Hans J. Morgenthau: Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik, Gütersloh 1963 Walter L. Bühl: Transnationale Politik. Internationale Beziehungen zwischen Hegemonie und Interdependenz, Stuttgart 1978 Michael Clarke / Brian White (eds.) Understanding Foreign Policy. The Foreign Policy Systems Approach, Cheltenham 1989 Graham Allison / Philip Zelikow: Essence of Decision. Explaining the Cuban Missile Crisis, New York 1999, 2. Aufl. Steve Smith / Michael Clarke (eds.) Foeign Policy Implementation, Boston 1985 Laura Neack / Jeanne A.K. Hey / Patrick J. Haney (eds.) Foreign Policy Analysis. Continuity and Change in Its Second Generation, Englewood Cliffs, 1995 Graham Evans / Jeffrey Newnham. The Penguin Dictionary of International Relations, London 1998 Realismus wird als Denkschule Mitte des 20.Jahr-hunderts ausgebildet. Vorläufer sind Thukydides, Hobbes, Machiavelli. H.E. Carr und H.J. Morgenthau wenden sich gegen liberalen Utopismus, insbesondere gegen die Vorstellungen • gemeinsamer Normen und Moral der Staaten • vom Ziel kollektiver Sicherheit • der Bedeutung internationaler Organisationen • vom gemeinsamen Ziel: Frieden. Edward Hallett Carr: Die Vorstellung gemeinsamer Normen und Interessen wird von denjenigen betont, die aus der bestehenden Ordnung Nutzen ziehen. Unterscheidung: saturierte Staaten – revisionistische Staaten Staaten können im dezentralen Selbsthilfesystem alles tun, was ihnen ihre Macht zu tun erlaubt. Es gibt keine wirksamen moralischen und rechtlichen Grenzen. Deshalb ist Macht das angemessene Konzept, internationalen Politik zu analysieren. Hans Joachim Morgenthau Politik ist eine eigene, von anderen (Moral, Ökonomie) zu unterscheidende Späre, die ihre eigenen Gesetze kennt. Diese Gesetze sind erkennbar und resultieren aus der Natur des Menschen und der von ihm gebildeten Kollektive. In einer anarchischen Umwelt müssen Staaten stets auf das schlimmste gefasst sein und sich durch die Akkumulation von macht zu schützen versuchen. Nationale Interessen müssen deshalb in Form von Macht definiert werden. Dies zu leisten ist Aufgabe des politischen Personals. Grundannahmen des Realismus 1) Die Nationalstaaten sind die wichtigsten und souveränen Akteure im internationalen System. 2) Im dezentralen, anarchischen Selbsthilfesystem ist es das Ziel der Staaten, ihr Überleben in einer feindlichen Umwelt zu sichern, weshalb die Erlangung von Macht Ziel der Außenpolitik ist. 3) Da alle Staaten gleichzeitig Macht anstreben, ist internationale Politik vor allem ein Kampf um Macht, der zu einem „Gleichgewicht der Mächte“ führt. Realismus 1 4) Nationale Interessen werden deshalb in Kategorien von Macht definiert. 5) Die Stabilität der internationalen Ordnung resultiert aus an Gegenmachtbildung orientiertem Verhalten der Staaten und ihrer Fähigkeit zur Allianzbildung. Realismus 1 Die Fähigkeit von Staaten zu eigenständigem Handeln ist eine Funktion des Machtkampfes der Staaten untereinander. Dabei verfolgen Staaten das Ziel, ihre Souveränität zu bewahren. Souveränität hat zwei Dimensionen: Autonomie nach innen, Selbständigkeit nach außen. Das Macht- und Sicherheitsdilemma (John Herz) „Das Macht- und Sicherheitsdilemma ist diejenige Sozialkonstellation, die sich ergibt, wenn Machteinheiten … nebeneinander bestehen, ohne Normen unterworfen zu sein, die von einer höheren Stelle gesetzt wären und sie hindern würden, sich gegenseitig anzugreifen. In einem derartigen Zustand treibt ein aus gegenseitiger Furcht und gegenseitigem Misstrauen geborenes Unsicherheitsgefühl die Einheiten in einem Wettstreit um die Macht dazu, ihrer Sicherheit halber immer mehr Macht anzuhäufen, ein Streben, das unerfüllbar bleibt, weil sich vollkommene Sicherheit nicht erreichen lässt.“ Aus: Herz, John: „Das Sicherheitsdilemma im Atomzeitalter“, in: ders.: Weltpolitik im Atomzeitalter, Stuttgart 1950, S. 130-137 (S. 130/131) Realismus 6 Das Macht- und Sicherheitsdilemma (John Herz) Staat A: Unsicherheit bezüglich des Verhaltens von Staat B Staat B häuft Macht (und somit Sicherheit) an Staat A strebt nach Sicherheit Staat B strebt nach Sicherheit Staat A häuft Macht (und somit Sicherheit) an Staat B: Unsicherheit bezüglich des Verhaltens von Staat A Realismus 7 Bedrohung resultiert aus Fähigkeiten und Intentionen anderer (objektive versus subjektive Bedrohung) Fähigkeiten resultieren aus • der aggregierten Macht (Territorium, Bevölkerung, ökonomische Ressourcen) Intentionen • der geographischen Nähe • den offensiven militärischen Fähigkeiten beschreiben die (wahrgenommene) Absicht, diese Fähigkeiten auch einzusetzen Realismus 8 Si vis pacem, para bellum. Balance of power ist definiert als Zustand der internationalen Beziehungen, in denen kein Staat in einer Position ist, die ihn so übermächtig werden lässt, dass er die anderen Staaten beherrschen kann. Realismus 14 Balance of Power Antagonistisch Kooperativ Integrativ Realismus 17 Der Realismus unterscheidet high politics nationale Sicherheit low politics Wohlstand soziale Sicherheit Realismus 3 Das nationale Interesse (im Sinne von Macht) zu erkennen und danach zu handeln, ist die Aufgabe des Staatsmannes. Realismus definiert die erklärende Variable für Außenpolitik auf der Individual- und Akteursebene: Natur des Menschen; Definition von Interessen im Sinne von Macht; Einsichtsfähigkeit des Staatsmannes. Neorealismus definiert die erklärende Variable auf der Systemebene: Staaten (mit ganz unterschiedlichen inneren Verhältnissen) handeln ähnlich, weil sie gleichen systemischen Beschränkungen unterliegen. Grundannahmen des Neo-Realismus 1.Staaten sind die zentralen Akteure der internationalen Beziehungen 2.Staaten verfolgen ihre eigenen Interessen und sind insofern rationale Akteure 3.Anarchie als Tiefenstruktur der internationalen Beziehungen ist die Bedingung für die Ausgestaltung der staatlichen Präferenzen woraus folgt: 1.Staaten sind an der Gewährleistung ihrer Sicherheit interessiert, wodurch die Fähigkeit zur Kooperation eingeschränkt wird 2.und internationale Institutionen haben nur marginale Effekte auf die Möglichkeiten zur Kooperation. Realismus 23 Internationales System (IS) Struktur (St) interagierende Einheiten (iE) IS = St + iE Realismus 24 Analogie zu inneren Verhältnissen: 1. verfassungsmäßige Ordnung 2. funktionale Differenzierung 3. relative Fähigkeiten Realismus 25 Internationales System 1. Staaten sind nebeneinander angeordnet 2. Staaten sind nicht funktional differenziert 3. Es existieren unterschiedliche Fähigkeiten Realismus 26 Inhaltlich-perspektivische Differenzen von politischem Realismus und Neorealismus Gemeinsame Prämisse: Verhalten von Staaten über Zeit und Raum zeigt mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede Realismus Neorealismus Dominanz des Akteurs Dominanz des internationalen Systems Akteursverhalten bestimmt durch anthropozentrische Grundannahme: Machtstreben Akteursverhalten bestimmt durch systemische Grundannahme: strukturelle Anarchie Charakteristische Eigenschaften, Situationsdefinition und Zielsetzungen der Akteure eines Systems bestimmen dessen Verhalten und die Verhaltensergebnisse (bottom-up-view) Struktur des Systems (Verteilung der Macht unter den Akteuren) bestimmt das Interaktionsverhalten der Akteure und die Verhaltensergebnisse (top-down-view) Realismus 27a Primat des in Kategorien von Macht definierten Nationalinteresses Primat der Sicherheit Erwerb, Vermehrung, Demonstration von Macht als Zweck der Außenpolitik des Akteurs Selbsthilfe Maximierung von Macht als absoluter Gewinn im Nullsummenspiel der Akteure Verteidigung der Akteursposition im System relativ zu den Positionen anderer Akteure Sicherung der nationalen Souveränität als Voraussetzung des Überlebens des Akteurs in einer feindlichen Umwelt Herstellung und Sicherung des Gleichgewichts im System als Voraussetzung des Überlebens der Akteure unter Anarchie Aus: Meyers, Reinhard: Grundbegriffe und theoretische Perspektiven der Internationalen Beziehungen, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Grundwissen Politik, Bonn, 3. Aufl., 1997, S. 313-434, S. 380. Realismus 27b