Innovation – Das Magazin von Carl Zeiss finden Sie im Internet unter www.zeiss.de/innovation Das Magazin von Carl Zeiss Ausgabe 22 9/ 2010 (Auf-)Lösung: Spannende Einblicke Besser sehen: Mit und ohne Brille Essay: Die Vereinigung von Carl Zeiss Ost und West Mit Brain-Mapping, einer Art Gehirnkartierung, nimmt die Forschung einen neuen Anlauf, um hinter die Geheimnisse des menschlichen Denkapparates zu kommen. Gehirnforscher wollen mit Hilfe hochaufgelöster, elektronenmikroskopischer Abbildungen eine Art dreidimensionaler Landkarte des Gehirns erstellen und vor allem die Verschaltung der Nervenzellen über die Synapsen erfassen. Man hofft, dadurch auch die Ursachen von Krankheiten wie etwa Schizophrenie zu entschlüsseln. Brain-Mapping stellt eine neue und vielversprechende Applikation für Partikelstrahlsysteme dar. Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Was passiert, wenn ein Virus in eine Zelle eindringt? – Vorgänge in lebenden Zellen zu verstehen, ist eine wichtige Voraussetzung für Fortschritte in der Medizin und damit für ein Mehr an Gesundheit und Lebensqualität. Wer sich mit Zellstrukturen und intrazellulären Prozessen befasst, nutzt für seine Arbeit ein Lichtmikroskop. Diesem setzen allerdings physikalische Gesetzmäßigkeiten eine Grenze, die Ernst Abbe, der Geschäftspartner des Unternehmensgründers Carl Zeiss, und wissenschaftlicher Kopf und spätere Inhaber des Unternehmens, schon um 1870 erkannt hat. Die nach Abbe benannte Auflösungsgrenze von 200 Nanometern galt mehr als 130 Jahre lang. Erst in jüngster Zeit ist es gelungen, diese Auflösungsgrenze der klassischen Lichtmikroskopie mit intelligenten Lösungen um den Faktor 10 herabzusetzen. Damit ist das Tor aufgestoßen zu einer neuen Dimension der Forschung. Die Option, lebende Organismen untersuchen zu können, nutzen vor allem Zellbiologen wie die Leibniz-Preisträgerin Petra Schwille. Bei Carl Zeiss ist man noch einen Schritt weiter gegangen. Das Unternehmen, das als einziges weltweit sowohl Licht- als auch Elektronenmikroskope herstellt, hat beide Technologien kombiniert. Damit wird korrelative Mikroskopie einfach möglich. Mit Hilfe der korrelativen Mikroskopie kann zum Beispiel die Frage beantwortet werden, wie ein Virus in die Zelle eindringt. Wir bei Carl Zeiss sind stolz darauf, seit mehr als 160 Jahren innovative Instrumente und Lösungen bereit zu stellen, die der Wissenschaft immer wieder zu neuen bahnbrechenden Erkenntnissen verhelfen. Dieser Anspruch begleitet uns auch in die Zukunft. Ich wünsche Ihnen viele spannende Einblicke bei der Lektüre. Ihr Dr. Dieter Kurz, Vorstandsvorsitzender der Carl Zeiss AG Innovation 22, 9 / 2010 3 Inhalt Editorial 3 Panorama 6 Immer auf Empfang 10 Fotowettbewerb Titelthema: (Auf-)Lösung Brückenschlag zwischen Mikround Nanowelt „Freiheit ist das Wichtigste“ Dr. Petra Schwille im Interview 16 22 Dem Geheimnis des Denkens auf der Spur 24 Essay 44 16 Fluoreszenzmarkierte Vesikel in einem Neuron, überlagert mit rasterelektronenmikroskopischer Aufnahme. Zwanzig Jahre! 4 Innovation 22, 9 / 2010 Feature Faszination des Augenblicks im Bild 36 Report: Himmel in Bewegung Wenn Raumschiffe durch Galaxien schweben 26 Report: Auf großer Fahrt Auf Spurensuche in den Weltmeeren 26 Das Bochumer Planetarium. 30 Report: Besser sehen Mehr sehen. Mehr erleben. Die schöne Welt des Sehens Revolution in der Laserchirurgie Die Lösung mit dem Zylinder 38 40 42 Forscherleben 50 Roger Tsien Impressum 51 38 Innovation 22, 9/ 2010 5 Panorama Der Traum beim Bohren Die Videobrille cinemizer Plus von Carl Zeiss sorgt für entspannte Patienten Im Zahnarztstuhl sitzen und vom Bohren nichts mitkriegen – so wünscht sich wohl jeder die nächste Behandlung. Der cinemizer Plus macht es möglich. Diese Videobrille von Carl Zeiss verwenden schon etwa 400 Zahnärzte in Deutschland, um die Behandlung angenehmer zu machen. Die Patienten sehen sich Musikvideos an oder sogar, wenn das Bohren länger dauert, ganze Filme. Erfahrene Zahnarztbesucher bringen ihre Lieblingssendung auf dem iPhone, dem iPod oder einem Nokia Smartphone selbst mit. Frühere Versuche mit Ablenkungsfilmen, die auf Monitoren an der Decke liefen, waren gescheitert, weil die Patienten wegen der 6 Innovation 22, 9 / 2010 Lichtreflexe kaum etwas erkennen konnten. Bei der Videobrille spielt sich das alles in einem geschlossenen System ab. Sie simuliert eine zwei Meter entfernte Leinwand mit einer Diagonale von immerhin 44 Zoll und bietet damit einen akzeptablen Sehkomfort. Der Ton kommt aus an der Brille befestigten Lautsprechern oder aus mitgebrachten Kopfhörern, die problemlos anzuschließen sind. Der cinemizer Plus ist nicht nur etwas für den Zahnarzt. Er lässt sich auch in anderen Arztpraxen einsetzen, zum Beispiel zur Ablenkung bei kleinen Eingriffen unter örtlicher Betäubung im Krankenhaus. Das Mooresche Gesetz Die EUV-Litographie wird reif für die Serienproduktion von Höchstleistungs-Computerchips Intel-Gründer Gordon Moore sagte im Jahr 1965 voraus, dass die Zahl der Komponenten auf einem Computerchip sich alle 18 Monate verdoppeln würde. Diese Prognose ist als Mooresches Gesetz bekannt. Er nahm an, dass die Halbleiterindustrie in zehn bis 15 Jahren an eine unüberwindbare technologische Grenze stoßen und das Gesetz seine Gültigkeit verlieren würde. Aber – noch schreitet die Entwicklung rasant voran. Die Chipstrukturen werden weiterhin kleiner, wodurch immer mehr Komponenten auf einen Chip passen. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Das liegt auch an der EUV-Lithographie, einem neuen Herstellungsverfahren, welches die Serienfertigung von Mikrochips revolutioniert. Carl Zeiss liefert das optische System. Die anspruchsvolle Technologie erforderte 15 Jahre intensiver Forschung. Nicht ohne Grund wurden der Entwickler Peter Kürz und sein Team im Jahr 2007 für den Zukunftspreis des Bundespräsidenten nominiert. Bei der EUV-Lithographie wird extrem kurzwellige Strahlung von 13,5 Nanometer genutzt. Diese um mehr als ein Zehntel kürzere Strahlung als die derzeit üblichen 193 Nanometer bildet die Voraussetzung für die Abbildung von Chipstrukturen mit Abmessungen von 10 Nanometern und darunter. ASML, der niederländische Partner von Carl Zeiss, baut das optische System in seine EUV-Chipproduktionsanlagen (Foto) ein. In der zweiten Hälfte dieses Jahres wird die erste Anlage ausgeliefert. Voneinander messen lernen Das Metrology Portal von Carl Zeiss ist ein Forum der Messtechnik im Internet Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt. Diese Erkenntnis macht sich das Metrology Portal von Carl Zeiss zu nutze, ein weltweit einzigartiges soziales Netzwerk für alle Fragen der Messtechnik. Mit der kostenlosen Anmeldung erhält der Nutzer Zugang zu vielen Angeboten. Er kann zum Beispiel messtechnische Grundlagen nachschlagen, in Foren diskutieren, sich Tipps zu speziellen Problemen holen und Software für die tägliche Arbeit herunterladen. Kunden mit einem Softwarepflegevertrag können zusätzlich aktuelle Software-Updates herunterladen und Angaben zu ihrem Messgerät abrufen. Dabei ist man technisch und wissenschaftlich stets auf dem neuesten Stand. Der Nutzen für den Anwender war das entscheidende Kriterium beim Aufbau des Portals, und er ist sein größtes Plus: „Einfach kurz etwas nachschlagen oder im Forum eine Frage stellen und sofort hat man eine Antwort auf ein messtechnisches Problem“, sagt Dieter Finner, Fertigungsplaner bei der tedrive Germany in Düren. Auch Carl Zeiss profitiert vom Austausch mit den Anwendern und erweitert sein Know-how. Das Metrology Portal bietet die klassische Win-WinSituation für alle Beteiligten. Weitere Informationen unter http://www.zeiss.de/metrology-portal Innovation 22, 9 / 2010 7 Von der Feinmess zur IMT Den Rückblick auf 90 Jahre industrielle Messtechnik bei Carl Zeiss gibt es jetzt als Buch Im Grunde begann alles mit dem Abbeschen Komparatorprinzip. Der Physiker Ernst Abbe, Partner von Carl Zeiss und Gründer der Carl-Zeiss-Stiftung, hat dieses Prinzip für exaktes Messen schon 1890 formuliert. Ohne ihn wäre die industrielle Messtechnik wohl nicht das, was sie heute ist. Die ersten Messgeräte von Carl Zeiss für die Industrie entwickelte dann Otto Eppenstein, der fast 20 Jahre lang die 1919 gegründete „Abteilung Feinmess“ bei Carl Zeiss in Jena leitete und in dieser Zeit 78 Patente anmeldete. Eppensteins Geräte waren so ausgefeilt, dass sie jahrzehntelang unverändert gebaut wurden. Nach dem Krieg, als Carl Zeiss in Oberkochen ein neues Werk aufbaute, gab es „Feinmess Ost“ und „Feinmess West“, die sich erbittert um Markenrechte stritten. „Feinmess West“ hatte rasch die Nase vorn und entwickelte 1950 das Universalmessmikroskop, das in der Version UMM 500 im Jahr 1973 (Foto) auf der Microtecnic in Zürich als Messesensation galt. Die 3D-Messmaschine revolutionierte die Messtechnik und wurde zur Legende. Im Jahr 1976, als sich abzeichnete, dass die Zukunft in den 3D-Messgeräten lag, bekam die „Abteilung Feinmess“ einen neuen Namen: Industrielle Messtechnik (IMT). Die spannende Entwicklung der industriellen Messtechnik bei Carl Zeiss zwischen 1919 und 2009 gibt es jetzt als Buch von knapp 100 Seiten, unter dem Titel „90 Jahre industrielle Messtechnik bei Carl Zeiss“; erschienen im August-Dreesbach-Verlag. ISBN 978-3-940061-34-8 Weitere Informationen unter www.augustdreesbachverlag.de/html/buecher/ imt.html Eine 24-seitige Kurzfassung ist ebenfalls erhältlich. Die dritte Dimension SurfMax prüft vollautomatisch die Oberfläche von 3D-Teilen Bei Routineaufgaben sind Maschinen zuverlässiger als der Mensch. Sie kennen keine gute oder schlechte Tagesform, und richtig programmiert machen sie weniger Fehler. Das gilt auch für die Sichtprüfung von Oberflächen. Sichtprüfung ist dort erforderlich, wo technische oder dekorative Oberflächen nicht schon durch den Fertigungsprozess garantiert fehlerfrei sind. Hier nimmt gewöhnlich ein Mitarbeiter das Teil in Augenschein, dreht und wendet es im Licht – eine aufwändigere Form der Kontrolle, die heute gut von einer Maschine übernommen werden kann. Die vollautomatische Oberflächenprüfung in der Fertigung – Optical Inline Metrology (OIM) – erledigt SurfMax, das erste konfigurierbare Prüfgerät, das dreidimensionale Objekte untersuchen kann. SurfMax macht es bei der Sichtkontrolle ähnlich wie der Mensch: Er schließt aus den Reflexen auf der Oberfläche, ob diese fehlerfrei ist oder Kratzer und Vertiefungen aufweist. Das funktioniert bei flachen und bei gekrümmten Metall-, Kunststoff- und Keramikoberflächen, von glänzend bis matt. Anders als der Mensch braucht das Gerät für ein sachkundiges Urteil 8 Innovation 22, 9 / 2010 kein spezielles Talent oder umfangreiche Erfahrung, lernt aber dazu und arbeitet stets mit derselben Präzision. Und der Mensch wird frei für Aufgaben, die eine Maschine nicht erledigen kann. Analyse auf einen Blick FLOW® 800 erleichtert neurochirurgische Eingriffe durch gut aufbereitete Darstellung des Blutflusses Eine Entscheidung ist nur so gut wie die Informationen, auf die sie sich gründet. Neurochirurgen können das, was sie beim Operieren wissen müssen, künftig rascher erfassen. FLOW 800 unterstützt sie bei der visuellen Analyse des Blutflusses – eine nicht zu unterschätzende Hilfe bei der Entscheidung, ob die Klammer an einem Blutgefäß im Gehirn richtig gesetzt und der Bypass um eine Gefäßverstopfung durchgängig ist. bildet das Programm auf farbigen Übersichtskarten ab und zeigt, wie sich der Blutfluss in Laufe der Operation verändert. Der Arzt kann Sequenzen auswählen und direkt miteinander vergleichen. Das erleichtert ihm eine fundierte medizinische Analyse. Schon bisher konnte der Chirurg während der Operation auf dem Bildschirm sehen, wie und wo das Blut durch die Gefäße fließt. Die Visualisierung mittels INFRARED 800, mit dem das Operationsmikroskop OPMI® Pentero® von Carl Zeiss ausgestattet ist, macht es möglich. Für eine sachkundige Interpretation der Daten musste der Arzt die Aufzeichnungen allerdings mehrmals ansehen. Um sich ein Bild von der Wirkung seines Eingriffs zu machen, musste er Vorher und Nachher vergleichen und zu diesem Zweck umständlich vor- und zurückscrollen. Mit FLOW 800 geht das einfacher und schneller. Die Informationen aus den INFRARED 800-Videos werden auf einen Blick präsentiert. Komplexe Zusammenhänge Der weiße Fleck auf der Schwinge Neue Spektive von Carl Zeiss erweitern den Blick auf die Natur und sind bedienerfreundlich Ein Spektiv ist ein Mittelding zwischen Fernglas und Teleskop. Sportschützen nutzen es, um von weitem ihre Treffer abzulesen. Naturliebhaber beobachten damit aus großer Entfernung Tiere, vor allem Vögel, ohne diese zu stören. Mit dem Spektiv erkennen sie Einzelheiten, die sie mit einem Fernglas nicht sehen würden, zum Beispiel den weißen Fleck auf der zehnten Handschwinge einer Möwe. Die Victory DiaScope-Spektive von Carl Zeiss bieten Naturliebhabern neue Möglichkeiten: Das Vario-Okular vergrößert nicht nur den Bildausschnitt auf das 75-fache. Durch eine besondere Konstruktion des Objektivs und das fluoridhaltige Hochleistungsglas bietet es gestochen scharfe, bis weit in die Dämmerung hinein helle Bilder, und das ohne störenden Farbsaum an den Rändern. Eine echte Innovation ist das VarioOkular mit erweitertem Zoombereich. Der Wechsel zwischen einem weiten Sichtfeld und der Einstellung mit starker Vergrößerung gelingt rasch und stufenlos. Ein weiteres Highlight ist der Dual Speed Focus der zwei Fokussiergeschwindigkeiten in einem Bedienelement vereint: Im Feinmodus wird die Bildschärfe punktgenau eingestellt, und bei größeren Drehbewegungen wechselt das System automatisch in den Grobmodus für schnelles Fokussieren. Das Victory DiaScope 85 T* FL wurde jüngst in der Kategorie Produktdesign mit dem red dot design award 2010 ausgezeichnet; es überzeugt den Anwender wie auch die red dot Jury mit seiner Technik und funktionalem Design. Innovation 22, 9 / 2010 9 10 Innovation 22, 9 / 2010 Immer auf Empfang Leben Menschen anders in den Zeiten von Computer, Handy und Internet? Die Fotos für den Carl Zeiss Wettbewerb „Digitale Kultur“ zeigen, dass die neuen Medien im Alltag längst angekommen sind Innovation 22, 9 / 2010 11 Die Liebe in den Zeiten des Internets Das Foto ist für alle da, Janusz Chwiolka, Polen Fotografiert mit: Nokia N95 Smartphone mit Carl Zeiss Optik Vorherige Doppelseite: Digitale Technik bringt die Kulturen der Welt zusammen, Jens Oeltjebruns, Deutschland Fotografiert mit: Sony DCS-H9 mit Carl Zeiss Optik 12 Innovation 22, 21, 9 12 / 2/ 010 2008 Siegerfoto: Digitales Blind Date, Netanel Hadad, Israel, Fotografiert mit: Hasselblad 501 CM mit Carl Zeiss Planar T* 2,8/80 CB Ein Wort für mehr als 1000 Bilder: Fotowettbewerb. Carl Zeiss ruft jedes Jahr im Dezember dazu auf. Beim Wettbewerb 2009 bestand die Aufgabe darin, den digitalen Wandel in Bilder zu fassen – das allerdings mit einem Objektiv von Carl Zeiss; vom Handy bis zum Mittelformat war alles möglich und erlaubt. Digitale Medien erleichtern das Leben. Sie verändern zugleich die Art, wie Menschen miteinander umgehen, wie sie Informationen austauschen, arbeiten und spielen, Freunde treffen und Musik machen. Eine internationale Jury, darunter die Fotografen Edith Held und Jürgen Müller, bewertete vor allem die kreative Bildidee und ihre Umsetzung, weniger die Bildbearbeitung. Das Siegerfoto „Digitales Blind Date“ von Netanel Hadad aus Israel zeigt einen Mann und einen Frau im Gespräch. Sie sehen einander in die Augen – berühren können sie sich nicht. Auf dem Tisch, neben Kerzen und Weingläsern, zwei Notebooks. Der eine Bildschirm zeigt ihr Gesicht, der andere das seine. Hadad hat damit den ersten Preis gewonnen, unter 1018 Bildern aus 58 Ländern. Seine eigene Frau hat Hadad im Internet kennen gelernt. Der Junge, die Baskenmütze und seine Playstation, Maxime Ballesteros, Deutschland Fotografiert mit: Contax T2 mit Sonnar T* 2,8/38 Innovation Innovation21, 22,12 9 / 2010 008 13 „Digital“ hat den Weg in unser Leben gefunden. Holger Forst, Deutschland Fotografiert mit: Nikon D3 mit Distagon T* 2,8/21 ZF Neue Wege fürs Spielen, Juan Leon, Spanien Fotografiert mit: Nikon D700 mit Carl Zeiss Planar T* 1,4/50 ZF Computer-Reparatur in einem serbischen Dorf, Miodrag Trajkovic, Serbien Fotografiert mit: Sony HVR-Z7E mit Carl Zeiss Optik Rechts: Die Zeiten haben sich geändert , Bernd Geh, USA Fotografiert mit: Canon EOS-1D Mark III, mit Planar T* 1,4/85 ZE 14 Innovation 22, 21, 9/ 12 2/010 2008 Innovation 22, 9 / 2010 15 Titelthema Die rasante Entwicklung technischer Verfahren gibt der Forschung Einblick in immer kleinere Details. Superauflösende optische Systeme dringen in den Zellen bis auf molekulare Ebene vor. Die korrelative Mikroskopie verbindet Mikround Nanowelt und bringt neue Erkenntnisse über Strukturen und deren Funktion. Text: Monika Etspüler Brückenschlag zwischen 16 Innovation 22, 9 / 2010 Mikro- Report: Lorem ipsum und Nanowelt Innovation 22, 9 / 2010 17 Das Vordringen in immer kleinere Welten Wer ein tieferes Ver ständnis für die Vor gänge in lebenden Or ganismen entwickeln will, muss die Komplexität einzelner biologischer Strukturen und Funktionen erforschen. Gleich zwei neue Verfahren von Carl Zeiss ebnen den Weg zur Hochauflösung und damit in diese faszinierende Welt des Nanokosmos: zum einen die korrelative Mikroskopie mit der Schnittstelle Shuttle & Find, durch die Probenausschnitte im Lichtmikroskop schnell im Elektronenmikroskop wieder auffindbar sind; zum anderen superauflösende Systeme, mit denen die Beugungsgrenze der Lichtmikroskope überwunden werden kann. Paxillin-Färbung einer Bindegewebszelle. Der Vergleich mit der herkömmlichen Weitfeldaufnahme (links) demonstriert den Auflösungsgewinn durch die neuen Superresolution-Techniken SR-SIM (Mitte) und PAL-M (rechts). 18 Innovation 22, 9 / 2010 Korrelative Mikroskopie. Bei speziellen Aufgaben werden Proben zunächst im Lichtmikroskop und anschließend im Elektronenmikroskop untersucht. Doch der Wechsel von der Mikro- in die Nanowelt hat seine Tücken, denn das gleiche Probenareal bei einer Vergrößerung um das über Tausendfache wieder zu finden, erinnert an die berühmte Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Um systemübergreifendes Mikroskopieren zu vereinfachen und einen raschen Proben- und Bildtransfer zu ermöglichen, hat Carl Zeiss Shuttle & Find entwickelt. Das weltweit einzige Unternehmen, das sowohl Lichtals auch Elektronenmikroskope herstellt, brachte Shuttle & Find vergangenes Jahr für die Materialanalyse auf den Markt. Jetzt steht die Schnittstelle auch für die korrelative Mikroskopie in den Biowissenschaften zu Verfügung. Titelthema: (Auf-)Lösung Spezifische Eigenschaften. Licht- und Elektronenmikroskope haben spezifische Eigenschaften, die ihren jeweiligen Einsatz bestimmen. Lebendpräparate können nur mit Licht- und Laser Scanning Mikroskopen untersucht werden. Sie erreichen eine Auflösungsgrenze bis etwa 200 Nanometern (1 Nanometer = 10-9 Meter). Für den weiteren Vorstoß in die Nanowelt werden Elektronenmikroskope eingesetzt. Ihr Auflösungsvermögen liegt um mehr als zwei Größenordnungen über dem eines Lichtmikroskops. Allerdings implizieren Technik und Funktionsweise des Elektronenmikroskops, dass mit ihm ausschließlich statische Untersuchungen an nichtlebendem Material vorgenommen werden können. Bisher war eine Kombination beider Verfahren zur Analyse eines definierten Probenareals sehr kompliziert, wenn nicht unmöglich. Einsatz in der Materialanalyse. Die Hochschule Aalen war eine der ersten Einrichtungen, die Shuttle & Find für ihre Forschungstätigkeit nutzte. Carmen Hafner und Timo Bernthaler untersuchen dort LithiumIonen-Batterien aus elektronischen Kleingeräten. Wie an allen Akkus nagt auch an ihnen der Zahn der Zeit. Doch seit Lithium-Ionen-Batterien zu einer Art Glaubenbekenntnis für Elektromobilität und emissionsfreie Zukunft geworden sind, stellt sich die Frage nach Alterungsprozessen und Leistungsverlusten umso drängender. Aufbau und Körnung eines Gefüges erlauben Rückschlüsse auf die Art der Herstellung, ermöglichen aber auch Aussagen über die Materialeigenschaften. Timo Bernthaler fixiert „Shuttle & Find“ auf dem motorisierten Objekttisch des Lichtmikroskops Axio Imager.2. Kalibriert wird der Proben- halter mit dem Präparat über drei Markierungspunkte auf der Oberfläche, die er zunächst anfahren muss. Auf dem Monitor erscheint der Querschnitt einer Batterie in 25-facher Vergrößerung. „Ein Jahr Entwicklungsarbeit waren nötig, um einen so guten Probenschliff herzustellen“, erzählt er nebenbei. Die spiralförmig angeordneten Separatoren, welche Anode und Kathode voneinander trennen, haben ihre beste Zeit hinter sich. An einigen Stellen sind Abbauprozesse erkennbar. Timo Bernthaler markiert die neuralgischen Punkte, die elektronisch gespeichert werden, um sie später im Elektronenmikroskop wiederzufinden. Der Untersuchung des Probenareals im Elektronenmikroskop geht eine erneute Kalibrierung voraus. Auf dem Monitor werden die strukturellen Schäden des Materials klar erkennbar – doch diesmal in 16.000-facher Vergrößerung. Vorherige Doppelseite: Ultradünnschnitt durch Zebrafinkenhirn. Fluoreszenzmarkierte Vesikel in einem Neuron, überlagert mit rasterelektronenmikroskopischer Aufnahme. Das Mikroskopsystem Elyra PS.1 kombiniert die SR-SIM und die PAL-M Technologie in einem Gerät. Innovation 22, 9 / 2010 19 „Ein Jahr Entwicklungsarbeit waren nötig, um einen so guten Probenschliff herzustellen.“ Timo Bernthaler Biologische Perspektiven. Shuttle & Find funktioniert für Bio- und Materialwissenschaften nach dem gleichen Prinzip. Die Unterschiede liegen vor allem in der Konstruktion der Probenhalter, die bei biologischem Material viel höhere Anforderungen zu erfüllen haben. n n In der Lichtmikroskopie werden für Lebendpräparate Deckgläser verwendet. Die Elektronenstrahlen eines Elektronenmikroskops dringen jedoch nicht durch Glas. Also musste der Halter so aufgebaut werden, dass die Probe von zwei Seiten mikroskopierbar ist. In der Lichtmikroskopie wird bei sehr hohen Vergrößerungen mit Immersionsöl gearbeitet. Doch Öl kontaminiert Elektronenmikroskope. Deshalb muss es vollständig entfernbar sein. Carl Zeiss hat dafür ein Verfahren zum Patent angemeldet, bei dem sich zwischen dem Immersionsöl und dem Deckglas eine dünne Folie befindet, die einfach mit dem Öl „abgezogen“ werden kann. n Schließlich soll in dem Probenhalter auch die Präparation des zu untersuchenden Objekts, also das Fixieren, Färben und Einbetten, möglich sein, ohne dass dadurch das direkte Umfeld mit den Markierungspunkten in Mitleidenschaft gezogen wird. Für die Zellbiologie eröffnen sich mit Shuttle & Find interessante Perspektiven. Beispielsweise können Überlagerungen licht- und elektronenmikroskopischer Aufnahmen vorgenommen werden. Mit einem Lichtund Laser Scanning Mikroskop lässt sich das Eindringen größerer, mit Fluoreszenzfarbstoff markierter Viren in eine Wirtszelle beobachten. Die Elektronenmikroskopie liefert dazu die Informationen über die Oberflächenmorphologie der Zelle in den entsprechenden Arealen. Anhand der Fluoreszenzsignale ist erkennbar, ob und an welcher Stelle ein Virus an einer Zelle andockt oder inwieweit es bereits eingewandert ist. „Mit SR-SIM lassen sich Strukturen räumlich abbilden. Das ist ein riesiger Vorteil.“ Martin Bastmeyer Shuttle & Find wird in den Probenraum eines Elektronenmikroskops eingesetzt. 20 Innovation 22, 9 / 2010 Superauflösende Systeme. Ein wichtiges Forschungsziel der kommenden Jahre wird sein, die Vielfalt des Titelthema: (Auf-)Lösung Zellgeschehens bis hinunter auf die molekulare Ebene zu visualisieren. Voraussetzung dafür sind Lichtmikroskope mit fluoreszenzbasierter Technik und einer extrem hohen Auflösung, auch als „Superresolution“ bezeichnet. Elyra von Carl Zeiss verbindet die beiden Qualitätsmerkmale miteinander. Elyra S.1 (SR-SIM), das für Structured Illumination Microscopy steht, hat eine Auflösung, die doppelt so hoch ist wie die herkömmlicher Fluoreszenzmikroskope. Elyra P1 (PAL-M) auch als Photo Activated Localization Microscopy bezeichnet, erreicht eine Auflösung von 20 Nanometern und arbeitet damit in einem Bereich, in dem Einzelmoleküle lokalisiert werden können. Im Labor von Prof. Dr. Martin Bastmeyer vom Lehrstuhl für Zell- und Neurobiologie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) steht Elyra PS.1, eine Kombination aus PAL-M und SR-SIM. Der Wissenschaftler setzt SR-SIM unter anderem ein, um das Zytoskelett, das einer Zelle Stabilität und Elastizität verleiht, zu untersuchen. Es besteht aus einem Netzwerk von Aktinfilamenten und Mikrotubuli. Das sind Proteinfasern, die dafür sorgen, dass die Zelle ihre äußere Form behält. Im SR-SIM sind diese Strukturen als feine Fäden zu erkennen. Mithilfe von PAL-M gelingt es Bastmeyer, einzelne Paxillin-Proteine zu lokalisieren. Das in der Probe als grün gelb fluoreszierender Punkt erscheinende Paxillin, ist eines von über 100 Eiweißen, die gemeinsam die Andockstelle der Aktinfilamente an der Zellmembran bilden. Von der Aufgabenstellung hängt es ab, welches der beiden superauflösenden Mikroskopierverfahren zu Anwendung kommt. „Mit SR-SIM lassen sich Strukturen räumlich abbilden. Das ist ein riesiger Vorteil“, erklärt Martin Bastmeyer. „PAL-M erfordert sehr viel Vorbereitungszeit. Außerdem müssen die optischen Schnitte extrem dünn sein“, ergänzt er. Für PAL-M werden nur Fluorophore von speziellen GFP-Mutanten (grün fluoreszierende Proteine) eingesetzt, wohingegen für SR-SIM alle Fluoreszenzfarbstoffe verwendet werden können. Beugungsgrenzen ausgetrickst. Auch wenn die Technik, die hinter SR-SIM und PAL-M steckt, völlig unterschiedlich ist, eines haben beide Systeme gemeinsam: Um zu funktionieren, müssen sie ein physikalisches Gesetz, das Ernst Abbe bereits 1873 formuliert hat, umgehen. Grundsätzlich gilt, dass die Wellennatur des Lichts dem Auflösungsvermögen eines Mikroskops Grenzen setzt. Die maximale Trennschärfe auch des besten Lichtmikroskops liegt bei einem Mindestabstand zweier Punkte von maximal 200 Nanometern. Will man stärker in Details einsteigen, müssen Mikroskop und mikroskopische Abbildungen so modifiziert werden, dass eine Auflösung jenseits des Abbeschen Gesetzes möglich ist. Bei der strukturierten Beleuchtung (SR-SIM) wird deshalb eine definierte Gitterstruktur in die Fokusebene des Fluoreszenzmikroskops projiziert. Der erzeugte Modulationskontrast zwischen hellen und dunklen Bereichen im Bild kann dann genutzt wer- den, um zwei eng beieinander liegende Punkte noch unterscheiden zu können. Um die Hochauflösung nicht nur in einzelnen Bereichen des Bildes zur Verfügung zu haben, wird das Gitter über mehrere Positionen lateral verschoben und rotiert. Dies garantiert eine gleichmäßige Auflösungssteigerung in allen drei Raumrichtungen. Die einzelnen Rohbilder die dabei entstehen, haben mit einer „realen“ Abbildung nur wenig zu tun. Erst durch nachträgliche Verrechnung wird daraus ein objektgetreues mikroskopisches Bild. Die photoaktivierte Lokalisationsmikroskopie (PAL-M) nutzt schaltbare Fluorophore, um die Beugungsbegrenzung zu umgehen. Die Probe wird mit unterschiedlichen Wellenlängen bestrahlt, so dass immer nur wenige Moleküle auf einmal angeregt werden. Dadurch kann die Position eines einzelnen Moleküls auf wenige Nanometer genau bestimmt werden. Die Wiederholung dieses Vorgangs wird in 20.000 bis 40.000 Einzelbildern festgehalten und anschließend zu einem Gesamtbild addiert. Noch stärkere Vernetzung. Der zukünftige Trend wird dahin gehen, die unterschiedlichen Mikroskopierverfahren weiter zu vernetzen. Noch ist es nicht möglich, superauflösende lichtmikroskopische Systeme und Elektronenmikroskopie über Shuttle & Find zu „verheiraten“. Gelingt das, steht dem Ziel, die Position eines einzelnen Proteins und seine Funktion in einer hoch aufgelösten Zellstruktur zu bestimmen, nichts mehr im Wege. Innovation 22, 9 / 2010 21 Interview „Freiheit ist das Wichtigste“ Die Leibnizpreisträgerin Petra Schwille erklärt den Reiz der Zellbiologie Waren die Bedingun- gen, die Sie am Bio- technologischen Zen- trum (BIOTEC) der TU Dresden vorfinden, mit ein Grund dafür, dass Sie den Leibniz-Preis bekommen haben? Ja ganz zweifellos. Das ist hier eine absolut tolle Umgebung, inspirierend. Und total nette Kollegen. Eine richtige Aufbruchstimmung hier. Man hat das Gefühl, Teil einer großen Bewegung zu sein und das macht immer Spaß. Was bedeutet Ihnen der Leibnizpreis? Einen so hoch angesehenen Preis zu bekommen, ist schon ein tolles Gefühl. Es stärkt einem den Rücken. Der Preis stellt sicher, dass es auf diesem Niveau weitergehen kann, egal was jetzt in den nächsten fünf Jahren passiert. Von Haus aus sind Sie ja Physikerin. Mich haben biologische Phänomene immer am meisten interessiert, darum bin ich zum Studium nach Göttingen gegangen. Ich habe mich über die Physik zur physikalischen Chemie, dann weiter zur physikalischen Biochemie und biophysikalischen Chemie bewegt und mittlerweile bin ich so fast in der Zellbiologie gelandet. Von den 90ern bis Mitte 2000 waren die großen „Einzelmoleküljahre“, aber jetzt ist der erste Hype vorbei. Jetzt will man etwas Sinnvolles mit diesen Technologien machen. Mich interessieren so fundamental wichtige Fragen wie „Wie kommt es eigentlich von einer Zelle zum Orga- 22 Innovation 22, 9 / 2010 nismus?“. Da sind unheimlich viele Prozesse involviert: Symmetriebrechung, Polarisation, Einstellen von lokalen Konzentrationen … Mich interessiert, was die spezifische Eigenschaft dieser Moleküle ist, so dass sie so komplexe Strukturen bilden können. Was hat Sie in die Zellbiologie gezogen? Es gibt zwei wichtige Gründe: In meiner Doktorarbeit habe ich Fluoreszenz-Korrelations-Spektroskopie (FCS) gemacht und das, glaube ich, auch ziemlich gut. Aber meine ganzen Daten waren irgendwelche Kurven. Aber dann habe ich das erste Mal auf einer Tagung Leute erlebt, die konfokale Mikroskopie gemacht haben. Die haben Bilder und Videos gezeigt; das hatte eine unheimliche Überzeugungskraft. Das wollte ich auch! Der andere Grund war die Umgebung, die Leute hier, die Fragen, die hier so diskutiert werden. Dresden war für mich definitiv ein Glücksfall. Das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik hat mich in der Art, wie man grundlegende biologische Fragen stellt, sehr bereichert. Sie gehen weg von der Zellbiologie hin zur – wie wir es bezeichnen – biomedizinischen Forschung: Was bringen Ihre Ergebnisse dem Menschen? Das kann ich so nicht sagen. Ich will verstehen wie die Zelle funktioniert. Ich will verstehen, was die Moleküle treiben, damit überhaupt so etwas Interessantes wie eine Zelle entsteht. Und was speziell dran ist. Was braucht ein Molekül, um so etwas aufbauen zu können? Wie unterscheidet es sich von beliebigen anderen, „langweiligen“ Molekülen? Wir haben in den letzten Jahren Systeme vereinfacht und festgestellt, dass man mit ganz wenigen Molekülen oder Molekülspezies richtige Muster erzeugen kann; biologische Muster; ein Vorne und ein Hinten. Das ist im Grunde alles Physik. Da ist irgendein Schalter an dem Molekül, der irgendwie funktioniert und ein anderes Molekül bedient den Schalter auf spezielle Weise und zack, entsteht da ein Muster. Titelthema: (Auf)-Lösung Wie lange hat es gedauert von den Reagenzglasexperimenten hin zu Experimenten mit lebenden Zelle? Bevor wir die zellulären Fundamentalmechanismen verstehen können, musste es uns erst einmal gelingen, quantitativ in einer lebenden Zelle zu messen. Das hat lange gedauert, bis wir das konnten. Eigentlich fast 15 Jahre. Ich habe 1996 in meiner Doktorarbeit die FCS-Methode dafür weiterentwickelt. In meiner Zeit in Amerika haben wir Zellen dann mit der Zweiphotonenanregung untersucht. Es hat eigentlich bis 2002, 2004 gedauert, bis man die ersten großen Publikationen hatte. Und jetzt arbeiten wir im lebenden Embryo, dem „High End System“ sozusagen, wo sich wirklich alles bewegt. Das ist noch eine Stufe komplexer. Wie viel Zeit bleibt Ihnen als Lehrstuhlinhaberin noch neben der Bürokratie für die Forschung? Das ist schwer zu trennen. Bis auf ganz weniges hat alles mit Forschung zu tun. Viel Arbeit fließt in Gutachten und viel Zeit in Projektanträge. Der Leibnizpreis hat mir ein bisschen Luft verschafft. Die Zeit, in der man sich einfach hinsetzen und nachdenken kann, die muss man sich überall rauspflücken aus dem Tag. Aber alles macht irgendwie Spaß. zur Person Dr. Petra Schwille Spaß ist für Sie sich hinzusetzen und in Ruhe nachdenken? Spaß ist natürlich ein schlechtes Wort. Ich denke schon gerne über irgendetwas in Ruhe nach, aber ich rede auch gerne mit Leuten und lasse mich gerne auf andere Ideen bringen. Wie früh haben sie sich entschieden, Physik zu machen? In der Schule. Ich war gut in Mathe und Naturwissenschaften. Bio wollte ich nicht studieren, das war eher was für Mädchen, die gerne auswendig lernten. Mein Vater war Chemiker und insofern war das auch unmöglich. Physik schien eine gute Alternative zu sein. In den ersten Jahren habe ich die Wahl ziemlich bereut. Aber mittlerweile, im Grunde ab der Zeit, in der ich selber experimentiert habe, habe ich es sehr genossen, dass ich Physik studiert habe. Und den Kick haben Sie in der Promotion dann bekommen? Ja. Dank der Ausstattung am MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Mein Chef, die finanzielle Ausstattung, die Möglichkeiten – das war super. Diese Freiheit, die Erfahrung von Freiheit, das war toll. Freiheit, das ist überhaupt das Wichtigste. Vielen Dank. Das Gespräch führten Dieter Brocksch und Silke Schmid. Die gebürtige Sindelfingerin Petra Schwille, 42, studierte Physik und Philosophie an den Universitäten Stuttgart und Göttingen. 1993 machte sie ihr Diplom. In der Arbeitsgruppe von Nobelpreisträger Manfred Eigen startete sie ihre Promotion, die sie 1996 mit einer Dissertation auf dem Gebiet der FluoreszenzKorrelations-Spektroskopie an der TU Braunschweig beendete. Nach Postdoc-Stationen unter anderem an der Cornell University in Ithaca, NY, wurde Petra Schwille 1999 Juniorgruppenleiterin für experimentelle Biophysik am Göttinger Max-PlanckInstitut. Seit 2002 ist sie Professorin für Biophysik an der TU Dresden. 2010 wurde sie mit dem Leibnizpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet. Innovation 22, 9 / 2010 23 Titelthema Dem Geheimnis des Denkens auf der Spur Wie denkt eigentlich das Gehirn? Diese Fra ge beschäftigt Natur wissenschaftler schon seit langem. In welcher Beziehung stehen Struktur und Funktion des Denkapparates überhaupt? Mit hochauflösenden elektronenmikroskopischen Instrumenten versuchen Forscher darauf eine Antwort zu finden. Etwa 100 Milliarden Nervenzellen und rund 100 Billionen Synapsen hat das menschliche Gehirn. Solche Zahlen sind zwar beeindruckend, doch führen sie nicht automatisch zu einem tieferen Verständnis der Vorgänge in diesem Zentralorgan. Mit Brain-Mapping, einer Art Gehirnkartierung, nimmt die Forschung einen neuen Anlauf, um hinter die Geheimnisse des menschlichen Denkapparates zu kommen. Das Projekt Connectom. Bei diesem Forschungsansatz geht es nicht mehr nur um die Erfassung von Nervensträngen, auch die Verschaltung zwischen einzelnen Nervenzellen wird untersucht und akribisch festgehalten. „Connectom“, so wird das System aller Nervenzellen und deren Verknüpfungen im Gehirn bezeich- 24 Innovation 22, 9 / 2010 net – in Anlehnung an den Begriff „Genom“, der die Summe aller Gene einer Zelle zusammenfasst. Langfristig soll daraus ein Art Gehirnatlas mit dreidimensionalem Schaltplan entstehen. Mit Brain-Mapping verbinden sich hohe Erwartungen. Das Potenzial, das sich dahinter verbirgt, scheint unerschöpflich zu sein. Man hofft, die Ursachen von Krankheiten wie Autismus oder Schizophrenie entschlüsseln zu können und zu einem besseren Verständnis über die Wirkmechanismen von Medikamenten zu kommen. Genaue Kenntnisse der Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns können auch Rückschlüsse auf die Persönlichkeitsentwicklung im Laufe eines Menschenlebens erlauben. Noch steht die Wissenschaft ziemlich am Anfang dieses Großprojekts. Selbst mit den schnellsten, heute existierenden Lösungen würde laut Hochrechnung die Erfassung eines Mäusehirns über 30 Jahre benötigen, ganz zu schweigen von der Kartierung des menschlichen Denkapparats. Titelthema: (Auf)-Lösung Ein Puzzle mit vielen Details. Schon die Präparation eines Gehirnabschnitts ist eine mühsame Angelegenheit. Anschließend wird das Material in Kunstharz eingebettet und mit einem Mikrotom, einer Art Hobel, in hauchdünne Scheibchen zerschnitten, die auf einen Wafer aufgebracht und in einem Rasterelektronenmikroskop abgebildet werden. Das Volumen eines solchen Präparats beträgt etwa ein Kubikmillimeter; dieser Kubus wird in rund 20.000 Scheibchen zerschnitten. Gigantische Bearbeitungszeiten sind nötig, um die Unmenge an Bilddaten, die dabei entstehen, anschließend im Computer wieder zu einem dreidimensionalen Modell zusammenzufügen. Schnelligkeit führt zum Erfolg. Carl Zeiss unterstützt diese Forschungsarbeit mit intelligenten Lösungen. Mithilfe des Rasterelektronenmikroskops (englisch Field Emission Scanning Electron Microscope, FE-SEM) SIGMATM untersucht der Biologe Jeff Lichtman von der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, Gehirnstücke der Maus. Das Gerät ist mit einem speziellen Detektorsystem und einer Software ausgestattet, die – verglichen mit konventionellen Systemen – eine 100-fach schnellere Bilderstellung und Speicherung ermöglichen. Schnelligkeit ist auch für John Mendenhall von der Universität von Texas in Austin ein wichtiges Argument für den Einsatz eines ZEISS FE-SEMs. Zusammen mit einer speziellen Anwendungslösung verfügt das System über einen Bildspeicher mit bis zu einem Gigapixel und ermöglicht so die Aufnahme großflächiger Präparate in höchster Auflösung. ORION® Helium-Ionen Mikroskop. Das Potenzial dieser Technologie liegt insbesondere in der extrem hohen Tiefenschärfe und den neuartigen Kontrastmechanismen durch die Abbildung mit Ionen. Dr. Marco Cantoni von der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne untersucht mit einem CrossBeam® Mikroskop Mäusegehirne. Statt mechanisch wie beim Mikrotom, wird die Probe durch einen Ionenstrahl Scheibchen um Scheibchen abgetragen, und dann im Rasterelektronenmikroskop untersucht. Dieser Vorgang läuft weitestgehend automatisch. „Das Ergebnis war unglaublich. In 48 Stunden haben wir 1600 Bilder von Präparatscheibchen mit je sechs Nanometer Dicke generiert“, erklärt Dr. Cantoni. „Wir erhalten dadurch einen Einblick in die dreidimensionale Struktur des zu untersuchenden Gewebes“. Einsatzmöglichkeiten auf dem Gebiet des Brain-Mapping bietet auch das Gefordert ist auch die Computerindustrie. Ihre Aufgabe wird es sein, gigantische Speichermedien zu schaffen. Schon ein Kubikmillimeter Mäusegehirn liefert Informationen von 1000 Terabyte; für das ganze menschliche Gehirn wären es eine Million Mal 1000 Terabyte. Gehirnforschung als Industrie. Die Jagd nach Bildern und Daten zeigt bereits, dass ohne breit angelegte Forschung diese wissenschaftliche Herausforderung nicht gemeistert werden kann. Stimmen werden laut, die eine Industrialisierung der Connectom-Forschung fordern, so wie es Ende des vergangenen Jahrhunderts bei der Genom-Forschung der Fall war. Die Lösung könnte sein, dass ganze „Farmen“ mit dutzenden elektronenmikroskopischer Systeme entstehen, in denen Tag und Nacht Gehirnabschnitte abgebildet werden. Den Schaltplan zu kennen, erlaubt aber noch immer keine Aussagen über die Aktivitäten des Denkapparates. Die Frage, welche Wirkung eine Nervenzelle nun tatsächlich auf ihre unmittelbare Umgebung hat, bleibt zunächst offen. Monika Etspüler Innovation 22, 9 / 2010 25 Report Wenn Raumschiffe 26 Innovation 22, 9 / 2010 durch Galaxien schweben Planetarien sind ein Türöffner für virtuelle Ausflüge in das Universum. Ein neues Projektionssystem macht Reisen ganz anderer Art möglich und das Erleben dabei noch realistischer. Innovation 22, 9 / 2010 27 28 Innovation 22, 9 / 2010 Report: Himmel in Bewegung Tiefes Schwarz bringt Dynamik Einmal zum Saturn und zurück, spüren wie die Erde unter den Füßen schrumpft – für 55 Millionen US-Dollar ist es zwar möglich, einen Flug zur Internationalen Raumstation inklusive Weltraumspaziergang zu buchen. Doch hier endet die Expedition ins All. Planetarien dagegen ermöglichen die Weiterreise. Die Zuschauer erkunden die letzten Winkel des Universums, bis die sanfte Landung sie in ihre zurückgeklappten Sitze drückt. Neue Maßstäbe setzen. In den Planetarien von Wolfsburg und Bochum erlebt das Publikum diese Verzauberung bereits seit einigen Monaten, im Planetarium der Berliner Wilhelm-Foerster-Sternwarte hat sich der Himmel erst vor kurzem ein Stück weiter geöffnet. In den drei Städten kommt erstmals das von Carl Zeiss entwickelte und gefertigte Projektionssystem powerdome®VELVET zum Einsatz. Es füllt die gesamte Planetariumskuppel mit digital bewegten Bildern und vermittelt den Zuschauern damit den Eindruck, sich mitten im Weltall zu befinden. Eine absolute Neuheit ist, dass das Ganzkuppel-Videosystem in der Lage ist, einen pechschwarzen Hintergrund zu generieren, vor dem die Himmelskörper zu schweben scheinen und das Funkeln der Sterne nicht verloren geht. Im Bochumer Planetarium – neu mit dem Projektionssystems powerdome® VELVET ausgestattet – ist im Kulturhauptstadtjahr 2010 die Ganzkuppel-Show „tempus.ruhr“ von Rocco Helmchen zu sehen. Vielseitigkeit ist angesagt. „Das Image vom verstaubten Planetarium wurde durch VELVET endgültig abgelegt“, freut sich Dirk Schlesier, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Planetarium in Wolfsburg. Und Prof. Dr. Susanne Hüttemeister, die Direktorin des Bochumer Planetariums, kommentiert das Geschehen am künstlichen Himmel mit den Worten: „Wir bringen Dynamik in die Kuppel.“ Aus dem traditionellen Planetariumsrund wurde ein Show-Raum, in dem die psychedelische Musik von Pink Floyd die Bilder an der Kuppel zum Wabern bringt und die Beagle mit Charles Darwin an Bord den Ozean durchquert. Rundum-Erneuerung. Im Planetarium in Bochum werden schon seit 1964 die Sterne vom Himmel geholt, in Wolfsburg geschieht das seit 1983. In beiden Häusern waren umfangreiche Umbaumaßnahmen nötig, bevor die neuen Projektionssysteme Einzug hielten. Die Projektionsflächen mussten renoviert werden, denn die Technik stellt hohe Ansprüche an deren Oberflächenbeschaffenheit. „In Bochum war die Tatsache, dass das Ruhrgebiet in diesem Jahr zu den Kulturhauptstädten zählt, ein wichtiges Argument für die Rundum-Erneuerung“, erklärt Susanne Hüttemeister. Faszinierender Sternenhimmel. Mittelpunkt in beiden Planetarien ist der optisch-mechanische Sternenprojektor. Die Sterne werden über Glasfaser abgebildet, eine Technologie, die nur Carl Zeiss beherrscht. Sie sorgt dafür, dass das Bild des Sternenhimmels so realistisch ist. Das All lebt. Bewegung ins All brachten bisher herkömmliche Dia- und Videoprojektoren. Allein in Wolfsburg waren 50 davon im Einsatz. Diese Geräte sind jedoch nicht für eine brillante Ganzkuppelpräsentation geeignet. Der Hintergrund bleibt sichtbar und es entstehen graue, verwaschene, manchmal fleckige Bilder. Mit VELVET hat Carl Zeiss dieses Problem gelöst, denn der Projektor vermeidet jegliches Restlicht. Schwarz im Bild ist auch Schwarz in der Projektion. Die technische Herausforderung bestand darin, das Restund Streulicht aus allen Projektorkomponenten zu verbannen und damit den Kontrast um Größenordnungen zu erhöhen. Das Resultat: Während marktübliche Projektoren einen Kontrastumfang von höchstens 30.000:1 aufweisen, erreicht VELVET 2,5 Millionen:1. Analog trifft digital. Um durch einen brillanten Sternenhimmel eine spektakuläre, virtuelle Reisen in die Tiefen des Universums unternehmen zu können, werden powerdome VELVET und der optisch-mechanische Sternenprojektor über eine gemeinsame Steuerung miteinander gekoppelt. Mit VELVET sind herkömmliche Diaund Video-Systeme überflüssig. Stattdessen gibt es jetzt in Wolfsburg sechs VELVET-Projektoren, in Bochum sind es acht und ebenso viele werden es in Berlin sein. Die Zuschauer wissen den technischen Fortschritt zu schätzen. Am Tag der offenen Tür drängten in Wolfsburg 2 500 Besucher in die frisch gestalteten Räume. Monika Etspüler Innovation 22, 9 / 2010 29 Report Auf Spurensuche in den Weltmeeren Tara Oceans, eine an Umfang bisher einmalige Expedition, startete vergangenen Herbst zu einer dreijährigen Forschungsreise. Ihre Aufgabe ist es, die Lebensvielfalt in den Ozeanen zu erforschen und den Zustand der marinen Ökosysteme zu erkunden. Das Segelboot Tara wurde zu dem Zweck zu einem schwimmenden Hochleistungslabor umgebaut. 30 Innovation 22, 9 / 2010 Innovation 22, 9/2010 31 Forscher erkunden die marinen Ökosysteme Am 21. Dezember 1872 verließ die HMS Chal lenger den Hafen von Portsmouth. Die Expedition sollte Daten über die Weltmeere zusammentragen. Dreieinhalb Jahre dauerte die Forschungsreise in die entlegensten Winkel der Erde. Als der Dreimaster im Mai 1876 nach England zurückkehrte, lagen 68.890 Seemeilen hinter ihm. Die Besatzung hatte auf dieser Strecke fast 300 Tiefseelotungen, rund 250 Tiefseetemperaturmessungen und ebenso viele Schleppnetzzüge durchgeführt. Tara auf Welttournee. 137 Jahre vergingen, bis wieder ein Schiff mit ähnlichem Auftrag in See stach. Am 5. September 2009 lief der Zweimaster Tara vom französischen Lorient in Richtung Mittelmeer aus. Und hier beginnt die Analogie: Drei Jahre wird der Schoner auf den Weltmeeren kreuzen und dabei 81.000 Seemeilen zurücklegen, vorbei am Kap der guten Hoffnung. Er wird den Atlantik überqueren, den Pazifik, die arktischen Gewässer. Organisatoren der Expedition sind Etienne Bourgois, Präsident von Fonds Tara (der Tara Stiftung) und Eric Karsenti vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg. Unterstützt wird Tara Oceans unter anderem vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP). Gigantisches Forschungsprogramm. Tara Oceans soll die Grundlage für eine umfassende Analyse der marinen Ökosysteme liefern. „Es geht darum, die Lebensvielfalt in den Ozeanen zu erforschen, um die immer noch weitgehend ungeklärten Wechselwirkungen besser zu verstehen“, beschreibt der Wissenschaftler Dr. Emmanuel Reynaud, einer der wissenschaftlichen Koordinatoren der Resolute Bay Anchorage Petro-Pawlowsk St Pierre et Miquelon Seattle Wladiwostok Boston New York Sept. 2012 Tokio Lissabon Bermuda Island Shanghai Taipeh Hongkong Manila März 2012 Hawaii Karibik Clipperton Galapagos-Inseln Jakarta Guayaquil Marquesas Inseln Keelinginseln Darwin Papeete Rio de Janeiro Nouméa Osterinsel Buenos Aires Sydney Valparaiso Auckland Sept. 2011 März 2011 Puerto Montt Port Stanley Puerto Williams 32 Innovation 22, 9 / 2010 Erstes Jahr (Lorient – Kapstadt) Zweites Jahr (Kapstadt - Auckland) Drittes Jahr (Auckland - Europa) Ushuaia Report: Auf großer Fahrt Die Expedtion stach vom französischen Lorient aus am 5. September 2009 in See. Die Forschungsreise dauert drei Jahre. Die Expedition Tara Oceans legt 81.000 Seemeilen zurück um die marinen Ökosysteme zu untersuchen. Erstes Jahr Zweites Jahr Drittes Jahr Anlaufhäfen Expedition und Zellbiologe am University College Dublin (UCD), die Aufgabe. Lorient Sept. 2009 Nizza Dubrovnik Barcelona Neapel Athen Tangier Limassol Bizerta Lavalette Algiers Beirut Tripolis März 2010 Port Said Scharm El-Scheich Dschidda Abu Dhabi Mascat Mumbai Goa Dschibuti Malé Mayotte St Helena Antsiranana St Denis Europa Kapstadt Sept. 2010 Toliara Saint Brandon Port Louis Gesammelt wird, was das Meer hergibt. Dazu gehören neben Bakterien und Viren vor allem Protisten, also ein- bis wenigzellige Lebewesen. Marine Protisten erzeugen letztendlich die Luft, die wir einatmen und sie übertragen den Kohlenstoff aus der Atmosphäre direkt auf das tiefliegende Sediment am Meeresgrund. Von ihren Untersuchungen erhoffen sich die Wissenschaftler genauere Informationen über die Verteilung dieser Mikroorganismen. Im nördlichen Teil des indischen Ozeans analysierten sie den Säuregehalt des Wassers, der in dieser Region höher ist als beispielsweise im Pazifik. Ein wichtiger Bestandteil des Forschungsprogramms ist auch die Untersuchung von Korallenriffen. Vor Ort genommene Proben sollen Auskunft über den tatsächlichen Zustand der 425 Millionen Jahre alten Unterwasserstrukturen geben. Ermittelt wer- den außerdem ozeanographische Daten wie Wassertemperatur, Salzgehalt, Stickstoff-, Sauerstoff- und Nitratkonzentration. Es ist der Forschungsumfang, der Tara Oceans zur Expedition der Superlative macht. Mehr als 100 Wissenschaftler, darunter Meeresforscher, Biologen, Genetiker und Physiker aus rund 50 wissenschaftlichen Laboratorien und Instituten weltweit, beteiligen sich an dem Projekt. Einmalig in der Geschichte der Seefahrt ist auch die Umrüstung eines Segelboots in ein schwimmendes Hochleistungslabor, in dem – zur großen Freude von Reynaud – alle Geräte einwandfrei funktionieren. Die Welt unter dem Mikroskop. Carl Zeiss stattete die Expedition mit zwei Stereomikroskopen des Typs Stemi® DV4 und einem SteREO Discovery.V20 aus und stellte Objektive, Kameras und Bildanalysesoftware zur Verfügung. Mithilfe der Stemi DV4 Geräte werden die in verschiedenen Innovation 22, 9 / 2010 33 Ein paar Beispiele für die Vielfalt der kleinen Meeresbewohner: 1: Dinoflagellat Ceratium hirundinella 2: Eine Gruppe von Radiolarien (Strahlentierchen) Globigerina bulloides 3: Unbekannte Qualle mit ihrer Beute, einem Ruderfußkrebs; gefangen südlich von Zypern 4/5:Zwei bisher unbekannte Radiolarien; ebenfalls südlich von Zypern gefunden Die Größe der Tiere liegt zwischen 0,15 und 0,5 Millimeter. 2 1. 5. 4 3. 4 34 Innovation 22, 9 / 2010 Report: Auf großer Fahrt Tiefen gesammelten Organismen zunächst grob sortiert. Die eingefahrene „Ernte“ kommt dann ins Trockenlabor, das sich im Bauch des Schiffes befindet. Dort werden die Winzlinge genauer untersucht, klassifiziert und fotografiert. Um beim Umgang mit der Materialfülle nicht den Überblick zu verlieren, ordnet man die Daten über einen Strichcode einander zu. Unter Deck befindet sich das SteREO Discovery.V20. Mit ihm lassen sich Anatomie und Bewegungsabläufe der Organismen genauestens studieren. Die Beobachtungen ermöglichen dann wiederum Rückschlüsse auf Lebensweise und Verhalten der Meeresbewohner. Ein Großteil der Proben wird im sogenannten Nasslabor eingefroren und geht von da aus direkt an das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie. Den Lebensstil anpassen. Für die 15-köpfige Besatzung bleibt auf dem 36 Meter langen Schoner nur wenig Raum. „Damit es an Bord funktioniert, muss jeder seinen Lebensstil dieser Situation anpassen. Unter Umständen kann das schwierig sein“, räumt Reynaud ein. „Anfangs gab es an Bord drei separate Teams“, erzählt er. „Da waren die Crew, die Wissenschaftler und die Journalisten und jede Gruppe hatte ihre eigenen Ziele und Vorstellungen.“ Spannungen waren da unvermeidbar. Hinter Nizza machten der Besatzung außerdem die Herbststürme im Mittelmeer und, damit verbunden, der schwere Seegang zu schaffen. Inzwischen segelt Tara in ruhigeren Gewässern und auch die Abläufe an Bord haben sich eingespielt. „Ich bin immer wieder erstaunt, dass diese Expedition auf diesem kleinen Schiff tatsächlich funktioniert, vor allem – sie funktioniert immer besser“, freut sich Emmanuel Reynaud. Unbekannte Lebewesen. Als die HMS Challenger 1876 in den Hafen von Portsmouth einlief, hatte sie fast 4000 bis dahin unbekannte Lebewesen an Bord. Auch diesmal haben Wissenschaftler vermutlich Organismen aus der Tiefe gefördert, von deren Existenz bisher niemand eine Ahnung hatte. Ziel ist es, eine Datenbank aufzubauen, in der die altbekannten wie auch die neu entdeckten Meeresbewohner erfasst sind, um spätere Veränderungen in den Ozeanen schneller erkennen zu können. „Uns geht es dabei vor allem um das, was wir nicht mit bloßem Auge sehen“, sagt Reynaud. Die marine Biomasse setzt sich zu 98 Prozent aus Mikroorganismen zusammen. „Von ihnen hängt unsere Existenz ab. Sie sind der Anfang der Nahrungskette an deren Ende wir stehen.“ In spätestens fünf Jahren sollen gesicherte Ergebnisse der Expedition Tara Oceans vorliegen. Bei der Challenger-Expedition hatte es 30 Jahre gedauert, bis auch die letzten Forschungsergebnisse in dem 50 Bände umfassenden Gesamtwerk veröffentlicht waren. zur Sache Stereomikroskope Das SteREO Discovery.V20 (Foto) hat einen Zoomfaktor von 20, das heißt aus einer großen Übersicht heraus, können auch noch kleine Objektdetails untersucht werden. Über die Motorsteuerung kann die gewählte Vergrößerung schnell angefahren werden. Die hohe Endvergrößerung ermöglicht es, Objekte, die bisher wegen ihrer geringen Größe ausschließlich zweidimensional unter einem Lichtmikroskop abgebildet werden konnten, dreidimensional zu betrachten. Beim Stemi DV 4 verbindet sich eine strapazierfähige Technik mit der einfachen Bedienbarkeit der Funktionselemente. Kombiniert mit dem kompakten Stativ C kann man per Tastendruck zwischen Auf-, Durch- oder Mischlicht wählen. Monika Etspüler Weitere Informationen unter www.taraexpeditions.org Innovation 22, 9 / 2010 35 Feature Faszination des Augenblicks im Bild Ob beim Sport, beim Beobachten von Tieren oder bei der Jagd – will man aus großer Entfernung noch Details erkennen, sind Ferngläser ein unverzichtbares Hilfsmittel. Mit den klassischen mechanischen und optischen Verfahren lassen sich die Geräte jedoch kaum noch verbessern. Der Trend geht deshalb hin zur Integration von Elektronik in herkömmliche Fernoptiken. Alle haben sie eines gemeinsam: Um weitere Verbesserungen erzielen zu können, sind sie mit elektronischen Zusatzfunktionen ausgestattet; das PhotoScope mit einer Digitalkamera, das Zielfernrohr mit einem Laserentfernungsmesser und das Fernglas Victory RF mit einem Laserentfernungsmesser und dem Ballistik-Informations-System BISTM. „Ich mag technische Innovationen“, gesteht Frank Ullrich, der Bundestrainer der deutschen Herren-Nationalmannschaft im Biathlon, und meint das neue PhotoScope 85 T* FL von Carl Zeiss. Das Fernglas mit voll integrierter Digitalkamera ist für ihn eine wichtige Informationsquelle. Er verfolgt damit die Wettkämpfe, fotografisch oder per Video hält er deren Verlauf fest und kann anschließend in Ruhe das Rennen analysieren. „Für meine Tätigkeit ist es von großem Vorteil, gleichzeitig beobachten und fotografieren zu können“, sagt Frank Ullrich. Das war bisher nicht möglich. Bei konventionellen Lösungen wird die Kamera lediglich mechanisch hinter dem Fernglas angebracht. Schnelle und präzise Angaben. Bei Victory RF handelt es sich um vielseitig einsetzbare Systeme. Sie können zur Tier- und Vogelbeobachtung oder bei der Jagd verwendet werden. Der digitale Laserentfernungsmesser garantiert im Bereich zwischen zehn und 1200 Metern eine besonders schnelle und präzise Messung. Eine selbstleuchtende LEDAnzeige spiegelt das Ergebnis direkt in das Sehfeld des Fernglases ein. Jäger benötigen neben der präzisen Entfernungsmessung zusätzliche Informationen über die Flugbahn der Geschosse und die Korrektur des Haltepunktes. Die Angaben dazu errechnet das Ballistik-System in Sekundenbruchteilen. Sechs gespeicherte Ballistikkurven bilden außerdem die Flugbahnen der gängigsten Jagdkaliber ab. Fernoptik mit Zusatzfunktionen. Das PhotoScope ist die jüngste Entwicklung einer Produktreihe zu der auch die Ferngläser Victory RF (8 und 10x45T*) und das Zielfernrohr Victory Diarange M 2,5-10x50 T* gehören. Natur im Großformat. Das PhotoScope wurde unter anderem entwickelt, um Naturereignisse aus nächster Nähe miterleben und festhalten zu können. Insofern entspricht das Gerät genau den Anfor- 36 Innovation 22, 9/ 6/ 2010 derungen, die Stephen Ingraham, Carl Zeiss Mitarbeiter aus dem USamerikanischen Chester, für sein Hobby benötigt. Seit 20 Jahren begibt sich der Freizeit-Ornithologe mit Fernglas und Kamera auf Spurensuche. „Oft ist es schwierig, die Tiere überhaupt zu entdecken, sie dann auch noch im Detail zu beobachten, verlangt nicht nur viel Geduld sondern auch eine gute Technik“, erzählt er. Mit einer Brennweite von 600 bis 1800 Millimeter und sieben Megapixel erfüllt die in das PhotoScope integrierte Kamera diese Ansprüche. Ab fünf Metern bis in große Entfernungen werden die Objekte auch bei schlechten Lichtverhältnissen noch scharf abgebildet. Das Spektiv selbst vergrößert um das 15- bis 45-fache. Pluspunkte sind für Stephen Ingraham auch das einfache Handling und die Robustheit des Gerätes, das widrige Umstände wie Regen, Kälte oder Hitze schadlos übersteht. Preis für Praxistauglichkeit. Dem gelungenen Aussehen ist es zu verdanken, dass das PhotoScope im vergangenen Jahr bei dem red dot Design-Award ausgezeichnet wurde. Die Victory RF Ferngläser hatten schon 2008 für ihre „einfache Bedienung, übersichtliche Anzeige und hohe Praxistauglichkeit“, so die Laudatio, einen Preis erhalten. Monika Etspüler Innovation 22, 9/ 6/ 2010 37 Report 38 Innovation 22, 9 / 2010 Report: Besser sehen Die schöne Welt des Sehens „ZEISS Experience“ heißt ein neues Marketing- konzept von Carl Zeiss Vision. Seit Mai 2009 stellt der Optikspezialist weltweit unter dem Motto „Mehr sehen. Mehr erleben.“ Analyse-, Schulungsund Marketinginstrumente zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe vermittelt der Optiker seinem Kunden die Bedeutung des Sehens und einer sorgfältigen Auswahl der richtigen Brille. Die Augen sind das wichtigste Sinnesorgan, das „Tor zur Welt“. Wie wichtig die Augen für die Lebensqualität sind, wird Menschen erst bewusst, wenn sie schlecht sehen und deshalb eine Brille brauchen. Die ideale Brille zu finden ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie soll vor allem die Sicht verbessern, aber auch gut aussehen und erschwinglich sein. Die Qual der Wahl besteht keineswegs nur darin, sich für eine der vielen farbenfrohen Fassungen entscheiden zu müssen. Schwieriger und zugleich wichtiger ist die Wahl des passenden Glases. Die wenigsten Kunden wissen, welches Brillenglas ihr besonderes Sehproblem löst. Meistens wissen sie auch nichts von der technologischen Entwicklung und von den Möglichkeiten, die moderne Brillengläser bieten. Fachkundige Beratung. Die Zeiten, in denen der Augenoptiker neben einer Reihe von Kassengestellen eine Handvoll teurer Brillenfassungen für betuchte Kunden vorrätig hatte und mit einer Sehtafel und einem Gerät zum Messen der Sehschärfe auskam, sind vorbei. Heute hat ein Augenoptiker, der Vertragspartner von Carl Zeiss Vision ist, zahlreiche Geräte für ganz unterschiedliche Aufgaben: Der i.Profiler® arbeitet mit Wellenfronttechnologie und misst automatisch Sphäre, Zylinder und Achse; mit dem i.Polatest® misst man die Sehschärfe, das räumliche Sehen und das Zusammenspiel der Augen, und am i.Terminal® wird die Brille exakt zentriert, denn schon beim geringsten Zentrierfehler büßt sie über 40 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit ein. Kundenwünsche. Weil es technologische Entwicklungen gibt, an die noch vor ein paar Jahren nicht zu denken war, ist der Kunde auf die fachkundige Beratung durch den Augenoptiker angewiesen. Dieser muss ihm die Untersuchungsmethoden verständlich machen und die Besonderheiten der Brillengläser erläutern, damit der Kunde sich nach sachlichen Kriterien für das Glas entscheiden kann, welches seinen Bedürfnissen am besten entspricht. Ein wichtiges Feld sind zum Beispiel Gleitsichtgläser, an die sich der Kunde nicht selten erst gewöhnen muss. Hier ist nicht nur sorgfältige Beratung, sondern auch nachhaltige Betreuung gefragt. Brillenkäufer wollen genau wissen, was sie von der Beratung und der Betreuung durch einen Fachmann erwarten dürfen. Eine aktuelle Umfrage unter Brillenträgern in zehn Ländern ergab: Menschen sind durchaus bereit, in eine Qualitätsbrille zu investieren, wenn sie vom Nutzen der Gläser überzeugt sind. Sie wünschen sich ausführliche Informationen und eine individuelle Lösung ihres Sehproblems. Die Marke des Brillenglases hat dabei erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung, jedoch nur dann, wenn der Kunde sie kennt und zu schätzen gelernt hat. Entspannt sehen. Präzise auf die Augen abgestimmte Brillengläser helfen bei müden Augen. Beeinträchtigungen im Sichtfeld werden auf ein Minimum reduziert, maßgefertigte Brillengläser für Arbeit, Freizeit oder Sport bieten denkbar größte Entspannung beim Sehen. Für individuelle Beratung und Anpassung der Gläser gibt es in Deutschland die Relaxed Vision Center, deren Adressen über die Website von Carl Zeiss Vision zu finden sind. Zum Konzept „ZEISS erleben im Relaxed Vision Center“ gehört eine umfangreiche Multimedia-Präsentation, die dem Kunden alle Möglichkeiten der augenoptischen Versorgung vorstellt. Nach dem ersten Besuch erhält er zudem eine persönliche Broschüre, in der der Augenoptiker alle Informationen zusammengefasst hat, die für den Kunden wichtig sind, von der Sehschärfe und besonderen Sehfehlern über die Anpassungsdaten der Brille bis zur Nachsorge und speziellen Kundenwünschen, die sich bei der Beratung ergeben haben. Wenn der Kunde dann sicher sein kann, dass er umfassend beraten wurde, ist die Entscheidung für eine neue Brille kein Problem mehr. Ursula Walther Innovation 22, 9 / 2010 39 Report Revolution in der Laserchirurgie Die neue Behandlungs- methode ReLEx® von Carl Zeiss ist auf dem besten Wege, die refraktive Chirurgie in eine neue Ära zu führen. In ReLEx verschmelzen präzise refraktive Femtosekundenlaser-Technologie und die schonende Entfernung der Hornhautscheibchen zu einem revolutionären Prinzip. Ein wesentlicher Unterschied zum bisherigen LASIK-Verfahren ist die Visuskorrektur in der intakten Hornhaut. ReLEx wurde bereits mehr als 1000 Mal erfolgreich eingesetzt. Lebensqualität. Manchmal nützt die schönste Brille nichts. Beim Schwimmen, beim Handball und erst recht beim Betreten eines geheizten Raums im Winter wird jeder Brillenträger an seine Sehhilfe erinnert. Immer mehr Menschen entscheiden sich daher für eine Laserbehandlung, auch wenn Krankenkassen die Kosten nur in ganz wenigen Fällen übernehmen. Rückblick. In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden die ersten klinischen Studien zu Operationen am Auge durchgeführt. Man suchte nach wirkungsvollen Methoden, die Brechkraft der Hornhaut gezielt zu verändern. Zunächst begannen die Chirurgen mit kreisförmigen Einschnitten, die die Hornhaut destabilisieren sollten, damit sie einen Teil ihrer Spannung verliert und 40 Innovation 22, 9 / 2010 flacher wird. Die Schnitte führten allerdings häufig zu Entzündungen und Narben. Der Spanier Jose Ignacio Barraquer beschäftigte sich schon im Jahr 1963 mit der mechanischen Abtragung der innen liegenden Schichten der Hornhaut, mit der von 1978 an regelmäßig kurzsichtige Patienten behandelt wurden. Im Jahr 1988 setzte Theo Seiler vom Universitätsklinikum der Freien Universität Berlin für das Abtragen dünner Hornhautschichten zum ersten Mal einen Laser ein. Der optische Hobel. Die Verfahren wurden weiterentwickelt, das Prinzip aber ist dasselbe geblieben: Der Arzt klappt die oberste Schicht der Hornhaut zur Seite, trägt eine dünne Schicht des darunter liegenden Gewebes ab und klappt dann die oberste Hautschicht wieder über die Wunde. LASIK heißt dieses derzeit gängigste Verfahren. Dabei hilft immer häufiger ein Femtosekunden- Report: Besser sehen ZEISS Operationsmikroskop ermöglicht dem Arzt eine optimale Kontrolle bei der manuellen Entfernung des Lentikels. Das Verfahren bietet viele klinische Vorteile besonders bei höheren Korrekturen. Im Gegensatz zur Behandlung mit LASIK überträgt der VisuMax mit ReLEx das vorausberechnete Lentikelprofil exakt in die Hornhaut. So entsteht eine optimale Hornhautform über die gesamte optische Zone. ses wird nun aufgeklappt. Anschließend flacht ein medizinischer Excimerlaser, eine Art optischer Hobel, die Hornhaut bis zur gewünschten Krümmung ab. Jeder Eingriff erfordert also zwei Arbeitsgänge mit zwei verschiedenen Geräten, was eine längere Behandlungsdauer für Arzt und Patient bedeutet. laser (eine Femtosekunde beträgt 10-15 Sekunden). Er sendet Millionen hochintensiver Lichtimpulse gezielt in die Hornhaut des Auges und durchtrennt so das Gewebe. Präzise, risikoarm und schmerzfrei schneidet er das Hornhautdeckelchen aus. Die- Entspannend anders. ReLEx von Carl Zeiss ist eine echte Alternative zu LASIK. Der Femtosekundenlaser VisuMax® schneidet zuerst eine dünne Hornhautlinse, ein Lentikel, in die intakte Hornhaut. Anschließend erzeugt der Laser ein Hornhautdeckelchen, welches dem Arzt Zugang für die Entnahme des Lentikels verschafft. Das integrierte hochwertige Spürbar komfortabel. ReLEx bietet gegenüber LASIK spürbare Vorteile in punkto Patientenkomfort. So entfällt für Patienten beispielsweise der Gerätewechsel während der Behandlung. Dies verkürzt die Behandlungsdauer erheblich. Bereits nach wenigen Minuten ist der Eingriff beendet, vollkommen geräusch- und geruchlos. Durch das innovative Design des Kontaktglases wird ein temporärer Sehverlust des Patienten, wie es bei LASIK auftreten kann, vermieden. Mit ReLEx begleitet ein Höchstmaß an Komfort diesen wichtigen Schritt des Patienten in ein Leben ohne Brille. Ursula Walther Innovation 22, 9 / 2010 41 Report Die Lösung mit dem Zylinder Künstliche Linsen zur Korrektur des Astigma- tismus lassen sich künf- tig schneller und zuverlässiger einsetzen als mit den bis- herigen Verfahren. Für das Vermessen des Auges, das Berechnen und Positionieren der Linse während des Eingriffs hat Carl Zeiss Meditec mit ZEISS Toric Solution mehrere Werkzeuge kombiniert, die den Arbeitsablauf effizienter machen. 42 Innovation 22, 9 / 2010 Astigmatismus ist einer der Sehfehler, die sich mit einer künstlichen Linse beheben lassen. Er entsteht durch eine ungleichmäßige Wölbung der Hornhaut. Normalerweise ist die Hornhaut des menschlichen Auges gerundet wie eine Kugel. Beim Astigmatismus gleicht sie stattdessen einem Ei oder einem Football. Mit einer solchen Hornhautverkrümmung sieht der Mensch die Welt verzerrt, denn der für das Scharfsehen erforderliche Brennpunkt wird zur Brennlinie. Die Lichtstrahlen, die ins Auge fallen, treffen statt auf einen einzigen Punkt auf eine ganze Reihe nebeneinander liegender Punkte, Report: Besser sehen die wie ein Stab aussehen, wenn man sie miteinander verbindet. Astigmatismus wird deshalb auch Stabsichtigkeit genannt. Die Lösung. Eine geringfügige Hornhautverkrümmung korrigiert der Arzt bei einer Laserbehandlung des Auges mit. Bei einer starken Verkrümmung ist die Intraokularlinse das Mittel der Wahl. Leidet ein Patient gleichzeitig an Astigmatismus und am Grauen Star, setzt der Arzt bei der Staroperation eine torische Intraokularlinse ein. Diese behebt die Fehlsichtigkeit allerdings nur dann, wenn sie exakt im richtigen Winkel im Patientenauge sitzt. Diesen muss der Arzt sorgfältig berechnen, was bisher umständlich und mit beträchtlichem Aufwand verbunden war. Zum Beispiel musste er eine Folie mit den richtigen Maßen über den Monitor legte, auf dem er die Operation verfolgte. Die ZEISS Toric Solution von Carl Zeiss Meditec vereinfacht den komplexen Arbeitsablauf, indem es mehrere Geräte und Produkte verknüpft. die Sphäre als auch den Zylinder der empfohlenen Linse in Echtzeit ändern und schon im Voraus einschätzen, wie sich die neue Linse auf die Lichtbrechung des Auges auswirken wird. Der besondere Zylinder. Bei der Wahl der geeigneten Intraokularlinse hat der Arzt verschiedene Möglichkeiten. Carl Zeiss Meditec bietet als weltweit einzige Firma bitorische Linsen an, das sind Linsen, bei denen die Brechkraft des Zylinders symmetrisch auf Vorder- und Rückseite der Linse verteilt wird. Das führt zu einer deutlich besseren Abbildung vor allem bei sehr hohen Zylinderwerten, weil die Brechungsradien beider Seiten sich nicht unterscheiden. Solche bitorischen Linsen sind entweder monofokal oder bifokal, haben also einen Brennpunkt oder zwei. Bei der monofokalen Linse muss sich der Patient entscheiden, ob er nach der Operation lieber gut in der Ferne und weniger gut in der Nähe sehen will oder umgekehrt. Mit der bifokalen Linse kann er beides. Der richtige Winkel. Während des chirurgischen Eingriffs unterstützt Z ALIGN als Teil des intelligenten Assistenzsystems CALLISTO eye den Arzt. Beim Ausrichten der Linse orientiert sich der Arzt an einer Zielachse, die er auf einem Touchscreen über das Videobild des Auges einblendet und aufs Grad genau einstellen kann. Auch wenn sich das Auge des Patienten beim Ausrichten oder beim Einsetzen der Linse bewegt, bleibt die Zielachse stabil, denn Z ALIGN folgt der Bewegung des Auges automatisch. Damit geht der Eingriff mit ZEISS Toric Solution schneller als früher, weil nichts mehr verrutschen kann. Ursula Walther Goldstandard der Biometrie. Der IOLMaster® gilt als wegweisend, er ist gewissermaßen der Goldstandard der optischen Biometrie, also ein Standard, an dem sich die Entwickler orientieren. Mit dem IOLMaster misst der Arzt das Auge seines Patienten, ohne es zu berühren, und erhält präzise, valide, reproduzierbare Messergebnisse. Höchste Präzision ist für die Berechnung in Z CALC wichtig. Z CALC ist der offizielle Onlinekalkulator für alle torischen ZEISS Intraokularlinsen. Der Arzt benutzt ihn vor dem Eingriff direkt online. So kann er vor dem Operieren sowohl Innovation 22, 9/ 2010 43 Essay Zwanzig Jahre! 1990 begann die Vereinigung von Carl Zeiss West und Ost 44 Innovation 22, 9 / 2010 Das Unternehmen Carl Zeiss wurde in Folge des 2. Weltkriegs 1945 geteilt und nach der Wiedervereinigung Deutschlands wieder zusammengeführt. „Das Haus Carl Zeiss ist ein Abbild der Probleme, aber auch der Chancen der deutschen Einheit“, sagte Bundeskanzler Helmut Kohl 1996 zur 150-Jahr-Feier des Unternehmens. Der 20. Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands ist Grund genug, der Frage nachzugehen, wie Carl Zeiss ein deutsch-deutsches Unternehmen wurde. Diese zuweilen dramatische Geschichte lehrt, dass neue Kraft aus einer Vereinigung wachsen kann. Zwei Jahrzehnte liegen die Ereignisse zurück: Mauerfall, Währungsunion, Wiedervereinigung Deutschlands. Jetzt drängt eine neue Generation ins Berufsleben, die diese Zeit nur aus Erzählungen kennt. Politische Feierstunden am 3. Oktober sind geblieben und Denkmäler in ostdeutschen Städten. Zwei Jahrzehnte dauert der Prozess der Annäherung Ost und West bereits, abgeschlossen ist er noch nicht. Der Solidarpakt für die neuen Länder läuft bis 2019. Auch der Komplettumbau der am Ende völlig verrotteten DDR-Wirtschaft ist immer noch im Gange. Wenige DDR-Kombinate haben den Wandel zum Weltkonzern, nur eine kleine Anzahl an Marken hat den Sprung in die neue Zeit geschafft. Noch seltener der Fall, dass ein Unternehmen seine eigene deutsch-deutsche Einheitsgeschichte geschrieben hat. Zeissianer aus Jena gingen im Februar 1990 für die Zukunft ihres Unternehmens auf die Straße – auch vor dem Stammwerk in der Innenstadt. Vor 20 Jahren nahm auch die Geschichte von Carl Zeiss eine neue Richtung. Zwei Jahrzehnte ist es her, dass erste Annäherungen zwischen den beiden Carl Zeiss Werken in Oberkochen und Jena zustande kamen. Annäherungen, die zwei einander fremd gewordene Unternehmen zusammenbringen sollten, die in Folge des Weltkrieges aus dem Jenaer Traditionskonzern hervorgegangen waren. Zwei eigenständige Unternehmen, deren eines von Baden-Württemberg aus die westlichen Optikmärkte prägte, das andere von Links: 29. Juni 1990: Die Volkseigenen Betriebe wurden in Kapitalgesellschaften umgewandelt. Innovation 22, 9/ 2010 45 Essay Thüringen aus die Märkte im Ostblock. Getrennte Marken, getrennte Entwicklungen, jedoch ein gemeinsamer Name und eine gemeinsame Tradition. Erbstreit und Aufteilung der Welt. Wenige Tage nach dem Fall der Mauer wurden die ersten Fühler ausgestreckt. Jenaer kamen nach Oberkochen, Baden-Württemberger in die Stadt von Carl Zeiss und Ernst Abbe. Man war neugierig aufeinander, man teilte als Zeissianer schließlich mehr miteinander als nur den Namen, vor allem die einzigartige Geschichte, die mit dem Unternehmensgründer Carl Zeiss 1846 begann. Man wusste damals wie heute, dass man in der Optik zu den Besten der Welt gehört, auch wenn diese Welt in eine westliche und eine östliche Hälfte geteilt war und man sich als Wettbewerber gegenüberstand. Den längsten Gerichtsprozess ihrer Geschichte führte die DDR in London – und zwar um die Marke ZEISS. 1971, nach 18 Jahren Prozessdauer, kam es zu einer Einigung, die ganz dem Charakter des Kalten Krieges entsprach: Carl Zeiss West und Carl Zeiss Ost teilten die Hemisphären für ihre Geschäfte auf und sagten zu, im jeweils anderen Teil der Welt nicht die Marke ZEISS zu verwenden. Ein Auslöser der Prozesslawine war auch die Umbenennung des zunächst unter anderem Namen gegründeten Oberkochener Unternehmens in Carl Zeiss im Jahr 1951. Die Carl-Zeiss-Stiftung erhielt in Westdeutschland einen neuen Sitz in Heidenheim. Über die Zukunft bestimmt erst einmal die Tradition. Zwei einander fremd gewordene Unternehmen stritten sich um ihr kostbarstes Erbe: die Marke ZEISS und die legitime Nachfolge der Carl-Zeiss-Stiftung als Eigentümerin der Unternehmen Carl Zeiss und Schott. Ernst Abbe, Kompagnon von Carl Zeiss und sein Nachfolger als Unternehmensleiter, hatte das Eigentum an der Firma in eine Stiftung eingebracht, die ganz der erfolgreichen Fortführung des Unternehmens, der Wohlfahrt der Beschäftigten und der Förderung der Wissenschaft gewidmet war und ist. Die Firma des Kollegen und Freundes von Zeiss und Abbe, Otto Schott, folgte diesem Beispiel. Schott-Glas hatte die Revolutionen der Optik erst möglich gemacht. 46 Innovation 22, 9 / 2010 Vorstandssprecher Dr. Horst Skoludek (rechts) besuchte 1990 mit dem Pressesprecher Manfred Berger das Grab von Carl Zeiss in Jena. Die Stiftung ist der Schlüssel. Die Stiftung als Eigentümerin gewährt Unabhängigkeit von Kapitalmärkten und fördert die Wissenschaft, sie garantiert die Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter, sie wahrt das Erbe von Carl Zeiss und Ernst Abbe. Sie hatte eigentlich nichts an sich, was sie für den „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ DDR nützlich gemacht hätte. Die Jenaer Stiftungsbetriebe wurden 1948 in Volkseigene Betriebe überführt. Damit verlor die Jenaer Stiftung ihre Funktion als Eigentümerin der beiden Werke, sie wurde aber formal fortgeführt. An der Stiftung und den damit zusammenhängenden Problemen hing letztlich auch nach 1990 das Schicksal von Carl Zeiss. Mit bewusster Achtung der Tradition musste die Zukunft gestaltet werden. Im Spannungsfeld zwischen Politik, Treuhandanstalt, Gewerkschaften, Belegschaften in Ost und West sowie dem notwendigen unternehmerischen Denken galt es, eine Lösung für den „Sonderfall“ Carl Zeiss zu finden. Die Eigentümerstruktur hatte zwei Auswirkungen: Sie sorgte zunächst für juristische Herausforderungen auf dem Weg zu einem vereinigten Carl Zeiss Konzern in Deutschland. Vor allem aber war sie bestimmend dafür, dass dem Carl Zeiss Kombinat das Schicksal anderer Großfirmen der maroden DDR-Wirtschaft erspart blieb: Treuhandbeschluss, Übertragung an einen konkurrierenden Konzern, Arbeitsplatzgarantie, Investitionshilfe, Entlassungswellen und in vielen Fällen eine Zukunft als verlängerte Werkbank. An den Gräbern der Gründer. Kurz nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989 plante der Oberkochener Vorstandssprecher Dr. Horst Skoludek den ersten Kontakt: „Wir müssen etwas machen mit Jena, zumindest die Stadt einmal besuchen und zu den Gräbern der Gründer gehen.“ In Jena hatte Generaldirektor Wolfgang Biermann bereits im Dezember 1989 Dr. KlausDieter Gattnar Platz gemacht, der Carl Zeiss Jena in die neue Zeit führen würde. Der erste offizielle Kontakt fand am 2. und 3. Februar 1990 in Jena statt. Die Delegation um Dr. Skoludek traf auf Dr. Gattnar und einige seiner Kollegen. Vereinbart wurde wenig. Man würde Kontakt halten, Möglichkeiten ausloten, einander besuchen. Schnell rückte die Frage nach der Zukunft der Stiftung in den Mittelpunkt der Debatten in Jena und Oberkochen. Gattnar wusste, dass das Kombinat nicht lebensfähig sein würde. Die Zeissianer in Thüringen fürchteten um ihre Arbeitsplätze. Und diese Angst Zeissianer aus Ost und West im Februar 1990 in Jena (von links): Prof. Jobst Herrmann, Bernd Kammerer, Dr. Horst Skoludek, Dr. Klaus Gattnar. griff auch auf Baden-Württemberg über. Wenn die Stiftung im Westen etwa für die Pensionsansprüche der Ostdeutschen aufkommen müsste, wäre sie binnen kurzer Zeit insolvent, so die Meinung eines Gewerkschafters. Der Stiftung gehörten aber das Unternehmen, die Marke, die Zukunft. 60.000 treffen auf 8000. Noch im Januar 1990 unternahm Gattnar einen Schritt, der direkt die Zukunftsfrage betraf: Er stellte bei der DDR-Regierung den Antrag, die volkseigenen Betriebe Carl Zeiss Jena und Jenaer Glaswerk der formal immer noch existierenden Carl-Zeiss-Stiftung in der DDR „zurückzugeben“, die Enteignung von 1948 quasi rückgängig zu machen. Aus Oberkochener Sicht ein Affront. Hier war man sich sicher: Da der Sitz der Stiftung Heidenheim ist, ist auch das Unternehmen im Westen der einzig rechtmäßige Nachfolger des ursprünglichen Unternehmens Carl Zeiss. Das Kombinat gehöre aber nicht mehr der Jenaer Stiftung – damit sei die Stiftung Ost gleichsam „gegenstandslos“ geworden. Jena hielt dagegen, man habe über die Jahre 750 Millionen Ostmark an die Jenaer Stiftung abgeführt und einen wichtigen Stiftungszweck bedient. Wo sitzt die Stiftung? Und welche Betriebe gehören ihr? Sitzt sie in Jena und muss das Oberkochener Werk an sie übertragen werden? Oder umgekehrt? An beiden, sehr theoretischen Varianten konnte niemand ein Interesse haben. Eine Lösung aber musste man finden. Ohne eine Einigung der beiden Seiten hätte die Gefahr bestanden, dass „ein ernsthafter Interessent“ aus dem Ausland mit dem Unternehmen Carl Zeiss Jena auch dessen Markenrechte erworben hätte. Eine Übernahme des gesamten Ost-Unternehmens durch Carl Zeiss West wäre wirtschaftlich nicht tragbar gewesen. In „Erfüllung von Beschlüssen der Partei- und Staatsführung“ hatte Carl Zeiss Ost bis 1989 die Fertigungstiefe extrem erhöht und versucht, möglichst jede relevante Technologie nachzuerfinden. Prominentes Beispiel ist der 1988 präsentierte 1-MB-Chip, für dessen Entwicklung und Herstellung man 14 Milliarden Ostmark aufgewendet hatte. Carl Zeiss Jena erzielte 1989 einen Umsatz von 64.000 Mark (Ost) pro Mitarbeiter, in Innovation 22, 9/ 2010 47 Essay same Name waren sehr starke Kräfte, die beide Unternehmen zueinander brachten.“ Und diese Kräfte sollten bis Mitte der 1990er Jahre einer Belastungsprobe unterzogen werden. Wenige Tage vor dem 3. Oktober 1990 hatte die Volkskammer auf nachdrückliche Initiative der Thüringer Zeissianer noch 20 Prozent der Firmenanteile am Kombinat der Stiftung in Jena übertragen. Damit wurde die Möglichkeit ausgeschlossen, per Übernahme durch Carl Zeiss West die Zukunft der Ostwerke zu regeln. 29. Mai 1990: In Biebelried dokumentierten Vertreter von Schott und Carl Zeiss die Absicht, die Unternehmen in Ost und West in einer Carl-Zeiss-Stiftung zu vereinen. Oberkochen waren es 145.000 Mark (West). Das Kombinat hatte insgesamt über 60.000 Beschäftigte. Carl Zeiss West zählte 8278 Mitarbeiter. Im März 1991 gab Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder die Entscheidung über Carl Zeiss bekannt. Der Jenaer Stiftung sollten die Carl Zeiss Betriebe und die SCHOTT-Werke in Thüringen übertragen werden. Darin eingeschlossen wäre allerdings auch die Verantwortung für die damals noch 30.000 Beschäftigten, für Entlassungen und Sozialpläne gewesen. Die Übertragung an die Carl-Zeiss-Stiftung Heidenheim hätte dem WestUnternehmen diese Last aufgebürdet. So waren die Verhältnisse. Ein gigantisch aufgeblähtes Kombinat auf der einen, ein schlank aufgestellter Mittelständler auf der anderen Seite. Hier das neue Bundesland Thüringen mit vielen anderen Sorgen und nicht nur der Frage, wo eine Stiftung ihren Sitz haben sollte, dort der in Baden-Württemberg für Hochschulen zuständige Minister als Stiftungskommissar mit der festen Überzeugung, dass Heidenheim rechtmäßiger Sitz der Carl-Zeiss-Stiftung sei. Diese wurde ihrerseits als legitime Erbin auch des Unternehmens und der Marke ZEISS gesehen. Die Stiftungsfrage sollte sich als lösbar erweisen, sobald die thüringische Landespolitik nach der ersten und letzten freien Wahl in der DDR am 18. März 1990 in Tritt gekommen war. Mit der Biebelrieder Erklärung vom 29. Mai 1990 einigten sich die beteiligten Parteien, die Zusammenführung der Industriebetriebe in einer Stiftung anzustreben. Die Kraft der Gemeinsamkeit. Dr. Dieter Kurz, derzeitiger Vorstandsvorsitzender der Carl Zeiss AG, meint im Rückblick: „Der gemeinsame Ursprung und der gemein- 48 Innovation 22, 9 / 2010 Festrede zur 150-Jahr-Feier: Bundeskanzler Helmut Kohl im Jahr 1996. Die Rückkehr zu den gemeinsamen Wurzeln wurde 1991 durch das neu gestaltete, einheitliche Logo verdeutlicht: Das „Quadrat“ des bisherigen Oberkochener Firmenzeichens erhielt an seiner Unterkante den gebogenen „Linsenschliff“ des bisher von Carl Zeiss Jena verwendeten Firmensignets. = + Logo im Westen Logo im Osten Die sogenannte „Mammutsitzung“ am 11. Juni 1991 in der Treuhandanstalt findet eine Finanzierungslösung für die Sanierung der Jenaer Nachfolgeunternehmen des Kombinats Carl Zeiss Jena. Am 25. Juni 1991 wurde eine Grundsatzvereinbarung abgeschlossen: Die Stiftung wird mit Sitz in „Heidenheim an der Brenz und Jena“ fortgeführt. In dieser Zeit erfolgte auch die Aufspaltung des Nachfolgeunternehmens des Kombinats. Zahlreiche Ausgründungen aus dem ehemaligen DDRKombinat gingen an den Start. Und am 22. Oktober wurde dann im Handelsregister dokumentiert: Die Carl Zeiss Jena GmbH war mit noch 3000 Beschäftigten wieder ein selbstständiges Unternehmen und zu 100 Prozent im Besitz der Carl-Zeiss-Stiftung. Wirtschaftliche Verluste, Stellenabbau in Ost und West, gegenseitiges Misstrauen überschatten bis 1995 die Geschichte. Es ist viel darüber geschrieben und spekuliert worden, ob Oberkochen den Jenaer Schwesterbetrieb nicht einfach vom Markt verschwinden lassen wollte. Carl Zeiss wurde als Beispiel aufgeführt, wie grundsätzlich schief der Vereinigungsprozess lief. „Bei ZEISS geht die Wiedervereinigung gründlich daneben. Der Feind sitzt im Osten“, schrieb „Der Spiegel“ noch im Oktober 1994. 20 Jahre später hat sich das Gemeinsame doch als stärker erwiesen. Dr. Kurz sagt heute: „Beide Unternehmen hatten sich auf der Basis ihrer gemeinsamen Wurzeln ganz der Innovation und dem Erzielen der bestmöglichen Qualität verschrieben.“ heutiges Logo Andere in Folge des Krieges verlagerte Unternehmen verfügen heute wieder über Niederlassungen in den neuen Ländern, haben Unternehmensteile früherer DDRKombinate übernommen. Doch kein Konzern hat sich mit derselben Entschlossenheit wieder seinem „Geburtsort“ zugewandt wie Carl Zeiss. Die Zeissianer in Jena und Oberkochen können sagen, die Standorte Ost und West zu einem gemeinsamen Unternehmen vereinigt zu haben. „Beide Unternehmen hatten eindeutig dieselben Gene“, so Dr. Kurz. „Das war schließlich auch ein Schlüsselfaktor dafür, dass nach einer schwierigen Übergangszeit eine neue, gemeinsame Phase des Erfolgs begann.“ Die erlebten Veränderungen haben Carl Zeiss stark gemacht. Die Erfahrungen der Wiedervereinigung halfen auch, die Krise Mitte der 1990er Jahre zu bestehen. Die Marke ist heute ungeteilt global präsent. Wichtige Unternehmensbereiche steuern vom Sitz in Jena aus ihr weltweites Geschäft. Und seit 2009 ist die Carl Zeiss Jena GmbH gemeinsame Produktionsgesellschaft für Ost und West – mit Sitz in Jena und einer Betriebsstätte in Oberkochen. Die Autoren aus Ost und West: Gudrun Vogel ist seit 1979 bei Carl Zeiss in Jena beschäftigt und verantwortet die dortige Pressestelle. Thomas R. Zecher war bis 1992 Leiter der Presseabteilung bei Carl Zeiss in Oberkochen und arbeitet seit 1998 als selbstständiger PR-Berater in Frankfurt/Main. Joachim Kuss begann Ende 1989 seinen Zivildienst in Dresden und ist heute Kommunikationsberater bei Ketchum Pleon. Innovation 22, 9/ 2010 49 Forscherleben Moleküle in Echtzeit beobachten Roger Tsien wurde 2008 gemeinsam mit Osamu Shimomura und Martin Chalfie für die Entdeckung des grün fluoreszierenden Proteins (GFP) mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. An der Harvard-Universität studierte Tsien Chemie und Physik. Seit 1989 ist er Professor für Pharmakologie, Chemie und Biochemie an der University of California, in San Diego. Roger Tsien hat seit mehr als 20 Jahren maßgeblich zur Entwicklung wichtiger fluoreszenztechnischer Methoden beigetragen, die richtungsweisend für die molekulare Zellbiologie sind. Ein erster Höhepunkt in seinem Forscherleben war die Nutzung und Weiterentwicklung von Fluoreszenzfarbstoffen, die das zelluläre Calcium in einzelnen lebenden Zellen sichtbar machen können. Weltweit bekannt machten ihn die Forschungsarbeiten rund um das GFP und dessen Nutzung. Mit GFP wurde die Forschung speziell in der Zellund Neurobiologie revolutioniert. Wissenschaftler können seitdem in die lebende Zelle schauen und Moleküle in Echtzeit beobachten. Nahezu alle biomedizinischen Fachgebiete, von der Gehirn- bis zur Krebsforschung, profitieren von der Entdeckung des GFP. Die Deutsche Gesellschaft für Zellbiologie (DGZ) erklärte Roger Tsien 2004 zum Preisträger der Carl Zeiss Lecture. 50 Innovation 22, 9/2010 In der Zwischenzeit haben sich Tsiens Forschungsschwerpunkte verändert. „Ich wollte schon immer in der Medizin tätig sein, die Beschäftigung mit Krebs ist genau die richtige Herausforderung.“ Abbildung und Behandlung von Krebstumoren stehen nun im Mittelpunkt. Erste Erkenntnisse führten zu einem U-förmigen Peptid, das entweder ein bildgebendes Molekül oder ein Medikament trägt. Das Peptid kann an die Krebszelle andocken. Peptide sind Substrate für bestimmte Proteasen, Protein spaltende Enzyme, die von den Tumorzellen abgeschieden werden. Ein Fernziel ist dabei die Entwicklung fluoreszierender Moleküle, die ohne Gentransfer aktiviert werden. So könnten sie auch beim Menschen als klinische Biomarker für die Diagnose und Verlaufskontrolle von Krankheiten angewandt werden. Impressum Innovation – Das Magazin von Carl Zeiss Ausgabe 22, September 2010 Herausgeber: Carl Zeiss AG, Oberkochen Konzernfunktion Kommunikation Jörg Nitschke Fotokunst von Bryan Adams, Fotograf und Rockstar Mitten in New York tragen ein sehr kleiner Mann und eine sehr große Frau ein sehr großes Paket vor dem Guggenheim-Museum über die Straße. Eine Szene aus einem Film? Ein Kunstraub? Nein – es ist ein Motiv des Carl Zeiss Kalenders 2011. Ein weltbekannter Künstler inszenierte für den Kalender zwölf Momente, die Kunden und Freunde von Carl Zeiss durch das kommende Jahr begleiten: Bryan Adams. Bryan Adams ist vielen als Rockmusiker bekannt. Ebenso hochprofessionell arbeitet er als Fotograf. Magazine in aller Welt drucken seine Bilder. Mit „ZOO“ hat er selbst eine mit Preisen ausgezeichnete Fotozeitschrift ins Leben gerufen. Für den Carl Zeiss Kalender stehen zwei weitere Stars vor der Kamera: Filmschauspieler und Serienstar Michael J. Fox und Supermodel Tatjana Patitz. Fox kam durch den Blockbuster-Film „Zurück in die Zukunft“ zu Weltruhm und erhielt für seine Rollen in großen Film- und Fernsehproduktionen zahlreiche Auszeichnungen. Tatjana Patitz ist ein internationales Topmodel, in Hamburg geboren, in Kalifornien zuhause und in aller Welt gefragt. Für den Carl Zeiss Kalender stellen sie mal mit großer Geste, mal eher neben-bei die Geschichte eines kleinen Mannes und einer großen Frau dar – immer mit einem Augenzwinkern inszeniert. Der Carl Zeiss Kalender von Bryan Adams setzt die im Jahr 2009 begonnene Kalender-Edition fort, für die Wim Wenders „Tomorrow Morning“ schuf. Autoren dieser Ausgabe: Monika Etspüler, Ursula Walther, MSW; Thomas R. Zecher, Joachim Kuss Konzeption und Gestaltung: Gesamtkoordination Nicola Schindler MSW, Manfred Schindler Werbeagentur OHG, Aalen www.msw.de Bildnachweise Carl Zeiss; Titelillustration/S.24/25: Fotolia/MSW; S. 7 oben: Courtesy ASML; S. 16-17: M. Kirschmann, D. Oberti, R. Hahnloser, Institut für Neuroinformatik, Uni. Zürich und ETH Zürich; S. 18: Prof. Dr. Martin Bastmeyer, Michael Bachmann, Karlsruher Institut für Technologie, Zoologisches Institut I; S. 26-27, 28: Rocco Heimchen S. 30-31, 33, 35: F. Latreille/Fonds Tara; S. 34: 1/3/5: Dr. Emmanuel G. Reynaud, UCD-Tara Oceans, 2: Dr. Fabrice Not, Roscoff-Tara Oceans, 4: Johan Decelle, Roscoff-Tara Oceans; S. 36-37: Stephen Ingraham; S. 40-41: Fotolia; S. 44: Frank Döbert; S. 50: Wikipedia; Druck: C. Maurer Druck und Verlag, Geislingen an der Steige Innovation – Das Magazin von Carl Zeiss erscheint auf Deutsch und Englisch. ISSN 1431-8040 Der Inhalt der Beiträge gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder. Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von Carl Zeiss. Innovation 22, 9/2010 51 DE_90_010_022 Printed in Germany CM-MSW_IX 2010 UAoo Zwölf Bilder für das Image Redaktion: Silke Schmid (Ltg.), Dr. Dieter Brocksch, Gudrun Vogel Carl Zeiss AG Konzernfunktion Kommunikation Carl-Zeiss-Str. 22 73446 Oberkochen, Germany [email protected] Tel. +49 7364 20-8208 Fax +49 7364 20-3122