Powered by Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustriebw.de/de/fachbeitrag/pm/warum-kinder-nicht-mehrwachsen/ Warum Kinder nicht mehr wachsen Heidelberger Wissenschaftler haben einen neuen genetischen Mechanismus bei der Entwicklung von Kleinwuchs entdeckt. Nicht nur ein bestimmtes Gen mit dem Namen SHOX, sondern seine regulierenden Gene spielen dabei eine wichtige Rolle. Bei den RegulatorGenen handelt es sich um Abschnitte des Erbmaterials auf dem X- oder Y-Chromosom, die das SHOX- Gen regulieren, d.h. bestimmen, wie häufig es abgeschrieben und damit wirksam wird. In vielen Fällen reicht bereits die Veränderung einer Regulatorsequenz des SHOX-Gens aus, um das volle Krankheitsbild entstehen zu lassen. Die Wissenschaftler um Professor Gudrun Rappold, Direktorin der Abteilung Molekulare Humangenetik, Universitätsklinikum Heidelberg, haben die Ergebnisse ihrer Untersuchung bei fast 900 kleinwüchsigen Menschen im "Journal of Medical Genetics" veröffentlicht. Diese könnten neue Möglichkeiten eröffnen, die Ursache eines Minderwuchses zu diagnostizieren und eine Therapie rechtzeitig einzuleiten. Das sogenannte SHOX- Gen (short stature homeobox-Gen) ist für das Längenwachstum der Knochen verantwortlich und bei kleinwüchsigen Patienten häufig verändert. Als kleinwüchsig werden Patienten bezeichnet, die nach Abschluss des Wachstums nicht größer als 160 cm (Männer) oder 150 cm (Frauen) werden. Die Ursachen sind vielfältig, z. B. Hormonstörungen, Mangelernährung, chronische Krankheiten oder eine genetische Störung. Treten neben dem Kleinwuchs noch andere charakteristische Krankheitsmerkmale auf, z. B. kurze Unterarme und Unterschenkel oder andere Knochenfehlbildungen, so spricht man von einem Syndrom. Oft lässt sich aber keine genaue Ursache feststellen und andere typische Merkmale fehlen: Dann handelt es sich um einen idiopathischen Kleinwuchs. SHOX-Gen Mutation häufig Ursache für Kleinwuchs Die Arbeitsgruppe um Professor Rappold hat bereits 2007 festgestellt, dass bei über vier Prozent der Kinder mit idiopathischem Kleinwuchs der Auslöser für die Erkrankung eine Veränderung (Mutation ) im SHOX- Gen ist. Dieses Gen liegt auf dem X- Chromosom und ist für das Wachstum in den Knochenfugen verantwortlich. In den Fugen wachsen die Röhrenknochen der Arme und Beine in die Länge. Nach der Pubertät schließen sich die Wachstumsfugen. Ist das SHOX-Gen verändert, erreichen die Patienten eine Körpergröße bis zu 20 cm unterhalb der zu erwartenden Größe. Bis etwa 15 cm können wieder aufgeholt werden, wenn die Erkrankung frühzeitig erkannt und mit Wachstumshormon behandelt wird. Auch bei verschiedenen 1 Prof. Dr. rer. nat. Gudrun Rappold, Direktorin der Abteilung Molekulare Humangenetik, Institut für Humangenetik © Universitätsklinikum Heidelberg Syndromen mit Wachstumsstörungen (Léri-Weill-, Langer-, Ullrich Turner-Syndrom) ist das SHOX-Gen betroffen. Erbmaterial von 893 Personen mit Minderwuchs untersucht Die neuesten Untersuchungen der Wissenschaftler zeigen, dass nicht nur das Gen an sich, sondern auch dessen Regulatoren ausschlaggebend sein können für die Krankheitsentstehung. Regulatorsequenzen sorgen dafür, dass das entsprechende Gen verstärkt oder vermindert kopiert und somit unterschiedlich stark wirksam wird. Die Heidelberger Wissenschaftler untersuchten das Erbmaterial von insgesamt 893 Testpersonen. Etwa fünf Prozent der Patienten mit idiopathischem Kleinwuchs und 80 Prozent der Patienten mit einem Léri-Weill-Syndrom hatten Mutationen in der Region um das SHOXGen. Bei diesen Patienten fanden sich bei intaktem SHOX-Gen unerwartet viele Mutationen in dessen Verstärker-Sequenzen: Bei 26 Prozent der Patienten mit idiopathischem Kleinwuchs und bei 45 Prozent der Patienten mit Léri-Weill-Syndrom war die Erkrankung allein auf eine genetische Veränderung der Verstärker-Sequenz zurückzuführen. "Das Erstaunliche ist, dass diese Verstärker- Mutation von dem beeinflussten Gen sehr weit entfernt liegt und trotzdem genau das gleiche klinische Bild erzeugt wie eine Veränderung in dem Gen selbst", sagt Professor Rappold. Behandlung mit Wachstumshormon Gene, die für Wachstum und Entwicklung zuständig sind, werden phasenweise mal mehr und mal weniger häufig benötigt. Gerade bei diesen Genen können veränderte Regulatorsequenzen die entscheidende Komponente für eine Erkrankung darstellen. Die Wissenschaftler erhoffen sich von ihren Ergebnissen, dass sie damit die Krankheitsursachen besser verstehen und die diagnostischen Möglichkeiten für Patienten mit SHOX-Gen-Mutationen optimieren können. "Patienten, die unter ihrer geringen Körpergröße leiden, haben häufig ein großes Bedürfnis, eine Ursache benennen zu können. Auch wenn eine ursächliche Therapie oft nicht möglich ist, können Patienten mit Veränderungen im SHOX-Gen von einer symptomatischen Behandlung mit Wachstumshormon profitieren", erklärt Professor Rappold. 2 Pressemitteilung 14.08.2009 Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg 11.08.09 Weitere Informationen Literatur:Jianjun Chen, Gabriele Wildhardt, Zilin Zhong, Ralph Roeth, Birgit Weiss, Daniela Steinberger, Jochen Decker, Werner F Blum, Gudrun A Rappold. Enhancer mutations of the SHOX gene as a frequent cause of short stature - the essential role of a 250 kb downstream regulatory domain, Journal of Medical Genetics, published online 2 Jul 2009.Doi:10.1136/jmg.2009.067785 n:Professor Gudrun A. Rappold, PhDAbteilung für Molekulare HumangenetikUniversitätsklinikum HeidelbergIm Neuenheimer Feld 36669120 HeidelbergTel.: 06221 / 56 50 59 oder 50 66 oder 50 68Fax: 06221 / 56 51 55E-Mail: gudrun_rappold(at)med.uni-heidelberg.de 3