Lösungsvorschläge für die Aufgaben zur Vorlesung Mathematik für Naturwissenschaften, Teil 2 Blatt 8 SS 11 PD. Dr. J. Schürmann Abgabe: Montag, 06.06.2010, 10:00 Uhr Aufgabe 22 (mündlich): Es sei (Ω, p) ein Wahrscheinlichkeitsraum und X : Ω → R eine Zufallsgröße, für die der Erwartungswert E(X) und die Varianz V ar(X) existieren. Zeigen Sie: a) Es gilt V ar(X) = 0 genau dann, wenn X fast sicher konstant ist, d.h. es gibt ein c ∈ R mit p(X = c) = 1. b) Es seien weiter Konstanten m, b ∈ R gegeben, und die Zufallsgröße Y sei durch Y (ω) := m · X(ω) + b für alle ω ∈ Ω definiert. Dann gelten für die Erwartungswerte und Varianzen die Beziehungen: E(Y ) = m · E(X) + b und V ar(Y ) = m2 · V ar(X) . Insbesondere folgt für m 6= 0 aus V ar(X) 6= 0 auch V ar(Y ) 6= 0. Hinweis: Betrachten Sie zuerst den Spezialfall m = 1. Lösung: a) Es ist V ar(X) = E((X − E(X))2 ) = X p(X = i) · (i − E(X))2 ≥ 0 . i∈X(Ω) Hierbei ist jeder Summand p(X = i) · (i − E(X))2 ≥ 0 für alle i ∈ X(Ω). ⇐: Sei X fast sicher konstant ist, d.h. es gibt ein c ∈ R mit p(X = c) = 1. Dann ist P (X = i) = 0 für i 6= c und somit ist auch E(X) = c, bzw. V ar(X) = (c − E(X))2 = 0 . ⇒: Sei V ar(X) = 0. Dann ist p(X = i) · (i − E(X))2 = 0 für alle i ∈ X(Ω). Angenommen, es gibt i 6= j ∈ X(Ω) mit p(X = i) > 0 und p(X = j) > 0. Dann folgt aus p(X = i) · (i − E(X))2 = 0, dass i − E(X) = 0 , und entsprechend aus p(X = j) · (j − E(X))2 = 0, dass j − E(X) = 0 . Somit ergibt sich der Widerspruch i = E(X) = j. Folglich gibt es höchstens ein i ∈ X(Ω) mit p(X = i) > 0. Dann ist aber p(X = i) = p(−∞ < X < ∞) = p(Ω) = 1. Somit ist X fast sicher konstant. b) Sei Y = m · X + b. Dann gilt mit den Regeln E1 und E2 für Erwartungswerte (“Linearität”): E1 E2 E(Y ) = E(m · X + b) = E(m · X) + E(b) = m · E(X) + b · E(1) , mit E(1) = P ω∈Ω p(ω) · 1 = 1. Somit ist E(Y ) = m · E(X) + b . Dann gilt aber auch: V ar(Y ) = X p(ω) · (Y (ω) − E(Y ))2 ω∈Ω = X p(ω) · ( m · X(ω) + b − (m · E(X) + b) )2 ω∈Ω = X p(ω) · m2 · (X(ω) − E(X))2 ω∈Ω = m2 · X p(ω) · (X(ω) − E(X))2 ω∈Ω 2 = m · V ar(X) . Aufgabe 23: Eine Familie habe vier Kinder. Wir nehmen vereinfacht an, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Kind ein Mädchen oder ein Junge ist, jeweils bei 50 % liege. Die Zufallsgröße X sei gegeben durch die Anzahl der Jungen. Berechnen Sie: a) Die möglichen Werte i ∈ R, welche X annehmen kann, sowie deren Wahrscheinlichkeit p(X = i). b) Den Erwartungswert E(X) und die Varianz V ar(X) von X. c) Die zugehörige Verteilungsfunktion F X : R → R. Lösung: Der zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsraum ist gegeben durch Ω := {J, M }4 (mit J = Junge und M = Mädchen) und 1 1 1 p(ω) = pi · (1 − p)4−i = ( )i · ( )4−i = ( )4 , 2 2 2 mit p = 12 und i die Anzahl der Jungen in ω ∈ Ω. Es handelt sich also um eine Bernoulli-Kette (bzw. hier zufällig auch um ein Laplace-Experiment, da p = 21 ist). Die Zufallsgröße X ist gegeben durch die Anzahl i der Jungen. a) Somit sind die möglichen Werte i ∈ R, welche X annehmen kann, gegeben durch X(Ω) = {0, 1, 2, 3, 4}, mit 1 4 4 i 4−i p(i) = · p · (1 − p) = · ( )4 für i ∈ {0, 1, 2, 3, 4} . i i 2 Es handelt sich also um eine Binomial-Verteilung mit r = 4 und p = 12 . b) Nach einer Formel aus der Vorlesung ist somit E(X) = r · p = 4 · 1 =2 2 und V ar(X) = r · p · (1 − p) = 4 · 2 1 1 · =1. 2 2 Dieses läßt sich auch direkt nachrechnen: 1 4 4 4 4 4 4 ·0+ ·1+ ·2+ ·3+ ·4 E(X) = ( ) · 0 1 2 3 4 2 1 4 =( ) ·(1·0+4·1+6·2+4·3+1·4) 2 1 = ( )4 · 32 = 2 . 2 Ebenso ergibt sich V ar(X) = 1 ( )4 · 2 4 4 4 4 4 2 2 2 2 · (0 − 2) + · (1 − 2) + · (2 − 2) + · (3 − 2) + · (4 − 2)2 0 1 2 3 4 1 = ( )4 · ( 1 · 4 + 4 · 1 + 6 · 0 + 4 · 1 + 1 · 4 ) 2 1 4 = ( ) · 16 = 1 . 2 c) Die zugehörige Verteilungsfunktion F X : R → R ist gegeben durch für x < 0, ! 0 4 für 0 ≤ x < 1, · ( 12 )4 = 1 · ( 21 )4 0 ! 4 1 4 1+ · ( 2 ) = 5 · ( 12 )4 für 1 ≤ x < 2, 1 ! F X (x) = 4 1 4 für 2 ≤ x < 3, 5+ · ( 2 ) = 11 · ( 12 )4 2 ! 4 1 4 11 + · ( 2 ) = 15 · ( 21 )4 für 3 ≤ x < 4, 3 ! 4 1 4 · ( 2 ) = 16 · ( 21 )4 für 4 ≤ x. 15 + 4 Aufgabe 24: In einer Urne befinden sich 6 Kugeln, je eine mit den Zahlen 1 bis 6. Die Zufallsgröße X für eine Ziehung von 3 Kugeln sei durch die größte der gezogenen Zahlen gegeben. Wird z.B. erst 1, dann 3 und dann 2 gezogen, so ist X = 3 für diesen Fall. Berechnen Sie: Die möglichen Werte i ∈ R, welche X annehmen kann, sowie deren Wahrscheinlichkeit p(X = i), den Erwartungswert E(X) und die Varianz V ar(X) von X für den Fall, dass a) eine gezogene Kugel vor dem Ziehen der nächsten Kugel wieder in die Urne zurückgelegt wird. b) eine gezogene Kugel nicht wieder in die Urne zurückgelegt wird. 3 Lösung: a) Der zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsraum ist gegeben durch eine LaplaceVerteilung mit 1 Ω := {1, . . . , 6}2 und p(ω) = 3 für ω ∈ Ω. 6 Die Zufallsgröße X : Ω → {1, . . . , 6} ⊂ R ist gegeben durch X(ω1 , ω2 , ω3 )) := max{ω1 , ω2 , ω3 } , also durch die größte der drei gezogenen Zahlen ω1 , ω2 , ω3 . 1. Somit sind die Werte i von X gegeben durch X(Ω) = {1, . . . , 6}. 2. Die Wahrscheinlichkeit p(X = i) für i ∈ X(Ω) = {1, . . . , 6} ergibt sich zu p(X = i) = i3 − (i − 1)3 3i2 − 3i + 1 = , 63 63 denn i3 ist die Anzahl von drei Würfen mit allen Werten höchstens gleich i, und (i − 1)3 ist die Anzahl von drei Würfen mit allen Werten höchstens gleich i − 1. 3. Der Erwartungswert E(X) ist dann E(X) = 6 X i · p(X = i) = i=1 6 X i=1 i· 3i2 − 3i + 1 63 1071 1 + 14 + 57 + 148 + 305 + 546 = = 4, 96 . = 63 216 4. Zur Berchnung der Varianz V ar(X) = E(X 2 ) − E(X)2 bestimmt man zunächst E(X 2 ) = 6 X i2 · p(X = i) = i=1 6 X i=1 i2 · 3i2 − 3i + 1 63 5593 1 + 28 + 171 + 592 + 1525 + 3276 = ' 25, 9 . = 3 6 216 Somit ist die Varianz von X gegeben durch V ar(X) = E(X 2 ) − E(X)2 ' 25, 9 − 4, 962 = 25, 9 − 24, 6 = 1, 3 . b) Der zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsraum ist gegeben durch eine Laplace-Verteilung auf der Menge Ω aller geordneten 3-Tupel (ω1 , ω2 , ω3 ) ohne Wiederholungen, mit ωk ∈ {1, . . . , 6} für k = 1, 2, 3. Insbesondere ist |Ω| = 6 · 5 · 4 = 120 . Die Zufallsgröße X : Ω → {1, . . . , 6} ⊂ R ist wieder gegeben durch X(ω1 , ω2 , ω3 )) := max{ω1 , ω2 , ω3 } . 1. Somit sind die Werte i von X gegeben durch X(Ω) = {3, 4, 5, 6}, da alle ωi verschieden sind. 2. Die Wahrscheinlichkeit p(X = i) für i ∈ X(Ω) = {3, 4, 5, 6} ergibt sich zu p(X = i) = 3 · (i − 1) · (i − 2) (i − 1) · (i − 2) = , 6·5·4 40 denn es gibt drei Möglichkeiten für die größte Zahl ωk = i, und (i − 1)(i − 2) Möglichkeiten für ein geordnetes 2-Tupel ohne Wiederholungen mit Werten aus {1, . . . , i − 1}. 4 3. Der Erwartungswert E(X) ist dann E(X) = 6 X i · p(X = i) = i=3 6 X i=3 i· (i − 1) · (i − 2) 40 6 + 24 + 60 + 120 210 = = = 5, 25 . 40 40 4. Zur Berchnung der Varianz V ar(X) = E(X 2 ) − E(X)2 bestimmt man zunächst E(X 2 ) = 6 X i2 · p(X = i) = i=3 6 X i=3 i2 · (i − 1) · (i − 2) 40 18 + 96 + 300 + 720 1134 = = = 28, 35 . 40 40 Somit ist die Varianz von X gegeben durch V ar(X) = E(X 2 ) − E(X)2 ' 28, 35 − 5, 252 = 28, 35 − 27, 5625 = 0, 7875 . 5