Aus der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. Abteilung für Kieferorthopädie Die Bewegung des Sechsjahrmolaren unter Lipbumper-Therapie bei Anwendung der röntgenkephalometrischen Superimpositionstechnik INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Zahnmedizinischen Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Vorgelegt 2008 von Felix Tobias Prömm geboren in Ostfildern - Ruit Dekan: Prof. Dr. med. Ch. Peters 1. Gutachter: Prof. Dr. I. Jonas 2. Gutachter: PD Dr. D. Schulze Jahr der Promotion: 2008 1 Meinen Eltern gewidmet Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Geschichtlicher Überblick 3 3 Physiologische Grundlagen der Studie 6 3.1 Anteriore Komponente der okklusalen Kraft 6 3.2 Verankerung 6 3.3 Wachstum und Röntgensuperimposition 7 3.3.1 Kraniofaziale Wachstumsmechanismen 8 3.3.2 Endostale und periostale Apposition und Resorption 8 3.3.3 Displacement, Relokation, Kortikalis-Drift oder Translation 9 3.3.4 Remodellierung (Transformation) 10 3.3.5 Funktionelle Matrix und Wachstumsfelder 10 3.3.6 Wachstumsäquivalente im Unterkiefer 11 3.3.7 Umsetzung für die Superimpositionstechnik 12 3.4.1 Unterkiefer-Wachstum 13 4 Der Lipbumper 16 4.1 Wirkung des Lipbumpers 16 4.1.1 Zahnaufrichtung 16 4.1.2 Platzhalter 17 4.1.3 Hemmung von Dyskinesien 17 4.1.4 Engstandsauflösung 18 4.1.4.1 Engstandsauflösung mittels Leeway-Space 18 4.1.4.2 Engstandsauflösung mittels Expansion 18 4.1.4.3 Engstandsauflösung mit Distalisation 19 4.1.5 Bisshebung 20 4.1.6 Nebenwirkungen 21 4.2 Klinik 21 4.2.1 Labialbogen 21 4.2.2 Vestibuläre Schilder 21 4.2.3 Positionierung 22 4.2.4 Einsetzen 23 4.2.5 Tragedauer 24 2 4.3 Literaturübersicht 25 4.3.1 Vertikale Effekte 25 4.3.2 Transversale Effekte 25 4.3.3 Sagittale Effekte 26 4.3.4 Skelettale Effekte 27 4.3.5 Beziehungen zu Alter, Geschlecht und zweiten Molaren 28 4.3.6 Verankerung 28 4.3.7 Beziehungen zwischen Lipbumpern und zirkumoralen Kräften 29 4.3.7.1 Kieferorthopädische und orale Kräfte 29 4.3.7.2 Lipbumper-Kräfte 30 4.3.8 Therapiezeitpunkt 30 5 Indikationen zur Lipbumpertherapie 32 5.1 Zahnkippung 32 5.2 Zahnwanderung 32 5.3 Orofaziale Dyskinesie 33 5.4 Dentale Engstände 33 5.5 Kontraindikation 35 6 Fragestellung 36 7 Material und Methode 37 7.1 Patientengut 37 7.2 Behandlungsgerät 38 7.2.1 Lipbumper-Design 38 7.2.2 Positionierung 38 7.2.3 Manipulation und Kontrollen 39 7.3 Dokumentation und Auswertung 39 7.4 Odontometrische Analyse 39 7.4.1 Platzanalyse und Diskrepanzberechnung 40 7.5 Röntgenkephalometrische Analyse 41 7.6 Methode 42 7.6.1 Superimpositionstechnik 42 7.6.2 Referenzpunkte 43 7.6.3 Anwendung der Superimpositionstechnik 45 3 7.6.4 Orthopädische Verlagerung 46 7.6.5 Nomenklatur zu den Überlagerungen 49 7.6.6 Messung und Koordinatensystem 49 7.6.7 Winkelmessung 50 7.7 Therapie im Oberkiefer 51 7.8 Statistische Auswertung 51 8 Ergebnisse 52 8.1 Methodischer Fehler 52 8.2 Patientengut 53 8.3 Röntgenkephalometrische Analyse 54 8.3.1 Winkelmessung 54 8.3.2 Y-Achse 55 8.3.3 Sagittale Diskrepanz 55 8.4 Odontometrische Analyse 56 8.5 Röntgenbild-Überlagerung 56 8.5.1 Erster unterer Molar 56 8.5.2 Unterkiefer-Frontzahn 60 8.5.3 Menton 61 8.5.4 Pogonion 62 8.5.5 Condylion, Gonion 65 9 Diskussion 67 9.1 Material und Methoden 67 9.2 Zahnbewegungen 68 9.3. Knöcherne Bewegungen 71 9.4 Schlußfolgerung 73 10 Zusammenfassung 74 11 Literaturverzeichnis 75 12 Abkürzungsverzeichnis 80 13 Lebenslauf 81 14 Danksagung 82 1 1 Einleitung Lipbumper eignen sich zur Auflösung von anterioren Engständen, da sie verschiedene Effekte gleichzeitig errreichen76; dazu gehört das Aufrichten gekippter Zähne, labial Bewegen der unteren Frontzähne, bukkale Expansion, Derotation der Molaren30, die Distalisierung unterer Seitenzähne und die Sicherung des Leeway-Space46. Gleichzeitig können potentielle Verursacher von Engständen wie ein erhöhter Unterlippen- oder Mentalis-Tonus gehemmt werden. Anteriore Engstände treten oft früh in Erscheinung und sind zudem auf lange Sicht vom erneuten Verlust des erworbenen Platzes gekennzeichnet64,105. Die Anomalie basiert auf einem multifaktoriellen Geschehen und vor allem die skelettale Basis scheint die Unveränderbarkeit der intercaninen Distanz auszumachen. Eine Behandlung ohne Rezidiv sollte zum optimalen Zeitpunkt des Wachstums stattfinden, andererseits kommt es generell - auch bei unbehandelten Personen – mit zunehmendem Alter (ca. ab dem 20. Lebensjahr) zu einer langsamen, aber progredienten Engstandsausbildung in der Front97,105. Die Biomechanik ist essentieller Bestandteil der Kieferorthopädie, weswegen die Therapie meist mechanisch orientiert ist37. Die biomechanischen Umstände zu verstehen, ist somit die Basis, um den physiologischen und natürlichen Weg der Engstandsauflösung nutzen zu können37. Im Zeitalter des Platzes – des „space age“ – nach Graber wird darauf hingewiesen, den durch den Zahn hervorgerufenen Wachstumsimpuls nicht durch Extraktion zu verlieren37. Der Zahn soll seine Kapsel bestimmen. Das geht nur wenn er ohne Hindernis dazu in der Lage ist. Wenn Moss72 den Zahn als funktionelle Matrix für das Alveolarknochenwachstum bezeichnet, dann geht Fränkel39 einen Schritt weiter zur perioralen Muskulatur. Man muss vorbeugend die schädlichen Einflüsse der Kapsel auf die Dentition abfangen, damit die Entwicklung der Mundhöhle nicht behindert wird. Dazu führte Fränkel die Funktionsregler ein, welche mit vestibulär liegenden Kunststoffschilden den Zug der Muskulatur modulieren38. Moss´ Prinzip der funktionellen Matrix und ihr Einfluss auf die skelettalen Einheiten kann man nicht nur für die Prävention anwenden, sondern auch auf eine schmerzfreie Methode der kieferorthopädischen Behandlung übertragen. So können zur Korrektur von Deformationen die gleichen Muskeln genutzt werden, welche mit ihrer Dysfunktion die Fehlstellung erst hervorriefen50. Wenn im Unterkiefer eine hyperaktive Muskulatur über die Unterlippe das Profil abflacht, können vestibuläre Schilde den entstehenden Engstand behandeln. Ohne ein hemmendes Lippenhabit wird die Zunge dann die Unterkieferfrontzähne labial bewegen, was den Zahnbogen verlängert und den 2 Overjet und Engstand auflöst50. Vestibuläre Schilde oder Lipbumper werden dafür als exzellente, interzeptive kieferorthopädische Geräte beschrieben, um eben solche Lippenhabits zu stoppen40,50,109. Sie schirmen entgegenwirkende Kräfte der perioralen Spannungsumklammerung („perioral tension brace“39) ab, die, wie bei Mundatmung, zu einer Deformation des Viszerokraniums führen. Die Weichgewebssteuerung des Zahndurchbruchs durch Lippen, Zunge und Wangen ist ein epigenetischer Faktor, also indirekt hereditär und formt funktionell. „Genauer gesagt, können wir genetisches Wachstum nicht stimulieren, aber wir sind in der Lage, die biomechanischen Bedingungen sowohl für die Wachstumsdynamik als auch für die funktionellen Kräfte zu ändern. Unter diesem Gesichtspunkt bieten die vestibulären Schilde des Funktionsreglers einen neuen Weg einer funktionellen Therapie sowie der klinisch-experimentellen Methodologie“37. Wenn man mit dem Wachstum arbeitet und früh das Training für ein korrektes Zusammenspiel der Muskulatur ermöglicht, kann man sozusagen ein Habit der Norm schaffen. Doch genauso wie die Funktionskieferorthopädie an ihre Grenzen stößt, ist auch die biomechanische, distalisierende Komponente der Behandlung mit dem Lipbumper begrenzt. Zur EngstandsAuflösung ist sie nur mit Unterstützung der Molarenaufrichtung und der Expansion bei der Therapie des mäßigen anterioren Engstandes wirkungsvoll. Eine größere distale Zahnbewegung im Unterkiefer zu erreichen, ist gefragt. Daß es die Distalisation mit Lipbumper tatsächlich gibt, hat sich durch tomographische Untersuchungsmethoden gezeigt. Ob man die Begrenzung des Ausmaßes der Distalbewegung mit dem Lipbumper überschreiten kann, wird sich in Zukunft durch neue Studien und Herangehensweisen an schon Bekanntem zeigen. Im Folgenden wird die Technik der Behandlung mit dem Lipbumper in Bezug auf den orthodontischen Anteil der Bewegung des unteren Molaren betrachtet werden. 3 2 Geschichtlicher Überblick Roux´ Konzept der funktionellen Anpassung (1883) – die Fähigkeit der Organe sich in höherem Maße ihren Funktionen anzupassen – und J.B. de Lamarcks biologische Entwicklungstheorie bilden die Basis der Funktionskieferorthopädie. Der Knochen und seine Form sind Produkt der Funktion der Muskulatur39. Die Abhängigkeit des Wachstums von der Funktion wird von Moss 196272 mit dem Prinzip der funktionellen Matrix und ihrem Einfluss auf die jeweilige skelettale Einheit bestätigt. Die Form ist demzufolge abhängig von der funktionellen Beanspruchung. Der Vorreiter in der Umsetzung von Roux´ Theorie ist 1902 Robin. Er setzt sein Ziel, die Zungenfunktion bei Kleinkindern mit Pierre-Robin-Syndrom zu ändern, im so genannten Monobloc um, der noch ohne Einbiss angefertigt wird. 1907 meint Angle, und wird 1918 von Alfred Paul Rogers zitiert: „The influence of the lips is an interesting study and almost every malocclusion has some manifestation of it”2. Der Einfluss der Lippen bekundet sich beinahe in jeder Malokklusion. Damit spricht Angle im Sinne der Funktionskieferorthopädie von der Wechselwirkung zwischen Hart- und Weichgewebe. Das Ziel der funktionellen Behandlung ist das Gleichgewicht von Kieferbasen und Weichgewebsfunktion, d.h. die harmonische Funktion des Kausystems herzustellen. Somit sollen die genetischen Anlagen der Kiefer, Zähne und Muskeln, sowie deren Funktion und ihre epigenetische Beeinflussung in ein harmonisches Gleichgewicht gebracht werden – ohne Kraftapplikation, sondern durch Führung der Entwicklung bzw. sogar nur durch Hemmung von dysfunktionellen Einflüssen. 1913 beschreibt Newell ein Schild, um Mundatmung zu verhindern81. Der „mouth shield“ oder „oral screen“ ist ein gummiertes Schild im Vestibulum und entwickelt sich von einem Abschirmgerät zur Behandlung von Mundatmern in verschiedene Formen für den Einsatz bei Zungen- und Lippendyskinesien, als Verankerungseinheit und zur Bewegung von Frontzähnen. Körbitz verwendet 1913 den so genannten Lippenformer als Mundvorhofplatte (MVP), der aber auch den Zähnen anliegt60. Grundlagen zur funktionellen Behandlung von Dysgnathien und deren Rezidiv bildet die Myofunktionelle Therapie A.P. Rogers´ 1918, die Beispiele funktioneller Behandlung aufzeigt98. Als Begründer der Funktionskieferorthopädie (FKO) gelten heute Viggo Andresen (1870-1950) und Karl Häupl (1883-1960). Mit ihrem Vorläufergerät des Aktivators nutzen sie 1936 körpereigene 4 Kräfte zur Korrektur von Bissanomalien. Das aus Pierre Robins Monobloc entwickelte Gerät übt durch eine Veränderung des funktionellen muskuloskelettalen Gleichgewichtes einen Reiz aus, der Kau,- Zungen- und Wangenmuskulatur aktiviert und damit eine knöcherne Anpassung bewirkt. Da das neurologische Umprogrammieren bei einem Gerätetragen während der Nacht nicht unbedingt erfolgreich sei, entwickelt Fränkel 1955 die MVP weiter. Daraus entsteht der Funktionsregler (FR), der im Prinzip eine skelettierte und im Oberkiefer abgestützte MVP ist. Der FR dient als Übungsgerät, dessen kleinere Dimensionen auch das Tragen tagsüber ermöglicht. Der FR benutzt auch das Vestibulum als apparative Basis, um einen „unnatürlich neuromotorischen Stereotyp“ funktionell zu beeinflussen. Er soll nicht nur zum Bissausgleich und zur Bissnivellierung dienen, sondern darüber hinaus auch die apikale Basis in ihrem Wachstum fördern oder hemmen38,39. 1956 führt Kraus die so genannte „Hemmungstherapie“ ein62. Er sieht die Wirkung von Lippenschildern in der spontanen Rehabilitation durch Hemmung der Dsyfunktionen und durch Ermöglichen des physiologischen Reflexes in natürlicher Haltung („rehabilitation by inhibition“). Kraus´ Konzept basiert auf der Idee, dass eine durch einen reinen Reflex ausgelöste Bewegung mehr physiologische und deswegen verlässliche Ergebnisse erzielt, als bei durch den Willen kontrollierten Übungen nach Rogers. Das Problem von Rezidiven sei die bleibende Fehlmotorik, die durch natürliche Reflexbewegungen am Besten verändert werden könne. Im gewissen Sinne sind die Hemmungsschilder „ortho-muskulär“. Die so genannten „Screens“ oder Hemmungsschilder sollen unnatürliche Funktionen hemmen, abnorm gebildeten Geweben bei dem Zurückkommen zum individuellen Trend der Entwicklung helfen und den originalen Stimulus ersetzen. Kraus´ Schilde kann man nicht benutzen, um Zähne oder Kieferteile aktiv zu bewegen. Sie liegen abstehend von den Zähnen locker im Vestibulum, weswegen sie die ersten nicht orthodontischen Geräte darstellen. Nach dem zweiten Weltkrieg kommt die interzeptive orthodontische Behandlung im Wechselgebiss mehr zur Geltung. In der Folge stellt Denholtz 1964 seine Labialbogenkonstruktion vor, das Denholtzsche Muskelverankerungsgerät („The Denholtz Muscle Anchorage Appliance“) (s. Abb. 1). Die Apparatur hat ihre volle Verankerung an der Lippe und überträgt deren Kraft auf die Zähne. Die Verankerung ist nach Denholtz an der Oberlippe und hält die oberen ersten Molaren am Ort, wodurch die Antagonisten im Unterkiefer in die gewünschte Angle-Klasse-I-Beziehung geführt werden. Der Oberkiefermolar wird zurückgehalten, um einen Distalbiss durch Mesialwanderung im 5 Oberkiefer zu verhindern. Die Einsatzmöglichkeiten sind weit gefächert. Man soll dieses Gerät verwenden können, um obere sowie untere Molaren nach dorsal bewegen zu können, als Platzhalter im Wechselgebiss, als Retainer, als Trainer für hypotone Lippen, um Mundatmern einen Lippenschluss beizubringen oder in verschiedenen Variationen mit Gummizügen, auch extraoral und als Adjuvans bei anderen Therapien27. Abb. 1. The Denholtz Muscle Anchorage Appliance für den Oberkiefer; nach27. Der Draht nach Denholtz wird von Duyzings31 Lipbumper genannt. Er ähnelt einer halben MVP mit einem Labialbogen, der bukkal in die Schlösser der unteren Molarenringe inseriert wird. Dadurch ist der Unterkiefer frei im Wachstum nach anterior und lateral und die Apparatur schafft dadurch gleichzeitig Platz im Zahnbogen. Aus dem Jahr 1965 stammt ein früher Bericht über den Lipbumper von Renfroe. Dabei dient das Gerät dazu, hypertone Unterlippen von den Zahnreihen abzuhalten, wobei in einem Fall sogar eine Angle-Klasse I zu einer Klasse II überstellt wird96. Seit 1968 taucht der Lipbumper häufiger in der Literatur auf. Klinische Fallstudien beschreiben und vergleichen das Gerät in der klinischen Praxis. Gruppenstudien und Übersichtsartikel belegen mittlerweile die Platz erhaltende und Platz schaffende Wirkung. Als unimaxilläres Gerät zur funktionellen Behandlung von mäßigen Engständen im Wechselgebiss wird der Lipbumper heute anerkannt und eingesetzt12,15,22,71,80,109. 1966 berichten Subtelny et al. über die Distalbewegungen von Molaren mittels Lipbumper bei 22 von 25 Patienten109. Dennoch wird die Möglichkeit der Distalbewegung des Molaren bis heute noch in Frage gestellt. Mit dem Analyseverfahren nach Baumrind et al.9,10 soll daher die Molarenbewegung bei diesem therapeutischen Vorgehen besonders betrachtet werden. 6 3 Physiologische Grundlagen der Studie Nach frühzeitigem Zahnverlust, bei Zahndurchbruchsstörungen und bei vererbten oder erworbenen Engständen kann es zu unkontrollierten Zahnbewegungen kommen. Diese Bewegungen werden durch die mesial gerichtete Kraftkomponente ausgelöst. Um sie zu verhindern, muss entgegen der Kraft eine Verankerung stattfinden. Mittels Lipbumper kann ein in die Lücke gekippter Zahn aufgerichtet, verankert und ein mäßiger Engstand ausgeglichen werden. In diesem Kapitel wird auf die für diese Arbeit notwendigen Begriffe und Mechanismen der Kräfte eingegangen. Dazu gehören die anteriore Kraftkomponente, die Verankerung und die Wachstumsprinzipien. 3.1 Anteriore Komponente der okklusalen Kraft Jeder Zahn unterliegt nach seinem Durchbruch in die Mundhöhle einer nach anterior gerichteten Wanderung. Zahnwanderungen können nach Verlust eines Zahnes vorkommen. Man spricht auch von Mesialwanderung oder Mesialdrift. Für die Zahnwanderung ist eine gerichtete Kraft notwendig. Diese wird aus mehreren Komponenten bestehend erklärt. Dazu gehören der nach anterior gerichtete Kraftvektor der Kaukraft, der Druck der intra- und perioralen Weichgewebe, die mit dem Alter zunehmende Kraft der Muskulatur, die Form und Winkelstellung der Zähne und der Zug der transseptalen Fasern. Dieser lebenslang anhaltende Prozess hat als physiologischen Hintergrund den Ausgleich der approximalen Attrition, so wie bei Elefanten der Hauptmahlzahn nachrückt oder Haie Revolvergebisse benutzen, weswegen die anteriore Kraftkomponente mit als Ursache des tertiären Engstandes gilt. 3.2 Verankerung Als Verankerung bezeichnet man den Widerstand eines Objektes, wenn es als Widerlager für eine Kraft benutzt wird29. Jede Verankerung im menschlichen Organismus kann nicht absolut sein, da sie innerhalb des Systems Gegenkräfte auslöst (actio ↔ reactio). Die Verankerung mit Zähnen als Widerlager ist abhängig von der Zahnform und Anzahl der Zähne, der Anzahl der Wurzeln und deren Länge, sowie der Achsenstellung der verankernden Zähne. Dies spiegelt sich auch in den Verankerungsgraden wider: 7 - Minimale Verankerung Die Abstützung der zu verankernden Molaren erfolgt über die Front, weswegen sie sich nach mesial bewegen können. - Mittlere Verankerung Hier stützen sich die 1. Molaren gegen die Frontzähne, wobei sie sich etwas nach mesial bewegen dürfen. Diese Verankerung wird auch reziproke Verankerung genannt, weil beide Segmente sich gleich stark bewegen. - Maximale Verankerung a.) eine zahnunabhängige, stationäre Verankerung kann im Oberkiefer extraoral mit einer Tragedauer eines Headgears von 12 Stunden erreicht werden b.) relativ stationär intraoral im Unterkiefer mittels - Lingualbogen an möglichst vielen Zähnen - bukkaler Wurzeltorque, d.h. Wurzelkippung in die Kortikalis - intermaxillärer Klasse-III-Gummizüge - funktionskieferorthopädisch mittels Lipbumper, also Weichgewebsabstützung c.) stationäre Verankerung durch retromolar oder im teilbezahnten Gebiss eingefügte Implantate. Da alle Gewebe auf Zug und Druck reagieren, kann es nur eine relative Verankerung in verschiedenen Stärken geben. Einzig retromolar oder im teilbezahnten Gebiss eingefügte Implantate sind trotz reziproker Krafteinwirkung ortsstabil und stellen eine Möglichkeit der stationären Verankerung dar, weswegen sie sich zunehmender Beliebtheit erfreuen110. Die Einschränkung der maximalen Verankerung, die auch als kritische Verankerung bezeichnet wird, offenbart schon die Definition: „Bei der maximalen Verankerung erfolgt nach Zahnextraktionen der Lückenschluss vorwiegend von mesial“56. 3.3 Wachstum und Röntgensuperimposition Zur Differenzierung zwischen lokalen ossären Wachstumsvorgängen, sekundärer Knochenverlagerung und Therapie bedingten Einflüssen auf Fernröntgenseitenbildern mittels der Über- 8 lagerungstechnik nach Baumrind et al.10, wie sie in dieser Arbeit vorgenommen wurde (s. Kap. 7.6.1), ist die Kenntnis der unterschiedlichen Entwicklungsmechanismen der Gesichtsschädelknochen notwendig. 3.3.1 Kraniofaziale Wachstumsmechanismen Das kraniofaziale Knochenwachstum geschieht nicht einfach durch eine symmetrische Vergrößerung der Knochen. Prinzipiell liegen ihm die drei Mechanismen Größenzunahme, Knochenumbau und Verlagerung zugrunde. In der Wachstumsphase regt das Weichgewebe als Schrittmacher die Hartgewebestrukturen gezielt an, sich durch Resorption und Apposition zu verändern, wodurch sie sich im Raum verdrehen oder als ein Ganzes verlagern können. Abb. 2. a) appositionelles Wachstum b) resorptiv-appositionelles Wachstum c) Kortikalis-Drift nach94 3.3.2 Endostale und periostale Apposition und Resorption Knochenanlagerung wird als appositionelles Wachstum bezeichnet, während der Abbau von Knochen Resorption genannt wird (s. Abb. 2). Während der Entwicklung überwiegt das appositionelle Wachstum leicht, wodurch sich die Knochen vergrößern. Wachstum findet sowohl an den äußeren Oberflächen, dem Periost, als auch den inneren Oberflächen, dem Endost, der Knochen statt. Bewegt sich das Wachstum in eine Richtung, so findet an der in Wachstumsrichtung liegenden Seite periostale Apposition und endostale Resorption statt. An der der Wachstumsrichtung entgegengesetzten Seite wird dementsprechend periostal resorbiert und endostal Knochen neu gebildet (s. Abb. 3). 9 Abb. 3. Periostal-endostales Zusammenspiel; nach94 Abb. 3 a) Periostales und endostales Wachstum Abb. 3 b) Rotation an einer Umkehrlinie führen zusammen zu einem Drift des gesamten Knochens 3.3.3 Displacement, Relokation, Kortikalis-Drift oder Translation Bei gleich bleibender Wachstumsrichtung verlagern sich beide Kortikalisflächen zusammen und man spricht von einer „direkten Relokation“ (s. Abb. 2 c und 3 a), bzw. einem Kortikalis-Drift33. Durch direkte Relokation kann der Knochen als Ganzes durch eigenes Wachstum relativ zu anderen Strukturen bewegt werden. Dadurch wird im Bereich der gelenkigen Verbindungen Platz für Knochenzuwachs geschaffen. Man spricht hier von primärem, weil selber verursachtem Displacement (s. Abb. 4). Findet die Verlagerung eines ganzen Knochens durch Wachstum an einer anderen entfernten Stelle statt, spricht man von sekundärem Displacement oder auch Translation33 (s. Abb. 5). An Umkehrungslinien treffen sich appositionelles und resorptives Wachstum an einer Knochenoberfläche, was zu einer Rotation der Knochenstruktur führt (s. Abb. 3 b). Abb. 4. Primäres Displacement und dorsale Remodellierung des Unterkiefers; nach94 Abb. 5. Sekundäres Displacement und alveoläre Repositionierung des Unterkiefers; nach94 10 3.3.4 Remodellierung (Transformation) Wenn der Kondylus wächst, wird der Unterkiefer nach anterior verschoben. Der aufsteigende Ast wird für den Erhalt der Funktion daraufhin nach dorsal angepasst, was als Remodellierung bezeichnet wird (s. Abb. 4). Die Remodellierung findet nach den Prinzipien der peri- und endostalen Resorption und Apposition statt und formt so den Knochen nach den funktionellen Ansprüchen. Diese Anpassung wird nach Enlow auch Transformation genannt33. 3.3.5 Funktionelle Matrix und Wachstumsfelder Der Impuls zu den knöchernen Wachstumsvorgängen liegt in den Weichgeweben. Als funktionelle Matrix bestimmt das Weichgewebe die so genannten Wachstumsfelder, an denen es ansetzt, und schafft auf diese Weise viele Flächen mit unterschiedlichem Anpassungsbedarf (s. Abb. 6). Nach diesem Prinzip der Oberflächen können an ein und derselben Kortikalis appositionelle und resorptive Umbauvorgänge auftreten. Diese Schrittmacherfunktion des Weichgewebes regt das Wachstum sehr gezielt an und kann damit die Kortikalis im Raum verdrehen oder verlagern. Jede Knochenverlagerung beginnt mit einer Wanderung der Wachstumsfelder innerhalb der zugeordneten Bindegewebsmembranen (z.B.: Periost und Endost, Suturen, Parodont). Diese Weichgewebe bestimmen dann ihrerseits die Veränderungen des darunter liegenden Knochens, der von ihnen, den Wachstumsfeldern, kontrolliert wird94. Als funktionelle Matrix steuert das Weichgewebe also das Knochenwachstum. Über das Bindegewebe entsteht eine Rückkopplung zum Knochen – wenn Form, Größe und biomechanische Eigenschaften übereinstimmen – welche die histogenetische Aktivität der osteogenen Membranen vermindert112. Abb. 6. Wachstumsrichtungen des Unterkiefers; nach94 11 Abb. 7. Besonders aktive Wachstumsfelder; nach94 Dabei gibt es viele Wachstumsfelder, die sich summieren können (s. Abb. 6 und 7), aber keine einzelnen Oberzentren, wie bisher z. B. vom Kondylus angenommen. In der Summe ist die Hauptwachstumsrichtung des Unterkiefers nach hinten und oben gerichtet (s. Abb. 6). Da sich dabei einzelne Teile des Schädels (vordere Schädelbasis, sphenookzipitaler Komplex, nasomaxillärer Komplex und Unterkiefer) in unterschiedliche Richtungen bewegen, spricht man von Wachstumsäquivalenten, die sich in direkter Wechselwirkung ausgleichen34. 3.3.6 Wachstumsäquivalente im Unterkiefer Für die vorliegende Arbeit von speziellem Interesse ist der Bezug dieser Vorgänge auf den Unterkiefer. Wachstumsäquivalent des Corpus mandibulae ist der Oberkiefer, weswegen auch der Unterkiefer am Ramus ascendens nach dorsal remodelliert. Der hintere Ramusanteil und der Kondylus wachsen schräg nach hinten oben und der Unterkiefer verlagert sich nach vorne unten. Zusammen werden beide Kiefer durch primäres Displacement, also eigenes Wachstum mit sekundärer Relokation, nach vorne verlagert. Durch das Wachstum der mittleren Schädelbasis wird der Unterkiefer zudem sekundär (sekundäres Displacement) nach vorne unten verlagert. Die dabei auftretende stärkere Anteriorverlagerung der Maxilla gleicht der Unterkiefer mit der Remodellierung des Ramus ascendens hierbei wieder aus. Die mittlere Schädelgrube stellt das Wachstumsäquivalent des Ramus ascendens dar. Gleichzeitig wandern (driften) die Zähne in den Alveolen dorsal. Resorption und Apposition der Alveolarflächen führen zu einem Drift der Zähne, durch den sie ihre relative Position im Kieferkamm beibehalten können (s. Abb. 5). 12 3.3.7 Umsetzung für die Superimpositionstechnik Kieferorthopädische Bewegungen bestehen meist aus einem orthodontischen und einem orthopädischen Anteil. Die orthodontische Zahnbewegung wird üblicherweise als die Bewegung des Zahnes im Knochen angesehen, während die orthopädische Zahnbewegung sekundär aus der Lageveränderung des Knochens selber entsteht9. Abb. 8. Mandibuläre Überlagerung Abb. 9. Überlagerung auf der vorderen Schädelbasis Bei der Überlagerung von Fernröntgenseitenbildern (FRS) kann man je nach Ort der Superimposition die Wachstumsanteile unterscheiden und somit eine Zahnbewegung in orthopädische und orthodontische bzw. lokale Anteile aufteilen. Eine Superimposition auf dem Umriss der Mandibula zeigt die lokale Dislokation bzw. im Vergleich mit der Kontrollgruppe die rein orthodontische Zahnbewegung (s. Abb. 8). Abb. 10. Durchzeichnung der drei Überlagerungen der Röntgenbilder; die Pfeile zwischen den Referenzpunkten der mesialen Höckerspitze stellen die unterschiedlichen Wachstumsanteile dar: 1 die totale Verlagerung, 2 die orthopädische Verlagerung und 3 die orthodontische Verlagerung. 13 Bei Überlagerung auf der vorderen Schädelbasis ist die totale Verlagerung der Knochen, hervorgerufen durch die verschiedenen Wachstumszentren des Gesichts, unter anderem der Fossa mandibularis, des Kieferköpfchens und Kieferwinkels, zu erkennen. Es sind hier die resultierenden Vektoren aus der kombinierten orthodontischen und -pädischen Bewegung des Zahns zu sehen (s. Abb. 9). Der orthopädische Anteil der Bewegung wird durch Subtraktion des lokalen vom Vektor der totalen Verlagerung erkenntlich (s. Abb. 10 und Kapitel 7 „Material und Methoden“). 3.4.1 Unterkiefer-Wachstum In den USA führten hohe Rückfallraten nach Expansionstherapie in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts zu einer Phase der Extraktionstherapie. Dazu trug auch Brodies Meinung18 bei, man könne durch Kieferorthopädie keine Knocheneffekte hervorrufen. Die „genetisch vorbestimmte Unantastbarkeit der Knochendimension“ stammt hauptsächlich aus der Missinterpretation von Brodies Studie über das mandibuläre Wachstum10. Während des zweiten Weltkrieges wurden in Europa einfache Geräte gefragter und damit auch einfache Methoden wie die funktionelle Therapie. Wo Breitner 1940 die Condylus-Modellierung in Tierversuchen erforscht hatte, setzen nach dem Krieg nun viele wieder an. Darunter waren Baume, Derichsweiler, Moss, Enlow, Harris und Fränkel, sowie McNamara, Harvold und Petrovic, welche die Frage des Knochen- bzw. Unterkieferwachstums wieder aufwarfen10. Heute weiß man, die Knorpelspangen des Unterkiefers bilden beim Neugeborenen eine Synarthrose, die im 1. Lebensjahr in eine Synostose übergeht und später desmal eingeschlossen wird; das Kinn mineralisiert also im 1. Lebensjahr. Abb. 11. Unterkieferwachstum zum Zeitpunkt; nach114 (a) der Geburt (b) 12 Monate (c) 10 Jahre Zur bildlichen Darstellung der Gegebenheiten zeigen uns die Abbildungen zum Zeitpunkt der Geburt die knorpelige Struktur an der Mittelinie des Unterkiefers, die ein schnelles Wachstum in 14 transversaler Richtung ermöglicht (s. Abb. 11 a. Unterkieferwachstum). Im Alter von 12 Monaten hat der vordere Teil des Unterkiefers, in dem das Milchgebiss untergebracht ist, im Großen und Ganzen seine Erwachsenengröße erreicht (s. Abb. 11 b). Im Alter von 10 Jahren ist der Unterkieferkörper durch dorsale Erweiterung länger geworden (s. Abb. 11 c)114. Nach Graber51 ist das Kinn beim männlichen Geschlecht in der Lage, bis über das 20. Lebensjahr hinaus zu wachsen. Vergleicht man die vereinfachten Werte der perinatalen Zahnbogenbreite von ungefähr 30 mm mit der von Erwachsenen mit 40 mm106, muss der Unterkiefer in den Jahren von der Geburt bis zum 20. Lebensjahr um etwa 10 mm wachsen69. Während der ersten Wechselgebissperiode kommt es nur zu einer geringen Breitenzunahme der Kieferbögen von durchschnittlich 2,0-3,0 mm, wohingegen die Länge um 10-12 mm zunimmt, wodurch das Molarenfeld entsteht – der wichtigste Platzfaktor im posterioren Unterkiefer. Baumrind und Korn konnten ein systematisches laterales Displacement von Implantaten im Alter zwischen 8 und 12 Jahren nachweisen8. Die Schwierigkeiten des Beweises zeugen von dem geringen Ausmaß dieser Breitenzunahme der internen Unterkieferstrukturen im Alter zwischen acht und zwölf Jahren. Hervorzuheben ist aber die potentiell gegensätzliche Meinung Miethkes, die Synarthrose der Knochenspangen des Unterkiefers spiele für die Breitenentwicklung praktisch keine Rolle, ganz im Gegensatz zum V-Wachstum70. Dies verweist auf die Frühbehandlungsphase104, denn Schädeldach und -basis haben 90% ihres Wachstums im Alter von sechs Jahren abgeschlossen114. Auch nach van der Linden ist bei keiner dieser beiden Strukturen ein puberaler Wachstumsschub zu beobachten, beziehungsweise wenn, dann nur von geringer Bedeutung114. Man geht davon aus, dass über die Gelenkpfannen eine Grenze des Breitenwachstums der Mandibel gegeben ist114. Dies ist im Zusammenhang mit dem gesamten Schädelbreitenwachstum zu sehen, das mit etwa 2 bis 3 Jahren beendet ist. Somit ist die endgültige Lage der Gelenkgruben an der Unterseite der Schädelbasis frühzeitig festgelegt, und der Breitenentwicklung der Mandibula sind relativ enge Grenzen gesetzt70. Außerdem findet eine Remodellierung der Kinnprominenz – mit kranialer Rückbildung – statt, wodurch die anterioren Platzverhältnisse eingeschränkt werden108. Die mögliche transversale Bewegung wird durch das Nachlassen der Aktivität des Wachstums erschwert. Während dieses Problem in sagittaler Richtung erst nach der Pubertät auftritt, verlangsamt sich das Breitenwachstum schon um den Zeitpunkt der Geburt. Insgesamt wächst der 15 Kiefer intrauterin vor allem transversal, nach der Geburt entgegengesetzt mehr sagittal und um so weniger in der Breite103. Man kann daraus schließen, dass das größte Transversalwachstum perinatal abgeschlossen ist, woraus Burstones Äußerung resultiert: „Ohne Sutur in der Mandibel ist keine echte skelettale, sondern nur eine dentale Dehnung möglich“21. Matthews meinte 1961, eine Zunahme der intercaninen Dimension ist ab einem Alter von 6 bis 7 Jahren nicht zu erwarten, da zu diesem Zeitpunkt das grundlegende Wachstum der Symphyse als beendet angesehen wird und nur noch eine Zunahme in der Struktur der Mandibula unsere Beobachtung findet66. Nach Matthews Einschätzung ist es „Wunschdenken den Unterkiefer während oder nach der Wechselgebissphase mechanisch zu verbreitern und ein stabiles Ergebnis zu erwarten, [...] desgleichen unnütz einen Retainer zu setzen und zu hoffen, es festigt damit den Platz“66. Das erklärt die Retentionsschwierigkeiten der intercaninen Breite und das Problem der Wachstumszunahme der anterioren Unterkieferregion24. Nach gewöhnlicher transversaler Expansion mit Lingualbogen und Edgewise-Mechanik ist in der Retention ein stabileres Ergebnis im posterioren Anteil des Unterkiefers zu erwarten als anterior im Bereich der intercaninen Breite57. Wenn nun der Abstand intermolar vergrößert werden kann, aber intercanin keine Erweiterung möglich ist, scheint es im Sinne der funktionellen Behandler logisch, früher zu agieren, solange noch genügend transversales Wachstumspotential in der Symphyse vorhanden ist92. Wenn man von einem Idealfall ausgeht, so sollten die Platzverhältnisse im Sinne von Angle ausreichend sein. Das Breitenwachstum sollte dann rein theoretisch aber auch bis zur Einstellung aller Frontzähne noch aktiv sein oder aber über gewisse Reserven verfügen. Die physiologischen Reserven sind durch das Unterkieferwachstum, den Leeway-Space und das alveoläre Wachstum mit dem Zahndurchbruch gegeben. Dabei vergrößert sich der Korpus beinahe in alle Richtungen. Die Zahnbogenausformung und das zircumorale Kräftegleichgewicht stellen zusammen mit einer stabilisierenden Okklusion und Funktion die Grundlage für Stabilität im orofazialen System dar90. Die genetische Veranlagung kann man nicht verändern. Was aber wenn Umweltbedingungen die skelettale Reifung beeinträchtigen. Einige Formen des frontalen Engstandes sind nach Woodside119 neuromuskulären oder umweltbedingten Ursprunges und teilweise auch ohne Behandlung reversibel. 16 4 Der Lipbumper Der „Draht nach Denholtz“28 wurde von Duyzings „Lipbumper“ (Lb) genannt30. Lipbumper nutzen körpereigene Kräfte und zählen daher zu den funktionskieferorthopädischen Geräten. Das aber nur, sofern man ein nur teilweise herausnehmbares und mit Halteelementen versehenes, das heißt nicht lose eingelegtes Gerät überhaupt zu den funktionskieferorthopädischen Geräten rechnet. Zudem sollten funktionskieferorthopädische Geräte im Sinne Andresens und Häupls über den Einbiss die Kieferrelation verändern. Nach Fränkel liegt der Zweck von funktionskieferorthopädischen Geräten sogar nur im Abhalten und Ermöglichen einer anderen Funktion. Da der Lb sowohl Kräfte abhält als auch direkt eine Kraft auf die Molaren ausübt, liegt er zwischen den theoretischen Definitionen. Lipbumper sind unimaxilläre Geräte, im Gegensatz zu ähnlichen funktionellen Apparaturen wie der Mundvorhofplatte. Im Oberkiefer werden sie auch im Sinne von Pelotten eingesetzt. Der im Unterkiefer verwendete Lipbumper ist vielseitig einsetzbar. Subtelny bezeichnet die Verwendung des Lipbumpers im Unterkiefer als gleich bedeutend mit der des Headgears im Oberkiefer109. Die starke Verankerung eines Headgears hat deutliche Vorteile gegenüber einem Lipbumper, schließt gleichzeitig aber die Verwendung im Unterkiefer wegen einer Beeinträchtigung der Kiefergelenke durch Einwirkung von Druckkräften aus. Im Gegensatz zu anderen Molaren aufrichtenden Therapien, wie Platten oder Multiband-Apparaturen, findet bei dem Lipbumper die Abstützung nicht dental, sondern muskulär statt. 4.1 Wirkung des Lipbumpers 4.1.1 Zahnaufrichtung Primäre Wirkung des Lipbumpers ist der aufrichtende Effekt des Lippendrucks auf die Molaren 15,26,35,54,80,85 . Das Aufrichten spielt zur Platzgewinnung bei Engstand eine wichtige Rolle, sorgt für eine bessere parodontale Situation und damit auch eine bessere Prognose bei eventuell folgender Prothetik63. Der Druck der perioralen Muskulatur wird über die Lippen genutzt, indem der Labialbogen diesen auf die ersten oder zweiten Molaren, bzw. den zweiten Milchmolaren überträgt58. Über die nach posterior gerichtete Kraft werden die Molaren gehalten, aufgerichtet oder unter Umständen sogar distalisiert30,52. Bei einem Vergleich der Therapiemethoden steht hier die festsitzende Variante mit Bebänderung 17 mehrerer Zähne, versehen mit Bögen und aufrichtenden Federn, dem halb-herausnehmbaren Lipbumper gegenüber, der daher eine bessere Mitarbeit des Patienten voraussetzt. Sein Vorteil ist die Verankerung in der Lippe, wodurch reziproke Kräfte auf die Zähne, wie bei der EdgewiseTechnik, ausgeschlossen werden. 4.1.2 Platzhalter Die Frühbehandlung und die Korrektur im Wechselgebiss helfen der weiteren normalen Entwicklung und verringern die Notwendigkeit eines späteren kieferorthopädischen oder chirurgischen Eingriffs50,67,68,86,101. Ziele dabei sind Unregelmäßigkeiten der Zahnbogenform, der Okklusion und der Kieferrelation frühzeitig vorzubeugen bzw. zu korrigieren und funktionelle Störungen auszuschalten95. Das Ergebnis der Verankerung mittels Lipbumper ist so einfach wie wirkungsvoll. Durch den Erhalt der Bogenlänge kann der für die Eruption der bleibenden Zähne notwendige Platz erhalten und somit Engständen vorgebeugt werden43,46,47,101. Ohne Vorbehandlung verhindert ein Lb bei 67% der Lb-Patienten eine Mesialbewegung der unteren Molaren. Wenn vor dem Einsatz eines Lb durch Elastics 1 mm distalisiert wird, verhindert er bei 86% eine Mesialbewegung der unteren Molaren bei einer Tragedauer von mindestens 83 Tagen12. 4.1.3 Hemmung von Dyskinesien Wenn keine anderweitigen Gründe dem entgegenstehen, kann durch die Verwendung eines Lipbumpers mit großem labialen Schild die Abstellung von Lippenhabits oder Dyskinesien erreicht werden40,50,109, Subtelny spricht auch von dem „Mentalis-Habit“109. Die schlechte Gewohnheit des Lippenbeißens oder -saugens wird damit verhindert23,29, da das Schild den hyperaktiven M. mentalis abhält. Das vestibuläre Schild macht den Lipbumper zu einem halben funktionskieferorthopädischen Gerät. Die Wirkung liegt im Training regelgerechter Lippenhaltung und damit der Atmung, der Zungenlage und des Mundinnendrucks. Dieselbe Muskulatur, die für die Dysgnathie verantwortlich ist, kann eingespannt werden, um die Malokklusion zu korrigieren50. Das orofaziale System wird harmonisiert und gibt gehemmte zentrifugale Kräfte frei, was eine Entwicklung nach ventral ermöglicht. 18 Bei einem Lb mit Labialbogen kann der spielerische Anreiz eines Drahtbogens bei insuffizientem Lippenschluss im Sinne eines Lippenschlusstrainings für hypotone Lippen eingesetzt werden27. Dieser trainiert die Lippen und die periorale Muskulatur nach myofunktionellen Gesichtspunkten 98. 4.1.4 Engstandsauflösung Zur Engstandsauflösung bedarf es eines stabilen Widerlagers in oder auch außerhalb der Mundhöhle. Dehngeräte wie im Oberkiefer mit Quadhelix oder Pendulum würden die Zunge stören. Die extraorale Verankerung mittels Headgear ist wegen der Kiefergelenksbeeinträchtigung nicht möglich und intraorale Geräte bedürfen einer dentalen Verankerung mitsamt ihrer Nachteile. Einzig ein Implantat umgeht die reziproken Auswirkungen. Daher eignen sich die Lb mit ihrer muskulären Verankerung für die Therapie, die zugleich die körpereigenen Kräfte nutzen, die oftmals auch zu dem klinischen Bild geführt haben. 4.1.4.1 Engstandsauflösung mittels Leeway-Space Die Sicherung des Leeway-Space, der im Unterkiefer im Mittel 1,7 mm beträgt, kombiniert mit dem Platz distal der Molaren ist oft schon ausreichend zur Auflösung eines moderaten Engstands43,46,47,101. Dies ist mit der Platzhalterfunktion des Lipbumpers gut möglich. Durch das Abhalten der Weichteile wird das untere Frontzahnsegment entlastet und die spontane Nachentwicklung in sagittaler und transversaler Richtung gefördert15,79. Die Größe des Gerätes im Vergleich zu anderen Platzhaltern rechtfertigt sich dann, wenn gleichzeitig eine weitere Therapie wie z.B. ein Lippentraining angezeigt ist. 4.1.4.2 Engstandsauflösung mittels Expansion Nach Nance77 gibt es folgende Möglichkeiten der Platzgewinnung im Unterkiefer. Durch Aufrichten gekippter Seitenzähne, Distalbewegung unterer Seitenzähne, durch Labialbewegung der unteren Frontzähne und durch transversale Expansion. Durch eine transversale Aktivierung des Lipbumpers kann hierbei der Unterkiefer vergrößert werden13,36,52,80,116. Dabei hält der Labialbogen das Weichgewebe von der unteren Dentition ab und ermöglicht der Zunge, einen expansiven Druck auf die Seitenzähne auszuüben37. Die Lippen werden durch die Pelotten von den Zähnen abgehalten, was zu 19 einer Protrusion und Proklination der unteren Frontzähne durch die Zunge führt52, wobei aber die Stabilität des Ergebnisses gefährdet werden kann. Durch eine Derotation der Molaren, die TenHoeve mittels Lipbumper beschreibt, werden zudem versteckte Platzreserven im Zahnbogen genutzt30,61,111 (s. Abb. 12). Abb. 12. Derotieren mit Lipbumper; nach 30 4.1.4.3 Engstandsauflösung mit Distalisation Auf der Suche nach einer Möglichkeit im Unterkiefer zu distalisieren, liegt der Vergleich des Lb im Unterkiefer mit dem Headgear im Oberkiefer nahe109. Das Problem eines Headgears als extraorale Verankerung im Unterkiefer ist die Schädigung des Kiefergelenks. Unterschiedliche Ergebnisse von Studien zeigen, wie umstritten die Distalbewegung der Molaren mittels Lipbumper ist. Mit der Empfehlung einer tomographischen Untersuchungstechnik wurde der skelettale Effekt des Lb bestätigt25, doch gleichzeitig auch das geringe Ausmaß der Wirkung deutlich, da erst die feinere Auflösung des Computertomographen die Wirkung beweisen konnte. Das Ausmaß der Molarenbewegung ist aber auch abhängig von technischen Aspekten wie der Schildgröße40,80,118 und des Behandlungszeitraumes12. „Aufgabe eines Unterlippenschildes ist es ausschließlich bei Klasse II/1 […] das Einlagern der Lippe zu verhindern […] bei gleichzeitiger Distalisierung der Sechsjahrmolaren ist ein Lipbumper indiziert“93. Die Funktionskieferorthopädie erreicht eine Positionsänderung der Zähne und der Kieferbasen durch Änderung bzw. Normalisierung der Funktionsmuster der Kau- und orofazialen Muskulatur, einschließlich passiver und keiner aktiven Zahnbewegung. Ein Lipbumper, der sowohl funktionell arbeitet, als auch einen dentalen Angriffspunkt hat, kann jedoch die Zahnbewegung auch entgegen der anterioren Kraftkomponente direkt verursachen5,25,26,30,80,84,99,109. Das Ausmaß dieser Bewegung ist jedoch beschränkt12 (s. Tab. 1). 20 Autor Bjerregard et al. 1980 Molar Distal. (mm) 0 * ohne Schild; ** mit Schild Attarzadeh & Adenwalla 1988 1,5 O´Donnel et al. 1990 0,95 Nevant et al. 1991* -0,02 Autor Osborn et al. 1991 Werner et al. 1994 Davidovitch et al. Davidovitch et al. 1994 1997 Molar Distal. (mm) 0,36 -0,55 1,75 0,61 Nevant et al. 1991** 1,5 Seefeld 2003 0 Tabelle 1. Distalbewegung des Molaren durch Lipbumper. Ein leichter bis mittlerer Engstand bei einer Angle-Klasse I kann mit dem Lipbumper aufgelöst werden26,36,46. Dennoch ist der Platzgewinn nur selten ausreichend, um kieferorthopädisch indizierte Zahnextraktionen zu vermeiden12. Wenn bei ausgeprägtem Engstand oder Platzmangel im Rahmen des Zahndurchbruchs eine Expansion des Zahnbogens nicht ausreicht, kann mittels Klasse-III-Zügen behandelt werden40,101(s. Abb. 13). Mit Klasse-III-Zügen zum Distalisieren der unteren Seitenzähne ist auf diese Weise ein Platzgewinn von 4 mm pro Seite erreichbar, was bei schwachem Muskeltonus von Vorteil ist40. Abb. 13. Kombination mit Klasse-III-Zügen Abb. 14. Headgear-Kombination; nach40 Zur Distalisierung der Seitenzähne bei mandibulärem Engstand wird auch die Kombination eines Lipbumpers mit Headgear im Oberkiefer empfohlen4,120. Hierbei wird eine Angle-Klasse II/1 mit Headgear überkorrigiert, mit dem Lipbumper der Unterkiefer geweitet und anschließend mit KlasseIII-Zügen distalisiert111 (s. Abb. 14). 4.1.5 Bisshebung Fränkel beschreibt den Lipbumper als eine gute Möglichkeit, bei Tiefbissfällen parallel den Biss zu heben37, indem zuerst die zweiten und dann die ersten Molaren bewegt werden. Nach Meinung von 21 Gerety können die ersten und zweiten Molaren gleichzeitig distalisiert werden, damit die Siebener während der Distalisation nicht extrudieren40. 4.1.6 Nebenwirkungen Angaben zu Nebenwirkungen der Lipbumpertherapie sind selten. Der Abstand des Labialbogens zur Zahnreihe schützt die Gingiva labial und ermöglicht eine regelmäßige Hygiene der Bebänderung an den Molaren. An der Unterlippe können durch die Schilde vereinzelt entzündliche Reaktionen auftreten12. Wenn Mucosairritationen bei Anwendung von Stahlbögen auftreten, können Plastikröhrchen oder auf den Draht übergezogene Schläuche aus elastischem Material Linderung verschaffen71. 4.2 Klinik 4.2.1 Labialbogen Ein Lipbumper besteht aus einem im Vestibulum liegenden, starren Bogen aus federhartem Edelstahl, der 1,10 bis 1,14 mm (0.045 inch) stark ist. Manchmal wird nur mit einem aufgeschrumpften Gummibezug des Labialbogens gearbeitet, je nach Indikation; so z.B.: a) bei moderatem Engstand zum Erweitern des Unterkiefer-Frontzahnbogens und Halten des Platzes bei Durchbruchssteuerung40 oder während der nachfolgenden Distalisierung der Seitenzähne mittels Multiband-Apparatur, b) zum einfachen Abhalten der Muskulatur bei Lippenbeißen, c) zum Lippenschlusstraninig56. 4.2.2 Vestibuläre Schilder Vestibulär können Pelotten oder ein Kunststoffschild am Lipbumper angebracht sein. Apikal sollen die Kunststoffschilder in die Umschlagfalte hinein und posterior bis an die ersten Molaren heranreichen. Koronal enden die Pelotten ungefähr an den Labialflächen der unteren Frontzähne. Das Schild darf die Wangen- und Lippenbändchen sowie den Lippenschluss nicht behindern und muss deswegen anatomische Einziehungen aufweisen. 22 In der anterioren Region soll der Abstand des Gerätes zur Gingiva zwischen 4 und 7 mm betragen. Diese Werte variieren stark in der Literatur. Ein größerer Abstand bringt mehr Kraft und schafft mehr Platz. Dabei können durch die vestibulären Schilde rote Eindruckstellen entstehen. Hier muss auf einen schmerzfreien Sitz geachtet werden, damit keine traumatischen Bedingungen auftreten. Auf Höhe der Zähne und mit möglichst großer Ausdehnung bietet ein Schild die beste Kraftangriffsfläche55. Zudem können größere Schilde Lippenhabits abstellen40. In einer Übersichtsarbeit vergleichen Nevant et al.80 Lipbumper mit gummierten Drahtbögen gegenüber vorgefertigten Lipbumpern mit Acrylschild. Die Beschilderten führten dabei zu mehr distal gerichteter Kippung der Molaren und größerer Expansion in der Transversalen80. Anzufügen wäre hier, dass in der Drahtbogengruppe das Gerät alle zwei bis drei Monate aktiviert wurde, während die Schildgruppe alle vier bis fünf Wochen einbestellt wurde. Hodge et al. bestätigen die höhere Kraft von Lipbumpern mit Schild. Sie geben eine 25 - 43% größere Kraft gegenüber Drahtbogen-Lipbumpern an55. 4.2.3 Positionierung Ein Abstand des Labialbogens in der Horizontalen von etwa 2 mm zur Gingiva schont diese und hält die Wangen und Lippen ab. Es sollte also kein Kontakt mit dem Zahnfleisch oder den Zähnen existieren, außer an den bebänderten Molaren. Der Drahtbogen kann im Frontsegment zwischen den Eckzahnschlaufen tiefer gelegt werden als der hintere Anteil des Bogens. Dies erlaubt der Lippe, sich anzulagern und die Front zu stützen40,71. Abb. 15. Labialbogen-Positionierung; nach71 a: mittig b: gingival c: zu viel Platz 23 Zur Labialbewegung der Unterkieferfront wird der Labialbogen ins mittlere Drittel der Krone gelegt (s. Abb. 15 a), ansonsten gingival positioniert (s. Abb. 15 b), damit die Lippe sich stützend anlagern kann40. Die Lippe darf nicht die Möglichkeit haben sich zwischen Drahtbogen und Zähnen einzulagern, da sie sonst einen gegenteiligen Effekt provozieren würde (s. Abb. 15 c)71. Je näher ein Kraftvektor am Widerstandszentrum des Zahnes liegt, desto größer ist das Verhältnis der Translations- zur Rotationsbewegung. Den Ansatzpunkt des Lb so nahe wie möglich an das Widerstandszentrum zu legen, ohne das Parodont zu schädigen, wird über Bajonettbiegungen zu erreichen versucht (s. Abb. 16). Wird die Wirkungslinie der Kraft mit Hilfe einer vertikalen Stufe des Labialbogens von etwa 5 mm durch das Widerstandszentrum des Zahnes geführt, kann der Molar körperlich bewegt werden30. Anders herum kommt es nach Dijkman unbedingt zu Kippungen, wenn diese Stufe nicht eingebogen wird30. Abb. 16. Kraftangriff im Widerstandszentrum; nach30 4.2.4 Einsetzen Der Stahlbogen des Lipbumpers wird in Röhrchen an bebänderten Molaren eingesetzt und horizontal ein- und ausgegliedert. In der Regel sind dies die unteren Sechsjahrmolaren. Vor den Röhrchen können U-Schlaufen, Bajonettbiegungen oder angelötete Stopps zur Verankerung des Bogens dienen. Durch Vordehnen der Apparatur in der Transversalen kann man ein Lingualrollen der Molaren verhindern80. Die Patienten werden alle zwei bis vier Wochen zur Kontrolle oder Justierung des Gerätes einbestellt117. Der „Draht nach Denholtz“ wird zur Aktivierung mit Spiralfeder vor den Röhrchen eingesetzt (s. Abb. 17). 24 Abb. 17. Draht nach Denholtz; nach28 4.2.5 Tragedauer Das Gerät sollte ganztägig getragen werden, auch während der Mahlzeiten, wobei hier die Patientenmitarbeit der ausschlaggebende Faktor ist. Zur Mundhygiene wird der Bogen herausgenommen und geputzt. Die Dauer für welche ein Lb zum Abstellen von Dyskinesien eingegliedert wird, richtet sich nach den funktionellen Gewohnheiten und deren Umstellung. Zur Expansion gibt eine Studie von Murphy et al. einen guten Anhaltspunkt. Sie zeigt, dass während der ersten 100 Tage 50% der gesamten Expansion mittels Lipbumper erreicht werden. Zwischen dem 100. und dem 300. Tag werden weitere 40% gedehnt. In der Zeit nach dem 300. Tag ist nur noch eine weitere 10%ige Erweiterung zu erwarten (s. Abb. 18). Murphy et al. schlussfolgern daraus, dass es unnötig sei, einen Zahnbogen länger als 300 Tage mit Lipbumper zu erweitern74. Abb. 18. Schematische Darstellung der Expansion bei Lipbumpertherapie in Abhängigkeit zur Tragedauer, nach74 25 4.3 Literaturübersicht 4.3.1 Vertikale Effekte Perillo et al. schreiben von einer 0.9 mm höheren dentalen Basis nach einem Jahr Lipbumpertherapie88. Dies kann auf die Bissöffnung bei Zahndistalisation zurückzuführen sein15. 4.3.2 Transversale Effekte Eine Zunahme des Zahnbogenumfangs bei Lipbumpertherapie ist in der Literatur bekannt und wird häufig erwähnt3,15,22,25,26,42,61,71,84,101,109,111. Bei Expansion bewirkt die Zunahme der Zahnbogenbreite um 1 mm eine Vergrößerung des Zahnbogenumfangs von 0,37 mm 73. Die größte Breitenzunahme ist dabei zwischen den Prämolaren zu erwarten71,118, während zwischen den Molaren die Expansion am stabilsten ist48. Der nicht mechanischen, sondern funktionellen Therapie, unter anderem mit dem Lipbumper, schreibt Vanarsdall eine beeindruckende Stabilität der Zahnbogenbreite zu115. Werner et al. berichten über eine auffällige Stabilität der Ergebnisse nach Lb-Therapie. Nach ihrem Ergebnis sind die postretentiv gemessenen Zahnbögen alle breiter als nach Ende der Lb-Behandlung, besonders im anterioren Segment. Gleichzeitige Kronen- und Zahnhalsmessungen zeigen eine vermehrte Transversalbewegung der Wurzeln der Eckzähne und die Zahnbogenlänge nimmt in der Retention ab118. Bei anderen Behandlungsmaßnahmen kommt es meist zu einem Rückfall der gewonnenen intercaninen Distanz nach der Retention20,64,65,87,105. Oft nimmt die Distanz um dieselbe Dimension wieder ab, um die sie gedehnt wurde20,32. Nicht nur die Expansion in der Transversalen, sondern auch die Resultate in der Sagittalen sind dabei nicht von Rückbewegungen verschont5. In einer Übersichtsarbeit wird das Rezidiv der Unterkieferfront als unausweichlich bezeichnet, egal welche Technik benutzt wird105. Auch eine Extraktionstherapie und das Aufrichten unterer Frontzähne schützt dabei auf lange Sicht nicht vor der Ausbildung von Engständen17,32. Durch eine andere Ausformung des Zahnbogens kann man zusätzlichen Platz gewinnen. Bei fixer intercaniner Breite macht eine kontrollierte Frontzahnkippung um 1mm eine Zunahme der Zahnbogenlänge von 1,21 mm in Ellipsen, 1,51 mm in Parabeln und 1,61 mm in Hyperbeln möglich75. Germane et al. berechneten mathematisch, dass eine Zahnbogenlängenzunahme durch Frontzahnprotrusion im Unterkiefer den besten Vergrößerungseffekt des Zahnbogenumfangs hat, gefolgt von 26 der Eckzahn- und als drittes der Molarenexpansion41 (1 x Inzisivi = 2 x Canini = 4 x Molares). Die Molaren- und die Eckzahn-Expansion zusammen erbringen nur wenig mehr als die FrontzahnProtrusion alleine41. Die prozentuale Beteiligung der Front-, Eck- und Seitenzahnbereiche am Platzgewinn wurde von Davidovitch et al. untersucht. Die Verringerung des Engstandes beruht auf einer Verteilung von 4555% durch Unterkieferfrontzahnkippung, 35-50% durch Molarendistalisation und -kippung, sowie 5-10% durch transversale Zahnbogenzunahme25. 4.3.3 Sagittale Effekte Frontzähne In der Sagittalen ist die Protrusion der Unterkieferfront (Auffächerung) bei Lipbumper-Therapie bekannt3,12,23,25,26,40,82,84,99 und gleichzeitig mit am fragwürdigsten. Oft werden Veränderungen in der Sagittalen allein der Frontzahnprotrusion zugesprochen; Gerety bezeichnet es als Mythos, dass die alleinige und unzulängliche Wirkung des Lb die Unterkiefer-Frontzahn-Protrusion sei40. Es gibt Beweise für deutliche Zunahmen der Unterkieferlänge durch verschiedene Anteile von Molarendistalisation gleichzeitig kombiniert mit Frontzahn-Proklination als auch -Protrusion84,99. Eine Studie zu Verankerungsversuchen bei unilateraler Molarendistalisationen mittels Lingualbogen zeigt auf, wie auch mit diesem Verankerungstyp die Unterkieferfront um 7.6° mesial kippt und um 2.6 mm protrudiert. Eine Kombination mit dem Lipbumper verändert diese Werte auf 1.7° und 1.2 mm59. Molaren Manche Autoren stellten nur einen aufrichtenden Effekt des Lb auf die Unterkiefermolaren fest15,109, während andere berichten, dass eine leichte Translation des Widerstandszentrums nach distal bei vornehmlicher Kippung der Front und der Molaren stattfindet78,85. Über eine eindeutige Distalisation der Molaren mittels Lipbumper wird von verschiedenen Autoren berichtet3,5,25,30,61,78,80,82,84,109. Sather et al. zeigten sich „beeindruckt von der Fähigkeit, mit dem Lb eine Distalbewegung zu erreichen“, wobei sie dafür den Headgear zur Vorarbeit benutzten, und den Lipbumper mit KlasseIII-Zügen kombinierten101. Auch andere Autoren geben an, dass deutliche Ergebnisse nur erreicht werden, wenn das Gerät mit dem Tragen intermaxillärer Gummizüge kombiniert wird12,22,40. Andernorts wird die „signifikante Distalisation der Verankerungszähne“ als unerwünschter Effekt 27 angesehen83. Aufgrund unterschiedlicher Angaben ist die distalisierende Wirkung des Lipbumper nicht voll anerkannt. Zudem ist sie in kombinierten Therapien schwer zu vergleichen. Eine weitere Studie mit Anwendung intermaxillärer Züge zeigte, dass die erreichte distale Position der Molaren allein im Zusammenhang mit der Tragedauer des Lipbumpers steht, aber nicht mit der Tragedauer der Elastics12. Die Distalbewegung ist also abhängig von der Tragedauer des Gerätes. Dessen Vorspannung, d.h. wie weit die Position in die Lippe hinein gewählt ist, bestimmt das Ausmaß des Effektes12. Das Konstruktionsdesign, speziell in Bezug auf die Größe der Schilde, hängt direkt mit der übertragenen Kraft und damit auch mit dem Ausmaß der Distalbewegung zusammen80,85. Die Molarenbewegung ist also abhängig vom verwendeten Lipbumpertyp78. 4.3.4 Skelettale Effekte Skelettale Effekte erhofft man sich in der funktionellen Kieferorthopädie, sind aber schwer zu erreichen. Funktionelle Geräte rufen kleine Zunahmen der Unterkieferlänge hervor, deren Ergebnis nicht von den physiologischen Wachstumsvorgängen unterscheidbare, skelettale Veränderungen sind24. Nur selten tauchen Berichte einer signifikanten skelettalen Zunahme auf und die finden meist nur am Ramus ascendens oder den Condylen statt, wie z.B. nach Vanarsdall et al.116 in der Transversalen zwischen den Punkten Antegonion. Und oft sind die Ergebnisse schwer zu vergleichen, wenn, wie bei Vanarsdall et al., zeitgleich im Oberkiefer eine Gaumennahtsprengung durchgeführt wurde. Andererseits wäre es übereilt, die Arbeit von Vanarsdall et al. unter zu bewerten, da nach Grossen und Ingervall eine gleichzeitige Therapie im Oberkiefer keinen Einfluss auf das Ergebnis einer Lb-Behandlung zu haben scheint52. Nach Bishara und Ziaja wird der zur Korrektur einer Angle-Klasse II benötigte Platz von 6 mm mittels Funktionskieferorthopädie durch eine Kombination orthopädischer (30-40%) und dentoalveolärer (60-70%) Wirkung erreicht14. Ganz allgemein stellen die Autoren funktionelle Geräte nicht besser als festsitzende. Sie stellen eine Möglichkeit der Behandlung dar, benötigen dazu aber Kooperation und Wachstum. Zudem sei eine spätere, festsitzende Behandlung praktisch immer notwendig14. Zu einem Durchbruch im Verständnis führt eine Arbeit von Davidovitch et al. über Lipbumper, deren Wirkung tomographisch analysiert wurde. Messtechnisch bedingt gibt es einen signifikanten 28 Unterschied zwischen Messungen mit Tomographen und üblichen Röntgenaufnahmen. Die Standardabweichung ist bei Röntgenaufnahmen größer und die Qualität ist ungenauer gegenüber der Computertomographie. 1994 liefert ein Tomograph Davidovitch et al. signifikante Werte zur sagittalen Lipbumperwirkung25. Die andere Technik zeigt, dass nicht nur eine distale Kippung, sondern tatsächlich auch eine posteriore Translationsbewegung stattfindet. Dieser Effekt tritt bei den klassischen Röntgenbildern nicht signifikant in Erscheinung, auch wenn im Mittel die Werte doppelt so hoch sind und bei der anteroposterioren Bewegungen der Molaren sogar drei mal so hoch. Die Ergebnisse der Röntgenbilder zeigen einen Trend auf, als nicht signifikante, aber in die gleiche Richtung weisende Daten, die denen der computertomographischen Bildauswertung gleichen25. In der Sagittalen sind in den Tomogrammen signifikante Unterschiede im Gegensatz zu klassischen Röntgenbildern zu erkennen, was Auswirkungen auf viele vorangegangene Studien zur Wirkung funktionskieferorthopädischer Geräte hat. Bisher also traten die größten quantitativen Unterschiede in der Bestimmung der Molarenposition bei der Analyse im FRS aufgrund der Einschätzung unterschiedlicher Beobachter auf. Was lange diskutiert wurde, war einfach aufgrund der eingeschränkten technischen Möglichkeiten früher nicht nachweisbar gewesen. 4.3.5 Beziehungen zu Alter, Geschlecht und zweiten Molaren Bei Lipbumperbehandlung konnte keine eindeutige Beziehung gefunden werden zwischen Veränderungen in Umfang oder Länge des Zahnbogens mit Therapiedauer, Zahndurchbruchsstatus oder Alter der Patienten85. Auch das Geschlecht scheint keinen Einfluss zu haben55,85. Selbst die zweiten Molaren üben keinen Einfluss auf die Therapie bzw. den therapeutischen Effekt aus52,84,85. Nur einer aus 300 Personen mit Lipbumperbehandlung wies einen verlagerten zweiten Molar auf53. 4.3.6 Verankerung Der Vorteil des Lipbumpers ist die Lösung des Problems der reziproken Verankerung, bei welchem die Wurzeloberflächen der Frontzähne denen des ersten Molaren gegenüber stehen. Eine maximale oder stationäre, zahnunabhängige Verankerung ist nur mit Hilfe einer extraoralen Apparatur oder mit Implantaten zu erreichen. Intraoral an Zähnen erreicht man eine relative stationäre Abstützung102. Der entscheidende Vorteil der „muskulären Verankerung“28, wie sie bei einem Lip- 29 bumper möglich ist, liegt darin, das reziproke Kräfte nicht direkt auf die Frontzähne übertragen werden. Bei Lipbumpertherapie liegt die Verankerung in der Unterlippe, wodurch die Wurzeloberflächen des ersten Unterkiefer-Molaren dem Lippendruck gegenüberstehen, der sich nach dem Kapsel-Matrix-Prinzip wieder auf die Zähne und Zahnstellung überträgt72. Ohne die Verankerung an Zähnen können die negativen reziproken Auswirkungen wie Kippung und Drehung oder Schädigung des Parodonts und der Ankerzähne anderer kieferorthopädischer Geräte vermieden werden. 4.3.7 Beziehungen zwischen Lipbumpern und zirkumoralen Kräften 4.3.7.1 Kieferorthopädische und orale Kräfte Kräfte des zweiten biologischen Wirkungsgrades, die mit 0,15-0,2 N/cm² auf die Wurzeloberfläche einwirken, sind optimal zur orthodontischen Zahnbewegung, da die desmodontale Blutzirkulation erhalten bleibt49. Dadurch werden Schäden vermieden und kontinuierlich angewandt führen sie zu den erwünschten Umbauvorgängen. Für Zahnbewegungen in der Sagittalen bedeutet die En-faceWurzeloberfläche, dass nur 1/3 bis 1/5 der gesamten Wurzeloberfläche in Bewegungsrichtung zeigt und dort belastet wird. Bei körperlicher Bewegung von Molaren bedeutet dies ein Widerlager von 1,5 bis 2,5 Newton (N), beziehungsweise 0,5-0,75 N bei kippender Bewegung. Dies sind Richtwerte, da es im Einzelfall unmöglich ist, die optimale Kraftgröße zu bestimmen49. Interessant hierbei ist, dass bei Expansion mittels Lb und Zunahme der Zahnbogenlänge inklusive Aufrichten der Sechs-Jahr-Molaren, die zweiten Molaren keinen Einfluss ausüben trotz ihrer verankernden Wurzeloberfläche52,85. Ein Headgear erreicht in den Kraftspitzen Werte von 4-7 N, eine Plattenapparatur bis zu 4 N, und ein Aktivator 3 bis 5 Newton, wobei diese Kräfte nur diskontinuierlich oder intermittierend sind. Beim Sprechen, Kauen und beim Schlucken entstehen die größten Kräfte55 mit gleichzeitig kurzen Wirkungsmomenten. Diese Kräfte gehören zu dem Gleichgewicht des „muskulären Schlauches“ der Dentition. Zu diesem Gleichgewicht gehören auch die Kräfte des parodontalen Ligaments, der Eruption und der Okklusion. Die Hauptfaktoren der auf die Zähne und das harmonische Gleichgewicht wirkenden Kräfte stellen jedoch die schwachen aber lang andauernden Kräfte der Zunge und der Lippen in Ruhe dar91; ähnlich dem Prinzip der therapeutisch angewandten langsamen, kontinuierlichen Kräfte des zweiten biologischen Wirkungsgrades. 30 4.3.7.2 Lipbumper-Kräfte Man unterscheidet zwischen Lippenkraft und Lippendruck. Der Druck resultiert aus dem Gewicht des Weichgewebes ohne Kontraktion der Muskulatur. Dabei gibt es keine Korrelation zwischen Lippenkraft und Lippendruck113. Während mit Schild immer größere Kräfte übertragen werden können als ohne, haben die Dicke und die Höhe der Lippen keinen Einfluss auf die Kräfte55. Die Lippenkräfte, übertragen von Lipbumpern, variieren je nach vertikaler und anteroposteriorer Position55. Zwei Millimeter vor der Front mittig auf Höhe der Zahnkrone liegen sie bei ungefähr 5 g. Demgegenüber liegen sie bei 4 mm Abstand und auf Höhe der Gingiva signifikant höher, bei um die 15 g55. Sakuda und Ishizawa bestimmten den Lippendruck bei Lipbumpertherapie mit 100 bis 400 g, beim Schlucken mit 105 g bis 330 g (46.7-88.7 g/cm²)99. Die Effizienz wird gesteigert, wenn man einen Lipbumper bei kräftiger Muskulatur und erhöhtem Mentalis-Tonus einsetzt51. Auch nach Subtelny und Sakuda ist eine straffe Unterlippe bei der Lipbumpertherapie von Vorteil109. Allein hohe Kräfte sind jedoch nicht der Garant für kieferorthopädische Zahnbewegungen. Nach Bergersen ist der Betrag der Bewegung abhängig von der Dauer der Behandlung. Bergersen hebt außerdem die Abhängigkeit von der Vorspannung in die Lippe hervor, die ausschlaggebend für die Distalbewegung ist12. Es konnte aber bei Lipbumpertherapie kein korrelativer Zusammenhang zwischen Lippen-Kraft und dem Ausmaß der Zahnbewegung festgestellt werden84. Dabei ist anzumerken, dass gerade Bergersen betont, dass eine Indikation zur Extraktionstherapie nicht durch einen Lipbumper abgewendet werden kann12. Die Kombination aus Schildgröße, Vorspannung in die Weichteile hinein und kräftiger Muskulatur spielen also zusammen. Große Schilde entlasten dabei die Lippen12 und vermindern Druckstellen durch Arbeit in physiologischen Kraftbereichen. 4.3.8 Therapiezeitpunkt Der Lipbumper wird im Wechselgebiss gegen Engstände oder deren Etablierung eingesetzt104. Damit gehört er zur Frühbehandlung, mit der generell jede kieferorthopädische Therapie gemeint ist, die vor dem üblichen, dentalen biologischen Behandlungsalter erfolgt. In der Regel findet sie um die zweite oder späte Phase des Wechselgebisses statt; im engeren Sinn spricht man bei Therapie im 31 reinen Milchgebiss von Frühbehandlung, im erweiterten Sinne auch noch während der ersten Wechselgebissphase29. Fürsprecher betonen die Notwendigkeit einer präventiven Therapie, um durch die Frühbehandlung größeren dentalen Problemen zu späteren Zeitpunkten vorzubeugen. So kann bei Patienten mit Engstand eine Lipbumperbehandlung die Notwendigkeit eines späteren und deswegen schwereren Eingriffs ausschliessen50,68,101. Bramante meint hierzu: „Nach einer Phase starker Extraktionstherapie vor Angle, seiner Umkehr und den heutigen Erkenntnissen, dass bei 90% nicht zufrieden stellende Engstände nach der Retentionsphase vorliegen – und wir nicht in der Lage sind die anderen 10% vorherzusagen – bleibt nur übrig zu sagen, dass eine frühere Behandlung zu stabileren Ergebnissen bei NichtExtraktionstherapie führt17. Des Weiteren kommt es zu besserer Leeway-Space-Kontrolle und weniger Karies, zu weniger Fächerständen (Labialkippung) als […] in Nichtextraktions-Fällen […] zu Anfang des Jahrhunderts17“. Die Behandlung von Engständen durch den Erhalt der Bogenlänge ist kurz vor dem Verlust des unteren Milch-Vers bzw. nach Durchbruch der ersten Prämolaren vielversprechend45. So kann der Leeway-Space erhalten werden, der inklusive des Platzes distal der Molaren meist zur Ausformung und der achsengerechten Frontzahneinstellung ausreicht101. 32 5 Indikationen zur Lipbumpertherapie Indikationen der Lipbumpertherapie: - mesial gekippte Seitenzähne - Verankerungsverlust - Dyskinesien der Unterlippe - Engstand - als Retainer nach Expansionstherapie - Rotation der unteren Molaren und Prämolaren - Lingualstand der Unterkiefer-Frontzähne 5.1 Zahnkippung Nach Zahnverlust oder Nichtanlage eines Zahnes können die nachfolgenden Zähne aufwandern. Bedingt durch die Festigkeit des Unterkieferknochens und die peripher angreifenden Okklusionskräfte treten dabei häufig Kippungen auf, die parodontale Nischenbildung mit erschwerter Mundhygiene und therapiebedürftigen Parodontalverhältnissen zur Folge haben. Therapiert wird dies durch das Aufrichten des Zahnes, auch um eventuell folgenden Zähnen Platz zum Durchbrechen zu gewährleisten. 5.2 Zahnwanderung Verfrühte Milchzahnverluste sind Resultat von Traumen, Erkrankungen, schlechter Ernährung mit Karies, entwicklungsbedingten Fehlbildungen oder genetischen Veränderungen wie Dysplasien oder Nichtanlagen. Als Folge kann dabei die Lücke durch das Vorwandern der posterior stehenden Nachbarzähne mehr oder weniger geschlossen werden oder der Antagonist extrudieren, was zu Artikulationsschwierigkeiten führt. Je nach Knochendicke über dem nachfolgenden Zahnkeim kommt es zu einem verfrühten oder verspäteten Durchbruch des bleibenden Zahns. Außerdem kann sich eine Dyskinesie – z.B. mit Zungeneinlagerung in der Lücke – etablieren, die zu weiteren Entwicklungsstörungen führt. Und nicht zuletzt bedeutet vorzeitige Milchzahnextraktion auch immer eine Wachstumshemmung des Kiefers. Wenn die posterior stehende Zahnreihe noch nicht aufgewandert ist, eignet sich zur Therapie ein Lückenhalter, der alle drei Dimensionen der Lücke 33 aufrecht erhält, ohne den Durchbruch des nachfolgenden bleibenden Zahnes zu stören. 5.3 Orofaziale Dyskinesie Zu den orofazialen Dyskinesien gehören alle unnatürlichen Funktionen des Kauorgans, wie Beißen oder Saugen der Wangen, Lippen, Zunge, Bleistiften oder Fingern. Die morphologische Dysfunktion, die in den Therapiebereich des Lipbumpers fällt, ist die Lippendyskinesie. Für die anderen Fehlfunktionen gibt es passendere Geräte, weswegen hier nur auf die Fehlmotorik der Lippen eingegangen wird. Lippendyskinesie Zu Lippenfehlfunktionen zählen Lippenpressen, -saugen und -insuffizienz94. Lippenpressen ist u.a. durch einen hypervalenten M. mentalis bedingt und führt durch eine Stauchung dieser Weichgewebe zu einem Steilstand der Frontzähne. Beim Saugen wird die Unterlippe hinter den oberen Schneidezähnen eingelagert. Die oberen Frontzähne werden dabei protrudiert und die Sagittalentwicklung des anterioren Unterkiefer-Alveolarfortsatzes gehemmt. Oft tritt dieses klinische Bild gemeinsam mit einer Hypervalenz des M. mentalis auf. Anatomisch zu kurze Lippen sind der Grund für eine Insuffizienz. Erst durch aktive Kontraktion des M. orbicularis oris kann der Lippenschluss erreicht werden. 5.4 Dentale Engstände Engstände können vererbt oder durch Mesialwanderungen der Zähne erworben sein. Physiologische Faktoren, die im eugnathen Gebiss zu Engstand führen, sind das im Verhältnis zum Oberkiefer längere Wachstum des Unterkiefers mit gleichzeitiger kranialer Rotation, die kontinuierliche Mesialwanderung der Zähne und ein vertikaler Wachstumstyp mit seinen schmalen apikalen Basen. Man unterscheidet bei Engstand anatomisch den koronalen vom apikalen und den anterioren vom posterioren Engstand. Unter Berücksichtigung der Genese spricht man vom primären, sekundären und tertiären Engstand, wobei der tertiäre Engstand nicht in den Bereich des Lipbumpers fällt. Das Ausmaß des Engstandes wird in Grade eingeteilt. 34 Bei koronalem Engstand ist genügend Platz in der Alveolarbasis vorhanden, weswegen der Engstand durch Dehnen des Zahnbogens aufgelöst werden kann. Beim apikalen Engstand besteht eine anatomisch zu kleine Knochenbasis gegenüber einem relativ groß angelegten Zahnbogen. Er ist oft genetisch bedingt oder als Folge einer transversalen ossären Entwicklungsstörung der Kiefer. Zu dieser Gruppe zählt auch der sogenannte primäre Engstand. Primärer Engstand Der primäre Engstand tritt im Alter von 7-8 Jahren im Bereich der Frontzähne auf. Er ist genetisch bedingt durch eine kleine Kieferbasis mit im Gegensatz dazu relativ großen Zähnen charakterisiert. Die kleine Knochenbasis ist Ursache für den Durchbruch der Zähne in der Anordnung ihrer Keimstellung, wobei die typischen Dachziegel-, Staffel-, Pflugschar- oder Flügeltürformationen der Zähne auftreten. Das Auftreten des Engstandes an den Frontzähnen definiert den anterioren Engstand. Sekundärer Engstand Von sekundärem Engstand spricht man, wenn der Platzmangel aufgrund exogener Faktoren erworben wurde. Die Engstandsform tritt meistens im Bereich der Stützzone auf. Die Stützzone wird von den Milcheckzähnen und den Milchmolaren gebildet. Die Milchmolaren sind etwas größer als die nachfolgenden bleibenden Zähne; die Summe dieses Größenunterschiedes wird als LeewaySpace bezeichnet. Die Milchzähne der Stützzone dienen normalerweise den bleibenden Zähnen als Platzhalter und gewähren mit dem Leeway-Space als Platzreserve den störungsfreien Durchbruch des bleibenden 3ers, 4ers und 5ers. Sekundärer Engstand entsteht daher erst im Laufe des Zahnwechsels durch Milchzahnkaries mit Kontaktpunktverlust, vorzeitiger Milchzahnextraktion, Zahnbogenverformung, Zahnstellungsanomalien, unterminierender Resorption an den zweiten Milchmolaren oder Milchzahn-Ankylosen. Anschliessend führt die anteriore Kraftkomponente dazu, dass die distal der Lücke stehenden Zähne aufwandern beziehungsweise nach mesial kippen. Es kommt zum Stützzoneneinbruch. Dieser sagittale Platzverlust ist exogener Natur, was einer erworbenen Anomalie entspricht. 35 Engstandsgrade Die Einteilung von Engständen erfolgt nach deren Ausmaß, was für die Therapieentscheidung wichtig ist. Nach Graden werden Engstände wie folgt eingeteilt: Von Engstand ersten Grades spricht man, wenn eine leichte oder geringe Stellungsanomalie der Frontzähne vorliegt ohne Beteiligung in der Stützzone oder wenn, dann nur in der Stützzone. Bei Engstand zweiten Grades liegt eine deutliche Stellungsanomalie der Frontzähne vor, mit oder ohne Platzverlust in der Stützzone. Bei einem Engstand dritten Grades bestehen ausgeprägte Stellungsanomalien mit einem Platzmangel größer als die Breite des seitlichen Schneidezahnes und die Stützzonen sind ungünstig. Engstände mit einem Platzmangel bis zu 2 mm werden als leicht bezeichnet, bis 4,5 mm gelten sie als moderat und darüber als schwerer Engstand. Zur Engstandsprognose gibt es nach Gianelly44 drei Parameter, die beachtet werden sollen: - Das Fehlen von interdentalen Lücken im Milchgebiss - Engstand der bleibenden Frontzähne bereits im Wechselgebiss - Frühzeitiger Verlust eines Milcheckzahnes als Anzeichen dafür, dass der bleibende 2er nicht genügend Platz für den anstehenden Durchbruch hat. 5.5 Kontraindikation Die Begrenzung der Lipbumpertherapie liegt darin, dass sie allein durch Abschirmung lokaler Einflüsse erbbedingte dysplastische Entwicklungen nicht hemmen kann93. Bei dentalen oder skelettalen Klasse-III-Anomalien besteht durch die vestibulären Schilder die Gefahr der Verstärkung des transversalen und möglicherweise sagittalen Unterkieferwachstums, was zusammen mit der Therapie-bedingten Proklination der unteren Inzisivi zu einem negativen Überbiss der Kiefer führen kann. 36 6 Fragestellung Die Angaben zur Lipbumper-Wirkung auf den unteren Zahnbogen sind in der Fachliteratur sehr unterschiedlich. Daher sollte mit einer differenzierten Auswertungstechnik anhand der FRS-Bilder kieferorthopädischer Patienten, die mit diesem Gerät behandelt wurden, und durch Vergleich mit einem unbehandelten Kontrollkollektiv der Effekt dieser Apparatur neu evaluiert werden. Mit der Röntgen-Überlagerungsmethode nach Baumrind et al.9,10 können die orthopädischen und orthodontischen Anteile der Bewegung des ersten unteren Molaren differenziert werden. Damit soll die orthodontische Bewegung des Molaren und der Frontzähne, sowie deren Inklination im Zusammenhang mit dem Platzgewinn im Zahnbogen bei Lipbumper-Therapie untersucht werden. Auf diese Weise kann beobachtet werden, inwiefern der Platzgewinn aus der Kippung der Front, der Aufrichtung der Molaren oder aus der körperlichen Bewegung der Zähne stammt. 37 7 Material und Methode In der Studie wurde retrospektiv die Zahnbewegung des Sechs-Jahr-Molaren des Unterkiefers unter Lipbumpertherapie mittels der Überlagerungstechnik nach Baumrind et al.9,10 untersucht. Mit dieser Methode kann zwischen lokaler und entfernter Verlagerung differenziert und die orthopädische und die orthodontische Komponente der Zahnbewegung analysiert werden. Daraus wird ersichtlich, zu welchen Anteilen die Engstandsauflösung mittels Lipbumper erfolgt und welche Rolle dabei die relative alveoläre Lageänderung des ersten Unterkiefermolaren spielt. Hierfür wurden die prä- und posttherapeutischen Fernröntgenseitenbilder (FRS) von 14 kieferorthopädisch behandelten Patienten mit Engstandssituationen im Wechselgebissalter ausgewertet und mit einer Gruppe Jugendlicher ohne Therapie verglichen. 7.1 Patientengut Aus dem Archiv der kieferorthopädischen Abteilung des Universitätsklinikums Freiburg wurden 14 Patienten gewählt. Folgende Selektionskriterien wurden angewendet: - Zeitpunkt der Behandlung im Wechselgebiss - Kaukasischer Typus mit skelettaler oder dentaler Klasse I oder II mit Indikation zur Distalisation bzw. Stabilisierung des Zahnbogens mittels Lipbumper - gute Compliance, sowohl bei der Mundhygiene, als auch des Therapiegerätes; Beurteilung anhand der Patientendokumentation - Therapiedauer mindestens 6 Monate - Röntgenbilder in ausreichender Qualität in Bezug auf die notwendigen Messpunkte, gute Kopfposition, d.h. minimale oder keine Rotation des Kopfes, angefertigt sowohl prä- als auch posttherapeutisch. Ausschlusskriterien waren: - Abstand zwischen Therapie und Röntgenbild länger als 12 Monate - dentale und skelettale Klasse-III-Anomalien. Geschlecht und Alter gingen in die Statistik mit ein. Da es sich um eine retrospektive Studie handelt, konnten anderweitige Therapieformen im 38 Gegenkiefer nicht ausgeschlossen werden. Es gestaltete sich als schwierig, identische Patienten zu finden oder ein Röntgenbild, auf welchem nicht Effekte anderer Geräte integriert waren, die in der Zeit vor der zweiten Aufnahme im gleichen Kiefer benutzt wurden. Insgesamt blieben nach der Selektion nur 14 Patienten übrig. Die Patienten wurden so ausgesucht, dass der Abstand zwischen Therapie und Röntgenaufnahme möglichst gering ausfiel. Damit sollten Auswirkungen anderer Behandlungsgeräte so weit es möglich war, ausgeschlossen werden. Dennoch betrug bei einem Patienten der Abstand zwischen Röntgenbild und Therapie 12 Monate. Für die Vergleichsgruppe wurden Röntgenbilder aus dem Archiv der Poliklinik für Kieferorthopädie des Universitätsklinikums der LMU München benutzt. Diese wurden so ausgewählt, dass sie dem chronologischen Alter der zu vergleichenden Studiengruppe möglichst nahe kamen. Die Kontrollgruppe stammt aus einem seltenen Kollektiv nicht kieferorthopädisch behandelter Patienten, die nach dem Winkel SNA (>81°>) eingeteilt sind, wobei für jeden Patienten der Untersuchungsgruppe das Pendant mit dem passenden Typus ausgewählt wurde. 7.2 Behandlungsgerät 7.2.1 Lipbumper-Design Zur Therapie wurden Lipbumper vom Typ Unit eingesetzt. Von einem frontal in der Umschlagfalte des Unterkiefers gelegenen Kunststoffschild führten Drähte entlang des Vestibulums zu den Röhrchen der bebänderten 6-Jahr-Molaren. Das Kunststoffschild befand sich labial zwischen den Eckzähnen mit einer Dicke von ungefähr 3 mm und ca. 5 mm Höhe. Der Draht war ein 1,14 mm starker federharter Edelstahl, der in Röhrchen an den Bändern der Unterkiefer-6-Jahr-Molaren inserierte. Die zweiten Molaren wurden nicht in das Therapiegerät mit einbezogen. 7.2.2 Positionierung Ein mittlerer Abstand der Therapiegeräte von 2 mm vom Gingivaverlauf wurde in der Horizontalen eingehalten. In der Vertikalen reichten sie koronal bis zur marginalen Gingiva und kaudal behinderten sie nicht die Bewegung des Lippenbändchens. Die Position wurde durch U-Schlaufen vor den Röhrchen der ersten Molaren des Unterkiefers gesichert. 39 7.2.3 Manipulation und Kontrollen Recalls zur Betreuung der Patienten und Einstellung der Geräte fanden alle zwei bis vier Wochen in der Abteilung für Kieferorthopädie des Universitätsklinikums Freiburg statt. 7.3 Dokumentation und Auswertung Von allen Patienten wurden sowohl vor als auch nach der Therapie FRS-Bilder und KieferSituationsmodelle angefertigt. Die Ergebnisse stellen die an Hand der Röntgenbilder und der Modelle gemessenen prä- und posttherapeutischen Veränderungen bzw. Bewegungen des Unterkiefer-6-Jahr-Molaren dar. Die Modellanalyse und kephalometrische Vermessung der Fernröntgenseitenbilder wurde in allen Fällen durch dieselbe Person ausgewertet. Insgesamt wurden in die röntgenologische Auswertung 10 Referenzpunkte einbezogen (s. Kap. 7.6.2), zwei dentale Winkelmessungen (s. Kap. 7.6.6), die Y-Achse zur Bestimmung des Wachstumstyps und der Parameter Distanz des mittleren unteren Schneidezahnes zur Linie N-Pog (1̄ -NPog) für die Engstandsanalyse. Des weiteren wurden, neben der Engstandsanalyse am Modell (s. Kap. 7.4), das Alter, Geschlecht, die Therapiedauer und eine gleichzeitige Therapie im Oberkiefer in die Dokumentation aufgenommen (s. Kap. 7.7). 7.4 Odontometrische Analyse Die odontometrische Analyse der Ober- und Unterkiefermodelle eignet sich, insbesondere bei retrospektiven Studien, durch die Dauerhaftigkeit der verwendeten Gipsmodelle als Instrument der qualitativen Vermessung der Veränderung des Zahnbogens. In dieser Arbeit wurden Modellmessungen zur Einschätzung des Engstandes und dessen therapeutischer Veränderung vorgenommen. Dazu wurde die Platzanalyse nach Nance durchgeführt. Der Vergleich zwischen prä- und posttherapeutischen Situationsmodellen zeigt die Auswirkungen der physiologischen Wachstumsvorgänge und die der beeinflussenden kieferorthopädischen Therapie. Alle Modelle wurden über einen Alginatabdruck aus Alabastergips hergestellt und wiesen somit, die gegebene, natürliche Variation inbegriffen, dieselben Expansionssprünge auf. Die Modelle wurden alle gesockelt und parallel zur Kau-, Tuber- und Raphe-Median-Ebene getrimmt. Ein Situationsbiss aus Wachs diente der patientengerechten Kieferrelationsbestimmung. 40 7.4.1 Platzanalyse und Diskrepanzberechnung Die Platzbedarfsanalyse nach Nance wurde am Unterkiefergipsmodell durchgeführt, bei der die Differenz zwischen Platzangebot und -bedarf ermittelt wird. Ideale Zahnbogenbreiten, d.h. jeder Zahn einzeln in mesio-distaler Breite abgegriffen, wurden von mesial 6 bis mesial 6 bestimmt. Die Ist-Bogenlänge wurde mit einem weichen, der individuellen Zahnbogenform nachkonturierten Messingdraht abgegriffen (s. Abb. 19). Am geraden Draht wurde die Distanz zwischen den mesialen Kontaktpunkten der Sechsjahrmolaren abgemessen. Abb. 19. Platzangebot mesial 6 Die Differenz zwischen Soll- und Ist-Wert der Zahnbogenlänge ergab den Platzmangel, wenn der Wert negativ war, bzw. bei positiven Zahlen die Platzreserve. Zur Bestimmung der Totalen Diskrepanz wurde die Kippung der Front und die Speekurve (s. Abb. 20) eingeschlossen. Dazu wurde das Ausmaß der Speekurve in Millimetern vom Platzangebot subtrahiert. In der Abteilung für Kieferorthopädie wird therapeutisch ein Nullwert der Spee-Kurve angestrebt. Das Ergebnis halbiert ergab die dentale Diskrepanz pro Kieferhälfte. Abb. 20. Speekurve; nach94 Der Abstand der Schneidekante des unteren mittleren Schneidezahns (¯ 1) zur N-Pog-Linie im FRS (s. Abb. 21) soll im Unterkiefer einen physiologischen Bereich von +/-2mm betragen. Die Werte der dentalen und sagittalen Diskrepanz wurden addiert, um die totale Diskrepanz pro Kieferhälfte zu bestimmen. Der Messwert der dentalen Diskrepanz wurde dabei halbiert, da die sagittale Diskrepanz 41 nur eine unilaterale Analyse darstellt. Abb. 21. Sagittale Diskrepanz 1̄ - NPog; nach94 Rotationen aller in die Messung einbezogenen Zähne fließen in die horizontalen Messungen mit ein, da sie Platz zur Korrektur benötigen. Beispiel Diskrepanzberechnung für den Unterkiefer: Dentale Diskrepanz Sagittale Diskrepanz Platzangebot : 50 mm 1-N-Pog : - 5 mm Platzbedarf : -58 mm SD : + 5 mm Spee-Kurve : - 4 mm Summe DD : - 12 mm + 5 mm 1/2→ DD/2 Totale Diskrepanz / Kieferhälfte - 6 mm : - 1 mm 7.5 Röntgenkephalometrische Analyse Die röntgenkephalometrische Auswertung wurde mit einer Superimpositionstechnik von Fernröntgenseitenbildern nach Baumrind et al.9,10 durchgeführt. Für diese Überlagerungstechnik wurden Röntgenbilder verwendet, die in der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg im Verlauf der Therapie angefertigt wurden. Für die Platzbedarfsmessung (s. Kap. 7.4) wurde der Abstand der Inzisalkante des am weitesten labial stehenden unteren Einsers senkrecht zur Verbindungslinie von Nasion zu Pogonion gemessen (Uk1̄ -N-Pog). Zusätzlich wurden die Veränderungen des Inklinationswinkels des ersten unteren Molaren und des ersten unteren Frontzahnes zur Mandibularlinie gemessen (s. Kap. 7.6.6). Die 42 Röntgenbilder wurden vom Autor mit einem 0,5 mm starken Bleistift auf Acetatfolie gezeichnet und ausgewertet. Man kann bei der Röntgenbildanalyse zwischen individueller Methode und der Überlagerungstechnik unterschieden. Mit der Auswertung von Fernröntgenseitenbildern nach der individuellen Methode kann mittels linearen und Winkelmessungen ein Bild der sagittalen und vertikalen kraniofazialen Verhältnisse und deren Veränderungen erstellt und beobachtet werden. Eine andere Technik, die nach Brodie19 von William Downs entwickelt wurde, ist die so genannte Superimpositionstechnik. Durch direkte Überlagerung der Röntgenbilder auf bestimmten Punkten wie z.B. Sella oder auf anatomischen Strukturen wie der Knochenkontur der Mandibula, kann der Wachstumsunterschied mit nur einer Messung dargestellt werden. Baumrind et al.10 verwendeten diese Methode erfolgreich und beschrieben mit ihr die globalen und lokalen Anteile des Knochenwachstums9,10. Alle FRS-Bilder aus Freiburg wurden mit einem Kephalostaten angefertigt, mit dessen Hilfe die Medianebene des Kopfes in 0,18 m Entfernung parallel zur Filmebene ausgerichtet wurde. In Freiburg traf der Röntgenstrahl mit einer Röhrenspannung von 85 kV aus einem Abstand von 4 m auf die Filmkassette. Durch diese Aufnahmetechnik entstand ein konstanter Vergrößerungsfaktor von 1,026, was einer Vergrößerung von 2,6% entspricht. Die Vergleichsbilder der Kontrollgruppe aus der kieferorthopädischen Abteilung der LMU München wurden mit einem Abstand von 0,18 m von der Midsagittalebene des Kopfes zur Filmkassette und 1,5 m zum Brennpunkt angefertigt, weswegen der Vergrößerungsfaktor bei 7,1% lag, beziehungsweise 1,071. Daraus ergab sich ein Faktor von gerundeten 0,958 = 1,026/1,071 der in die Werte der Münchener Gruppe eingerechnet wurde. 7.6 Methode 7.6.1 Superimpositionstechnik Die hier verwendete Überlagerungstechnik nach Baumrind et al.9,10, dient zur Unterscheidung von Umbau- und Umlagerungsprozessen. In dieser Studie wurde diese Technik auf die Bewegung der Krone des unteren Sechsers (6c) (s. Abb. 22) und dessen Apex (6a) angewandt. Mit der Superim- 43 positionstechnik sollten die wachstumsbedingten und therapeutisch induzierten Anteile der Bewegung des ersten unteren Molaren dargestellt und im Verhältnis zu anderen skelettalen Bezugspunkten betrachtet werden. Zu diesen gehörten die röntgenkephalometrischen Referenzpunkte Pogonion (Pog), Menton (Me), Gonion (Go) und Condylion (Co). Außerdem wurden die Punkte Inzision inferior (1̄ i) und der Apexpunkt des am weitesten labial stehenden mittleren unteren Frontzahnes (1a) in die Auswertung eingeschlossen. Abb. 22. Referenzpunkte 7.6.2 Referenzpunkte Insgesamt wurden 10 Referenzpunkte und die Distanz 1̄ -NPog für die Engstandsanalyse (s. Kap. 7.4) ausgewertet. Die hier verwendeten Referenzpunkte sind in Tabelle 2 erläutert und in Abb. 22 dargestellt. Alle Darstellungen sind nicht originalgetreu dimensioniert und wurden zum besseren Verständnis bearbeitet. Die Messung der Bezugspunkte wurde immer parallel zur vorderen Schädelbasis vorgenommen und ist daher vergleichbar in Bezug auf ihre Bewegungsrichtungen. Aus dem Unterschied der lokalen Verlagerung zwischen Studien- und Kontrollgruppe ist der orthodontische Effekt erkennbar. 44 Tabelle 2. Definition der Referenzpunkte 1 N Nasion Vorderster Punkt der Sutura naso-frontalis in der Median-Sagittal-Ebene. 2 S Sella Mittelpunkt der Fossa hypophysialis. 3 Cond Condylion 4 6c Coronal Uk6 5 6a Apicale Uk 6 6 1i Inzision 1̄ 7 1a Apicale 1̄ 8 Pog Pogonion Vorderster Punkt des knöchernen Kinns in der Median-Sagittal-Ebene. 9 Me Menton Kaudalster Punkt der Symphysenkontur. 10 Go Gonion Ein konstruierter Punkt; der Tangentenschnittpunkte der hinteren Ramuslinie mit der Linie des Mandibularplanums. Am weitesten kraniodorsal und bilateral liegender Punkt am Hinterrand des Processus condylaris. Die mesiobukkale Höckerspitze des am weitesten anterior liegenden unteren ersten Molaren. Die mesiale Wurzelspitze des am weitesten anterior liegenden unteren ersten Molaren. Die Spitze der Inzisalkante des am weitesten anterior liegenden unteren mittleren Schneidezahns. Die Wurzelspitze des am weitesten anterior liegenden mittleren unteren Schneidezahns. Abb. 23. Numerierung bei der Überlagerungstechnik. - Systematisierung der Referenzpunkte: Z1S (1) für den Messpunkt des ersten Zeitpunktes bei Überlagerung auf den anatomischen Strukturen der vorderen Schädelbasis; in den Schemata gekennzeichnet als 1. Z1M (2) für den Messpunkt des ersten Zeitpunktes bei Überlagerung auf den anatomischen Strukturen der Mandibula; in den Schemata gekennzeichnet als 2. Z2 (3) für den Messpunkt des zweiten Zeitpunktes, der bei beiden Überlagerungen identisch ist; in den Schemata gekennzeichnet als 3. 45 7.6.3 Anwendung der Superimpositionstechnik Aus einer Verlaufskontrolle wurden die prä- und posttherapeutischen Röntgenbilder ausgewählt und einmal parallel zur Strecke Sella-Nasion im Punkte Sella, sowie einmal auf der Kontur der Mandibula überlagert. Die relevanten kephalometrischen Messpunkte und wichtigsten Umrisse wurden auf eine Acetatfolie übertragen und wie folgt (s. Abb. 23) numeriert Mandibuläre Überlagerung Wurden die Bilder auf der äußeren kaudalen Kontur des Corpus mandibulae überlagert, sprach man von einer „besten Anpassung“ der überlagerten anatomischen Strukturen des Unterkieferkörpers7. Relativ zum Umriss der Mandibula lagen die Messpunkte dann genau dort, wo sie lokalisiert gewesen wären, wenn sich die Mandibula nicht durch Umbau- und Verlagerungsprozesse bewegt hätte. Durch die Überlagerung wurde der lokale remodellierende Umbau bzw. die orthodontische Verlagerung sichtbar gemacht (s. Abb. 24). Die Superimpositionstechnik auf dem Umriss der Mandibula zeigte also simultan die lokale Remodellierung und die orthodontische Verlagerung; eventuelle, nicht kontrollierbare, intermaxilläre interferierende Faktoren sowie Zeichenfehler ausgenommen. Abb. 24. Überlagerung der Röntgenbilder auf den anatomischen Strukturen der Mandibula, zur Bestimmung der lokalen Remodellierung bzw. der orthodontischen Verlagerung, dargestellt durch Pfeile (→). 46 Überlagerung auf der vorderen Schädelbasis Die Überlagerung auf der vorderen Schädelbasis (im folgenden auch VSB genannt) erfolgte im Punkt Sella auf der Strecke S-N. Durch Überlagerung auf der vorderen Schädelbasis wurde die kombinierte, lokal und fern ausgelöste Verlagerung des Referenzpunktes, das heißt die totale Verlagerung, dargestellt (Vektor 3, s. Abb. 25). Abb. 25. Überlagerung 2. Röntgenbild des ersten und des zweiten Zeitpunktes auf bester Passung der anatomischen Strukturen der vorderen Schädelbasis überlagert, zur Bestimmung der orthopädischen Verlagerung. Vektor 3. 7.6.4 Orthopädische Verlagerung Nach Kombination der beiden Überlagerungen stellte sich ein Dreieck der Punkte mit einem drittem Vektor zwischen den Punkten Z1S und Z1M als Resultat dar. Er repräsentierte die orthopädische Verlagerung (Vektor 1, vergleiche Abb. 26 und 27), da er von Sella aus gesehen die Summe der gesamten Veränderungen (Vektor 3) abzüglich der lokalen Remodellierung (Vektor 2) darstellte; das heißt der Vektor war das Resultat aus der Summe der gesamten und der lokalen Remodellierung und repräsentierte die orthopädische Verlagerung (V3 - V2 = V1). 47 Abb. 26. Die drei Wachstumsvektoren im Koordinatensystem. L – lokale Remodellierung, S – sekundäres Displacement, T – totale Verlagerung. Die Referenzpunkte des resultierenden Vektors (Z1M oder 2) lagen genau dort, wo sie gewesen wären, wenn in der Zeit zwischen den Zeitpunkten 1 und 2 keine intramaxilläre Bewegung, also keine lokale Verlagerung, stattgefunden hätte (s. Abb. 25, Vektor von 1 nach 2). Vektoren zwischen den Messpunkten: Die Vektoren ergeben sich aus den Verbindungslinien der Punkte nach folgender Ordnung: Vektor 1 (S) – von Z1S (1) zu Z1M (2) Distanz desselben Referenzpunktes von sogar demselben Röntgenbild des ersten Zeitpunktes– einmal gezeichnet bei Überlagerung auf den Strukturen der Mandibula des späteren Röntgenbildes und ein anderes Mal gezeichnet bei Superimposition auf der S-N-Linie mit Zentrierung in Sella. Also dient das spätere Bild (Z2) zur Orientierung in welche Richtung der Unterkiefer wächst und wo genau die Überlagerung auf den mandibulären Strukturen stattfinden soll. Dieser Vektor stellt die orthopädische Verlagerung oder Überlagerungstranslokation, das sekundäre Displacement des ersten Unterkiefermolaren dar. Rechnerisch die Differenz von Vektor 3 –Vektor 2=V1 (S). Vektor 2 (L) – von Z1M (2) zu Z2 (3) Distanz desselben Referenzpunktes, wenn die Röntgenbilder auf den anatomischen Strukturen der Mandibula superimpositioniert werden, zur Bestimmung der orthodontischen Verlagerung bzw. der lokalen Remodellierung (L). 48 Abb. 27. Kombination der Überlagerungen 2-3 = V2 und 1-3 = V3 mit resultierendem Vektor 1-2 =V1 V3 (T) – von Z1S (1) zu Z2 (3) Distanz desselben Referenzpunktes, wenn die Röntgenbilder auf der S-N-Linie superimpositioniert werden, zur Bestimmung der kombinierten orthodontischen und orthopädischen Verlagerung, bzw. der kombinierten lokalen Remodellierung und der Überlagerungstranslokation, also der totalen Verlagerung (T). Einfacher ausgedrückt wurden bei dieser Methode der Auswertung die Röntgenbilder zweimal überlagert; einmal auf der VSB und einmal auf der anatomischen Struktur der Mandibula. Der Vektor von „VSB“ zum späteren Bild der „Mandibula“ war die kombinierte Bewegung des Referenzpunktes. Der Vektor der auf dem Unterkiefer überlagerten Bilder zeigte seine lokale Verlagerung oder Remodellierung. Daraus ergab sich der orthopädische Vektor, der von „VSB“ zum Röntgenbild jüngeren Datums reichte. Der lokale Anteil der Bewegung der Untersuchungsgruppe wurde anschließend mit dem der nicht behandelten Kontrollgruppe verglichen. Dies ermöglichte es, Schlüsse über orthodontische Einflüsse auf die lokale Remodellierung zu ziehen. Wenn im Vergleich deutliche Änderungen des Bewegungsausmaßes in der Studiengruppe sichtbar waren, repräsentierte dies den Effekt der kieferorthopädischen Maßnahme. 49 7.6.5 Nomenklatur zu den Überlagerungen Bei der Bezeichnung der Vektoren für die unterschiedlichen Wachstumsanteile wird nach Baumrind et al.9,10 zwischen ossären und dentalen Referenzpunkten unterschieden. Wachstum oder Remodellierung von Knochen wird als lokale Remodellierung betitelt; dentale, lokale Verlagerungen werden orthodontisches Verlagerung genannt. Verlagerungen durch sekundäres Displacement werden für ossäre Referenzpunkte Überlagerungstranslokation und für dentale Punkte orthopädische Verlagerung genannt. Die Abbildungen wurden demnach wie folgend beschriftet: S sekundäres Displacement oder Überlagerungstranslokation, auch orthopädische Verlagerung dentaler Referenzpunkte. L lokale Remodellierung ossärer Strukturen, auch orthodontische Verlagerung9 dentaler Referenzpunkte; lokale Verlagerung dentaler Punkte der Kontrollgruppe. T totale Verlagerung, Summe aus sekundärem Displacement und lokaler Remodellation. 7.6.6 Messung und Koordinatensystem Zur Auswertung wurde die X-Achse des Koordinatensystems parallel zu S-N konstruiert. Die Y-Achse lag im rechten Winkel dazu mit positiven Werten nach unten gemessen (s. Abb. 28). Abb. 28. Zuordnung der Vorzeichen in den vier Quadranten des Koordinatensystems (x/y). 50 7.6.7 Winkelmessung Zur Kontrolle der Überlagerungsbilder wurden die Winkel des ersten unteren Molaren und des ersten unteren Frontzahnes zur Mandibularlinie gemessen. Die Gerade durch den Molar wurde dabei durch die Punkte 6a und 6c gelegt (s. Abb. 29), genauso wie für den Frontzahn die Punkte 1a und 1i als Anhaltspunkte dienten (Referenzpunkte siehe Kap. 7.6.2, Abb. 22 und Tab. 2). Die beiden Winkel wurden für den direkten Vergleich der beiden Zähne nach ventral hin gemessen. Abb. 29. Winkelmessung Zur Bestimmung des Wachstumstyps wurde die Y-Achse ausgewertet. Dieser Winkel wird zwischen den Geraden N-S und S-Gn gemessen. Bei einem Y-Achsen-Wert von über 66° spricht man von einem vertikalen Wachstumsmuster, was eine dorsokaudale Schwenkung des Unterkiefers zur Folge hat; ein Wert von weniger als 66° wird als horizontaler Wachstumstyp bezeichnet, das zu einer Ventrokranialschwenkung der Mandibel führt (s. Abb. 30). Abb. 30: Winkelmessung zwischen N-S und S-Gn zur Bestimmung der Y-Achse. Die Variationen der Symphyse stellen die knöchernen Auswirkungen bei vermehrtem vertikalen, bzw. horizontalen Wachtsum dar. 51 7.7 Therapie im Oberkiefer Gleichzeitige kieferorthopädische Maßnahmen im Oberkiefer wurden auch aufgenommen, um unterschiedliche Einflüsse aufzuzeigen. Sie wurden nicht gesondert ausgewertet, da das Spektrum der Vorbehandlungen eine starke Diversität zeigte und die Studiengruppe sehr klein war. 7.8 Statistische Auswertung Die an den Fernröntgenseitenbildern gemessenen Variablen wurden mit dem Statistikprogramm SPSS® (SPSS Inc., Chicago, IL, USA) mit Unterstützung des Instituts für Medizinische Biometrie und Medizinische Informatik der Universität Freiburg ausgewertet und die Unterschiede in den Gruppen bzw. zwischen den Gruppen auf Signifikanz geprüft. Aufgrund des sehr kleinen Kollektivs konnte nicht von einer Normalverteilung ausgegangen werden, weswegen ein unverbundener Wilcoxon-Test1 durchgeführt wurde. Dazu wurden die Bewegungen der röntgenkephalometrischen Referenzpunkte, die Zahninklination und das Platzangebot im Zahnbogen mit einer unbehandelten Kontrollgruppe verglichen und auf Signifikanz geprüft. Für das Maß der Stabilität wurden die Wiederholungsmessungen mit der Methode nach Bland und Altman16 geprüft. Die Unabhängigkeit der Merkmale wurde mit einem Chi-Quadrat-Test der untersuchten Variablen überprüft. Das Signifikanzniveau wurde auf p = 0,05 festgelegt. 52 8 Ergebnisse 8.1 Methodischer Fehler Das sehr kleine Kollektiv ließ den Schluss auf eine Kausalität nicht zu und Korrelationen konnten daher zufallsbedingt sein. Aufgrund der wenigen Patienten dieser Studie kam es zu einer großen Streuung der Messwerte. Die große Standardabweichung garantierte wenig Mittelwertsicherheit. Dazu lagen die Effekte in der Größe der Messungenauigkeit, sodass signifikante Unterschiede schwer zu erreichen waren. Die FRS aller 14 Patienten der Untersuchungsgruppe wurden drei Wochen nach der ersten Durchzeichnung noch einmal durchgezeichnet, um für die Referenzpunkte Pogonion (Pog) und die mesiale Höckerspitze der Molarenkrone (6c) den zeichnerischen Fehler zu bestimmen. Dazu wurde die Differenz der beiden Messungen berechnet. Die Mittelwerte des zeichnerischen Fehlers sind aus Tabelle 3 zu entnehmen. Insgesamt fiel der Fehler relativ zu der Ungenauigkeit der Überlagerungstechnik (s.a. Kap. 9.1 ) gering aus und war mit dem Fehler ähnlicher Studien10 vergleichbar. Pogonion Zeichn. Fehler Standardabweichung n = 28 x 0,24 ±2,7 mm y 0,05 ±1,54 mm Molarenkrone n = 28 x y Zeichn. Fehler Standardabweichung 0,37 0,05 ±2,05 ±1,35 mm mm Tabelle 3. Mittelwert des zeichnerischern Fehlers. Für den methodischen Fehler wurde die Differenz der Vektoren der beiden Messungen bestimmt. Für die Parameter Überlagerungstranslokation (x,y1), totale Verlagerung (x,y2) und lokale Verlagerung/Remodellierung (x,y3) sind die mittleren Abweichungen der Tabelle 4 zu entnehmen. Pog ± n x1 x2 x3 y1 y2 y3 Studiengruppe 14 0,34 0,25 0,09 0,41 0,17 0,23 Kontrollgruppe 14 0,1 0,46 0,57 0,13 0,21 0,09 mm mm mm mm mm mm 6c ± n x1 x2 x3 y1 y2 y3 Studiengruppe 14 0,6 0,47 0,14 0,25 0,07 0,32 Kontrollgruppe 14 0,20 0,19 0 0,34 0,25 0,59 mm mm mm mm mm mm Tabelle 4. Methodischer Fehler der Vektoren. x,y1 = Überlagerungstranslokation, x,y2 = totale Verlagerung, x,y3 = lokale Remodellierung. 53 8.2 Patientengut Die Ergebnisse werden als gemessene Unterschiede zwischen prä- und posttherapeutischen Modellen und Röntgenbildern in der Studiengruppe und den Veränderungen der unbehandelten Kontrollgruppe dargestellt. Die Differenz der lokalen Bewegung zwischen Studien- und Kontrollgruppe soll den Therapieeffekt aufzeigen. Sowohl die Studien- als auch die Kontrollgruppe bestand aus jeweils 7 Mädchen und 7 Jungen mit jeweils der gleichen intermaxillären Kieferrelation, wobei jeweils 8 Probanden eine retrognathe und 6 eine orthognathe Unterkieferlage aufwiesen. Um Effekte anderer Therapien auf den Röntgenbildern zu vermeiden, sollte der Abstand zwischen Therapie und Röntgen möglichst gering ausfallen. Daher wurde der Abstand auf maximal 12 Monate beschränkt. Bei einem Patienten war somit ein Jahr der größte Abstand zwischen Lipbumper-Therapie und Röntgenaufnahme. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug in der Studiengruppe bei der ersten Röntgenaufnahme 10,0 Jahre und 11,11 Jahre zum Zeitpunkt der zweiten Aufnahme. Der Zeitraum zwischen den Röntgenaufnahmen betrug durchschnittlich 25 Monate (s. Tab. 5). Der Lipbumper wurde durchschnittlich bei einem Alter von 9,12 Jahren eingesetzt und wieder mit 11,9 Jahren entfernt. Die Dauer der Behandlung mit dem Lipbumper betrug im Durchschnitt 20,86 Monate (s. Tab. 5). In der unbehandelten Kontrollgruppe wurde das erste Röntgenbild bei einem mittleren Alter von 9,1 Jahren erstellt und das zweite mit 11,07 Jahren. Das mittlere Zeitintervall betrug dabei 21 Monate. n Geschlecht Ø Alter bei Röntgenaufnahme minimaler Alterswert maximaler Alterswert Ø Zeitraum zwischen Röntgen Ø Alter bei Lipbumpereinsatz minimaler Alterswert maximaler Alterswert Ø Therapiedauer Studiengruppe Prätherapeutisch Posttherapeutisch 14 14 7/7 7/7 10,0 11,11 7,1 9,4 12,2 15,05 25 9,12 11,9 7,01 9,1 12,8 14,08 20,86 Kontrollgruppe Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 14 14 7/7 7/7 9,1 11,07 8,02 8,12 12,02 13,8 21 0 m/f JJ,MM JJ,MM JJ,MM MM JJ,MM JJ,MM JJ,MM MM Tab. 5. Geschlechterverteilung, Altersunterschiede und Extremwerte zum Zeitpunkt der Röntgenaufnahmen, prä- und posttherapeutisch und durchschnittliche Therapiedauer (JJ = Jahre, MM = Monate, m = männlich, f = weiblich). 54 Eine gleichzeitige Therapie im Oberkiefer wurde in 12 von 14 Fällen durchgeführt. Drei Patienten trugen zeitgleich zum Lipbumper eine obere Dehnplatte, einer einen Expansionsheadgear und acht einen cervicalen Headgear. Bei drei dieser Patienten wurde im Verlauf des Beobachtungszeitraums auf eine Y-Platte umgestellt. 8.3 Röntgenkephalometrische Analyse 8.3.1 Winkelmessung Der Molarenwinkel (s. Abb. 29) erfuhr eine mittlere Aufrichtung von 4,07° nach distal in der Studiengruppe gegenüber 0,8° in der Kontrollgruppe, wobei eine große Streuung der Messwerte auftrat. (s. Tab. 6 und 8). Der mittlere untere Frontzahn kippte in der Kontrollgruppe im Mittel um 0,8° nach ventral und in der Studiengruppe um 2,42° (s. Tab. 7 und 8). Molarenwinkel Ø n Mittelwert Standardabweichung Median Minimum Maximum Studiengruppe Prätherapeutisch Posttherapeutisch 14 14 90,0 94,1 ±7,28 ±6,35 90,5 94,0 71 85 102 105 Kontrollgruppe Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 14 14 93,9 94,6 ±6,33 ±6,25 95,0 92,5 81 86 107 104 °Grad °Grad °Grad °Grad °Grad Tab. 6. Mittelwerte des Winkels des ersten unteren Molaren zur Mandibularlinie mit Median, Standardabweichung und Extremwerten, gemessen von anterior. Frontzahnwinkel Ø n Mittelwert Standardabweichung Median Minimum Maximum Studiengruppe Prätherapeutisch Posttherapeutisch 14 14 89,5 87,1 ±5,73 ±5,92 90,0 86,5 80 75 100 96 Kontrollgruppe Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 14 14 86,3 85,5 ±5,59 ±6,83 86 85,5 79 76 97 103 °Grad °Grad °Grad °Grad °Grad Tab. 7. Mittelwerte des Winkels des mittleren unteren Frontzahns zur Mandibularlinie mit Median, Standardabweichung und Extremwerten, gemessen nach anterior. 55 Veränderung des Molarenwinkels Veränderung des Frontzahnwinkels Studiengruppe Kontrollgruppe Studiengruppe Kontrollgruppe n 14 14 14 14 Mittelwert 4,07 0,79 -2,43 -0,79 Standardabweichung ± 3,89 7,78 3,1 3,9 Median 4,0 2,0 -3,0 -1,5 Signifikanzwahrscheinlichkeit des Vergleichs von Studien- zu Kontrollgruppe p-Wert 0,2035 0,1580 Veränderung der Winkel °Grad °Grad °Grad Tab. 8. Mittelwerte der eingetretenen Veränderung des Winkels des ersten unteren Molaren und des mittleren unteren Frontzahnes, sowie die Standardabweichung und die Signifikanzwahrscheinlichkeit (p-Wert) im Vergleich von Studienund Kontrollgruppe; positive Werte bedeuten dabei Retroklination, negative Proklination. 8.3.2 Y-Achse In beiden Gruppen überwog die Anzahl der Personen mit vertikalem Wachstumsmuster, wodurch die Messwerte generell unter dem Einfluss eines vermehrten dorsokaudalen Wachstums standen. Unterschiede des Wachstumsmusters von prä- zu posttherapeutischen Winkelmessungen traten nicht auf. Wachstumsmuster Studiengruppe 11 vertikal / 3 horizontal Kontrollgruppe 13 vertikal / 1 horizontal Anzahl Tab. 9. Ergebnis der Winkelmessung von NS-Gn zur Bestimmung des Wachstumsmusters. Anzahl der Probanden mit vertikalem bzw. horizontalem Wachstumsmuster in den Untersuchungsgruppen. Prä- und posttherapeutische Wachstumsmusterunterschiede traten nicht auf. 8.3.3 Sagittale Diskrepanz In der Studiengruppe vergrößerte sich der Abstand der Unterkieferfront zur N-Pog-Linie leicht; die Veränderung war nicht signifikant. Der Mittelwert ging über den Toleranzwert von +2 mm hinaus auf +2,2 mm; in der Kontrollgruppe sogar auf +3,8 mm (s. Tab. 10). Sagittale Diskrepanz n Abstand 1̄ - N-Pog Totale Diskrepanz Studiengruppe Prätherapeutisch Posttherapeutisch 10 10 1,6 2,2 -4,35 -1,9 Kontrollgruppe Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 13 13 2,7 3,8 0,3 0,4 mm mm Tab. 10. Sagittaler Abstand der Unterkieferfront zur Linie N-Pog als Indikator für sagittalen Platzbedarf; zum Vergleich die Platzbedarfsänderung insgesamt (Totale Diskrepanz). Die physiologische Normabweichung für den Abstand der Unterkieferfront zu N-Pog beträgt +/- 2 mm. 56 8.4 Odontometrische Analyse Die odontometrische Analyse kombiniert mit der Speekurve und der sagittalen Diskrepanz ergibt die Totale Diskrepanz (TD) (s. Tab. 11). In der Studiengruppe bestand prätherapeutisch ein Platzbedarf von 4,35 mm gegenüber 0,308 mm in der Kontrollgruppe. Die Studiengruppe zeigte im Mittel einen Platzgewinn von 2,43 mm im Vergleich zu einem Plus von 0,1 mm in der Kontrollgruppe. Wegen fehlender Prämolaren war die Bestimmung nur bei einem Teil der Patienten möglich. Nach der Behandlung konnte eine Eindeutigkeit nicht bestimmt werden, während die Werte der Totalen Diskrepanz vor der Therapie im Vergleich zur Kontrollgruppe mit p = 0,022 eine leichte Signifikanz aufwiesen, wobei der Platzmangel in der Studiengruppe deutlich ausgeprägter war (s. Tab. 12). Die Speekurve nivellierte sich auch in der Kontrollgruppe, kostete aber der Studiengruppe durchschnittlich 0,85 mm Platz. n Mittelwert Totale Diskrepanz Standardabweichung Median Minimum Maximalwert Spee 1̄ - NPog Studiengruppe Prätherapeutisch Posttherapeutisch 10 10 -4,35 -1,92 ±4,28 ±2,88 -5,63 -3,25 -10,25 -5,25 3,75 3,0 2 1,15 1,6 2,2 Kontrollgruppe Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 13 13 0,308 0,404 ±4,27 ±3,76 -0,25 2,0 -7,0 -8,0 6,25 4,0 1,92 1,58 2,7 3,8 mm mm mm mm mm mm mm Tab. 11. Prä- und posttherapeutischer Platzmangel (Totale Diskrepanz); mit Angabe der Mittelwerte, deren Standardabweichung und Extremwerten. Die Totale Diskrepanz errechnet sich aus Platzmangel im Zahnbogen mesial der Molaren, der Speekurve und dem Abstand der Unterkieferfront (1̄ ) zu N-Pog. Vergleich Studiengruppe zur Kontrollgruppe Totale Diskrepanz Zeitpunkt 1 Totale Diskrepanz Zeitpunkt 2 Überschreitungswahrscheinlichkeit 0,022 0,128 Tab. 12. Signifikanzwahrscheinlichkeit bei der ersten und der zweiten Röntgenaufnahme. Zum Zeitpunkt 1 bestand mit p<0,05 eine leichte Signifikanz des Platzmangels zwischen Studien- und Kontrollgruppe, die nach der Therapie nicht mehr nachzuweisen war. 8.5 Röntgenbild-Überlagerung 8.5.1 Erster unterer Molar Die Krone des ersten unteren Molaren (6c) verlagerte sich orthodontisch im Mittel um 2,09 ±1,79 mm nach mesial (totale Verlagerung: 2,16 ±3,27 mm) und 0,8 ±2.17 mm nach kranial (totale 57 Verlagerung: 3.61 ±2.96 mm), im Gegensatz zu durchschnittlich 1,36 ±1,77 mm mesial (totale Verlagerung: 1.61 ±1.86 mm) und 0,6 ±2,15 mm kranial (totale Verlagerung: 6.39 ±2.03 mm) der Kontrollgruppe (s. Abb. 31 und Diagramm 1). Mit p = 0,308 bestand kein signifikanter Gruppenunterschied. Die Differenzierung der Anteile der Verlagerung sind in Abbildung 32 dargestellt. Bei den Überlagerungsdaten in den Boxplots stehen die x1-Werte für das Ausmaß der orthopädischen Verlagerung, x2 steht für die totale Verlagerung und x3 für die speziell beobachtete orthodontische Verlagerung. Abb. 31. Orthodontische Verlagerung der Mittelwerte des Punktes mesialer Molarenhöcker über den Beobachtungszeitraum hinweg im Vergleich der Studiengruppe zur Kontrollgruppe; ca. 20-fache Vergrößerung. Der Nullpunkt entspricht dem Punkt mesialer Molarenhöcker im Ausgangsröntgenbild. Studiengruppe Kontrollgruppe Abb. 32. Schematische Darstellung der Verlagerung der Mittelwerte des Punktes mesiale Höckerspitze des Molaren (6c) über den Therapiezeitraum hinweg aufgeteilt in Vektoren für die orthopädische Verlagerung = S , orthodontische Verlagerung = L und totale Verlagerung = T; ca. 10-fache Vergrößerung; der Nullpunkt entspricht dem Punkt mesiale Höckerspitze des Molaren im Ausgangsbild. Die x-Achse ist parallel zur Strecke S-N ausgerichtet, die y-Achse senkrecht dazu. 58 Studiengruppe x1 x2 Kontrollgruppe x3 x1 10,00 x2 x3 6,00 m a 5,00 x 8,00 m a x m 4,00 6,00 m a a x x 3,00 m a x q 4,00 std 2,00 q 3 3 2,00 std m eanm ed m ed q m ean std q 0,00 m ed m ean 1 x q 1,00 q x med q 3 q std m ean m ed 3 q q 1 1 x 3 std m ean 1 q 0,00 3 x a std m ed 1 1 2 x q m 3 1 m ean 2 x 3 x mn i -1,00 1 -2,00 -2,00 mn i mn i mn i -4,00 mn i -3,00 m in -6,00 -4,00 Diagramm 1. Boxplot der x-Werte des Punktes mesiale Molarenspitze der Studiengruppe mit orthopädischer Verlagerung = x1, totaler Verlagerung = x2 und orthodontischer Verlagerung = x3 mit Mittelwert (mean) und Standardabweichung (std); beachte die Streuung der Werte. Signifikanzwahrscheinlichkeit 6c: x1: p=0,73, x2: p=0,75, x3: p=0,31. In der Lipbumpergruppe verlagerte sich die Wurzelspitze des ersten Unterkiefermolaren (6a) im Mittel um 3,34 ±2,31 mm nach mesial (totale Verlagerung: 3.32 ±4.38 mm) und 0,55 ±1,77 mm nach kaudal (totale Verlagerung: 5.05 ±2.32 mm), im Gegensatz zu durchschnittlich 1,07 ±3,55 mm mesial (totale Verlagerung: 1.28 ±4.04 mm) und 0,52 ±3,04 mm kaudal in der Kontrollgruppe (totale Verlagerung: 7.38 ±3.06 mm) (s. Abb. 33 und Diagramm 2) Mit p = 0,027 bestand ein leicht signifikanter Gruppenunterschied. Die Aufteilung der Bewegung in ihre Anteile der orthodontischen und orthopädischen Verlagerung sind in Abbildung 34 dargestellt. Abb. 33. Schematische Darstellung der orthodontischen Verlagerung der Mittelwerte des Punktes Molarapex über den Beobachtungszeitraum hinweg im Vergleich der Studiengruppe zur Kontrollgruppe; ca. 10-fache Vergrößerung. Der Nullpunkt entspricht dem Punkt mesialer Molarapex im Ausgangsröntgenbild. Die x-Achse ist parallel zur Strecke S-N ausgerichtet, die y-Achse senkrecht dazu. 59 Studiengruppe x1 x2 Kontrollgruppe x3 x1 12 x2 x3 10 max 10 m a 8 x 8 m m a x q a x max 6 3 6 std 4 std q3 4 std mean med std 2 q max med q q 3 m ean std 1 3 2 q3 std med mean mean med q3 0 med mean q1 x1 x2 x3 q1 0 m ed mean 1 x q 1 2 x m in -2 q1 x 3 min -2 q -4 1 min -6 -4 m in min m in -8 -6 Diagramm 2. Boxplot der x-Werte des Punktes mesialer Molarapex in der Studiengruppe aufgeteilt in orthopädische Verlagerung = x1, totale Verlagerung = x2 und orthodontische Verlagerung = x3 mit Mittelwert (mean) und Standardabweichung (std). Signifikanzwahrscheinlichkeit 6a: x1: p=0,63, x2: p=0,18, x3: p=0,027 Studiengruppe Kontrollgruppe Abb. 34. Schematische Darstellung der Verlagerung der Mittelwerte des Punktes Wurzelspitze des Molaren über den Therapiezeitraum hinweg, aufgeteilt in die Anteile der Bewegung mit S = orthopädische Verlagerung, L = orthodontische Verlagerung und T= totale Verlagerung; ca. 10-fache Vergrößerung; der Nullpunkt entspricht dem Punkt Wurzelspitze des Molaren im Ausgangsbild. 60 8.5.2 Unterkiefer-Frontzahn Der Punkt Inzisalkante des unteren mittleren Frontzahns (1i) verlagerte sich orthodontisch in der Studiengruppe im Mittel um 3,18 ±1,98 mm nach ventral (s. Abb. 35) (totale Verlagerung: 2.87 ±3.26 mm) und der Punkt Frontzahnapex (1a) um 2,66 ±2,19 mm nach ventral (s. Abb. 36) (totale Verlagerung: 2.61 ±3.73 mm). In der Kontrollgruppe verlagerte sich die Frontzahnspitze lokal im Mittel um 4.02 ±2,89 mm nach ventral (totale Verlagerung: 4.27 ±2.42 mm) und die Wurzelspitze um 3,46 ±2,43 mm nach ventral (totale Verlagerung: 3.5 ±2.88 mm). Die Gruppendifferenzen waren nicht signifikant (s. Diagramme 3 und 4). Abb. 35. Orthodontische Verlagerung der Mittelwerte des Punktes Inzisalkante des unteren mittleren Frontzahns über den Beobachtungszeitraum hinweg im Vergleich der Studiengruppe zur Kontrollgruppe; der Nullpunkt entspricht dem Punkt Inzisalkante des unteren mittleren Frontzahns im Ausgangsbild; ca. 20-fache Vergrößerung. Abb. 36. Orthodontische Verlagerung der Mittelwerte des Punktes Frontzahnapex über den Beobachtungszeitraum hinweg im Vergleich der Studiengruppe zur Kontrollgruppe ; der Nullpunkt entspricht dem Punkt Frontzahnapex im Ausgangsbild; ca. 20-fache Vergrößerung. 61 Studiengruppe x1 x2 Kontrollgruppe x1 x3 x2 x3 14,00 10,00 m a m a 12,00 8,00 m m a a x x 10,00 6,00 q m a 3 8,00 x 4,00 q std m ean m ed std m ed 2,00 q 3 m ean std 3 q 1 q m ed m ean 1 x 6,00 q q q q 2 x 2,00 3 x 1 mn i 0,00 m m ed q a x mn i std 1 q 1 m in 3 1 2 x -2,00 -6,00 3 m ean std med m in std m ean 1 x -4,00 m ean 1 q -2,00 3 med 4,00 mn i 0,00 x x 3 x m in -4,00 Diagramm 3. Boxplot der x-Werte des Punktes inzisale Spitze des mittleren unteren Frontzahnes aufgeteilt in orthopädische Verlagerung = x1, totale Verlagerung = x2 und orthodontische Verlagerung = x3 mit Mittelwert (mean) und Standardabweichung (std). Signifikanzwahrscheinlichkeit 1i x3: p=0,355 Studiengruppe x1 x2 Kontrollgruppe x3 x1 12,00 x2 x3 10,00 10,00 m m a a x x 8,00 8,00 m m a 6,00 q m a 3 std m ean m ed std q 3 m ed 3 m ean std q m ed 4,00 m 2,00 q 1 m ean 1 x 2 x 3 x m in 0,00 x q q 1 m ean std 1 3 m ed m ean 1 x -2,00 a m ed m ean std std 1 q 0,00 m ed 3 3 q 2,00 x x q q 4,00 a 6,00 x q 1 2 x 3 x mn i q 1 mn i -2,00 -4,00 m in mn i -6,00 -8,00 m in -4,00 -6,00 Diagramm 4. Boxplot der x-Werte des Punktes Frontzahnapex aufgeteilt in orthopädische Verlagerung = x1, totale Verlagerung = x2 und orthodontische Verlagerung = x3 mit Mittelwert (mean) und Standardabweichung (std). Signifikanzwahrscheinlichkeit 1a: x3: p=0,278 8.5.3 Menton In der Studiengruppe remodellierte der Punkt Menton lokal im Mittel 2,03 ±2,71 mm nach ventral (totale Verlagerung 1,58 ±4,31 mm) und 0,55 ±1,13 mm nach kaudal (totale Verlagerung: 4.93 ±2.94 mm). In der Kontrollgruppe remodellierte der Referenzpunkt lokal 2,77 ±1,49 mm nach ventral (totale Verlagerung 2,87 ±2,04 mm) und 2,07 ±1,46 mm nach kaudal (totale Verlagerung 8,91 ±2,96 mm). 62 Demnach verlagerte sich der untere Kinnpunkt bei Lipbumper-Therapie im Mittel um 1,5 mm weniger nach kaudal als bei den unbehandelten Probanden (p < 0,01) (s. Abb. 37, Tabelle 10). Studiengruppe Kontrollgruppe Abb. 37. Schematische Darstellung der eingetretenen Verlagerung der Mittelwerte des Referenzpunktes Menton während des Therapiezeitraums; aufgeteilt in Vektoren mit: T = totale Verlagerung, S = Überlagerungstranslokation und L = lokale Remodellierung. Der Nullpunkt entspricht dem Punkt Menton im Ausgangsbild. Die x-Achse ist parallel zur Strecke S-N ausgerichtet, die y-Achse senkrecht dazu. 8.5.4 Pogonion Der Punkt Pogonion remodellierte lokal in der Studiengruppe im Mittel um 1,95 ±1,46 mm nach ventral (totale Verlagerung 1,98 ±4,04 mm) und 1,04 ±1,58 mm nach kaudal (totale Verlagerung 1,04 ±1,58 mm) (s. Abb.38). In der Kontrollgruppe remodellierte der Referenzpunkt lokal 2,44 ±1,63 mm nach ventral (totale Verlagerung 2,45 ±2,06 mm) und 1,59 ±1,38 mm nach kaudal (totale Verlagerung 8,96 ±2,54 mm). Zwischen den Gruppen bestand keine signifikante Differenz. Tendenziell bewegten sich die Punkte Menton und Pogonion ähnlich (s. Abb. 39), auch über die beiden Gruppen hinweg. In der Horizontalen fand in beiden Gruppen ein ähnlich starkes Wachstum bzw. eine lokale Remodellierung um 2 mm nach ventral statt. In der Studiengruppe remodellierte Pogonion weiter nach kaudal als Menton. In der Kontrollgruppe remodellierte Menton weiter nach kaudal und weiter nach mesial, was mit der physiologischen, 63 leichten Dorsalremodellierung von Pogonion übereinstimmt. In der Kontrollgruppe waren die vertikalen Werte der Überlagerungstranslokation (y1) von Pogonion und Menton im Mittel beinahe doppelt so groß wie in der Studiengruppe, es bestand jedoch kein signifikanter Gruppenunterschied (Me: Kontrollgrp.: y1 = 6,84 ±3,06 mm; Studiengrp.: y1 = 4,37 ±2,86 mm), (Pog: Kontrollgrp.: y1 = 7,37 ±2,96 mm; Studiengrp.: y1 = 4,61 ±2,84 mm), (vergleiche Tab.10 für die Messwerte der knöchernen Referenzpunkte). Abb. 38. Schematische Darstellung der eingetretenen Verlagerung der Mittelwerte des Referenzpunktes Pogonion während des Therapiezeitraums; aufgeteilt in Vektoren mit: T = totale Verlagerung, S = Überlagerungstranslokation und L = lokale Remodellierung. Der Nullpunkt entspricht dem Punkt Menton im Ausgangsbild. Die x-Achse ist parallel zur Strecke S-N ausgerichtet, die y-Achse senkrecht dazu. Abb. 39: Skizze der lokalen Remodellierung der Punkte Pogonion (Pog) und Menton (Me) im Vergleich von Studien- zu Kontrollgruppe (Mittelwerte); Vergrößerung ca. 10-fach. Nullpunkte entsprechen den jeweiligen Referenzpunkten im Ausgangsbild. Die x-Achse ist parallel zur Strecke S-N ausgerichtet, die y-Achse senkrecht dazu. 64 Cond Kontrollgruppe x1 x2 x3 Cond Studiengruppe n 14 14 14 Mittelwert 0,73 -0,66 -1,39 Standardabweichung ± 1,32 ± 1,59 ± 1,85 n 14 14 14 x1 x2 x3 Mittelwert 0,018 -0,57 -0,59 Standardabweichung ± 2,58 ± 2,17 ± 2,90 y1 14 6,88 ± 2,21 y1 14 5,43 y2 14 1,69 ± 2,93 y2 14 2,34 y3 14 -5,18 ± 3,42 y3 14 -3,09 Signifikanzwahrscheinlichkeit: x1: p=0.3333 x2: p=0.8352 x3: p=0.6271 y1: p=0.1178 y2: p=0.7641 Pogonion Kontrollgruppe x1 x2 x3 Pogonion Studiengruppe n 14 14 14 Mittelwert 0,00 2,45 2,44 Standardabweichung ± 1,85 ± 2,06 ± 1,63 Menton Kontrollgruppe Mittelwert 0,04 1,98 1,95 Standardabweichung ± 3,62 ± 4,04 ± 1,46 14 4,61 14 5,64 14 1,04 y1: p=0.0355 y2: p=0.0039 ± 2,85 ± 3,57 ± 1,58 y3: p=0.2847 Menton Studiengruppe n 14 14 14 Mittelwert 0,11 2,87 2,77 Standardabweichung ± 1,65 ± 2,04 ± 1,49 Gonion Kontrollgruppe n 14 14 14 x1 x2 x3 y1 14 6,84 ± 3,06 y1 y2 14 8,91 ± 2,96 y2 y3 14 2,07 ± 1,46 y3 Signifikanzwahrscheinlichkeit: x1: p=0,872 x2: p=0,0311 x3: p=0,0839 x1 x2 x3 n 14 14 14 x1 x2 x3 y1 14 7,38 ± 2,96 y1 y2 14 8,96 ± 2,54 y2 y3 14 1,59 ± 1,38 y3 Signifikanzwahrscheinlichkeit: x1: p=0.8534 x2: p=0.799 x3: p=0.3441 x1 x2 x3 ± 2,74 ± 2,90 ± 2,39 y3: p=0.0690 Mittelwert -0,45 1,58 2,03 Standardabweichung ± 3,19 ± 4,31 ± 2,71 14 4,37 14 4,93 14 0,55 y1: p=0.0428 y2: p=0.0014 ± 2,86 ± 2,94 ± 1,13 y3: p=0.0045 Gonion Studiengruppe n 14 14 14 Mittelwert 0,50 -1,84 -2,34 Standardabweichung ± 1,23 ± 1,74 ± 1,10 x1 x2 x3 n 14 14 14 Mittelwert -0,23 -1,29 -1,05 Standardabweichung ± 2,32 ± 3,09 ± 1,76 y1 14 6,79 ± 2,11 y1 14 4,50 y2 14 5,25 ± 1,82 y2 14 3,80 y3 14 -1,54 ± 1,42 y3 14 -0,70 Signifikanzwahrscheinlichkeit: x1: p=0.0644 x2: p=0.982 x3: p=0.0421 y1: p=0.0195 y2: p=0.0967 ± 2,63 ± 2,64 ± 1,09 y3: p=0.0753 Tab. 13. Sekundäre Verlagerung oder Überlagerungstranslokation (x/y1), totale Verlagerung (x/y2) und lokale Remodellierung (x/y3) der knöchernen Referenzpunkte Condylion, Pogonion, Gonion und Menton mit Angabe der Standardabweichungen; Werte in Millimetern (mm); n = Probandenzahl. 65 8.5.5 Condylion, Gonion Die Bewegungen der Referenzpunkte Condylion und Gonion zeigten keine statistisch auffälligen Unterschiede zur Kontrollgruppe. In Übereinstimmung mit den physiologischen Wachstumsvorgängen wanderten Condylion (s. Abb. 40, 41) und Gonion (s. Abb. 40, 42) nach dorsokranial In beiden Gruppen remodellierte Condylion stärker als Gonion nach kranial (s. Tab. 13: y3-Werte). Abb. 40. Lokale Remodellierung der Punkte Condylion (Cond), und Gonion (Go) im Vergleich von Studien- zu Kontrollgruppe (Mittelwerte); Vergrößerung ca. 10-fach. Nullpunkte entsprechen den jeweiligen Referenzpunkten im Ausgangsbild. Die x-Achse ist parallel zur Strecke S-N ausgerichtet, die y-Achse senkrecht dazu. Abb. 41. Schematische Darstellung der eingetretenen Verlagerung der Mittelwerte des Referenzpunktes Condylion während des Therapiezeitraums; aufgeteilt in Vektoren mit: T = totale Verlagerung, S = Überlagerungstranslokation und L = lokale Remodellierung. Der Nullpunkt entspricht dem Punkt Menton im Ausgangsbild. 66 Abb. 42. Schematische Darstellung der eingetretenen Verlagerung der Mittelwerte des Referenzpunktes Gonion während des Therapiezeitraums; aufgeteilt in Vektoren mit: T = totale Verlagerung, S = Überlagerungstranslokation und L = lokale Remodellierung. Der Nullpunkt entspricht dem Punkt Gonion im Ausgangsbild. Die x-Achse ist parallel zur Strecke S-N ausgerichtet, die y-Achse senkrecht dazu. Im Vergleich von Gonion und Pogonion (s. Abb. 43) wurde in beiden Gruppen Gonion leicht nach dorsal remodelliert, während Pogonion nach ventral wuchs (s. Tab. 13: x3-Werte ). In der Vertikalen wuchs Pogonion in beiden Gruppen nach kaudal, während Gonion nach kranial remodellierte (s. Tab. 13: y3-Werte). Abb. 43. Lokale Remodellierung der Punkte Gonion und Pogonion mit Vektoren für die Studien- und Kontrollgruppe (Mittelwerte). Vergrößerung ca. 10-fach. Nullpunkte entsprechen den jeweiligen Referenzpunkten im Ausgangsbild. 67 9 Diskussion Mit dem Lipbumper können die verankernden unteren Molaren aufgerichtet werden, und durch Frontzahnprotrusion und Halten des Leeway-Space im Wechselgebiß kann ein Engstand im Zahnbogen aufgelöst werden. Insofern bietet der Lb teilweise die Möglichkeit, im Unterkiefer einen Headgear zu ersetzen, ohne das Kiefergelenk dabei zu beeinträchtigen und ohne reziproke Kräfte auf die Dentition auszuüben. Durch die Überlagerungsmethode nach Baumrind et al.10,11 kann zwischen der orthodontischen Verlagerung eines Zahnes und einer Dislokation der Mandibulastrukturen durch Knochenwachstum und -verlagerung unterschieden und somit das Ausmaß der lokalen Bewegung von Zähnen untersucht werden. Grundlegende Unterschiede zwischen der Behandlung mit Headgear und Lipbumper sind die maximal zu erreichende Kraftgröße und die dichtere Knochenstruktur des Unterkiefers. Die Kraftgröße wird wegen der Verankerung in der Unterlippe durch deren Resilienz begrenzt. Der dichtere Knochen im Unterkiefer erschwert und verlangsamt die orthodontische Zahnbewegung allgemein im Vergleich zum Oberkiefer. 9.1 Material und Methoden Die Ergebnisse bei der Untersuchung der Bewegung des ersten Unterkiefermolaren wurden von verschiedenen Faktoren beeinträchtigt. Gleichzeitige Therapien im Oberkiefer sind aufgrund von Nebendiagnosen in retrospektiven Studien nicht zu vermeiden; aus ethischen Gründen können in der Kieferorthopädie nicht direkt nach Abschluss jedes einzelnen Therapieschrittes Röntgenaufnahmen erstellt werden. Daher gab es kein FRS-Bild, das zeitgleich mit dem Ein- oder Absetzen des Lipbumpers erstellt wurde. Geschlecht und Alter gingen in die Statistik mit ein, spielen nach Hodge et al.55 und Nevant et al.81 aber keine entscheidende Rolle. Genauso scheint ein oft im Gegenkiefer verwendeter Aufbiss eine statistisch nicht relevante Rolle zu spielen52,81. Die verwendete Überlagerungs- oder Superimpositionstechnik von Fernröntgenseitenbildern beruht auf anatomischen Regeln, das heißt sie haben nicht die Reproduktionssicherheit implantatgestützter Superimpositionen und können so Fehlerquellen beinhalten, die größer sind als Ungenauigkeiten bei den Durchzeichnungen und den Messungen7,11,89. Nach Baumrind et al. führt diese Art von 68 Überlagerungstechnik tendenziell zur Überschätzung der dorsal gerichteten, condylären Verlagerung und zur Unterschätzung der vertikal gerichteten Verlagerung7. Für die Genauigkeit des Ergebnisses wurden Messpunkte mit relativer Konstanz über den ganzen Therapiezeitraum hinweg gewählt. Da jedoch jede Körperregion besonders im Wachstum dem ständigen Wandel der Anpassung unterliegt, „gibt es keinen fixen Punkt, außer dass man den Ursprung für eine Messung einfach als Null festsetzt“, wie Salzmann es nennt100. Diese Methode hat Vorteile bei der qualitativen Analyse der Veränderungen. Die quantitative Analyse, Verlagerungen durch Superimposition zu messen, wird durch Ungenauigkeiten bei der korrekten Größen- und Richtungsmessung der Röntgenbilder erschwert10. Durch die mögliche Variation in der Ausrichtung der Bilder auf den anatomischen Strukturen können so relativ starke Schwankungen auftreten11 und die Bewegung verwischt durch das Mitwachsen des Alveolarknochens. Die Reproduzierbarkeit des Röntgenbildes ist qualitativ gegeben, während aber die Quersummen der Werte – durch die Varianz der Überlagerungsmöglichkeiten – nicht vergleichbar sind. Man kann also auf eine Wachstumstendenz schließen, aber nicht klare Aussagen über die Summe des Wachstums treffen6. Auch werden nach Baumrind et al.7 interindividuelle Unterschiede im Wachstumstyp (gegenüber der Björk-Implantat-Gruppe) durch die anatomische Überlagerungstechnik verwischt oder eliminiert. Durch die Superimposition auf anatomischen Strukturen gehen also Informationen über den Wachstumstyp verloren7. Des weiteren können interindividuelle Wachstumsunterschiede oft zu starken Abweichungen führen80. 9.2 Zahnbewegungen Bei der vorliegenden Untersuchung trat bei der Analyse der Bewegung des ersten unteren Molaren nur am Punkt Molarapex (6a) ein leicht signifikanter Unterschied unter Lipbumper-Anwendung auf. Nicht signifikant, aber im Mittel mit einem Unterschied von 3,28°, richtete der Lipbumper den unteren Sechser nach distal auf. Die schwach signifikante orthodontische Verlagerung des Molarapex nach mesial (p = 0,027) deutet auf diese Aufrichtung des Molaren hin, bei der die Wurzelspitze nach mesial kam. Zeitgleich kippte die Front um durchschnittlich 1,64° nach labial (s. Tab. 14), wie es auch von anderen Autoren5,26,52 berichtet wurde. Die Ergebnisse der Überlagerungen bestätigten dieses Bild der Winkelanalyse. Die Überlagerungen zeigten zudem eine nicht signifikante Bewegung der mesialen Kronenspitze des Molaren im Vergleich zur Kontrollgruppe in kranialer und mesialer Richtung. Die Wurzelspitze 69 verlagerte sich lokal im Vergleich nach mesial und kaudal (s. Tab. 14). Wie nach Perillo et al.88 konnte eine leichte Zunahme der Vertikalen bei Lipbumpereinsatz registriert werden. Die Behandlung zeigte sich effektiv in Bezug auf den Platzmangel. Während vor der Therapie ein leicht signifikanter Unterschied der Gruppen bestand (p = 0,022), war er danach nicht mehr nachzuweisen (s. Tab. 12 und 14). Mittelwerte der Veränderungen Mittelwert Totale Diskrepanz Abstand 1̄ - N-Pog Spee Änderung des Molarenwinkels Änderung des Frontzahnwinkels x3 Molarhöcker-Bewegung x3 Molarapex-Bewegung x3 Frontzahnspitzen-Bewegung x3 Frontzahnapex-Bewegung x3 Menton-Bewegung Studiengruppe Prätherapeutisch Posttherapeutisch -4,35 -1,92 1,6 2,2 2 1,15 4,07 -2,43 2,089 3,339 3,178 2,660 2,02 Kontrollgruppe Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 0,31 0,4 2,7 3,8 1,92 1,58 0,79 -0,79 1,357 1,071 4,017 3,464 2,77 mm mm mm °Grad °Grad mm mm mm mm mm Tab. 14. Übersicht der potentiell Platz schaffenden Parameter. Die Frontzahnbewegung und -inklination, die Molarenbewegung, der Molarenwinkel, die Speekurve und der Abstand der Unterkieferfront zu N-Pog im Vergleich mit der Platzdiskrepanz. x3 steht für die lokale, horizontale Komponente der Bewegung der Referenzpunkte. Für den Vergleich mit einer Verschiebung der Überlagerung (s. a. Tab. 12) sind die x3-Mittelwerte von Menton angefügt. In der Übersicht in Tabelle 11 wird deutlich, dass der Platzgewinn im unteren Zahnbogen in der Studiengruppe von 2,43 mm zu unterschiedlichen Anteilen aus der Aufrichtung des Molaren und der Proklination der Frontzähne stammt. Durch die Proklination um durchschnittlich 2,43° kam es im Mittel zu einer Anteriorbewegung der Frontzahnspitze um 1,1 mm. Gleichzeitig kam es durch die Nivellierung der Speekurve zu einem Verlust von 0,85 mm an Zahnbogenlänge. Trotz der Mesialbewegung der Molaren in der Studiengruppe wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe ein Platzgewinn erzielt, was auf einen relativen Platzgewinn durch Halten des Leeway-Space oder eine transversale Verbreiterung schließen lässt. Demzufolge erreichte der Lipbumper den größten Teil des Platzgewinns durch die Aufrichtung des Molaren, sowie einen in der Arbeit nicht näher bestimmten Anteil durch die Frontzahnproklination und durch das Halten der Distanz bei gleichzeitigem Wachstum des Corpus mandibulae. In der Studiengruppe kam es unter physiologischen Bedingungen durch die Kippung zu einer ungünstigeren Stellung der Frontzähne und die sagittale Relation zur N-Pog-Linie ging leicht über 70 den physiologischen Toleranzwert von +2 mm hinaus, was einen Stabilitätsverlust in der Frontzahnaufstellung bedeutet. Das heißt, dass die therapiebedingte Kippung durch Lipbumpertherapie nur bei Patienten mit steiler Front akzeptiert werden kann. Andererseits schreiben Seefeld et al. der sagittalen und vertikalen Positionierung des Lipbumpers im Vestibulum eine entscheidende Bedeutung auf die Inklination der Frontzähne zu104. Auch andere Autoren berichten, dass bei gingivaler Positionierung eines Drahtbogen-Lipbumpers sich die Unterlippe stützend anlagern kann, um die Proklination zu verhindern, bzw. bei mehr inzisaler Positionierung die Labialkippung der Inzisivi verstärkt wird40,71,104. Die Kippung der Frontzähne ist in den Überlagerungsdaten an einer stärkeren Bewegung der Inzisalspitze gegenüber dem Apex zu erkennen, wobei hier im Gegensatz zu den Winkelmessungen auch in der Kontrollgruppe eine Kippung sichtbar wurde. Bei den Winkelmessungen verhinderte die Streuung der Messwerte eine Signifikanz. In diesem Zusammenhang wiesen Seefeld et al. auf die hohe Messungenauigkeit bei der Bestimmung der Inklination der Frontzähne hin104. Die Bestimmung des apikalen Messpunktes (1a) weist aufgrund der starken Überlagerung aller vier Inzisivi einen Fehler von bis zu 75% auf107. Da auch in der Kontrollgruppe eine anterior gerichtete Bewegung des Punktes Frontzahnapex festgestellt wurde (s. Tab. 14), kann nach den vorliegenden Messwerten nicht auf eine Protrusion der Frontzähne durch Lipbumpertherapie geschlossen werden. Der erste untere Molar der Studiengruppe bewegte sich im Vergleich zur Kontrollgruppe leicht nach mesial. Dies scheint bei gleichzeitigem Platzgewinn paradox, kann seine Antwort aber in der Streubreite des kleinen Kollektivs finden, deren Extremwerte in den Tabellen in Kapitel 8 ersichtlich sind, oder aber auf eine durch die Zahnbewegung bedingte Aufhebung eines distalen Zwangsbisses hindeuten. Dies würde ein „catch-up“-Wachstum nach therapiebedingter Aufhebung eines distalen Zwangsbisses bedeuten. Die Elimination einer Lippendyskinesie durch Libpumper-Therapie kann den normalen Lippenschluss wieder herstellen. Dies ermöglicht dem Unterkiefer in einem „catch-up“-Wachstum das Wiederaufholen eventueller, durch die Dyskinesie bedingter, Wachstumsdefizite. Dabei bewegte sich der Molar zusammen mit den anterioren Referenzpunkten nach mesial, während sich die posterior gelegenen Punkte dem physiologischen Wachstum entsprechend nach dorsal bewegten. Das bedeutet, dass sich der Molar im Rahmen der Wachstumsvorgänge der anterioren Unterkieferbasis nach mesial bewegte. 71 9.3. Knöcherne Bewegungen Der knöcherne Referenzpunkt Menton zeigte im Vergleich zur Kontrollgruppe eine um 1,5 mm signifikant verringerte Bewegung nach kaudal (p = 0,0045). Die Signifikanz bestand bei der lokalen Remodellierung und der totalen Verlagerung, hingegen nicht bei der Überlagerungstranslokation. In der Studie von Baumrind et al.7 wird die Differenz der Messungen zwischen Überlagerung auf Implantaten und auf anatomisch „bester Passung“7 betrachtet. Dabei wird u.a. berichtet, dass Condylion sich bei implantatgestützter Überlagerung um -0,64 ±1,96 mm distal bewegte im Gegensatz zu -1,65 ±1,78 mm bei Überlagerung auf anatomisch „bester Passung“. Auch für Gonion stimmen hier die Werte der vorliegenden Studie beinahe exakt mit diesen Werten überein. Nur die weiter anterior stehenden Punkte bewegten sich in der vorliegenden Untersuchung stärker nach mesial als bei Baumrind et al.7. Menton zeigt nach Baumrind et al.7 bei Überlagerungen auf Implantaten nur minimale Verlagerungen über einen längeren Zeitraum hinweg. Dieser Gruppenunterschied ist möglicherweise auf das Ausschalten der Unterlippe und ihrer Druckbelastung auf das Wachstum des anterioren Unterkiefers zurückzuführen. Dadurch waren die Wachstumsvektoren in der Sagittalen unbeeinflusst, die muskulären Komponenten, welche die Vektoren in die Vertikale ableiten, reduziert. Die umgekehrte Situation findet sich bei Mundatmern und operierten Lippen-Kiefer-Gaumen-Spaltträgern, bei denen durch den erhöhten Druck der fazialen Weichteile die sagittale Verlagerung des Gesichtsschädels beeinträchtigt und die vertikale Verlagerung des Unterkiefers nach kaudal erhöht ist. Die stärkere Ventralverlagerung des Punktes Menton könnte auch damit erklärt werden. Dieselbe Tendenz für die Verlagerung des Punktes Menton zeichnete sich auch für den Punkt Pogonion ab. Diese Gruppenunterschiede erscheinen umso bedeutsamer, da im posterioren Abschnitt des Unterkiefers die Veränderungen der Referenzpunkte Gonion und Condylion keine Unterschiede zwischen der Kontroll- und der Studiengruppe erkennen liessen. Aufgrund dieser Ergebnisse ist zu vermuten, dass der nach dorsal gerichtete Kraftvektor des Lipbumpers nicht nur einen dento-alveolären Effekt auf den unteren Zahnbogen hat, sondern auch einen (indirekten) Effekt auf die Wachstumsvorgänge der anterioren Mandibula. Im Vergleich zur Studiengruppe zeigte die Kontrollgruppe ein dem vorherrschenden vertikalen Wachstumsmuster entsprechendes dorsokaudales Wachstum. In der Studiengruppe kam der Unterkiefer dagegen im Vergleich zur Kontrollgruppe nicht nur nach mesial, sondern zeigte in der Kranialbewegung der Kinnpunkte eine Ventrokranialschwenkung des Unterkiefers, was in Überein- 72 stimmung mit den Veränderungen im Punkt Menton steht. Während in dieser Studie keine eindeutige Molarendistalisation durch den Lipbumper in Bezug zum Unterkiefer nachgewiesen werden konnte erreichten andere Studien eine Bewegung des ersten Molars um bis zu 1,75 mm distal5,25,26,80,84,118. Bei kombinierter Therapie mit intermaxillären KlasseIII-Zügen könnten auch bis zu 4 mm Platz geschaffen werden40. Doch ist eine Distalbewegung der ersten Unterkiefermolaren nicht immer möglich. Abhängig ist dies von einem starken MentalisTonus, dem Abstand von Kraftangriffspunkt zum Widerstandszentrum, der Adaptionsfähigkeit des Knochens und dem Zahndurchbruchsstand der zweiten Molaren. Zu beachten ist auch die Abhängigkeit des Ausmaßes der Distalisation von der Vorspannung in die Weichteile hinein und die verstärkte Wirkung durch Schilde. Da die retrospektive Studie keinen Einfluss auf die verwendeten Kräfte und Schilde hatte, konnte kein Einfluss auf einen größeren distalen Kraftvektor genommen werden, um einen Vergleich mit dem Headgear im Oberkiefer zu ermöglichen. Der Vorteil der muskulären Verankerung des Lipbumpers legt aber nahe, dieses Feld eingehender im Zusammenhang mit größeren Kräften und Schilden zu untersuchen. Weitere Möglichkeiten, Platz zu schaffen, sollten auch genutzt werden. Empfohlen wird, rotierte Zähne mittels Lb zu derotieren, um versteckten Platz zu nutzen30,111. Eine kontrollierte Frontzahnkippung erzielt den größten Anteil an einer Expansion84, solange Stabilität, Ästhetik und Funktion gewährleistet sind. Bei Drahtbogen-Lipbumpern werden die besten Effekte erzielt, wenn sie mit 4 mm Abstand auf Höhe der Gingiva eingesetzt werden55. Der erzielte Platzgewinn mit dem Lipbumper reicht für die Auflösung von leichten bis mittleren Engständen26,36,46 und kann damit die Notwendigkeit eines späteren und deswegen schwereren Eingriffs ausschliessen50,68,101. Eine Indikation zur Extraktion kann in den meisten Fällen bisher nicht durch einen Lipbumper abgewendet werden12,104. Dies beruht auf der Abhängigkeit des Behandlungsresultates vom Kraftvektor und dem dichteren Knochen im Unterkiefer. Die Kraftgröße ist dabei aber vor allem durch die Belastbarkeit der Lippe begrenzt. 73 9.4 Schlußfolgerung Platzgewinn im unteren Zahnbogen ist mit Lipbumpern relativ gut erreichbar. Etwa zu einem Drittel wird der Effekt aus der Aufrichtung des ersten unteren Molaren bezogen und ein unbestimmter Anteil stammt aus der transversalen und sagittalen Zunahme des Unterkieferzahnbogens, indem der Lipbumper die Molaren verankert und so den Leeway-Space sichert. Dabei kann es zu einer Proklination der Unterkieferfront bis über die physiologische Toleranzgrenze kommen, weswegen Lipbumper nur bei initial steil stehender Front angewendet werden sollten oder die Front über eine Weichgewebsabstützung mit der Unterlippe gehalten werden sollte. Der sagittale Effekt auf das Wachstum ist abgeschwächt, weil, nach Platzverlust in der Stützzone mit Kippung der Molaren in die Lücke, zuerst die Molaren aufgerichtet werden und dann erst das sagittale Wachstum des Unterkiefer beeinflusst werden kann. Außerdem sollte die Zahnbogenlänge und -breite in diesem Zusammenhang betrachtet werden, um die Bewegung des Molaren relativ zum Wachstum darzustellen. Mittels Überlagerungstechnik sind die Anteile der Zahnbewegung gut zu differenzieren, wobei die Orientierung der Überlagerung anhand anatomischer Strukturen Variationen zuläßt, die in der Größe der zu untersuchenden Messwerte liegen können; nicht zuletzt deswegen empfiehlt sich die computergestützte Auswertung. Die Distalisation der Molaren mittels Lipbumper ist mit Schilden und ausreichender Vorspannung möglich, muss insgesamt jedoch relativ zum Aufrichten der Molaren und zum Unterkieferwachstum gesehen werden; das Ausmass der Distalisation ist begrenzt, die existierenden Studien berichten aber über eine gute Stabilität der Ergebnisse nach Lipbumperbehandlung116,118. 74 10 Zusammenfassung Gegenstand der retrospektiven Untersuchung war die Bewegung des ersten unteren Molaren bei Lipbumpertherapie. Insgesamt wurden 14 jugendliche Patienten mit einer Gruppe unbehandelter Personen des gleichen chronologischen Alters und der gleichen intermaxillären Kieferrelation verglichen. Dazu wurde die Überlagerungsmethode nach Baumrind et al.10,11 verwendet, die bei den Wachstumsvorgängen das Displacement von der lokalen und der totalen Verlagerung differenziert. Die Fernröntgenseitenbilder des Schädels von zwei Zeitpunkten mit einem Abstand von 25 Monaten wurden im Punkt Sella auf der Strecke S-N und auf der äußeren kaudalen Kontur des Corpus mandibulae überlagert und die Lokalisation der Referenzpunkte bestimmt. Die Vektoren zwischen den Referenzpunkten stellten die totale Verlagerung und ihre orthopädischen und orthodontischen Anteile dar. Die Bewegungen wurden mit denen der unbehandelten Kontrollgruppe verglichen und die Gruppenunterschiede der Messdaten mit einem unverbundenen Wilcoxon-Test auf Signifikanz geprüft. Des Weiteren wurden die Molaren- und Frontzahninklination und der Platzbedarf im Zahnbogen analysiert und die erhobenen Daten statistisch ausgewertet. Die Ergebnisse belegen, dass mit dem Lipbumper ein signifikanter Platzgewinn im unteren Zahnbogen möglich ist (x=2,43 mm), der hauptsächlich aus dem Aufrichten des verankernden Molaren nach distal (p=0,027) und dem Halten des Leeway-Space, sowie zu einem kleineren Anteil aus einer Frontzahnproklination resultiert. Die Referenzpunkte der anterioren Unterkieferbasis verlagerten sich aufgrund der physiologischen Wachstumsgänge in beiden Gruppen nach ventrokaudal. Dabei war die Kaudalverlagerung des Punktes Menton in der Studiengruppe signifikant geringer (p=0,0045). Aufgrund der Ergebnisse dieser Studie hat der Lipbumper nicht nur einen dento-alveolären Effekt auf den unteren Zahnbogen, sondern auch auf die wachstumsbedingten Veränderungen der anterioren Unterkieferbasis im Sinne einer reduzierten Vertikalentwicklung in Kombination mit einer verstärkten Ventralverlagerung. Große Distalisationen, wie bei Anwendung eines Headgear im Oberkiefer, werden aufgrund der begrenzten Kraftübertragung nicht erreicht. Der distale Kraftvektor ist abhängig von der Belastungsfähigkeit der Unterlippe, der Vorspannung des Bogens in die Lippe hinein und der Verwendung eines Schildes. Die Therapie mit Lipbumper ist wegen der Proklination der Frontzähne nur bei Patienten mit steiler Unterkieferfront indiziert, um instabile Zahnachseneinstellungen durch die Therapie zu vermeiden. Andernfalls sollte die Front über eine Weichgewebsabstützung mit der Unterlippe gesichert werden. Mit der Überlagerungsmethode nach Baumrind et al.9,10 ist die Zahnbewegung gut zu differenzieren. Bei Überlagerung auf den anatomischen Strukturen der Unterkieferbasis besteht eine große Variabilität, die eventuell Studienergebnisse verschleiern kann. In diesem Zusammenhang wurde für die Beobachtung von Veränderungen des Unterkiefers die Zentrierung der Röntgenbilder auf der anatomischen Struktur der Symphysenrückseite betont. 75 11 Literaturverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Altman D.G. (1991) Practical statistics for medical research. Chapman & Hall CRC, London Angle E.H. (1907) The treatment of malocclusion of the teeth. (7.Aufl.) W.B. Saunders Philadelphia Aru G., Colli S., Falconi A., Zappa G. (1985) The lip bumper in orthodontics. Mondo Ortod 10: 25-32 Arvystas M.G. (1985) Nonextraction treatment of Class II, Division 1 malocclusions. Am J Orthod 88: 380-95 Attarzadeh F., Adenwalla, S.T. (1988) A cephalometric analysis of the clinical application of lipbumper. J Dent Res 67/66: 252 Baumrind S., Ben-Bassat Y., Bravo L.A., Curry S., Korn E.L. (1996) Partitioning the components of maxillary tooth displacement by the comparison of data from three cephalometric superimpositions. 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Haug, Lehrerin 1982-1995 Grundschule und Gymnasium an der Freien Waldorfschule Uhlandshöhe in Stuttgart Juni 1995 Allgemeine Hochschulreife, Waldorfschule Uhlandshöhe, Stuttgart 1996-97 Zivildienst im Alten- und Pflegeheim Haus Morgenstern, Stuttgart 1997-2003 Studium der Zahnheilkunde an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Dez. 2003 Abschluß des Studiums mit dem Staatsexamen Jan. 2004 Approbation als Zahnarzt 2004-2005 Unfall und Rehabilitationsphase seit Jan. 2006 Tätigkeit in zahnärztlicher Praxis in Karlsruhe 82 14 Danksagung Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei Frau Prof. Dr. I. Jonas für die Überlassung des Themas und Ihre stets freundliche Hilfe. Für die freundliche Übernahme des zweiten Gutachtens möchte ich mich bei Herrn PD Dr. D. Schulze bedanken. Herrn Prof. Dr. J. Schulte-Mönting vom Institut für medizinische Biometrie und medizinische Statistik danke ich für die Unterstützung bei der statistischen Auswertung. Frau Prof. Dr. Rudzki-Janson an der Ludwig-Maximilians-Universität München möchte ich danken für die freundliche Bereitstellung der Unterlagen eines unbehandelten Kollektives zur Auswertung der Kontrollgruppe. Ein herzliches Dankeschön auch an Frau Feger für die Hilfe bei der Literaturrecherche und Frau Tritschler für den Zugang zu den Archiven, sowie Frau Brammer und allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite standen. Besonders möchte ich meinen immer mitfühlenden Eltern und meinen Freunden meinen Dank aussprechen für Ihre stetige Aufmunterung und Unterstützung. Mein herzlichster Dank gebührt meiner Verlobten Sonja für ihre mentale Unterstützung und das Korrekturlesen.