelne Aspekte genauer beleuchtet werden können. B4-6 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln Kommunikation in schwierigen Situationen Forderungen stellen, sich durchsetzen, Nein sagen Forderungen können immer dann durchgesetzt werden, wenn sie legitim sind, wenn ein Anrecht auf Erfüllung besteht und der andere dies auch weiß und respektiert.6 Selbstsicher und gelassen legitime Forderungen zu stellen, bedeutet zu sprechen: ohne Umschweife, also direkt, präzise und in einer der Sache und dem Gegenüber angemessenen Form, die z.B. mit „Ich...“ beginnt. Ob die Forderung bestimmt, freundlich oder als Bitte formuliert wird, hängt von der Situation, der Beziehung zum Gegenüber und dem gewohnten bzw. angemessenen Umgangston ab. Persönlichen Angriffen zu begegnen, ist nicht einfach. Zumal, wenn sie berufliche Fähigkeiten in Frage stellen, die äußere Erscheinung oder Verhaltensweisen abwerten oder auf Grund Geschlecht, Kultur, Behinderung oder der sexuellen Orientierung diskriminieren. 7 Die häufigsten Reaktionen sind: Rückzug bzw. Schweigen, Abwehr oder Gegenangriff. Schweigen und ein „stummes“ Entfernen nehmen Angreifern/innen die Chance, weiterzumachen. Die Betroffenen werden sich aber weiter ärgern, häufig wirken Ohnmächtigkeitsgefühle nach. Persönlichen Angriffen standhalten Versuche, Angriffe und Vorwürfe richtig zu stellen und zurückzuweisen, geben den Betroffenen ein Gefühl der Selbstbehauptung. Sie führen jedoch dazu, dass erneut eine Angriffsfläche geboten wird, die in der Regel auch wieder genutzt wird. Gegenangriffe sind in vielen Situationen begründet und gerechtfertigt. Allerdings wird auch ein Gegenangriff selten die Aggression auf der Gegenseite stoppen. Ein folgender Schlagabtausch dauert an, bis einer oder eine als Verlierer/in den Platz räumt. Siegen wird zumeist, wer die geringsten Hemmungen hat, aggressive Gefühle auszudrücken. Die folgenden zwei Strategien sorgen dafür, 6 7 dass es den Betroffenen nach der Auseinandersetzung gut geht, die Angriffe aufhören und ein Kampf verhindert wird, in dem es Sieger/innen und Verlierer/innen gibt. vgl. Mohl, a.: a. a. O. vgl. Mohl, a.: a. a. O. Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln B4-7 Nebeltaktik Diese Strategie besteht darin, dass sich die angegriffene Person nicht auf den Inhalt des Angriffs einlässt, nicht in Abwehrhaltung geht und auch nicht mit Gegenangriffen reagiert. Paradoxerweise beginnt die nebeltaktische Reaktion mit einer formalen Zustimmung, z.B.: „Das stimmt...“ oder „Da könnten Sie Recht haben...“ oder: „Was du sagst, klingt richtig ...“. Diese Erwiderung bezieht sich jedoch nur auf einen Aspekt Wahrheit, der in der Botschaft steckt. Es bedeutet nicht, dem Angriff inhaltlich zuzustimmen. Vielmehr strahlt die Reaktion eine gelassene und vor allem unangreifbare Souveränität aus. Beispiel:„Sie sehen mal wieder aus, als hätten Sie sich für einen großen Auftritt zurechtgemacht.“8 Eine mögliche nebeltaktische Äußerung dazu könnte sein: „Stimmt, ich kleide mich immer so, dass ich für alle Auftritte vorbereitet bin.“ „Reframing“, die Kunst des Umdeutens Schwierige soziale Situationen lassen sich auch souverän parieren, indem persönlichen Angriffen eine andere Bedeutung gegeben wird, z.B. indem sie positiv gewendet werden. Manchmal gelingt es sogar, humorvolle Wendungen zu finden. Die angegriffene Person zeigt sich völlig unbeeindruckt gegenüber der ursprünglich beabsichtigten Aggression. Diese Technik wirkt vor allem dem Gefühl der Ohnmacht entgegen. Beispiele9 „Küsschen, Küsschen“ „Darf es sonst noch etwas sein?“ „Glauben Sie, Sie würden dann ein Prinz?“ „Darf ich mir das noch überlegen?“ „Sind Sie noch Jungfrau?“ „Nein, ich bin schon Waage.“ „Wie haben Sie das erraten?“ „Guck dir den Arsch an.“ „Und der Rest interessiert Sie nicht?“ „Meinen Sie den hinter mir?“ „Die einen haben einen, die anderen sind einer!“ 8 9 vgl. Mohl, a.: a. a. O. vgl. Mohl, a.: a. a. O. B4-8 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln Beratung – individuelle Hilfen Grundlagen Definition Eine Beratung kann sich ungeplant aus einem Gespräch ergeben oder bewusst angeboten und durchgeführt werden. Beiden Situationen gemein ist: Beratung wird von Ratsuchenden in Anspruch genommen, die das Gefühl oder den Eindruck haben, auf einem bestimmten Lebensgebiet oder bei bestimmten Problemen „Hilfe“ oder „Unterstützung“ zu brauchen.10 Ziel Das Ziel von Beratung sollte immer Hilfe zur Selbsthilfe sein. Eine Beratungssituation ist dann beendet, wenn die Ratsuchenden ihr Problem für gelöst erklären bzw. meinen, sich nun wieder selbst helfen zu können. Die Ratsuchenden Die Ratsuchenden haben neben ihrer Hilfsbedürftigkeit bestimmte Vorinformationen, die sie vermuten oder darauf vertrauen lassen, bei diesem Berater oder dieser Beraterin Unterstützung zu finden. Und sie werden eigene Vorstellungen besitzen, wie dieser Prozess aussehen könnte. Beratungsthemen, die Tabubereiche berühren, z.B. sexuelle Belästigung, lösen bei Ratsuchenden häufig Ängste und Widerstände aus, sich wirklich zu öffnen. Beratungsstandards Offenheit und Akzeptanz Ratsuchende aufmerksam anzunehmen mit ihrer eigenen Lebenswirklichkeit, ist eine beraterische Grundhaltung. Ernsthaftigkeit Ausdruck dieser Grundhaltung ist das Anrecht der Ratsuchenden, mit ihrem Anliegen ernst genommen zu werden. Neutralität Es ist nicht Aufgabe des Beratenden, moralisch zu urteilen, insbesondere wenn es um Benachteiligungen, Diskriminierung, Mobbing und sexuelle Belästigung geht. Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit Vereinbarte Beratungsangebote sind unbedingt verlässlich einzuhalten. Verschwiegenheit 10 Vertrauen gewinnen nur Berater/innen, die mit ihrem Wissen verschwiegen umgehen und Informationen nur nach Zustimmung der Ratsuchenden weitergeben. Aue, M., u.a.: a. a. O., vgl. auch im Folgenden Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln B4-9 Die Beratenden Kompetente Berater/innen sind in engem Kontakt mit dem Erleben der Ratsuchenden, halten professionellen Abstand zu ihnen und ihren Problemen, bleiben sensibel für das eigene Erleben, bringen Wissen über Gesprächsführungsmethoden und inhaltliche Aspekte ein (vgl. Thema „Kommunikation“) und kennen die Grenzen der eigenen Fähigkeiten und verweisen gegebenenfalls an professionelle Berater/innen weiter. Der Beratungsprozess Ratsuchende benötigen vor allem Ermutigung und eine Atmosphäre, die ihnen Sicherheit vermittelt, damit sie sich in der Beratung öffnen können. Kontaktaufnahme Setting: z. B. Raumgröße, Einrichtungszusammenstellung und -anordnung, Uhrzeit, Zeitdauer usw. Begrüßung Problemfindung Was ist wann passiert? Warum sind Sie hier? Auftragsklärung Was kann ich für Sie tun? Was erwarten Sie von mir? Zielformulierung Was soll erreicht werden? Lösungsstrategien, z.B. Was ist bereits versucht worden? Was könnte unternommen werden? Bewertung und Auswahl der Vorgehensweise, z.B. Was bedeutet das für Ihre Person? Ist das realistisch umsetzbar, ist es ökonomisch in Ihren Alltag integrierbar? 1. Schritt z. B.: Was wollen Sie als Erstes tun? 2. ... 3. ... B4-10 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln Rückmeldung und Erfolgskontrolle, z.B. Ist das Ziel erreicht worden? Hat sich etwas geändert? Schwierige Situationen im Beratungsprozess Für viele schwierige Situationen gibt es keine allgemein gültigen Verhaltensweisen. Das Beratungsverhalten ist von der konkreten Situation abhängig. Es empfiehlt sich, konkrete Situationen als Fallbeispiele zu sammeln und eventuell Lösungsmöglichkeiten im Rollenspiel zu erarbeiten. Generell sollte sich die beratende Person jedoch nie unter (Erfolgs-)Druck setzen oder setzen lassen, sondern die eigenen Grenzen kennen und beachten. Der äußere Rahmen Beratungen sollten in einem separaten Raum stattfinden ohne Störungen durch Lärm, Telefonklingeln oder andere Personen. Die Raumatmosphäre sollte es den Ratsuchenden leicht machen, sich wohl zu fühlen und über ihre Empfindungen zu sprechen. Wenn Beratende und Ratsuchende sitzen, empfiehlt sich eine schräge Position zueinander, um die Notwendigkeit eines ständigen Blickkontakts zu vermeiden. Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln B4-11 Moderation – Arbeit mit Gruppen Grundlagen Aufgaben Gruppen leiten heißt: Gespräche anregen und strukturieren (klare und konkrete Formulierung von Fragestellungen und Arbeitsaufträgen) das Thema und die Zeit im Auge behalten Wissen vermitteln und zum Nachdenken anregen Gefühle bewusst machen und in Worte fassen Störungen und Konflikte erkennen, benennen und bearbeiten Rückmeldung geben Selbstverständnis Trainier/innen und Ausbilder/innen sind nach diesem Verständnis Moderierende eines Gruppenprozesses. Dieses Verständnis unterscheidet sich deutlich von dem des klassischen frontal dozierenden Lehrenden. Rollen in der Moderation Moderatoren/innen wechseln möglichst übergangslos zwischen drei Rollen: Leitung Moderatoren/innen helfen der Gruppe sich zu finden und - durch strukturierende Interventionen - effektiv zu arbeiten. Beratung Sie bieten ihre Erfahrungen und ihr Wissen an. Sie geben Denkanstöße, ermuntern durch Fragen, schützen aber auch Gruppenmitglieder. Teilnahme Gezielt nehmen Moderatoren/innen auch selbst an dem Gruppenprozess teil und bringen sich in das Gespräch ein. Moderationsstil Grundsätzlich gilt: Je authentischer und kongruenter die moderierende Person sich verhält, desto größer ist die Erfolgswahrscheinlichkeit. Techniken und Arbeitsmethoden sind wichtig und hilfreich, müssen aber zur Person der Moderatoren/innen passen. Nur dann wirken die Botschaften glaubwürdig. Die Empfehlung lautet daher, die Methoden und Techniken auszuwählen, die eine Person sich zutraut und mit denen sie sich wohl fühlt. Sprache und Sprachniveau Das gilt ebenso für die Sprache. Die gewählte Sprache muss vor allem zur eigenen Person und ihrem Stil passen, sonst ist die Glaubwürdigkeit der moderierenden Person gefährdet oder die Teilnehmer/innen empfinden die Sprache als anbiedernd. Sie haben dafür ein sehr sensibles Gespür. B4-12 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln Mut zur Lücke Zur Glaubwürdigkeit und Authentizität gehört ebenso, dass auch Gruppenleiter/innen keine Übermenschen sind. Auch sie dürfen Wissenslücken haben und zugeben. Themenzentrierte Interaktion (TZI) Die von Ruth Cohn entwickelte „Themenzentrierte Interaktion“ verdeutlicht das Spannungsfeld, in dem sich die Gruppenarbeit immer befindet. Moderierende müssen gleichzeitig das Thema, die Gruppe, die einzelnen Gruppenmitglieder und das Umfeld, z.B. das Unternehmen, die Partnerschaft, die Familie, berücksichtigen. Umfeld Thema Gruppe Gruppenmitglied TZI-Regeln Die Moderation soll eine angenehme, angstfreie Atmosphäre schaffen, die alle darin unterstützt, aktiv mitzuarbeiten. Hierzu hat die Themenzentrierte Interaktion Regeln entwickelt: Es soll immer nur eine Person zur gleichen Zeit sprechen. Sage „ich“, vermeide „man“ oder „wir“. Erzähle deine eigenen Reaktionen, interpretiere nicht andere. Sei ehrlich. Sei für dich verantwortlich. (Sag, was für dich zutrifft und achte auf deine Grenzen.) Störungen haben Vorrang, denn sie können „das Salz in der Suppe“ sein. Die Regeln können entweder situativ angesprochen werden, wenn in der Gruppenarbeit eine Regel nicht beachtet wird. Oder sie werden zu Beginn der Gruppenarbeit z.B. auf einem Flipchart erläutert und abgestimmt. Meinungs- und Positionsübungen Ziel und Nutzen dieser Methoden ist es, einen schnellen Überblick über die Einstellungen und Haltungen in einer Gruppe zu einem Thema zu gewinnen oder einen dynamischen Einstieg in die Bearbeitung eines neuen Themas zu finden. 4-Ecken-Spiel Die Teilnehmer/innen sollen sich aufgrund einer Aufgabenstellung oder einer Frage für eine von vier unterschiedlichen vorgegebene Antworten entscheiden, die in den vier Raumecken hängen. Sie sollen in die entsprechende Ecke gehen und sich untereinander über ihre Entscheidung verständigen. Anschließend diskutieren sie mit den anderen Teilnehmern/innen aus diesen Ecken heraus und begründen ihre Entscheidung. Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln B4-13 Ja/Nein-2-Ecken-Spiel Die Teilnehmer/innen sollen sich aufgrund einer Aufgabenstellung oder einer Frage für eine von zwei Raumecken entscheiden. Dort hängt ein Schild „Ja“ und ein Schild „Nein“. Sie sollen in die entsprechende Ecke gehen und sich untereinander über ihre Entscheidung verständigen. Anschließend diskutieren sie mit den anderen Teilnehmern/innen aus diesen Ecken heraus und begründen ihre Entscheidung. Variante: Position (Körperhaltung) einnehmen: Die Teilnehmer/innen beziehen Position im Raum zwischen den beiden Ja-Nein-Polen und geben damit eine differenzierte „Jein“-Haltung wider. Kreisposition Zu einem Thema bzw. einer Frage werden Antwortmöglichkeiten auf Karten gesammelt oder liegen bereits fertig vor. Die Karten werden in einem großen Kreis auf dem Boden ausgelegt. Die Teilnehmer/innen haben die Aufgabe, sich den Karten zuzuordnen und von dort aus ihre Meinung zu begründen. Damit die Übung übersichtlich bleibt, die Anzahl der Karten auf zehn begrenzen. Variante: Position (Körperhaltung) einnehmen: Die Karten liegen wieder alle im Kreis. Die Teilnehmer/innen dürfen allerdings wie beim Ja/Nein-2-Ecken-Spiel Position im Raum beziehen. Dieses mal allerdings nicht nur zwischen zwei Polen sondern zwischen allen Karten. Sie können damit sehr differenzierte Bezüge herstellen. Z.B. von Karte 1 wenden sie sich ab (diese möchten sie gar nicht sehen) und stellen sich genau zwischen Karte 5 und 6 (sie trifft gleichermaßen für sie zu) und schauen auf Karte 9 (die sie hoch spannend finden, die aber für sie noch verfrüht ist). individuelle Hierachie Die Teilnehmer/innen erhalten jeweils einen kompletten Stapel aller Karten und legen für sich eine eigene Hierarchie fest. Oder es wird eine stärkere Visualisierungsform gewählt, indem die Antwortmöglichkeiten den Räumen eines zu zeichnenden Hauses zugeordnet werden. Ja-Nein- und Ampelkarten Die Teilnehmer/innen erhalten Karten und schreiben auf jeweils eine Seite „ja“ bzw. „nein“. Durch Hochhalten beziehen sie Stellung zu vorgegebenen Thesen, beispielsweise zum Einstieg in ein Thema. Eine größere Differenzierung ermöglicht die Ausgabe von grünen, gelben und roten Karten, mit denen die Teilnehmer/innen individuell Zustimmung, teilweise Zustimmung oder Ablehnung signalisieren. Satzanfänge ergänzen Die Teilnehmer/innen ergänzen vorgegebene Halbsätze als Einstieg in ein Thema. Beispiele: „Männer sind ...“ „Frauen sind ...“ „Was wäre, wenn ...“ Die Halbsätze werden auf Karten geschrieben, von den Teilnehmer/innen ergänzt und die Karte wird in die Runde gegeben. B4-14 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln Rollenspiele Rollenspiele sind die effektivste Methode zur Lösung vorhandener Konflikte, zur Vorbereitung auf bevorstehende Situationen, zum Erproben und Einüben neuer oder alternativer Verhaltensmöglichkeiten, zur ganzheitlichen Auseinandersetzung mit fremden Einstellungen oder Lebenswelten. Stärker noch als Übungen auf der Diskussionsebene führen Rollenspiele durch das persönliche Erleben in simulierten Situationen zu einer tiefgreifenden Überprüfung von Einstellungen und Verhaltensweisen. Das bedeutet, dass die Durchführung von Rollenspielen ein gutes Gefühl der Gruppenleitung für die Situation und die Personen verlangt. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die moderierende Person auf ihre eigenen Grenzen achtet und diese wahrt. Sie sollte also darauf achten, was sie tut, mit welchen Methoden sie praktische Erfahrungen hat, wie weit sie gehen will und wo ihre eigenen Grenzen sind. Checkliste Rollenspiel Systematische Vorbereitung Problemsituation benennen oder aus der Situation heraus aufgreifen Ziele und Zweck des Rollenspiels besprechen Rollen mit den Teilnehmer/innen entwickeln oder vorgeben (nie „Täter/Opfer“ spielen lassen!) Gesichtspunkte für die Beobachtung entwickeln oder vorgeben Gruppenmitglieder in Rollenspielende und Beobachtende einteilen Ablauf festlegen ggf. Aufnahme auf Video oder Tonband vorbereiten Spielende und Beobachtende bereiten sich zwischenzeitlich individuell auf ihre Rolle vor Durchführung Rollenspielende und Beobachtende in die Rahmensituation einführen Rollenspielende gestalten das Spiel frei Rollenspiel beenden Spielende aus der Rolle rausholen (lassen) Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln B4-15 Auswertung Spielende berichten zuerst über ihre Erfahrungen: „Wie haben Sie sich und ihre Rolle erlebt?“ „Was haben Sie umsetzen können? Was, weshalb nicht?“ Anschließend berichten die Beobachtenden: „Was haben Sie wahrgenommen?“ „Was ist Ihnen aufgefallen inhaltlich, an der Sprache, Mimik, Gestik, Körperbewegung?“ Positives zuerst nennen lassen, Kritik in Form von Verbesserungsvorschlägen formulieren lassen Ergebnisse zusammenstellen und ordnen Folgerungen aus der Auswertung mit allen Teilnehmer/innen ziehen Handlungsalternativen entwickeln, weitere Rollenspiele anregen Variationen Rollenspiele Rollenwechsel Verschiedene Gruppenmitglieder übernehmen und spielen nacheinander dieselbe Rolle. So wird das breite Spektrum von Handlungs- und Erlebensmöglichkeiten deutlich. Doppelgänger Es kann vorkommen, dass Rollenspieler/innen ihre Rolle nicht durchhalten. Ein/e vorher bestimmte/r Nachfolger/in übernimmt die Rolle dann während des laufenden Rollenspiels. Doppeln Der/die Moderator/in übernimmt kurzfristig die Rolle eines/er Spielenden, indem er/sie sich hinter die Person stellt und in dieser Rolle spricht. Das kann sinnvoll sein, um eine sich zuspitzende Konfliktsituation abzumildern, eine ,,zu harmonisch“ gespielte Situation anzuheizen, ein neues oder vergessenes Element einzubringen oder einzelne Spielende zu unterstützen. Selbstgespräch Die Spieler/innen werden gebeten, laut zu denken und ihre Vorüberlegungen, Befürchtungen, Ziele, Erwartungen und Motivation offen auszusprechen. B4-16 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln Material Arbeitshilfen, Literaturtipps KOMMIT-Medienpaket. Kommunikation im Team. Ein Medienpaket zur Förderung der Teambildung, der Kommunikationsprozesse in Arbeitsgruppen und der unmittelbaren Problemlösung im betrieblichen Alltag.€144,- (3 Wochen kostenlos zur Ansicht). Bezug über: ManagerSeminare Gerhard May Verlags GmbH, Endenicher Str. 282, 53121 Bonn Bischof, K. (1997):Jeder gewinnt. Die Methoden erfolgreicher Gesprächsführung, 3. Auflage Cohn, R.C., Terfurth,Ch. (1995): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule Knoll, J. (1995): Kurs- und Seminarmethoden, Weinheim Lahninger, P. (1998): leiten, präsentieren, moderieren. Arbeits- und Methodenbuch für Teamentwicklung und qualifizierte Aus- und Weiterbildung Langmaak, B., Braune-Krickau, M. (1993):Wie die Gruppe laufen lernt. Anregungen zum Planen und Leiten von Gruppen, Weinheim Meier, H. (1995): Handwörterbuch der Aus- und Weiterbildung. 425 Methoden und Konzepte des betrieblichen Lernens mit Praxisbeispielen und Checklisten, Neuwied Mohl, A.(1997): Auch ohne dass ein Prinz dich küsst. NLP Kommunikationsmethoden & Lernstrategien. Ein Lernbuch für Frauen, Paderborn Neuland,M. (1995): Neuland-Moderation Seifert, J.W. (1989):Visualisieren, Präsentieren, Moderieren Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln B4-17 Arbeitsblatt/Folie TZI Regeln B4-M15 Es soll immer nur eine Person zur gleichen Zeit sprechen. Sage „ich“, vermeide „man“ oder „wir“. Erzähle deine eigenen Reaktionen, interpretiere nicht andere. Sei ehrlich. Sei für dich verantwortlich. (Sag, was für dich zutrifft und achte auf deine Grenzen.) Störungen haben Vorrang, denn sie könne „das Salz in der Suppe“ sein. B4-18 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln Adressen Ansprechstellen & Broschüren für Soldaten/innen und Vorgesetzte Inhalt Ansprechstellen für Soldaten/innen ................................................................................................................. 2 Ansprechpersonen für Vorgesetzte ................................................................................................................. 4 Broschüre „Info zur sozialen Absicherung für Soldatinnen“ ................................................................................................................. 5 Partnerschaftlich handeln Ansprechstellen und Broschüren 1 Ansprechstellen für Soldaten/innen Ansprechstellen für spezifische Probleme weiblicher Soldaten Die Ansprechstellen beraten und informieren Soldatinnen aber auch Soldaten in allen Fällen individuell, wenn die Unterstützung durch die zuständigen Disziplinarvorgesetzten als nicht ausreichend empfunden wird. Die aktuellen Adressen entnehmen Sie bitte der Broschüre „info zur sozialen Absicherung von Soldatinnen“, die im intr@net Bw eingestellt ist. Zur Zeit werden gleichstellungsrechtliche Regelungen für die Streitkräfte erarbeitet. Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gleichstellungsgesetztes für Soldatinnen und Soldaten (SGleiG) wird die Aufgabe der Ansprechstelle entfallen. Kontaktstelle beim Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Die Referatsleiterinnen WB 3 sind grundsätzlich für alle Belange von Soldatinnen zuständig. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Min.R´in Angela Konrad und Min.R´in Reinhild Schornack Tel. 030-38230 Platz der Republik 1 11011 Berlin Deutscher Bundeswehr Verband Der Deutsche Bundeswehr Verband kümmert sich als unabhängige Einheits- und Spitzenorganisation im Rahmen seiner Verbandspolitik um die sozialen und beruflichen Interessen der Soldaten/innen sowie um die Situation ihrer Familienangehörigen. Dazu bietet er seinen Mitgliedern Beratungen und zahlreiche Serviceleistungen an. Bundesgeschäftsstelle Bonn Südstraße 123 53175 Bonn Tel. 0228-38 23-0 Fax 0228-38 23-220 Email [email protected] Internet www.dbwv.de Bundesgeschäftsstelle Berlin Alemannenstraße 16 14129 Berlin Tel. 030-80 47 03-0 Fax 030-80 47 03-29 Email [email protected] Familienbetreuungsorganisation Leit - FBZ Potsdam EinsFüKdoBw Bw: 8500-2156 Fax: 2148 Post : 03327-50-2156 L.N.: EinsFüKdoBwJ1Leit-FBZ 2 Partnerschaftlich handeln Ansprechstellen und Broschüren Gleichstellungsbeauftragte der Bundeswehrverwaltung und zivilen Einrichtungen der Bundeswehr Sie fördern und überwachen die Umsetzung des Bundesgleichstellungs – und Beschäftigtenschutzgesetzes und wirken bei allen personellen, organisatorischen und sozialen Maßnahmen mit. Themen: Gleichstellung von Frauen und Männern, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Kontaktadressen vor Ort Militärseelsorge Im Auslandseinsatz stehen Soldaten in besonderem Maß vor Beziehungsproblemen zu Partnern/innen, vor Alltagsnöten und Fragen zu Inhalt und Sinn des Berufs. Die Militärseelsorger/innen bieten Gespräche auch für konfessionslose Soldaten/innen an. Die Evangelischen und Katholischen Arbeitsgemeinschaften für Soldatenbetreuung tragen in Freizeiteinrichtungen, den sogenannten Oasen, zur Betreuung bei. Internet: www.militaerseelsorge.de Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr Argelanderstraße 105 53115 Bonn Email [email protected] Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung in der Bundesrepublik Deutschland e.V. Hausdorffstraße 103 53129 Bonn Tel. 0228-53 960-0 Fax 0228-23 62 67 Email [email protected] Katholisches Militärbischofsamt Am Weidendamm 2 10117 Berlin Tel. 030-20 617-0 Fax 030-20 617-113 Email [email protected] Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung e.V. (KAS) Bundesgeschäftsstelle Justus-von-Liebig-Straße 31 53121 Bonn Tel. 0228-988 62-0 Fax 0228-988 62-11 Email [email protected] Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) Postfach 32 32 53022 Bonn Tel. 0228-63 87 62 Fax 0228-63 87 63 Email [email protected] Partnerschaftlich handeln Ansprechstellen und Broschüren 3 Personalrat Kontaktadressen vor Ort Sozialdienst der Bundeswehr Der Sozialdienst steht allen Soldaten/innen, Beamten/innen, Richtern/innen, Arbeitnehmern/innen und Ruheständlern/innen der Bundeswehr und ihren Familien bei der Bewältigung von sozialen und Partnerschaftsproblemen oder sonstigen familiären Angelegenheiten zur Verfügung. Alle Mitarbeiter/innen des Sozialdienstes der Bundeswehr sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Kontaktadressen bei den jeweiligen Standortverwaltungen Wehrbeauftragter Jeder Soldat/ jede Soldatin hat das Recht, sich einzeln und unmittelbar, ohne Einhaltung des Dienstweges, mit Eingaben an die/den Wehrbeauftragte/n zu wenden. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Platz der Republik 1 11011 Berlin Tel. 030-227-38 100 Fax 030-227-38265 Email [email protected] Internet www.bundestag.de/gremien/145 Ansprechpersonen für Vorgesetzte Vertrauenspersonen Die Vertrauensperson der Soldaten/innen in der jeweiligen Laufbahngruppe ist für den Vorgesetzten eine/ein vom Gesetz in vielfacher Weise vorgesehene/r Gesprächspartnerin bzw. Gesprächspartner für alle Fragen des Dienstbetriebs, insbesondere aber auch, wenn etwa eine Disziplinarmaßregelung gegen Soldaten/innen erfolgen soll. Die Vertrauenspersonen können ihren Vorgesetzten wichtige Informationen aus der Truppe vermitteln und damit die Qualität der Entscheidungen verbessern. Den Soldaten/innen können sie Beweggründe für das Handeln der Vorgesetzten vermitteln. Personalrat Zu den gesetzlichen Aufgaben des Personalrats gehört es, darüber zu wachen, dass Gesetze und Verordnungen zugunsten der Beschäftigten eingehalten werden und dass alle Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere dass jede unterschiedliche Behandlung aufgrund des Geschlechts unterbleibt. Außerdem ist er zur Annahme von Eingaben und Beschwerden befugt, die er mit dem Dienststellenleiter aufarbeiten kann. Das Personalratsmodell als Beteiligungsform gilt durchgehend für die Bundeswehrverwaltung und zivile Beschäftigte in militärischen Dienststellen. Es gilt aber auch zunehmend für Soldaten/innen in militärischen Dienststellen (§2 und § 49 SBG, ZDv 10/2 Anl. 4). Das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) tritt hier neben das Soldatenbeteiligungsrecht, überlagert es aber auch in einigen Bereichen. Rechtsberater/innen Sicherheit in der Anwendung der geltenden Bestimmungen, insbesondere der Wehrdisziplinordnung und der Wehrbeschwerdeordnung geben die Rechtsberater/innen der Bundeswehr z.B. über Beraten bei, Mitprüfen von Befehlen und Anordnungen, Überprüfen von 4 Partnerschaftlich handeln Ansprechstellen und Broschüren Disziplinarmaßnahmen, Mitzeichnen der Beschwerdeentscheidungen und Wehrbeauftragtenangelegenheiten sowie durch Rechtsunterricht. Broschüre „info zur sozialen Absicherung für Soldatinnen“ Mit wichtigen Informationen für Frauen, aber auch für Männer, die Vater werden oder sind. Themen u.a. : Truppenärztliche Versorgung, Krankenversicherung, Anwartschaft, Beihilfe, Mutterschutz, finanzielle Ansprüche und Unterstützungsmöglichkeiten, Erholungs- und Sonderurlaub zur Betreuung eines Kindes, Elternzeit, Betreuungsurlaub, Terminübersicht, Ansprechstellen für spezifische Probleme von Soldatinnen Bezug über Vorschriftenverteilerweg unter DSK SS11-82-20112 oder im intr@net Bw. Partnerschaftlich handeln Ansprechstellen und Broschüren 5 6 Partnerschaftlich handeln Ansprechstellen und Broschüren Baustein 1 Praxis Frauen und Männer in der Bundeswehr Inhalt Praxis Frauen und Männer ... Thema Methodik Titel Nr. Einstieg, diverse The- Position finden men möglich Meinungsstrahl B1-M1 2 Infragestellung von Stereotypen Gruppengespräch Die Situation der Ge- B1-M2 schlechter 3 Geschlechtsstereotypen und Verhaltensweisen Assoziationssammlung Das ist ja (wieder) typisch! B1-M3 5 Rollenverhalten und Geschlechtszuschreibung Satzergänzungen Frauen, Männer müs- B1-M4 sen, dürfen ... 6 Rollenverhalten, Ge- Kleingruppenarbeit schlechtszuschreibung, Geländewagen Begabungen Kampfverband 007 B1-M5 7 geschlechtstypische „Begabungen“ „Begabungen“ B1-M6 8 geschlechtsspezifiGruppenarbeit sche Aufgabenteilung Gewinn und Verlust B1-M7 10 geschlechtsspezifiKleingruppenarbeit sche Benachteiligungen und Bevorzugungen Bevorzugt und benachteiligt B1-M8 11 Zukunftsszenario Vision 2013 B1-M9 12 Kleingruppenarbeit Arbeitsblatt Imagination Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer… – Methoden Seite 1 Meinungsstrahl Ziele Zeit Übung B1-M1 Ankommen/ Warming up, Bewusstmachung der eigenen Haltung und Gewinnung eines Überblicks über die Gruppenmeinung je Thema 10 min Positionsspiel Die Gruppe verteilt sich im Raum. Die Gruppenleitung gibt ein Thema vor und zwei extrem unterschiedliche Haltungen dazu. Die Teilnehmer/innen werden gebeten, sich entsprechend ihrer Meinung auf einem fiktiven Meinungsstrahl zwischen den beiden Polen räumlich zuzuordnen. Beispiele: n Frauen in der Bundeswehr finde ich sehr gut ______________________________________ sehr schlecht n Vorurteile gegenüber Frauen in der Bundeswehr gibt es zuhauf _______________________________________ gar nicht mehr n Frauen und Männer werden in der Bundeswehr absolut gleich behandelt ____________________ extrem unterschiedlich n Männer haben in der Bundeswehr viel bessere Karrierechancen als Frauen ________ die gleichen Chancen AuswerDie Teilnehmer/innen begründen aus ihrer eingenommenen Position hertung aus, weshalb sie sich so gestellt haben. Anschließend kann die Gruppenleitung ein neues Thema vorgeben. Materialien keine; falls Variante: Aufgaben/ Fragen vorbereiten s.u. Variante Ja-Nein-Spiel In zwei Raumecken wird jeweils eine Karte „Ja“/ „Stimmt“ und eine Karte „Nein“/ „Stimmt nicht“ gehängt. Die Fragen an die Teilnehmer/innen werden so gestellt, dass sie bereits eine Meinung enthalten, die mit ja oder nein zu beantworten ist. Alle Zwischenantworten entsprechend eines „Jeins“ sind natürlich auch hier erlaubt. Beispiele: n Wenn Frauen in alle Bereiche der Bundeswehr hinein dürfen, wird die Bundeswehr ihren militärischen Auftrag nicht mehr erfüllen können. (10,0% der Soldatinnen und 30,1% der Soldaten stimmen zu.)1 n Mit der Öffnung der BW für Frauen werden die mit Sexualität verbundenen Probleme zu nehmen. (52,1% der Soldatinnen und 83,6 der Soldaten stimmen zu.) n Sollten Frauen in der BW zugelassen werden, darf es für sie keine Sonderbedingungen geben. (83,6% der Soldatinnen und 86,4% der Soldaten stimmen zu.) n Frauen in der BW nehmen den Männern den Arbeitsplatz weg. (5,0% der Soldatinnen und 22,8% der Soldaten stimmen zu.) n Ich glaube, dass eine weitere Öffnung der BW für Frauen die Emanzipation der Frauen vorantreibt. (79,9% der Soldatinnen und 68,6% der Soldaten stimmen zu.) Arbeitsblatt/ Einstieg in ein Gruppengespräch 1 Fragen und Antworten aus: SOWI Bd. 71 und 76 2 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer… – Methoden Die Situation der Geschlechter B1-M2 „Frauen reagieren sensibel auf die Bedürfnissee anderer, sie kommen gut mit der Idee von Gleichheit zurecht, und sie knuddeln gerne kleine pelzige Tiere. Die Männer dagegen sind programmiert, für das Grillfest ein totes Mammut 15 Meilen nach Hause zu schleppen.“ Johnstone, K. (1998): Theaterspiele, Berlin Die Forderung nach Teilzeitarbeit wird von Männern weniger gestellt, stößt aber in männerdominierten Berufsfeldern auch kaum auf Verständnis. Untersuchungen der Soziologen/innen Busch, Hess-Diebäcker und Stein-Hilbers ergaben, dass Kollegen und Vorgesetzte dem Vater die Begründung nicht abnehmen, er wolle sich intensiv um sein Kind kümmern. Sie vermuten statt dessen, dass er mit den beruflichen Anforderungen nicht mehr fertig wird und sich eine Verschnaufpause gönnen will. Nach Schäfer, 1993. In: Rohrmann. T: Junge, Junge, Mann o Mann, Hamburg, 1994 Weibliche Angestellte erzielten in Westdeutschland im Januar dieses Jahres 70 Prozent des Männergehaltes. Statistisches Bundesamt, 3.8.99, aus Badische Zeitung, 4.8.99 So kommt es, dass Frauen in Gesprächssituationen zwar viele Pflichten haben (Aufrechterhaltung des Gesprächs, Themen und Gemeinsamkeiten erkennen, unterstützende und akzeptierende Einwürfe etc.), andererseits in ihren Rechten gegenüber den männlichen Gesprächsteilnehmern eindeutig beschnitten sind – sie werden häufiger unterbrochen, haben weniger und kürzere Redebeiträge und bekommen seltener Bestätigung. Nach Trömel-Plotz, 1984. In: Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann des Landes Nordrhein-Westfalen: Wir werden was wir wollen, Bd. 5, Düsseldorf, 1996 In fast allen Industrienationen haben Frauen eine um rund sieben Jahren höhere Lebenserwartung. ... Mit Herz-Kreislaufkrankheiten, Krebs und Atemwegs erkrankungen langt der Sensenmann beim männlichen Geschlecht prozentual mehr als doppelt so häufig zu. ... Frauen haben durchschnittlich mehr Freunde und Vertraute. ... insbesondere gefühlsbetonte Freundschaften haben einen positiven Einfluss auf die Gesundheit. ... Laut Dr.Klotz sieht die Männerwelt hingegen ihren Körper eher als funktionierende Maschine. ...dass die Frau durch die Menstruation häufiger an ihren Körper erinnert wird. Der Mann hingegen vernachlässigt seinen Körper und spricht nicht über Schmerzen, da dies dem gesellschaftlichen Bild des Mannes widerspricht. ... Die Gesundheit von Frauen ist schon länger Gegenstand der Forschung. Eine vergleichbare Untersuchung männlicher Gesundheitsprobleme gibt es nicht. Nach: Urologe Dr. Klotz. Aus: Handelsblatt, 23.6.99 Arbeitsblatt/ Einstieg in ein Gruppengespräch Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer… – Methoden 3 Die Situation der Geschlechter B1-M2 Am deutlichsten sind sie im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. In dieser Zeit sterben fast dreimal so viele junge Männer wie Frauen. Bis zum Alter von bis zu 65 Jahren sterben vierzehnmal so viele Männer an Aids, fast dreimal so viel wie Frauen an Lungenkrebs, dreimal so viele an Herzinfarkt, fast dreimal so viele an Leberzirrhose, erleiden vier- bis fünfmal so viele Männer wie Frauen tödliche Verkehrsunfälle, sterben dreimal so viele an Suizid ... Hollstein, W.: Anspruch und Wirklichkeit, sechste Gleichberechtigungskonferenz, 29.1. 1998 Männer werden sozialisiert, um wettbewerbsbetont, leistungsorientiert und kompetent zu sein. Erwachsene Männer glauben nur folgerichtig, dass persönliches Glück und Sicherheit exklusiv von harter Arbeit, Erfolg und Leistung abhängig sind. ... entfallen in deutschen Haftanstalten 25 Insassen auf eine Insassin ... (J. M. O’Neil) Was Männer sich heute von Frauen erwarten, sind in dieser Reihenfolge: Selbstständigkeit, Gefühlswärme, Intelligenz und erotische Ausstrahlung. ... dass die Zunahme der Mithilfe im Haushalt in den letzten Jahren von 43% auf 67% geklettert ist ...geschlechtsunspezifisches Verhalten wird hart sanktioniert, also bei Jungen wesentlich härter als wenn ein Mädchen gegen die tradierte Rolle verstößt. ... Männer nennen in Umfragen immer wieder fünf Verhaltensregeln, die sie für ihre Beziehung oder Ehe als ganz wichtig betrachten: die Familie ernähren, regelmäßig Zeit zu Hause verbringen, sich nicht mit anderen Frauen herumzutreiben, sich nicht zu oft zu betrinken und die sexuellen Pflichten zu erfüllen. (H. Pross, Ende der 60er Jahre) Hollstein, W.: Anspruch und Wirklichkeit, sechste Gleichberechtigungskonferenz, 29.1.1998 Die Arbeit als primärer Ort männlicher Leistung und Konkurrenz verliert im Leben des Einzelnen zunehmend an Bedeutung, quantitativ wie qualitativ, auch Männer werden zunehmend arbeitslos und können ihre Identität nicht mehr über ihre Arbeit bestimmen. Zudem sind die Sektoren von Arbeit, in denen früher traditionelle Männlichkeit nötig war, also Schwerindustrie, Bergbau, Bauindustrie usw. wirtschaftlich immer weniger wichtig. ... Zunehmend ist es auch so, dass eigentlich in gerade den Sektoren, die wirtschaftlich immer wichtiger werden, wie das Dienstleistungsgewerbe, Qualitäten gefordert werden, die als weiblich etikettiert sind. Es gibt inzwischen eine amerikanische Großbank, die ihre männlichen Mitarbeiter weiblich nachsozialisiert. Dem liegt der Tatbestand zu Grunde, dass Frauen mit Kunden netter umgehen, kommunikativer sind, hilfsbereiter sind, mehr Empathie haben. Hollstein, W.: Anspruch und Wirklichkeit von Männern im Wandel, sechste Gleichberechtigungskonferenz, 29.1.1998 4 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer… – Methoden Das ist ja (wieder) typisch!2 Ziele Zeit Übung B1-M3 Bewusstmachung und Überprüfung von Geschlechtsstereotypen und Verhaltensweisen 30 min Assoziationssammlung Auf großen Packpapieren wird jeweils der Umriss einer Frau und eines Mannes als Körperumriss gezeichnet. In diese Umrissformen werden die anschließend gesammelten Eigenschaften (s.u.) geschrieben. n typisch Frau! (sogenannte weibliche Eigenschaften) n typisch Mann! (sogenannte männliche Eigenschaften) Die Klischees können nach unterschiedlichen Kriterien strukturiert werden: n Die typischsten Eigenschaften werden nach oben sortiert, die in der Gruppe umstrittensten nach unten. n Welche Eigenschaften werden allgemein Frauen, Männern zugeschrieben und welche schreibt sich die Gruppe auch selbst zu? n Welche beurteilen die Gruppenmitglieder für sich positiv und welche negativ? Auswertung Auch hier ist eine Rangfolge möglich. n Was fällt auf? Sind beide Papiere gleich im Umfang? Gibt es Schwerpunkte? n Stimmen die Assoziationen, sind es Einzelfälle oder auffallende Häufungen? n Wo gibt es Überschneidungen zwischen beiden Geschlechtern? n Wo regt sich Widerspruch? Was stört? n Was macht eine Frau zu einer Frau und einen Mann zu einem Mann? n Welche Ideen haben die Teilnehmenden für die Ursachen geschlechtstypischen Verhaltens? n Wie ließen sich Geschlechtstypiken auflösen oder verändern? n Wie wirkt sich dies auf den Alltag in der Bundeswehr aus? Materialien zwei bzw. vier große Papiere zum Visualisieren Variante Sammlung in zunächst geschlechtgetrennte Gruppen, jede Gruppe erhält beide Fragestelungen Die Alternativgl. die drei nachfolgende Methode „Frauen/ Männer müssen, dürfen ...“ ven nach: Deutsches Jugendrotkreuz in den Landesverbänden Nordrhein und Westfalen-Lippe (Hg.)/ Sengebusch, J., Potrz, V. (1990): Rangeh’n – Körper, Seele, Du und Ich – Methodenbuch für die Jugendarbeit, Münster 2 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer… – Methoden 5 Frauen/ Männer müssen, dürfen ... Ziele Zeit Übung B1-M4 Einstieg in ein Thema, Sensibilisierung für Rollenverhalten und Geschlechtszuschreibungen je Satzanfang 5 min Satzergänzungen Teilnehmer/innen ergänzen Satzanfänge spontan, ohne Reflexion: n Wenn ich ein Mann/ eine Frau wäre, müsste ich ... n Wenn ich ein Mann/ eine Frau wäre, dürfte ich ... n ... dürfte ich nicht so einfach ... n ... könnte ich viel einfacher .... n Weil ich ein Mann bin, muss ich ... n Weil ich eine Frau bin, muss ich ... n Was fällt bei den Antworten auf? Auswertung Materialien Karten mit Satzanfängen, Tafel o.ä. Variante Interpretation und Diskussion der Antworten, bei ausführlicheren Diskussionen sollten die Fragen und Antworten visualisiert werden: n Welche „männlichen“ bzw. „weiblichen“ Eigenschaften oder Möglichkeiten hätte ich gern? Worauf bin ich neidisch? Was hindert mich, genau dies zu tun? n Welchen Preis müsste ich zahlen, wenn ich dies täte? n Welche Eigenschaften würde ich beim anderen Geschlecht gerne verändern? n Welche Forderungen stellten die eigenen Eltern an ein „richtiges“ Mädchen, einen „richtigen“ Jungen? n ggf.: Welche Rolle spielen kulturelle, nationale und religiöse Einflüsse? Sammlung in geschlechtsgetrennten Gruppen, später Austausch und Diskussion im Plenum 6 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer… – Methoden „Kampfgruppe 007“ Ziele Zeit Übung B1-M5 Bewusstmachung und Überprüfung der Vorstellungen von geschlechtstypischen „Begabungen“, Eigenschaften und Kompetenzen 30 min Kleingruppenarbeit Die Kleingruppen sollen eine „Kampfgruppe“ aus acht Personen zusammenstellen und deren Funktionen und Aufgaben auf die Teile eines Geländewagens übertragen: n Welche Eigenschaften brauchen Sie für eine „Kampfgruppe“ aus acht Personen? n Welchen Teilen eines Geländewagens ordnen Sie diese Eigenschaften zu? – Was sind die Räder, was der Motor, das Lenkrad,... Wer sitzt am Steuer? Was ist der Treibstoff? n Welche Teile besetzen Sie mit Männern und welche mit Frauen? Auswern Welche Teile besetzen Sie mit Männern und welche mit Frauen? tung Materialien Papier und Stifte Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer… – Methoden 7 „Begabungen“ Ziele Zeit Übung Auswertung B1-M6 Bewusstmachung und Überprüfung der Vorstellungen von geschlechtstypischen „Begabungen“ 30 – 45 min Kleingruppenarbeit In geschlechtsgetrennten Gruppen erhalten Frauen und Männer die einzelnen Tätigkeiten (s. Arbeitsblatt) ausgeschnitten und ordnen sie in das fünfteilige Raster „können Frauen bzw. Männer viel besser, etwas besser, gleich gut“ ein. Anschließend kommen beide Gruppen zusammen und vergleichen die Ergebnisse mit der Aufgabe, sich zu einigen. n Stimmen die Einigungsergebnisse mit der Wirklichkeit überein? n Weshalb machen Frauen und Männer bestimmte Dinge häufiger oder seltener als die Angehörigen des jeweils anderen Geschlechts, wenn sie es doch gleich oder fast gleich gut können? n ggf.: Welche Rolle spielen kulturelle, nationale und religiöse Einflüsse? n Was wollen Frauen und Männer an diesen Zuordnungen ändern? Wie sollen die Änderungen aussehen? Materialien zwei Sätze der Tätigkeiten (s. Arbeitsblatt) auf Karten geschrieben, zwei große Raster zum Einordnen der Tätigkeiten Variante Ausgabe der Arbeitsblätter in Einzelarbeit oder geschlechtsgetrennten Gruppen 8 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer… – Methoden Arbeitsblatt „Begabungen“ von Frauen und Männern können Frauen viel besser können Frauen etwas besser B1-M6 können beide gleich gut können Männer etwas besser können Männer viel besser Einkaufen Frühstück machen Kochen Tisch decken/abräumen Pflanzen und Tier versorgen Putzen Knöpfe annähen Bügeln Wäsche waschen Schuhe putzen Kinder betreuen Vorlesen Fahrdienste für Kinder Angehörige pflegen Auto reparieren und pflegen Gebrauchsgüter reparieren Wohnung renovieren sich ehrenamtlich engagieren sozial helfen sich durchsetzen über Persönliches reden über Gefühle reden Entscheidungen treffen Aufgaben delegieren Führen/Leiten Sich durchsetzen Konflikte ansprechen und lösen kämpfen im Ernstfall Kameraden/in schützen Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer… – Methoden 9 Gewinn und Verlust Ziele Zeit Übung B1-M7 Bewusstmachung geschlechtsspezifischer Aufgabenteilung 30 – 40 min Gruppenarbeit Die Ergebnisse werden gesammelt und in der Gesamtgruppe besprochen. n Wie reagieren die Männer/Frauen auf die Antworten des jeweils anderen Geschlechts? n Stoßen die Antworten auf Widerstände oder können sich die Teilnehmer/innen einigen? n Was kann sofort umgesetzt werden? n Welche Veränderungen brauchen eine längere Vorbereitungszeit? n Welche Wünsche scheinen unrealisierbar? Auswern Welche Teile besetzen Sie mit Männern und welche mit Frauen? tung Materialien Papier und Stifte 10 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer… – Methoden Bevorzugt und benachteiligt Ziele Zeit Übung B1-M8 Bewusstmachung und Reflexion geschlechtsspezifischer Benachteiligungen und Bevorzugungen (Teil 1), Entwicklung eines Strategie- und Maßnahmenplans (Teil 2) 60–90 min Kleingruppenarbeit Schritt 1: Benachteiligungen und Bevorzugungen In geschlechtshomogenen Gruppen sammeln die Teilnehmer/innen Assoziationen zu den Fragen auf Karten (jede Gruppe eine Kartenfarbe): Frauen: n 1. Wo sind Frauen in der Bundeswehr benachteiligt? n 2. Wo sind Männer bevorzugt? Männer: n 3. Wo sind Männer in der Bundeswehr benachteiligt? n 4. Wo sind Frauen bevorzugt? Die Antworten werden zusammengeführt und ausgewertet in Bezug auf Umfang der Nennungen, Auffälligkeiten, Besonderheiten, Widersprüche. Schritt 2: Entwicklung eines Strategie- und Maßnahmenplans Für die identifizierten Benachteiligungen werden in Kleingruppen Lösungen gesucht. n Was sind unsere Interessen als Frauen, Männer hinsichtlich Chancengleichheit? n Was wollen wir erreichen? n Wie wollen und können wir das erreichen? n Mit welchen Widerständen müssen wir rechnen? n Wie können wir diese Widerstände verringern bzw. vermeiden? Die gefundenen Lösungen werden im Plenum präsentiert und nach UmAuswersetzbarkeit geordnet. Wenn möglich, werden nächste Schritte vereinbart, tung wie Lösungen auch umgesetzt werden sollen. Materialien zweimal vier Wandzeitungen, Kartenset in zwei Farben Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer… – Methoden 11 Vision 20133 Ziele Zeit Übung B1-M9 Entwicklung eines möglichen Zukunftsszenarios von Frauen und Männern in der Bundeswehr 30–60 min Imagination „Setzen Sie sich entspannt hin, schließen Sie die Augen und stellen sich vor, Sie könnten eine Zeitreise antreten und halten im Jahr 2013 wieder an. n Wie sieht die Bundeswehr 2013 aus? n Vor allem: Wie sieht die Situation von Frauen und Männern in der Bundeswehr aus? n Was hat sich verändert – zum Guten und zum Schlechten? Auswertung n Wie ist es erreicht worden? Was waren wichtige Eckpfeiler? Gehen Sie dafür zurück ins Jahr 2012, 2011, 2010,... Wo gab es Probleme, Widerstände und wie wurden sie überwunden? Im Anschluss an die Imagination im Plenum n Wie weit ist die Integration von Frauen vorangeschritten? n Wie sieht es mit der Chancengleichheit (und der Vereinbarkeit von Beruf & Familie) aus? Materialien keine; falls Kleingruppen: Aufgabenstellung mitgeben Erarbeitung in Kleingruppen Variante nach: Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (1997):Jetzt erst recht! Beruf und Familie für Frauen und Männer. Anregungen für die Bildungsarbeit, Soest 3 12 Partnerschaftlich handeln Baustein 1: Frauen und Männer… – Methoden Baustein 2 Praxis Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz Inhalt Praxis Partnerschaftliches Verhalten Thema Methodik Titel Nr. koopearative Teamarbeit Kleingruppenarbeit Teambaum Partnerschaftlichkeit B2-M1 1 Diversity Positions- und Bewegungsspiel Welcome Diversity B2-M2 3 Solidarisierung Heißer Stuhl Selbst- und Fremdwahrnehmung B2-M3 4 sexuelle Belästigung, Diskriminierung, Mobbing Einzelarbeit Zeichnung Gewalt aufs Papier bringen B4-M4 5 Begrifflichkeiten sexuelle Belästigung Kleingruppenarbeit Arbeitsblätter Flirt, Liebe, sexuelle Belästigung B2-M5 6 Begrifflichkeiten Diskriminierung, Mobbing Gruppenarbeit Arbeitsblätter Streiten, diskriminieren, mobben B2-M6 11 Schutzstrategien Brainstorming, Kleingruppenarbeit, Arbeitsblätter Schutzstrategien und Handlungsmöglichkeiten B2-M7 20 Erfahrungen mit grenzverletzenden Situationen Grupenarbeit Eigene Erfahrungen B2-M8 27 Umgang mit sexueller Rollenspiel Belästigung Rollenspiel XY B2-M9 28 Fallbeispiele sexuelle Fallbesprechungen, Belästigung, Diskrimi- Arbeitsblätter nierung Fallbeispiele sexuelle B2-M10 Belästigung, Diskriminierung 33 Fallbeispiele Mobbing Fallbesprechungen, Arbeitsblätter Fallbeispiele Mobbing B2-M11 36 Homosexualität Rollenspiel Vorurteilsfrei? B2-M12 40 Handlungsstrategien und präventive Maßnahmen B2-M13 41 Innerbetriebliche Prä- Einzelarbeit, ventionsmaßnahmen Tuschelgruppen Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Seite 1 Teambaum Partnerschaftlichkeit Ziele Zeit Übung B2-M1 Erkennen der Struktur von Teamarbeit und Erkennen ihrer Unterschiede 60 min Kleingruppenarbeit Die Gruppe wird in - sofern möglich geschlechtshomogene - Kleingruppen geteilt. Dort werden Begriffe gesammelt und auf Karten geschrieben, die für die Teilnehmer/innen zu einer kooperativen Teamarbeit mit Frauen und Männern gehören, wie z.B.: Kritikfähigkeit, Offenheit, Nähe oder Distanz, strukturiertes Arbeiten, gegenseitiges Zuhören, Bezahlung, Arbeitsplatz etc. Nach der Phase des Sammelns und Beschriftens von Karten soll die Gruppe diese Karten in einen Baum einbauen. Dabei versuchen sich die Teilnehmer/innen darauf zu einigen, wo die einzelnen Begriffe in den Baum integriert werden. Die Begriffe bekommen damit symbolischen Charakter: n Was ist das Wurzelwerk einer kooperativen Teamarbeit? n Was gehört eher an den Rand, vielleicht in den Wald? n Was ist in der Baumkrone bzw. hat der Baum Früchte? n ... Auswertung Die Kleingruppen stellen ihren Teambaum im Plenum vor. Wo erzielten die Gruppen schnelle Einigung? Was war (und blieb) strittig? Zeigten sich unterschiedliche Einschätzungen z.B. zwischen Frauen und Männern, jung und alt, ...? Materialien Stifte, Papierbogen, Kärtchen, Klebstoff 2 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Welcome Diversity Ziele Zeit Übung B2-M2 Eigenwahrnehmung in einer Minderheit oder Mehrheit zu sein, Entdeckung von Gemeinsamkeiten mit anderen, Aushalten von Unterschiedlichkeiten, Widerstehen gegenüber Gruppenzwang 20-30 min Kleingruppenarbeit Alle sitzen in einem Stuhlkreis. Die Gruppenleitung nennt den Titel der Übung: „Welcome Diversity“ und fragt nach der Bedeutung. Für einige klingt es nach „City“... Die Gruppenleitung gibt das erste Beispiel zum Aufwärmen vor; z. B.: „Alle, die heute morgen Kaffee getrunken haben ... kommen in die Mitte". Um den niedrigschwelligen spielerischen Charakter der Methode zu betonen, wechseln sich alltägliche und thematisch orientierte Fragen ab. Bei den tiefergehenden inhaltlichen Fragen erkundigt sich die Gruppenleitung nach Umständen und Hintergründen:„Möchte jemand erzählen?" „Wie geht es Ihnen damit?“ Es ist eine Leistung der Teilnehmer/ innen, sich hier zu präsentieren und sich mit ihren Vorlieben, Kenntnissen, Ängsten und Schwächen zu zeigen! Beispiele für weitere Sätze: n Alle, die ...rauchen kommen in die Mitte des Kreises n eine Brille tragen ... n Linkshänder sind ... n Vegetarier sind ... n ein Familienmitglied haben, das nicht in Deutschland geboren ist ... n mit einer Behinderung leben ... n mit einem/einer Ausländer/in befreundet sind ... n eine/n Freund/in haben, der/ die „irgendwie anders“ ist ... n schon Zeuge von Diskriminierung/sexueller Belästigung/Mobbing waren n und dagegen eingeschritten sind/sich nicht getraut haben einzugreifen... Auswertung Wenn den Teilnehmern/innen das Prinzip deutlich geworden ist, werden sie ermuntert, selber Fragen zu stellen. Dabei ist alles erlaubt, nur nicht andere bloßzustellen, zu beleidigen oder auszulachen. Die Gruppenleitung beendet die Übung mit dem Satz: „Alle, die bei mindestens einer dieser Fragen gelogen haben kommen in die Mitte“. Auch dies erfordert ein wenig Mut, entlastet aber auch gleichzeitig. Meist haben sich einige Teilnehmer/innen einen persönlichen Schutzraum gegönnt. n „Wozu könnte diese Übung gut sein?“ n „Wie ist es, in der Mitte zu stehen?“ „Was ist besser: Drinnen- oder Draußensein?“ n „Ist es schwierig, draußen zu bleiben, wenn fast alle in die Mitte gehen? n „Was macht man, wenn man merkt, dass keiner in die Mitte geht, man selber aber eigentlich dahin gehörte?“ Materialien ausgewählte Satzanfänge Es gibt einen Stuhl weniger als die Gruppe zählt. Alle, auf die die Frage Variante zutrifft, stehen auf und suchen sich einen neuen Platz. Wer übrig bleibt, stellt eine neue Frage. Diese Variante eignet sich sehr gut zur Auflockerung. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 3 Selbst- und Fremdwahrnehmung1 Ziele Zeit Übung Auswertung B2-M3 Initiierung eines Solidarisierungsprozesses 30 min (10 min Übung, 20 min Diskussion) Heißer Stuhl Die Übung ist sowohl für reine Frauen- oder Männergruppen als auch für gemischte Gruppen sehr gut geeignet. Für alle Beteiligten ist es eine wichtige Erfahrung, Situationen zu erleben und nachzufühlen, in denen sich Frauen und Männer häufig befinden können: beobachtet, taxiert zu werden, ausgeschlossen, sprich: nicht integriert zu sein. Dieser Erfahrungsaustausch soll die Isolation der einzelnen Teilnehmer/innen aufheben und erste Ansätze eines Solidarisierungsprozesses in Gang setzen. Eine einzelne Person sitzt in der Mitte des Raumes auf einem Stuhl. Die anderen Teilnehmer/innen gehen langsam um sie herum. Dabei hebt sie den Kopf und schaut geradeaus bzw. schaut die anderen Personen an. Diese erwidern den Blick und achten dabei auf die Körpersprache (Mimik, Gestik,...) der einzelnen Person. Und diese wiederum auf die der Vorbeischreitenden. Anschließend berichten die Teilnehmer/innen über ihre Selbstwahrnehmung: n Wie habe ich mich gefühlt? n War es mir angenehm/unangenehm? n Wie verhalte ich mich normalerweise in solchen Situationen? n Wie möchte ich mich verhalten? Danach erfolgt die Rückmeldung der Beobachter/innen: n Welchen Gesichtsausdruck habe ich/haben wir wahrgenommen? n Welche Körperhaltung habe ich/haben wir wahrgenommen? n Was geschah mit den Händen? Der Durchgang kann mit anderen Personen wiederholt werden. Materialien keine 1. Die Beobachter/innen zeigen mit dem Finger auf die durchgehende PerVariante son. Die Beobachter/innen flüstern miteinander. 2.„ Spießrutenlauf“: Die Frauen und Männer stellen sich in zwei Reihen einander gegenüber auf und bilden eine Gasse. Eine Person beginnt nun damit, langsam von einem zum anderen Ende der Gasse zu gehen. Dabei hebt sie den Kopf und schaut geradeaus bzw. schaut die anderen Personen an. Diese erwidern den Blick und achten dabei auf die Körpersprache (Mimik, Gestik,...) der einzelnen Person. Und diese wiederum auf die der Vorbeischreitenden. vgl. Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann des Landes Nordrhein-Westfalen (MGFM) (Hg.) (1999): Nicht mit mir! Individuelle und betriebliche Handlungsstrategien gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Düsseldorf 1 4 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Gewalt aufs Papier bringen Ziele Zeit Übung Auswertung B2-M4 Bewusstmachung eigener Gedanken und Assoziationen 30 min Einzelarbeit Jede/r erhält ein Blatt Papier (DIN-A 2 oder 3) und Wachsmalstifte. Die Teilnehmer/innen sollen ein Bild zu Mobbing, sexuelle Belästigung und /oder Diskriminierung zeichnen. Dabei gibt es keine weiteren Vorgaben. Wer möchte, kann sein/ ihr Bild vorstellen. Freiwillig! n Was wurde gezeichnet? n Was sollte dargestellt werden? Materialien Stifte, Papier Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 5 Flirt, Liebe, sexuelle Belästigung2 Ziele Zeit Übung B2-M5 Erkennen und Abbau von Definitionsunsicherheiten und Problemen bei der Abgrenzung gegenüber sexueller Belästigung 45 min Gruppenarbeit Die Gesamtgruppe wird in Kleingruppen mit maximal fünf Personen unterteilt. In den Gruppen werden folgende Fragen diskutiert: n Was ist sexuelle Belästigung? n Was ist keine sexuelle Belästigung? n Wobei ist es schwierig das zu entscheiden? Unterfragen: n Wie würden Frauen bzw. Männer das jeweils sehen? n Wer ist wo sensibler? Wer steckt wann mehr weg? Auswertung Die Gruppen halten ihre Ergebnisse auf Flipchart-Papier fest und stellen sie nacheinander im Plenum vor. Die Ergebnisse werden gut sichtbar aufgehängt und miteinander verglichen. Fragen an alle: n Wo sind sich die Gruppen einig? n Wo zeigen sie unterschiedliche Auffassungen? Materialien Flipchart-Papier für Kleingruppenarbeit, Arbeitsblatt Kurzvortrag mit Forschungsergebnissen siehe Arbeitsblätter Variante Arbeit mit konkreten beispielen; siehe Methode „Fallbeispiele“ aus: Meschkutat, B., Holzbecher, M., Richter, G. (1993): Strategien gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Konzeption – Materialien – Handlungshilfen, Köln 2 6 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt/ Folie Flirt, Liebe, sexuelle Belästigung B2-M5 Sexuelle Belästigung(en) am Arbeitsplatz ...3 3 ist jedes sexuell bestimmte Verhalten, das von den Betroffenen unerwünscht und geeignet ist, diese als Person herabzuwürdigen. sind körperliche Berührungen und Übergriffe, Bemerkungen mit sexuellem Inhalt, Vorzeigen pornografischer Darstellungen und Aufforderungen zu sexuellen Handlungen. kann sich in Worten, Handlungen, Gesten oder sonstigem sexuell bestimmten Verhalten ausdrücken. ist immer ein einseitiges und unerwünschtes Verhalten. ist besonders verwerflich, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt wird, insbesondere berufliche Vorteile versprochen und Nachteile angedroht werden. vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrg.): a. a. O. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 7 Arbeitsblatt/ Folie Flirt, Liebe, sexuelle Belästigung B2-M5 Frauen wie Männer definieren sexuelle Belästigung folgendermaßen:4 Aufforderung zu sex. Handlungen Androhen beruflicher Nachteile Versprechen beruflicher Vorteile 80 % – 100 % Telefonate/ Briefe mit sex. Inhalt absichtliche Körperberührung wiederholte Kontaktversuche 50 % – 79 % anzügliche Worte zu Figur, Sex-Porno-Bilder zufällige Körperberührung anzügliche Witze, Bemerkungen Hinterherpfeifen anstarren, taxieren Frauen wurden belästigt zu: 90 % durch einen Mann 10 % durch eine Frau 4 20 % – 49 % 0 – 19 % Männer wurden belästigt zu: 50 % durch einen Mann 50 % durch eine Frau vgl. Deutsche Post AG a. a. O., prozentuelle Zustimmung von jeweils 100 8 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt/ Folie Flirt, Liebe, sexuelle Belästigung B2-M5 Frauen fühlen sich belästigt durch:5 aufgedrängte Küsse ..............................................................................................99% unerwartetes Berühren der Brust ..........................................................................98% Androhung beruflicher Nachteile bei sexueller Verweigerung ...............................98% Versprechen beruflicher Vorteile bei sexuellem Entgegenkommen ........................97% Telefongespräche und Briefe mit sexuellen Anspielungen ......................................96% Po kneifen oder Klapse .........................................................................................91% unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht .............................................86% anzügliche Bemerkungen über die Figur und das Privatleben ................................85% pornografische Bilder am Arbeitsplatz ..................................................................73% 5 vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrg.): a. a. O. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 9 Arbeitsblatt/ Folie Flirt, Liebe, sexuelle Belästigung B2-M5 Alter der Belästigten (in %)6 unter 20 Jahre 22 20 bis unter 30 Jahren 53 30 bis unter 40 Jahren 19 40 bis unter 50 Jahren 5 50 bis unter 60 Jahren 1 Familienstand der belästigten Frau (in %) verheiratet 23 feste Partnerschaft 35 allein stehend, geschieden, verwitwet 40 in Trennung lebend 6 3 vgl. Schuster, B., Sczerny, S., Stahlberg, D. (1999): a. a. O. 10 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Streiten, diskriminieren, mobben Ziele Zeit Übung B2-M6 Klärung von Begrifflichkeiten und Abbau von Unsicherheiten 45 min Gruppenarbeit Die Gesamtgruppe wird in Kleingruppen mit maximal 5 Personen unterteilt. In den Gruppen werden folgende Fragen diskutiert: n Was ist Diskriminierung, was ist Mobbing? n Welches Verhalten ist es (noch) nicht? n Wann/in welchen Fällen ist es schwierig, das zu entscheiden? Auswertung Die Gruppen halten ihre Ergebnisse auf Flipchart-Papier fest und stellen sie nacheinander im Plenum vor. Die Ergebnisse werden gut sichtbar aufgehängt und miteinander verglichen. Frage an alle: n Wo sind sich die Gruppen einig? n Wo zeigen sie unterschiedliche Auffassungen? Materialien Flipchart-Papier für Kleingruppenarbeit 1. geschlechtsspezifische Trennung der Kleingruppen, falls möglich Variante 2. Kurzvortrag mit Forschungsergebnissen siehe Arbeitsblätter Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 11 Arbeitsblatt/ Folie Streiten, diskriminieren, mobben B2-M6 Diskriminierung sind alle Äußerungen, Handlungen oder Unterlassungen, die Personen aufgrund ihres Alters, Geschlechts, Familienstands, Gesundheitszustandes, Glaubens, ihrer Nationalität, Herkunft, Kultur, Sprache, sexuellen Orientierung, Behinderung, Gestalt, Bildung, Lebenserfahrung, Meinungen, Werte, Mentalität, Lebensweise oder einem anderen Grund verächtlich machen, herabwürdigen oder benachteiligen.7 Viele Fälle von Diskriminierung gehen nahtlos in Mobbing über. Keine Diskriminierung ist eine unterschiedliche Behandlungen aufgrund staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten (z.B. Wehrpflicht) sowie einer Bevorzugung bislang benachteiligter Gruppen (z.B. Frauenförderpläne).8 Zusammenfassung diverser Definitionen vgl. vgl. Volkswagen AG Zentrales Personalwesen (1997): Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz. Eine Information für Betroffene und Beteiligte. 7 8 12 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt/ Folie Streiten, diskriminieren, mobben B2-M6 Betroffene von Diskriminierung Menschen anderer 9 Herkunft (68,4%) Staatsangehörigkeit (32,1%) Hautfarbe (21,4%) Sozialstatus (15,3%) Sprache (13%) Geschlecht (4,7%). Behinderte10 sind fünfmal häufiger von Diskriminierung und Mobbing betroffen als Nichtbehinderte. Lesben und Schwule11 Acht von zehn Lesben und Schwule kennen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Nur knapp 30% der Kolleg/innen wissen von der Homosexualität der Befragten. Ausländer/innen 11% fühlten sich am Arbeitsplatz diskriminiert .12 Mehr als 90% halten Fremdenfeindlichkeit für eines der wichtigsten Probleme.13 Fremdenfeindlichkeit in der Bundeswehr14 Tatverdächtige waren zu 80% Grundwehrdienstleistende Anteil der Mannschaftsdienstgrade liegt bei 88% Unteroffiziere 11% und Offiziere 1% vgl. MASQ NRW (2001): Modellprojekt Antidiskriminierung von 9 Antidiskriminierungs-Stellen 1997 bis 2000 vgl. Leymann, H. a. a. O. 11 vgl. Knoll, C. u.a.: Lesben und Schwule in der Arbeitswelt. München 1995 12 vgl. Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen, Berlin (2001): Repräsentativumfrage zur Lebenssituation türkischer Berlinerinnen und Berliner 13 vgl. MASQT (2001): Integration und Zuwanderung – Ergebnisse einer aktuellen Umfrage unter der türkischen Bevölkerung in NRW 14 vgl. nach Information des Wehrbeauftragten 9 10 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 13 Arbeitsblatt/ Folie Streiten, diskriminieren, mobben B2-M6 Mobbing ist das häufige Anfeinden, Intrigieren, Schikanieren, Benachteiligen oder Ausgrenzen am Arbeitsplatz von Kameraden/innen, Kolleg/innen oder durch Vorgesetzte, ob bewusst oder unbewusst über einen längeren Zeitraum.15 „Bossing“ oder „bullying“ meint speziell den Psychoterror von und durch Vorgesetze „staffing“ wird manchmal benutzt, wenn Mitarbeiter/innen gegen Vorgesetzte vorgehen.16 Nicht jede „alltägliche“ Auseinandersetzung, jede Schikane oder Ungerechtigkeit zwischen Menschen in Unternehmen ist schon Mobbing. in Anlehnung an: Sozialforschungsstelle Dortmund (2002): Der Mobbing-Report. Eine Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland 16 vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg.), Holzbecker, M., Meschkutat, B. / Sozialforschungsstelle Dortmund (2002): Mobbing am Arbeitsplatz – Informationen, Handlungsstrategien, Schulungsmaterialien –. Sonderschrift S 49, 5. Auflage 15 14 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt/ Folie Streiten, diskriminieren, mobben B2-M6 Mobbingbetroffene17 Mobbing kann jede und jeden treffen. Aktuell betroffen: rund 1 Million Beschäftigte (2,7 % der Erwerbstätigen). Rückblickend: 11,3 % aller Erwerbstätigen – jede/r neunte Besonders gefährdet: Frauen sowie jüngere Mitarbeiter/innen bis 25 Jahre18 Täter/innen19 38,2 % Vorgesetzte alleine 12,8 % ein oder mehrere Kollegen/innen 20,1 % eine Gruppe von Kollegen/innen 22,3 % Kolleg/innen als Einzelpersonen 2,3 % Beschäftigte einer nachgeordneten Hierarchieebene Besonders häufig: männliche, langfristig beschäftigte Vorgesetzte 35-54 Jahre betriebliche Dimension 20 Es handelt sich nicht um betriebliche Einzelfälle. 3,1 % des Arbeitszeitvolumens aller Erwerbstätigen wurde 2000 beeinträchtigt. In annähernd zwei Drittel der Betriebe hat es bereits andere Fälle gegeben. In drei von fünf Fällen gibt es zeitgleich zu den Befragten weitere Betroffene. vgl. Spezialforschungsstelle a. a. O. Bei einer Gesamtzahl von 38,988 Mio. Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland (Stand Dezember 2000; Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden) entspricht dieses einer absoluten Zahl von rund 1,053 Mio. Personen. 18 ebd. 19 vgl. Leymann, H. (1993): Ätiologie und Häufigkeit von Mobbing am Arbeitsplatz – eine Übersicht über die bisherige Forschung. Zeitschrift für Personalforschung, Nr. 2 20 vgl. Sozialforschungsstelle a. a. O. 17 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 15 Arbeitsblatt/ Folie Streiten, diskriminieren, mobben B2-M6 Die zwanzig „beliebtesten“ Mobbinghandlungen21 1 hinter dem Rücken schlecht über jemanden reden 2 abwertende Blicke oder Gesten 3 Kontaktverweigerungen durch Andeutungen 4 Arbeitsleistungen falsch oder kränkend beurteilen, jemanden „wie Luft“ behandeln 5 Gerüchte verbreiten, ständig an der Arbeit kritisieren 6 Vorgesetzte schränken Äußerungsmöglichkeiten ein 7 Entscheidungen in Frage stellen 8 Arbeitsaufgaben weit unter dem Können beurteilen 9 jemanden lächerlich machen; nicht mehr mit dem Betroffenen sprechen 10 ständig unterbrechen; Kollegen/innen schränken die Äußerrungsmöglichkeiten ein 11 sich nicht ansprechen lassen 12 anschreien, laut schimpfen 13 jemanden verdächtigen, psychisch krank zu sein oder zu selbstverletzenden Arbeiten zwingen 14 mündlich drohen 15 sinnlose Arbeitsaufgaben zuteilen 16 ständig neue Arbeitsaufgaben zuteilen 17 kränkende Arbeitaufgaben zuteilen 18 Kolleg/innen das Ansprechen verbieten 19 die politische Einstellung angreifen 20 ständig Kritik am Privatleben üben; keine Arbeitsaufgaben mehr zuteilen Knorz, C. & Zapf, D. (1996): Mobbing, eine extreme Form sozialer Stressoren am Arbeitsplatz. In: Zeitschrift für Arbeits- & Organisationspsychologie, 40, S. 12–21 21 16 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt/ Folie Streiten, diskriminieren, mobben B2-M6 Mobbingphasen22 Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 4 ungelöste, schlecht oder nicht bewältigt Konflikte Schuldzuweisungen und persönliche Angriffe Mobbingaktionen wirken unbedeutend Absicht ist nicht beweisbar gezielte und systematische Schikane feindselige, bedrückende, doppelbödige Arbeitsatmosphäre Klärungsversuche scheitern Mobbingopfer findet keine Hilfe, zunehmende Isolation Stressbedingte psychosomatische Symptome Mobbingauslöser für Außenstehende nicht mehr erkennbar unterbleibende Schutzmaßnahmen Fehlentscheidungen, z.B. Abmahnungen aufgrund der Fehlzeiten behandlungsbedürftige psychosomatische Beschwerden dramatische Zuspitzung Mobbingopfer beruflichen und sozialen Anforderungen nicht mehr gewachsen Disziplinarvorgesetzte stellen Frieden im unterstellten Bereich wieder her Schwerwiegende Erkrankungen bis zum Suizid Holzbecker, M., Meschkutat, B. (2002): Mobbing am Arbeitsplatz – Informationen, Handlungsstrategien, Schulungsmaterialien –. Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Sonderschrift S 49, 5. Auflage und www.igmetall.de/mobbing nach Leymann 22 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 17 Arbeitsblatt/ Folie Streiten, diskriminieren, mobben B2-M6 Die häufigsten Beschwerden von Gemobbten23 Psychisch Körperlich Leistungs- und Denkblockaden Schlafstörungen Konzentrationsunfähigkeit Alpträume Ängste Verspannungen Depressionen allergische Reaktionen Selbstmordgedanken Kopfschmerzen Reizbarkeit Magenbeschwerden unberechenbares Verhalten Antriebslosigkeit Aggressionen Essstörungen Verunsicherungen Alkohol-/Medikamentenmissbrauch übersteigertes Misstrauen 23 vgl. Holzbecker, M. Meschkutat, B. a. a. O. 18 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt/ Folie Streiten, diskriminieren, mobben B2-M6 Typische Motive von Mobber/innen24: Ich werde unwichtiger, keine/r achtet mehr auf mich (schwindendes Ansehen) Die/ der andere läuft mir den Rang ab (Gefährdung der Position) Ich könnte ausgebootet, umgesetzt, entlassen werden (drohender Arbeitsplatzverlust) Ich kann meine Arbeitsleistung nicht mehr erbringen (steigender Leistungsdruck) Die/ der andere will etwas neues einführen, das mir nicht liegt (Einschränkung von Freiheiten) Die/ der andere könnte mir auf die Schliche kommen (Ablenkungsmanöver und Schuldzuweisung) Lieber treten als getreten werden (Ansehen auf Kosten anderer) Ich kann die/ den einfach nicht ab (Blitzableiter, Sündenbock persönliche Abneigung) Die/ der Neue will nicht so wie bisher (Machtdemonstration) tieferliegende Wurzeln25: dauerhafte Über- wie Unterforderung Stress und Leistungsdruck chronischer Personalmangel Umstrukturierung und Stellenabbau diffuse Zuständigkeiten Unklarheiten in Arbeitsabläufen starre Hierarchien Defizite im Führungsstil fehlende Gesprächsbereitschaft unzureichendes Konfliktmanagement Abwälzung der Verantwortung mangelnde Transparenz bei Entscheidungen 24 25 vgl. Holzbecker, M. Meschkutat, B. a. a. O. vgl. Holzbecker, M. Meschkutat, B. a. a. O. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 19 Schutzstrategien und Handlungsmöglichkeiten Ziele Zeit Übung B2-M7 Entwicklung von Strategien entwickeln gegen sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Mobbing am Arbeitsplatz 30–40 min Brainstorming und Kleingruppenarbeit Brainstorming n Welche Wege gibt es grundsätzlich in der Bundeswehr im Rahmen des Beschwerdewesens? n Welche Ansprechstellen könnten kontaktiert werden? n An wen kann ich mich außerhalb der Bundeswehr wenden? (Wie komme ich an die Adressen?) Kleingruppenarbeit Die Gesamtgruppe wird in Kleingruppen von max. 6 Personen aufgeteilt. Sie erhalten die Aufgabe, sich anhand eines Fallbeispiels mögliche Strategien konkret zu überlegen. im Plenum Auswertung Materialien ggf. Arbeitsblätter Kombination mit Übung „Fallbeispiele“ Variante 20 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt/ Folie Schutzstrategien B2-M7 Wie kann ich mich schützen?26 Tipps für Betroffene Rechtzeitig wehren und abgrenzen Betroffen und empört über die Art und Weise des Umgangs sein. Deutlich machen, dass ich mir das nicht länger gefallen lasse. bei Konflikten möglichst früh Aussprache und Klärung fordern Konflikt offen legen, Vorschläge zur Lösung anbieten Ein Tagebuch über die Vorkommnisse führen (Vorfälle, wer wann wo, Zeugen) Sich selbst entlasten: Verbündete suchen, darüber reden Kolleg/innen ansprechen und um Aufklärung bitten Mit Vorgesetzten und einer Person meines Vertrauens darüber reden. (außer) betriebliche Beratungsangebote nutzen und gemeinsam gegen Belästigungen vorgehen Stressabbau und aufbauende Angebote nutzen, z.B. Selbsthilfegruppe sich eine Auszeit gönnen (Urlaub, Kur etc.) Versetzungsgesuch als allerletzter Schritt, wenn keine Lösung in Sicht ist Quelle: http://www.azuro-muenchen.de/ausbildung/mobbing/berater.html, azuro Ausbildungs-Zukunftsbüro, Landwehrstraße 87, 80336 München, Tel.: 089-54 40 46 40 26 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 21 Arbeitsblatt Schutzstrategien detailliert 1. Strategie : B2-M7 Allgemeine Aufforderung Folgende Sätze zeigen Grenzen auf: Das will ich nicht! Lassen Sie das! Jetzt reicht`s, das nehme ich nicht hin! Stopp! Mit mir nicht! Situationsbezogene Aufforderung, z.B.: Ich möchte von Ihnen nicht auf mein Privatleben angesprochen werden! Mein Privatleben geht Sie nichts an! Solche Bemerkungen über meine Kleidung verbitte ich mir! Sie kommen mir zu nah. Das will ich nicht! Durch solche Bilder/Sprüche fühle ich mich als Frau/Mann abgewertet! 2. Strategie : Gedächtnisprotokoll Ort, Datum, Uhrzeit der Belästigung Name und Funktion des Belästigers / der Belästigerin Fakten: Was genau ist passiert? (möglichst neutrale Darstellung) Was genau hat Sie daran gestört? Eigene Gefühle Halten Sie schriftlich fest, wen Sie über den Vorfall informiert haben. Datum und Unterschrift 3. Strategie: Gespräch mit Täter/in zu einem späteren Zeitpunkt Fragen zur Vorbereitung: (evtl. vorher Strategie 2: Protokoll anfertigen) 1.Was genau ist wann passiert? 2.Was genau hat Sie daran gestört? 3.Welches Verhalten erwarten Sie in Zukunft von Ihrem Gegenüber? 4.Wollen Sie weitere Schritte gegen ihn/sie einleiten? 4. Verbündete finden Suchen Sie sich Verbündete. Gemeinsam können Sie Ihre Erfahrungen austauschen. Möglicherweise gibt es auch andere Kolleg/innen, die mit dem gleichen Mann/der gleichen Frau oder der gleichen Gruppe ähnliche Erfahrungen gemacht haben 22 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden wie Sie, nur traut sich keine/r, das Problem offen anzusprechen. Gemeinsam lässt sich effektiver handeln. (Gefahr: Verleumdungsklage) 5. Strategie: Sammlung von themenbezogenem Material Aufkleber, kritische Zeitungsartikel oder Betriebs-/Dienstvereinbarungen anonym am Arbeitsplatz hinterlegen, um den/die Belästiger/in zum Nachdenken anzuregen oder/ und indirekt zu drohen. 6. Strategie: Brief an den/die Belästiger/in Benennen Sie konkret den Zeitpunkt des Vorfalls und die Art der Belästigung. Beschreiben Sie die Tatsache ohne sie zu bewerten. Beispiel:„Mehrmals haben Sie mir in den letzten Wochen (am 8. Januar,12. Januar,1. Februar) den Arm um die Schulter gelegt und mich am Hals und am Brustansatz gestreichelt.“ Beschreiben Sie, welche Gefühle die Belästigung bei Ihnen ausgelöst hat. Beispiel:„Ich habe rasendes Herzklopfen und Schweißausbrüche bekommen.“ Fordern Sie von dem Belästiger, dass er das von Ihnen unerwünschte Verhalten einstellt. Beschreiben Sie ggf., welche zukünftige Form der Zusammenarbeit Sie erwarten. Beispiel: „Ich fordere Sie auf, mich künftig weder körperlich anzufassen, noch zu umarmen und Streicheleien zu unterlassen.“ Drohen Sie evtl. Konsequenzen für den Fall an, dass Ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Beispiel:„Sollten Sie das Verhalten nicht einstellen, sehe ich mich gezwungen, Ihren Vorgesetzten von dem Vorfall zu informieren.“ Wenn Sie eine Reaktion erwarten, teilen Sie dies mit. Beispiel:„Ich erwarte, dass Sie sich bei mir persönlich entschuldigen.“ 7. Strategie: Externe Möglichkeiten zur Unterstützung und Prävention, z.B. : Selbstbehauptungs- und Rhetorikkurse Selbsthilfegruppen Telefonseelsorge Pro Familia Beratungsstellen Beratungsstellen gegen sexuellen Missbrauch Psychosoziale Beratungsstellen Notruf für Frauen und Männer Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 23 Arbeitsblatt/ Folie Handlungsmöglichkeiten Mobbing B2-M7 Handlungsmöglichkeiten von Kameraden/innen Betroffene ansprechen Ihnen raten, sich Hilfe zu holen emotionale Unterstützung anbieten evtl. bei Klärungsgesprächen begleiten Intrigen nicht unterstützen destruktives Verhalten aufdecken und verdeutlichen einseitige Bilder zurechtrücken Partei für betroffene Person ergreifen Mitläufer/innen ansprechen, sensibilisieren Opfer über Tratsch und Gerüchte informieren 24 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt Handlungsmöglichkeiten Mobbing B2-M7 Handlungsmöglichkeiten von Personen des Vertrauens die Betroffenen beraten und unterstützen in (getrennten oder gemeinsamen) Gesprächen mit Betroffenen und belästigenden Personen den Sachverhalt feststellen die belästigende Person aufklären über tatsächliche und rechtliche Zusammenhänge und Folgen und sie auffordern, ihr Verhalten zu ändern Tipps für das Erstgespräch:27 1. Hören Sie sich die Geschichte mit Anteilnahme an. Aber vermeiden Sie es, Partei zu ergreifen. 2. Versuchen Sie zuerst Maßnahmen zu finden, die der Betroffene allein umsetzen kann. Sichern Sie dabei Unterstützung zu, ohne die Position zu übernehmen. 3. Bevor Sie selbst handeln, erbitten Sie sich Bedenkzeit. Nutzen Sie diese Zeit, um den Konflikt gründlich zu analysieren und um verschiedene Sichtweisen kennenzulernen. Worum geht der Streit? Welche Parteien sind beteiligt? Wann ist der Konflikt entstanden? Was war der mögliche Auslöser? Welche Handlungen treten auf? In welchem Stadium befindet sich der Konflikt? Welche Macht haben die Belästiger/innen? Was wurde bisher unternommen? Welche Grundeinstellung zum Konflikt haben Sie? Wird der Konflikt für lösbar gehalten? Was wird von einer Lösung erwartet? Droht der Konflikt sich auszuweiten oder ist er begrenzbar? 27 vgl. www.dgb.de/mobbing-einfuehrung.htm und Holzbecker, M., Meschkutat, B. a. a. O. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 25 Arbeitsblatt/ Folie Handlungsmöglichkeiten Mobbing B2-M7 Konfliktschlichtung:28 Können zwei Kameraden/innen einen Konflikt nicht gemeinsam lösen, müssen sie sich an den direkten Vorgesetzten wenden. Der ist verpflichtet, sich mit den beiden Kontrahent/innen zusammenzusetzen und nach einem guten Kompromiss zu suchen. Misslingt dieser Versuch, muss die nächst höhere Vorgesetztenebene eingeschaltet werden. Diese darf allerdings nicht mehr nach einer gütlichen Lösung suchen, sondern muss sich ohne wenn und aber für eine der beiden Parteien entscheiden. Da keine der Kontrahent/innen das Risiko eingehen möchte, als Verlierer/in dazustehen, steigt die Kompromissbereitschaft bereits im Vorfeld spürbar. Der Konflikt lässt sich mit Hilfe dieses Modells aller Voraussicht nach bereits im Frühstadium bereinigen. 28 vgl. Holzbecker, M., Meschkutat, B. a. a. O. / Leymann 1993 a. a. O. 26 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Eigene Erfahrungen Ziele Zeit Übung Auswertung B2-M8 Sensibilisierung für und Auseinandersetzung mit grenzverletzenden Situationen 45 min Gruppenarbeit Die Gesamtgruppe wird in Kleingruppen mit maximal 5 Personen unterteilt. Anschließend sammeln die Gruppen konkrete Fälle zu sexueller Belästigung, Diskriminierung und Mobbing, die sie am Arbeitsplatz mitbekommen haben und diskutieren folgende Fragen: n Das habe ich schon erlebt... oder davon habe ich gehört ... n So haben sich die/der Betroffene gefühlt ... n Das haben Kolleg/innen, Vorgesetzte, ich selber unternommen ... Die Gruppen halten ihre Ergebnisse auf Flipchart-Papier fest und stellen sie nacheinander im Plenum vor. n Welche Fälle waren weshalb besonders bedrückend? n Weitere Sammlung im Plenum unter den Fragestellungen: n Was hätte wer alternativ oder „besser“ tun können“? n Hätten die Betroffenen eine Möglichkeit gehabt, sich zu schützen. Wenn ja, mit welchen Mitteln am besten? Allen Teilnehmer/innen sollten Adressen von Ansprechpartner/innen in der Bundeswehr und ggf. auch außerhalb mitgegeben werden. Materialien Flipchart-Papier, Arbeitsblatt Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 27 Rollenspiel XY Ziele Zeit Übung B2-M9 Sensibilisierung für unterschiedliche Ansichten und Aufgaben, Verdeutlichung der konkreten Fragestellungen in der Umsetzung im Alltag 90 min Die Gruppe wird in vier Teilgruppen eingeteilt. Jede Kleingruppe erhält das Drehbuch einer Rolle. Die Gruppenmitglieder sollen ihr strategisches Vorgehen ausführlich diskutieren und eine/n freiwillige/n Schauspieler/in benennen. Im Anschluss an die Arbeitsgruppen soll das Rollenspiel aufgeführt werden. n Haben die TeilnehmerInnen ihr Ziel erreicht? n Welche unterschiedlichen Aufgaben und Verantwortungen sind klar und deutlich dargestellt worden? n Ist der Datenschutz beachtet worden? n Inwieweit wurde das Opfer, aber auch der Täter/ die Täterin geschützt oder kam es zu Vorverurteilungen? Auswertung n Was sollte in der Realität anders gemacht werden? Die Ergebnisse werden gut sichtbar aufgehängt und miteinander verglichen. Frage an alle: n Wo sind sich die Gruppen einig? n Wo zeigen sie unterschiedliche Auffassungen? Materialien schriftlich vorbereitete Rollenbeispiele, (siehe Arbeitsblätter) Variante 28 4 Stühle, ein Tisch, Tischnamensschilder für die Sitzplätze Nach der Hälfte der Spielzeit von ca. 20 Minuten können die Beobachter/ innen ihren Schauspielern/innen Tipps und Anregungen geben oder selber den Platz einnehmen. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt Rollenspiel XY - Oberfeldwebel (m) Trust B2-M9 Die Situation Herr Icks betritt sichtlich schockiert ihr Büro, nachdem er vor zwei Tagen mit Ihnen einen Termin abgesprochen hat. Er wendet sich vertrauensvoll an Sie, da er nicht wüsste, was sonst mit ihm passieren würde. Die Vorgeschichte Frau Ypsilon, 24 Jahre, ist Stabsunteroffizier (w) im Sanitätsdienst beim Heer. Sie wird seit einigen Wochen von einer Gruppe männlicher Soldaten verbal sexuell belästigt. (Eindeutige Angebote, Bemerkungen über ihre Figur und ihre angeblichen sexuellen Wünsche). Auf Grund dieser Attacken wird sie immer verlegener, zurückgezogener und stellt letztendlich einen Versetzungsantrag. Als dies bekannt wird, werden die Belästigungen immer massiver. Es gipfelt mit nächtlichen Klopfen an der Zimmertür und einem Kuss, den ihr mit Gewalt ein Soldat in der Kantine aufgedrängt. Kamerad Icks, 22 Jahre, Unteroffizier (m), beobachtet die Belästigungen schon seit einiger Zeit. Abgesehen von einem kleinen Sprachfehler, Herr Icks lispelt etwas, erfüllt er bisher unauffällig und zuverlässig seinen Dienst. Als die Kameraden gegenüber Frau Ypsilon handgreiflich werden, steht Herr Icks auf und schreit durch die gesamte Kantine: „Jetzt lasst endlich die Frau in Ruhe!“ Zwei Wochen später wird Frau Icks zur Luftwaffe versetzt. Herr Icks wird seitdem von seinen Kameraden gemieden, und als „Frauenversteher“, „Weichei“, „Spaßverderber“ und „Kameradenschwein“ denunziert. Vermehrt wird er wegen seines Sprachfehlers belächelt und zu Wachen eingeteilt. Als er einen anonymen Brief erhält, indem ihm angedroht wird, „er solle sich warm anziehen“, denn beim nächsten Manöver wollen sie sich ihren Spaß mit ihm machen, wendet er sich an seine Vertrauensperson. Die Rolle Sie sind Oberfeldwebel (m) Trust (31 Jahre) und seit 10 Jahren bei der Bundeswehr. Sie sind verheiratet und haben zwei Kinder. Auf Grund ihrer ruhigen und zuverlässigen Art werden Sie schon seit Jahren immer wieder zum Vertrauensmann gewählt. Ihnen sind die geschilderten Situationen „als alter Hase“ bestens bekannt. Seit Jahren versuche Sie, Mobbing, sexuelle Belästigung und Diskriminierung im Heer zu thematisieren. Sie bitten Frau Beispiel, Stabsarzt (w) und frühere Vorgesetzte von Frau Ypsilon, Herrn Exempel, Sozialarbeiter bei der Standortverwaltung und Herrn Fall, Fähnrich (m) und Zugführer von Herrn Icks, zu einem Gespräch, ohne im Vorfeld den Inhalt zu benennen. Drehbuch Zufällig treffen Sie sich direkt vorher beim Mittagessen in der Kantine am selben Tisch. Sie beginnen mit dem Gespräch, nachdem alle Sie fragend anschauen. Aufgaben Was können Sie als Vertrauensmann für Herrn Icks leisten? Beachten Sie Ihre Ambivalenz von Schweigepflicht und Beschwerdeordnung. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 29 Arbeitsblatt Rollenspiel XY - Oberfeldwebel (m) Trust B2-M9 Die Situation Oberfeldwebel (m) Trust bittet Sie an einem Gespräch teilzunehmen. Inhaltlich gehe es um Ihren früheren Sanitäter (w) Frau Ypsilon und einen „weiteren Fall“. Teilnehmen soll neben Ihnen auch Herr Exempel, Sozialarbeiter bei der Standortverwaltung und Fähnrich (m) Fall, Zugführer. Die Vorgeschichte Frau Ypsilon, 24 Jahre, ist Stabsunteroffizier (w) im Sanitätsdienst beim Heer. Sie wird seit einigen Wochen von einer Gruppe männlicher Soldaten verbal sexuell belästigt. (Eindeutige Angebote, Bemerkungen über ihre Figur und ihre angeblichen sexuellen Wünsche). Auf Grund dieser Attacken wird sie immer verlegener, zurückgezogener und stellt letztendlich einen Versetzungsantrag. Als dies bekannt wird, werden die Belästigungen immer massiver. Es gipfelt mit nächtlichen Klopfen an der Zimmertür und einem Kuss, den ihr mit Gewalt ein Soldat in der Kantine aufgedrängt. Die Rolle Sie sind Frau Beispiel, Stabsarzt (w) im Heer, und frühere Vorgesetzte von Frau Ypsilon. Sie sind 44 Jahre alt und bereits seit 18 Jahren bei der Bundeswehr. Sie treten resolut und sprachgewandt auf. Sie sind bekannt als gute Ärztin und werden überall geschätzt. Sexuelle Belästigungen bei der Bundeswehr sind Ihnen bestens bekannt. Auch Sie wurden jahrelang mit Sprüchen attackiert. Inzwischen haben Sie sich „ein dickes Fell“ zugelegt und kontern dementsprechend. Fähnrich (m) Fall ist Ihnen bekannt als „harter Hund“ in der Ausbildung. Sie wissen, dass er Frauen in der Bundeswehr überflüssig findet. Mit Oberfeldwebel (m) Trust und Herrn Exempel hatten Sie bisher nur gelegentlich dienstlich zu tun. Ihnen ist aber bekannt, das Herr Trust Vertrauensmann ist. Drehbuch Kurz vor dem Termin treffen Sie zufällig in der Kantine am selben Tisch auch die anderen Geladenen. Fragend schauen Sie Herrn Trust an, bis er das Gespräch beginnt. Ihre Aufgabe Weisen Sie auf sexuelle Belästigung hin. Sprechen Sie auch von Ihren eigenen Erfahrungen. Versuchen Sie präventive Maßnahmen durchzusetzen. 30 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt Rollenspiel XY - Herr Exempel B2-M9 Die Situation Oberfeldwebel (m) Trust bittet Sie an einem Gespräch teilzunehmen. Inhaltlich geht es um einen „weiteren Fall“ von sexueller Belästigung und Mobbing. Näheres wollte er Ihnen jetzt erst mal nicht sagen Teilnehmen sollen neben Ihnen auch Frau Stabsazrt (w) Beispiel und Fähnrich (m) Fall. Die Vorgeschichte Ist Ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Die Rolle Sie sind Herr Exempel, 55 Jahre, Sozialarbeiter bei der Standortverwaltung. Sie sind seit 35 Jahren bei der Bundeswehr. Nachdem Sie 12 Jahre Soldat waren, sind Sie auf die zivile Seite gewechselt. Seit 23 Jahren sind Sie als Sozialarbeiter tätig. Auf Grund ihres großen Erfahrungsschatzes wissen Sie, dass es in der Bundeswehr alles geben kann. Ihnen sind auch Fälle von sexueller Belästigung unter Männern bekannt. Trotzdem sind Sie der Meinung, dass das durch die Öffnung für Frauen in der Bundeswehr jetzt zunehmen wird. Die anderen Teilnehmer/innen sind Ihnen namentlich bekannt. Mit Fähnrich (m) Fall, der Zugführer ist, sind Sie per „Du“. Sie kennen sich schon lange und obwohl Sie seine Ansichten nicht immer teilen, schätzen Sie ihn als guten Soldaten. Sie wissen aber auch, dass er schon mal einen „flotten“ Spruch loslässt. Auch wenn Sie es selber nicht praktizieren, gehört es maßvoll angewandt zur Bundeswehr. Drehbuch Kurz vor dem Termin treffen Sie zufällig in der Kantine am selben Tisch auch die anderen Geladenen. Fragend schauen Sie Herrn Trust an, bis er das Gespräch beginnt. Ihre Aufgabe Kümmern Sie sich v.a. um die Einzelfälle. Sorgen Sie dafür, das den „Betroffenen“ schnell und unbürokratisch geholfen wird. Stellen Sie das immer wieder in den Mittelpunkt. Sorgen Sie dafür, dass die Schweigepflicht eingehalten wird. Unterstützen Sie Herrn Fall, ohne seine Meinung zu vertreten. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 31 Arbeitsblatt Rollenspiel XY - Fähnrich (m) Fall B2-M9 Die Situation Oberfeldwebel (m) Trust bittet Sie an einem Gespräch teilzunehmen. Inhaltlich geht es um Herrn Icks, der in Ihrem Zug seinen Dienst leistet. Näheres wollte er Ihnen jetzt erst mal nicht sagen. Teilnehmen sollen neben Ihnen auch Frau Stabsarzt (w) Beispiel und Herr Exempel vom Sozialdienst der Standortverwaltung. Durch Gerüchte haben Sie von folgenden Vorfall gehört: Die Vorgeschichte Herr Icks wird seit zwei Wochen von seinen Kameraden gemieden, und als „Frauenversteher“, „Weichei“, „Spaßverderber“ und „Kameradenschwein“ denunziert. Vermehrt wird er wegen seines Sprachfehlers belächelt und zu Wachen eingeteilt. Er erhält einen anonymen Brief, indem ihm angedroht wird, „er solle sich warm anziehen“, denn beim nächsten Manöver wollen sie sich ihren Spaß mit ihm machen. Die Rolle Sie sind Fähnrich (m) Fall, 26 Jahre und Zugführer beim Heer. Mit Leib und Seele sind Sie Soldat und versuchen möglichst das Beste aus den Soldaten zu machen. Grenzerfahrungen gehören da dann ebenso dazu, wie ein „flotter“, zweideutiger „Witz“. Von Frauen in den Kampfeinheiten halten Sie wenig. Sie haben die Befürchtung, das die Bundeswehr dann nicht mehr ihren Auftrag erfüllen kann. Im Zweifelsfall halten Sie die „Hand ins Feuer“ für Ihre Soldaten/innen. Kameradschaft wird bei Ihnen großgeschrieben, was nicht heißt, dass man sich auch schon mal einen Spaß mit einem anderen Soldaten erlauben kann. Auch das gehört zum Truppenalltag. Es gibt allerdings deutliche Grenzen, die aber nicht immer klar vermittelt werden. Sie kennen Herrn Exempel und sind per „Du“. Sie schätzen ihn als Menschen, auch wenn er manchmal „zuviel Lärm um nichts macht“. Ihre Beziehung zu Frau Beispiel ist äußerst schwierig. Zum Einen ist sie eine Frau und zum anderen schreibt Sie einige Soldaten/innen Ihrer Meinung nach zu schnell krank. Oberfeldwebel (m) Trust ist Ihr Untergebener. Sie wissen das er Vertrauensmann ist und schätzen ihn als Soldaten. Als er Ihnen den Termin mitteilt, ohne genaue Anhaltspunkte zu machen, werden Sie allerdings ungeduldig und fordern Ihn auf sofort Details preis zu geben. Oberfeldwebel (m) Trust kommt dem nicht nach und bezieht sich auf die Schweigepflicht. Drehbuch Kurz vor dem Termin treffen Sie zufällig in der Kantine am selben Tisch auch die anderen Geladenen. Fragend schauen Sie Herrn Trust an, bis er das Gespräch beginnt. Ihre Aufgabe Spielen Sie die Vorfälle herunter. Es darf auf keinen Fall etwas nach oben oder an die Öffentlichkeit. Überzeugen Sie die anderen von der Rufschädigung für die ganze Bundeswehr, obwohl es doch nur Einzelfälle sind. Versuchen Sie die Verantwortung für die nächsten Gespräche zu bekommen. Lassen Sie nicht zu, dass das Thema breitgetreten wird. 32 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Fallbeispiele sexuelle Belästigung, Diskriminierung Ziele Zeit Übung B2-M10 Bewusstmachen von Auswirkungen wie z.B. Unsicherheiten, Sprachlosigkeit und Ohnmachtsgefühle, Entwicklung von Lösungsvorschlägen. Reflexion der Vor- und Nachteile, die mit den jeweiligen Lösungen verbunden sind 60 min (30 min Gruppenarbeit, 30 min Diskussion) Falbeispiele Konkrete Fallbeispiele aus der eigenen beruflichen Erfahrung im Plenum sammeln. Anschließend werden Kleingruppen mit maximal fünf Personen gebildet und einzelne gesammelte Fallbeispiele zugeordnet: Versetzen Sie sich in die Lage von Frau/Herrn ... n Wie fühlen Sie sich als Frau/Herr ... n Was denken Sie? n Wie reagieren Sie? n Wie soll XY sich wehren? Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden auf einer Wandzeitung festgeAuswerhalten und anschließend im Plenum präsentiert. Darüber hinaus sollen die tung Arbeitsgruppen darstellen, über welche Vorgehensweisen bei der Bearbeitung Einigkeit bestand und wo es Schwierigkeiten gab. Materialien Aufgabenstellungen für jede Kleingruppe Die folgenden Fallbeispiele als Arbeitspapier in die Kleingruppen zur DisVariante kussion geben. Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 33 Arbeitsblatt Fallbeispiele sexuelle Belästigung, Diskriminierung B2-M10 Auf dem Weg zur Kleiderkammer begegnet Frau Maat A, zwei Bootsmännern (m), die ihr entgegen kommen. Sie drehen sich nach ihr um. Einer sagt hörbar: „Die möchte doch nur See fahren, um die ganzen Männer durchzuvögeln.“ In der 6 Woche der Grundausbildung schafft es Soldat B nicht mehr, bei der 21. Liegestütze wieder hoch zu kommen. Der Hauptgefreite (m) K, Ausbilder und Vorgesetzter, schreit: „Sind Sie beim Sex auch so wenig engagiert?“ Die Obergefreite (w) C geht drei Abende hintereinander mit ihrem Kameraden D aus. Am nächsten Tag fragt der Vorgesetzte sie vor versammelter Mannschaft: „Na, läuft da was!?“ Sie antwortet spontan: „Wenn ich mich nicht irre, waren Sie gestern auch wieder mit dem Obergefreiten (m) E im Casino. Der bückt sich wohl auch nach der Seife.“ Frau Obermaat D ist mit sieben anderen Frauen an Bord der Fregatte X. Als sie sich wiederholt weigert mit einer Gruppe Soldaten Skat zu spielen, ignorieren diese sie. Im Verlauf der nächsten vier Wochen eskaliert die Situation. Wenn Frau D die Messe betritt, stehen die Kameraden auf und verlassen den Raum. An ihrer Zimmertür hängt ein Zettel mit der Aufschrift „Bitch“ (Schlampe). Als ein Fähnrich (m) ihr im Vorbeigehen zuflüstert „Heute nacht bist Du reif!“, geht sie zum 1. Offizier. Seit sich Frau E, Stabsunteroffizier (w) beim Sanitätsdienst, über die „sexistischen Witze“ ihrer Kameraden beschwert hat, fühlt sie sich ausgegrenzt. Informationen kommen nur spät oder über Umwege zu ihr. Wenn sie den Raum betritt, verstummen die Kameraden oder sie lachen, ohne das sie den Inhalt versteht. Auch bei ihrem Vorgesetzten findet sie keine Unterstützung. „Nun seien Sie mal nicht so sensibel, das legt sich wieder“, antwortet er ihr, als sie ihm von den Vorfällen berichtet. Als sie bei einem Bettenwechsel die Unterstützung eines Kameraden benötigt, antwortet er ihr: „Als Emanze brauchst Du doch keine Männer. Nun sieh mal zu, wie Du das selber schaffst!“ Soldat F ist Wehrpflichtiger (m) und in der 8. Woche der Grundausbildung. Seine Stubenkameraden machen sich einen Spaß daraus, ihn zu schikanieren. Nachts brüllen sie ihn an, seine Schnürsenkel werden verknotet und gegenüber anderen Kameraden/innen wird das Gerücht verbreitet, Soldat F würde nachts weinen, da er Heimweh hat. Tatsächlich weint Herr F nachts, da er Angst vor dem nächsten „Scherz“ der Kameraden/innen hat. Er leidet zunehmend unter Schlafstörungen und Unkonzentriertheit. 34 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt Fallbeispiele sexuelle Belästigung, Diskriminierung B2-M10 Frau G ist Gefreiter/ Unteroffiziersanwärter (w) bei der Luftwaffe. Auf Grund ihres zierlichen Äußeren und ihrer blonden Haare wird häufig über sie geredet. Nicht nur, dass untergebene Soldaten ihren Befehl mit einem Schmunzeln ab tun, auch ihre männlichen Kameraden machen sich einen Spaß daraus, sie an ihre Grenzen zu bringen. In ihrer Anwesenheit erzählen sie Blondinenwitze oder erkundigen sich nach ihrem Freund, ob der auch einen Manta fährt. Sie distanziert sich immer mehr von ihren Kameraden und ist lieber alleine. Als sie ein Einzelzimmer auf einen anderen Flur beantragt, kippt die Stimmung. Nun wird sie beschimpft und öffentlich fertiggemacht. „Du bist wohl ’was Besseres!“ Als man ihr unterstellt, sie hätte eine Affäre mit einem Feldwebel, geht sie zum Kommandeur. Obergefreiter (m) H ist Triebwerkmechniker bei der Luftwaffe. Er wurde in Berlin geboren, seine Eltern stammen aus Algerien. Er ist gläubiger Moslem. Seit dem Anschlag am 11.09.2001 hat sich die Stimmung deutlich gegen ihn verschlechtert. Als er im Ramadan ist, wird ihm von einem Kameraden vorgeschlagen:“ Ihr Muslime solltet immer fasten und verhungern. Dann wäre wieder Frieden in der Welt.“ Nachdem man ihn unterstellt, er hätte bei der Überprüfung eines Triebwerkes bewusst einen Fehler gemacht: „Ihr Araber steckt ja alle unter einer Decke.“, stellt er einen Versetzungsantrag. Frau I ist Obermaat auf der Fregatte Y. Da insgesamt nur drei Frauen auf dem Schiff sind, bekommen sie einen Schlafraum in der Offiziersabteilung. Sie haben jetzt nicht nur mehr Platz, sondern auch eigene Duschen zu dritt. Die männlichen Kameraden fühlen sich benachteiligt und unterstellen ihr, „sie wolle sich ja nur einen Offizier angeln.“ Sie geht zu ihrem Vorgesetzten und bittet um Gleichbehandlung. Herr K, Fähnrich (m) zur See, ist offen schwul. Auf Grund seines klaren Umgangs mit seiner sexuellen Orientierung wird er geachtet und respektiert. Als sich Herr K freiwillig zum Auslandseinsatz an Bord meldet, sagt ein vorgesetzter Offizier zu ihm: “Sie sollten sich lieber nicht an Bord melden. Das gibt nur Ärger.“ Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 35 Fallbeispiele Mobbing 29 Ziele Zeit Übung B2-M11 Bewusstmachen von Auswirkungen wie z. B. Unsicherheiten, Sprachlosigkeit und Ohnmachtgefühle, Entwicklung von Lösungsvorschlägen; Reflexion der Vor- und Nachteile der jeweiligen Lösungen 30 min Gruppenarbeit plus 30 min Diskussion Brainstorming und Kleingruppenarbeit Fallbesprechung Zunächst werden Kleingruppen mit maximal 5 Personen gebildet. Jede Gruppe bekommt/wählt ein Fallbeispiel mit folgenden Fragen: n Wie bewerten Sie diesen Fall? n Welches Motiv liegt wahrscheinlich zugrunde? n Welche Mobbinghandlungen kommen vor? n In welcher Phase ist der Fall? n Hätte dieser Fall verhindert werden können? Wenn ja, wann und wie? n Welche Handlungsmöglichkeiten sehen Sie für – die Betroffenen – die Kameraden/innen – die Vorgesetzten –Vertrauensleute, oder den Personalrat Auswertung Variante n Wer kann sonst noch eingeschaltet werden? Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden auf einer Wandzeitung festgehalten und anschließend im Plenum präsentiert. Darüber hinaus sollen die Arbeitsgruppen darstellen, über welche Vorgehensweisen bei der Bearbeitung Einigkeit bestand und wo es Schwierigkeiten gab. Fallbeispiele sowie Arbeitsblätter der Methode „Streiten, diskriminieren, mobben“, siehe weiter vorne Holzbecker, M. Meschkutat, B. (2002): Mobbing am Arbeitsplatz – Informationen, Handlungsstrategien, Schulungsmaterialien, Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Sonderschrift S. 49 29 36 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt/ Folie Fallbeispiele Mobbing 30 B2-M11 Beispiele Mobbing Wie bewerten Sie diesen Fall? Welches Motiv liegt wahrscheinlich zugrunde? Welche Mobbinghandlungen kommen vor? In welcher Phase ist der Fall? Hätte dieser Fall verhindert werden können? Wenn ja, wie? Welche Handlungsmöglichkeiten sehen Sie für - die / den Betroffene/n - die / den Vorgesetzte/n - den Personal-/ Betriebsrat Wer kann sonst noch eingeschaltet werden? Holzbecker, M. Meschkutat, B. (2002): Mobbing am Arbeitsplatz – Informationen, Handlungsstrategien, Schulungsmaterialien, Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Sonderschrift S. 49 30 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 37 Arbeitsblatt Fallbeispiele Mobbing31 B2-M11 Hackordnung Thomas P. spürt von Anfang an, dass sein Vorgesetzter ihn nicht leiden kann und „auf dem Kieker“ hat. Seine Befürchtung bestätigt sich, denn im Vergleich zu anderen bekommt er die unbeliebtesten Arbeiten. Und es wird keine Gelegenheit ausgelassen, ihn zu kritisieren und herumzukommandieren. Die belastende Lage verschlimmert sich noch als er spürt, dass die ständige Abwertung nicht ohne Folgen bleibt. Auch die anderen Kameraden/ innen wenden sich von ihm ab und übernehmen die Meinung des Vorgesetzten, dass er seinen Aufgaben nicht gewachsen sei. Thomas P. hält die hohe psychische Belastung nicht mehr aus und wird mehrfach krank geschrieben. Dies bewirkt eine weitere Eskalation, da er nun als Drückeberger gilt, der anderen zusätzliche Arbeit aufbürdet. Gerüchteküche Sabine L. fühlt sich unzufrieden und gestresst. Die Arbeit entspricht zwar ihren Erwartungen, aber sie wird von persönlichen Kontakten im Kameraden/innen-Kreis ausgeschlossen. In der Mittagspause gehen alle gemeinsam Essen, ohne sie mitzunehmen. Ständige Kritik an ihrer „Art“ lassen ihre Laune schon am Morgen sinken. Zufällig hört sie von dem Gerücht, dass sie ja wohl nur auf Frauen stehe. Außenseiter Peter K. ist der „Blitzableiter“ in seiner Einheit. Weil er völlig andere Vorstellungen von seinem Leben hat als seine Kameraden/innen, wurde er schon bald als Außenseiter angesehen und mit Sticheleien und scheinbar humorvollen, aber abwertenden Bemerkungen schikaniert. Immer häufiger wurden gemeinsame Besprechungen und Pausenzeiten genutzt, um sich über ihn und seine Ansichten lustig zu machen und ihn als Spinner vorzuführen. In der letzten Zeit fühlt sich Peter K. auch im Arbeitsalltag unsicher und bedroht, weil man ihn schon mehrfach einen Streich gespielt hat, der ihn unvorbereitet getroffen und verletzt hat. Kritik Seit Yvonne G. die sexistischen Witze und Pin-Up-Kalender ihrer Kameraden kritisiert hat, ist die Stimmung verändert. Wenn sie den Gemeinschaftsraum betritt, hört sie Bemerkungen wie: „Lasst uns das Thema wechseln, da kommt unser Sensibelchen!“ Oder Kameraden/innen beginnen so leise zu sprechen und dabei zu lachen, dass sie den Inhalt nicht versteht. Sie spürt, dass man sich über sie lustig macht. Als sie bei einer schweren Arbeit die Unterstützung der Gruppe braucht, sagte man ihr: „Als Emanze brauchst du doch keine Männer. Dann sieh mal zu, wie du das alleine schaffst.“ Yvonne G. fühlt sich zunehmend unwohl, ausgegrenzt und ist enttäuscht über die Reaktion der Kameraden/innen. Holzbecker, M. Meschkutat, B. (2002): Mobbing am Arbeitsplatz – Informationen, Handlungsstrategien, Schulungsmaterialien, Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Sonderschrift S. 49 31 38 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Arbeitsblatt Fallbeispiele Mobbing32 B2-M11 Außenseiter Mehmet S. ist der einzige Nichtraucher und es ist ihm unangenehm, wenn in seinem Arbeitszimmer geraucht wird. Er bekommt dann Kopfschmerzen und fühlt sich unwohl. Als er eine gemeinschaftliche Regelung vorschlägt, reagiert niemand darauf. Doch fortan wird er von allen wie Luft behandelt. Wenn Herr S. etwas dienstliches fragt, bekommt er nun keine Antwort oder wird als dumm dargestellt. Die Situation wird immer unerträglicher. Zu den Problemen am Arbeitsplatz kommen nun auch noch Beziehungsprobleme. Er bekommt einen nervösen Hautausschlag und Magenbeschwerden. Immer häufiger meldet er sich krank. Seine Umgebung stempelt ihn als Versager ab. Die Situation wird für ihn immer extremer, ohne dass eine Lösung in Sicht ist. Behinderung Lara W. hat einen kleinen Sprachfehler, doch ihre Arbeit ist genauso gut wie die ihrer Kameraden/innen. Dennoch weist man ihr keine qualifizierten Arbeiten zu. „Du bist die Dumme“ wird ihr gesagt. Besonders schlimm ist es für Frau W., dass allen voran ihr Vorgesetzter sie diskriminiert. „Schicken Sie doch die blöde W.“, hört sie ihn mehr als einmal brüllen. Keine/r stellt sich auf ihre Seite. Jeder Arbeitstag wird für sie zur Qual. Dazu hat sie Angst um ihren Job. Ihr Sprachfehler wird zur Gaudi der Kameraden/innen, schlimmer noch, ihre Unsicherheit wächst. Sonderrechte33 Ulrike B. lebt seit ihrer Scheidung vor zwei Jahren mit ihrem Sohn (3 Jahre) allein. Vor der Arbeit bringt sie ihren Sohn in den Hort, dann hetzt sie weiter in die Kaserne. Kommt sie mal später, weil sie im Stau steckengeblieben ist, wird sie angegiftet: "Während wir uns hier abschuften, machst du deinen Schönheitsschlaf. Dabei bringt der bei dir sowieso nichts mehr." Wird ihr Sohn krank, heißt es am nächsten Tag: "Kein Wunder, dass die Kinder krank werden - bei der Mutter!" Wenn Ulrike B., gekränkt und wütend, fordert, sie endlich in Ruhe zu lassen, ahmt man sie mit einer hysterisch klingenden Stimme nach. Um die Fassung nicht zu verlieren und vor den Kameraden/innen nicht in Tränen auszubrechen, flüchtet Ulrike B. immer häufiger in den Waschraum. Das hat zur Folge, dass sie danach noch mehr beschimpft wird. Zwischen den Kameraden/innen kommt es zu einer Art Wettbewerb: Wer hat die boshaftesten Sprüche auf Lager? Wer findet die größten Gemeinheiten? Wer bringt Ulrike B. am schnellsten zum Weinen? Ein Jahr vergeht, bis der Vorgesetzte Ulrike B. zu sich ruft. Es geht um die häufigen Fehlzeiten. Er vermutet, dass die Doppelbelastung von Berufstätigkeit und Kinderversorgung für sie als Alleinerziehende zu viel sei. aus: Volkswagen AG Zentrales Personalwesen (1997): Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz. Eine Information für Betroffene und Beteiligte. 33 nach: www.igmetall.de 32 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 39 Vorurteilsfrei?34 Ziele Zeit Übung Auswertung B2-M12 Bewusstmachung von Einstellungen und Haltungen gegenüber Minderheiten 30 – 60 min Positionsspiel Umsetzung am Beispiel Schwule, Lesben, Bisexuelle, Heteros. Weitere Minderheiten s.u. Varianten Drei Karten mit den Begriffen „Lesben“, “Schwule“, „Heteros“ werden als großes Dreieck auf den Boden gelegt. Die Teilnehmer/innen ziehen aus einem Stapel reihum eine verdeckte Karte mit Begriffen und legen die Karte – immer noch verdeckt – dorthin, wo sie ihrer Meinung nach am besten passt: dicht an eine Begriffskarte, zwischen zwei oder in die Mitte, weil sie zu allen drei Kategorien passt. Sind alle Karten abgelegt, decken die Teilnehmer/innen nacheinander eine sie interessierende Karte auf und sagen, ob sie mit der Platzierung einverstanden sind. Veränderungswünsche sollen begründet und erst nach der Diskussion in der Gruppe vollzogen werden. Möglicherweise ergibt sich im Laufe des Aufdeckens, dass eine vierte Kategorie Bisexuelle, kurz: „Bi’s“ hinzugenommen werden sollte. Sollten sich Gruppenmitglieder negativ über Lesben und Schwule äußern, fragt die Gruppenleitung, worauf diese Einstellung beruht. n Eigene Erfahrungen, Hörensagen? Gibt es positive Erfahrungen? n Was fällt auf, was überrascht? n Wo gibt es Schwerpunkte? n Wo gibt es Lücken? n Was widerspricht sich? n Was sind Vorurteile, was Klischees und was trifft zu? n An welchem Punkt wird etwas für Sie unangenehm oder bedenklich? Materialien Einfarbige Moderationskarten mit folgenden Begriffen (kann ergänzt werden): hat keinen abgekriegt, hat keine abgekriegt, verantwortungslos, krank, Ekel, pervers, hat es schwer, Diskriminierung, Vorurteile, Verführung, Analverkehr, Männerhass, Frauenhass, Emanze, Frau, Mann, männlich, Spaß, Liebe, geil, cool, Härte, zärtlich, weich, küssen, Weiblichkeit, Lust, Gefühle, schmusen, streicheln, guter Freund, gute Freundin; große unterschiedlich farbige Kategoriekarten mit den Worten „Lesben“, „Schwule“, „Heteros“; „Bi‘s“ Themenoberkarten für weitere Minderheitensensibilisierungen: Variante Deutsche – Türken – Schwarzafrikaner – Asiaten Christen – Moslems – Juden – Nichtgläubige Azubis – „Neue“ – „alte Hasen“ – Frührentner Kinderlose – Alleinerziehende – Familienvater – Familienmutter Schwerbehinderte – Nichtbehinderte – leicht Behinderte ... Begriffskarten entsprechend vorab oder mit der Gruppe sammeln. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Veranstaltungen von Mensch zu Mensch am Beispiel Aids, planen – durchführen 34 40 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Handlungsstrategien und präventive Maßnahmen Ziele Zeit Übung B2-M13 Erkennen von Präventionsmöglichkeiten, Erweiterung der bereits existierenden Möglichkeiten 45–60 min Einzelarbeit, Tuschelgruppen, Plenum Die Teilnehmer/innen überlegen sich, zuerst in Einzelarbeit (5 min), danach in Tuschelgruppen (ca. 2–3 Personen), innerbetriebliche Handlungsstrategien und präventive Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Mobbing am Arbeitsplatz. Z.B.: n Einrichtung einer Projektgruppe/Beratungsstelle n direkte Ansprechpartner/innen vor Ort, unabhängig vom Arbeitgeber und Personalrat n internen Umfragen n Bereitstellung geschulter Ansprech- oder Kontaktpersonen215 n Informationen in Bundeswehr-Medien, Faltblättern, Broschüren, Rundschreiben Auswertung n Dienstversammlungen, Besprechungen, Gesprächsgruppen besonders im Hinblick auf Berufsanfänger/innen Zur Präsentation bringen die Tuschelgruppen ihre Ergebnisse an einer Pinnwand an und erläutern kurz ihre Gedanken der Gesamtgruppe n Was wäre besonders effektiv? n Was gibt es bereits? n Wer sollte was tun, damit einige der Vorschläge zukünftig aufgegriffen werden? Materialien Pinnwand, Stifte, Papier Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden 41 42 Partnerschaftlich handeln Baustein 2: Partnerschafliches Verhalten… – Methoden Baustein 3 Praxis Vereinbarkeit von Privatleben, Familie & Beruf Inhalt Praxis Vereinbarkeit Thema Methodik Titel Nr. Seite Stellenwert vom Berufstätigkeit und Privatleben Rot/grün-Thesen 3-Ecken-Spiel Satzergänzungen Zugespitzt B3-M1 1 Partnerschaft/ Beziehung Zeichnung, Gruppenarbeit Liebeshaus B3-M2 3 Familienbilder Quiz Arbeitsblätter Familiennormen Familienwandel B3-M3 4 Verteilung in der Haus- bzw. Familienarbeit Imagination vertauschte Rollen zuhause B3-M4 7 berufliche Lebensziele Einzelarbeit Aufstellung Traumkarrieren B3-M5 8 familienfreundliche Bundeswehr Zukunftswerkstatt mit Vision-Air-Jobmodell Kartenabfrage und 2013 Kleingruppenarbeit B3-M6 9 alltägliche Vereinbar- Kleingruppenarbeit keitsprobleme Rollenspiele, Fallbeispiele Hier fliegen die Fetzen B3-M7 11 Vereinbarkeit beruflicher und privater Lebensziele Stationen B3-M8 14 Rabenväter – Rabenmütter B3-M9 15 Einzelarbeit Einstellungen zur Kin- Ja/Nein-2-Eckenderbetreuung Spiel Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden 1 Zugespitzt Ziele Zeit Übung B3-M1 Auseinandersetzung mit Einstellungen, Haltungen und Vorurteilen zum Stellenwert von Berufstätigkeit und Privatleben 10-30 min 4-Ecken-Spiel Rot/grün-Thesen, Satzergänzungen In die vier Raumecken werden jeweils Antworten zu einer an die Gruppe gestellten Frage gehängt. Die Teilnehmenden sollen in die Ecke mit der Antwort begeben, die ihnen am nächsten ist. Wenn sie sich nicht entscheiden können, ist es auch erlaubt sich in die Mitte zwischen zwei Raumecken zu stellen. n Wer hat mich aufgeklärt? (ohne Printmedien) 1. Eltern, 2. Geschwister 3. Bester Freund/ beste Freundin, 4. Erster Freund/ erste Freundin n Kinder, finde ich persönlich, 1. sind das Wichtigste auf der Welt, 2. gehören selbstverständlich zur Partnerschaft, 3. sind notwendig, 4. Ich möchte keine Kinder. n Wann begann meine Familienplanung? 1. Vor der Bundeswehr, 2. In der Partnerschaft mit meiner/m Frau/ Mann, 3. Unabhängig von Partner/in, 4. Als ich/ meine Partnerin schwanger war n Ist die Gruppe sich einig? Auswern Welche individuellen Unterschiede gibt es? tung n Welche Argumente gibt es für die gegebenen Antworten? Was spricht dafür, was dagegen? Materialien rote und grüne Karten Die Teilnehmer/innen geben individuell per aufgezeigter Farbkarte (rot = Variante Ablehnung, grün = Zustimmung) ihre Meinung an oder stellen sich je nach Zustimmung oder Ablehnung in eine Raumecke, in der eine Farbkarte hängt. Gemischte Themen: n Hausfrau zu sein wäre für mich genauso befriedigend wie eine Berufstätigkeit. Hausmann zu sein wäre für mich .... n Ein Beruf ist gut, aber was die meisten Frauen wirklich wollen, ist ein Zuhause und Kinder. n Ich hätte in meinem Beruf mehr Chancen, wenn ich das andere Geschlecht hätte. n Für Frauen und Männer sollte es selbstverständlich sein, dass sich beide gleich viel um Haushalt und Kinder kümmern. n Familie und Beruf sind sehr schwer/gar nicht/gut zu vereinbaren. Die Doppelbelastung von Familie und Beruf ist zu groß. Satzergänzungen Die Teilnehmer/innen ergänzen vorgegebene Satzanfänge als Themeneinstieg bzw. zur Sammlung von Meinungen und Argumenten, z.B.: n Ich möchte berufstätig sein, weil ... n Eine Frau kann Familie und Beruf schon miteinander verbinden, aber ... n Wenn eine Frau beides vereinbaren will, braucht sie ... n Wenn eine berufstätige Frau ein Kind bekommt, ... n Wenn ein berufstätiger Mann Vater wird, ... 2 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden Liebeshaus Ziele Zeit Übung B3-M2 Bewusstmachung persönlicher Vorstellungen über die private Beziehung 20 - 30 min Zeichnung, Kleingruppenarbeit Die Gruppe wird – sofern möglich - in geschlechtshomogene Kleingruppen geteilt. Dort sollen in einem ersten Schritt Begriffe gesammelt werden, die für die Teilnehmer/innen zu einer Partnerschaft gehören z.B.: Liebe, Treue, Kinder , Sexualität, gemeinsame Gespräche. Die Begriffe werden einzeln auf Karten geschrieben. Auf ein großes Stück Papier wird anschließend als Seitenaufriss ein Haus gezeichnet mit Dachstuhl, einzelnen Zimmern/ Etagen, Keller, Garten etc. Das Haus steht symbolisch für die private Beziehung. Die Gruppe soll gemeinsam die Karten in das Haus einkleben. Dabei versuchen sich die Teilnehmer/innen darauf zu einigen, wo die einzelnen Begriffe im Haus integriert werden. n Was ist das Fundament einer Beziehung? n Was gehört eher an den Rand, vielleicht in den Garten oder verschwindet durch den Schornstein? Auswertung n Was steht im Keller oder im Dachboden oder in der Tür zur Beziehung? usw. im Plenum: n Wie verlief der Prozess in den Kleingruppen? Gab es eine schnelle Einigung oder längere Diskussionen? n Wie unterscheiden sich die Zeichnungen von Frauen und Männern? Was ist daran aus der Erfahrung heraus „typisch“, was eher Klischee? Materialien Karten, Stifte, Wandzeitung (2 große Papiere) Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden 3 Familiennormen – Familienwandel Ziele Zeit Übung B3-M3 Bewusstmachung der Vorstellungen über aktuelle Familiennormen und Familienplanungen Förderung des Wissens über Situation und Wünsche von Frauen (und Männern) 20 - 30 min Quiz: Familienbilder heute Grundlage der Übung bilden Ergebnisse aus drei Umfragen. Die Teilnehmer/innen sollen die Ergebnisse (Prozentverteilungen) schätzen, um so ihr „Gefühl“ für aktuelle Familienbilder zu überprüfen. Es wird eine Overhead-Folie mit Fragen zu drei Themenbereichen in der Gesamtgruppe gezeigt: n Die Familie heute n Vorstellungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf n Familien- und Berufsplanung Auswertung In der Gesamtgruppe werden die prozentualen Verteilungen auf die Fragen geschätzt und auf der Overhead-Folie jeweils der höchste und der niedrigste Schätzwert eingetragen. Zu diesen Schätzungen sollen auch Begründungen abgegeben werden. Mit einer zweiten, darüber gelegten Overhead-Folie werden die „richtigen“ Ergebnisse aus verschiedenen Studien dargestellt und können mit denen des Seminars verglichen werden. n Worüber sind die Seminar Teilnehmer/innen am meisten überrascht? n Wo weichen Schätzungen stark von realen Zahlen ab? Wie ist das zu erklären? n (Erfahrung: Häufig wird die fortbestehende Bedeutung von Familie deutlich unterschätzt) n Wo stimmen die Zahlen ganz gut überein, stimmt die Einschätzung des Seminars? n Woher kommt diese gute Einschätzung? Im Anschluss können gut die Folgen aus diesen Wünschen für die Planung von Familie und Beruf diskutiert werden. Materialien Zwei Overhead-Folien: eine mit Fragen, zweite mit korrekten Zahlen. Aus Vorlage kopieren. Übung als Gruppenwettkampf; einzelne Gruppen sollen intern schon richVariante tige Lösung diskutieren. 4 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden Arbeitsblatt/ Folie 1 + 2 Familiennormen – Familienwandel B3-M3 Prozent Die Familie heute Wie viel % der Erwachsenen leben heute als ledige Singles? 81 Wie viel % aller Kinder wachsen bis zur Volljährigkeit bei beiden Eltern auf? 86 Wie viel % der Ehen in der Bundesrepublik werden geschieden? Wie viel % der Alleinerziehenden sind Väter? Um wie viel % sinkt das Einkommen der Frauen nach der Scheidung? Vorstellungen zur Vereinbarkeit von Familie & Beruf Wie viel % der „Elternzeitnehmer/innen“ sind Männer? 35 14 442 1–23 Wie viel % der unterhaltspflichtigen Väter zahlen keinen Pfennig für ihre Kinder? 334 Wie sehen Familien- und Berufsvorstellungen von 17-jährigen Frauen aus: 55 39 32 25 n Familie ist das Wichtigste n arbeiten ist das Wichtigste n beides soll gleichzeitig realisiert werden n erst Ausbildung, dann Familie, dann wieder Arbeit Wie wollen Frauen arbeiten, solange die Kinder klein sind: n Beruf aufgeben n Berufstätigkeit unterbrechen n in Teilzeit arbeiten n in Vollzeit arbeiten Wie viel % der Frauen unter 60 sind berufstätig? Familien- und Berufsplanung 2 51 40 8 606 Wie viel % der 15 und 24-Jährigen will eine Berufsausbildung abschließen? Und wie viel % von ihnen will später heiraten/Kinder bekommen? In welchem Alter bekommen Frauen ihr erstes Kind? n Hauptschülerinnen n Gymnasiastinnen Wie viel % aller Akademikerinnen bleiben kinderlos ? 957 958 22 Jahre9 26 Jahre 4010 BM für Familie, Senioren, Frauen u. Jugend (1997): Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik, a.i.F. UNi Bielefeld, 2000 (Männer 7%) 3 Bundesministerium a. a. O., auch im weiteren 4 Brigitte 10-2001 (rund 800 000) 5 Helferich et al. (2000): Frauenleben – Studie zu Lebensläufen und Familienplanung, auch im weiteren 6 Bundesministerium a. a. O., auch im weiteren 7 Helferich a. a. O. 8 Schröder (1995): Jugend u. Modernisierung. Strukturwandel d. Jugendphase u. Statuspassagen 9 Helferich a. a. O. 10 Brigitte a. a. O. 1 2 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden 5 Arbeitsblatt/ Referat Familiennormen – Familienwandel B3-M3 Die Familie im Wandel? Die Vorstellungen zu Elternschaft, Familie und Berufstätigkeit verändern sich beständig. Das heißt aber nicht, dass die Familie heute bedeutungslos geworden ist. Die überwältigende Mehrheit aller Bundesbürger wächst in einer so genannten Kernfamilie mit zwei Elternteilen auf, und die Mehrheit möchte und wird eine solche Familie auch selbst einmal gründen. Trotzdem gibt es auch Veränderungen: In den 60er Jahren haben noch viele Männer stolz verkündet:„Meine Frau hat es nicht nötig zu arbeiten“; bis Juni 1977 konnten sie sogar die Auflösung der Arbeitsverträge der Frau gerichtlich durchsetzen, wenn diese die haushaltlichen Pflichten vernachlässigte. Inzwischen haben Frauen bei der Schulbildung deutlich nachgezogen, durchschnittlich verfügen sie sogar über einen höheren Schulabschluss als die Männer. Dieses Wissen wollen sie auch in der Berufstätigkeit umsetzen. Gleichzeitig findet bei vielen Paaren ein Einstellungswandel statt: Auch der Mann sollte im Haushalt mitarbeiten, Kinderbetreuung muss nicht mehr alleine Frauenarbeit sein. Partnerschaften und Ehen werden heute nicht unbedingt mehr für das ganze Leben geschlossen: Ungefähr ein Drittel aller Ehen werden geschieden, viele Geschiedene verheiraten sich neu, andere wählen nichteheliche Partnerschaftsformen, erziehen ihre Kinder allein oder wählen etwas anderes. Außerdem ist der Lebensabschnitt, den Erwachsene mit Ehepartner und Kind verbringen, im Laufe des letzten Jahrhunderts immer kürzer im Verhältnis zur gesamten Lebensdauer geworden: Vor der Familiengründung steht häufig eine längere Ausbildungs- und Berufsphase; wenn die Kinder aus dem Haus sind, gehören viele Eltern noch lange nicht zum alten Eisen. Schließlich ist auch der Lebensabschnitt, in dem Frauen als Witwe leben, bedeutend länger geworden. Somit haben sich einerseits die Vorstellungen zur Berufstätigkeit von Frauen gewandelt, zum anderen aber auch die Notwendigkeit: Nur für die Familie zuständig zu sein, ist gerade für jüngere Frauen weder eine erfüllende persönliche Perspektive, noch eine sinnvolle wirtschaftliche Absicherung. 6 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden Vertauschte Rollen zu Hause11 Ziele Zeit Übung B3-M4 Einfühlung in die unterschiedlichen Belastungen von Frauen und Männern in der Haus- bzw. Familienarbeit 30–60 min Imagination Frauen und Männer wechseln die Geschlechterperspektive. Aufgabe: „Setzen Sie sich entspannt hin, schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, Sie wären ein Mann bzw. eine Frau. Sie leben in einer Beziehung. Es gibt Kinder. Stellen Sie sich vor, sie kommen von der Arbeit nach Hause, stehen vor der Wohnungstür ...“ Wie geht es weiter? n Was tun Sie als Erstes? n Was geschieht weiter? n Denken Sie an die vielen Dinge, die erledigt werden müssen. n Denken Sie an das Abendessen, wer hat eingekauft, wer bereitet das Essen vor, n deckt den Tisch, räumt ab, wäscht ab? n Wer kümmert sich im Haushalt um was? Auswertung n Wer versorgt die Kinder? Im Plenum im Anschluss an die Imagination n Wie haben Sie sich in der neuen Rolle als Frau oder Mann gefühlt? n Welche Rolle spielen kulturelle, nationale und religiöse Einflüsse? n Möchten Sie für sich selbst etwas verändern? n Welche Aufgaben würden Sie gerne anders verteilen? n vWas können/müssen Sie für diese Veränderungen tun? Materialien Wand/Tafel Wenn die Vorstellung einer eigenen zukünftigen Familie für die Variante Teilnehmer/innen (noch) zu fremd ist, können sie sich in vertauschten Rollen auch in ihre eigenen Eltern hineinversetzen nach Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (1997): Jetzt erst recht! Beruf und Familie für Frauen und Männer. Anregungen für die Bildungsarbeit, Soest. 11 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden 7 Traumkarrieren Ziele Zeit Übung B3-M5 Bewusstmachung und Reflexion beruflicher Lebensziele 30 min Einzelarbeit und Aufstellung In Einzelarbeit setzen sich die Teilnehmer/innen mit folgenden Fragen auseinander und notieren sich persönliche Stichworte. Anschließend werden sie gebeten, ihre eigene „Karriere“ räumlich aufzustellen mit Hilfe von Personen und Gegenständen. n Wie sieht das Ziel der Traumkarriere aus? n Was ist Ihnen besonders wichtig bei der Karriere? n Was müssen Sie tun, um dorthin zu kommen? n Welchen Preis müssen Sie dafür zahlen? Zunächst erklärt die/der Aufstellende sein Bild, anschließend können alle Ausweranderen Fragen stellen. tung Materialien Papier und Stifte für Notizen In – falls möglich - geschlechtshomogenen Gruppen visualisieren FrauVariante en und Männer ihre spezifischen Idealbilder einer weiblichen bzw. einer männlichen Traumkarriere im Beruf. 8 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden Vision-Air–Jobmodell 2013 Ziele Zeit Übung B3-M6 Entwicklung einer Vision „familienfreundliche Streitkraft“ 60 min Zukunftswerkstatt mit Kartenabfrage und Kleingruppenarbeit 1. Offene Kartenabfrage „Vereinbarkeitsprobleme“: n „Welche Probleme fallen Ihnen spontan ein bei der Vorstellung, Partnerschaft, Kindererziehung und Beruf miteinander zu verbinden?“ Sammlung der Antworten per Zuruf auf Karten; ordnen der Antworten nach Bereichen und Formulierung von Überschriften wie „Arbeitsplatz“, „Partner/in“, „Kinder“,„Haushalt“,„Freizeit“ etc.; ggf. Nutzung des Arbeitsblattes Vereinbarkeitsprobleme (15 min) 2. Kleingruppenarbeit und Plenum „Vision-Air“ Aufteilung der Gesamtgruppe in Kleingruppen entsprechend der Zahl der gefundenen Bereiche aus der Kartenabfrage, Sammlung realer und visionärer Lösungsmöglichkeiten in den einzelnen Gruppen, Präsentation der Ergebnisse in der Gesamtgruppe n Was ist heute schon möglich? n Was könnte zukünftig vielleicht möglich sein? Gemeinsames Punkten besonders „guter“ Ideen, nachfolgend Diskussion Auswervon Realisierungsmöglichkeiten und -schwierigkeiten (45 min) tung Materialien zwei Pinnwände, Flipcharts, Tafeln, Papier, Stifte, existierende ZDv/ Dienstvereinbarung, Broschüren „info zur sozialen Absicherung von Soldatinnen“ Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden 9 Arbeitsblatt Vereinbarkeitsprobleme B3-M6 Der Wunsch, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, führt bei Beschäftigten zu typischen immer wiederkehrenden Problemen, deren Ursachen folgende Aspekte sind:12 unflexible Arbeitszeiten 82% Stress durch Doppelbelastung 55% Unverständnis bei Vorgesetzten für Notfälle, z.B. Krankheit Kinder 54% fehlende Kinderbetreuung am Wohnort 46% fehlende Kinderbetreuung im Betrieb 49% Unverständnis/Neid der Kolleg/innen 20% 12 Quelle: Cosmopolitan (1998): Ergebnisse einer Umfrage auf der Frauenmesse „TOP 97“ in Düsseldorf 10 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden Hier fliegen die Fetzen Ziele Zeit Übung B3-M7 Auseinandersetzung mit den Hintergründen von Vereinbarkeitsproblemen und Entwicklung von Lösungsansätzen 30 – 45 min Kleingruppenarbeit, Rollenspiele Soldaten/innen mit Kindern erleben im Kontakt mit Vorgesetzten und Kameraden/innen immer wieder Schwierigkeiten. Setzen Sie sich mit den Hintergründen auseinander und entwickeln Sie Lösungsideen. (Austeilung Arbeitsblatt „Regeln für die Zusammenarbeit“ nächste Seite) Präsentation und Auswertung der Ergebnisse im Plenum Auswertung Materialien Arbeitsblatt, Papier und Stifte für Kleingruppen Kleingruppenarbeit oder Diskussion im Plenum Variante n Welche Probleme sind Ihnen schon begegnet, die Soldaten/innen mit Kindern haben, bei der Vereinbarung von Familie, Privatleben und Beruf? n Was sind die Hintergründe für das Problem? n Was kann wer tun, um das Problem zumindest zu verkleinern? Alternativ Behandlung der Fallbeispiele/ Arbeitsblatt Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden 11 Arbeitsblatt Hier fliegen die Fetzen B3-M7 Empfehlungen für die Zusammenarbeit?! Um familiäre Belange angemessen im Arbeitsablauf berücksichtigen zu können, ist es notwendig, diese im Kameraden/innen-Kreis anzusprechen. Die Privatsphäre der Kameraden/innen und ihre Entscheidung, über ihre familiären Belange nicht zu reden, ist zu respektieren. Es sind Möglichkeiten zu schaffen, um in familiären Belastungssituationen adäquat reagieren zu können und der Entstehung von Stress und Aggressionen entgegenzuwirken. Aushandlungsprozesse innerhalb der Arbeitsgruppe mit Vorgesetzten und Kameraden/innen sind zu ermöglichen. Klare Regeln und Kriterien legen die Art und den Umfang familiärer Rücksichtnahme fest. Gruppenaufgaben Gruppe A: Herr Müller hält den ganzen „Familienquatsch“ für absoluten Blödsinn. Die Kameraden/innen sollten mit ihren Partnern/innen zu Hause eine Lösung finden und nicht den Beruf mit privaten Dingen stören. Gruppe B: Die Kameraden/innen von Herrn Schmidt sind sauer: Das zweijährige Kind ist plötzlich erkrankt. Herr Schmidt muss nach Hause, weil auch die Tagesmutter mit erkrankt ist. Gruppe C: Frau Meier und Herr Thomas beklagen sich zunehmend über die auf Dauer ungerechte Bevorzugung von Kameraden/innen mit Kindern. Immer müssen sie darauf Rücksicht nehmen. Wenn aber auch sie auf Grund privater Interessen um Flexibilität der Kolleg/innen bitten, wird ihnen meist die kalte Schulter gezeigt. 12 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden Arbeitsblatt Hier fliegen die Fetzen B3-M7 Fallbeispiele Frau L Frau L ist Obergefreiter im Sanitätsdienst. Sie ist im 7. Monat schwanger und möchte nach der Geburt des Kindes zwei Jahre Elternzeit nehmen. Gleichzeitig möchte sie in Teilzeit weiterarbeiten (25 Stunden etwa), da sie sich zusammen mit ihrem Partner eine Eigentumswohnung gekauft hat. Obergefreiter (w) L kommt zu Ihnen als Vorgesetzter und bittet um Hilfe: 1. Was können Sie Frau L raten? 2. Wo bekommt sie genauere Informationen? 3. An wen muss sie sich wenden? Herr M Herr M ist Obermaat auf dem Zerstörer X. Seit sechs Wochen ist er auf Auslandeinsatz nach Djibouti unterwegs. Er hat sich in seine direkte Vorgesetzte Frau Bootsmann A verliebt. Auch sie fühlt sich von ihm angezogen. Vertrauensvoll wenden sie sich an den 1. Offizier. Sie möchte ihre Zuneigung zu einander nicht mehr verbergen. 1. Was können Sie Frau A und Herrn M sagen? 2. Wie gehen Sie mit der neuen Situation um, und was empfehlen? 3. Auf welche Paragrafen und Verordnungen stützen Sie sich? Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden 13 Stationen Ziele Zeit Übung B3-M8 Bewusstmachung und Reflexion beruflicher und privater Lebensziele 60 min Einzelarbeit n In Einzelarbeit legt jede/r Teilnehmer/in auf einem Blatt Papier einen wagerechten Zeitstrahl vom Ende der Schulzeit bis zum heutigen Tag an und markiert das Alter in Fünfjahresschritten. n Am linken Anfang des Zeitstrahls wird zusätzlich eine senkrechte Linie eingefügt und oben mit einem „+“- Zeichen, unten mit einem „-“-Zeichen versehen. n Anschließend zeichnet jede/r in dieses Diagramm eine Kurve, die den beruflichen Werdegang beschriebt, mit Hochs und Tiefs ab der Schule bis heute. Auswertung n Mit einer anderen Farbe soll danach eine zweite Kurve gezeichnet werden, die das Privat- und Familienleben widerspiegelt. Erst wenn beide Kurven erstellt sind, werden die Zusammenhänge in kleinen Gruppen zu zweit oder zu dritt analysiert. Wo war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geglückt? Wann musste ich mich entscheiden etc.? Eine abschließende Vorstellung im Plenum ist freiwillig. Materialien Papier und Stifte Ab dem „Heute“ kann auch in die Zukunft geblickt werden. Wie soll meiVariante ne Vereinbarkeit in Zukunft aussehen? 14 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden Rabenväter – Rabenmütter?! Ziele Zeit Übung B3-M9 Sensibilisierung für Konflikte zwischen Beruf und Familie, Stärkung des Selbstbewusstseins Entwicklung von Argumentationshilfen 30 min Ja/Nein-2-Ecken-Spiel In zwei Raumecken wird ein Schild „Ja/ Stimmt“ und ein Schild „Nein/ Stimmt nicht“ gehängt. Die Teilnehmer/innen werden mit Fragen konfrontiert und sollen sich für eine der Ecken entscheiden und sich dorthin begeben. n Ein Kleinkind wird wahrscheinlich darunter leiden, wenn die Mutter berufstätig ist. n Eine berufstätige Mutter kann ihrem Kind genauso viel Wärme und Sicherheit geben wie eine Mutter, die nicht arbeitet. n Ein Mann kann seinem Kind genauso viel Wärme und Sicherheit geben wie eine Frau. n Für Frauen gibt es nur die Möglichkeit, beruflich Karriere zu machen oder Kinder großzuziehen. n Frauen, die Kinder im Vorschulalter haben, sollten nicht arbeiten, es sei denn, es ist finanziell unbedingt notwendig. n Es schadet einem Kind, wenn es nicht durch die eigenen Eltern, sondern durch eine „fremde“ Person betreut wird. Die Teilnehmer/innen diskutieren aus ihren Ecken heraus miteinander und Auswerbegründen ihre Entscheidung im Plenum. tung Materialien vier Karten mit Statements Position/ Körperhaltung einnehmen Variante Die Teilnehmer/innen beziehen Position im Raum zwischen den beiden Ja-Nein-Polen und geben damit eine differenzierte „Jein“-Haltung wider. Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden 15 16 Partnerschaftlich handeln Baustein 3: Vereinbarkeit… – Methoden Baustein 4 Praxis Kommunikatives Handeln Inhalt Praxis Kommunikation Thema Körpersprache spiegeln zugewandte Kommunikation Vier Seiten der Kommunikation Aktives Zuhören Methodik Rollenspiele in Kleingruppen Situative Rollenspiele Kleingruppenarbeit Folie Rollenspiele Arbeitsblatt Unangenehme Anlie- Partnerarbeit + gen durchsetzen Kurzrollenspiele Sich wehren Kleingruppenarbeit Nein sagen Kurzrollenspiele Reframing Plenumsarbeit, Gruppenarbeit Kurzrollenspiele Titel Nr. Guten Kontakt finden B4-M1 Zugewandte Kommunikation Mit 4 Ohren hören und sprechen Aktives Zuhören. Gaanz einfach!? Sich durchsetzen Seite 2 B4-M2 3 B4-M3 4 B4-M4 6 B4-M5 9 Nein sagen bzw. B4-M6 Kompromisse finden Positiv umdeuten und B4-M7 perönlichen Angriffen begegnen 10 11 Beratung Thema Leitsätze und Leitfragen für Beratende Methodik Checkliste Beratungssituation aus Teilnehmersicht Beratungssituation aus BerantendenSicht Beratungsprozess Beratungsgespräche üben schwierige Situationen Kleingruppenarbeit Kleingruppenarbeit Checkliste Beratungsphasen Checkliste Rollenspiele Rollenspiele Titel 10 +1 Leitsätze und Leitfragen für Beratende Einfühlsam beraten I Nr. B4-M8 Seite 12 B4-M9 13 Einfühlsam beraten II B4-M10 13 Beratungsprozess Simulation eines Beratungsgesprächs Schwierige Situation im Beratungsprozess B4-M11 B4-M12 14 15 B4-M13 16 Titel Themenzentrierte Interaktion TZI-Regeln … Nr. B4-M14 Seite 17 B4-M15 18 Moderation Thema Themenzentrierte Interaktion TZI-Regeln + Lernerfolg Methodik Folie Checkliste Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden – Methoden 1 Guten Kontakt finden Ziele Zeit Übung B4-M1 Reflexion und Verbesserung des nonverbalen Gesprächsverhaltens 30 min Rollenspiele in Kleingruppen Es ist möglich, einen besseren Kontakt zu Gesprächspartner/innen aufzubauen, indem man versucht, sich bewusst an deren Verhalten anzupassen. Dies kann über „Spiegelung“, wie eine ähnliche Wortwahl, Gestik, Mimik, Körperhaltung etc. erreicht werden. Sammlung und Visualisierung konkreter Beispiele: 2. Durchlauf Auswertung Bilden von zwei Gruppen. Während sich Gruppe A im Raum verteilt, verlässt Gruppe B den Arbeitsraum. Gruppe B erhält den Auftrag sich eine/n Teilnehmer/in aus Gruppe A auszuwählen und ein Gespräch mit „gutem Kontakt“ zu führen. Dies geschieht über Spiegelung. Wird das Angleichen an die erzählende Person übertrieben, kann die gesamte Übung nicht mehr ernst genommen werden. Die Gruppe B soll versuchen, das Anpassen so zu gestalten, dass A nicht darauf aufmerksam wird. Nach einer Runde wird die Anweisung geändert. Die Gruppe B erhält die Anweisung, das Gespräch mit einem unerwarteten Verhalten zu stören. So könnten die Teilnehmer/innen der Gruppe B beispielsweise die Erzählung von A abrupt unterbrechen und dazu auffordern, ,,endlich zur Sache zu kommen“. Oder B vermeidet jeden Blickkontakt zu A, oder verschränkt die Arme vor der Brust und enthält sich jeder zustimmenden Äußerung. Zuerst berichtet Gruppe A, wie sie das Gesprächsverhalten der Teilnehmer/innen von Gruppe B empfunden hat und wie sich die einzelnen Gruppenmitglieder gefühlt haben. Danach berichten die Teilnehmer/ innen von Gruppe A, was sie getan haben, um sich anzugleichen. n Wie wurde der Kontakt aus den Gruppen A und B heraus beurteilt? n Was waren die Gründe für einen guten bzw. einen schlechten Kontakt? n Wann entstanden ,,seltsame“ oder unangenehme Situationen im Gesprächsverlauf? Materialien visualisierte Vorschläge für Gesprächsthemen Je nach Gruppenzusammensetzung ist es sinnvoll, die Themen mehr oder weniger direkt vorzugeben. 2 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden Zugewandte Kommunikation ?! Ziele Zeit Übung B4-M2 bewusste Wahrnehmung förderlichen und hinderlichen Kommunikationsverhaltens 30-60 min Zweiergruppen und Plenum 1.Teil Teilung der Gesamtgruppe. Während die eine Hälfte sich locker im Raum bewegt und wartet, wird die andere Hälfte instruiert. Ihre Aufgabe ist es, mit einer Teilnehmerin/ einem Teilnehmer der wartenden Gruppenhälfte ins Gespräch zu kommen und zu versuchen, sie möglichst unauffällig zu spiegeln. Dies kann über eine ähnliche Wortwahl, Gestik, Mimik, Körperhaltung etc. erreicht werden. Kurzauswertung im Plenum 2.Teil Auswertung Nun verlässt die andere Hälfte der Gruppe den Raum. Die neue Aufgabe besteht jetzt darin, ebenfalls in eine gelungene Kommunikation einzutreten, dann aber schlagartig Unterbrecher einzubauen. (Frontale Sitzposition, unangemessene Wortwahl, aggressive Widersprüche, ins Wort fallen, „nun komm endlich mal zur Sache bzw. zum Ende“, Vermeidung von Blickkontakt etc.) im Plenum Sammlung der Ergebnisse der ersten beiden Durchläufe auf der Wandzeitung und gemeinsame Ergänzung zu den Überschriften: n Signale, die zum Zuhören einladen n Signale, die die fehlende Bereitschaft anzeigen Ergebnis Es ist möglich, einen besseren Kontakt zu einem Gesprächspartner aufzubauen, indem man versucht, sich bewusst an dessen Verhalten anzupassen. Dies kann über eine ähnliche Wortwahl, Gestik, Mimik, Körperhaltung etc. erreicht werden. Materialien Wandzeitung Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden – Methoden 3 Mit 4 Ohren hören und sprechen Ziele Zeit Übung B4-M3 Bewusste Wahrnehmung und Nutzung der vier Seiten der Kommunikation 30 min Kleingruppenarbeit oder Plenum Die Teilnehmer/innen bilden ggf. Kleingruppen. Nach einer Kurzeinführung in die vier Seiten der Kommunikation werden einige Beispiele in die Sach-, Selbstkundgabe-, Beziehungs- und Appellseite aufgeschlüsselt und mögliche Antworten formuliert. n „Ich muss noch so viel machen. Ich weiß nicht , wie ich das alles schaffen soll.“ n „Du arbeitest zu viel. Wir haben überhaupt kein Privatleben mehr.“ n „Wenn das Telefon heute Vormittag noch einmal klingelt, platze ich.“ n „Wenn ich an meine Großmutter denke. Wie die geschuftet hat in ihrem Leben. Waschen per Hand usw. da bin ich froh, dass ich heute lebe.“ n „Der Müller ist schon wieder befördert worden, obwohl der erst ein Jahr hier arbeitet.“ Auswertung n „Ich möchte heute Abend nicht mitgehen. Ich will früh ins Bett.“ n Welche Antworten sind unterstützend? n Welche Antworten drücken fehlendes Einverständnis aus oder können sogar zu Missverständnissen und Konflikten führen? n Wie sollte Kommunikation „laufen“, damit sie störungsfrei funktioniert? Materialien vorbereitete Äußerungen 4 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden 4 Seiten der Kommunikation Sender/in Nachricht B4-M3 Empfänger/in Die Sach-Seite = Worüber ich informiere Die Selbstkunde-Seite = Was ich von mir selbst zeige Nachricht Die Appell-Seite = Wozu ich dich veranlassen möchte Die Beziehungs-Seite = Was ich von Dir halte und wie wir zueinander stehen Sender/in Nachricht Empfänger/in Feedback Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden – Methoden 5 Aktives Zuhören. Ganz einfach!? Ziele Zeit Übung B4-M4 Üben von „aktivem Zuhören“ in Beratungssituationen 30 min Rollenspiele in Kleingruppen Die Teilnehmer/innen bilden Dreiergruppen. In jeder Gruppe wird bestimmt, wer A, B oder C ist. A erzählt von einer konflikthaften Situation, die er/sie als emotional aufwühlend empfand. Z.B.: ,,Gestern habe ich extra Überstunden gemacht, um die Arbeit für meinen Chef fertig zu bekommen und heute erfahre ich, dass alles umsonst war." B versucht die Aussage von A knapp in eigene Worte zu fassen und dabei auf die Gefühle und die Information von A zu achten: Z.B.: ,,Du hast dich über den unklaren Arbeitsauftrag deines Chefs geärgert.“ A bestätigt B, dass er/sie sich von B verstanden fühlt. Sollte die Aussage von B nicht dem entsprechen, was A gesagt hat, korrigiert A und B versucht es noch einmal. Erst dann geht das Gespräch weiter. C beobachtet das Gespräch und teilt A und B am Ende seine Eindrücke mit. Auswertung Nach ca. fünf bis zehn Minuten wechseln die Teilnehmer/innen der Kleingruppe ihre Rollen. Die Erfahrungen der Kleingruppen werden anschließend im Plenum diskutiert. n Wie fühlten sich A und B? n Ist es B schwer gefallen, den Inhalt genau wiederzugeben? n Woran lag es? Anhand aufgetretener Schwierigkeiten wird versucht, gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. 6 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden Arbeitsblatt „Aktives Zuhören“ B4-M4 Akzeptanz Offen sein für die Meinungen, Einstellungen, Werturteile, Wünsche und Ziele des anderen, ohne innerlich bereits eine Antwort zu formulieren. Empathie Die Situation mit den Augen des/der Gesprächspartners/in sehen. Insbesondere die Gefühle des anderen wahrnehmen. Kongruenz Sich sensibel auf den anderen einstellen, ohne zu übertreiben und aufgesetzt zu wirken. Spiegeln Den anderen „spiegeln“ in der Körperhaltung, dem Gesichtsausdruck, in Lautstärke und Tonfall. Bestätigen, Ermutigen Ihn/sie ermutigen, die mit seinem/ihrem Problem zusammenhängenden Gefühle an sich heranzulassen, deutlicher wahrzunehmen und zu verbalisieren. Mit zustimmenden Lauten wie z.B. „ja“, „hm“, „genau“ oder konzentriertem Schweigen für einen guten Kontakt sorgen. Auf Zwischentöne achten. nach C.Rogers: Klientenzentrierte Gesprächsführung Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden – Methoden 7 Arbeitsblatt Übungssätze zum „Aktiven Zuhören“ B4-M4 „Ich habe mich heute über den Chef geärgert. Gestern hab ich den ganzen Abend Überstunden gemacht und heute ist alles umsonst.“ „Jetzt arbeite ich mit drei Frauen im Büro und immer wenn etwas Technisches anfällt, muss ich das klären oder wenn etwas Schweres zu heben ist, muss ich ran. Das regt mich total auf.“ „Jetzt arbeite ich mit drei Männern im Büro und habe das Gefühl, dass ich immer für die Raumatmosphäre, Kaffee kochen und Blumen gießen zuständig bin. Das regt mich total auf.“ „Immer wenn ich mich in meinem Job besonders engagiere, habe ich Streit zu Hause.“ „Immer Montag morgens kommen diese dummen Sprüche zum Wochenende.“ 8 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden Sich durchsetzen Ziele Zeit Übung B4-M5 Selbstsichere und gelassene Durchsetzung in schwierigen Situationen 20 min Partnerarbeit + Kurzrollenspiele Im Plenum werden Beispiele für Situationen gesammelt, in denen es schwer fällt, sich durchzusetzen und eine uneingelöste Vereinbarung einzufordern. Beispiel: Petra hat Klaus vor zwei Monaten 100 Euro geliehen. Er hat versprochen, sie ihr 14 Tage später zurückzugeben. Das ist nicht geschehen. Sie möchte das Geld zurückhaben. In Zweiergruppen werden Formulierungen gesucht, um das Anliegen ohne Umschweife anzusprechen, also direkt, präzise und in einer der Sache und dem Gegenüber angemessenen Form, die z.B. mit „Ich ...“ beginnt. Auswertung Im Plenum werden verschiedene gefundene Varianten kurz angespielt. n Welche Formulierungen führen am ehesten zum Erfolg? n Welche Strategie ist günstig? n Welche Sätze sind für die sprechende Person am „stimmigsten“? Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden – Methoden 9 Nein sagen bzw. Kompromisse finden Ziele Zeit Übung B4-M6 Einübung, in einer partnerschaftlichen Form Forderungen zu stellen und nein zu sagen 30 min Kleingruppenarbeit und Kurzrollenspiele im Plenum Im Plenum werden Beispiele für Situationen vorgestellt und ergänzt, in denen es den Auszubildenden schwer fällt, nein zu sagen, z.B. eine ungewollte Annäherung abzuwehren. Beispiel: Ihr Kamerad/ in bietet Ihnen an, Sie zukünftig jeden Abend mit seinem / ihrem Auto nach Hause zu bringen. Sie wollen das nicht. Er / Sie lässt nicht locker. Die Teilnehmer/innen bilden Gruppen zu jeweils 4-6 Personen. Jeweils die Hälfte nimmt die Rolle A der Auszubildenden und B des Gesprächsgegenübers ein. Im Wechselspiel wird ein Dialog entwickelt und Satz für Satz visualisiert. Aufgabe ist – je nach Ausgangssituation – eine klare Abwehr des Anliegens oder partnerschaftlich einen Kompromiss zu finden. Auswertung Die entwickelten Gesprächsverläufe werden exemplarisch im Plenum präsentiert.. n Welche Strategie ist günstig bzw. ungünstig? n Welche Formulierungen führen am ehesten zum Erfolg? Materialien vorbereitete Beispiele aus der Realität der Auszubildenden 10 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden Positiv umdeuten und persönlichen Angriffen begegnen Ziele Zeit Übung B4-M7 Einübung konstruktiver Verhaltensweisen im Umgang mit persönlichen Angriffen 30 – 45 min Plenumsarbeit, Gruppenarbeit, Kurzrollenspiele Sammlung im Plenum von diskriminierenden Beleidigungen, willkürlichen Angriffen und manipulativen Vorwürfe, z.B.: „Dumme Kuh! Wozu haben Frauen bloß ihren Kopf?“ „Männer, die flennen, sind schlimmer als Weiber.“ „Tragen Sie einen BH?“, „Sind Sie noch Jungfrau?“ „Zerbrechen Sie sich mal nicht ihren hübschen Kopf.“ „Wer will schon eine Emanze?“ „Guck dir mal diesen Arsch an.“ „Die/den würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen.“ „Sie denken doch ohnehin nur mit dem Schwanz.“ „Sie sind wahrscheinlich lesbisch, so zickig wie sie sind.“ „Der bräuchte nur eine richtige Frau, dann würde der schon wieder normal werden.“ n „Ihr nehmt uns doch nur die Arbeitsplätze weg.“ n „Ich lass‘ mir doch von einem Ausländer / einer Frau nichts sagen.“ n „Du musst dich nicht wundern, wenn dir einer hinten draufhaut bei den engen Hosen.“ n n n n n n n n n Auswahl eines typischen Beispiels. Entwicklung konkreter Reaktion auf den Ebenen: Rückzug, Abwehr und Gegenangriff Vorstellung der Nebeltaktik und des positiv Umdeutens („Reframing“) Entwicklung einer Antwort auf das o.g. Beispiel anhand der neuen Strategien 2. Durchlauf Auswertung Kurzanspiel aller 5 Strategien mit 2 Personen A und B im Plenum Aufteilung der Teilnehmer/innen in zwei Gruppen. Entwicklung möglicher Antworten auf ca. jeweils 5 Beispiele aus der anfänglichen Sammlung in den zwei Gruppen. Anschließende wechselseitige praktische Erprobung der gefundenen Antworten im Plenum. A aus Gruppe X verbalisiert ein Beispiel. B aus Gruppe Y antwortet. n Wie haben sich A und B auf Grund der unterschiedlichen verbalen Antworten gefühlt? n Welche bevorzugen A und B aus welchen Motiven? Materialien vorbereitetes Einstiegsbeispiel für die Zielgruppe, Papier für Kleingruppen Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden – Methoden 11 Checkliste 10 + 1 Leitsätze und Leitfragen für Beratende B4-M8 (nach Kurt Ludewig)1 Leitsätze Leifragen 1. Definiere dich als Berater/Beraterin! 1. Übernehme ich Verantwortung als Berater/in 2. Sieh dich positiv 2. Stehe ich zu meinen Möglichkeiten? 3. Orientier dich am Ratsuchenden 3. Gehe ich von meinem Ratsuchenden aus? 4. Werte positiv! 4. Suche ich nach Positivem? 5. Beschränke dich! 5. Konzentiere ich mich auf das Nötigste? 6. Sei bescheiden! 6. Erkenne ich Lösungen als Leistungen an? 7. Bleibe beweglich! 7. Wechsle ich meine Perspektive? 8. Frage konstruktiv 8. Stelle ich Fragen, die weiterführen? 9. Interveniere sparsam! 9. „Verstöre“ ich behutsam? 10. Beende rechtzeitig! 10. Kann ich schon beenden? +1. Befolge nie blind Leitsätze! +1. Habe ich mich im Rahmen dieses Beratungs-Kontextes bezogen Aue, M., Bader, B., Lühmann, J. (1994): Berater- und Betreuerausbildung im AIDS-Bereich – Ein Handbuch mit Übungen. Berlin 1 12 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden Einfühlsam beraten I Ziele Zeit Übung B4-M9 Einstimmung auf eine Beratungssituation aus der Teilnehmer/innensicht 45 min Kleingruppenarbeit à 3-5 Personen Stellen Sie sich vor, Sie wären „einfache/r“ Soldat/in. Sie haben ein Problem im Bereich „Vereinbarkeit des Arbeits- und des Privatbereichs“ oder im „partnerschaftlichen Verhalten am Arbeitsplatz“, bei dem Sie Unterstützung und Hilfe bräuchten. Und zwar von Ihnen selbst in Ihrer realen Berufsrolle. n Wie sieht dieses Problem aus? n Wie geht es Ihnen gefühlsmäßig? n Was wünschen Sie sich von ihrem zukünftigen Berater? n Und was soll auf keinen Fall passieren? Die Ergebnisse der Kleingruppen werden anschließend im Plenum diskuAuswertiert tung Materialien vorbereitete Beispiele aus der Realität der Auszubildenden Einfühlsam beraten II Ziele Zeit Übung B4-M10 Einstimmung auf eine Beratungssituation aus der Berater/innensicht 45 min Kleingruppenarbeit à 3-5 Personen Stellen Sie sich vor, ein/e „einfache/r“ Soldat/in würde Sie morgen um ein Beratungsgespräch zu einem Problem im Bereich „Vereinbarkeit des Arbeits- und Privatbereichs“ oder im „partnerschaftlichen Verhalten am Arbeitsplatz“ bitten. Bereiten Sie sich bitte auf das Gespräch vor. n Worin sehen Sie ihre Aufgabe? n Wo führen Sie das Gespräch? n Wie beginnen Sie? n Wie gehen Sie weiter vor? Die Ergebnisse der Kleingruppen werden anschließend im Plenum diskuAuswertiert tung Materialien Aufgabenstellung Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden – Methoden 13 Checkliste 5 Phasen eines Beratungsprozesses2 B4-M11 Kontaktaufnahme Setting: z. B. Raumgröße, Einrichtungszusammenstellung und -anordnung, Uhrzeit, Zeitdauer usw. Begrüßung Problemfindung Was ist wann passiert? Warum sind Sie hier? Auftragsklärung Was kann ich für Sie tun? Was erwarten Sie von mir? Zielformulierung Was soll erreicht werden? Lösungsstrategien, z.B. Was ist bereits versucht worden? Was könnte unternommen werden? Bewertung und Auswahl der Vorgehensweise, z.B. Was bedeutet das für Ihre Person? Ist das realistisch umsetzbar, ist es ökonomisch in Ihren Alltag integrierbar? 1. Schritt z. B.: Was wollen Sie als Erstes tun? 2. ... 3. ... 4.... 5. ... 6.... Rückmeldung und Erfolgskontrolle, z.B. Ist das Ziel erreicht worden? Hat sich etwas geändert? Aue, M., u.a.: a. a. O. Nach: Goldfried, M.R., D‘Zurilla, T.J. (1971): problem solving and behavior modification. In: Journal of Abnormal Psychology 78, S. 107–126 2 14 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden Simulation eines Beratungsgespräches B4-M12 Ziele Zeit Übung Einübung effektiver und unterstützender Verhaltensweisen 60 min Gruppenarbeit und Rollenspiele Schritt 1: Sammlung verschiedener möglicher Problemsituationen im Bereich „Vereinbarkeit des Arbeits- und des Privatbereichs“ oder im „partnerschaftlichen Verhalten am Arbeitsplatz“ im Plenum an einer Pinwand Schritt 2: Aufteilung der Teilnehmer/innen in zwei Soldaten/innen- und eine Berater/innengruppe Aufgabenstellung Soldaten/innen: Wählen Sie (je) ein Probleme aus und konkretisieren Sie es: n Wie geht es Ihnen gefühlsmäßig? n Was wünschen Sie sich von ihrem zukünftigen Berater? n Und was soll auf keinen Fall passieren? Aufgabenstellung Berater/innen: n Worin sehen Sie ihre Aufgabe? n Wo führen Sie das Gespräch? n Wie beginnen Sie? n Wie gehen Sie weiter vor? Suche nach jeweils zwei freiwilligen Rollenspieler/innen, die die Probleme in zwei simulierten Beratungsgesprächen üben wollen. Auswertung Schritt 3: Anspielen der Situationen n Wie fühlten sich die Protagonisten (verstanden, gut aufgehoben, unterstützt)? n Welche Unterstützung haben die Ratsuchenden bekommen? n Wie sind beide mit dem Verlauf des Gespräches zufrieden und den Ergebnissen? n Welche Unsicherheiten tauchten auf? n Welche Verbesserungsmöglichkeiten oder Alternativen sind möglich? Bei Bedarf könnte das Gespräch wiederholt werden. Materialien Aufgabenstellungen, Papier Individuelle Rollenspiele in 3-4er-Gruppen mit einschließlich 1-2 Variante Beobachter/innen Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden – Methoden 15 Schwierige Situationen im Beratungsprozess Ziele Zeit Übung B4-M13 Erarbeitung situationsspezifischer Lösungsmöglichkeiten 60 min Rollenspiele Schritt 1: Sammlung schwieriger Situationen aus Sicht der Teilnehmer/ innen Beispiele für schwierige Situationen: a) im Gesprächsverlauf n Der Ratsuchende schweigt n ist einsilbig, zeigt Unsicherheit n redet ständig und sehr schnell n wechselt von Problem zu Problem n spricht nur über Vergangenes b) beim Ratsuchenden n Der Ratsuchende erwartet Tipps und Ratschläge n glaubt nicht, dass ihm geholfen werden kann n reagiert aggressiv auf den Berater n bleibt plötzlich weg n hat einen „Gefühlsausbruch“ c) beim Beratenden n Der Beratende findet den Ratsuchenden unsympathisch n hat persönlich ganz andere Werte n hat einen schlechten Tag n ist persönlich auch von dem Problem betroffen n fühlt sich überfordert Schritt 2: Suche nach freiwilligen Rollenspieler/innen, die die Lösung für selbst ausgewählte Problemsituationen in Beratungsgesprächen simulieren wollen: ein Beratender und ein Ratsuchender je Problem Schritt 3: individuelle Vorbereitung auf das Rollenspiel Auswertung Schritt 4: Anspielen der ausgewählten Situationen n Worin bestand die Störung? Wie wurde sie wahrgenommen, bewusst gemacht, thematisiert und aufgelöst? n Welche Schwierigkeiten tauchten auf? n Welche Alternativen wären denkbar Materialien Beispielsituationen, Papier Kleingruppen, die parallel zeitgleich Situationen spielen und auswerten Variante 16 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden Folie Die Themenzentrierte Interaktion Umfeld B4-M14 Thema Gruppe Gruppenmitglied Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden – Methoden 17 Arbeitsblatt/ Folie TZI-Regeln B4-M15 Es soll immer nur eine Person zur gleichen Zeit sprechen. Sage „ich“, vermeide „man“ oder „wir“. Erzähle deine eigenen Reaktionen, interpretiere nicht andere. Sei ehrlich. Sei für dich verantwortlich. (Sag, was für dich zutrifft und achte auf deine Grenzen.) Störungen haben Vorrang, denn sie können „das Salz in der Suppe“ sein. 18 Partnerschaftlich handeln Baustein 4: Kommunikatives Handeln – Methoden