3.3. Element-Nukleosynthese in der kosmischen Küche

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3.3. Element-Nukleosynthese in der kosmischen Küche
Die Astronomie wird oft als Teilgebiet der Physik betrachtet und somit Astrophysik genant. Aber es gibt noch weitere
Arbeitsbereiche, bei denen die Astronomie an andere Wissenschaften angrenzt wie z.B. die Chemie (Astrochemie), die Biologie
(Astrobiologie) und natürlich auch an die Informatik (Computersimulationen und statistische Analysen). Das astronomische
Forschungsgebiet der alten Sterne ist eng mit den chemischen Elementen und ihrer Entstehung verbunden. Allerdings nicht so
sehr mit den Eigenschaften der Elemente, sondern eher mit der Kernchemie und dadurch auch mit der Kernphysik, da die
physikalischen Vorgänge rund um die Atomkerne von großem Interesse sind. Astronomen, die speziell mit Sternen und deren
chemischer Zusammensetzung arbeiten, werden so zu Experten für die Entstehungsprozesse der Elemente. Sie beschäftigen sich
dabei mit den Atomen und deren Eigenschaften, um ihren Ursprung zu erforschen. Zusammengefasst wird dieses Gebiet oft als
nukleare Astrophysik bezeichnet.
Bei der Erforschung der Elemente wird uns von nun an das Periodensystem der Elemente auf unserer kosmischen Reise ein
ständiger Begleiter sein. Auch ich habe in meinem Büro das Periodensystem als Platzdeckchen unter meiner Tastatur liegen. Ab
und zu muss ich mal schnell nachschauen, welche Kernladungszahl denn z.B. Thulium, ja genau, Thulium, nun genau hat. 67?
68? 69? Ah, 69 natürlich! Wie konnte ich das nur vergessen?!?
Ein Blick auf des Periodensystems in Abbildung 3.4 zeigt, wie geschickt und aufschlussreich es aufgebaut ist. Jedes Element
hat seinen Namen, welcher meistens in abgekürzter Form in dem jeweiligen kleinen Kästchen angegeben ist. Weiterhin werden
die Kernladungszahl und das Atomgewicht angegeben. Die Kernladungszahl, auch Ordnungszahl genannt, gibt an, wie viele
Protonen ein Atom dieses Elements hat. Jedes Atom setzt sich nämlich aus drei verschiedenartigen Teilchen zusammen:
Protonen, Neutronen und Elektronen. Protonen und Neutronen machen den Kern eines Atoms aus, während sich die Elektronen
in der Umgebung der Atomkerne bewegen. Um die positive Ladung eines Protons auszugleichen, hat ein Atom genauso viele
negativ geladene Elektronen wie Protonen.
Abb. 3.4 : Das Periodensystem der Elemente.
Einige Beispiele für Atomkerne sind in Abbildung 3.5 dargestellt. Das Atomgewicht (oder auch die Massenzahl) gibt dann das
Gesamtgewicht aus Protonen, Neutronen und Elektronen an. Elektronen wiegen aber im Vergleich zu Protonen und Neutronen
nur extrem wenig und tragen daher zum Atomgewicht nur geringfügig bei. Das Wasserstoffatom ist das leichteste Atom und hat nur
ein Proton in seinem Kern. Somit ist ein Proton zugleich ein ionisiertes Wasserstoffatom. Wenn der Astronom von einem
ionisierten Atom spricht, dann meint er, dass das Atom eines oder mehrere Elektronen aus seiner Hülle verloren hat. Da
Wasserstoff nur ein einziges Elektron besitzt, bleibt im Fall einer Ionisation nur das Proton übrig. Dieses Elektron könnte z.B. von
einem Photon mit genügend hoher Energie herausgeschlagen worden sein.
Abb. 3.5 : Atomkerne verschiedener Elemente. Wasserstoff (H), Helium (He) und Lithium (Li) stammen aus dem Urknall. Kohlenstoff (C), Magnesium (Mg), Kalzium
(Ca) und Eisen (Fe) wurden erst später in Sternen synthetisiert.
Helium hat zwei Protonen, Lithium hat drei Protonen und so weiter. Die Anzahl der Protonen eines Atomkerns bestimmt also, um
welches Element es sich handelt. Wasserstoff hat die Kernladungszahl 1, Helium 2 und Lithium 3. Das Periodensystem der
Elemente ordnet alle chemischen Elemente nach der Anzahl ihrer Protonen, also nach ihrer Kernladungszahl. Daher auch der
Name Ordnungszahl. Ein »Element« ist somit nur der Namensgeber für einen Atomkern mit einer ganz bestimmten Anzahl von
Protonen und Neutronen. »Leichte« Elemente, also Atome, die nur aus wenigen Protonen und Neutronen bestehen, befinden sich
im oberen Teil des Periodensystems. Protonen- und neutronenreichere, »schwerere« Elemente sind im unteren Teil anzutreffen.
In der Chemie interessiert man sich mehr für die stofflichen Eigenschaften der Elemente und Elementgruppen. So machen die
Elemente einer Spalte im Periodensystem eine Gruppe aus. Alle Elemente einer Gruppe haben ähnliche chemische
Eigenschaften, da die äußerste Schale ihrer Elektronenhüllen dieselbe Anzahl Elektronenhüllen besitzt. Die in einer Reihe
nebeneinanderstehenden Elemente werden Perioden genannt. Sie sind für die nukleare Astrophysik besonders interessant und
für die Entstehungsgeschichte der einzelnen Elemente ausschlaggebend. Denn ähnlich schwere Atome werden im gleichen oder
in ähnlichen nukleosynthetischen Prozessen in Sternen und deren Explosionen erzeugt. Einige bestimmte Elementgruppen, mit
denen Astronomen in diesem Zusammenhang immer wieder arbeiten, sind in Tabelle 3.2 aufgelistet.
Wie läuft nun die Elementsynthese im Detail ab? Da ist zunächst ein Blick in die innere Struktur und Energieerzeugung eines
Sterns hilfreich. Denn vereinfacht gesehen ist ein Stern ein riesiges, kugelförmiges Objekt im All, welches aus heißem, ionisiertem
Gas, also einem Plasma, besteht. Die Sonne ist ein gutes Beispiel für einen typischen Stern, anhand dessen die diversen
Vorgänge bei der Elementproduktion erläutert werden können.
Um überhaupt über längere Zeit existieren zu können, muss sich ein Stern im Gleichgewicht befinden: Die Schwerkraft, die die
Materie zum Zentrum hin zieht, und die Druckkraft des heißen Sterngases, die das Gas auseinander treibt, müssen sich die
Waage halten. Abbildung 3.6 stellt diesen ständigen Wettstreit der Kräfte dar. Ein Stern, bei dem dieses Gleichgewicht gestört ist,
stürzt entweder in sich zusammen oder fliegt auseinander.
Tabelle 3.2 : Wichtige Elementgruppen in der nuklearen Astrophysik
Elementgruppe
Elemente und Ordnungszahlen
Entstehungsort
CNO-Elemente
C ( 6), N (7), O (8)
Riesensterne
α-Elemente
Mg ( 12), Si (14), Ca (20), Ti (22)
Letzte Stadien während der Sternentwicklung
Eisengruppenelemente
Sc ( 21), V (23) – Zn (30)
Während der Sternentwicklung und der Supernovaexplosion
Neutroneneinfangelemente
s-Prozess in weit entwickelten Riesensternen und r-Prozess in Supernovaexplosionen
– leicht
Sr ( 38) – Sn (50)
– schwer
Ba ( 56) – U (92)
Abb. 3.6 : Bei einem Stern müssen sich die nach außen gerichtete Druckkraft und die nach innen gerichtete Gravitationskraft die Waage halten. Nur so bleibt der
Stern im Gleichgewicht und stürzt weder zusammen, noch fliegt er auseinander.
An seiner Oberfläche strahlt der Stern jedoch jede Menge Energie in das Universum ab. Wenn der Stern diese verlorene Energie
nicht ständig ersetzen könnte, würde dies zu einer Abkühlung des Gases und somit zu einem Druckverlust führen. Der Stern
würde kollabieren. Als Energiequelle verwendet der Stern die Kernreaktionen, die in seinem Inneren ablaufen. Bei einer
Kernfusion treffen zwei positiv geladene Atomkerne mit hoher Geschwindigkeit aufeinander und bilden einen neuen, schwereren
Atomkern. Da sich aber zwei positiv geladene Protonen voneinander abstoßen, muss bei diesem Prozess diese elektrische
Abstoßung erst einmal überwunden werden, bevor die auf kurzen Entfernungen stark anziehende Kernkraft wirken kann. Nur dann
können sich die Protonen vereinen.
Die für die Kernfusion benötigten Temperaturen entstehen im Sternzentrum durch die Kompression des Gases unter seiner
eigenen Schwerkraft. Für eine Wasserstofffusion werden etwa 10 Milliarden Grad benötigt – nur dann kann diese Barriere
überwunden werden. Das Zentrum der Sonne ist aber nur etwa 10 Millionen Grad heiß. Wie kann die Fusion dort trotzdem
stattfinden? Dank des quantenmechanischen Tunneleffekts kann ein winziger Bruchteil aller Protonen die Barriere auch bei
diesen »kühleren« Temperaturen durchtunneln. So verschmelzen genügend Protonen miteinander und gewinnen ausreichend
Energie, um die Sonne leuchten zu lassen.
Aber woher kommt die Energie bei der Kernfusion letztlich? Hier liefert Albert Einsteins berühmte Gleichung E = mc2 die
Antwort. Die Kernkraft bindet die vier Teilchen eines Heliumkerns sehr stark aneinander. Diese Kraft ist so stark, dass ein
Heliumkern leichter als vier einzelne Protonen zusammen ist. Verglichen mit den vier einzelnen Protonen »fehlt« ca. 0,7% der
Masse. Diesem anscheinend winzigen Massendefizit (auch Massendefekt genannt) entspricht nach E = mc2 eine Energie, die bei
jeder dieser Kernreaktionen freigesetzt wird. Dies ist die Energiequelle der Sonne.
Angenommen, die Sonne würde zu 100% aus Wasserstoff bestehen, und hiervon würden 10% zu Helium fusionieren. Dann
würden also 0,7% der 10% Wasserstoff in Energie umgewandelt: Dies entspricht etwa 1044 Joule. Diese Menge an Energie würde
der Sonne reichen, um für insgesamt etwa 10 Milliarden Jahre zu scheinen. Die Sonne ist jedoch erst rund 4,6 Milliarden Jahren
alt. Sie hat seitdem also noch nicht mal ein Promille ihrer gesamten Masse in Energie umgewandelt. Und das, obwohl sie in jeder
Sekunde 4,2 Millionen Tonnen Materie in Strahlung verwandelt. Nur aufgrund all dieser Vorgänge können wir nachts am Himmel
die Sterne der Milchstraße überhaupt sehen.
Nach den Arbeiten von Carl Friedrich von Weizsäcker und Hans Bethe um 1939 gibt es zwei Arten, wie Wasserstoff zu Helium
fusioniert werden kann: durch die sogenannte Proton-Proton-Kette (p-p-Kette) und den Kohlenstoff(-Sauerstoff-Stickstoff)-Zyklus
(CNO-Zyklus). Je nachdem, wie heiß ein Stern ist und wie viel Energie als Gegendruck gegen die Schwerkraft benötigt wird,
dominiert einer der beiden Prozesse die Wasserstofffusion. Da unsere Sonne in ihrem Zentrum nicht so heiß wie andere,
massereichere Sterne wird, fusioniert sie ihren Wasserstoff hauptsächlich über die p-p-Kette zu Helium.
Tabelle 3.3 : Überblick über Elementarteilchen
Teilchen
Kommentar
Protonen
Positiv geladenes Kernteilchen
Neutronen
Ungeladenes Kernteilchen
Elektronen
Negativ geladenes leichtes Elementarteilchen, das in der Hülle von Atomen vorkommt
Positronen
Positiv geladenes leichtes Elementarteilchen, mit bis auf die Ladung gleichen Eigenschaften wie das Elektron (Antimaterieteilchen des
Elektrons); wird bei einem radioaktiven β +-Zerfall freigesetzt
Neutrinos
Nahezu masseloses, ungeladenes Elementarteilchen, das bei radioaktiven β-Zerfällen freigesetzt wird
Photonen
Lichtteilchen
Wie in den Teilschritten in Abbildung 3.7 dargestellt ist, verbinden sich bei dieser Reaktion zunächst zwei Protonen zu einem
Deuteriumkern, also zu schwerem Wasserstoff. Eines dieser beiden Protonen wandelt sich beim sogenannten inversen β-Zerfall
spontan in ein Neutron um und setzt dann ein Positron und ein Neutrino frei. Tabelle 3.3 beschreibt die diversen Teilchen, die an
der Nukleosynthese beteiligt sind.
Abb. 3.7 : In der Proton-Proton-Kette werden zwei Wasserstoffatome in drei Schritten zu einem Heliumkern fusioniert. Dabei wird Energie freigesetzt.
Der neu entstandene Deuteriumkern besteht aus einem Proton und einem Neutron. Trifft dann ein solcher Kern wieder auf ein
Proton, verschmelzen sie zu einem Heliumisotop (3 He), das Energie in Form von hochenergetischen Photonen als γ-Strahlung
aussendet.
Das entstandene 3He-Isotop besteht aus zwei Protonen und nur einem Neutron, d.h., die Kernladungszahl ist dieselbe wie die
des regulären Heliumatoms (4He), welches aus zwei Protonen und zwei Neutronen zusammengesetzt wird. Die Massenzahl von
3
He ist jedoch um 1 niedriger. Wenn zwei 3He-Kerne ihrerseits wieder aufeinandertreffen, verbinden sie sich zu einem 4He-Atom.
Die zwei übrigen Wasserstoffkerne werden bei dieser Kernreaktion wieder freigesetzt, so dass sie erneut für die Wasserstofffusion
zur Verfügung stehen.
Im Gegensatz zur p-p-Kette müssen für den CNO-Zyklus wenigstens kleine Mengen an Kohlenstoff im Stern vorhanden sein,
weil Kohlenstoffkerne als Katalysatoren gebraucht werden. Dieser »Anfangs-Kohlenstoff« kommt gewöhnlicherweise direkt aus
der Geburtsgaswolke und ist über den ganzen Stern hin verteilt. Um den in Abbildung 3.8 dargestellten CNO-Zyklus zu starten,
werden im Sterninneren dann Temperaturen von ca. 30 Millionen Grad Kelvin benötigt.
In einer ersten Reaktion fusioniert ein Wasserstoffkern mit einem Kohlenstoffkern (12C) zu einem Stickstoffkern (13N). Da diese
Art des Stickstoffs radioaktiv ist, zerfällt es in einem sogenannten β+-Zerfall. Dabei wandelt sich ein Proton in ein Neutron um, und
zwei leichtere Teilchen, ein Positron und ein Neutrino, werden abgestoßen. Durch diesen Zerfall wird aus dem Stickstoffkern ein
Kohlenstoffisotop mit der Massenzahl 13. Dies hat die gleiche Kernladungszahl, aber eine höhere Massenzahl als der
Ausgangskern des Kohlenstoffs. Trifft nun wieder ein Proton auf dieses Kohlenstoffisotop, wird daraus ein Stickstoffkern (14N).
Bei einem weiteren Protoneneinfang entsteht daraus ein Sauerstoffkern (15O). Dieser Sauerstoffkern ist wiederum radioaktiv,
stößt ein Positron und ein Neutrino ab und verwandelt sich dabei in einen Stickstoffkern mit der Massenzahl 15. Wenn dann
schließlich ein letztes Proton auf diesen Stickstoffkern (15N) trifft, kann ein Heliumkern (4He) abgestoßen werden. Heliumkerne
werden generell auch α-Teilchen genannt. Bei diesem letzten Vorgang verwandelt sich der Stickstoffkern gleichzeitig wieder in
einen Kohlenstoffkern mit der Massenzahl 12, also in den Ausgangskohlenstoffkern.
Der wesentliche Unterschied zwischen der p-p-Kette und dem CNO-Zyklus besteht darin, dass am Anfang der p-p-Kette ein von
der Temperatur unabhängiger schwacher Zerfall stattfindet, d.h., die Energieerzeugungsrate der p-p-Kette skaliert nur mit einer
kleinen Potenz der Temperatur. Der CNO-Zyklus skaliert mit einer viel höheren Potenz. Dafür sind jedoch die elektrisch
abstoßenden Coulomb-Kräfte bei den p-p-Reaktionen dank der geringeren Kernladungszahlen der involvierten Elemente viel
kleiner als beim CNO-Zyklus. Bei niedrigen Sterntemperaturen wie denen der Sonne hat die p-p-Kette also einen Startvorteil, der
bei steigender Temperatur jedoch schnell von der steileren Temperaturabhängigkeit der CNO-Zyklen wettgemacht wird.
Abb. 3.8 : Im Kohlenstoff(-Sauerstoff-Stickstoff)-Zyklus wird durch insgesamt sechs Schritte Helium aus Wasserstoffatomen synthetisiert.
Prozess der Wasserstofffusion wird in der Astronomie Wasserstoffbrennen genannt. Es verschafft dem Stern für 90% seines
Lebens die nötige Energie, um das Gleichgewicht zwischen Schwerkraft und Druckkraft zu gewährleisten. Seine Temperatur,
Größe und Helligkeit kann der Stern auf diese Weise während des gesamten Wasserstoffbrennens in seinem Zentrum relativ
konstant halten.
Die vom Wasserstoffbrennen freigesetzte Energie wandert nun durch den gesamten Stern vom Zentrum an seine Oberfläche,
wo sie dann als Licht abgestrahlt wird. Für den Transport der Energie vom Sternzentrum nach außen hin gibt es mehrere
Möglichkeiten: Energietransport durch Wärmeleitung, durch Strahlung oder durch Konvektion. Wärmeleitung findet in Sternen statt,
ist aber nicht besonders effizient. Eine andere Transportart ist die der Strahlung, bei der sich die Photonen, die sich eigentlich mit
Lichtgeschwindigkeit fortbewegen, erst einmal durch die Sternmaterie kämpfen müssen. Da die Photonen auf ihrem Weg durch
das ionisierte Plasma oft gestreut, verschluckt und wieder ausgesandt werden, ist das Sterninnere für Licht ziemlich
undurchlässig. Energietransport durch Strahlung ist daher sehr zeitaufwendig. Außerdem gibt es in allen Sternen Gebiete, die für
Photonen völlig undurchlässig sind. Dort übernimmt die sogenannte Konvektion den Energietransport. Dabei wird die Energie
durch aufsteigende Gaspakete in Richtung Oberfläche transportiert.
Die Wirkung dieser drei Wärmetransportmechanismen kann jeder anhand einer brennenden Kerze selbst erleben. Hält man
seine Finger seitlich neben die Flamme, so spürt man ihre Wärme. Das ist die Wärmestrahlung. Hält man aus derselben
Entfernung eine metallene Stecknadel in die Flamme hinein, so verbrennt man sich nach kurzer Zeit die Finger an der Nadel. Das
ist Wärmeleitung. Hält man die Finger im selben Abstand über die Flamme, verbrennt man sich die Finger sofort in der
aufsteigenden heißen Luft. Das ist Konvektion. An diesem Beispiel wird auch sofort klar, dass Wärmeleitung in Gasen verglichen
zu Wärmeleitung in Metall kaum eine Rolle spielt und dass Konvektion viel effizienter transportiert als Wärmestrahlung.
Nach dem zentralen Wasserstoffbrennen im Stern kommt es dann zu weiteren Brennphasen. Der Stern hat ja noch 10% seiner
Lebenszeit vor sich. Nachdem der Wasserstoff im Zentrum des Sterns aufgebraucht ist, frisst sich das Wasserstoffbrennen in einer
riesigen brennende Schale langsam aber sicher weiter nach außen fort. Dieser Vorgang wird auch Schalenbrennen genannt.
Abbildung 3.9 zeigt das zentrale Wasserstoffbrennen in einem noch nicht sehr weit entwickelten Stern im Vergleich zu einem
schon weiter entwickelten Stern in der nächsten Brennphase.
Abb. 3.9 : Schematische Darstellung des zentralen Wasserstoffbrennen (links; in einem sogenannten Hauptreihenstern) sowie einer späteren Entwicklungsphase
(rechts; in einem Riesenstern), in der Helium zu Kohlenstoff im Kern und Wasserstoff zu Helium in einer Brennschale fusioniert wird.
Da der innere, aus Helium bestehende Bereich des Sterns nun keine Energie mehr produziert, sondern nur noch Wärme nach
außen abgibt, zieht er sich mit der Zeit zusammen und heizt sich dabei weiter auf. Dies geschieht, bis das Zentrum heiß genug ist,
um dort Helium zu schwereren Elmenten zu fusionieren wie z.B. Kohlenstoff und Sauerstoff durch die Fusion von drei bzw. vier
Heliumkernen. Die Fusion von zwei α-Teilchen, also von Heliumkernen, führt zu einem Berylliumkern, der durch den Einfang
eines weiteren α-Teilchens zu einem Kohlenstoffkern mit der Massenzahl 12 verwandelt wird. Dies ist der sogenannte 3αProzess. Wenn ein solcher Kohlenstoffkern noch ein weiteres α-Teilchen einfängt, bildet sich schließlich ein Sauerstoffkern.
Nach Abschluss einer Brennphase im Sternzentrum, also wenn das dazugehörige Ausgangselement aufgebraucht ist, wird für
kurze Zeit keine Energie mehr produziert. Dadurch gewinnt die Schwerkraft die Oberhand und komprimiert den Stern. Die Dichte
im Zentrum des Sterns wird erhöht, was zu einer Aufheizung und zur Zündung der nächsten Kernbrennphase führt. Denn die
immer schwerer werdenden Elemente benötigen immer heißere Bedingungen, um miteinander zu fusionieren und dadurch
schwerere Atome zu synthetisieren. Das Kohlenstoffbrennen erfordert ca. eine Milliarde Grad, die aber nur von sehr schweren
Sternen mit mehr als dem Achtfachen der Masse der Sonne aufgebracht werden können. In dieser Brennphase werden Neon,
Natrium und Magnesium erzeugt. Im darauffolgenden Neonbrennen wird weiterhin Magnesium, aber auch Sauerstoff, aus einem
energiebedingten Abspalten eines α-Teilchens von Neonkernen synthetisiert. Die Verschmelzung von zwei Sauerstoffkernen führt
hauptsächlich zur Bildung von Silizium, aber auch kleineren Mengen von Phosphor und Schwefel. Nur durch die weitere
Aufheizung nach Beendigung des Sauerstoffbrennens kann Silizium schließlich durch den sogenannten α-Prozess in eine ganze
Reihe von Elementen verwandelt werden. Denn durch den Einfang von α-Teilchen werden Isotope von Elementen mit geraden
Ordnungszahlen bzw. Kernladungszahlen aufgebaut: Silizium (Z = 14) zu Schwefel (16) zu Argon (18) zu Kalzium (20) zu Titan
(22) zu Chrom (24) zu Eisen (26) zu Nickel (28). Das schwerste Isotop ist 56Ni (Nickel) mit 28 Protonen und 28 Neutronen. Es ist
radioaktiv und zerfällt über 56Co (Kobalt) mit 27 Protonen und 29 Neutronen zu stabilem 56Fe (Eisen) mit 26 Protonen und 30
Neutronen.
Tabelle 3.4: Kernbrennphasen eines Sterns mit 20 Sonnenmassen. Die Angaben in der vierten und letzten Spalte hängen von der Masse des Sterns ab. Die letzte
Spalte gibt dabei speziell die Masse des hinterlassenen Kerns an, welcher in der jeweiligen Fusionsphase synthetisiert wurde. So besitzt der Stern z.B. nach dem
Ende des Wasserstoffbrennens einen 10 Sonnenmassen schweren Heliumkern.
Brennstoff
Temp. in Mio Grad K
Dichte in g/cm 3
Dauer in Jahren
Fusionsprodukte
Masse in Sonnenmassen M ☉
H
37
4,5
8,1 Mio
He
10
He
190
970
1,2 Mio
C, O
6
C
870
170 000
980
Ne, Na, Mg
5
Ne
1600
300 000
0,6
Mg, O
3
O
2000
6 Mio
1,3
Si, S
2
Si
3300
43 Mio
11,5 Tage
Fe, Ni
1,5
Auf diese Weise werden alle Elemente »aufgebraucht«, bis sich zum Schluss ein gewaltiger Kern aus Eisen und Nickel im
Sterninneren gebildet hat. Bis zu diesem Punkt kann dank des Massendefekts Energie aus der Fusion gewonnen werden. Für die
Fusion von Elementen, die schwerer als Eisen und auch Nickel sind, wird aber aus kernphysikalischen Gründen Energie benötigt.
Anstatt Energie aus diesem Prozess zu gewinnen, bedeutet dies also, dass ein Stern Energie aufbringen müsste, um noch
schwerere Elemente zu bilden. Dies geschieht natürlich nicht. Deswegen endet das Leben eines Sterns ziemlich abrupt, wenn er
einen Eisen-Nickel-Kern in seinem Zentrum erzeugt hat.
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