Innovation – Das Magazin von Carl Zeiss finden Sie im Internet

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Innovation –
Das Magazin von Carl Zeiss
finden Sie im Internet unter
www.zeiss.de/innovation
Das Magazin von Carl Zeiss
Ausgabe 22
9/ 2010
(Auf-)Lösung: Spannende Einblicke
Besser sehen: Mit und ohne Brille
Essay: Die Vereinigung von Carl Zeiss Ost und West
Mit Brain-Mapping, einer Art Gehirnkartierung, nimmt die Forschung einen
neuen Anlauf, um hinter die Geheimnisse
des menschlichen Denkapparates zu
kommen.
Gehirnforscher wollen mit Hilfe hochaufgelöster, elektronenmikroskopischer
Abbildungen eine Art dreidimensionaler
Landkarte des Gehirns erstellen und vor
allem die Verschaltung der Nervenzellen
über die Synapsen erfassen. Man hofft,
dadurch auch die Ursachen von Krankheiten wie etwa Schizophrenie zu entschlüsseln. Brain-Mapping stellt eine
neue und vielversprechende Applikation
für Partikelstrahlsysteme dar.
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
Was passiert, wenn ein Virus in eine Zelle eindringt? – Vorgänge in lebenden
Zellen zu verstehen, ist eine wichtige Voraussetzung für Fortschritte in der
Medizin und damit für ein Mehr an Gesundheit und Lebensqualität.
Wer sich mit Zellstrukturen und intrazellulären Prozessen befasst, nutzt
für seine Arbeit ein Lichtmikroskop. Diesem setzen allerdings physikalische
Gesetzmäßigkeiten eine Grenze, die Ernst Abbe, der Geschäftspartner
des Unternehmensgründers Carl Zeiss, und wissenschaftlicher Kopf und
spätere Inhaber des Unternehmens, schon um 1870 erkannt hat. Die nach
Abbe benannte Auflösungsgrenze von 200 Nanometern galt mehr als
130 Jahre lang.
Erst in jüngster Zeit ist es gelungen, diese Auflösungsgrenze der klassischen
Lichtmikroskopie mit intelligenten Lösungen um den Faktor 10 herabzusetzen. Damit ist das Tor aufgestoßen zu einer neuen Dimension der
Forschung. Die Option, lebende Organismen untersuchen zu können,
nutzen vor allem Zellbiologen wie die Leibniz-Preisträgerin Petra Schwille.
Bei Carl Zeiss ist man noch einen Schritt weiter gegangen. Das Unternehmen,
das als einziges weltweit sowohl Licht- als auch Elektronenmikroskope herstellt, hat beide Technologien kombiniert. Damit wird korrelative Mikroskopie
einfach möglich. Mit Hilfe der korrelativen Mikroskopie kann zum Beispiel
die Frage beantwortet werden, wie ein Virus in die Zelle eindringt.
Wir bei Carl Zeiss sind stolz darauf, seit mehr als 160 Jahren innovative
Instrumente und Lösungen bereit zu stellen, die der Wissenschaft immer
wieder zu neuen bahnbrechenden Erkenntnissen verhelfen. Dieser Anspruch
begleitet uns auch in die Zukunft.
Ich wünsche Ihnen viele spannende Einblicke bei der Lektüre.
Ihr
Dr. Dieter Kurz,
Vorstandsvorsitzender der Carl Zeiss AG
Innovation 22, 9 / 2010
3
Inhalt
Editorial
3
Panorama
6
Immer auf Empfang
10
Fotowettbewerb
Titelthema: (Auf-)Lösung Brückenschlag zwischen Mikround Nanowelt
„Freiheit ist das Wichtigste“
Dr. Petra Schwille im Interview
16
22
Dem Geheimnis des Denkens
auf der Spur
24
Essay
44
16
Fluoreszenzmarkierte Vesikel in einem Neuron, überlagert
mit rasterelektronenmikroskopischer Aufnahme.
Zwanzig Jahre!
4
Innovation 22, 9 / 2010
Feature
Faszination des Augenblicks im Bild
36
Report: Himmel in Bewegung
Wenn Raumschiffe
durch Galaxien schweben
26
Report: Auf großer Fahrt
Auf Spurensuche in den Weltmeeren
26
Das Bochumer Planetarium.
30
Report: Besser sehen
Mehr sehen. Mehr erleben.
Die schöne Welt des Sehens
Revolution in der Laserchirurgie
Die Lösung mit dem Zylinder
38
40
42
Forscherleben
50
Roger Tsien
Impressum
51
38
Innovation 22, 9/ 2010
5
Panorama
Der Traum beim Bohren
Die Videobrille cinemizer Plus von Carl Zeiss sorgt für entspannte Patienten
Im Zahnarztstuhl sitzen und vom Bohren nichts mitkriegen – so wünscht sich wohl jeder die nächste
Behandlung. Der cinemizer Plus macht es möglich.
Diese Videobrille von Carl Zeiss verwenden schon etwa
400 Zahnärzte in Deutschland, um die Behandlung angenehmer zu machen. Die Patienten sehen sich Musikvideos an oder sogar, wenn das Bohren länger dauert,
ganze Filme. Erfahrene Zahnarztbesucher bringen
ihre Lieblingssendung auf dem iPhone, dem iPod oder
einem Nokia Smartphone selbst mit. Frühere Versuche
mit Ablenkungsfilmen, die auf Monitoren an der Decke
liefen, waren gescheitert, weil die Patienten wegen der
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Innovation 22, 9 / 2010
Lichtreflexe kaum etwas erkennen konnten. Bei der
Videobrille spielt sich das alles in einem geschlossenen
System ab. Sie simuliert eine zwei Meter entfernte
Leinwand mit einer Diagonale von immerhin 44 Zoll
und bietet damit einen akzeptablen Sehkomfort. Der
Ton kommt aus an der Brille befestigten Lautsprechern
oder aus mitgebrachten Kopfhörern, die problemlos
anzuschließen sind. Der cinemizer Plus ist nicht nur
etwas für den Zahnarzt. Er lässt sich auch in anderen
Arztpraxen einsetzen, zum Beispiel zur Ablenkung
bei kleinen Eingriffen unter örtlicher Betäubung
im Krankenhaus.
Das Mooresche Gesetz
Die EUV-Litographie wird reif für die Serienproduktion von Höchstleistungs-Computerchips
Intel-Gründer Gordon Moore sagte im Jahr 1965 voraus,
dass die Zahl der Komponenten auf einem Computerchip sich alle 18 Monate verdoppeln würde. Diese Prognose ist als Mooresches Gesetz bekannt. Er nahm an,
dass die Halbleiterindustrie in zehn bis 15 Jahren an
eine unüberwindbare technologische Grenze stoßen
und das Gesetz seine Gültigkeit verlieren würde.
Aber – noch schreitet die Entwicklung rasant voran.
Die Chipstrukturen werden weiterhin kleiner, wodurch
immer mehr Komponenten auf einen Chip passen. Ein
Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen.
Das liegt auch an der EUV-Lithographie, einem neuen
Herstellungsverfahren, welches die Serienfertigung von
Mikrochips revolutioniert. Carl Zeiss liefert das optische
System. Die anspruchsvolle Technologie erforderte
15 Jahre intensiver Forschung. Nicht ohne Grund wurden
der Entwickler Peter Kürz und sein Team im Jahr 2007
für den Zukunftspreis des Bundespräsidenten nominiert.
Bei der EUV-Lithographie wird extrem kurzwellige Strahlung von 13,5 Nanometer genutzt. Diese um mehr als
ein Zehntel kürzere Strahlung als die derzeit üblichen
193 Nanometer bildet die Voraussetzung für die Abbildung von Chipstrukturen mit Abmessungen von 10 Nanometern und darunter. ASML, der niederländische Partner von Carl Zeiss, baut das optische System in seine
EUV-Chipproduktionsanlagen (Foto) ein. In der zweiten
Hälfte dieses Jahres wird die erste Anlage ausgeliefert.
Voneinander messen lernen
Das Metrology Portal von Carl Zeiss ist ein Forum der Messtechnik im Internet
Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt. Diese Erkenntnis macht sich das Metrology Portal von Carl Zeiss zu
nutze, ein weltweit einzigartiges soziales Netzwerk
für alle Fragen der Messtechnik. Mit der kostenlosen
Anmeldung erhält der Nutzer Zugang zu vielen Angeboten. Er kann zum Beispiel messtechnische Grundlagen nachschlagen, in Foren diskutieren, sich Tipps
zu speziellen Problemen holen und Software für die
tägliche Arbeit herunterladen. Kunden mit einem
Softwarepflegevertrag können zusätzlich aktuelle
Software-Updates herunterladen und Angaben zu
ihrem Messgerät abrufen. Dabei ist man technisch und
wissenschaftlich stets auf dem neuesten Stand. Der
Nutzen für den Anwender war das entscheidende
Kriterium beim Aufbau des Portals, und er ist sein
größtes Plus: „Einfach kurz etwas nachschlagen oder
im Forum eine Frage stellen und sofort hat man eine
Antwort auf ein messtechnisches Problem“, sagt Dieter
Finner, Fertigungsplaner bei der tedrive Germany in
Düren. Auch Carl Zeiss profitiert vom Austausch mit
den Anwendern und erweitert sein Know-how. Das
Metrology Portal bietet die klassische Win-WinSituation für alle Beteiligten.
Weitere Informationen unter
http://www.zeiss.de/metrology-portal
Innovation 22, 9 / 2010
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Von der Feinmess zur IMT
Den Rückblick auf 90 Jahre industrielle Messtechnik bei Carl Zeiss gibt es jetzt als Buch
Im Grunde begann alles mit dem Abbeschen Komparatorprinzip. Der Physiker Ernst Abbe, Partner von Carl
Zeiss und Gründer der Carl-Zeiss-Stiftung, hat dieses
Prinzip für exaktes Messen schon 1890 formuliert. Ohne
ihn wäre die industrielle Messtechnik wohl nicht das,
was sie heute ist. Die ersten Messgeräte von Carl Zeiss
für die Industrie entwickelte dann Otto Eppenstein,
der fast 20 Jahre lang die 1919 gegründete „Abteilung
Feinmess“ bei Carl Zeiss in Jena leitete und in dieser
Zeit 78 Patente anmeldete. Eppensteins Geräte waren
so ausgefeilt, dass sie jahrzehntelang unverändert
gebaut wurden.
Nach dem Krieg, als Carl Zeiss in Oberkochen ein neues
Werk aufbaute, gab es „Feinmess Ost“ und „Feinmess
West“, die sich erbittert um Markenrechte stritten.
„Feinmess West“ hatte rasch die Nase vorn und entwickelte 1950 das Universalmessmikroskop, das in der
Version UMM 500 im Jahr 1973 (Foto) auf der Microtecnic in Zürich als Messesensation galt. Die 3D-Messmaschine revolutionierte die Messtechnik und wurde
zur Legende. Im Jahr 1976, als sich abzeichnete, dass
die Zukunft in den 3D-Messgeräten lag, bekam die
„Abteilung Feinmess“ einen neuen Namen:
Industrielle Messtechnik (IMT).
Die spannende Entwicklung der industriellen Messtechnik bei Carl Zeiss zwischen 1919 und 2009 gibt es
jetzt als Buch von knapp 100 Seiten, unter dem Titel
„90 Jahre industrielle Messtechnik bei Carl Zeiss“;
erschienen im August-Dreesbach-Verlag.
ISBN 978-3-940061-34-8
Weitere Informationen unter
www.augustdreesbachverlag.de/html/buecher/
imt.html
Eine 24-seitige Kurzfassung ist ebenfalls erhältlich.
Die dritte Dimension
SurfMax prüft vollautomatisch die Oberfläche von 3D-Teilen
Bei Routineaufgaben sind Maschinen zuverlässiger
als der Mensch. Sie kennen keine gute oder schlechte
Tagesform, und richtig programmiert machen sie
weniger Fehler. Das gilt auch für die Sichtprüfung von
Oberflächen. Sichtprüfung ist dort erforderlich, wo
technische oder dekorative Oberflächen nicht schon
durch den Fertigungsprozess garantiert fehlerfrei sind.
Hier nimmt gewöhnlich ein Mitarbeiter das Teil in
Augenschein, dreht und wendet es im Licht – eine
aufwändigere Form der Kontrolle, die heute gut von
einer Maschine übernommen werden kann.
Die vollautomatische Oberflächenprüfung in der
Fertigung – Optical Inline Metrology (OIM) – erledigt
SurfMax, das erste konfigurierbare Prüfgerät, das
dreidimensionale Objekte untersuchen kann. SurfMax
macht es bei der Sichtkontrolle ähnlich wie der
Mensch: Er schließt aus den Reflexen auf der Oberfläche, ob diese fehlerfrei ist oder Kratzer und Vertiefungen aufweist. Das funktioniert bei flachen und
bei gekrümmten Metall-, Kunststoff- und Keramikoberflächen, von glänzend bis matt. Anders als der
Mensch braucht das Gerät für ein sachkundiges Urteil
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Innovation 22, 9 / 2010
kein spezielles Talent oder umfangreiche Erfahrung,
lernt aber dazu und arbeitet stets mit derselben
Präzision. Und der Mensch wird frei für Aufgaben,
die eine Maschine nicht erledigen kann.
Analyse auf einen Blick
FLOW® 800 erleichtert neurochirurgische Eingriffe durch gut aufbereitete Darstellung
des Blutflusses
Eine Entscheidung ist nur so gut wie die Informationen,
auf die sie sich gründet. Neurochirurgen können das,
was sie beim Operieren wissen müssen, künftig rascher
erfassen. FLOW 800 unterstützt sie bei der visuellen
Analyse des Blutflusses – eine nicht zu unterschätzende
Hilfe bei der Entscheidung, ob die Klammer an einem
Blutgefäß im Gehirn richtig gesetzt und der Bypass
um eine Gefäßverstopfung durchgängig ist.
bildet das Programm auf farbigen Übersichtskarten ab
und zeigt, wie sich der Blutfluss in Laufe der Operation
verändert. Der Arzt kann Sequenzen auswählen und
direkt miteinander vergleichen. Das erleichtert ihm eine
fundierte medizinische Analyse.
Schon bisher konnte der Chirurg während der Operation auf dem Bildschirm sehen, wie und wo das Blut
durch die Gefäße fließt. Die Visualisierung mittels
INFRARED 800, mit dem das Operationsmikroskop
OPMI® Pentero® von Carl Zeiss ausgestattet ist, macht
es möglich. Für eine sachkundige Interpretation der
Daten musste der Arzt die Aufzeichnungen allerdings
mehrmals ansehen. Um sich ein Bild von der Wirkung
seines Eingriffs zu machen, musste er Vorher und
Nachher vergleichen und zu diesem Zweck umständlich vor- und zurückscrollen.
Mit FLOW 800 geht das einfacher und schneller. Die
Informationen aus den INFRARED 800-Videos werden
auf einen Blick präsentiert. Komplexe Zusammenhänge
Der weiße Fleck auf der Schwinge
Neue Spektive von Carl Zeiss erweitern den Blick auf die Natur und sind bedienerfreundlich
Ein Spektiv ist ein Mittelding
zwischen Fernglas und Teleskop.
Sportschützen nutzen es, um von
weitem ihre Treffer abzulesen.
Naturliebhaber beobachten
damit aus großer Entfernung Tiere, vor allem Vögel,
ohne diese zu stören. Mit dem
Spektiv erkennen sie Einzelheiten,
die sie mit einem Fernglas nicht
sehen würden, zum Beispiel den
weißen Fleck auf der zehnten
Handschwinge einer Möwe.
Die Victory DiaScope-Spektive
von Carl Zeiss bieten Naturliebhabern neue Möglichkeiten: Das Vario-Okular
vergrößert nicht nur den
Bildausschnitt auf das 75-fache.
Durch eine besondere Konstruktion des Objektivs
und das fluoridhaltige Hochleistungsglas bietet es
gestochen scharfe, bis weit in die Dämmerung hinein
helle Bilder, und das ohne störenden Farbsaum an
den Rändern. Eine echte Innovation ist das VarioOkular mit erweitertem Zoombereich. Der Wechsel
zwischen einem weiten Sichtfeld und der Einstellung
mit starker Vergrößerung gelingt rasch und stufenlos.
Ein weiteres Highlight ist der Dual Speed Focus der
zwei Fokussiergeschwindigkeiten in einem Bedienelement vereint: Im Feinmodus wird die Bildschärfe
punktgenau eingestellt, und bei größeren Drehbewegungen wechselt das System automatisch in
den Grobmodus für schnelles Fokussieren. Das Victory
DiaScope 85 T* FL wurde jüngst in der Kategorie
Produktdesign mit dem red dot design award 2010
ausgezeichnet; es überzeugt den Anwender wie
auch die red dot Jury mit seiner Technik und
funktionalem Design.
Innovation 22, 9 / 2010
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Immer auf
Empfang
Leben Menschen anders in den Zeiten von
Computer, Handy und Internet? Die Fotos
für den Carl Zeiss Wettbewerb „Digitale Kultur“
zeigen, dass die neuen Medien im Alltag längst
angekommen sind
Innovation 22, 9 / 2010
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Die Liebe in den Zeiten des Internets
Das Foto ist für alle da, Janusz Chwiolka, Polen
Fotografiert mit: Nokia N95 Smartphone mit Carl Zeiss Optik
Vorherige Doppelseite:
Digitale Technik bringt die Kulturen der Welt zusammen, Jens Oeltjebruns, Deutschland
Fotografiert mit: Sony DCS-H9 mit Carl Zeiss Optik
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Innovation 22,
21, 9 12 / 2/ 010
2008
Siegerfoto: Digitales Blind Date,
Netanel Hadad, Israel,
Fotografiert mit: Hasselblad 501 CM
mit Carl Zeiss Planar T* 2,8/80 CB
Ein Wort für mehr als 1000 Bilder:
Fotowettbewerb. Carl Zeiss ruft
jedes Jahr im Dezember dazu auf.
Beim Wettbewerb 2009 bestand die
Aufgabe darin, den digitalen Wandel in Bilder zu fassen – das allerdings mit einem Objektiv von Carl
Zeiss; vom Handy bis zum Mittelformat war alles möglich und erlaubt. Digitale Medien erleichtern
das Leben. Sie verändern zugleich
die Art, wie Menschen miteinander
umgehen, wie sie Informationen
austauschen, arbeiten und spielen,
Freunde treffen und Musik machen.
Eine internationale Jury, darunter
die Fotografen Edith Held und Jürgen Müller, bewertete vor allem die
kreative Bildidee und ihre Umsetzung, weniger die Bildbearbeitung.
Das Siegerfoto „Digitales Blind
Date“ von Netanel Hadad aus Israel
zeigt einen Mann und einen Frau im
Gespräch. Sie sehen einander in die
Augen – berühren können sie sich
nicht. Auf dem Tisch, neben Kerzen
und Weingläsern, zwei Notebooks.
Der eine Bildschirm zeigt ihr Gesicht,
der andere das seine. Hadad hat
damit den ersten Preis gewonnen,
unter 1018 Bildern aus 58 Ländern.
Seine eigene Frau hat Hadad im
Internet kennen gelernt.
Der Junge, die Baskenmütze und seine Playstation,
Maxime Ballesteros, Deutschland
Fotografiert mit: Contax T2 mit Sonnar T* 2,8/38
Innovation
Innovation21,
22,12 9 / 2010
008
13
„Digital“ hat den Weg in unser Leben gefunden.
Holger Forst, Deutschland
Fotografiert mit: Nikon D3 mit Distagon T* 2,8/21 ZF
Neue Wege fürs Spielen,
Juan Leon, Spanien
Fotografiert mit: Nikon D700 mit Carl Zeiss Planar T* 1,4/50 ZF
Computer-Reparatur in einem serbischen Dorf,
Miodrag Trajkovic, Serbien
Fotografiert mit: Sony HVR-Z7E mit Carl Zeiss Optik
Rechts:
Die Zeiten haben sich geändert , Bernd Geh, USA
Fotografiert mit: Canon EOS-1D Mark III, mit Planar T* 1,4/85 ZE
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Innovation 22,
21, 9/ 12 2/010
2008
Innovation 22, 9 / 2010
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Titelthema
Die rasante Entwicklung technischer Verfahren
gibt der Forschung Einblick in immer kleinere
Details. Superauflösende optische Systeme
dringen in den Zellen bis auf molekulare Ebene
vor. Die korrelative Mikroskopie verbindet Mikround Nanowelt und bringt neue Erkenntnisse über
Strukturen und deren Funktion.
Text: Monika Etspüler
Brückenschlag zwischen
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Innovation 22, 9 / 2010
Mikro-
Report: Lorem ipsum
und Nanowelt
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Das Vordringen in immer kleinere Welten
Wer ein tieferes Ver
ständnis für die Vor
gänge in lebenden Or
ganismen entwickeln
will, muss die Komplexität einzelner
biologischer Strukturen und Funktionen erforschen. Gleich zwei neue
Verfahren von Carl Zeiss ebnen den
Weg zur Hochauflösung und damit
in diese faszinierende Welt des
Nanokosmos: zum einen die korrelative Mikroskopie mit der Schnittstelle Shuttle & Find, durch die
Probenausschnitte im Lichtmikroskop
schnell im Elektronenmikroskop wieder auffindbar sind; zum anderen
superauflösende Systeme, mit denen
die Beugungsgrenze der Lichtmikroskope überwunden werden kann.
Paxillin-Färbung einer Bindegewebszelle. Der Vergleich mit der herkömmlichen
Weitfeldaufnahme (links) demonstriert den Auflösungsgewinn durch
die neuen Superresolution-Techniken SR-SIM (Mitte) und PAL-M (rechts).
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Innovation 22, 9 / 2010
Korrelative Mikroskopie. Bei speziellen Aufgaben werden Proben zunächst im Lichtmikroskop und anschließend im Elektronenmikroskop
untersucht. Doch der Wechsel von
der Mikro- in die Nanowelt hat seine
Tücken, denn das gleiche Probenareal bei einer Vergrößerung um das
über Tausendfache wieder zu finden,
erinnert an die berühmte Suche nach
der Stecknadel im Heuhaufen. Um
systemübergreifendes Mikroskopieren zu vereinfachen und einen raschen Proben- und Bildtransfer zu
ermöglichen, hat Carl Zeiss Shuttle &
Find entwickelt. Das weltweit einzige Unternehmen, das sowohl Lichtals auch Elektronenmikroskope herstellt, brachte Shuttle & Find vergangenes Jahr für die Materialanalyse auf den Markt. Jetzt steht die
Schnittstelle auch für die korrelative
Mikroskopie in den Biowissenschaften zu Verfügung.
Titelthema: (Auf-)Lösung
Spezifische Eigenschaften. Licht- und
Elektronenmikroskope haben spezifische Eigenschaften, die ihren jeweiligen Einsatz bestimmen. Lebendpräparate können nur mit Licht- und
Laser Scanning Mikroskopen untersucht werden. Sie erreichen eine Auflösungsgrenze bis etwa 200 Nanometern (1 Nanometer = 10-9 Meter).
Für den weiteren Vorstoß in die Nanowelt werden Elektronenmikroskope eingesetzt. Ihr Auflösungsvermögen liegt um mehr als zwei
Größenordnungen über dem eines
Lichtmikroskops. Allerdings implizieren Technik und Funktionsweise des
Elektronenmikroskops, dass mit ihm
ausschließlich statische Untersuchungen an nichtlebendem Material vorgenommen werden können. Bisher
war eine Kombination beider Verfahren zur Analyse eines definierten
Probenareals sehr kompliziert, wenn
nicht unmöglich.
Einsatz in der Materialanalyse. Die
Hochschule Aalen war eine der
ersten Einrichtungen, die Shuttle &
Find für ihre Forschungstätigkeit
nutzte. Carmen Hafner und Timo
Bernthaler untersuchen dort LithiumIonen-Batterien aus elektronischen
Kleingeräten. Wie an allen Akkus
nagt auch an ihnen der Zahn der
Zeit. Doch seit Lithium-Ionen-Batterien zu einer Art Glaubenbekenntnis
für Elektromobilität und emissionsfreie Zukunft geworden sind, stellt
sich die Frage nach Alterungsprozessen und Leistungsverlusten umso
drängender. Aufbau und Körnung
eines Gefüges erlauben Rückschlüsse
auf die Art der Herstellung, ermöglichen aber auch Aussagen über die
Materialeigenschaften.
Timo Bernthaler fixiert „Shuttle &
Find“ auf dem motorisierten Objekttisch des Lichtmikroskops Axio
Imager.2. Kalibriert wird der Proben-
halter mit dem Präparat über drei
Markierungspunkte auf der Oberfläche, die er zunächst anfahren muss.
Auf dem Monitor erscheint der
Querschnitt einer Batterie in 25-facher Vergrößerung. „Ein Jahr Entwicklungsarbeit waren nötig, um einen so guten Probenschliff herzustellen“, erzählt er nebenbei. Die
spiralförmig angeordneten Separatoren, welche Anode und Kathode
voneinander trennen, haben ihre
beste Zeit hinter sich. An einigen
Stellen sind Abbauprozesse erkennbar. Timo Bernthaler markiert die
neuralgischen Punkte, die elektronisch gespeichert werden, um sie
später im Elektronenmikroskop wiederzufinden. Der Untersuchung des
Probenareals im Elektronenmikroskop geht eine erneute Kalibrierung
voraus. Auf dem Monitor werden
die strukturellen Schäden des Materials klar erkennbar – doch diesmal
in 16.000-facher Vergrößerung.
Vorherige Doppelseite:
Ultradünnschnitt durch Zebrafinkenhirn. Fluoreszenzmarkierte Vesikel in
einem Neuron, überlagert mit rasterelektronenmikroskopischer Aufnahme.
Das Mikroskopsystem Elyra PS.1
kombiniert die SR-SIM und die
PAL-M Technologie in einem Gerät.
Innovation 22, 9 / 2010
19
„Ein Jahr Entwicklungsarbeit waren nötig, um
einen so guten Probenschliff
herzustellen.“
Timo Bernthaler
Biologische Perspektiven. Shuttle &
Find funktioniert für Bio- und Materialwissenschaften nach dem gleichen Prinzip. Die Unterschiede liegen
vor allem in der Konstruktion der
Probenhalter, die bei biologischem
Material viel höhere Anforderungen
zu erfüllen haben.
n
n
In der Lichtmikroskopie werden
für Lebendpräparate Deckgläser
verwendet. Die Elektronenstrahlen eines Elektronenmikroskops
dringen jedoch nicht durch Glas.
Also musste der Halter so aufgebaut werden, dass die Probe von
zwei Seiten mikroskopierbar ist.
In der Lichtmikroskopie wird bei
sehr hohen Vergrößerungen mit
Immersionsöl gearbeitet. Doch Öl
kontaminiert Elektronenmikroskope. Deshalb muss es vollständig
entfernbar sein. Carl Zeiss hat dafür ein Verfahren zum Patent angemeldet, bei dem sich zwischen
dem Immersionsöl und dem
Deckglas eine dünne Folie befindet, die einfach mit dem Öl
„abgezogen“ werden kann.
n
Schließlich soll in dem Probenhalter auch die Präparation des zu
untersuchenden Objekts, also das
Fixieren, Färben und Einbetten,
möglich sein, ohne dass dadurch
das direkte Umfeld mit den Markierungspunkten in Mitleidenschaft gezogen wird.
Für die Zellbiologie eröffnen sich mit
Shuttle & Find interessante Perspektiven. Beispielsweise können Überlagerungen licht- und elektronenmikroskopischer Aufnahmen vorgenommen werden. Mit einem Lichtund Laser Scanning Mikroskop lässt
sich das Eindringen größerer, mit Fluoreszenzfarbstoff markierter Viren in
eine Wirtszelle beobachten. Die
Elektronenmikroskopie liefert dazu
die Informationen über die Oberflächenmorphologie der Zelle in den
entsprechenden Arealen. Anhand
der Fluoreszenzsignale ist erkennbar,
ob und an welcher Stelle ein Virus an
einer Zelle andockt oder inwieweit
es bereits eingewandert ist.
„Mit SR-SIM lassen sich
Strukturen räumlich abbilden.
Das ist ein riesiger Vorteil.“
Martin Bastmeyer
Shuttle & Find wird in
den Probenraum eines
Elektronenmikroskops
eingesetzt.
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Innovation 22, 9 / 2010
Superauflösende Systeme. Ein wichtiges Forschungsziel der kommenden
Jahre wird sein, die Vielfalt des
Titelthema: (Auf-)Lösung
Zellgeschehens bis hinunter auf die
molekulare Ebene zu visualisieren.
Voraussetzung dafür sind Lichtmikroskope mit fluoreszenzbasierter
Technik und einer extrem hohen
Auflösung, auch als „Superresolution“ bezeichnet. Elyra von Carl Zeiss
verbindet die beiden Qualitätsmerkmale miteinander. Elyra S.1 (SR-SIM),
das für Structured Illumination
Microscopy steht, hat eine Auflösung, die doppelt so hoch ist wie
die herkömmlicher Fluoreszenzmikroskope. Elyra P1 (PAL-M) auch als
Photo Activated Localization Microscopy bezeichnet, erreicht eine Auflösung von 20 Nanometern und arbeitet damit in einem Bereich, in
dem
Einzelmoleküle
lokalisiert
werden können.
Im Labor von Prof. Dr. Martin Bastmeyer vom Lehrstuhl für Zell- und
Neurobiologie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) steht Elyra
PS.1, eine Kombination aus PAL-M
und SR-SIM. Der Wissenschaftler
setzt SR-SIM unter anderem ein,
um das Zytoskelett, das einer Zelle
Stabilität und Elastizität verleiht,
zu untersuchen. Es besteht aus einem Netzwerk von Aktinfilamenten
und Mikrotubuli. Das sind Proteinfasern, die dafür sorgen, dass die Zelle
ihre äußere Form behält. Im SR-SIM
sind diese Strukturen als feine Fäden
zu erkennen. Mithilfe von PAL-M
gelingt es Bastmeyer, einzelne Paxillin-Proteine zu lokalisieren. Das in
der Probe als grün gelb fluoreszierender Punkt erscheinende Paxillin,
ist eines von über 100 Eiweißen, die
gemeinsam die Andockstelle der
Aktinfilamente an der Zellmembran
bilden.
Von der Aufgabenstellung hängt es
ab, welches der beiden superauflösenden Mikroskopierverfahren zu
Anwendung kommt. „Mit SR-SIM
lassen sich Strukturen räumlich abbilden. Das ist ein riesiger Vorteil“,
erklärt Martin Bastmeyer. „PAL-M
erfordert sehr viel Vorbereitungszeit.
Außerdem müssen die optischen
Schnitte extrem dünn sein“, ergänzt
er. Für PAL-M werden nur Fluorophore von speziellen GFP-Mutanten
(grün fluoreszierende Proteine) eingesetzt, wohingegen für SR-SIM
alle Fluoreszenzfarbstoffe verwendet werden können.
Beugungsgrenzen ausgetrickst. Auch
wenn die Technik, die hinter SR-SIM
und PAL-M steckt, völlig unterschiedlich ist, eines haben beide Systeme
gemeinsam: Um zu funktionieren,
müssen sie ein physikalisches Gesetz,
das Ernst Abbe bereits 1873 formuliert hat, umgehen. Grundsätzlich
gilt, dass die Wellennatur des Lichts
dem Auflösungsvermögen eines Mikroskops Grenzen setzt. Die maximale
Trennschärfe auch des besten Lichtmikroskops liegt bei einem Mindestabstand zweier Punkte von maximal
200 Nanometern. Will man stärker in
Details einsteigen, müssen Mikroskop und mikroskopische Abbildungen so modifiziert werden, dass eine
Auflösung jenseits des Abbeschen
Gesetzes möglich ist.
Bei der strukturierten Beleuchtung
(SR-SIM) wird deshalb eine definierte
Gitterstruktur in die Fokusebene des
Fluoreszenzmikroskops
projiziert.
Der erzeugte Modulationskontrast
zwischen hellen und dunklen Bereichen im Bild kann dann genutzt wer-
den, um zwei eng beieinander liegende Punkte noch unterscheiden zu
können. Um die Hochauflösung
nicht nur in einzelnen Bereichen des
Bildes zur Verfügung zu haben, wird
das Gitter über mehrere Positionen
lateral verschoben und rotiert. Dies
garantiert eine gleichmäßige Auflösungssteigerung in allen drei Raumrichtungen. Die einzelnen Rohbilder
die dabei entstehen, haben mit einer
„realen“ Abbildung nur wenig zu
tun. Erst durch nachträgliche Verrechnung wird daraus ein objektgetreues mikroskopisches Bild.
Die photoaktivierte Lokalisationsmikroskopie (PAL-M) nutzt schaltbare
Fluorophore, um die Beugungsbegrenzung zu umgehen. Die Probe
wird mit unterschiedlichen Wellenlängen bestrahlt, so dass immer nur
wenige Moleküle auf einmal angeregt werden. Dadurch kann die Position eines einzelnen Moleküls auf
wenige Nanometer genau bestimmt
werden. Die Wiederholung dieses
Vorgangs wird in 20.000 bis 40.000
Einzelbildern festgehalten und anschließend zu einem Gesamtbild
addiert.
Noch stärkere Vernetzung. Der zukünftige Trend wird dahin gehen,
die unterschiedlichen Mikroskopierverfahren weiter zu vernetzen. Noch
ist es nicht möglich, superauflösende
lichtmikroskopische Systeme und
Elektronenmikroskopie über Shuttle
& Find zu „verheiraten“. Gelingt das,
steht dem Ziel, die Position eines
einzelnen Proteins und seine Funktion in einer hoch aufgelösten Zellstruktur zu bestimmen, nichts mehr
im Wege.
Innovation 22, 9 / 2010
21
Interview
„Freiheit ist das Wichtigste“
Die Leibnizpreisträgerin Petra Schwille erklärt den Reiz der Zellbiologie
Waren die Bedingun-
gen, die Sie am Bio-
technologischen Zen-
trum (BIOTEC) der TU
Dresden vorfinden, mit ein Grund
dafür, dass Sie den Leibniz-Preis bekommen haben?
Ja ganz zweifellos. Das ist hier
eine absolut tolle Umgebung, inspirierend. Und total nette Kollegen.
Eine richtige Aufbruchstimmung hier.
Man hat das Gefühl, Teil einer großen Bewegung zu sein und das
macht immer Spaß.
Was bedeutet Ihnen der Leibnizpreis?
Einen so hoch angesehenen Preis
zu bekommen, ist schon ein tolles
Gefühl. Es stärkt einem den Rücken.
Der Preis stellt sicher, dass es auf diesem Niveau weitergehen kann, egal
was jetzt in den nächsten fünf Jahren passiert.
Von Haus aus sind Sie ja Physikerin.
Mich haben biologische Phänomene immer am meisten interessiert,
darum bin ich zum Studium nach
Göttingen gegangen. Ich habe mich
über die Physik zur physikalischen
Chemie, dann weiter zur physikalischen Biochemie und biophysikalischen Chemie bewegt und mittlerweile bin ich so fast in der Zellbiologie gelandet.
Von den 90ern bis Mitte 2000 waren
die großen „Einzelmoleküljahre“,
aber jetzt ist der erste Hype vorbei.
Jetzt will man etwas Sinnvolles mit
diesen Technologien machen. Mich
interessieren so fundamental wichtige Fragen wie „Wie kommt es eigentlich von einer Zelle zum Orga-
22
Innovation 22, 9 / 2010
nismus?“. Da sind unheimlich viele
Prozesse involviert: Symmetriebrechung, Polarisation, Einstellen von
lokalen Konzentrationen …
Mich interessiert, was die spezifische
Eigenschaft dieser Moleküle ist, so
dass sie so komplexe Strukturen bilden können.
Was hat Sie in die Zellbiologie gezogen?
Es gibt zwei wichtige Gründe: In
meiner Doktorarbeit habe ich Fluoreszenz-Korrelations-Spektroskopie
(FCS) gemacht und das, glaube ich,
auch ziemlich gut. Aber meine ganzen Daten waren irgendwelche Kurven. Aber dann habe ich das erste
Mal auf einer Tagung Leute erlebt,
die konfokale Mikroskopie gemacht
haben. Die haben Bilder und Videos
gezeigt; das hatte eine unheimliche
Überzeugungskraft. Das wollte ich
auch! Der andere Grund war die
Umgebung, die Leute hier, die Fragen, die hier so diskutiert werden.
Dresden war für mich definitiv ein
Glücksfall. Das Max-Planck-Institut
für molekulare Zellbiologie und Genetik hat mich in der Art, wie man
grundlegende biologische Fragen
stellt, sehr bereichert.
Sie gehen weg von der Zellbiologie
hin zur – wie wir es bezeichnen –
biomedizinischen Forschung: Was
bringen Ihre Ergebnisse dem Menschen?
Das kann ich so nicht sagen. Ich
will verstehen wie die Zelle funktioniert. Ich will verstehen, was die Moleküle treiben, damit überhaupt so
etwas Interessantes wie eine Zelle
entsteht. Und was speziell dran ist.
Was braucht ein Molekül, um so etwas aufbauen zu können? Wie unterscheidet es sich von beliebigen anderen, „langweiligen“ Molekülen?
Wir haben in den letzten Jahren Systeme vereinfacht und festgestellt,
dass man mit ganz wenigen Molekülen oder Molekülspezies richtige
Muster erzeugen kann; biologische
Muster; ein Vorne und ein Hinten.
Das ist im Grunde alles Physik. Da ist
irgendein Schalter an dem Molekül,
der irgendwie funktioniert und ein
anderes Molekül bedient den Schalter auf spezielle Weise und zack,
entsteht da ein Muster.
Titelthema: (Auf)-Lösung
Wie lange hat es gedauert von
den Reagenzglasexperimenten hin zu
Experimenten mit lebenden Zelle?
Bevor wir die zellulären Fundamentalmechanismen verstehen können, musste es uns erst einmal gelingen, quantitativ in einer lebenden
Zelle zu messen.
Das hat lange gedauert, bis wir das
konnten. Eigentlich fast 15 Jahre. Ich
habe 1996 in meiner Doktorarbeit
die FCS-Methode dafür weiterentwickelt. In meiner Zeit in Amerika haben wir Zellen dann mit der Zweiphotonenanregung untersucht. Es
hat eigentlich bis 2002, 2004 gedauert, bis man die ersten großen Publikationen hatte. Und jetzt arbeiten
wir im lebenden Embryo, dem „High
End System“ sozusagen, wo sich
wirklich alles bewegt. Das ist noch
eine Stufe komplexer.
Wie viel Zeit bleibt Ihnen als Lehrstuhlinhaberin noch neben der Bürokratie für die Forschung?
Das ist schwer zu trennen. Bis auf
ganz weniges hat alles mit Forschung zu tun. Viel Arbeit fließt in
Gutachten und viel Zeit in Projektanträge. Der Leibnizpreis hat mir ein
bisschen Luft verschafft.
Die Zeit, in der man sich einfach hinsetzen und nachdenken kann, die
muss man sich überall rauspflücken
aus dem Tag. Aber alles macht irgendwie Spaß.
zur Person
Dr. Petra Schwille
Spaß ist für Sie sich hinzusetzen und
in Ruhe nachdenken?
Spaß ist natürlich ein schlechtes
Wort. Ich denke schon gerne über irgendetwas in Ruhe nach, aber ich
rede auch gerne mit Leuten und lasse
mich gerne auf andere Ideen bringen.
Wie früh haben sie sich entschieden,
Physik zu machen?
In der Schule. Ich war gut in Mathe
und Naturwissenschaften. Bio wollte
ich nicht studieren, das war eher was
für Mädchen, die gerne auswendig
lernten. Mein Vater war Chemiker
und insofern war das auch unmöglich. Physik schien eine gute Alternative zu sein. In den ersten Jahren
habe ich die Wahl ziemlich bereut.
Aber mittlerweile, im Grunde ab der
Zeit, in der ich selber experimentiert
habe, habe ich es sehr genossen,
dass ich Physik studiert habe.
Und den Kick haben Sie in der Promotion dann bekommen?
Ja. Dank der Ausstattung am MaxPlanck-Institut für biophysikalische
Chemie in Göttingen. Mein Chef, die
finanzielle Ausstattung, die Möglichkeiten – das war super. Diese Freiheit, die Erfahrung von Freiheit, das
war toll. Freiheit, das ist überhaupt
das Wichtigste.
Vielen Dank.
Das Gespräch führten
Dieter Brocksch und Silke Schmid.
Die gebürtige Sindelfingerin
Petra Schwille, 42, studierte
Physik und Philosophie an den
Universitäten Stuttgart und
Göttingen. 1993 machte sie
ihr Diplom.
In der Arbeitsgruppe von Nobelpreisträger Manfred Eigen startete sie ihre Promotion, die sie
1996 mit einer Dissertation auf
dem Gebiet der FluoreszenzKorrelations-Spektroskopie an
der TU Braunschweig beendete.
Nach Postdoc-Stationen unter
anderem an der Cornell University in Ithaca, NY, wurde Petra
Schwille 1999 Juniorgruppenleiterin für experimentelle Biophysik am Göttinger Max-PlanckInstitut. Seit 2002 ist sie Professorin für Biophysik an der
TU Dresden. 2010 wurde sie
mit dem Leibnizpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft
ausgezeichnet.
Innovation 22, 9 / 2010
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Titelthema
Dem Geheimnis des Denkens auf der Spur
Wie denkt eigentlich
das Gehirn? Diese Fra
ge beschäftigt Natur
wissenschaftler schon
seit langem. In welcher
Beziehung stehen Struktur und
Funktion des Denkapparates überhaupt? Mit hochauflösenden elektronenmikroskopischen Instrumenten versuchen Forscher darauf eine
Antwort zu finden.
Etwa 100 Milliarden Nervenzellen
und rund 100 Billionen Synapsen
hat das menschliche Gehirn. Solche
Zahlen sind zwar beeindruckend,
doch führen sie nicht automatisch zu
einem tieferen Verständnis der Vorgänge in diesem Zentralorgan. Mit
Brain-Mapping, einer Art Gehirnkartierung, nimmt die Forschung
einen neuen Anlauf, um hinter die
Geheimnisse des menschlichen Denkapparates zu kommen.
Das Projekt Connectom. Bei diesem
Forschungsansatz geht es nicht mehr
nur um die Erfassung von Nervensträngen, auch die Verschaltung zwischen einzelnen Nervenzellen wird
untersucht und akribisch festgehalten. „Connectom“, so wird das System aller Nervenzellen und deren
Verknüpfungen im Gehirn bezeich-
24
Innovation 22, 9 / 2010
net – in Anlehnung an den Begriff
„Genom“, der die Summe aller Gene
einer Zelle zusammenfasst. Langfristig soll daraus ein Art Gehirnatlas
mit dreidimensionalem Schaltplan
entstehen.
Mit Brain-Mapping verbinden
sich hohe Erwartungen. Das
Potenzial, das sich dahinter verbirgt, scheint unerschöpflich zu sein. Man
hofft, die Ursachen von
Krankheiten wie Autismus oder Schizophrenie
entschlüsseln zu können und zu
einem besseren Verständnis über
die Wirkmechanismen von Medikamenten zu kommen. Genaue
Kenntnisse der Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns können auch Rückschlüsse auf die
Persönlichkeitsentwicklung im Laufe
eines Menschenlebens erlauben.
Noch steht die Wissenschaft ziemlich am Anfang dieses Großprojekts.
Selbst mit den schnellsten, heute
existierenden Lösungen würde
laut Hochrechnung die Erfassung
eines Mäusehirns über 30 Jahre
benötigen, ganz zu schweigen von der Kartierung
des menschlichen Denkapparats.
Titelthema: (Auf)-Lösung
Ein Puzzle mit vielen
Details. Schon die Präparation eines Gehirnabschnitts ist eine mühsame Angelegenheit. Anschließend wird das
Material in Kunstharz
eingebettet
und mit einem
Mikrotom, einer
Art Hobel, in
hauchdünne Scheibchen zerschnitten, die
auf einen Wafer aufgebracht und in einem
Rasterelektronenmikroskop
abgebildet werden. Das
Volumen eines solchen Präparats beträgt etwa ein Kubikmillimeter; dieser Kubus wird
in rund 20.000 Scheibchen zerschnitten. Gigantische Bearbeitungszeiten sind nötig, um die Unmenge an Bilddaten, die dabei
entstehen, anschließend im Computer wieder zu einem dreidimensionalen Modell zusammenzufügen.
Schnelligkeit führt zum Erfolg. Carl
Zeiss unterstützt diese Forschungsarbeit mit intelligenten Lösungen.
Mithilfe des Rasterelektronenmikroskops (englisch Field Emission Scanning Electron Microscope, FE-SEM)
SIGMATM untersucht der Biologe Jeff
Lichtman von der Harvard University
in Cambridge, Massachusetts, Gehirnstücke der Maus. Das Gerät ist
mit einem speziellen Detektorsystem
und einer Software ausgestattet,
die – verglichen mit konventionellen
Systemen – eine 100-fach schnellere
Bilderstellung und Speicherung ermöglichen. Schnelligkeit ist auch für
John Mendenhall von der Universität
von Texas in Austin ein wichtiges Argument für den Einsatz eines ZEISS
FE-SEMs. Zusammen mit einer speziellen Anwendungslösung verfügt
das System über einen Bildspeicher
mit bis zu einem Gigapixel und ermöglicht so die Aufnahme großflächiger Präparate in höchster Auflösung.
ORION® Helium-Ionen Mikroskop.
Das Potenzial dieser Technologie
liegt insbesondere in der extrem hohen Tiefenschärfe und den neuartigen Kontrastmechanismen durch
die Abbildung mit Ionen.
Dr. Marco Cantoni von der Ecole
Polytechnique Fédérale de Lausanne
untersucht mit einem CrossBeam®
Mikroskop Mäusegehirne. Statt mechanisch wie beim Mikrotom, wird
die Probe durch einen Ionenstrahl
Scheibchen um Scheibchen abgetragen, und dann im Rasterelektronenmikroskop untersucht. Dieser Vorgang läuft weitestgehend automatisch. „Das Ergebnis war unglaublich. In 48 Stunden haben wir
1600 Bilder von Präparatscheibchen
mit je sechs Nanometer Dicke generiert“, erklärt Dr. Cantoni. „Wir
erhalten dadurch einen Einblick in
die dreidimensionale Struktur des
zu untersuchenden Gewebes“. Einsatzmöglichkeiten auf dem Gebiet
des Brain-Mapping bietet auch das
Gefordert ist auch die Computerindustrie. Ihre Aufgabe wird es sein,
gigantische
Speichermedien
zu
schaffen. Schon ein Kubikmillimeter
Mäusegehirn liefert Informationen
von 1000 Terabyte; für das ganze
menschliche Gehirn wären es eine
Million Mal 1000 Terabyte.
Gehirnforschung als Industrie. Die
Jagd nach Bildern und Daten zeigt
bereits, dass ohne breit angelegte
Forschung diese wissenschaftliche
Herausforderung nicht gemeistert
werden kann. Stimmen werden
laut, die eine Industrialisierung der
Connectom-Forschung fordern, so
wie es Ende des vergangenen Jahrhunderts bei der Genom-Forschung
der Fall war. Die Lösung könnte
sein, dass ganze „Farmen“ mit dutzenden elektronenmikroskopischer
Systeme entstehen, in denen Tag
und Nacht Gehirnabschnitte abgebildet werden.
Den Schaltplan zu kennen, erlaubt
aber noch immer keine Aussagen
über die Aktivitäten des Denkapparates. Die Frage, welche Wirkung
eine Nervenzelle nun tatsächlich auf
ihre unmittelbare Umgebung hat,
bleibt zunächst offen.
Monika Etspüler
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Report
Wenn Raumschiffe
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Innovation 22, 9 / 2010
durch
Galaxien
schweben
Planetarien sind ein Türöffner für virtuelle
Ausflüge in das Universum. Ein neues Projektionssystem macht Reisen ganz anderer Art möglich
und das Erleben dabei noch realistischer.
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Innovation 22, 9 / 2010
Report: Himmel in Bewegung
Tiefes Schwarz bringt Dynamik
Einmal zum Saturn und
zurück, spüren wie die
Erde unter den Füßen
schrumpft – für 55 Millionen US-Dollar ist es zwar möglich,
einen Flug zur Internationalen Raumstation inklusive Weltraumspaziergang zu buchen. Doch hier endet die
Expedition ins All. Planetarien dagegen ermöglichen die Weiterreise. Die
Zuschauer erkunden die letzten Winkel des Universums, bis die sanfte
Landung sie in ihre zurückgeklappten Sitze drückt.
Neue Maßstäbe setzen. In den Planetarien von Wolfsburg und Bochum
erlebt das Publikum diese Verzauberung bereits seit einigen Monaten, im Planetarium der Berliner
Wilhelm-Foerster-Sternwarte hat sich
der Himmel erst vor kurzem ein
Stück weiter geöffnet. In den drei
Städten kommt erstmals das von Carl
Zeiss entwickelte und gefertigte Projektionssystem powerdome®VELVET
zum Einsatz. Es füllt die gesamte
Planetariumskuppel mit digital bewegten Bildern und vermittelt den
Zuschauern damit den Eindruck, sich
mitten im Weltall zu befinden. Eine
absolute Neuheit ist, dass das Ganzkuppel-Videosystem in der Lage ist,
einen pechschwarzen Hintergrund
zu generieren, vor dem die Himmelskörper zu schweben scheinen und
das Funkeln der Sterne nicht verloren geht.
Im Bochumer Planetarium – neu mit
dem Projektionssystems powerdome®
VELVET ausgestattet – ist im Kulturhauptstadtjahr 2010 die Ganzkuppel-Show
„tempus.ruhr“ von Rocco Helmchen
zu sehen.
Vielseitigkeit ist angesagt. „Das
Image vom verstaubten Planetarium
wurde durch VELVET endgültig abgelegt“, freut sich Dirk Schlesier,
wissenschaftlicher Mitarbeiter beim
Planetarium in Wolfsburg. Und Prof.
Dr. Susanne Hüttemeister, die Direktorin des Bochumer Planetariums,
kommentiert das Geschehen am
künstlichen Himmel mit den Worten:
„Wir bringen Dynamik in die Kuppel.“ Aus dem traditionellen Planetariumsrund wurde ein Show-Raum,
in dem die psychedelische Musik von
Pink Floyd die Bilder an der Kuppel
zum Wabern bringt und die Beagle
mit Charles Darwin an Bord den
Ozean durchquert.
Rundum-Erneuerung. Im Planetarium in Bochum werden schon seit
1964 die Sterne vom Himmel geholt,
in Wolfsburg geschieht das seit 1983.
In beiden Häusern waren umfangreiche Umbaumaßnahmen nötig, bevor
die neuen Projektionssysteme Einzug
hielten. Die Projektionsflächen mussten renoviert werden, denn die Technik stellt hohe Ansprüche an deren
Oberflächenbeschaffenheit. „In Bochum war die Tatsache, dass das
Ruhrgebiet in diesem Jahr zu den
Kulturhauptstädten zählt, ein wichtiges Argument für die Rundum-Erneuerung“, erklärt Susanne Hüttemeister.
Faszinierender Sternenhimmel. Mittelpunkt in beiden Planetarien ist der
optisch-mechanische Sternenprojektor. Die Sterne werden über Glasfaser
abgebildet, eine Technologie, die nur
Carl Zeiss beherrscht. Sie sorgt dafür,
dass das Bild des Sternenhimmels so
realistisch ist.
Das All lebt. Bewegung ins All brachten bisher herkömmliche Dia- und
Videoprojektoren. Allein in Wolfsburg waren 50 davon im Einsatz.
Diese Geräte sind jedoch nicht für
eine brillante Ganzkuppelpräsentation geeignet. Der Hintergrund bleibt
sichtbar und es entstehen graue, verwaschene, manchmal fleckige Bilder.
Mit VELVET hat Carl Zeiss dieses Problem gelöst, denn der Projektor vermeidet jegliches Restlicht. Schwarz
im Bild ist auch Schwarz in der
Projektion. Die technische Herausforderung bestand darin, das Restund Streulicht aus allen Projektorkomponenten zu verbannen und
damit den Kontrast um Größenordnungen zu erhöhen. Das Resultat:
Während marktübliche Projektoren
einen Kontrastumfang von höchstens 30.000:1 aufweisen, erreicht
VELVET 2,5 Millionen:1.
Analog trifft digital. Um durch einen
brillanten Sternenhimmel eine spektakuläre, virtuelle Reisen in die Tiefen des Universums unternehmen zu
können, werden powerdome VELVET
und der optisch-mechanische Sternenprojektor über eine gemeinsame
Steuerung miteinander gekoppelt.
Mit VELVET sind herkömmliche Diaund Video-Systeme überflüssig. Stattdessen gibt es jetzt in Wolfsburg
sechs VELVET-Projektoren, in Bochum
sind es acht und ebenso viele werden es in Berlin sein. Die Zuschauer
wissen den technischen Fortschritt
zu schätzen. Am Tag der offenen Tür
drängten in Wolfsburg 2 500 Besucher in die frisch gestalteten Räume.
Monika Etspüler
Innovation 22, 9 / 2010
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Report
Auf Spurensuche in den
Weltmeeren
Tara Oceans, eine an Umfang bisher einmalige
Expedition, startete vergangenen Herbst zu
einer dreijährigen Forschungsreise. Ihre Aufgabe
ist es, die Lebensvielfalt in den Ozeanen zu
erforschen und den Zustand der marinen Ökosysteme zu erkunden. Das Segelboot Tara wurde
zu dem Zweck zu einem schwimmenden Hochleistungslabor umgebaut.
30
Innovation 22, 9 / 2010
Innovation 22, 9/2010
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Forscher erkunden die marinen Ökosysteme
Am 21. Dezember 1872
verließ die HMS Chal
lenger den Hafen von
Portsmouth. Die Expedition sollte Daten über die Weltmeere zusammentragen. Dreieinhalb
Jahre dauerte die Forschungsreise
in die entlegensten Winkel der Erde.
Als der Dreimaster im Mai 1876 nach
England zurückkehrte, lagen 68.890
Seemeilen hinter ihm. Die Besatzung
hatte auf dieser Strecke fast 300
Tiefseelotungen, rund 250 Tiefseetemperaturmessungen und ebenso
viele Schleppnetzzüge durchgeführt.
Tara auf Welttournee. 137 Jahre
vergingen, bis wieder ein Schiff mit
ähnlichem Auftrag in See stach.
Am 5. September 2009 lief der Zweimaster Tara vom französischen
Lorient in Richtung Mittelmeer aus.
Und hier beginnt die Analogie: Drei
Jahre wird der Schoner auf den Weltmeeren kreuzen und dabei 81.000
Seemeilen zurücklegen, vorbei am
Kap der guten Hoffnung. Er wird
den Atlantik überqueren, den Pazifik, die arktischen Gewässer. Organisatoren der Expedition sind Etienne
Bourgois, Präsident von Fonds Tara
(der Tara Stiftung) und Eric Karsenti
vom Europäischen Laboratorium für
Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg. Unterstützt wird Tara Oceans
unter anderem vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen
(UNEP).
Gigantisches Forschungsprogramm.
Tara Oceans soll die Grundlage für
eine umfassende Analyse der marinen Ökosysteme liefern. „Es geht
darum, die Lebensvielfalt in den
Ozeanen zu erforschen, um die immer noch weitgehend ungeklärten
Wechselwirkungen besser zu verstehen“, beschreibt der Wissenschaftler
Dr. Emmanuel Reynaud, einer der
wissenschaftlichen Koordinatoren der
Resolute Bay
Anchorage
Petro-Pawlowsk
St Pierre et Miquelon
Seattle
Wladiwostok
Boston
New York
Sept. 2012
Tokio
Lissabon
Bermuda Island
Shanghai
Taipeh
Hongkong
Manila
März 2012
Hawaii
Karibik
Clipperton
Galapagos-Inseln
Jakarta
Guayaquil
Marquesas Inseln
Keelinginseln
Darwin
Papeete
Rio de Janeiro
Nouméa
Osterinsel
Buenos Aires
Sydney
Valparaiso
Auckland
Sept. 2011
März 2011
Puerto Montt
Port Stanley
Puerto Williams
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Innovation 22, 9 / 2010
Erstes Jahr (Lorient – Kapstadt)
Zweites Jahr (Kapstadt - Auckland)
Drittes Jahr (Auckland - Europa)
Ushuaia
Report: Auf großer Fahrt
Die Expedtion stach vom
französischen Lorient aus am
5. September 2009 in See. Die
Forschungsreise dauert drei Jahre.
Die Expedition Tara Oceans
legt 81.000 Seemeilen zurück
um die marinen Ökosysteme
zu untersuchen.
Erstes Jahr
Zweites Jahr
Drittes Jahr
Anlaufhäfen
Expedition und Zellbiologe am University College Dublin (UCD), die Aufgabe.
Lorient Sept. 2009
Nizza
Dubrovnik
Barcelona
Neapel
Athen
Tangier
Limassol
Bizerta Lavalette
Algiers
Beirut
Tripolis
März 2010
Port Said
Scharm El-Scheich
Dschidda
Abu Dhabi Mascat
Mumbai
Goa
Dschibuti
Malé
Mayotte
St Helena
Antsiranana
St Denis
Europa
Kapstadt
Sept. 2010
Toliara
Saint Brandon
Port Louis
Gesammelt wird, was das Meer hergibt. Dazu gehören neben Bakterien
und Viren vor allem Protisten, also
ein- bis wenigzellige Lebewesen.
Marine Protisten erzeugen letztendlich die Luft, die wir einatmen und
sie übertragen den Kohlenstoff aus
der Atmosphäre direkt auf das tiefliegende Sediment am Meeresgrund.
Von ihren Untersuchungen erhoffen
sich die Wissenschaftler genauere Informationen über die Verteilung dieser Mikroorganismen. Im nördlichen
Teil des indischen Ozeans analysierten sie den Säuregehalt des Wassers,
der in dieser Region höher ist als
beispielsweise im Pazifik. Ein wichtiger Bestandteil des Forschungsprogramms ist auch die Untersuchung
von Korallenriffen. Vor Ort genommene Proben sollen Auskunft über
den tatsächlichen Zustand der
425 Millionen Jahre alten Unterwasserstrukturen geben. Ermittelt wer-
den außerdem ozeanographische
Daten wie Wassertemperatur, Salzgehalt, Stickstoff-, Sauerstoff- und
Nitratkonzentration.
Es ist der Forschungsumfang, der
Tara Oceans zur Expedition der
Superlative macht. Mehr als 100 Wissenschaftler, darunter Meeresforscher, Biologen, Genetiker und Physiker aus rund 50 wissenschaftlichen
Laboratorien und Instituten weltweit, beteiligen sich an dem Projekt.
Einmalig in der Geschichte der Seefahrt ist auch die Umrüstung eines
Segelboots in ein schwimmendes
Hochleistungslabor, in dem – zur
großen Freude von Reynaud – alle
Geräte einwandfrei funktionieren.
Die Welt unter dem Mikroskop. Carl
Zeiss stattete die Expedition mit
zwei Stereomikroskopen des Typs
Stemi® DV4 und einem SteREO Discovery.V20 aus und stellte Objektive,
Kameras und Bildanalysesoftware zur
Verfügung. Mithilfe der Stemi DV4
Geräte werden die in verschiedenen
Innovation 22, 9 / 2010
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Ein paar Beispiele für die Vielfalt der kleinen Meeresbewohner:
1: Dinoflagellat Ceratium hirundinella
2: Eine Gruppe von Radiolarien (Strahlentierchen) Globigerina bulloides
3: Unbekannte Qualle mit ihrer Beute, einem Ruderfußkrebs; gefangen südlich von Zypern
4/5:Zwei bisher unbekannte Radiolarien; ebenfalls südlich von Zypern gefunden
Die Größe der Tiere liegt zwischen 0,15 und 0,5 Millimeter.
2
1.
5.
4
3.
4
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Innovation 22, 9 / 2010
Report: Auf großer Fahrt
Tiefen gesammelten Organismen zunächst grob sortiert. Die eingefahrene „Ernte“ kommt dann ins
Trockenlabor, das sich im Bauch des
Schiffes befindet. Dort werden die
Winzlinge genauer untersucht, klassifiziert und fotografiert. Um beim
Umgang mit der Materialfülle nicht
den Überblick zu verlieren, ordnet
man die Daten über einen Strichcode einander zu.
Unter Deck befindet sich das SteREO
Discovery.V20. Mit ihm lassen sich
Anatomie und Bewegungsabläufe
der Organismen genauestens studieren. Die Beobachtungen ermöglichen dann wiederum Rückschlüsse
auf Lebensweise und Verhalten der
Meeresbewohner. Ein Großteil der
Proben wird im sogenannten Nasslabor eingefroren und geht von da
aus direkt an das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie.
Den Lebensstil anpassen. Für die
15-köpfige Besatzung bleibt auf
dem 36 Meter langen Schoner nur
wenig Raum. „Damit es an Bord
funktioniert, muss jeder seinen Lebensstil dieser Situation anpassen.
Unter Umständen kann das schwierig sein“, räumt Reynaud ein. „Anfangs gab es an Bord drei separate
Teams“, erzählt er. „Da waren die
Crew, die Wissenschaftler und die
Journalisten und jede Gruppe hatte
ihre eigenen Ziele und Vorstellungen.“ Spannungen waren da unvermeidbar. Hinter Nizza machten
der Besatzung außerdem die Herbststürme im Mittelmeer und, damit
verbunden, der schwere Seegang zu
schaffen. Inzwischen segelt Tara in
ruhigeren Gewässern und auch die
Abläufe an Bord haben sich eingespielt. „Ich bin immer wieder erstaunt, dass diese Expedition auf
diesem kleinen Schiff tatsächlich
funktioniert, vor allem – sie funktioniert immer besser“, freut sich Emmanuel Reynaud.
Unbekannte Lebewesen. Als die
HMS Challenger 1876 in den Hafen
von Portsmouth einlief, hatte sie fast
4000 bis dahin unbekannte Lebewesen an Bord. Auch diesmal haben
Wissenschaftler vermutlich Organismen aus der Tiefe gefördert, von
deren Existenz bisher niemand eine
Ahnung hatte. Ziel ist es, eine Datenbank aufzubauen, in der die altbekannten wie auch die neu entdeckten Meeresbewohner erfasst sind,
um spätere Veränderungen in den
Ozeanen schneller erkennen zu können. „Uns geht es dabei vor allem um
das, was wir nicht mit bloßem Auge
sehen“, sagt Reynaud. Die marine
Biomasse setzt sich zu 98 Prozent aus
Mikroorganismen zusammen. „Von
ihnen hängt unsere Existenz ab. Sie
sind der Anfang der Nahrungskette
an deren Ende wir stehen.“
In spätestens fünf Jahren sollen gesicherte Ergebnisse der Expedition
Tara Oceans vorliegen. Bei der Challenger-Expedition hatte es 30 Jahre
gedauert, bis auch die letzten Forschungsergebnisse in dem 50 Bände
umfassenden Gesamtwerk veröffentlicht waren.
zur Sache
Stereomikroskope
Das SteREO Discovery.V20
(Foto) hat einen Zoomfaktor
von 20, das heißt aus einer
großen Übersicht heraus,
können auch noch kleine Objektdetails untersucht werden.
Über die Motorsteuerung kann
die gewählte Vergrößerung
schnell angefahren werden.
Die hohe Endvergrößerung ermöglicht es, Objekte, die bisher
wegen ihrer geringen Größe
ausschließlich zweidimensional
unter einem Lichtmikroskop
abgebildet werden konnten,
dreidimensional zu betrachten.
Beim Stemi DV 4 verbindet sich
eine strapazierfähige Technik
mit der einfachen Bedienbarkeit der Funktionselemente.
Kombiniert mit dem kompakten Stativ C kann man per
Tastendruck zwischen Auf-,
Durch- oder Mischlicht wählen.
Monika Etspüler
Weitere Informationen unter
www.taraexpeditions.org
Innovation 22, 9 / 2010
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Feature
Faszination des Augenblicks im Bild
Ob beim Sport, beim Beobachten
von Tieren oder bei der Jagd – will
man aus großer Entfernung noch
Details erkennen, sind Ferngläser
ein unverzichtbares Hilfsmittel. Mit
den klassischen mechanischen und
optischen Verfahren lassen sich die
Geräte jedoch kaum noch verbessern. Der Trend geht deshalb hin zur
Integration von Elektronik in herkömmliche Fernoptiken.
Alle haben sie eines gemeinsam: Um
weitere Verbesserungen erzielen zu
können, sind sie mit elektronischen
Zusatzfunktionen ausgestattet; das
PhotoScope mit einer Digitalkamera,
das Zielfernrohr mit einem Laserentfernungsmesser und das Fernglas
Victory RF mit einem Laserentfernungsmesser und dem Ballistik-Informations-System BISTM.
„Ich mag technische Innovationen“,
gesteht Frank Ullrich, der Bundestrainer der deutschen Herren-Nationalmannschaft im Biathlon, und
meint das neue PhotoScope 85 T* FL
von Carl Zeiss. Das Fernglas mit voll
integrierter Digitalkamera ist für ihn
eine wichtige Informationsquelle. Er
verfolgt damit die Wettkämpfe, fotografisch oder per Video hält er deren Verlauf fest und kann anschließend in Ruhe das Rennen analysieren. „Für meine Tätigkeit ist es
von großem Vorteil, gleichzeitig beobachten und fotografieren zu können“, sagt Frank Ullrich. Das war bisher nicht möglich. Bei konventionellen Lösungen wird die Kamera
lediglich mechanisch hinter dem Fernglas angebracht.
Schnelle und präzise Angaben. Bei
Victory RF handelt es sich um vielseitig einsetzbare Systeme. Sie können zur Tier- und Vogelbeobachtung
oder bei der Jagd verwendet werden. Der digitale Laserentfernungsmesser garantiert im Bereich zwischen zehn und 1200 Metern eine
besonders schnelle und präzise Messung. Eine selbstleuchtende LEDAnzeige spiegelt das Ergebnis direkt
in das Sehfeld des Fernglases ein.
Jäger benötigen neben der präzisen
Entfernungsmessung zusätzliche Informationen über die Flugbahn der
Geschosse und die Korrektur des
Haltepunktes. Die Angaben dazu
errechnet das Ballistik-System in
Sekundenbruchteilen. Sechs gespeicherte Ballistikkurven bilden außerdem die Flugbahnen der gängigsten
Jagdkaliber ab.
Fernoptik mit Zusatzfunktionen. Das
PhotoScope ist die jüngste Entwicklung einer Produktreihe zu der auch
die Ferngläser Victory RF (8 und
10x45T*) und das Zielfernrohr Victory Diarange M 2,5-10x50 T* gehören.
Natur im Großformat. Das PhotoScope wurde unter anderem entwickelt, um Naturereignisse aus
nächster Nähe miterleben und festhalten zu können. Insofern entspricht das Gerät genau den Anfor-
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Innovation 22, 9/ 6/ 2010
derungen, die Stephen Ingraham,
Carl Zeiss Mitarbeiter aus dem USamerikanischen Chester, für sein
Hobby benötigt. Seit 20 Jahren begibt sich der Freizeit-Ornithologe
mit Fernglas und Kamera auf Spurensuche. „Oft ist es schwierig, die
Tiere überhaupt zu entdecken, sie
dann auch noch im Detail zu beobachten, verlangt nicht nur viel Geduld sondern auch eine gute Technik“, erzählt er. Mit einer Brennweite von 600 bis 1800 Millimeter
und sieben Megapixel erfüllt die in
das PhotoScope integrierte Kamera
diese Ansprüche. Ab fünf Metern bis
in große Entfernungen werden die
Objekte auch bei schlechten Lichtverhältnissen noch scharf abgebildet. Das Spektiv selbst vergrößert
um das 15- bis 45-fache. Pluspunkte
sind für Stephen Ingraham auch das
einfache Handling und die Robustheit des Gerätes, das widrige Umstände wie Regen, Kälte oder Hitze
schadlos übersteht.
Preis für Praxistauglichkeit. Dem gelungenen Aussehen ist es zu verdanken, dass das PhotoScope im vergangenen Jahr bei dem red dot
Design-Award ausgezeichnet wurde.
Die Victory RF Ferngläser hatten
schon 2008 für ihre „einfache Bedienung, übersichtliche Anzeige und
hohe Praxistauglichkeit“, so die Laudatio, einen Preis erhalten.
Monika Etspüler
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Report
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Innovation 22, 9 / 2010
Report: Besser sehen
Die schöne Welt des Sehens
„ZEISS Experience“ heißt
ein neues Marketing-
konzept von Carl Zeiss
Vision. Seit Mai 2009
stellt der Optikspezialist weltweit
unter dem Motto „Mehr sehen.
Mehr erleben.“ Analyse-, Schulungsund Marketinginstrumente zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe vermittelt
der Optiker seinem Kunden die Bedeutung des Sehens und einer sorgfältigen Auswahl der richtigen Brille.
Die Augen sind das wichtigste
Sinnesorgan, das „Tor zur Welt“.
Wie wichtig die Augen für die
Lebensqualität sind, wird Menschen
erst bewusst, wenn sie schlecht
sehen und deshalb eine Brille brauchen. Die ideale Brille zu finden ist
eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie soll
vor allem die Sicht verbessern, aber
auch gut aussehen und erschwinglich sein. Die Qual der Wahl besteht
keineswegs nur darin, sich für eine
der vielen farbenfrohen Fassungen
entscheiden zu müssen. Schwieriger
und zugleich wichtiger ist die Wahl
des passenden Glases. Die wenigsten
Kunden wissen, welches Brillenglas
ihr besonderes Sehproblem löst.
Meistens wissen sie auch nichts von
der technologischen Entwicklung
und von den Möglichkeiten, die moderne Brillengläser bieten.
Fachkundige Beratung. Die Zeiten,
in denen der Augenoptiker neben
einer Reihe von Kassengestellen eine
Handvoll teurer Brillenfassungen für
betuchte Kunden vorrätig hatte und
mit einer Sehtafel und einem Gerät
zum Messen der Sehschärfe auskam,
sind vorbei. Heute hat ein Augenoptiker, der Vertragspartner von
Carl Zeiss Vision ist, zahlreiche
Geräte für ganz unterschiedliche
Aufgaben: Der i.Profiler® arbeitet
mit Wellenfronttechnologie und
misst automatisch Sphäre, Zylinder
und Achse; mit dem i.Polatest® misst
man die Sehschärfe, das räumliche
Sehen und das Zusammenspiel der
Augen, und am i.Terminal® wird die
Brille exakt zentriert, denn schon
beim geringsten Zentrierfehler büßt
sie über 40 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit ein.
Kundenwünsche. Weil es technologische Entwicklungen gibt, an die
noch vor ein paar Jahren nicht zu
denken war, ist der Kunde auf die
fachkundige Beratung durch den
Augenoptiker angewiesen. Dieser
muss ihm die Untersuchungsmethoden verständlich machen und die
Besonderheiten der Brillengläser erläutern, damit der Kunde sich nach
sachlichen Kriterien für das Glas
entscheiden kann, welches seinen
Bedürfnissen am besten entspricht.
Ein wichtiges Feld sind zum Beispiel
Gleitsichtgläser, an die sich der Kunde nicht selten erst gewöhnen muss.
Hier ist nicht nur sorgfältige Beratung, sondern auch nachhaltige
Betreuung gefragt.
Brillenkäufer wollen genau wissen,
was sie von der Beratung und der
Betreuung durch einen Fachmann
erwarten dürfen. Eine aktuelle Umfrage unter Brillenträgern in zehn
Ländern ergab: Menschen sind
durchaus bereit, in eine Qualitätsbrille zu investieren, wenn sie vom
Nutzen der Gläser überzeugt sind.
Sie wünschen sich ausführliche Informationen und eine individuelle
Lösung ihres Sehproblems. Die Marke des Brillenglases hat dabei erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung, jedoch nur dann, wenn
der Kunde sie kennt und zu schätzen
gelernt hat.
Entspannt sehen. Präzise auf die
Augen abgestimmte Brillengläser
helfen bei müden Augen. Beeinträchtigungen im Sichtfeld werden
auf ein Minimum reduziert, maßgefertigte Brillengläser für Arbeit, Freizeit oder Sport bieten denkbar größte Entspannung beim Sehen. Für
individuelle Beratung und Anpassung der Gläser gibt es in Deutschland die Relaxed Vision Center, deren Adressen über die Website
von Carl Zeiss Vision zu finden sind.
Zum Konzept „ZEISS erleben im Relaxed Vision Center“ gehört eine
umfangreiche Multimedia-Präsentation, die dem Kunden alle Möglichkeiten der augenoptischen Versorgung vorstellt. Nach dem ersten
Besuch erhält er zudem eine persönliche Broschüre, in der der Augenoptiker alle Informationen zusammengefasst hat, die für den Kunden
wichtig sind, von der Sehschärfe und
besonderen Sehfehlern über die Anpassungsdaten der Brille bis zur
Nachsorge und speziellen Kundenwünschen, die sich bei der Beratung
ergeben haben. Wenn der Kunde
dann sicher sein kann, dass er umfassend beraten wurde, ist die Entscheidung für eine neue Brille kein Problem mehr.
Ursula Walther
Innovation 22, 9 / 2010
39
Report
Revolution in
der Laserchirurgie
Die neue Behandlungs-
methode ReLEx® von
Carl Zeiss ist auf dem
besten Wege, die refraktive Chirurgie in eine neue Ära
zu führen. In ReLEx verschmelzen
präzise refraktive Femtosekundenlaser-Technologie und die schonende
Entfernung der Hornhautscheibchen
zu einem revolutionären Prinzip. Ein
wesentlicher Unterschied zum bisherigen LASIK-Verfahren ist die
Visuskorrektur in der intakten Hornhaut. ReLEx wurde bereits mehr als
1000 Mal erfolgreich eingesetzt.
Lebensqualität. Manchmal nützt die
schönste Brille nichts. Beim Schwimmen, beim Handball und erst recht
beim Betreten eines geheizten
Raums im Winter wird jeder Brillenträger an seine Sehhilfe erinnert.
Immer mehr Menschen entscheiden
sich daher für eine Laserbehandlung,
auch wenn Krankenkassen die Kosten nur in ganz wenigen Fällen
übernehmen.
Rückblick. In den 30er Jahren des
vergangenen Jahrhunderts wurden
die ersten klinischen Studien zu Operationen am Auge durchgeführt.
Man suchte nach wirkungsvollen
Methoden, die Brechkraft der Hornhaut gezielt zu verändern. Zunächst
begannen die Chirurgen mit kreisförmigen Einschnitten, die die Hornhaut
destabilisieren sollten, damit sie einen Teil ihrer Spannung verliert und
40
Innovation 22, 9 / 2010
flacher wird.
Die
Schnitte
führten
allerdings häufig zu
Entzündungen und
Narben. Der Spanier
Jose Ignacio Barraquer
beschäftigte sich schon im
Jahr 1963 mit der mechanischen Abtragung der innen liegenden Schichten der Hornhaut, mit
der von 1978 an regelmäßig kurzsichtige Patienten behandelt wurden. Im Jahr 1988 setzte Theo Seiler
vom Universitätsklinikum der Freien
Universität Berlin für das Abtragen
dünner Hornhautschichten zum ersten Mal einen Laser ein.
Der optische Hobel. Die Verfahren
wurden weiterentwickelt, das Prinzip aber ist dasselbe geblieben: Der
Arzt klappt die oberste Schicht der
Hornhaut zur Seite, trägt eine dünne
Schicht des darunter liegenden Gewebes ab und klappt dann die oberste Hautschicht wieder über die
Wunde. LASIK heißt dieses derzeit
gängigste Verfahren. Dabei hilft
immer häufiger ein Femtosekunden-
Report: Besser sehen
ZEISS Operationsmikroskop ermöglicht dem Arzt eine optimale Kontrolle bei der manuellen Entfernung
des Lentikels. Das Verfahren bietet
viele klinische Vorteile besonders bei
höheren Korrekturen. Im Gegensatz
zur Behandlung mit LASIK überträgt
der VisuMax mit ReLEx das vorausberechnete Lentikelprofil exakt in
die Hornhaut. So entsteht eine
optimale Hornhautform über die
gesamte optische Zone.
ses wird nun aufgeklappt. Anschließend flacht ein medizinischer Excimerlaser,
eine Art optischer Hobel,
die Hornhaut bis zur gewünschten Krümmung ab. Jeder Eingriff erfordert also zwei
Arbeitsgänge mit zwei verschiedenen Geräten, was eine längere Behandlungsdauer für Arzt und Patient
bedeutet.
laser (eine Femtosekunde beträgt
10-15 Sekunden). Er sendet Millionen
hochintensiver Lichtimpulse gezielt
in die Hornhaut des Auges und
durchtrennt so das Gewebe. Präzise,
risikoarm und schmerzfrei schneidet
er das Hornhautdeckelchen aus. Die-
Entspannend anders. ReLEx von Carl
Zeiss ist eine echte Alternative
zu LASIK. Der Femtosekundenlaser
VisuMax® schneidet zuerst eine dünne Hornhautlinse, ein Lentikel, in die
intakte Hornhaut. Anschließend erzeugt der Laser ein Hornhautdeckelchen, welches dem Arzt Zugang für
die Entnahme des Lentikels verschafft. Das integrierte hochwertige
Spürbar komfortabel. ReLEx bietet
gegenüber LASIK spürbare Vorteile
in punkto Patientenkomfort. So entfällt für Patienten beispielsweise der
Gerätewechsel während der Behandlung. Dies verkürzt die Behandlungsdauer erheblich. Bereits nach wenigen Minuten ist der Eingriff
beendet, vollkommen geräusch- und
geruchlos. Durch das innovative
Design des Kontaktglases wird ein
temporärer Sehverlust des Patienten,
wie es bei LASIK auftreten kann, vermieden. Mit ReLEx begleitet ein
Höchstmaß an Komfort diesen wichtigen Schritt des Patienten in ein
Leben ohne Brille.
Ursula Walther
Innovation 22, 9 / 2010
41
Report
Die Lösung mit dem Zylinder
Künstliche Linsen zur
Korrektur des Astigma-
tismus lassen sich künf-
tig schneller und zuverlässiger einsetzen als mit den bis-
herigen Verfahren. Für das Vermessen des Auges, das Berechnen und
Positionieren der Linse während des
Eingriffs hat Carl Zeiss Meditec mit
ZEISS Toric Solution mehrere Werkzeuge kombiniert, die den Arbeitsablauf effizienter machen.
42
Innovation 22, 9 / 2010
Astigmatismus ist einer der Sehfehler, die sich mit einer künstlichen Linse beheben lassen. Er entsteht durch
eine ungleichmäßige Wölbung der
Hornhaut. Normalerweise ist die
Hornhaut des menschlichen Auges
gerundet wie eine Kugel. Beim Astigmatismus gleicht sie stattdessen
einem Ei oder einem Football. Mit
einer solchen Hornhautverkrümmung sieht der Mensch die Welt verzerrt, denn der für das Scharfsehen
erforderliche Brennpunkt wird zur
Brennlinie. Die Lichtstrahlen, die ins
Auge fallen, treffen statt auf einen
einzigen Punkt auf eine ganze Reihe
nebeneinander liegender Punkte,
Report: Besser sehen
die wie ein Stab aussehen, wenn
man sie miteinander verbindet. Astigmatismus wird deshalb auch Stabsichtigkeit genannt.
Die Lösung. Eine geringfügige Hornhautverkrümmung korrigiert der
Arzt bei einer Laserbehandlung des
Auges mit. Bei einer starken Verkrümmung ist die Intraokularlinse
das Mittel der Wahl. Leidet ein Patient gleichzeitig an Astigmatismus
und am Grauen Star, setzt der Arzt
bei der Staroperation eine torische
Intraokularlinse ein. Diese behebt
die Fehlsichtigkeit allerdings nur
dann, wenn sie exakt im richtigen
Winkel im Patientenauge sitzt. Diesen muss der Arzt sorgfältig berechnen, was bisher umständlich und mit
beträchtlichem Aufwand verbunden
war. Zum Beispiel musste er eine Folie mit den richtigen Maßen über
den Monitor legte, auf dem er die
Operation verfolgte. Die ZEISS Toric
Solution von Carl Zeiss Meditec vereinfacht den komplexen Arbeitsablauf, indem es mehrere Geräte und
Produkte verknüpft.
die Sphäre als auch den Zylinder der
empfohlenen Linse in Echtzeit ändern und schon im Voraus einschätzen, wie sich die neue Linse auf die
Lichtbrechung des Auges auswirken
wird.
Der besondere Zylinder. Bei der
Wahl der geeigneten Intraokularlinse hat der Arzt verschiedene Möglichkeiten. Carl Zeiss Meditec bietet
als weltweit einzige Firma bitorische Linsen an, das sind Linsen, bei
denen die Brechkraft des Zylinders
symmetrisch auf Vorder- und Rückseite der Linse verteilt wird. Das
führt zu einer deutlich besseren Abbildung vor allem bei sehr hohen
Zylinderwerten, weil die Brechungsradien beider Seiten sich nicht unterscheiden. Solche bitorischen Linsen
sind entweder monofokal oder bifokal, haben also einen Brennpunkt
oder zwei. Bei der monofokalen Linse muss sich der Patient entscheiden,
ob er nach der Operation lieber gut
in der Ferne und weniger gut in der
Nähe sehen will oder umgekehrt.
Mit der bifokalen Linse kann er
beides.
Der richtige Winkel. Während des
chirurgischen Eingriffs unterstützt
Z ALIGN als Teil des intelligenten
Assistenzsystems CALLISTO eye den
Arzt. Beim Ausrichten der Linse orientiert sich der Arzt an einer Zielachse, die er auf einem Touchscreen
über das Videobild des Auges einblendet und aufs Grad genau einstellen kann. Auch wenn sich das
Auge des Patienten beim Ausrichten
oder beim Einsetzen der Linse bewegt, bleibt die Zielachse stabil,
denn Z ALIGN folgt der Bewegung
des Auges automatisch. Damit geht
der Eingriff mit ZEISS Toric Solution
schneller als früher, weil nichts mehr
verrutschen kann.
Ursula Walther
Goldstandard der Biometrie. Der
IOLMaster® gilt als wegweisend, er
ist gewissermaßen der Goldstandard
der optischen Biometrie, also ein
Standard, an dem sich die Entwickler
orientieren. Mit dem IOLMaster
misst der Arzt das Auge seines Patienten, ohne es zu berühren, und erhält präzise, valide, reproduzierbare
Messergebnisse. Höchste Präzision ist
für die Berechnung in Z CALC wichtig. Z CALC ist der offizielle Onlinekalkulator für alle torischen ZEISS Intraokularlinsen. Der Arzt benutzt ihn
vor dem Eingriff direkt online. So
kann er vor dem Operieren sowohl
Innovation 22, 9/ 2010
43
Essay
Zwanzig Jahre!
1990 begann die Vereinigung von Carl Zeiss West und Ost
44
Innovation 22, 9 / 2010
Das Unternehmen Carl Zeiss wurde in Folge des
2. Weltkriegs 1945 geteilt und nach der Wiedervereinigung Deutschlands wieder zusammengeführt.
„Das Haus Carl Zeiss ist ein Abbild der Probleme, aber
auch der Chancen der deutschen Einheit“, sagte Bundeskanzler Helmut Kohl 1996 zur 150-Jahr-Feier
des Unternehmens. Der 20. Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands ist Grund genug, der Frage
nachzugehen, wie Carl Zeiss ein deutsch-deutsches
Unternehmen wurde. Diese zuweilen dramatische
Geschichte lehrt, dass neue Kraft aus einer Vereinigung wachsen kann.
Zwei Jahrzehnte liegen die Ereignisse zurück: Mauerfall, Währungsunion, Wiedervereinigung Deutschlands.
Jetzt drängt eine neue Generation ins Berufsleben,
die diese Zeit nur aus Erzählungen kennt. Politische
Feierstunden am 3. Oktober sind geblieben und Denkmäler in ostdeutschen Städten.
Zwei Jahrzehnte dauert der Prozess der Annäherung
Ost und West bereits, abgeschlossen ist er noch nicht.
Der Solidarpakt für die neuen Länder läuft bis 2019.
Auch der Komplettumbau der am Ende völlig verrotteten DDR-Wirtschaft ist immer noch im Gange. Wenige
DDR-Kombinate haben den Wandel zum Weltkonzern,
nur eine kleine Anzahl an Marken hat den Sprung in
die neue Zeit geschafft. Noch seltener der Fall, dass ein
Unternehmen seine eigene deutsch-deutsche Einheitsgeschichte geschrieben hat.
Zeissianer aus Jena gingen im Februar 1990 für
die Zukunft ihres Unternehmens auf die Straße –
auch vor dem Stammwerk in der Innenstadt.
Vor 20 Jahren nahm auch die Geschichte von Carl Zeiss
eine neue Richtung. Zwei Jahrzehnte ist es her, dass
erste Annäherungen zwischen den beiden Carl Zeiss
Werken in Oberkochen und Jena zustande kamen.
Annäherungen, die zwei einander fremd gewordene
Unternehmen zusammenbringen sollten, die in Folge
des Weltkrieges aus dem Jenaer Traditionskonzern
hervorgegangen waren. Zwei eigenständige Unternehmen, deren eines von Baden-Württemberg aus
die westlichen Optikmärkte prägte, das andere von
Links: 29. Juni 1990: Die Volkseigenen Betriebe
wurden in Kapitalgesellschaften umgewandelt.
Innovation 22, 9/ 2010
45
Essay
Thüringen aus die Märkte im Ostblock. Getrennte
Marken, getrennte Entwicklungen, jedoch ein gemeinsamer Name und eine gemeinsame Tradition.
Erbstreit und Aufteilung der Welt. Wenige Tage nach
dem Fall der Mauer wurden die ersten Fühler ausgestreckt. Jenaer kamen nach Oberkochen, Baden-Württemberger in die Stadt von Carl Zeiss und Ernst Abbe.
Man war neugierig aufeinander, man teilte als Zeissianer schließlich mehr miteinander als nur den Namen,
vor allem die einzigartige Geschichte, die mit dem
Unternehmensgründer Carl Zeiss 1846 begann. Man
wusste damals wie heute, dass man in der Optik zu
den Besten der Welt gehört, auch wenn diese Welt
in eine westliche und eine östliche Hälfte geteilt war
und man sich als Wettbewerber gegenüberstand.
Den längsten Gerichtsprozess ihrer Geschichte führte
die DDR in London – und zwar um die Marke ZEISS.
1971, nach 18 Jahren Prozessdauer, kam es zu einer
Einigung, die ganz dem Charakter des Kalten Krieges
entsprach: Carl Zeiss West und Carl Zeiss Ost teilten die
Hemisphären für ihre Geschäfte auf und sagten zu, im
jeweils anderen Teil der Welt nicht die Marke ZEISS zu
verwenden. Ein Auslöser der Prozesslawine war auch
die Umbenennung des zunächst unter anderem Namen
gegründeten Oberkochener Unternehmens in Carl Zeiss
im Jahr 1951. Die Carl-Zeiss-Stiftung erhielt in Westdeutschland einen neuen Sitz in Heidenheim.
Über die Zukunft bestimmt erst einmal die Tradition.
Zwei einander fremd gewordene Unternehmen stritten
sich um ihr kostbarstes Erbe: die Marke ZEISS und die
legitime Nachfolge der Carl-Zeiss-Stiftung als Eigentümerin der Unternehmen Carl Zeiss und Schott.
Ernst Abbe, Kompagnon von Carl Zeiss und sein Nachfolger als Unternehmensleiter, hatte das Eigentum an
der Firma in eine Stiftung eingebracht, die ganz der
erfolgreichen Fortführung des Unternehmens, der
Wohlfahrt der Beschäftigten und der Förderung der
Wissenschaft gewidmet war und ist. Die Firma des Kollegen und Freundes von Zeiss und Abbe, Otto Schott,
folgte diesem Beispiel. Schott-Glas hatte die Revolutionen der Optik erst möglich gemacht.
46
Innovation 22, 9 / 2010
Vorstandssprecher Dr. Horst Skoludek (rechts) besuchte
1990 mit dem Pressesprecher Manfred Berger das Grab
von Carl Zeiss in Jena.
Die Stiftung ist der Schlüssel. Die Stiftung als Eigentümerin gewährt Unabhängigkeit von Kapitalmärkten
und fördert die Wissenschaft, sie garantiert die Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter, sie wahrt das Erbe von Carl
Zeiss und Ernst Abbe. Sie hatte eigentlich nichts an sich,
was sie für den „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ DDR nützlich gemacht hätte. Die Jenaer Stiftungsbetriebe wurden 1948 in Volkseigene Betriebe überführt. Damit verlor die Jenaer Stiftung ihre Funktion als Eigentümerin
der beiden Werke, sie wurde aber formal fortgeführt.
An der Stiftung und den damit zusammenhängenden
Problemen hing letztlich auch nach 1990 das Schicksal
von Carl Zeiss. Mit bewusster Achtung der Tradition
musste die Zukunft gestaltet werden. Im Spannungsfeld
zwischen Politik, Treuhandanstalt, Gewerkschaften,
Belegschaften in Ost und West sowie dem notwendigen
unternehmerischen Denken galt es, eine Lösung für
den „Sonderfall“ Carl Zeiss zu finden.
Die Eigentümerstruktur hatte zwei Auswirkungen:
Sie sorgte zunächst für juristische Herausforderungen
auf dem Weg zu einem vereinigten Carl Zeiss Konzern
in Deutschland. Vor allem aber war sie bestimmend dafür, dass dem Carl Zeiss Kombinat das Schicksal anderer
Großfirmen der maroden DDR-Wirtschaft erspart blieb:
Treuhandbeschluss, Übertragung an einen konkurrierenden Konzern, Arbeitsplatzgarantie, Investitionshilfe,
Entlassungswellen und in vielen Fällen eine Zukunft
als verlängerte Werkbank.
An den Gräbern der Gründer. Kurz nach dem Fall der
Mauer am 9. November 1989 plante der Oberkochener
Vorstandssprecher Dr. Horst Skoludek den ersten Kontakt: „Wir müssen etwas machen mit Jena, zumindest
die Stadt einmal besuchen und zu den Gräbern der
Gründer gehen.“ In Jena hatte Generaldirektor Wolfgang Biermann bereits im Dezember 1989 Dr. KlausDieter Gattnar Platz gemacht, der Carl Zeiss Jena in
die neue Zeit führen würde. Der erste offizielle Kontakt fand am 2. und 3. Februar 1990 in Jena statt. Die
Delegation um Dr. Skoludek traf auf Dr. Gattnar und
einige seiner Kollegen. Vereinbart wurde wenig.
Man würde Kontakt halten, Möglichkeiten ausloten,
einander besuchen.
Schnell rückte die Frage nach der Zukunft der Stiftung
in den Mittelpunkt der Debatten in Jena und Oberkochen. Gattnar wusste, dass das Kombinat nicht
lebensfähig sein würde. Die Zeissianer in Thüringen
fürchteten um ihre Arbeitsplätze. Und diese Angst
Zeissianer aus Ost und West im Februar 1990 in Jena
(von links): Prof. Jobst Herrmann, Bernd Kammerer,
Dr. Horst Skoludek, Dr. Klaus Gattnar.
griff auch auf Baden-Württemberg über. Wenn die
Stiftung im Westen etwa für die Pensionsansprüche
der Ostdeutschen aufkommen müsste, wäre sie binnen
kurzer Zeit insolvent, so die Meinung eines Gewerkschafters. Der Stiftung gehörten aber das Unternehmen, die Marke, die Zukunft.
60.000 treffen auf 8000. Noch im Januar 1990 unternahm Gattnar einen Schritt, der direkt die Zukunftsfrage betraf: Er stellte bei der DDR-Regierung den
Antrag, die volkseigenen Betriebe Carl Zeiss Jena und
Jenaer Glaswerk der formal immer noch existierenden
Carl-Zeiss-Stiftung in der DDR „zurückzugeben“, die
Enteignung von 1948 quasi rückgängig zu machen.
Aus Oberkochener Sicht ein Affront. Hier war man
sich sicher: Da der Sitz der Stiftung Heidenheim ist,
ist auch das Unternehmen im Westen der einzig rechtmäßige Nachfolger des ursprünglichen Unternehmens
Carl Zeiss. Das Kombinat gehöre aber nicht mehr der
Jenaer Stiftung – damit sei die Stiftung Ost gleichsam
„gegenstandslos“ geworden. Jena hielt dagegen,
man habe über die Jahre 750 Millionen Ostmark an
die Jenaer Stiftung abgeführt und einen wichtigen
Stiftungszweck bedient.
Wo sitzt die Stiftung? Und welche Betriebe gehören
ihr? Sitzt sie in Jena und muss das Oberkochener Werk
an sie übertragen werden? Oder umgekehrt? An beiden, sehr theoretischen Varianten konnte niemand ein
Interesse haben. Eine Lösung aber musste man finden.
Ohne eine Einigung der beiden Seiten hätte die Gefahr
bestanden, dass „ein ernsthafter Interessent“ aus dem
Ausland mit dem Unternehmen Carl Zeiss Jena auch
dessen Markenrechte erworben hätte. Eine Übernahme
des gesamten Ost-Unternehmens durch Carl Zeiss West
wäre wirtschaftlich nicht tragbar gewesen.
In „Erfüllung von Beschlüssen der Partei- und Staatsführung“ hatte Carl Zeiss Ost bis 1989 die Fertigungstiefe extrem erhöht und versucht, möglichst jede
relevante Technologie nachzuerfinden. Prominentes
Beispiel ist der 1988 präsentierte 1-MB-Chip, für dessen
Entwicklung und Herstellung man 14 Milliarden Ostmark aufgewendet hatte. Carl Zeiss Jena erzielte 1989
einen Umsatz von 64.000 Mark (Ost) pro Mitarbeiter, in
Innovation 22, 9/ 2010
47
Essay
same Name waren sehr starke Kräfte, die beide Unternehmen zueinander brachten.“ Und diese Kräfte sollten
bis Mitte der 1990er Jahre einer Belastungsprobe unterzogen werden. Wenige Tage vor dem 3. Oktober 1990
hatte die Volkskammer auf nachdrückliche Initiative der
Thüringer Zeissianer noch 20 Prozent der Firmenanteile
am Kombinat der Stiftung in Jena übertragen. Damit
wurde die Möglichkeit ausgeschlossen, per Übernahme
durch Carl Zeiss West die Zukunft der Ostwerke zu
regeln.
29. Mai 1990: In Biebelried dokumentierten Vertreter
von Schott und Carl Zeiss die Absicht, die Unternehmen
in Ost und West in einer Carl-Zeiss-Stiftung zu vereinen.
Oberkochen waren es 145.000 Mark (West). Das Kombinat hatte insgesamt über 60.000 Beschäftigte. Carl Zeiss
West zählte 8278 Mitarbeiter.
Im März 1991 gab Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder die Entscheidung über Carl Zeiss bekannt. Der
Jenaer Stiftung sollten die Carl Zeiss Betriebe und die
SCHOTT-Werke in Thüringen übertragen werden. Darin
eingeschlossen wäre allerdings auch die Verantwortung
für die damals noch 30.000 Beschäftigten, für Entlassungen und Sozialpläne gewesen. Die Übertragung
an die Carl-Zeiss-Stiftung Heidenheim hätte dem WestUnternehmen diese Last aufgebürdet.
So waren die Verhältnisse. Ein gigantisch aufgeblähtes
Kombinat auf der einen, ein schlank aufgestellter Mittelständler auf der anderen Seite. Hier das neue Bundesland Thüringen mit vielen anderen Sorgen und nicht
nur der Frage, wo eine Stiftung ihren Sitz haben sollte,
dort der in Baden-Württemberg für Hochschulen zuständige Minister als Stiftungskommissar mit der festen
Überzeugung, dass Heidenheim rechtmäßiger Sitz der
Carl-Zeiss-Stiftung sei. Diese wurde ihrerseits als legitime Erbin auch des Unternehmens und der Marke
ZEISS gesehen.
Die Stiftungsfrage sollte sich als lösbar erweisen, sobald
die thüringische Landespolitik nach der ersten und letzten freien Wahl in der DDR am 18. März 1990 in Tritt
gekommen war. Mit der Biebelrieder Erklärung vom
29. Mai 1990 einigten sich die beteiligten Parteien,
die Zusammenführung der Industriebetriebe in einer
Stiftung anzustreben.
Die Kraft der Gemeinsamkeit. Dr. Dieter Kurz, derzeitiger Vorstandsvorsitzender der Carl Zeiss AG, meint im
Rückblick: „Der gemeinsame Ursprung und der gemein-
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Innovation 22, 9 / 2010
Festrede zur 150-Jahr-Feier:
Bundeskanzler Helmut Kohl im Jahr 1996.
Die Rückkehr zu den gemeinsamen Wurzeln wurde 1991
durch das neu gestaltete, einheitliche Logo verdeutlicht:
Das „Quadrat“ des bisherigen Oberkochener Firmenzeichens
erhielt an seiner Unterkante den gebogenen „Linsenschliff“
des bisher von Carl Zeiss Jena verwendeten Firmensignets.
=
+
Logo im Westen
Logo im Osten
Die sogenannte „Mammutsitzung“ am 11. Juni 1991 in
der Treuhandanstalt findet eine Finanzierungslösung
für die Sanierung der Jenaer Nachfolgeunternehmen
des Kombinats Carl Zeiss Jena. Am 25. Juni 1991 wurde
eine Grundsatzvereinbarung abgeschlossen: Die Stiftung wird mit Sitz in „Heidenheim an der Brenz und
Jena“ fortgeführt. In dieser Zeit erfolgte auch die Aufspaltung des Nachfolgeunternehmens des Kombinats.
Zahlreiche Ausgründungen aus dem ehemaligen DDRKombinat gingen an den Start. Und am 22. Oktober
wurde dann im Handelsregister dokumentiert: Die
Carl Zeiss Jena GmbH war mit noch 3000 Beschäftigten
wieder ein selbstständiges Unternehmen und zu
100 Prozent im Besitz der Carl-Zeiss-Stiftung.
Wirtschaftliche Verluste, Stellenabbau in Ost und West,
gegenseitiges Misstrauen überschatten bis 1995 die
Geschichte. Es ist viel darüber geschrieben und spekuliert worden, ob Oberkochen den Jenaer Schwesterbetrieb nicht einfach vom Markt verschwinden lassen
wollte. Carl Zeiss wurde als Beispiel aufgeführt, wie
grundsätzlich schief der Vereinigungsprozess lief. „Bei
ZEISS geht die Wiedervereinigung gründlich daneben.
Der Feind sitzt im Osten“, schrieb „Der Spiegel“ noch
im Oktober 1994. 20 Jahre später hat sich das Gemeinsame doch als stärker erwiesen. Dr. Kurz sagt heute:
„Beide Unternehmen hatten sich auf der Basis ihrer
gemeinsamen Wurzeln ganz der Innovation und dem
Erzielen der bestmöglichen Qualität verschrieben.“
heutiges Logo
Andere in Folge des Krieges verlagerte Unternehmen
verfügen heute wieder über Niederlassungen in den neuen Ländern, haben Unternehmensteile früherer DDRKombinate übernommen. Doch kein Konzern hat sich mit
derselben Entschlossenheit wieder seinem „Geburtsort“
zugewandt wie Carl Zeiss. Die Zeissianer in Jena und
Oberkochen können sagen, die Standorte Ost und West
zu einem gemeinsamen Unternehmen vereinigt zu haben.
„Beide Unternehmen hatten eindeutig dieselben Gene“,
so Dr. Kurz. „Das war schließlich auch ein Schlüsselfaktor
dafür, dass nach einer schwierigen Übergangszeit eine
neue, gemeinsame Phase des Erfolgs begann.“ Die erlebten Veränderungen haben Carl Zeiss stark gemacht.
Die Erfahrungen der Wiedervereinigung halfen auch, die
Krise Mitte der 1990er Jahre zu bestehen. Die Marke ist
heute ungeteilt global präsent. Wichtige Unternehmensbereiche steuern vom Sitz in Jena aus ihr weltweites Geschäft. Und seit 2009 ist die Carl Zeiss Jena GmbH gemeinsame Produktionsgesellschaft für Ost und West – mit Sitz
in Jena und einer Betriebsstätte in Oberkochen.
Die Autoren aus Ost und West: Gudrun Vogel ist seit
1979 bei Carl Zeiss in Jena beschäftigt und verantwortet
die dortige Pressestelle. Thomas R. Zecher war bis 1992
Leiter der Presseabteilung bei Carl Zeiss in Oberkochen
und arbeitet seit 1998 als selbstständiger PR-Berater in
Frankfurt/Main. Joachim Kuss begann Ende 1989 seinen
Zivildienst in Dresden und ist heute Kommunikationsberater bei Ketchum Pleon.
Innovation 22, 9/ 2010
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Forscherleben
Moleküle in Echtzeit beobachten
Roger Tsien wurde 2008 gemeinsam
mit Osamu Shimomura und Martin
Chalfie für die Entdeckung des grün
fluoreszierenden Proteins (GFP) mit
dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.
An der Harvard-Universität studierte
Tsien Chemie und Physik. Seit 1989
ist er Professor für Pharmakologie,
Chemie und Biochemie an der University of California, in San Diego.
Roger Tsien hat seit mehr als
20 Jahren maßgeblich zur Entwicklung wichtiger fluoreszenztechnischer Methoden beigetragen,
die richtungsweisend für die molekulare Zellbiologie sind.
Ein erster Höhepunkt in seinem
Forscherleben war die Nutzung und
Weiterentwicklung von Fluoreszenzfarbstoffen, die das zelluläre Calcium
in einzelnen lebenden Zellen sichtbar machen können. Weltweit bekannt machten ihn die Forschungsarbeiten rund um das GFP und
dessen Nutzung. Mit GFP wurde
die Forschung speziell in der Zellund Neurobiologie revolutioniert.
Wissenschaftler können seitdem in
die lebende Zelle schauen und Moleküle in Echtzeit beobachten. Nahezu
alle biomedizinischen Fachgebiete,
von der Gehirn- bis zur Krebsforschung, profitieren von der Entdeckung des GFP.
Die Deutsche Gesellschaft für Zellbiologie (DGZ) erklärte Roger Tsien
2004 zum Preisträger der Carl Zeiss
Lecture.
50
Innovation 22, 9/2010
In der Zwischenzeit haben sich
Tsiens Forschungsschwerpunkte
verändert. „Ich wollte schon immer
in der Medizin tätig sein, die Beschäftigung mit Krebs ist genau
die richtige Herausforderung.“ Abbildung und Behandlung von Krebstumoren stehen nun im Mittelpunkt.
Erste Erkenntnisse führten zu einem
U-förmigen Peptid, das entweder
ein bildgebendes Molekül oder ein
Medikament trägt. Das Peptid kann
an die Krebszelle andocken. Peptide
sind Substrate für bestimmte Proteasen, Protein spaltende Enzyme,
die von den Tumorzellen abgeschieden werden. Ein Fernziel ist dabei
die Entwicklung fluoreszierender
Moleküle, die ohne Gentransfer
aktiviert werden. So könnten sie
auch beim Menschen als klinische
Biomarker für die Diagnose und
Verlaufskontrolle von Krankheiten
angewandt werden.
Impressum
Innovation – Das Magazin von Carl Zeiss
Ausgabe 22, September 2010
Herausgeber:
Carl Zeiss AG, Oberkochen
Konzernfunktion Kommunikation
Jörg Nitschke
Fotokunst von Bryan Adams,
Fotograf und Rockstar
Mitten in New York tragen ein sehr
kleiner Mann und eine sehr große
Frau ein sehr großes Paket vor
dem Guggenheim-Museum über
die Straße. Eine Szene aus einem
Film? Ein Kunstraub? Nein – es ist
ein Motiv des Carl Zeiss Kalenders
2011. Ein weltbekannter Künstler
inszenierte für den Kalender zwölf
Momente, die Kunden und Freunde
von Carl Zeiss durch das kommende
Jahr begleiten: Bryan Adams.
Bryan Adams ist vielen als Rockmusiker bekannt. Ebenso hochprofessionell arbeitet er als Fotograf.
Magazine in aller Welt drucken seine
Bilder. Mit „ZOO“ hat er selbst eine
mit Preisen ausgezeichnete Fotozeitschrift ins Leben gerufen. Für
den Carl Zeiss Kalender stehen zwei
weitere Stars vor der Kamera:
Filmschauspieler und Serienstar
Michael J. Fox und Supermodel
Tatjana Patitz. Fox kam durch den
Blockbuster-Film „Zurück in die
Zukunft“ zu Weltruhm und erhielt
für seine Rollen in großen Film- und
Fernsehproduktionen zahlreiche
Auszeichnungen. Tatjana Patitz ist
ein internationales Topmodel, in
Hamburg geboren, in Kalifornien
zuhause und in aller Welt gefragt.
Für den Carl Zeiss Kalender stellen
sie mal mit großer Geste, mal eher
neben-bei die Geschichte eines kleinen Mannes und einer großen Frau
dar – immer mit einem Augenzwinkern inszeniert.
Der Carl Zeiss Kalender von Bryan
Adams setzt die im Jahr 2009 begonnene Kalender-Edition fort,
für die Wim Wenders „Tomorrow
Morning“ schuf.
Autoren dieser Ausgabe:
Monika Etspüler, Ursula Walther, MSW;
Thomas R. Zecher, Joachim Kuss
Konzeption und Gestaltung:
Gesamtkoordination Nicola Schindler
MSW, Manfred Schindler
Werbeagentur OHG, Aalen
www.msw.de
Bildnachweise Carl Zeiss;
Titelillustration/S.24/25: Fotolia/MSW;
S. 7 oben: Courtesy ASML;
S. 16-17: M. Kirschmann, D. Oberti, R. Hahnloser, Institut für Neuroinformatik, Uni. Zürich und ETH Zürich;
S. 18: Prof. Dr. Martin Bastmeyer, Michael
Bachmann, Karlsruher Institut für Technologie, Zoologisches Institut I;
S. 26-27, 28: Rocco Heimchen
S. 30-31, 33, 35: F. Latreille/Fonds Tara;
S. 34: 1/3/5: Dr. Emmanuel G. Reynaud,
UCD-Tara Oceans, 2: Dr. Fabrice Not,
Roscoff-Tara Oceans, 4: Johan Decelle,
Roscoff-Tara Oceans;
S. 36-37: Stephen Ingraham;
S. 40-41: Fotolia; S. 44: Frank Döbert;
S. 50: Wikipedia;
Druck: C. Maurer Druck und Verlag,
Geislingen an der Steige
Innovation – Das Magazin von Carl Zeiss
erscheint auf Deutsch und Englisch.
ISSN 1431-8040
Der Inhalt der Beiträge gibt nicht in jedem
Fall die Meinung des Herausgebers wieder.
Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von Carl Zeiss.
Innovation 22, 9/2010
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DE_90_010_022 Printed in Germany CM-MSW_IX 2010 UAoo
Zwölf Bilder für das Image
Redaktion:
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