36 2.5 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE UND GRUNDGLEICHUNGEN DER ED Elektromagnetische Potentiale und Eichung Wir wollen nun die scheinbare Überbestimmtheit der 6 Feldgrößen, für die die Maxwell-Gleichungen 8 skalare Gleichungen liefern, klären. Hierfür führen wir die Potentiale ein. Aus der Nichtexistenz magnetischer Monopole (2te Maxwell-Gleichung) folgt, dass man das Magnetfeld B über ein stetig differenzierbares Vektorfeld A(r, t) gemäß B = rot A (2.84) ausdrücken kann. Dies ist zulässig, da gilt: div rot A(r, t) = 0, für alle A. Definiert man so das Vektorpotenzial A, so gibt es durch die Maxwell-Gleichungen eingeschränkte Möglichkeiten für das Potential des elektrischen Feldes. Wir setzen nun A in die dritte Maxwell-Gleichung ein: 1 1 ∂ rot E = − Ḃ = rot A c c ∂t 1 = rot Ȧ c 1 ⇒ rot E + Ȧ = 0 c Da die obige Form allgemeingültig ist und auch rot grad Φ = 0 gilt, wobei Φ(r, t) ein zweifach stetig differenzierbares Skalarfeld ist, definieren wir das skalare Potential gemäß: 1 − grad Φ = E + Ȧ c (2.85) Setzen wir nun A und Φ in die Maxwell-Gleichungen ein, so erhalten wir ein Gleichungssystem für diese Größen. Die Größen selbst implizieren die zweite und dritte Maxwell-Gleichung. Für die Erste erhalten wir: 4πρ = div E = div − grad Φ − = − div grad Φ + 1 Ȧ c 1 Ȧ c Mit der Verwendung von ∆ = div grad und rot rot = grad div −∆ erhält man: −4πρ = ∆Φ + 1 div Ȧ c (2.86) Nun setzen wir die Potentiale in die vierte Maxwell-Gleichung ein: − 4π 1 · j = rot B − Ė c c = rot rot A + 1 1 Ä + grad Φ̇ 2 c c Wir verwenden wieder obige Beziehungen des Laplace-Operators: 1 1 4π · j = ∆A − grad div A − grad Φ̇ − 2 Ä c c c 4π 1 · j = − grad div + A − grad Φ̇ − c c − (2.87) Hierbei ist der D’Alembertoperator (oder Wellen-Operator): =∆− 1 ∂2 c2 ∂t2 Insgesamt erhalten wir also das folgende gekoppelte System: (2.88) 2.5. ELEKTROMAGNETISCHE POTENTIALE UND EICHUNG 37 Allgemeine Bewegungsgleichungen der Elektromagnetischen Potentiale: −4πρ = ∆Φ + − 1 div Ȧ c 4π 1 · j = − grad div + A − grad Φ̇ c c (2.89) (2.90) Dieses gekoppelte System liefert 4 skalare Gleichungen für die vier unbekannten Größen (Φ, Ax , Ay , Az ). Es ist äquivalent zu den Maxwell-Gleichungen. Damit gibt es also keine Überbestimmtheit der Maxwell-Gleichungen. Aus diesen System folgen die Felder Φ und A. Allerdings ist dieser Zusammenhang nicht eindeutig bestimmt. Die dabei auftretenden Freiheiten bezeichnet man als Eichfreiheit. Dies untersuchen wir im nächsten Abschnitt. 2.5.1 Eichinvarianz, Lorenzeichung und Coulombeichung 2.5.1.1 Behauptung: Die Potentiale A und Φ sind nicht eindeutig bestimmt. 2.5.1.2 Beweis: Nehme zunächst an, A ist eine Lösung. Dann ist auch à eine Lösung für B mit à = A + grad f, (2.91) mit einem skalaren Feld f (r, t). Die gilt mit: rot à = rot A + rot grad f = B | {z } =0 Diese Freiheit der Lösung von A hat Konsequenzen für das elektrische Feld. Da dieses als Messgröße invariant sein muss gilt: 1 Φ̃ = Φ − f˙ c (2.92) Das diese Transformation die Felder invariant lässt zeigen wir jetzt: 1 1 ! E = − grad Φ − Ȧ = − grad Φ̃ − Ã˙ c c 1 ∂ 1 ˙ A + grad f = − grad Φ − f − c c ∂t 1 ˙ 1 ∂ 1 = − grad Φ + grad f − A − grad f˙ c c ∂t c 1 ∂ = − grad Φ − A c ∂t Wir fassen zusammen: Die Felder E und B bleiben invariant unter Eichtransformationen f (r, t) gemäß: A → à = A + grad f 1 Φ → Φ̃ = Φ − f˙ c (2.93) (2.94) Diese Eichtransformation f (r, t) ist eine wichtige Eigenschaft der Maxwell-Gleichungen. Solche Transformationen sind auch analog in anderen Feldtheorien zu finden. Es gilt folgender Zusammenhang: 38 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE UND GRUNDGLEICHUNGEN DER ED Die vollständige Lösung der Maxwell-Gleichungen ist äquivalent zur Lösung der Potentialgleichungen (2.89 und 2.90) für A und Φ und der Gesamtheit aller f (r, t). Der Vorteil ist jetzt die Eichfreiheit, welche durch geschickte Wahl von f (r, t) die Potentialgleichungen wesentlich vereinfacht, wobei die Felder invariant bleiben. Wir besprechen im folgenden zwei spezielle Eichungen. 2.5.1.3 Lorentz-Eichung Unser Ziel mit dieser Eichung ist die Entkopplung der Potentialgleichungen. Betrachte hierzu die Gleichung für A in folgender Weise: 4π 1 1 · j = 2 Ä + grad div A + c Φ̇ − ∆A c c {z } | =0 Behauptung: Es existiert immer ein f (r, t), so dass gilt: Lorentzeichung 1 div à + Φ̃˙ = 0 c (2.95) Im Allgemeinen gilt für A und Φ 1 g(r, t) := div A + Φ̇ 6= 0 c Setzt man nun die Transformation ein, so erhält man: 1 1 Φ̃˙ + f˙ g(r, t) = div à − grad f + c c 1˙ 1 ¨ = div à + Φ̃ − div grad f + 2 f c {z c } | :=0 = −f (r, t) Diese Gleichung ist eine inhomogene Wellengleichung, welche immer eine Lösung besitzt (siehe später). Also ist die Lorentz-Eichung immer möglich. Schauen wir uns die entstehende Form der Potentialgleichungen an (mit Gleichung (2.95)): 1 div Ã˙ c 1 1¨ = ∆Φ̃ + − Φ̃ c c −4πρ = ∆Φ̃ + = Φ̃ und − 4π 1 j = − grad div + à − grad Φ̃˙ c c = − grad div + à + grad div à = à Fassen wir zusammen: Die Lorentzeichung (2.95 führt auf folgende entkoppelte Form der Potentialgleichungen: Φ̃ = −4πρ 4π à = − j c (2.96) (2.97) 39 2.5. ELEKTROMAGNETISCHE POTENTIALE UND EICHUNG 2.5.1.4 Coulomb-Eichung Hier ist das Ziel eine Eichung mit div A = 0, das heißt A ist quellenfrei. Coulomb-Eichung: div A = 0 (2.98) Die Behauptung ist wieder, dass die Coulomb-Eichung immer möglich ist. Im Allgemeinen ist wieder: g(r, t) : = div A 6= 0 = div à − div grad f = ∆f Hier liegt also eine Poissongleichung vor die ebenfalls immer eindeutig lösbar ist (siehe später). Also ist auch die Coulomb-Eichung immer möglich. Schaut man sich die Potentialgleichungen nun an, so ergibt sich: In der Coulomb-Eichung (2.98) nehmen die Potentialgleichungen folgende Gestalt an: ∆Φ̃ = −4πρ 4π 1 à = − j + grad Φ̃˙ c c (2.99) (2.100) Das heißt, das Potential Φ genügt der Poissongleichung, wie im Fall des zeitunabhängigen Feldes, siehe Kapitel 3. 40 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE UND GRUNDGLEICHUNGEN DER ED Kapitel 3 Das zeitunabhängige EM-Feld In diesem Kapitel beschäftige wir uns mit der Elektro- und Magnetostatik. In allen Prozessen gilt hier ∂t = 0, was eine deutliche Vereinfachung der Maxwell-Gleichungen und der Potentialgleichungen bewirkt. Die Maxwell-Gleichungen des zeitunabhängigen EM-Feldes lauten: div E = 4πρ(r) rot E = 0 div B = 0 4π j(r) rot B = c (3.1) (3.2) (3.3) (3.4) Für die Potentialgleichungen des zeitunabhängigen Feldes in Lorentzeichung gilt: ∆Φ = −4πρ(r) 4π ∆A = − j(r) c (3.5) Hier entkoppeln also die Maxwell-Gleichungen für E und B. Es lassen sich also zwei Teilgebiete seperat behandeln. Dies sind die Elektrostatik für das elektrische Feld und die Magnetostatik für das magnetische Feld. 3.1 Elektrostatik In diesem Teilgebiet sind folgende Gleichungen relevant: div E = 4πρ rot E = 0 und, äquivalent dazu, ∆Φ = −4πρ Typisch für die Elektrostatik sind, bei gegebener Ladungsdichte ρ(r), folgende Fragestellungen: • Wie sieht das E-Feld in bestimmte Volumina und im R3 aus? • Wie sieht das Potenzial aus? • Welchen Einfluss haben Medien (Luft, Metall,...)? Die Lösung ergibt sich dann mit den Randbedingungen lim ρ(r) = 0 (3.6) lim Ei (r) = 0. (3.7) |r|→∞ |r|→∞ 41 42 KAPITEL 3. DAS ZEITUNABHÄNGIGE EM-FELD 3.1.1 Einfache Anwendungen und Lösungs-Verfahren Ist eine Ladungsdichte ρ(r) gegeben, so gibt es zwei Lösungsstrategien: 1. finden E(r) → daraus ϕ 2. finden ϕ(r) → daraus E(r) Wir besprechen zwei Beispiele für die beiden Verfahren. 3.1.1.1 A) Homogen geladene Kugel Gegeben ist eine homogen geladene Kugel mit Radius R und eine Ladungsdichte: ( ρ0 , r ≤ R ρ(r) = 0, r > R ρ ρ0 R ρ=0 ρ0 r R Abbildung 3.2: Ladungsdichte einer homogen geladenen Kugel mit Radius R. Abbildung 3.1: Homogen geladene Kugel Die Gesamtladung Q ergibt sich zu: Q= Z ρ0 dV = ρ0 4π 3 R 3 V Hieraus folgt die Ladungsdichte bei gegebener Gesamtladung Q: ρ0 = Q 3 Q = V 4π R3 Für dieses Problem wollen wir das elektrische Feld direkt berechnen und durch Integration am Ende das Potential erhalten. Wir teilen das Problem auf in zwei Teilprobleme, im Innenraum bzw. im Außenraum, ( E i (r), r ≤ R E(r) = E a (r), r > R wobei aus Stetigkeitsgründen E i (R) = E a (R) gilt. In beiden Fällen nutzen wir die Kugelsymmetrie und setzen an: r E(r) = E(r) r mit r = |r|. Es liegt also eine radiale Orientierung des Feldes vor. Wir beschäftigen uns zunächst mit dem inneren Feld und legen den Ursprung des Koordinatensystems in den Mittelpunkt der Kugel. ρ −r −R −r r x r R 43 3.1. ELEKTROSTATIK Sei V das Volumen der Kugel und F die zugehörige Oberfläche. Dann liefert die Integration der ersten MaxwellGleichung unter Verwendung des Gaußschen Satzes, div E ( r) = 4πρ0 Z Z div E i (r)dV = 4πρ0 V (r) dV V (r) I E i df = (4π)2 ρ0 r3 3 F (r) I r r ρ0 r3 Ei (r) · df = (4π)2 r r 3 F (r) I df = (4π)2 ρ0 r3 3 Ei (r) · 4πr2 = (4π)2 ρ0 r3 3 Ei (r) | {z } F (r) =const auf F (r) Ei (r) = ρ0 4πr 3 Betrachten wir nun das äußere Feld und legen den Ursprung wieder in den Mittelpunkt. ρ −r r x −R R Es gilt wieder mit den selben Schritten wie zuvor: div E a (r) = 4πρ(r) R Zr Z 4πr2 Ea (r) = 4π ρ0 r2 sin θdrdθdϕ + 0 · r2 sin θdrdθdϕ 0 R 2 4πr Ea (r) = 4πρ0 · V r2 Ea (r) = Q Q Ea (r) = 2 r Die Kugel verhält sich also im Außemraum wie eine Punktladung. Wir testen noch die Stetigkeitsbedingung: Ei (R) = 4π 4π ρ0 R = 3 3 Q 4π 3 R 3 R = Q = Ea (R) R2 Das Gesamtfeld einer homogen geladenen Kugel ist damit: 4π ρ0 r, r ≤ R r3 E(r) = r Q r>R r2 , (3.8) Betrachte abschließend den radialen Gesamtfeldverlauf in Abbildung (3.3). Das Potential folgt schließlich durch Integration nach r in beiden Teilbereichen. 44 KAPITEL 3. DAS ZEITUNABHÄNGIGE EM-FELD E(r) ∝ ∝r 1 r2 r R Abbildung 3.3: Betrag des elektrischen Feldes einer homogen geladenen Kugel mit Radius R. Jetzt wollen wir noch den zweiten Weg gehen und zuerst das Potential ϕ(r) bestimmen. Die Potentialgleichung der Elektrostatik ist: ∆ϕ(r) = −4πρ(r) Aus der Kugelsymmetrie folgern wir, dass der Laplace-Operator hier keine Winkelabhängigkeit besitzt: ∆rθϕ = ∆r . Also gilt auch wieder: ϕ(r) = ϕ(r). In Kugelkoordinaten ist der Radialteil des Laplace-Operators gegeben durch: ∆r = 1 ∂ r2 ∂r r2 ∂ ∂r . Hiermit nimmt die Poissongleichung folgende Gestalt an: 1 ∂ r2 ∂r ∂ r ∂r 2 ϕ(r) = −4πρ(r), für alle r ∈ R3 . Auch ϕ betrachten wir seperat im Innen- und Außenraum. ϕ= ( ϕi (r), ϕa (r), r≤R r>R Mit der Ladungsdichte ρ(r) (3.8) und Gleichung (3.9) gilt zunächst im Innenraum: ∂r (r2 ∂r )ϕi (r) = −4πρ0 r2 Zr 0 r 2 ϕ′i (r) ∂r r2 ϕ′i (r) = −4πρ0 r2 Zr ′ ′2 ′ ′ ′ ∂r r ϕi (r )dr = −4πρ0 r′2 dr′ 0 −r 2 r=0 ϕ′i (0) 4π = − ρ0 r 3 3 Die verbleibende Gleichung integrieren wir noch einmal unbestimmt von 0 bis r: 4π ρ0 r 3 4π ϕi (r) − ϕi (0) = − ρ0 r2 6 2 ϕi (r) = − πρ0 r2 + ϕi (0) 3 ϕ′i (r) = − 45 3.1. ELEKTROSTATIK Im Außenraum gilt für alle r > R ρ(r) = 0. Also folgt daraus, mit C = const für die zweite Integration: r2 ϕ′a (r) = C Z∞ Z∞ 1 ′ dr r′2 r r ∞ 1 ϕa (∞) − ϕa (r) = −C ′ r r C ϕa (∞) − ϕa (r) = r C ϕa (r) = ϕa (∞) − r Nun gelten folgende Randbedingungen für r = R: ϕ′a (r′ )dr′ =C ϕa (R) = ϕi (R) ϕ′a (R) = ϕ′i (R) Die erste Randbedingung führt auf: 2 C − πρ0 R2 + ϕi (0) = ϕa (∞) − , 3 R Und die zweite Bedingung liefert: − 4π C ρ0 R = 2 3 R 4π C = − ρ0 R 3 3 C = −Q Setzt man dieses Ergebnis in die erste Randbedingung ein, so gilt: 4π 2π ρ0 R 2 + ϕi (0) = ϕa (∞) + 3 3 Q ϕi (0) = 2π 4π 3 R2 3 R 3Q ϕi (0) = 2R Hierbei haben wir ϕa (∞) = 0 gesetzt. Das Gesamtpotential einer homogen geladenen Kugel ist: ( Q 3Q 2 − 2π ρ r + = 0 3 2R 2R 3 − ϕ(r) = Q −r, r2 R2 , r≤R r>R Abbildung 3.4: Potentialverlauf einer homogen geladenen Kugel (3.9)