2600 Jahre Philosophie Inhalt Einleitung Laotse (um 600 v. Chr.) Siddharta Gautama Altertum (ca. 600 v. Ch. - 600) Mittelalter (ca. 600 - 1500) Neuzeit (ca. 1500 - heute) Seite 4 - 23 Seite 24 - 29 Seite 30 - 113 2 Seite 4 Diderot (1713 - 1784) 52 Kant (1724 - 1804) 54 Hegel (1770 - 1831) 58 Schopenhauer (1788 - 1860) 60 Feuerbach (1804 - 1872) 66 Max Stirner (1806 - 1856) 69 Kierkegaard (1813 - 1855) 70 Marx (1818 - 1883) 73 William James (1842 - 1910) 75 Nietzsche (1844 - 1900) 76 Husserl (1859- 1938) 81 Bergson (1859 - 1941) 82 Nishida (1870 - 1945) 83 (um 563 - 483 v. Chr.) 4 Konfuzius (551 - 479 v. Chr.) 6 Heraklit (535 - 475 v. Chr.) 9 Sokrates (469 - 399 v. Chr.) 10 Platon (um 427 - 347 v. Chr.) 13 Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) 15 Epikur (341 - 270 v. Chr.) 17 Seneca (1 - 65) 20 Marc Aurel (121 - 180) 22 Augustinus v. Hippo (354 - 430) 24 Avicenna (980 - 1037) 25 Averroës (1126 - 1198) 27 Russell (1872 - 1970) 86 Thomas v. Aquin (1225 - 1274) 28 Jaspers (1883 - 1969) 88 Machiavelli (1469 - 1527) 30 Wittgenstein (1889 - 1951) 95 Montaigne (1533 - 1592) 33 Heidegger (1889 - 1976) 96 Thomas Hobbes (1588 - 1679) 35 Carnap (1891 - 1970) 99 Descartes (1596 - 1650) 37 Krishnamurti (1895 - 1986) 99 Pascal (1623 - 1662) 39 Popper (1902 - 1994) 101 Spinoza (1632 - 1677) 41 Sartre (1905 - 1980) 104 Locke (1632 - 1704) 43 de Beauvoir (1908 - 1986) 107 Berkeley (1685 - 1753) 45 Næss (1912 - 2009) 108 Voltaire (1694 - 1778) 47 Camus (1913 - 1960) 110 Hume (1711 - 1776) 49 Sloterdijk (1947) 112 Am Anfang war die Frage. Sie ist die Ursache von Philosophie. M it der Frage nach dem Ursprung von Welt haben vor etwa 2500 Jahren die Menschen einen Bruch mit Ihrer vorherigen Existenz vollzogen. Ihre Fragen waren: „Was ist der Ursprung der Welt?“, „Was ist wahr?“, „Was ist der Sinn von Sein?“, „Was ist die Stellung des Menschen in der Welt?“ Heute sind die Fragen keine anderen: „Was bin ich in der Welt?“, „Was ist der Mensch?“, „Was kann ich erkennen?“, „Was soll ich tun?“, „Was kann ich hoffen?“, „Was soll das?“ Fragen kann eigentlich jeder, nur es fragt nicht jeder, sondern jeder kann Fragen. Wer sich sein Leben lang von der Schule über den Beruf bis ins Alter nur dem Trott des Alltags (nicht der Pflicht) unterwirft, der wird niemals Erkennen, denn er fragt nicht. Er fragt nicht nach dem Sinn seiner Existenz, sondern lebt nur dahin, ohne seine Bestimmung aufzunehmen, sein Sein zu gestalten, der Strecke zwischen Geburt und Tod einen Sinn zu geben, auch wenn es nur der wäre, nach diesem zu fragen. Wer Erkennender werden will, der wird als Vorbedingung irgendwann den Absprung aus den Fesseln der alltäglichen Normalität in die Welt des Staunens, des Infragestellens wagen. Für eine Minderheit der Menschen ist diese Chance schon von Geburt viel eher gegeben z.B. durch den Besuch einer Schule, durch anschließendes Studium und eine entsprächende Tätigkeit im Leben. Dies sind Grundlagen, bieten aber keine Garantie für das Fragen, das zur Erkenntnis wird. Für die Mehrheit der Menschen jedoch ist diese Möglichkeit des Fragens nicht von vornherein gegeben. Frühes Eingebundensein in die Arbeitswelt, tägliche Besorgungen und Anstrengungen, Eingespanntsein, daraus resultierende Müdigkeit, passive Entspannung vor dem Fernsehapparat oder anderen Apparaten, die das eigene Leben ersetzen, lassen keine Lücke im Alltag, in die das Denken, das über die alltägliche Problembewältigung hinausgeht, eindringen kann. Das Alltägliche, das Gewöhnliche ist zudem überaus hartnäckig. Es muß meistens erst etwas eintreten, das eine Distanz zum Geschehen des Alltags, zur eigenen eingefahrenen Situation hervorruft. So ein Moment der Distanz, einer Lücke im Alltag, in die man hineindenkt, kann durch viele Geschehnisse ausgelöst werden. Der Tod eines Freundes, eine Krankheit oder eine Trennung kann Nachdenken provozieren. 3 Altertum Altertum Philosophen erklären die Welt Laotse Das Namenlose dessen Ursprung Himmel und Erde ist, wird von LAO TSE „TAO“ genannt. Vorteil der Nicht - Redens Lehre und des Nicht - Tuns. An TAO teilhaben ist nach LAO TSE der Lebenssinn, um im Vergänglichen das Unvergängliche zu ergreifen. Belehrung ohne Reden, Leben ohne Worte, Wandel nicht Rede ist des Weisen Lehre. Das TAO ist das Reich des wahren Seins des Menschen. „TAO ist der Weg und das Ziel, es ist das Licht, das sieht und gesucht wird.“ Zitate: • Das Dao, das man beim Namen nennen kann, ist nicht das ewige Dao. • Das aussagbare Tao ist nicht das ewige Tao. • Es gibt nichts Schöneres in dieser Welt als einen gesunden, weisen alten Mann. • Neben der edlen Kunst, etwas zu erledigen, gibt es die nicht minder edle, Dinge ungetan zu lassen. Das Aussortieren des Unwesentlichen ist der Kern aller Lebensweisheit. • Weiser ist die Weisheit, die schwer errungen werden mußte. • Der Weise häuft nicht an für sich allein, je mehr er an andere denkt, desto mehr besitzt er. • Wahrhaft lebt, wer im Tod besteht. • Die Wiederkehr ist der Weg des Sinns. Die Sanftheit ist die Wirkung des Sinnes. Alle Dinge dieser Welt entstehen aus dem Sein. Das Sein entsteht aus dem Nichtsein. • Ins Leben treten heißt auch, in den Tod eingehen. • Nur jene wissen das Leben wahrlich zu schätzen, die nichts tun, es zu stören. Chinesischer Philosoph (um 600 v. Chr.) Leben: Laotse, eigentlich Laozi, wurde in der Präfektur Ku im heutigen Hénán geboren. Je nach Umschrift wird der Name auch Laozi, LaoTse oder Lao-tzu geschrieben. Laotse war ein in bedeutender chinesischer Philosoph und Religionslehrer. Über ihn gibt es nur wenige, meist wiedersprüchliche historische Angaben: nach gängigen Überlieferungen wurde er im 6. Jahrhundert, nach neueren Datierungsversuchen im 3. Jahrhundert geboren. Laotse diente als Archivar in der Bibliothek der Zhou. Als er Chaos und den Verfall des Reiches vorhersah, verließ er das Land. Laotse Lehre: Er war der Begründer der Lehre vom Tao, die den Menschen u.a. durch Nächstenliebe und Selbstbesinnung den rechten Weg zeigen will. Laotse lehrte, daß Tao, der Weg des Absoluten und des Nicht-Seins, durch die Tugenden Enthaltsamkeit, Demut und Mitleid erlangt werden kann, diese Lehre hat sich zum Taoismus weiterentwickelt. Das Dàodéjing (Tao Te King), der einflussreichste daoistische Text, wird ihm zugeschrieben. Trotz der beeindruckenden Überlieferung umfangreicher Chroniken und Listen von Herrschern aus China ist über Laotse ansosnsten fast nichts bekannt. Es ist noch nicht einmal sicher, ob Laotse bzw. Laozi wirklich gelebt hat Siddharta Gautama Begründer des Buddhismus (um 563 - 483 v. Chr.) Leben: Gemäß der Überlieferung entstammte Siddhartha einem Adelsgeschlecht des nordindischen Volks der Shakya. Seine Eltern, König Shuddhodana und dessen Gemahlin Mahamaya, gehörten einer Kshatriya-Kaste an und regierten in der Hauptstadt Kapilavastu (heute in Nepal gelegen). Vor seiner Geburt soll Siddhartha sei4 Glaube nichts, ganz gleich, wo du es gelesen hast oder wer es gesagt hat es sei denn es entspricht deiner Vernunft. Siddharta Gautama ner Mutter in einer Vision in Gestalt eines weißen Elefanten erschienen sein. Geboren wurde er in einer Vollmondnacht in Lumbini. Schon als Kind zeigte Siddhartha außergewöhnliche Begabungen und Klugheit. Im Alter von 16 Jahren wurde er mit der Prinzessin Yasodhara vermählt. Sie lebten in einem Palast, wo ihnen alles, was zum Wohlleben gehörte, zur Verfügung stand und den er kaum verließ. Dennoch war er unzufrieden und unausgefüllt. Mit 29 Jahren, bald nach der Geburt seines einzigen Sohnes Rahula, verließ er das vermeintlich sorglose Leben, welches er bis dahin im Palast führte, und unternahm Wanderungen durch die Umgebung. Dabei sah er sich erstmals der Realität des Lebens und dem Leiden der Menschheit gegenübergestellt. Er verließ seine Frau Yasodhara, den Palast und das Reich seiner Eltern und begann das Leben eines Asketen zu führen. Er erlernte die yogische Praxis und Meditation als Schüler zweier angesehener brahmanischer Eremiten, Im Alter von 35 Jahren saß er in einer Vollmond- nacht in tiefster Versenkung unter einer Pappelfeige (heute, in Erinnerung an das Erwachen des Buddhas, als Bodhi-Baum bekannt), als er Bodhi („Erwachen,“ oft ungenau mit „Erleuchtung“ übersetzt) erlangte. Hass, Begierde und Unwissenheit fielen von ihm ab. Er wurde zum „Buddha,“ zum Erwachten. Nach seinem Erwachen hielt Gautama im Wildpark bei Isipatana (dem heutigen Sarnath) nahe Benares vor einer Gruppe von fünf Asketen, seinen früheren Gefährten, seine erste Lehrrede und verkündete die Vier Edlen Wahrheiten. Die fünf Gefährten wurden damit die ersten Mitglieder der buddhistischen (Mönchs-)Gemeinschaft (Sangha). Von jenem Tage an lehrte er 45 Jahre lang im Nordosten Indiens diesen „mittleren Pfad,“ zwischen Luxus und Askese, den achtfachen Pfad von Tugend, Meditation und Weisheit, der zum Erwachen führen würde. Lehre: Befreiung durch Einsicht, Bewußtseinsverwandlungen, Erleuchtung. Wahrheit vom Leiden und Befreiung durch Wissen. Es gibt kein selbst. Schutz vor Angst und Leiden. 5 Altertum Altertum Nirvanna ist keine Sache, die man beschreiben kann, sondern ist ein „Wert,“ der gelebt werden muß, bzw. der erlangt werden muß. Dies ist die Aufgabe eines jeden einzelnen und ist nicht übertragbar. Nirvanna ist ein Wert, ein Bewußtseinszustand, ein „Ort,“ der in keinerlei Weise mitgeteilt werden kann, da alle Mitteilung, wenn sie richtig verstanden werden will und soll, zugleich das Verstehen des Adressaten voraussetzt, und das ist hier nicht möglich. Nicht durch Feindschaft kommt Feindschaft zur Ruhe, durch Nichtfeindschaft kommt Feindschaft zur Ruhe, das ist das ewige Gesetz. Schutz vor Angst und Leiden. Zitate: • Glücklich ist, wer sein ich überwunden hat. • Frieden kommt von innen. Suche ihn nicht im Äußeren. • Der Geist ist alles. Was du denkst, wirst du auch erlangen. • Lob und Tadel bringen den Weisen nicht aus dem Gleichgewicht. • Suche deine eigene Weisheit in dir selbst. • Das Leben ist kein Problem, das es zu lösen, sondern eine Wirklichkeit, die es zu erfahren gilt. • Unsere Verabredung mit dem Leben findet im gegenwärtigen Augenblick statt. Und der Treffpunkt ist genau da, wo wir uns gerade befinden. • Der Mensch, der wenig nur gelernt, wird alt ganz nach der Ochsen Art: Es wächst ihm also bloß das Fleisch, die Einsicht wächst ihm nicht. • Der Geist ist die Quelle aller Verwirrung. • Wir sind alle nur ein Resultat dessen, was wir gedacht haben. • So wie der Acker verdorben wird durch Unkraut, wird der Mensch verdorben durch seine Gier. • Begierden verdunkeln selbst die höchsten und erhabensten Zustände des Geistes. • Wer Lust begehrt, begehrt Leid. • Die Zeit ist ein großer Lehrer. Das Unglück: Sie tötet ihre Schüler. • Alles, was wir sind, ist das Ergebnis dessen, was wir dachten. • Die edelste Art Erkenntnis zu gewinnen ist die durch Nachdenken und Überlegung. Die tät und Riten) zu verwirklichen. Dabei stellen diese für Konfuzius lediglich ein Ideal dar, das niemals zu erreichen ist. Dies tritt in den Lúnyu ebenfalls hervor, wenn es über den Meister selbst heißt: „Ist das nicht jener Mann, der weiß, dass seine Ideen nicht zu verwirklichen sind, aber dennoch nicht davon ablässt?“ Auch Konfuzius selbst beansprucht nicht, dieses Ideal zu erfüllen. Wichtig ist jedoch, dass man nicht davon ablässt, sich diesem Ideal anzunähern. Redliches Bemühen ist also das faktische Ideal des Konfuzius, während das imaginäre Ideal als unerreichbar angesehen wird. Dabei steht diese Entwicklung einem jeden offen, der sich nur darum bemüht. Als Mittel hierfür galt Konfuzius die Bildung und das Lernen. Von Natur aus sind die Menschen einander ähnlich. Durch die Erziehung entfernen sie sich voneinander. Wer die Unterschiedlichkeit zum Anlass nimmt, Menschen den Zugang zu Bildung zu verwehren, weil diese ihrer Veranlagung nach ungeeignet seien, der verwechselt Ursache (Erziehung) und Wirkung. Deshalb fordert Konfuzius: „Bildung soll allen zugänglich sein. Man darf keine Standesunterschiede machen.“ Dem Lernen wird bei Konfuzius eine hohe Priorität eingeräumt. Es ist das bevorzugte Mittel, den Edlen zu formen, zu bilden – der Edle ist also wortwörtlich gebildet. Konfuzius lehrte eine Philosophie des So-ist-es, es herrscht eine pragmatische Haltung gegenüber der Welt vor. Zentraler Gegenstand der Lehre des Konfuzius ist die (Gesellschafts-)Ordnung, also das Verhältnis zwischen Kind und Eltern, Vorgesetzten und Untergebenen, die Ahnenverehrung, Riten und Sitten. Konfuzius lehrte, dass erst durch die Ordnung sich überhaupt Freiheit für den Menschen eröffnet. So wie die Regeln eines Spiels Bedingung dafür sind, dass die Freiheit des Spielens entsteht, bringt die wohlgeordnete Gesellschaft erst die Strukturen für ein freies Leben des Menschen hervor. Wie jeder Spieler aus Freiheit die Regeln akzeptiert, so akzeptiert auch der Edle Sittlichkeit und Pflichten. Ordnung unterdrückt also nicht die Freiheit, sondern eröffnet erst einen Handlungsraum, in dem menschliche Tätigkeiten einen Sinn bekommen. Es wäre hingegen das Chaos, als Gegenteil der Ordnung, welches eine Sphäre des Zwangs und der Bedrängnis entstehen lässt. Was man weiß, als Wissen gelten lassen, was man nicht weiß, als Nichtwissen gelten lassen: Das ist Wissen. Konfuzius einfachste Art ist die durch Nachahmung und die bitterste Art ist die durch Erfahrung. • Wir sind, was wir denken. Alles, was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt. Konfuzius Chinesischer Philosoph (551 - 479 v. Chr.) Leben: Zwei Jahre nach seiner Geburt, 551 v. Chr. in Lu (dem heutigen Shandong) starb sein Vater und der junge Konfuzius erhielt 539-533 v. Chr. Privatunterricht bei seinem Großvater. Mit 19 Jahren heiratete er. In den Jahren 532-502 v. Chr. war er als Scheunenaufseher sowie in anderen niederen Beschäftigungsverhältnissen tätig. Seine Mutter starb 529 v. Chr. Nach einem angeblichen Treffen mit Laozi in Luoyang 518 v. Chr. musste er zwei Jahre später die Flucht vor internen Machtkämpfen ergreifen und Exil im Nach6 barstaat Qi suchen. Nach seiner Rückkehr nach Lu begann etwa 500 v. Chr. der politische Aufstieg des Konfuzius. Er wurde zunächst Bauminister und dann Justizminister von Lu und schließlich 498 v. Chr. stellvertretender Kanzler. 497 v. Chr. nimmt Herzog Ding von Lu 80 Singmädchen als Geschenk des Nachbarstaats Qi entgegen, woraufhin Konfuzius abermals ins Exil geht. Nun beginnt eine 13-jährige Wanderschaft durch verschiedene Staaten. Erst 484 v. Chr. erfolgt die Zurückberufung nach Lu. Dort erlebt er 482 v. Chr. den Tod seines Sohnes Bo Yu und 481 v. Chr. den Tod von Yan Hui und die Ermordung des Herzogs von Qi. Dies wird auch als der Beginn der „Zeit der Streitenden Reiche“ bezeichnet. 480 v. Chr. stirbt sein Schüler Zilu auf dem Schlachtfeld und ein Jahr später stirbt auch Konfuzius selbst. Lehre: Das menschliche Ideal ist für Konfuzius der Edle, er strebt danach, die vier Tugenden (Mitmenschlichkeit, Gerechtigkeit, Kindliche Pie7 Altertum Altertum Lernen und denken, Rettung des Menschen durch Erneuerung des Altertums, Richtigstellung der Worte, Praxisbezogen. Halte ein Ding, und du wirst es behalten, laß es los, und es wird sich verlieren. Für sein Kommen und Gehn gibt es keine Gezeiten, niemand weiß, wo sein Los es erwartet. Zitate: • Mache Treue und Aufrichtigkeit zu obersten Prinzipien. • Der Edle tut was seiner Stellung angemessen ist, er begehrt nicht, darüber hinaus zu gehen. • Was man weiß, als Wissen gelten lassen, was man nicht weiß, als Nichtwissen gelten lassen: Das ist Wissen. • Wenn du einen Würdigen siehst, dann trachte ihm nachzueifern. Wenn du einen Unwürdigen siehst, dann prüfe dich in deinem Innern! • Zuerst die innere Haltung, dann die äußere Form! Es ist wie beim Malen, wo man Glanzlichter zuletzt aufsetzt. • Weisheit, Mitleid und Tapferkeit sind die drei wichtigsten sittlichen Eigenschaften des Menschen. • Aufbrausend und charakterlos, dumm und unaufmerksam, unwissend und unehrlich – was kann man mit solchen Menschen anfangen? • Der edle Mensch handelt erst, bevor er spricht,und danach spricht er, wie er gehandelt. • Etwas lernen und mit der Zeit darin immer geübter werden, ist das nicht auch eine Freude? • Lernen und nicht denken ist unnütz. Denken und nicht lernen ist zwecklos. • Wer lernt und nicht denkt, ist verloren! Wer denkt und nicht lernt, ist in großer Gefahr. • Die Liebe zum Lernen ist der Weisheit verwandt. • Maß und Mitte sind der Höhepunkt menschlicher Naturanlage. • Menschlichkeit ist das Wesen der Sittlichkeit, Menschenkenntnis das Wesen der Weisheit. • Mit einem Menschen muß man zusammenleben, um ihn zu kennen. • Daß mich die Menschen nicht kennen, tut mir nicht leid. Aber daß ich die Menschen kenne, das kann mir leid tun. in den Bergen um Ephesos an Wassersucht erkrankt sei, Ärzten hatte er sich nicht verständlich machen können. Daraufhin habe er versucht, sich selbst zu kurieren, indem er sich unter einen Misthaufen gelegt habe, um seinen wassersüchtigen Körper auszutrocknen. Werk: Heraklit verfasste eine Schrift, die er – damaligem Brauch folgend – ohne Titel beließ; erst in späterer Zeit wurde sie als („Über die Natur“) betitelt. Sie wurde frühestens 499, wahrscheinlich nach 492 vollendet. Das Werk ist als Ganzes verloren, doch deckt sich das Bild, das antike doxographische Quellen von ihm vermitteln, weitgehend mit dem Wissensstand, den die erhaltenen Fragmente ergeben. Daher wird vermutet, dass nur etwa die Hälfte des ursprünglichen Textes verloren ist. Lehre: Die Philosophie Heraklits wurde – etwas einseitig – bereits in der Antike monistisch dergestalt verstanden, dass alle Dinge aus einem vernünftigen Weltfeuer hervorgehen. Aus dem Feuer entsteht nach Heraklit die Welt, die in allen ihren Erscheinungsformen eine den meisten Menschen verborgene vernunftgemäße Fügung gemäß dem Weltgesetz des Logos erkennen lässt. Alles befindet sich in einem ständigen, fließenden Prozess des Werdens, welches vordergründige Gegensätze in einer übergeordneten Einheit zusammenfasst. Ein zentraler Aspekt der heraklitischen Philosophie ist die Unterscheidung von lebensweltlichen Erfahrungen, wie sie die Masse der Menschen macht, und tiefer gegründeten Zugängen zur Lebenswirklichkeit, die allein zu Erkenntnis im Sinne des Logos führen. „Die Vielen“ stehen bei Heraklit in einer bestimmten Hinsicht für den Menschen, der sich nicht wahrer Philosophie widmet und daher nicht zu tieferer Erkenntnis vordringen kann. Das Grundprinzip des Kosmos ist nach Heraklit nicht – wie etwa für Parmenides von Elea – ein statisches, gleichbleibendes Sein, sondern das Werden. Während Parmenides das Nicht-Sein und damit das Werden radikal leugnet, betont Heraklit das gegensätzliche, aber in untrennbarer Einheit verschränkte Verhältnis von Sein und Werden. Heraklit betrachtet die Erfahrungswelt des Menschen als ein Ganzes von Gegensätzen, die ineinander umschlagen und sich von einem Der Weg auf und ab ist ein und derselbe. Alles iesst. Heraklit • Erkenntnis läßt sich nicht von anderen lernen. Erkenntnis muß aus dem eigenen Ich hervorgehen. • Der, der morgens die Weisheit entdeckt, darf abends sterben. • Was die Menge haßt, mußt du prüfen! Was die Menge liebt, mußt du prüfen! • Laute Freunde sind oft leise Feinde. • Wer sittlichen Wert hat, bleibt nicht allein; er findet sicher Freunde. • Der Edle lenkt die Aufmerksamkeit auf die guten Seiten anderer hin, nicht auf ihre Mängel. Der kleine Mann tut das Gegenteil. • Obzwar die Menschen nicht wissen, was das Gute ist, so haben sie es doch in sich. • Die ehrenwerten Spießbürger sind gerade die Verderber der Moral. • Es gibt Menschen von Bedeutung, die aber ohne moralischen Wert sind. Nie aber kommt es vor, das beschränkte Menschen moralischen Wert haben. 8 • Des Weisen Tag hat eine Torenstunde; Ein Tor schläft ein als Tor, wie er erwacht. Heraklit Vorsokratischer Philosoph (535 - 475 v. Chr.) Leben: Heraklit wurde in der griechischen Kolonie Ephesos in Ionien geboren, das bis in das 5. Jahrhundert unter der Herrschaft der Perser stand. Als Sohn eines gewissen Blyson oder Herakon, worüber bereits in der Antike Uneinigkeit herrschte, stammte Heraklit aus einem aristokratischen Geschlecht. Dadurch hätte er erblichen Anspruch auf das Amt des königlichen Opferpriesters gehabt; zugunsten seines Bruders verzichtete er jedoch darauf. Trotz seiner Abneigung gegen seine Mitbürger scheint er seine Heimatstadt nie verlassen zu haben. Heraklits Tod ist von einer Legende umrankt, dass er aufgrund seiner rein pflanzlichen Nahrung während seines zurückgezogenen Lebens 9 Altertum Pol zum anderen wandeln. Die Gegensatzpaare folgen dabei nicht nur einem äußerlichen Prozess, sondern sind als Gegensätze schon ineinander verschränkt. Feuer, das in der Tradition der ionischen Naturphilosophen als Urstoff fungiert, ist bei Heraklit auch als Metapher für den Logos zu verstehen, dessen Dynamik die Welt durchwaltet und dessen Wandlung ihr Seinsprinzip bildet. So charakterisiert er das Feuer als „ewig lebendig“ und „vernünftig.“ Das Feuer ist Ursache der Weltregierung. Prägte das Logos. Der Logos ist verborgen und kann offenbar werden. Der Logos ist das Gemeinsame. Dialektik des Gegensätzlichen. Hinweise auf Heraklits politisches Denken sind in den Fragmenten nur spärlich zu finden. Dennoch sehen manche Interpreten weniger die Kosmologie, sondern gerade „das Ganze des menschlich-politischen Lebens“ als den Kern der Philosophie Heraklits. Der Auffassung Heraklits zufolge tritt „an die Stelle der göttlichen Autorität das menschliche Selbst als neue Instanz. Zugleich ist Heraklits Philosophie nicht nur auf den einzelnen Menschen gerichtet, sondern wesentlich auch auf das Gemeinwesen, wie es als das allen „Gemeinsame“ bezeichnet wird: „Drum ist’s Pflicht, dem Gemeinsamen zu folgen. Aber obschon der Logos allen gemein ist, leben die meisten doch so, als ob sie eine eigene Einsicht hätten. Aus zahlreichen Fragmenten geht hervor, dass Heraklit Weisheit äußerst elitär auffasst, in vollkommener Form schreibt er sie nur den Göttern zu. Zitate: • Alles fliesst. • Der Weg auf und ab ist ein und derselbe. • Gott ist Tag Nacht, Winter Sommer, Krieg Frieden, Überfluss und Hunger. Er wandelt sich aber wie eine Substanz, die, wenn sie mit Duftstoffen vermengt wird, nach dem jeweiligen Duft benannt wird. • Krieg ist aller Dinge Vater, aller Dinge König. Die einen macht er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien. • Richtiges Bewusstsein ist die größte Tugend, und Weisheit (ist es), Wahres zu sagen und zu handeln nach der Natur, auf sie hinhörend. • Wer in dieselben Flüsse hinabsteigt, dem strömt stets anderes Wasser zu. • Drum ist’s Pflicht, dem Gemeinsamen zu folgen. Aber obschon der Logos allen gemein ist, leben die meisten doch so, als ob sie eine eigene Einsicht hätten. • Es ist immer dasselbe, Lebendes wie Totes, Waches wie Schlafendes, Junges wie Altes. Das eine schlägt um in das andere, das andere wiederum schlägt in das eine um. • Nicht gut ist, daß sich alles erfüllt, was du wünschest: Durch Krankheit erkennst du den Wert der Gesundheit, am Bösen den Wert des Guten, durch Hunger die Sättigung, in der Anstrengung den Wert der Ruhe. • Wo keine Bewegung ist, herrscht Verfall. Das Gemisch im Becher zersetzt sich, wenn es nicht geschüttelt wird. • Dem Blöden fährt bei jedem sinnvollen Wort der Schrecken in die Glieder. • Der Mensch ist und bleibt ein Teil des Ganzen, des Alls, des Urstoffs, der Urkraft. • Wir steigen in denselben Fluß und doch nicht in denselben; wir sind es, und wir sind es nicht. • Im Vergleich zum Menschen ist selbst der stattlichste Affe scheußlich. • Der Charakter des Menschen ist sein Schicksal. • Dem, was ich geschaut, gehört, gelernt habe, gebe ich den Vorrang. • Den Menschen ist allen zuteil geworden, sich selbst zu erkennen und gesund zu leben. • Das Denken ist der größte Vorzug, und die Weisheit besteht darin, die Wahrheit zu sagen und nach der Natur zu handeln, auf sie hinhörend. Sokrates griechischer Philosoph (469 - 399 v. Chr.) Leben: Über den Werdegang des Sokrates ist für die erste Lebenshälfte kaum etwas und danach auch nur Lückenhaftes bekannt. Laut Diogenes Laertios stammte er aus dem athenischen Demos Alopeke und war Sohn des Steinmetzes oder Bildhauers Sophroniskos. Platon teilt mit, dass die Mutter des Sokrates die Hebamme Phainarete war, außerdem erwähnt Platon einen Halbbruder mütterlicherseits namens Patrokles. 10 Ich we iß, Altertum weiß nicht h c si da tätigkeit bezahlen. Er bezeichnete sich bewusst als Philosoph (philos: Freund; sophia: Weisheit). Anklagen wegen Gottlosigkeit und Verderbung der Jugend, brachten 399 v. Chr. Sokrates den sogenannten Asebie-Prozess. Sokrates agierte vor Gericht ganz so, wie man ihn im öffentlichen Leben Athens schon über Jahrzehnte kannte: als peinlich Untersuchenden, Nachfragender und die Forschungsergebnisse schonungslos Offenbarender, beide Anklagepunkte wies er zurück. Mit knapper Stimmenmehrheit (281 von 501 Stimmen) wurde er von einem der zahlreichen Gerichtshöfe der Attischen Demokratie für schuldig befunden. Nach damaligem Brauch durfte Sokrates nach der Schuldigsprechung eine Strafe für sich selbst vorschlagen. In seiner zweiten Rede bestand Sokrates darauf, seinen Mitbürgern durch die praktische philosophische Unterweisung nur Gutes getan zu haben und dafür nicht etwa die beantragte Todesstrafe, sondern die Speisung im Prytaneion zu verdienen, wie sie Olympiasieger erhielten. Angesichts des Schuldspruchs erwog er dann verschiedene mögliche Strategien, hielt aber letztlich allenfalls eine Geldstrafe für akzeptabel. Hiernach verurteilten ihn die Geschworenen nun mit einer Mehrheit, die noch einmal um 80 auf 361 Stimmen anwuchs, zum Tode. In dem ihm zustehenden Schlusswort betonte Sokrates noch einmal die Ungerechtigkeit der Verurteilung und bescheinigte den Anklägern Bosheit. Seine Weigerung zur Flucht begründete er mit dem Respekt vor den Gesetzen. Würden Urteile nicht befolgt, verlören Gesetze überhaupt ihre Kraft. Schlechte Gesetze müsse man ändern, aber nicht mutwillig übertreten. Den schließlich gereichten Schierlingsbecher leerte Sokrates anscheinend vollständig gefasst. Lehre: Sokrates selbst hinterließ keine schriftlichen Werke. Die Überlieferung seines Lebens und Denkens beruht auf Schriften anderer, hauptsächlich seiner Schüler Platon und Xenophon. Sie verfassten sokratische Dialoge und betonten darin unterschiedliche Züge seiner Lehre. Jede Darstellung des historischen Sokrates und seiner Philosophie ist deshalb lückenhaft und mit Unsicherheiten verbunden. Zu den Kernbereichen Sokratischen Philosophierens gehören neben dem auf Dialoge gegründeten Erkenntnisstreben die näherungsweise Sokrates Seine Ausbildung habe sich, so der deutsche Althistoriker Alexander Demandt, in den gängigen Bahnen bewegt, was neben Alphabetisierung, Gymnastik und Musikerziehung auch Geometrie, Astronomie und das Studium der Dichter, zumal Homers, einschloss. Laut Philosophiehistoriker Diogenes Laertios hat Sokrates wie sein Vater als Bildhauer gearbeitet und sogar eine Charitengruppe und eine Hermesfigur auf der Akropolis gestaltet, diese Tätigkeit aber frühzeitig beendete. Konkrete Daten sind mit seinen militärischen Einsätzen im Peloponnesischen Krieg (431–404 v. Chr.) verbunden: Sokrates machte im Felde großen Eindruck durch die Art, wie er Kälte, Hunger und sonstige Entbehrungen zu ertragen in der Lage war und wie er im Falle des militärischen Rückzugs bei Delion – statt wie andere kopflos zu flüchten – gemessenen Schrittes und jederzeit verteidigungsbereit Besonnenheit und entschlossenen Mut bewies. Seinen Wirkungsmittelpunkt hatte Sokrates auf dem belebten Marktplatz von Athen, wie Xenophon verdeutlichte: „So tat gerade er stets alles in voller Öffentlichkeit.“ Im Gegensatz zu den Sophisten ließ sich Sokrates nicht für seine Lehr11 Altertum Altertum Bestimmung des Guten als Handlungsrichtschnur und das Ringen um Selbsterkenntnis als wesentliche Voraussetzung eines gelingenden Daseins. Phasen völlig gedanklicher Versunkenheit, machten ebenfalls Eindruck auf Mitbürger Athens. Das Gespräch, Fragen, Wendung an den Einzelnen, Erziehung sind seine Methode. „Ich weiß, dass ich nicht weiß,“ lautet eine bekannte, aber stark verkürzende Formel, mit der verdeutlicht wird, was Sokrates seinen Mitbürgern voraushatte. Ziel des Sokratischen Dialogs in der von Platon überlieferten Form ist die gemeinsame Einsicht in einen Sachverhalt auf der Basis von Frage und Antwort. Der Erkenntnisfortschritt in den Sokratischen Dialogen ergibt sich in charakteristischer Abstufung: Im ersten Schritt suchte Sokrates dem jeweiligen Diskussionspartner klarzumachen, dass seine Lebens- und Denkungsart unzureichend seien. Um seinen Mitbürgern zu zeigen, wie wenig sie über ihre eigenen Ansichten und Einstellungen bisher nachgedacht hatten, konfrontierte er sie anschließend mit den unsinnigen bzw. unangenehmen Konsequenzen, die sich daraus ergeben würden. Nach dieser Verunsicherung forderte Sokrates seinen Gesprächspartner zum Umdenken auf. Er lenkte das Gespräch unter Anknüpfung an den Erörterungsgegenstand – sei es z.B. Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit oder Tugend überhaupt – hin auf die Frageebene, was das Wesentliche am Menschen sei. Für die Dialogpartner zeigte Platon im Verlauf der Untersuchung regelmäßig, dass Sokrates, der doch vorgab nicht zu wissen, alsbald deutlich mehr Wissen zu erkennen gab, als sie selbst besaßen. Anfangs oft in der Rolle des scheinbar wissbegierigen Schülers, der seinem Gegenüber die Lehrerrolle antrug, erwies er sich zuletzt klar überlegen. Seine Ausgangsposition wurde dadurch häufig als unglaubwürdig und unaufrichtig wahrgenommen, als Ausdruck von Ironie im Sinne von Verstellung zum Zweck der Irreführung. Zitate: • Die den Tod fürchten, bilden sich ein zu wissen, was man nicht weiß. Vielleicht ist er das größte Glück und sie fürchten Ihn, als ob sie wüßten, daß er das größte Übel sei. • Ein Leben ohne Selbsterforschung ist nicht lebenswert. Platon einen jüngeren Halbbruder, Antiphon. In die Philosophie führte ihn Kratylos ein, ein Anhänger Heraklits, nach dem Platon später seinen Dialog Kratylos benannte. Als Zwanzigjähriger begegnete er Sokrates, dem er sich als Schüler anschloss. Bis zu Sokrates Tod rund ein Jahrzehnt später blieb er bei ihm. Als Lehrer und als Vorbild prägte Sokrates die geistige Entwicklung Platons. Nach dem Tod des Sokrates begab sich Platon mit anderen Sokratikern für kurze Zeit nach Megara zu Euklid von Megara, der ebenfalls ein Schüler des Sokrates war. Um 388 unternahm Platon seine erste Sizilienreise. Nach seiner Rückkehr kaufte Platon um 387 v. Chr. im Nordwesten von Athen ein Grundstück, wo er philosophisch-wissenschaftlichen Unterricht zu erteilen begann und seine Schüler zu Forschungen anregte. 367 zweite Sizilienreise, 361 dritte Sizilienreise. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Platon lehrend und forschend. In hohem Alter wandte er sich mit einem öffentlichen Vortrag „Über das Gute“ an ein breites, nichtphilosophisches Publikum, bei dem er jedoch auf Verständnislosigkeit stieß. Er starb 347 v. Chr. und wurde auf dem Gelände der Akademie oder in dessen Nähe bestattet. Lehre: Die Einführung der Ideenlehre wird häufig als die Trennlinie zwischen sokratischer und platonischer Philosophie gesehen. Platon befasst sich in den mittleren Dialogen mit dem Wesen einer Tugend oder eines beliebigen Objekts, ohne sich auf die Suche nach Definitionsmerkmalen zu beschränken. Ein Mensch mag zwar als gerecht bezeichnet werden, jedoch ist er nicht an und für sich gerecht; ein Gegenstand kann schön genannt werden, aber er ist niemals der Inbegriff des rein Schönen. Die Idee ist für Platon das wahre Seiende, ihr Sein ist das Sein im eigentlichen Sinne. Den sinnlich wahrnehmbaren Gegenständen hingegen kommt nur ein bedingtes und damit unvollkommenes Sein zu. Die Ideen als eigentliche Wirklichkeit sind absolute, zeitunabhängig bestehende Urbilder. Da sie nicht dem Entstehen, dem Wandel und dem Vergehen unterliegen, sind sie von göttlicher Qualität. Die Ideen machen das eigentliche Wesen der Eigenschaften aus und verleihen den Dingen deren Form. Als nicht wandelbare Entität sind sie der Gegenstand, auf den sich Denken und Erkennt- Platon • Ich bin weder Athener noch Grieche, sondern ein Bürger der Welt. • Ein Leben, das nicht kritisch untersucht wird, ist es nicht wert, gelebt zu werden. • Alles was lebt, kommt aus dem, was schon tot ist. • Eigenartigerweise kann ein Mann immer sagen, wie viele Schafe er besitzt, aber er kann nicht sagen, wie viele Freunde er hat, so gering ist der Wert, den wir ihnen beimessen. • Gewaltsam läßt sich ein Freund weder gewinnen noch halten, dagegen machen ihn Güte und liebesvolles Wesen zugänglich und anhänglich. • Bekommst du eine gute Frau, wirst du glücklich werden; bekommst du eine schlechte, wirst du Philosoph werden. • Denn gar sehr ist dies der Zustand eines Philosophen, die Verwunderung; ja es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen. • Wie vieles gibt es doch, was ich nicht nötig habe. • Man sagte mir, ein gewisser Mensch habe ich auf seinen Reisen nicht gebessert; das leuchtet mir ein: er hatte sich ja auf seine Reisen selbst mitgenommen. 12 • Jeder Mensch trägt einen Dämon in sich, der ihn reizt und ihn zu seinen Handlungen treibt. • Das Schöne ist schwer. • Sei, was du scheinen willst. • Rechtes Handeln folgt dem rechten Denken. • In jedem Menschen ist Sonne - man muß sie nur zum Leuchten bringen. • Ich weiß, das ich nicht weiß. • Ich sträube mich nicht gegen den Tod, denn ich hege die frohe Hoffnung, daß es ein Leben Jenseits gebe für die Verstorbenen. Platon Griechischer Philosoph (c. 427 - 347 v. Chr.) Leben: Platon stammte aus einer vornehmen, wohlhabenden Familie Athens. Sein Vater Ariston betrachtete sich als Nachkomme des Kodros, eines mythischen Königs von Athen. Unter den Ahnen von Platons Mutter Periktione war ein Freund und Verwandter des legendären athenischen Gesetzgebers Solon.Der Philosoph hatte zwei ältere Brüder, Adeimantos und Glaukon, die in der Politeia als Dialogteilnehmer auftreten, und eine ältere Schwester, Potone. Sein Vater starb früh, aus zweiter Ehe seiner Mutter hatte 13 Altertum Altertum nis richten, denn allein von Unveränderlichem kann es Wissen geben, von stets mangelhaften und in Veränderung begriffenen Sinnesdingen nicht. Platon greift das ursprünglich von Parmenides von Elea entwickelte Konzept eines einzigen Seins hinter den Dingen auf und wendet diesen Gedanken auf zahlreiche philosophische Fragen an. Wir können durch die Hierachie der „Ideen“ zum höchsten, mystischen Verständnis der „Idee“ des Schönen, Wahren und Guten vorstoßen. In Platons Philosophie ist die Seele als immaterielles Prinzip des Lebens individuell unsterblich. Ihr Dasein ist von dem des Körpers gänzlich unabhängig; sie existiert vor seiner Entstehung und besteht nach seiner Zerstörung unversehrt fort. Daraus ergibt sich die Rangordnung der beiden: Der Leib, der mancherlei Beeinträchtigungen und letztlich der Vernichtung unterliegt, ist der unsterblichen, unzerstörbaren Seele untergeordnet. Es steht ihr zu, über ihn zu herrschen. Der Körper ist das „Gefäß,“ die „Wohnstatt“ der Seele, aber auch negativ ausgedrückt ihr „Grab“ oder „Gefängnis“ – eine berühmt gewordene Formulierung Platons. Im Tod löst sich die Seele vom Körper, das ewig Lebendige trennt und befreit sich von der nur durch seine Einwirkung belebten Materie. Vom Leib entbunden kann die Seele auf ungetrübte Weise erkennen, weshalb der wahre Philosoph den Tod als sinnvoll anstrebt. Solange sie sich jedoch im Körper befindet, nimmt die Seele eine vermittelnde Stellung zwischen der Ideenwelt und der Sinnenwelt ein. Da für Platon eigenständige Bewegung ein Definitionsmerkmal der Seele ist, fasst er auch Tiere und Gestirne als beseelt auf, im Timaios auch Pflanzen. Der Kosmos selbst verfügt über Vernunft, die ihren Sitz in der Weltseele hat. Die Weltseele ist die Kraft, die sich selbst und alles andere bewegt. In seiner Erkenntnistheorie unterscheidet Platon streng zwischen Meinung oder Glauben ohne Wissen einerseits und wahrem Wissen andererseits. Sinneswahrnehmungen reichen nicht zum Erlangen der Wahrheit aus, sondern erzeugen lediglich Meinungen. Auch wenn eine Meinung zutrifft, ist sie von prinzipiell anderer Beschaffenheit und anderen Ursprungs als Einsicht. Ein Zugang zur Wahrheit und damit Wissen erschließt sich der Seele nur im Denken, das sich mög- lichst von der Sinneswahrnehmung emanzipiert hat. Der Dialektik weist Platon in der Politeia, dem Dialog über den idealen Staat, eine zentrale Rolle für die Ausbildung der philosophischen Herrscher zu. Die Frage nach der Gerechtigkeit ist der Ausgangspunkt der Politeia (Der Staat), welche in der Tetralogienordnung daher den Untertitel „Über das Gerechte,“ erhielt. Platon zeichnet in der Politeia den Werdegang eines Staates hin zu seinem Idealmodell. Pläne von der glücklichen Gesellschaft: Kaiser, Könige, Präsidenten, Tyrannen, Diktatoren oder wie die Herrschenden gerade hießen, sollen Philosophen werden oder den Philosophen gehorchen auf das Macht und Weisheit eins würden. Zitate: • Die Arete eines jeden Dings besteht darin, wodurch es seine Aufgabe erfülle. Unwissenheit ist das größte Unheil. • Wer im Guten lebt kann glücklich sein. • Der einzelne findet keine Wahrheit, er sucht den anderen um sich mitzuteilen. • Mann und Frau sollten nichts anderes tun, als nur die schönsten Spiele feiern. Denken und Tun sind ein Spiel, zumal in der Mitteilung. • Wir sind Spielzeuge Gottes. • Unabhänigkeit des Denkens durch das Denken, mit dem Wissen des Nichtwissens. Ich weiß das ich Nichtweiss. Der Weissheit letzten Schluß gibt es also nicht. • Weißt du denn nicht ... dass unsere Seele unsterblich ist und in Ewigkeit nicht vergeht? • Die Philosophie bietet mir einen Hafen, während ich andere mit den Stürmen kämpfen sehe. • Wartest du auf eine Gelegenheit zum Philosophieren, so hast du sie schon verpaßt. • Nun freilich starren Sinnes zu behaupten, daß das, was ich gesprochen habe, auch unbedingte Wahrheit sei, das schickt sich nicht für einen, der zu denken pflegt. • Aus der Demokratie entwickelt sich, wenn Freiheit im Übermaß bewilligt wird, die Tyrannei. • Das extreme Trachten nach dem, was in der Demokratie als gut gilt, stürzt die Demokratie. • Wohlan, mein lieber Freund, wie steht es mit der Diktatur? Löst sich die Demokratie nicht selber auf durch eine gewisse Unersättlichkeit in der Freiheit? 14 • Der ist der Weiseste, der wie Sokrates einsieht, daß er wirklich, was Weisheit anbelangt, nichts wert ist. • Es gibt drei Arten des menschlichen Charakters: Der Philosoph, der Ehrgeizige und der Habsüchtige. • Meistens wird der Charakter jedes einzelnen durch seine Wünsche und durch seine psychische Gemütsart geformt. • Alles Seiende ist nur ein Schatten. • Das Denken ist das Selbstgespräch der Seele. waren größtenteils nur für den internen Gebrauch im Unterricht bestimmt und wurden fortlaufend redigiert. Themenbereiche sind: Logik und Ontologie, Politik und Ethik, Rhetorik und Poetik sowie Naturlehre und Metaphysik. In den logischen Schriften arbeitet Aristoteles auf der Grundlage von Diskussionspraktiken in der Akademie eine Argumentationstheorie (Dialektik) aus und begründet mit der Syllogistik die formale Logik. Die Rhetorik beschreibt er als die Kunst, Aussagen als plausibel zu erweisen, und rückt sie damit in die Nähe der Logik. Aristoteles’ Naturphilosophie thematisiert die Grundlagen jeder Naturbetrachtung: die Arten und Prinzipien der Veränderung. In seiner Metaphysik argumentiert Aristoteles (gegen Platons Annahme von abstrakten Entitäten) zunächst dafür, dass die konkreten Einzeldinge (wie Sokrates) die Substanzen, d.h. das Grundlegende aller Wirklichkeit sind. Dies ergänzt er um seine spätere Lehre, wonach die Substanz konkreter Einzeldinge ihre Form ist. Das Ziel des menschlichen Lebens, so Aristoteles in seiner Ethik, ist das gute Leben, das Glück. Gut ist ein Leben, wenn es uns giebt, was wir von einem Leben in möglichst aufgeklärter Weise wollen, was immer es sei, und wenn wir das Glück haben, daß sich das so weit aufgeklärte Wollen mit dem Wollen deckt, das wir hätten, wenn wir alle nötigen Informationen hätten. In seiner Theorie der Dichtung behandelt Aristoteles insbesondere die Tragödie, deren Funktion aus seiner Sicht darin besteht, Furcht und Mitleid zu erregen, um beim Zuschauer eine Reinigung von diesen Emotionen zu bewirken. Die literarischen Unterschiede zu Platon betreffen nicht bloß die äußere Darstellung, sondern den Kern der philosophischen Überzeugungen. Aristoteles übte Kritik an Platons Ideenlehre. Die Auseinandersetzung mit der aristotelischen Naturlehre prägte die Naturwissenschaft des Spätmittelalters und der Renaissance. Im arabischsprachigen Raum war Aristoteles im Mittelalter der am intensivsten rezipierte antike Autor. Zitate: • Nicht dem Vergnügen, der Schmerzlosigkeit geht der Vernünftige nach oder der Vernünftige geht auf Schmerzlosigkeit, nicht auf Genuß aus. Aristoteles Griechischer Philosoph (384 - 322 v. Chr.) Leben: Aristoteles wurde 384 v. Chr. in Stageira, einer damals selbständigen ionischen Kleinstadt an der Ostküste der Chalkidike, geboren. Sein Vater Nikomachos war Leibarzt des Königs Amyntas III. von Makedonien, seine Mutter Phaestis stammte aus einer Arztfamilie von Chalkis auf Euboia. Im Alter vom 17 Jahren trat Aristoteles 367 v. Chr. in Platons Akademie ein. Dort beschäftigte er sich zunächst mit den mathematischen und dialektischen Themen, die den Anfang der Studien in der Akademie bildeten. Nicht lange nach seinem Eintritt trat er in eine disputierende und alsbald auch schriftstellerische Konkurrenz zu seinem Lehrer Platon. Er wurde mit 18 Jahren Schüler des Platon in Athen, an dessen »Akademie« er, zuletzt als Lehrer, 20 Jahre lang blieb. Nach Platons Tod verließ Aristoteles 347 v. Chr. Athen. Im Auftrage Philipps von Makedonien 343/342 v. Chr. wurde er Erzieher von dessen dreizehnjährigen Sohn Alexander, dem späteren Alexander dem Großen. 335/334 v. Chr. kehrte er nach Athen zurück und gründete eine eigene Schule. Nach dem Tode Alexander des Grossen 323 v. Chr. musste er Athen verlassen. Er zog sich nach Chalkis auf Euboia in das Haus seiner Mutter zurück. Dort starb er im Oktober 322 v. Chr. Aristoteles war mit Pythias, einer Verwandten seines Freundes Hermias, verheiratet, von ihr hatte er eine Tochter. Nach dem Tod seiner Gattin wurde Herpyllis seine Lebensgefährtin; sie war möglicherweise die Mutter seines Sohnes Nikomachos. Lehre: Die an eine breite Öffentlichkeit gerichteten Schriften des Aristoteles in Dialogform sind verloren. Die erhalten gebliebenen Lehrschriften 15 Altertum Altertum • Das Ziel des menschlichen Lebens ist die Glückseligkeit. • Die Wahrheit liegt in der Welt um uns. • Allgemein in der menschlichen Natur liegt der Trieb nach Erkenntnis. • Alles Handeln wird prinzipiell durch sieben Gründe bestimmt: Zufall, Natur, Gewalt, Gewohnheit, Reflexion, Gemüt, Begierde. • In der Muße scheint das Glück zu liegen. Es gehört denen, die sich selber genügen. • Vollkommene Freundschaft ist das Wohlwollen unter Guten. Und weil sie gut sind, sind sie zugleich nützlich und bereiten einander Freude. • Die Neigung zur Freundschaft entsteht oft plötzlich, die Freundschaft selbst aber braucht Zeit. • Die Freundschaft gehört zum Notwendigsten in unserem Leben. In Armut und im Unglück sind Freunde die einzige Zuflucht. Doch die Freundschaft ist nicht nur notwendig, sondern auch schön. • Ein Freund aller ist niemandes Freund. Wer viele Freunde hat, hat keinen. • Der Charakter des Menschen zeigt sich am deutlichsten in denjenigen Reden und Handlungen und bei demjenigen Teile seines ganzen Betragens, bei welchem er keine besondere Absicht hat. • Ein vortrefflicher Charakter wählt immer den Mittelweg. • Unser Charakter ergibt sich aus unserem Benehmen. • Es gibt für die Menschen nichts Göttliches und Beseligendes als das, was allein der Mühe wert ist, nämlich das, was an Denkkraft und Vernunft in uns ist. • Auch das Denken schadet bisweilen der Gesundheit. • Das Denken für sich allein bewegt nichts, sondern nur das auf einen Zweck gerichtete und praktische Denken. • Daß man nun die jungen Leute nicht nur zur Unterhaltung erziehen darf, ist ja klar: denn das Lernen ist kein Spiel, sondern eine ernste Mühe. • Philosophie ist die Wissenschaft der Wahrheit. • Was mir mit der Philosophie glückte, erreichte ich durch meinen Willen, die anderen – nur weil sie sich vor dem Gesetz fürchten. nes Laertios, erst aus dem dritten nachchristlichen Jahrhundert stammt. Er war möglicherweise 311 v. Chr.–306 v. Chr. Lehrer der Philosophie zuerst in Mytilini auf Lesbos, später in Lampsakos am Hellespont. Im Jahre 306 v. Chr. zog Epikur nach Athen, dort erwarb er für 80 Minen jenen Garten (Kepos), in dem er seine Schule gründete. Der Kepos diente seinen aus Menschen aller Gesellschaftsschichten stammenden Anhängern als Versammlungsort, und er lebte dort mit seinen Schülern. Etwa 40 Jahre lang, bis zu seinem Tod im Jahr 270 v. Chr., blieb Epikur der geistige Mittelpunkt des Gartens, in dessen Schutz freundschaftliche Beziehungen besonders gepflegt wurden. Epikurs Schule strebte keinen politischen Einfluss an und fand – von Ausnahmen abgesehen – kaum Zugang zu den Reichen und Mächtigen. Dennoch hielt sich der Kepos, zuletzt noch von dem Stoiker Mark Aurel gefördert, bis über das 2. Jahrhundert n. Chr. hinaus. Vom umfangreichen Schaffen Epikurs (mindestens 40 Abhandlungen, darunter 37 Bücher seines Hauptwerks Peri physeos (Über die Natur)) sind nur noch Fragmente erhalten. Lehre: Epikuts Lehre ist eine Philosophie der Freude. Diesem Ziele dient all sein Denken, in ihm schließen sich alle einzelnen Stücke und Gruppen seiner Gedanken zu einer festgeschlossenen Einheit zusammen. Charakteristisch für die Lehre Epikurs sind die Entwicklung spezieller Formen der Bedürfnisregulation zum Zweck der Lustmaximierung und die radikale Diesseitigkeit aller Strebungen, begründet in der Auffassung, dass auch die menschliche Seele mit dem Tod zur Auflösung kommt. Nicht ein ewiges Leben, sondern der bei Lebzeiten zu vollendeter Seelenruhe (Ataraxie) gelangte epikureische Weise ist das Grundmotiv der Epikureer. Dieses Denken im Dienste des Glücks hielt Epikur für die wichtigste Angelegenheit des Daseins. Unser Leben wird ruiniert, weil wir es immer aufschieben zu leben. So sinken wir ins Grab, ohne unser Dasein so recht gespürt zu haben also nutze den Tag. Auch Epikurs Lehre umfasst die drei klassischen Felder der antiken Philosophie: die Physik (Naturlehre), die Logik oder hier: Kanonik (Erkenntnislehre) und die Ethik (Verhaltenslehre). Dabei tragen Naturerklärung und erkenntnistheoretische Überlegungen gemeinsam mit den ethischen Grundprinzipien zur Ausschaltung Alles Handeln wird prinzipiell durch sieben Gründe bestimmt: Zufall Natur Gewalt Gewohnheit Re exion Gemüt Begierde Aristoteles • Das Leben besteht in der Bewegung. Jede Bewegung verläuft in der Zeit und hat ein Ziel. • Gott ist entweder Geist oder ein Wesen, das noch jenseits des Geistes steht. • Die Menschen stellen sich sowohl die Gestalt als auch die Lebensweise der Götter ähnlich ihrer eigenen vor. • Der Mensch ist von Natur ein Gemeinschaft bildendes Wesen. • Was ist ein Mensch? Ein Bild der Schwäche, Beute des Augenblicks, ein Spielball des Schicksals, ein Bild der Unbeständigkeit, eine Verbindung von Leid und Mißgeschick und das Übrige: Schleim und Galle. • Selbst im Hirn des weisesten Mannes gibt es einen törichten Winkel. • Fehlt dem Menschen nur der Vestand, wird er zum Tier. • Es gibt kein großes Genie ohne einen Schuß Verrücktheit. Alle genialen Menschen sind Melancholiker. 16 Epikur Griechischer Philosoph (341 - 270 v. Chr.) Leben: Epikur wurde im Januar 341 v. Chr. auf der ägäischen Insel Samos als Sohn des Neokles und der Chairestrate geboren. Sein Vater Neokles war als Kolonist von Athen nach Samos umgesiedelt worden, wo er als Elementarlehrer und Landwirt ein nur geringes Einkommen fand. Epikur wuchs heran inmitten einfacher Ländlichkeit unter der Obhut seiner Eltern und mit drei Brüdern, die später seine Anhänger wurden. Schon als 14-Jähriger fand Epikur zur Philosophie. Mit 18 Jahren kam Epikur nach Athen, wo er als Ephebe im Gymnasion eine zweijährige vormilitärische Ausbildung absolvierte, die durch die Mündigkeitserklärung und die Aufnahme in die Bürgerliste abgeschlossen wurde. Die Überlieferung von Epikurs Lebenslauf ist mit Lücken und Unsicherheiten behaftet, die sich u.a. daraus ergeben, dass sein wichtigster Biograph, Dioge17 Altertum Altertum individuell beunruhigender Faktoren bei, „indem sie Unbekanntes verständlich machen, Unerreichbares als irrelevant und Unvermeidbares als akzeptabel erweisen.“ Epikur übernahm Demokrits atomistische Lehre und entwickelte sie weiter. Mit ihrer Hilfe erklärte er die gesamte Wirklichkeit auf rein materialistische Weise, also mit konsequentem Verzicht auf alle transzendenten und metaphysischen Annahmen. Er deutete alles Existierende als Ergebnis der Bewegung und unterschiedlichen Verteilung unveränderlicher Atome im Raum. Epikurs Ethiklehre zielt im Kern auf Erhöhung und Verstetigung der Lebensfreude durch den Genuss eines jeden Tages, womöglich jeden Augenblicks, wie es das Motto des Horaz: nutze den Tag besagt. Dazu gilt es, alle Beeinträchtigungen des Seelenfriedens zu vermeiden bzw. zu überwinden, die aus Begierden, Furcht und Schmerz erwachsen können. Die Lust am Leben stetig auszukosten, macht die Kunst des epikureischen Weisen aus. Das individuelle Seelenheil und wie es zu erlangen sei, steht im Zentrum der ersten 30 Hauptlehrsätze, wie sie von Diogenes Laertios überliefert wurden. Das letzte Viertel aber ist Fragen der gesellschaftlichen Ordnung gewidmet und der Rolle des Epikureers in ihr. Die vollendete Verkörperung von Epikurs Lehre ist die Figur des epikureischen Weisen. Epikur hat die reale Existenz von Göttern angenommen, ja sogar für gesichertes Wissen gehalten, ohne dabei im geringsten von seinem strengen Materialismus abzuweichen. Für ihn waren auch die Götter, die er durchaus als Lebewesen auffasste, ebenso wie alle anderen Wesen materielle Phänomene, Atomverbindungen. Zwar bestritt er nachdrücklich die Schöpfung und die Lenkung der Welt durch eine göttliche Instanz, doch ging er davon aus, dass es tatsächlich Götter gibt, die eine selige, sorglose Existenz führen und sich nicht um die Menschenschicksale kümmern. Eine göttliche Vorsehung kam für Epikur nicht in Betracht, da er meinte, dass sie für die Götter eine Mühe und beschwerliche Arbeit bedeuten würde, die ihrer unwürdig wäre. Götter sind für die Menschen unerreichbar, aber erkennbar. Solche Gotteserkenntnis ist nach Epikur so wie jede andere Erkenntnis über Objekte der Außenwelt nur durch Wahrnehmung möglich. • Für uns bedeutet Freude: keine Schmerzen haben im körperlichen Bereich und im seelischen Bereich keine Unruhe verspüren. • Die Erkenntnis, daß der Tod ein Nichts ist, macht uns das vergängliche Leben erst köstlich. • Lebe heute, vergiß die Sorgen der Vergangenheit. • Grenze der Größe der Lustempfindungen ist die Beseitigung alles Schmerzenden. Wo immer das Lusterzeugende vorhanden ist, da findet sich, solange es gegenwärtig ist, nichts Schmerzendes oder Betrübendes oder beides zusammen. • Die Lust ist Ursprung und Ziel des glücklichen Lebens. • Wer Furcht verbreitet, ist selbst nicht ohne Furcht. • Aus Angst, mit Wenigem auskommen zu müssen, läßt sich der Durchschnittsmensch zu Taten hinreißen, die seine Angst erst recht vermehren. • Man kann besser ohne Angst auf einem Haufen Blätter schlafen, als mit Angst in einem goldenen Bett. • Du mußt der Philosophie dienen, damit du die wahre Freiheit erlangst. • Man soll nicht vorgeben zu philosophieren, sondern wirklich philosophieren. Denn wir bedürfen nicht des Anscheins der Gesundheit, sondern wirklicher Gesundheit. • Frei ist nur der Mensch, der innerlich frei ist, und nur das tut, was die Vernunft wählt. • Die süßeste Frucht der Genügsamkeit ist Unabhängigkeit. • Der Weise aber entscheidet sich bei der Wahl der Speisen nicht für die größere Masse, sondern für den Wohlgeschmack. • Kleine Seelen werden durch Erfolg übermütige, durch Mißerfolge niedergeschlagen. • Mit dem Philosophieren soll man getrost schon in der Jugend beginnen, aber im Alter auch nicht müde davon ablassen. Denn um für seine seelische Gesundheit etwas zu tun, ist keiner zu jung oder zu alt, und wer etwa meint, für ihn sei es zum Philosophieren noch zu früh oder schon zu spät, der könnte ebensogut behaupten, der richtige Zeitpunkt für seine Glückseligkeit sei noch nicht da oder schon vorbei. Falls jemand das Gute will und es hat, ist er glücklich, falls er dagegen das Böse will, ist er, auch wenn er es hat, unglücklich. Epikur Furcht, Schmerz und Begierden sind für Epikur die drei großen Klippen, die umschifft werden müssen, damit dauerhaft Lebenslust und Seelenruhe herrschen können. Bezüglich der Furcht sind es vor allem zwei Motive, mit denen Epikur sich auseinandersetzt: Furcht vor den Göttern und Todesfurcht. „Gott ist Tod“ und „der Tod ist tot!“ verkündete Epikur. Viele stellen sich das Leben nach dem Tode ganz entsetzlich vor. Es ist mit dem Tode wie mit dem Göttern, beruhigte Epikur die Entsetzten. Das Jenseits das ihr Euch da zurechtgemacht habt, ist nichts als ein fauler Zauber. Habt also keine Angst vor dem schlechten Leben nach dem Tod. Das schauerlichste Übel, der Tod geht uns nichts an, weil, solange wir sind, der Tod nicht da ist, ist er aber da, so sind wir nicht mehr. Folglich betrifft er weder die Lebendigen noch die Gestorbenen. Zitate: • Philosophieren heißt sterben lernen, nur wer das Sterben gelernt hat, kann glücklich wer18 den, und die Philosophie ist dazu da, das Leben glücklich zu machen. • Die natürliche Gerechtigkeit besteht in einem Vertrag, der auf den gegenseitigen Nutzen aus ist: man wird einander nicht schaden und sich nicht schaden lassen oder wenn wir glücklich sein wollen, müssen wir die Zuneigung der Menschen gewinnen von denen unser Glück abhängt. Das ist aber nur zu erreichen, wenn wir ihnen unsere Zuneigung als Gegengabe geben. • Falls jemand das Gute will und es hat, ist er glücklich, falls er dagegen das Böse will, ist er, auch wenn er es hat, unglücklich. • Die Freundschaft tanzt den Reigen um die Welt und ruft uns allen zu, aufzuwachen zum Preise des glückseligen Lebens. • Man soll sich weder die Voreiligen noch die Umständlichen zu Freunden machen. Man muß allerdings auch etwas wagen um der Freundschaft willen. 19 Altertum Altertum Seneca Seneca samt. Vom Jahr 49 an war er der maßgebliche Erzieher des späteren Kaisers Nero. Um diesen auf seine künftigen Aufgaben vorzubereiten, verfasste er eine Denkschrift darüber, warum es weise sei, als Herrscher Milde walten zu lassen. Im Jahre 55 bekleidete er ein Suffektkonsulat. Senecas Bemühen, Neros eigensüchtig ausschweifendem Temperament gegenzusteuern, war jedoch kein dauerhafter Erfolg beschieden. Tacitus zufolge war Seneca im Jahr 59 in den vollendeten Muttermord Neros unmittelbar einbezogen. Nero hatte nach dem Mord an Agrippina allein die Macht inne und bedurfte Senecas als eines vermittelnden Wahrers seiner Ansprüche gegenüber der Mutter nicht mehr. Zuletzt wurde er vom Kaiser der Beteiligung an der pisonischen Verschwörung beschuldigt und ihm wurde die Selbsttötung befohlen. Diesem Befehl kam Seneca ohne Zögern nach. Tacitus schildert in seinen Annalen das Sterben Senecas als Tod eines Weisen nach dem Vorbild des Sokrates, dessen Tod in Platons Phaidon ausgemalt wird. Demnach soll Seneca die Selbsttötung erst beim dritten Versuch gelungen sein: Zunächst habe er sich die Pulsadern und weitere Arterien an Römischer Philosoph (1 - 65) Leben: Lucius Annaeus Seneca wurde etwa im Jahre 1 auf dem Familienbesitz im spanischen Corduba geboren. Noch als Kleinkind gelangte er nach Rom. Sein Vater Seneca der Ältere dem Stande der Ritter zugehörig wollte seinen nach ihm benannten Sohn schon von klein auf im Herzen der Weltmacht heranwachsen sehen und den feinen römischen Zungenschlag annehmen lassen. Mit seiner Frau Helvia hatte er noch zwei weitere Söhne. Gesundheitlich war Seneca von Kindesbeinen an und während seines ganzen Lebens durch Asthma-Anfälle und chronische Bronchitis stark eingeschränkt. Atemnöte und Fieberschübe setzten ihm in jungen Jahren derartig zu, dass er davor stand, sich das Leben zu nehmen. Ausschlaggebend für seinen weiteren Lebenslauf wurde das julisch-claudische Herrscherhaus allerdings erst im Jahre 41, als Seneca nach der Beseitigung des despotischen Caligula von dessen Nachfolger Claudius in die Verbannung nach Korsika geschickt wurde. Acht Jahre währte die Verbannung auf Korsika insge20 den Beinen geöffnet, dann soll er wie Sokrates einen Schierlingsbecher getrunken haben und sei schließlich in einem Dampfbad erstickt. Ausdrückliche Bezüge Senecas auf die eigene Biographie sind in seinen Werken äußerst selten, obwohl er von der Bedeutung seiner schriftlichen Hinterlassenschaft für die Nachwelt überzeugt war. Lehre: Senecas autobiographisches Schweigen hat erhebliche Probleme vor allem bezüglich der Datierung seiner Werke zur Folge, so dass insbesondere für die Abfolge seiner Tragödiendichtung kaum Anhaltspunkte gegeben sind. Er war einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit. Seine Reden, die ihn bekannt gemacht haben, sind verloren gegangen. Sein Philosophieren bestand nicht in der Schaffung eines neuen gedanklichen Systems, sondern wesentlich in der Anwendung der stoischen Lehre „nach Maßgabe der jeweiligen besonderen Lebenslage und Lebensnotwendigkeit.“ In seinen Werken, auch in den Spätschriften, betonte er seine Verwurzelung in der stoischen Philosophie. Dabei lehnte er dogmatische Festlegungen ab. Auf diesem Boden hatte er eigene philosophische Erkenntnisse zeitgemäß formuliert und für lebenslanges Lernen plädiert. Die Betonung liegt bei Seneca häufig auf der praktischen tugendhaften Lebensführung, die nicht jedermann erreichen kann. „Die Philosophie ist keine Kunstfertigkeit, die man dem Volk präsentiert oder die sich überhaupt zum Vorzeigen eignet, sie beruht nicht auf Worten, sondern auf Taten. Auch wendet man sich ihr nicht zu, um mit angenehmer Unterhaltung den Tag zu verbringen, um die Freizeit vom Makel der Langeweile zu befreien. Sie formt und bildet den Geist, sie ordnet das Leben, bestimmt unsere Handlungen; sie zeigt, was zu tun und zu lassen ist.“ Neben Mark Aurel und Epiktet zählt Seneca zu den wichtigsten Vertretern der jüngeren Stoa. Für Einflüsse anderer philosophischer Schulen war Seneca offen und übernahm manches davon in sein Denken, ohne an seiner Grundeinstellung Zweifel zuzulassen. Nur die Vernunft kann die Affekte kontrollieren, deren Beherrschung der stoischen Lehre gemäß den Weg zum höchsten Gut ebnet. Nur sie kann den Philosophen zu der Erkenntnis führen, dass die Lebenszeit begrenzt ist, dass alle Menschen vor dem Tod gleich sind und dass der Weise seine kurze Zeit in Gelassenheit und Frieden mit der Mehrung des Gemeinwohls und des philosophischen Wissens zubringen soll. Wie die späte Stoa überhaupt, befasste sich Seneca vornehmlich mit Fragen der rechten Lebensführung, insbesondere mit der Ethik. Als höchstes Gut galt auch ihm die Tugend, unabdingbare Grundlage und Begleiterscheinung der heiteren Gelassenheit und der Seelenruhe, der stoischen Inbegriffe menschlichen Glücks. Ein glückliches Leben, meinte Seneca, könne nur derjenige führen, der nicht nur an sich selbst denke und alles seinem Vorteil unterordne. Glück spende die Fähigkeit zur Freundschaft mit sich selbst und anderen. Worauf es Seneca im Verlauf des Lebens schließlich ankommt, ist die Annäherung an das Ziel, die Unschuld des Neugeborenen mit den Mitteln der Vernunft und Einsicht zurückzugewinnen. Zitate: • Der Ruhm ist der Schatten der Tugend; er folgt ihr auch ungeheißen. • Fang jetzt zu leben an und zähle jeden Tag als ein Leben für sich. • Weise Lebensführung gelingt keinem durch Zufall. Man muß, solange man lebt, lernen, wie man leben soll. • Mit dem Leben ist es wie mit einem Theaterstück; es kommt nicht darauf an, wie lang es ist, sondern wie bunt. • Wie lange ich lebe, liegt nicht in meiner Macht; daß ich aber, solange ich lebe, wirklich lebe, das hängt von mir ab. • Was auch immer für ein Ende mir das Schicksal bestimmt hat, ich werde es ertragen. • Der Tod ist die Befreiung und das Ende von allen Übeln, über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus, er versetzt uns in jene Ruhe zurück, in der wir lagen, ehe wir geboren wurden. • Es ist unser Irrtum, daß wir den Tod in der Zukunft erwarten. Er ist zum großen Teil schon vorüber. Was von unserem Leben hinter uns liegt, hat der Tod. • Kinder, junge Leute und Verrückte fürchten den Tod nicht. Es wäre doch eine Schande, wenn uns die Vernunft nicht dasselbe verschaffen könnte. • Glückselig kann auch der genannt werden, der, von der Vernunft geleitet, nichts mehr wünscht und nichts mehr fürchtet. 21 Altertum Altertum • Nichts bringt uns mehr vom Weg zum Glück ab, als daß wir uns nach dem Gerede der Leute richten, statt nach unseren Überzeugungen. • Am besten aber wirst du den Charakter eines Menschen kennen lernen, wenn du beobachtest, wie er jemanden lobt und wie er sich verhält, wenn er selbst gelobt wird. • Beweise für die Beschaffenheit des Charakters kann man auch aus Kleinigkeiten entnehmen. • Wir haben nicht zu wenig Zeit, sondern vergeuden zu viel. • Ich wundere mich oft darüber, wie leichtfertig man um Zeit bittet und sie anderen gewährt. • Es ist gleichsam, als wenn um ein Nichts gebeten wird. • Wer ja sagt zu seinem Schicksal, den führt es voran; den Widerstrebenden aber schleift es mit. • Was einen treffen kann, kann jeden treffen. • Glaube nicht, daß jeder, der lacht, sich auch freut; wahre Freude ist eine ernste Sache. • Alle, sage ich, streben dorthin, zur Freude, aber wo sie dauerhafte und große Freude finden, wissen sie nicht. • Man muß so lange lernen, als man noch Mangel an Kenntnissen hat, wenn wir dem Sprichwort glauben wollen, also, solange wir leben. • Nur die Menschen, die für die Weisheit Zeit haben, sind frei von Unruhe. Sie allein leben. • Wer Weisheit sucht, ist ein Weiser; wer glaubt, sie gefunden zu haben, ist ein Narr. • Vergiß nicht - man benötigt nur wenig, um ein glückliches Leben zu führen. • Es ist sinnlos, dem Schicksal zu grollen, denn es nimmt keine Klagen an. • Was dir auch zustößt, es war dir von Ewigkeit her vorbestimmt. • Sie verachten einander und schmeicheln einander; sie wollen anderen den Rang ablaufen und kriechen doch voreinander. • Das macht den vollendeten Charakter aus: Jeden Tag so leben, als wäre er der letzte, und weder erregt noch verkrampft noch unecht zu sein. • Die Welt ein ewiger Wechsel, das Leben ein Wahn! • Wie lange der Mensch lebt, ist gleichgültig, notwendig aber ist es, daß jeder seine Pflicht tut. • Behalte die Kunst, welche du gelernt hast, lieb, und suche in ihr deine Ruhe. Durchwandere den Rest deines Lebens als ein Mensch, der alle seine Angelegenheiten von ganzer Seele den Göttern überlassen hat und keinem andern Menschen gegenüber sich als Tyrann oder Sklave gebärdet. • Unerschütterliche Ruhe gegenüber denjenigen Ereignissen, die eine äußere Ursache haben. • Die ganze Welt ist einem Gesetz untergeordnet und in allen vernünftigen Wesen steckt eine Vernunft. Deshalb ist die Wahrheit alleinig und der Begriff der Vollkommenheit ist für vernünftige Menschen ebenfalls alleinig. • Wir müssen von ganzem Herzen alles, was uns trifft, willkommen heißen, wir dürfen auch innerlich nicht murren, ja uns nicht einmal wundern. • Die Lebenskunst ist der des Ringers ähnlicher als der des Tänzers, denn es gilt, bei unvorhergesehenen Schlägen des Schicksals kampfbereit und unerschütterlich fest dazustehen. • Einsamkeit suchen die Menschen auf ländlichen Fluren, am Meeresufer, in den Bergen. Doch einer wie beschränkten Ansicht entspringt dieser Wunsch! Kannst du dich doch, sooft du nur willst, in dich selbst zurückziehen. Gibt es doch nirgends eine stillere und ungestörtere Zufluchtsstätte als die Menschenseele. • Alles, was dir geschieht, ist dir aus der Ewigkeit vorausbestimmt. Jener große Zusammenhang von Ursache und Wirkung hat beides, Die Lebenskunst ist der des Ringers ähnlicher als der des Tänzers, denn es gilt, bei unvorhergesehenen Schlägen des Schicksals kampfbereit und unerschütterlich fest dazustehen. Marc Aurel Korruption machten ausgerechnet die Zeit seiner Herrschaft zum Wendepunkt römischer Macht und Gesittung. Er ernannte später seinen Sohn Commodus, einen haltlosen Wüstling, zum Mitkaiser. Am 3. August 178 brachen Mark Aurel und Commodus zum zweiten Markomannenkrieg auf. Auf diesem Feldzug starb der Kaiser am 17. März 180, vermutlich in Vindobona, dem heutigen Wien an einer uns nicht weiter bekannten Krankheit. Lehre: Bereits als Zwölfjähriger soll er sich in den Mantel der Philosophen gekleidet und fortan auf unbequemer Bretterunterlage genächtigt haben, nur durch ein von der Mutter noch mit Mühe verordnetes Tierfell gepolstert. Marc Aurel war ein Anhänger der Lehren der Stoa und gilt als bedeutender Vertreter des Spät-Stoizismus, er begenete allen Widerwärtigkeiten mit stoischer Gelassenheit und Weisheit. Sein bekanntestes Werk ist „Selbstbetrachtungen,“ in dem er sich in Gedanken und Aphorismen mit der Stellung und den Aufgaben des Menschen befasst. Marc Aurel Römischer Kaiser und Philosoph (121 - 180) Leben: Der spätere Kaiser Mark Aurel wurde als Marcus Annius Catilius Severus in Rom geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters wuchs Marcus im Haus seines Großvaters auf. Am 17. März 136 nahm er anlässlich seiner Verlobung mit Ceionia, der Tochter des im selben Jahr zum Nachfolger Hadrians bestimmten Lucius Aelius Caesar, den Namen Marcus Annius Verus an. Marcus wurde so in die Familie des voraussichtlichen Thronfolgers eingebunden. 139 wurde Mark Aurel zum Caesar erhoben und damit formell zum Thronfolger designiert, vorfristig, nämlich schon mit 18 Jahren, bekleidete er im folgenden Jahr sein erstes Konsulat. Kriege, Missernten, Epedemien und 22 Dabei dürften die Grundlagen der dort formulierten Überzeugungen bereits frühzeitig gegolten haben, denn sie fußten auf einer bald 500-jährigen und gleichwohl lebendigen Tradition stoischen Philosophierens. Qualifizierungsprozess und Herrschaftspraxis sind gerade darum in engem Zusammenhang mit seinen Selbstbetrachtungen zu sehen, weil die Einheit von Denken und Handeln, von Wort und Tat für seine Daseinsauffassung vorrangig war. Zitate: • Art und Ziel des Lebens ist das eigene Wohl, weshalb man mit Bestimmtheit wissen muß, was das Gute ist, das zu diesem Wohle führt. • Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht. • Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern daß man nie beginnen wird, zu leben. • Sieh nach innen. Von keinem Dinge soll dir seine eigentümliche Beschaffenheit oder sein Wert entgehen. 23 Mittelalter Mittelalter dein Dasein und dieses dein Geschick, von Ewigkeit aufs innigste verwoben. • In der Natur des Menschen ist das erste sein Trieb zur Geselligkeit, das zweite aber seine Überlegenheit über die Sinnesreizungen. … Der dritte Vorzug besteht darin, nicht blindlings beizupflichten noch sich täuschen zu lassen. nach Nordafrika vor und erreichte 388 Kathago. 391 ging er nach Hippo und gründete dort das erste Kloster auf afrikanischem Boden, 396 wurde Augustinus Bischof von Hippo, eine Position, die er bis zu seinem Lebensende innehatte, er diktierte Buch auf Buch; am Ende seines Lebens waren es mehr als 100 Werke. Augustinus starb 430 während der Belagerung Hippos durch die Vandalen. Lehre: Der zunächst vom Skeptizismus geprägte Augustinus beschäftigte sich zeitlebens mit dem Problem der Wahrheit, bei der Lösung stellt er Augustinus von Hippo Lateinischen Kirchenlehrer und Philosoph (354 - 430) Leben: Augustinus wurde 354 in der nordafrikanischen Stadt Thagaste in der römischen Provinz Numidien geboren. Augustinus Vater Patricius, ein kleiner Landeigentümer, war Heide, seine Mutter Monica war Christin aus einer christlichen Berber-Familie. Bis 370 besuchte Augustinus die Schule in Thagaste und die Universität der Nachbarstadt Madauros, ab 371 studierte er Rhetorik in Karthago. Er ging früh eine uneheliche Verbindung mit einer Frau unbekannten Namens aus Karthago ein die 15 Jahre lang dauern sollte. Diese Lebensgefährtin gebar 372 einen gemeinsamen Sohn, der den Namen Adeodatus („Der von Gott Gegebene“) erhielt. 373 wandte Augustinus sich dem Manichäismus zu, einer gnostischen Glaubensgemeinschaft, ab 382 begann er, sich vom Manichäismus mehr und mehr abzuwenden; 383 kam es zu einer für ihn intellektuell enttäuschenden Begegnung mit dem manichäischen Bischof Faustus von Mileve und zug nach Rom. 384 wurde er als Rhetoriklehrer nach Mailand berufen, wo Kaiser Valentinian II. residierte. Eine seiner Aufgaben bestand darin, die öffentlichen Ehrenreden auf Kaiser und Konsuln zu halten. Auf Drängen seiner Mutter, die 385 in Mailand eintraf und eine Verlobung arrangiert hatte, trennte er sich im selben Jahr von seiner Lebensgefährtin, die nach Nordafrika zurückkehrte. Der gemeinsame Sohn blieb bei Augustinus. 386 geriet Augustinus in eine intellektuelle, psychische und körperliche Krise, woraufhin er seinen Beruf aufgab. 387 zog Augustinus mit einigen Verwandten und Freunden auf ein Landgut in Cassiciacum, hier verfasste er zahlreiche Schriften. Im selben Jahr ließ er sich mit seinem Sohn Adeodatus und seinem Freund Alypius in Mailand vom damaligen Bischof Ambrosius christlich taufen und bereitete seine Rückkehr Augustinus die Unzweifelhaftigkeit der Existenz des Denkenden fest und sucht sie im menschlichen Geist selbst. Der Grund aller Wahrheit sind bei Augustinus die ewigen Ideen in Gottes Geist, Gott selbst ist die Wahrheit. Verfügbar wird die Wahrheit für den Menschen nun in der vermittelten Erleuchtung des Geistes durch Gott. Der göttliche Geist „strahlt“ diese Ideen und Regeln direkt in den menschlichen Geist „ein“; die Wahrheit findet sich also nicht außerhalb des Menschen, son24 dern im Menschen selbst vor. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit der Zeit, Augustinus spricht über drei Zeiten: Ge-genwart des Vergangenen, Gegenwart des Gegenwärtigen und Gegenwart des Zukünftigen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als solche existieren nach Augustinus nicht. „Wie kann man sagen, dass [die vergangenen und zukünftigen Zeiten] sind, da doch die vergangene schon nicht mehr und die zukünftige noch nicht ist? Die gegenwärtige aber, wenn sie immer gegenwärtig wäre und nicht in Vergangenheit überginge, wäre nicht mehr Zeit, sondern Ewigkeit.“ Wer Gott hat ist glücklich. Manchmal nannten sie es die Idee und manchmal das Gute und manchmal Gott. Sie suchten aber die Idee, das Gute und Gott immer - um des Glückes willen, um des ungestörten Glücks willen. Alles was ich liebe, brauche ich nicht zu fürchten. Durch Gott wird man jede Furcht los, das größte Hindernis auf dem Wege zum Glück. Auch Epikur hatte im Sich-Fürchten das Haupthindernis für das Glücklichsein gesehen. Die Dialektik ist die Disziplin der Disziplinen, lehrt lernen und lehren um das Sein. Wenn ich weiß das ich bin, dann weiß ich auch das ich weiß. Bekämpfung von Aberglauben und Mutmaßungen. Alle Dinge sprechen gleichsam, Himmel, Erde usw., wir sind nicht dein Gott, Gott hat uns geschaffen. Gott ist Ursache des Daseins. Zitate: • Weg mit dem allen, verwerfen wir es als eitel und nichtig, wenden wir uns einzig und allein der Erforschung der Wahrheit zu. Das Leben ist voll Elends, die Stunde des Todes ungewiß. • Was nützt ein goldener Schlüssel, wenn er die Tür zur Wahrheit nicht öffnet. • Die Wahrheit wohnt im Inneren des Menschen. • Die Zeit kommt aus der Zukunft, die nicht existiert, in der Gegenwart, die keine Dauer hat, und geht in die Vergangenheit, die aufgehört hat zu bestehen. • Jedes Sein, auch wenn es verderbt ist, ist gut, insofern es ein Sein ist; es ist schlecht, insofern es verderbt ist. • Zeit ist Leben, und Leben ist Verantwortung und Verantwortung bestimme eure Zeit. • Keiner von uns sage, er habe die Wahrheit schon gefunden. Laßt sie uns vielmehr so suchen, als ob sie uns beiden unbekannt sei. • Was ist also die Zeit? Wenn mich niemand darüber fragt, so weiß ich es; wenn ich es aber jemandem auf seine Frage erklären möchte, so weiß ich es nicht. • Das Leben des Menschen muß sich von Tag zu Tag zum Besseren wandeln. • Nur auf dem Weg der Freundschaft kann man einen Menschen richtig erkennen. • Wir müssen unseren Nächsten lieben, entweder weil er gut ist oder damit er gut werde. • Ihr seid die Zeit. Seid ihr gut, sind auch die Zeiten gut. • Wo der Mensch gefallen ist, dort muß er sich wieder aufrichten, um wieder hochzukommen. • Wenn man fragt, ob einer ein guter Mensch sei, so fragt man nicht, was er glaubt oder hofft, sondern was er liebt. • Die Feindschaft schlägt dem Herzen weit tiefere Wunden, als je ein Mensch dem Feinde Wunden schlagen kann. • Nicht in den Dingen liegt das Böse, sondern in dem unrechten Gebrauch. • Widerwillig ertrug ich den Zwang des Unterrichts, und doch tat der Zwang mir gut, und ich würde nicht gelernt haben, wäre ich nicht genötigt worden. Und es ist so, daß jeder ungeordnete Geist sich selbst zur Strafe wird. • Gott ist nicht der Vater des Bösen. • Denn Augen haben und Betrachten ist nicht dasselbe. • Die Zeiten sind nicht leer, und sie rollen nicht spurlos durch unser Empfinden. • Lieber mit der Wahrheit fallen als mit der Lüge siegen. Avicenna Persischer Arzt und Philosoph (980 - 1037) Leben: Ibn Sinas Vater war ein aus der chorasanischen Stadt Balch stammender ismailitischer Steuereintreiber, der sich im Dorf Afscha-na bei Buchara im persischen Samanidenreich niederließ und dort Ibn Sinas Mutter Setara heiratete. Ibn Sina und ein Bruder wurden in Afschana geboren, anschließend zog die Familie nach Buchara. Da seine Muttersprache Persisch war, lernte er zuerst Arabisch, die damalige Lingua franca. Danach wurden ihm zwei Lehrer zugewiesen, die ihm den Koran und Literatur näher bringen sollten. Bereits im Alter von zehn Jahren konnte er den Koran 25 Mittelalter Mittelalter Die verborgene Zwiesprache ist eine direkte Begegnung zwischen Gott und der Seele, losgelöst aus allen materiellen Beschränkungen. Die Seele ist vom Körper getrennt. Avicenna auswendig und hatte viele Werke der Literatur studiert und sich dadurch die Bewunderung seiner Umgebung erworben. Während der nächsten sechs Jahre studierte er autodidaktisch die Rechte (Jura), Philosophie, Logik, Werke des Euklid und den Almagest. Er wandte sich im Alter von 17 Jahren der Medizin zu und studierte sowohl ihre Theorie als auch ihre Praxis. Da er sich im Alter von 18 Jahren bereits einen Ruf als Arzt erarbeitet hatte, nahm ihn der samanidische Herrscher Nuh ibn Mansur (976–997) in seine Dienste auf. Zum Dank wurde ihm erlaubt, die königliche Bibliothek mit ihren seltenen und einzigartigen Büchern zu nutzen. So gelang es ihm, im Alter von 21 Jahren sein erstes Buch zu verfassen. Ibn Sina verlor 1002 seinen Vater und 1005 mit dem Aussterben der samanidischen Dynastie seine Anstellung. Über das reiche Oasengebiet südlich des Aralsees herrschte damals Ali ibn Mamun, dem Ibn Sina in Kath diente, bis er 1012 floh, um nicht in den Dienst des Sultans Mahmud von Ghazni treten zu müssen. In Rayy, wo er sich 1014–1015 aufhielt und im Dienst der Buyiden stand, gründete Ibn Sina eine medizinische Praxis und verfasste 30 kurze Werke. Nach dem Tod Shams ad-Daulas (1021) bot Ibn Sina dem Kakuyiden-Emir ‘Ala- ad-Daula Muh.ammad von Isfahan seine Dienste an und wurde deswegen vom neuen Herrscher Hamadans in der nahen Burg Fardajan eingekerkert, er kam nach vier Monaten Kerker frei und ging 1024 nach Isfahan. Ibn Sina starb im Juni 1037 im Alter von 57 Jahren entweder an der Ruhr oder an Darmkrebs. Er wurde in Hamadan begraben, wo noch heute sein Mausoleum steht. Es wird behauptet, dass Ibn Sina 21 Haupt- und 24 Nebenwerke in Philosophie, Medizin, Theologie, Geometrie, Astronomie und anderen Gebieten vollendet hat. Die meisten von ihnen waren arabisch; aber auch in seiner Muttersprache Persisch schrieb er eine große Auswahl philosophischer Lehren. Lehre: Ibn Sina beschäftigte sich ausgiebig mit philosophischen Fragen, sowohl mit Metaphysik als auch mit Logik und Ethik. Seine Kommentare zu Werken des Aristoteles enthielten konstruktive Kritik an dessen Auffassungen und schufen Voraussetzungen für eine neue Aristoteles-Diskussion. Ibn Sinas philosophische Lehren werden sowohl von westlichen als auch von muslimi26 schen Forschern als weiterhin aktuell eingeschätzt. Während westliche Wissenschaftler ihn oft als Rationalisten in der Nachfolge von Aristoteles sehen, neigen muslimische Forscher eher dazu, ihn als Mystiker zu betrachten. Die frühe islamische Philosophie, die sich noch eng am Koran orientierte, unterschied klarer als Aristoteles zwischen Wesen und Existenz. Ibn Sina entwickelte eine umfassende metaphysische Weltbeschreibung, indem er neuplatonisches Gedankengut mit aristotelischen Lehren verband. Ibn Sina bestritt die Unsterblichkeit der menschlichen Seele, Gottes Interesse an Einzelereignissen sowie eine Erschaffung der Welt in der Zeit. Ibn Sina widmete sich der Logik sowohl in islamischer Philosophie als auch in Medizin mit großer Hingabe und entwickelte sogar ein eigenes logisches System, das auch als „Avicennische Logik“ bezeichnet wird. So war Ibn Sina wohl einer der ersten, die es wagten, Aristoteles zu kritisieren und von ihm unabhängige Abhandlungen zu verfassen. Besondere Kritik erhielt die Schule von Bagdad von ihm, da sie sich zu sehr auf Aristoteles begründete und entwickelte eine neuartige wissenschaftliche Methode. Seine philosophischen Tätigkeiten brachten ihn manchmal in Konflikt mit der islamischen Orthodoxie: Ausgehend von der Seelenlehre des Aristoteles differenzierte er die drei Seelenvermögen weiter aus und ordnete sie der Weltseele unter. Damit widersprach er zentralen Glaubensinhalten, was ihm die Feindschaft sunnitischer Theologen einbrachte. Zitate: • Die Seele ist vom Körper getrennt. • Laufe in Sandalen, bis daß dir die Weisheit Schuhe einbringt. • Die verborgene Zwiesprache ist eine direkte Begegnung zwischen Gott und der Seele, losgelöst aus allen materiellen Beschränkungen. • Durch starkes Denken kann man ein Kamel zu Fall bringen. • Du glaubst dich aus dem Nichts und enthältst das Universum. dierte Recht, Medizin und Philosophie und war auch darüber hinaus ein sehr gebildeter Mensch. Er führte ein vielfältiges Leben, so war er 1169 Richter in Córdoba und Sevilla und 1182 wurde er für kurze Zeit Leibarzt des Kalifen Abu Yaqub. Das alle spanisch-arabischen Philosophen kennzeichnende Merkmal der ungünstigen politischen Verhältnisse zu jener Zeit traf auch für Averroës zu, die islamischen Herrscher bedurften ihrer nicht, 1195 fiel er in Ungnade. Averroës‘ Aufforderungen an die Menschen, ihre Vernunft zu gebrauchen, brachten ihn in Konflikt mit den Sichtweisen der islamischen Orthodoxie. Der Kalif, der sich auf einem Feldzug in Spanien befand, meinte auf die Unterstützung orthodoxer Kräfte angewiesen zu sein. Daher wurde Averroës nach Lucena, einer Kleinstadt südlich von Córdoba, verbannt, seine Werke wurden verboten und ihre Verbrennung angeordnet. Doch schon nach zwei oder drei Jahren holte ihn der Kalif an seinen Hof nach Marrakesch und machte alle Maßnahmen gegen ihn rückgängig. Bald darauf starb Averroës am 10. oder 11. Dezember 1198. Lehre: Averroës war ein offener und kritischer Geist seiner Zeit. In seiner Beschäftigung mit Aristoteles ging er so systematisch wie nur möglich voran und interpretierte ihn wie niemand zuvor. Er schrieb Kommentare in mehreren Abstufungen, kürzere, mittlere und größere und machte sich als Kommentator des Aristoteles einen Namen. Seine eigene Philosophie baut sehr auf Logik auf, wie es von einem großen Aristoteliker auch nicht anders zu erwarten wäre. Sie beginnt zunächst mit der Frage, ob man überhaupt philosophieren dürfe, ob es vom religiösen Gesetz her erlaubt, verboten, empfohlen oder notwendig sei. In Koran-Versen wie »Denkt nach, die ihr Einsicht habt!« findet Averroës nicht nur die Aufforderung an die Muslime, über ihren Glauben nachzudenken, sondern auch, die bestmögliche Beweislage für ihr Denken zu finden, und diese sieht er eindeutig in der Philosophie und zumal in der aristotelischen Beweisführung gegeben. Avicenna und anderen wirft er vor, Philosophie mit Theologie verbunden zu haben und somit die Philosophie für Leute wie al-Ghazali überhaupt erst angreifbar gemacht zu haben. Auch Averroës beschäftigte sich – wie fast alle islamischen Philosophen – mit dem Intellekt bzw. der Ver- Averroes Arabischer Arzt und Philosoph (1126 - 1198) Leben: Averroës wurde am 14. April 1126 in Córdoba in eine Juristenfamilie geboren. Er stu27 Mittelalter Mittelalter Philosophie und Religion sind nicht unvereinbar. Averroes Thomas von Aquin nunft. So habe nicht jeder Mensch seinen eigenen individuellen potenziellen Intellekt, der ihm die Glückseligkeit ermögliche. Denn es gebe nur einen universalen potenziellen Intellekt. Das Individuum verfüge aber nur über jene Tätigkeiten, die mit der körperlichen Existenz zusammenhängen, die von einer Seele koordiniert würden, einer Seele, die mit dem Körper verbunden sei und mit ihm vergehe. Die geistige Erkenntnis gehöre also nicht in den Bereich des Individuellen. Zitate: • Philosophie und Religion sind nicht unvereinbar. • Für den Gelehrten sind zwei Dinge erforderlich: Scharfsinn und Tadellosigkeit im Glauben mit sittlichen Tugenden. • Eine Wahrheit kann der anderen nicht widersprechen. Die Philosophie stimmt mit dem Glauben überein und legt Zeugnis für ihn ab. • Philosophie ist die Freundin und Stiefschwester der Religion. • Philosophen glauben dass die religiösen Gesetze notwendige moralische Kunstwerke sind. Italienischer Kirchenleherer und Philosoph (1225 - 1274) Leben: Thomas von Aquin, auch „der Aquinat“ bzw. nur „Thomas“ genannt, wurde kurz vor oder kurz nach Neujahr 1225 im Schloss Roccasecca, von Aquino 9 km entfernt, als siebter Sohn des Grafen Landulf von Aquino und Donna Theodora, Gräfin von Teate, geboren. Mit fünf Jahren wurde er als Oblate in das Benediktinerkloster Montecassino geschickt, wo der Bruder seines Vaters, Sinibald, als Abt wirkte. Von 1239 bis 1244 studierte er im Studium Generale der Universität Neapel. 1244 trat er gegen den Willen seiner Verwandten bei den Dominikanern ein, der 1215 als Bettelorden gegründet worden war. An der Universität Paris studierte er von 1245 bis 1248 bei Albertus Magnus, dem er dann nach Köln folgte. Von 1248 bis 1252 war er dort Student und Assistent des Albertus. Ab 1252 war er wieder in Paris. 1259 kehrte er nach Italien zurück und lehrte zunächst in Neapel und dann 1261 bis 1265 als Konventslektor des Dominikanerkonvents in Orvieto. Von 1265 bis 1268 war 28 er Magister in Rom, wo er mit der Abfassung der Summa Theologiae begann. Von 1268 bis 1272 lehrte er zum zweiten Mal als Magister in Paris. In dieser Zeit entstanden besonders viele seiner Schriften, unter anderem der größte Teil der Summa Theologiae und die meisten seiner Aristoteles-Kommentare. Von Mitte 1272 bis Ende 1273 unterrichtete er als Magister in Neapel. Thomas starb am 7. März 1274 auf der Reise zum Zweiten Konzil von Lyon im Kloster Fossanova, möglicherweise an Vergiftung. Lehre: Die Argumentationen des Aquinaten stützen sich zu einem großen Teil auf die sich im Hochmittelalter wieder ausbreitenden Gedanken des Aristoteles, die er – selbst Schüler des Begründers der mittelalterlichen Aristotelik, Albertus Magnus, – in seinem universitären Wirken weitergibt und in seinen Werken mit der christlichen Theologie verbindet. So identifiziert er den Unbewegten Beweger aus der Physik des Aristoteles mit dem christlichen Gott. Desweiteren arbeitet er an einer Bedeutung der Offenbarung in seiner Gotteslehre. Ein Kernelement der thomistischen Ontologie ist die Lehre von der Analogia entis, auch die Unterscheidung von Substanz und Akzidenz ist für das System des Thomas bedeutend. Eine weitere wichtige Unterscheidung ist die von Materie und Form. Einzeldinge entstehen dadurch, dass die Materie durch die Form bestimmt wird. Zu den besonders bedeutenden Aussagen der thomistischen Erkenntnistheorie gehört die Wahrheitsdefinition der Übereinstimmung von Gegenstand und Verstand. Thomas’ Anthropologie weist dem Menschen als leib-geistiges Vernunftwesen einen Platz zwischen den Engeln und den Tieren zu. Gestützt auf Aristoteles’ De Anima zeigt Thomas, dass die Seele den Geist als Kraft besitzt, in der Form, dass das Erkennen die Form der Seele ist, während die Seele wiederum die Form des Leibes ist. In der Ethik verbindet Thomas die aristotelische Tugendlehre mit den christlich-augustinischen Erkenntnissen. Die Tugenden bestehen demnach im rechten Maß bzw. dem Ausgleich vernunftwidriger Gegensätze. Das ethische Verhalten zeichnet sich durch das Einhalten der Vernunftordnung aus (Naturrecht) und entspricht damit auch dem göttlichen Gesetzeswillen. Thomas von Aquin war einer der einflussreichsten Theoretiker für das mittelalterliche Staatsdenken. Dabei sah er den Menschen als ein soziales Wesen, das in einer Gemeinschaft leben muss. In dieser Gemeinschaft tauscht er sich mit seinen Artgenossen aus, und es kommt zu einer Arbeitsteilung. Für den Staat empfiehlt er die Monarchie Gott hätte die Welt auch ohne Menschen und Seelen machen können. Thomas von Aquin als beste Regierungsform, denn ein Alleinherrscher, der mit sich selbst eins ist, kann mehr Einheit bewirken als eine aristokratische Elite. Um die Tyrannei zu verhindern, muss die Gewalt des Alleinherrschers eingeschränkt sein. Ist sie jedoch einmal eingetreten, so soll sie zunächst ertragen werden, denn es könnte ja auch noch schlimmer kommen. So schlussfolgert Thomas, dass es besser ist, gegen eine Bedrückung nur nach allgemeinem Beschluss vorzugehen. Zitate: • Das Böse ist das Fehlen des Guten. • Die Welt war nicht immer da. • Gott hätte die Welt auch ohne Menschen und 29 Neuzeit Neuzeit Seelen machen können. • Gott kann nicht definiert werden. • Das höchste Wissen von Gott, das wir in diesem Leben erlangen können, besteht darin, zu wissen, daß er über allem ist, was wir von ihm denken. • Wähle den Weg über die Bäche und stürze dich nicht gleich ins Meer! Man muß durch das Leichtere zum Schwierigeren gelangen. • Wer einen schweren Weg gegangen, ging ihn für sich und für uns. • Die Zukunft allein ist unser Zweck, und so leben wir nie, wir hoffen nur, zu leben. • Alles Böse wurzelt in einem Guten und alles Falsche in einem Wahren. • Alles, was ist, und sei es auf welche Weise auch immer – sofern es seiend ist, ist es gut. • Alle Wesen erstreben das Gute, doch nicht alle erkennen das Wahre. • Wahrheit ist die Übereinstimmung von Denken und Sein. • Wo immer geistige Erkenntnis ist, da ist auch freier Wille. • Der Mensch ist das Ziel der gesamten Schöpfung. • Klugheit betrachtet die Wege zur Glückseligkeit; Weisheit aber betrachtet den Inbegriff der Glückseligkeit selbst. • Gott bewahre mich vor jemand, der nur ein Büchlein gelesen hat. • Der Mensch findet die größte Freude in dem, was er selbst neu findet oder hinzulernt. • Wie das Werk der Kunst das Werk der Natur voraussetzt, so setzt das Werk der Natur das Werk Gottes, des Erschaffenden, voraus. erntet nach seiner eigenen persönlichen Meinung nur Undank, hervorgerufen durch Neid und Missgunst seiner Mitbürger. In den folgenden Jahren wohnte er mit seiner Frau und den mittlerweile sechs Kindern auf seinem kleinen Landgut, das Albergaccio in dem Dorf Sant’Andrea in Percussina 15 Kilometer südwestlich von Florenz. Machiavelli ertrug es nicht mehr, tatenlos in Florenz zu leben. Machiavelli führte einige Geschäftsreisen (1516 Livorno, 1518 Genua, 1519 und 1520 Lucca) durch. Machiavelli blieb wenig anderes übrig, als sich mit der Präsenz der Medici zu arrangieren, schrieb eine Geschichte von Florenz die er im März 1525 beendete. Im August 1525 reiste Machiavelli im Auftrag der florentinischen Wollzunft nach Venedig, um einen Konflikt zwischen Kaufleuten zu lösen. Im Frühjahr 1526 bekam Machiavelli den Auftrag vom Papst die Verteidigung von Florenz zu verstärken. Aus Civitavecchia schickte Machiavelli am 22. Mai 1527 eine Nachricht an Guicciardini. Sie ist das letzte überlieferte Lebenszeugnis. Lehre: Machiavelli widmete sich nach seinem Sturz einer umfassenderen schriftstellerischen Tätigkeit und seiner politischen Rehabilitierung. Sein Name wird heute mit rücksichtsloser Machtpolitik unter Ausnutzung aller Mittel verbunden. Der später geprägte Begriff Machiavellismus wird oft als abwertende Beschreibung eines politischen Verhaltens gebraucht, das zwar raffiniert ist, aber ohne ethische Einflüsse von Moral und Sittlichkeit die eigene Macht und das eigene Wohl als Ziel sieht. Machiavelli ging es nach heutigem Wissensstand aber – im Ansatz neutral – darum, Macht analytisch zu untersuchen, anstatt normativ vorzugehen und die Differenz zwischen dem, was sein soll und dem, was ist, festzustellen. Er orientierte sich in seiner Analyse an dem, was er für empirisch feststellbar hielt. Vor allem aufgrund seines Werks Il Principe („Der Fürst“) gilt er als einer der bedeutendsten Staatsphilosophen der Neuzeit. Der Herrscher wird als Machtmensch geschildert, dessen Handeln allein Machtgründen entspringt. Wenn ein Fürst seine Arbeit gut macht, „so werden die Mittel immer ehrenvoll, und von jedermann löblich befunden werden,“ ermunterte der gelehrte Italiener die Fürsten mit seiner Denkschrift auch zu unkonventionellen Methoden. Machiavelli bricht mit der Tradition normativer Fürstenspiegel bereits Nicht wer als erster zur Wa e greift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. Machiavelli Anwalt, war aber in dem Beruf erfolglos und verarmte. Mit seinem geringen Gehalt unterhielt er eine kleine Bibliothek und ermöglichte seinem Sohn Niccolò eine umfassende humanistische Bildung. So lernte Machiavelli schon früh autodidaktisch die Werke antiker Klassiker kennen, unter anderen die Werke von Aristoteles, Boëthius, Cicero und Claudius Ptolemäus. Er wurde auch von Privatlehrern in den Sieben Freien Künsten unterwiesen. 1498 wurde Machiavellis unter vier Bewerbern zum Staatssekretär und Vorsteher der zweiten Staatskanzlei, der „Kanzlei der Zehn,“ gewählt und war als solcher für die Außen- und Verteidigungspolitik zuständig. Im Sommer 1501 heiratet er Marietta Corsini. Wie damals üblich, wurde diese Heirat nach sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten geschlossen, mit ihr hatte er fünf Söhne und eine Tochter. 1503 wurde Machiavelli Ende September von der Signoria nach Rom zur Papstwahl geschickt. Hier ist Machiavelli „Gesprächspartner aller Mächti- Machiavelli Florentinischer Politiker und Philosoph (1469 - 1527) Leben: Niccolò Machiavelli entstammte einer angesehenen, jedoch verarmten Familie. Er wuchs zusammen mit seinen drei Geschwistern Primavera, Margherita und Totto Machiavelli bei seinen Eltern Bernardo di Niccolò Machiavelli und dessen Frau Bartolomea di Stefano Nelli im Florentiner Stadtviertel Santo Spirito südlich des Arno auf. Über seine Mutter ist wenig bekannt. Man weiß nur, dass sie belesen war und kleinere Schriften verfasste. Der Vater arbeitete hauptsächlich als 30 gen, vom zukünftigen Papst bis zum Kardinal d‘Amboise.“ Im August 1506 wurde Machiavelli, „der Menschen-Erforscher,“ zum Papst nach Rom geschickt, um sich und der Stadt Florenz ein Bild vom Papst zu machen und dessen Ziele herauszufinden, er wurde im Juni 1507 kurz zum Geschäftsträger der Republik beim römischdeutschen Kaiser Maximilian I. gewählt. Im Februar und März führte Machiavelli seine Bauernmiliz nach Pisa, welches am 8. Juni 1509 nach kurzem Kampf kapitulierte. Im Mai 1511 wurde Machiavelli nach Monaco geschickt. Die Mission verlief ergebnislos, sticht aber aus den zahlreichen Missionen Machiavellis insofern heraus, als er während dieser Mission explizit den Titel eines Botschafters trug. Im September 1511 wurde Machiavelli angesichts der ungeklärten Lage zum französischen König geschickt. Im November 1512 verlor Machiavelli alle seine Ämter. Machiavelli, der Reformer in Florenz, 31 Neuzeit Neuzeit damit, dass sein Fürst kein Erbfürst ist, sondern sich den Thron im politischen Spiel selbst errungen hat. Der perfekte Fürst muss die traditionellen Moralvorstellungen vorspielen können, aber er darf auch – im Interesse der Staatsräson – vor Gewalt und Terror nicht zurückschrecken. Als zweites bricht Machiavelli mit der Tradition, dass ein Fürst generös sein muss, in dem er Freunde beschenkt und auch selber im Luxus zu leben hat. Ein Fürst der dies befolgt, schmeichelt aber nur ein paar Mitläufern und ruiniert mit dem Luxusleben sein Fürstentum. Der Mensch ist in Machiavellis Augen ein Wesen, für das kein Ideal von individueller Vervollkommnung - wie bei Aristoteles - mehr gilt. Somit wird auch die teleologische Geschichtsauffassung des politischen Aristotelismus verworfen, wonach das Telos der Geschichte die Vervollkommnung der menschlichen Natur - sprich: der politischen Natur des Menschen - sei. Die politische Gesellschaft entsteht nach Machiavelli nicht aufgrund irgendeines Plans der Natur, sondern ‚durch Zufall‘. Machiavelli sieht die Geschichte „keineswegs in einem kontinuierlichen Fortschritt „zum Besseren,“ wie Kant und Hegel später behaupten werden, noch ist sie als Heilsgeschichte zu lesen.“ Die „Menschheit bewegt sich vielmehr unendlich in einem Kreis.“ „Virtù (Tugend/Tüchtigkeit) ist der Kernbegriff in Machiavellis Theorie und politischer Lehre.“ Unter dem Begriff virtù versteht Machiavelli die politische Energie bzw. den Tatendrang, etwas zu tun. „Seine an der politischen Realität orientierten Ratschläge sind nicht auf ein wünschbares (Tugend)-Ideal ausgerichtet, sondern auf ihre Tauglichkeit für die Praxis.“ Zitate: • Der Zweck rechtfertigt die Mittel. • Eine Veränderung bewirkt stets eine weitere Veränderung. • Der größte Feind der neuen Ordnung ist, wer aus der alten seine Vorteile zog. • Wenn ein Volk, das gewohnt ist, unter einem Machthaber zu leben,durch irgendein Ereignis frei wird, so behauptet es nur schwer seine Freiheit. • Nicht wer als erster zur Waffe greift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. • Jemand, der es darauf anlegt, in allen Dingen moralisch gut zu handeln, muß unter einem Haufen, der sich daran nicht kehrt, zu Grunde gehen. • Kriege können nicht verhindert werden, man kann sie lediglich zum Vorteil anderer hinauszögern. • Die Menschen wechseln nämlich ihre Herren, in dem Glauben, ihre Lage dadurch zu verbessern. Diese Hoffnung läßt sie zu den Waffen gegen ihren Herrscher greifen. • Ich weiß wohl, daß viele unter dem Schein von Anteilnahme uns zum Reden bringen und uns hinterher verhöhnen. • Niemals fehlt es dem Volk, wenn es einmal die Waffen ergriffen hat, an Fremden, die ihm helfen. • Die Menschen sind immer schlecht, wenn die Notwendigkeit sie nicht gut macht. • Von den Menschen kann man im allgemeinen das sagen, daß sie undankbar, wankelmütig, heuchlerisch, Gefahren fliehend, nach Gewinn begierig sind. • Es gibt viel Gutes, das zwar von einem klugen Mann erkannt wird, aber doch keine so auffälligen Gründe hat, um andere von seiner Richtigkeit überzeugen zu können. • Wer eine Zeit lang gütig schien und nun, um etwas zu erreichen, hart werden will, muß es mit den gehörigen Übergängen tun und die Gelegenheiten so wahrnehmen, daß er, bevor er infolge der Veränderung seines Wesens die alten Freunde verliert, schon so viele neue gewonnen hat, daß seine Macht keine Einbuße erleidet, sonst wird er durchschaut und geht ohne Freund zugrunde. • Starke Menschen bleiben ihrer Natur treu, mögen sie auch in schlechte Lebenslagen geraten, ihr Charakter bleibt fest, und ihr Sinn wird niemals schwankend. Über diese Menschen kann nichts Gewalt bekommen. • Aus kleinen Dingen werden große Dinge, und die Gesinnung der Menschen erkennt man auch an den kleinen Dingen. • Die Freundschaften, die für alle Vorteile bringen, sind von langer Dauer. • Nichts gelingt so leicht als das, was dich der Feind zu wagen außerstande hält. • Um eine Schlacht zu gewinnen, ist es nötig, dem Heer Vertrauen zu sich selbst und auf den Feldherrn einzuflößen. • Ein guter Minister sollte an seinem Lebens32 ende reicher an Ruhm und guten Taten geworden sein als an Vermögen. • Die wohlgeordneten Freistaaten müssen den Staat reich und den Bürger arm halten. • Während sich auf anderen Gebieten Irrtümer bisweilen wieder gutmachen lassen, ist dies bei Fehlern, die man im Kriege begeht, unmöglich, weil sie sich sogleich rächen. • Wer an Freiheit gewöhnt war, dem ist jede Kette eine Last und jegliches Band eine Fessel. • Keine Zeit und keine Macht ist imstande, den Wunsch nach Freiheit zu unterdrücken. • Wo man Kerker, Folter, Tod durch Henkershand im Hintergrund sieht, ist es gefährlicher zu warten als zu handeln: Denn im ersten Fall ist das Übel groß, im anderen zweifelhaft. • Es ist viel sicherer, gefürchtet als geliebt zu sein. • Einem Machthaber darfst du weder so nah stehen, daß sein Sturz dich mitreißt, noch so fern, daß du im Fall seines Sturzes nicht bereit bist, auf seine Trümmer zu steigen. • Man darf nie glauben, der Feind handle, ohne zu wissen, was er tut. • Nicht wer als Erster die Waffe ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. Unser Denken ist ein kühnes, riskantes Spiel, weil auch unser Denken, genau wie unser Schicksal, nicht erhaben ist über den unberechenbaren Zufall. Montaigne er das Collège de Guyenne in Bordeaux, wo er von seinen Lehrern teilweise gefürchtet war, weil er besser Lateinisch sprach als sie. Über die Jahre 1546 bis 1554 ist fast nichts bekannt. 1554, mit einundzwanzig Jahren, erhielt Montaigne das Amt eines Gerichtsrats, 1557 als das Steuergericht von Périgueux aufgelöst wurde, bekam Montaigne einen Gerichtsratsposten am Parlament von Bordeaux. 1559, 1560 und 1562 reiste er nach Paris, wobei es vor allem um die Frage der Unterdrückung oder Duldung der im französischen Südwesten stark verbreiteten Hugenotten ging. Am 23. September 1565 heiratete er Françoise de La Chassaigne, die Tochter eines Richterkollegen, Joseph de La Chassaigne. Die einzige das Erwachsenenalter erreichende Tochter war Éléonore Eyquem de Montaigne. 1570, mit achtunddreißig Jahren, quittierte Montaigne sein Richteramt und zog sich auf sein Schloss zurück. Mit der Rolle des Landedelmanns, als der Montaigne sich nach seinem Rückzug ins Private offenbar sah, vertrug es sich durchaus, zu lesen und literarisch zu dilettieren. Dies tat er mit Hilfe einer für damalige Verhältnisse relativ großen Privatbibliothek (etwa tausend Bände), die ihm zu großen Teilen von seinem Freund La Boétie vermacht worden war. Da er seit 1577 unter Nierenkoliken litt, ging Montaigne 1580 trotz der soeben wieder ausgebrochenen Kriegshandlungen (Hugenottenkriege in Frankreich 1562 bis 1598) auf eine Montaigne Französischer Politiker und Philosoph (1533 - 1592) Leben: Montaigne wurde als Michel Eyquem auf Schloss Montaigne, Château de Montaigne geboren, er war das älteste von vier ins Erwachsenenalter gelangten Kindern von Pierre Eyquem, einem katholisch gebliebenen Franzosen, der König Franz I. auf seinem Italienfeldzug begleitet hatte und dort mit den Ideen der Renaissance und des Humanismus in Berührung gekommen war. Seine Mutter, Antoinette de Louppes de Villeneuve (1514–1603) stammte wahrscheinlich aus einer Familie von Marranen was aber nicht zweifelsfrei belegt ist. Als er, etwa drei Jahre alt, stellte sein Vater einen aus Deutschland stammenden Arzt mit Namen Horstanus als Hauslehrer ein, der weder Französisch noch Gascognisch konnte und mit dem Kind nur Latein sprach. 1539 bis 1546 besuchte 33 Neuzeit Neuzeit Bäder-Reise, von der er sich Linderung erhoffte und ihn bis nach Rom führte dort blieb er mehrere Monate. Es war 1584 an dem Montaigne zum ersten Mal von Heinrich von Navarra, dem zukünftigen König und Anführer der calvinistischen Partei Heinrich IV. besucht wurde. Er wurde am 1588 in der Bastille eingekerkert, kam aber durch eine Intervention der Königinmutter Katharina von Medici rasch wieder frei. Montaigne verstarb plötzlich, am 13. September 1592. Er litt unter der sogenannten „Hals-Bräune“ eine alte Bezeichnung für die Diphtherie. Lehre: Mit seinem Hauptwerk, den Essais, begründete Montaigne die literarische Form des Essays, zu Deutsch in etwa „Versuch.“ Die Essais waren die ersten bedeutungsvollen philosophischen Schriften in französischer Sprache. Die einzelnen Bände der Essais wurden in drei Etappen vollendet, der erste Band zwischen 1572 bis 1573, gefolgt vom zweiten Band in den Jahren zwischen 1577 bis 1580 und schließlich der dritte Band von 1586 bis 1587. Die einzelnen Abschnitte seiner Essais betrachten unterschiedliche Objekte von ebenso unterschiedlichem Rang und reichen etwa von konfessionellen Streitfragen über die Medizin und Heilkunde, zu grundlegenden Problemen menschlicher Erkenntnis, betrachten das zwischenmenschliche Zusammenleben, Hexenprozesse und Aberglauben, Reiten und Pferde in einer kaleidoskopischen Vielfalt. Die Essais folgen dem Bewusstseinsstrom des Autors in die verschiedensten Lebensbereiche. Skepsis gegenüber jeglichen Dogmen, stoische Geringschätzung von Äußerlichkeiten sowie Ablehnung menschlicher Überheblichkeit gegenüber anderen Naturgeschöpfen kennzeichnen die Essais. Montaigne zitierte oder arbeitete in seinen Essais zahlreiche antike Philosophen und Literaten ein. Für Montaigne war die sinnliche Wahrnehmung ein höchst unzuverlässiger Akt. Menschen können unter falschen Wahrnehmungen, Illusionen, Halluzinationen leiden; man könne nicht einmal sicher sagen, ob man träumt oder nicht. Für Montaigne beruht die Gewissheit sinnlicher Eindrücke deshalb ausschließlich auf den subjektiven Empfindungen. Das Ergebnis des Wahrgenommenen bleibt im Relativen. Montaigne war Hauptvertreter der Skepsis in der späten Renaissance. Montaigne war es der mit seiner skeptischen Auffassung im Zweifel war, dass der Mensch Wahrheiten mit Gewissheit erkennen könnte. Indem Montaigne nun das, was dem Menschen über seine Sinne vermittelte, als unzuverlässig bezeichnete, formulierte er das zentrale Argument für seine Hypothese der skeptischen Weltanschauung, die einerseits in der Unzuverlässigkeit der Wahrnehmung liegt und andererseits in der Unsicherheit der Erkenntnis und damit der Vernunft ruht. Denn die Empfindung durch die Sinne birgt keine Sicherheit und ein allgemein gültiges Kriterium für rationale Urteile gibt es ebenso wenig (später durch Kant eingeführt). Platon ließ in seinem Dialog des Phaidon den Philosophen Sokrates bemerken, dass philosophieren Sterben lernen hieße. Für Montaigne, indem er Horaz zitiert, steuern wir alle demselben Ziel, dem Sterben und Tod zu. Für Montaigne ist das Verhältnis zum Tod eingebettet in seine allgemeinen Überlegungen und Reflexionen zur Lebenskunst. Zitate: • Ruhm und Ruhe können nicht unter einem Dach wohnen. • Letztendlich führen alle Weisheit und Überlegungen der Welt dahin, den Mensch zu lehren, sich nicht vor dem Tod zu fürchten. • Nicht der Mangel, sondern vielmehr der Überfluß gebiert die Habsucht. • Unser Denken ist ein kühnes, riskantes Spiel, weil auch unser Denken, genau wie unser Schicksal, nicht erhaben ist über den unberechenbaren Zufall. • Unser großes und ruhmreiches Meisterstück ist es, angemessen zu leben. Alles andere – zu herrschen, Schätze zu bewahren, aufzubauen – sind bestenfalls Anhängsel und Requisite. • Die oberste Aufgabe, zu der wir berufen sind, ist für jeden, sein eigenes Leben zu führen. • Auf den Tod sinnen heißt auf Freiheit sinnen. Wer sterben gelernt hat, versteht das Dienen nicht mehr. • Wer den Tod fürchtet, setzt voraus, daß er ihn kennt; ich aber weiß weder, was sein Wesen ist, noch was er in der anderen Welt aus uns macht. • Was wir gewöhnlich Freunde und Freundschaft nennen, ist weiter nichts als eine durch Zufall 34 zustande gekommene nähere Bekanntschaft, an die man sich gewöhnt hat und durch die ein gewisser geistiger Austausch erleichtert wird. • Freundschaften, die wir selbst geknüpft haben, sind gewöhnlich wertvoller als die, welche aus nachbarlichen oder verwandtschaftlichen Beziehungen hervorgehen. • Freundschaft kann nicht geknüpft werden, wo die Gleichheit in den Voraussetzungen für den geistigen Austausch fehlt. • Dumme verstehen auch ihre gescheitesten Gedanken nicht. • Ich beneide die Dummen um ihre Tollkühnheit: Sie sprechen den ganzen Tag. • Den besten Beweis von Weisheit liefet eine ständig gute Geistesstimmung. Weisheit ist, die Dinge zu nehmen, wie sie sind… und sich mit dem Unabänderlichen abzufinden. • Von jeder Teilansicht, von jeder Tätigkeit aus kann man einen Menschen gleich gut beurteilen; in jeder drückt sich irgendwie sein Charakter aus. • Ein edles Herz verleugnet seine Gesinnung nicht; es ist ihm recht, wenn man ihm bis ins Innere sieht. • Die Kompliziertheit eines Charakters wächst mit dem feinen Verständnis desselben. • Ich will lieber geschäftlich als charakterlich versagen. • Die meisten Menschen vermieten sich; sie verwenden ihre Kräfte nicht für sich, sondern für die, von denen sie sich beherrschen lassen: nicht sie selber sind bei sich zu Hause, sondern ihre Mieter. • Wir bestehen aus lauter Äußerlichkeiten; wir denken an das äußere Gebaren und vernachlässigen darüber das Wesentliche. • Der Mensch ist doch höchst unbesonnen! Nicht eine Käsemilbe kann er machen, und Götter und Heilige macht er zu Dutzenden! • Der Mensch nimmt als Ganzes erst zu, dann ab. • Ich suche nach keiner anderen Wissenschaft als der, welche von der Kenntnis meiner selbst handelt, welche mich lehrt, gut zu leben und gut zu sterben. • Ich kümmere mich nicht so sehr darum, wie ich bei andern aussehe, als wie ich in mir selber aussehe. • Ich habe niemals ein schlimmeres Monster oder rätselhafteres Geschöpf als mich selbst erlebt. • In manchen Städten habe ich gefunden: die gute Gesellschaft ist mittelmäßig, aber die schlechte ist vorzüglich. Thomas Hobbes Englischer Mathematiker und Philosoph (1588 - 1679) Leben: Hobbes wurde 1588 als Sohn eines einfachen Landpfarrers in Malmesbury in der Grafschaft Wiltshire geboren. Seine Mutter stammte aus einer Bauernfamilie. Da er bereits mit vier Jahren lesen, schreiben und rechnen konnte, wurde er als Wunderkind bezeichnet. Mit acht Jahren wurde Hobbes in einer Privatschule in den klassischen Sprachen unterrichtet. Schon sechs Jahre später im Alter von vierzehn Jahren begann er sein Studium an der traditionell-scholastischen Universität Oxford, wo er 1603–1607 vor allem Logik und Physik studierte. Nach seinem Bachelor-Abschluss 1608 in Oxford wurde er Hauslehrer, diesen Posten hatte er mit Unterbrechungen bis zu seinem Lebensende inne. Für kurze Zeit war Hobbes Sekretär des Philosophen Francis Bacon, für den er einige seiner Schriften ins Lateinische übersetzte. Auf den Auslandsreisen, die er mit seinen Schülern der Cavendish-Familie unternahm, lernte er in Pisa Galileo Galilei kennen. Ferner schloss er auf seinen Reisen Bekanntschaft mit René Descartes. Hobbes hatte sich im Streit zwischen Krone und Parlament anonym für die Rechte des Königs Karl I. und gegen das Unterhaus eingesetzt und musste deshalb 1640 nach Frankreich ins Exil fliehen. Hobbes Materialismus und seine Kritik an der katholischen Kirche („Reich der Finsternis“) ließ ihn eine Verfolgung in Frankreich befürchten, sodass er 1651 nach England zurückkehrte, wo er sich mit dem Cromwell-Regime arrangierte. In den Jahren 1655 und 1658 vollendete er seine Philosophie die aus drei systematisch aufeinander aufbauenden Teilen bestand: der Lehre von der körperlichen Substanz, der Lehre vom Menschen im Naturzustand und schließlich die Lehre vom Menschen in der Gesellschaft. Seine 1668 verfasste Geschichte der Bürgerkriegsepoche Behemoth oder Das Lange Parlament erhielt 35 Neuzeit Neuzeit DER MENSCH IST EINE MASCHINE Hobbes keine Druckerlaubnis, seine lateinischen Schriften musste er in Amsterdam verlegen lassen. Hobbes starb 1697 in Hardwick Hall/Derbyshire. Lehre: Ausgehend von einer materialistischen Grundhaltung und dem – exemplarisch durch René Descartes vertretenen – mechanistischen Denken seiner Zeit schreibt er allein den Körpern und deren Bewegung Wirklichkeit zu. Dabei entsteht keine Bewegung aus sich selbst heraus, sondern ist Folge einer anderen Bewegung. Der Bewegung unterliegen nur Körper; sie können ausschließlich durch andere Körper bewegt werden. Begeistern konnte sich Hobbes insbesondere auch für Euklidische Geometrie, die ihm als Vorbild für jegliche exakte Wissenschaft galt und deren Grundsätze er entsprechend auf seine Philosophie übertragen wollte. Auch die Vorgänge im Bewusstsein sind nach Hobbes lediglich Folge der Bewegung von Körpern. Durch Druck auf die jeweiligen Sinnesorgane lösen sie Sinneswahrnehmungen aus, die wiederum zu „Einbildungen“ (Imagination) führen. Diese setzen schließlich mannigfaltige psychische Prozesse wie Denken, Verstehen, Erinnern und dergleichen in Gang. Hobbes vertritt einen moralischen Relativismus und überträgt seine erkenntnistheoretische These: mittels menschlicher Wahrnehmung sei keine gesicherte Erkenntnis über die Welt möglich, auf das Feld der Ethik. Hobbes’ staatstheoretische Lehren bilden aus heutiger Sicht den zentralen Teil seines Werkes. Sie sind es, die ihm einen herausgehobenen Platz in der Philosophiegeschichte sichern. Vor allem aber sind sie Gegenstand seines Hauptwerks, des Leviathan von 1651. Dort beschäftigt er sich mit der Überwindung des von Furcht, Ruhmsucht und Unsicherheit geprägten gesellschaftlichen Naturzustands durch die Gründung des Staats, also der Übertragung der Macht auf einen Souverän. Dies geschieht durch einen Gesellschaftsvertrag, in dem alle Menschen unwiderruflich und freiwillig ihr Selbstbestimmungs- und Selbstverteidigungsrecht auf den Souverän übertragen, der sie im Gegenzug voreinander schützt. 36 Descartes Ausgehend von seiner Vorstellung der Welt als geschlossener Kausalzusammenhang, in dem jede Zustandsveränderung auf den Einfluss bewegter Körper zurückzuführen sei, nimmt er aber konsequenterweise eine erste, selbst nicht bewegte Ursache an, die diese Kausalprozesse in Gang setze, bei der es sich aber nicht notwendig um Gott handeln müsse. Hobbes war daher, obwohl ihm dies häufig vorgehalten wurde, nicht Atheist, sondern vertrat eher deistische Positionen. Zitate: • Der Mensch ist eine Maschine. • Der Krieg besteht nicht nur aus Schlachten oder Kampfhandlungen, sondern auch aus einer Zeitspanne, in der der Wille, sich zu bekriegen, ausreichend vorhanden ist. • Es ist unleugbar, daß der Krieg der natürliche Zustand der Menschen war, bevor die Gesellschaft gebildet wurde, und zwar nicht einfach der Krieg, sondern der Krieg aller gegen alle. • Gewalt und Betrug sind die zwei Haupttugenden im Kriege. • Es ist ein Gebot der rechten Vernunft, den Frieden zu suchen, sobald eine Hoffnung auf denselben sich zeigt. • Ich bin bereit, meine letzte Reise anzutreten – ein großer Sprung in die Dunkelheit. • Das erste und Grundgesetz der Natur geht dahin, daß man den Frieden suche, soweit er zu haben ist; wo dies nicht möglich ist, soll man Hilfe für den Krieg suchen. • Das Fehlen von Wissenschaft, das heißt Unkenntnis von Ursachen, macht dazu geneigt, oder besser, zwingt dazu, sich auf den Rat und die Autorität anderer zu verlassen. • Wissenschaft ist die Kenntnis von den Wirkungen und von der Abhängigkeit eines Faktums von einem anderen. • Denn außer Empfindungen, Gedanken und Gedankenfolge kennt der menschliche Geist keine Bewegung. • Die Demokratie ist in Wirklichkeit nicht mehr, als die Aristokratie der Redner. • Gut und Schlecht sind Namen, welche unsere Gelüste und Abneigungen bedeuten. • Der Mensch strebt von Macht zu Macht. • Der Mensch ist des Menschen Wolf. • Die Wahrheit ist für die Menschen nur deshalb wichtig, weil sie für sie nützlich und unerläßlich ist. französischer Naturwissenschaftler und Philosoph (1596 - 1650) Leben: Descartes wurde als drittes Kind einer kleinadeligen Familie der Touraine geboren. Sein Vater, Joachim Descartes, war Gerichtsrat am Obersten Gerichtshof der Bretagne in Rennes. Seine Mutter, Jeanne Brochard, starb nach der Geburt ihres letzten Kindes, das nicht überlebte. Da der Vater rasch wieder heiratete, verbrachte Descartes seine Kindheit bei seiner Großmutter mütterlicherseits und einer Amme. Mit acht Jahren kam er als Internatsschüler auf das Jesuitenkolleg von La Flèche, das er acht Jahre später mit einer klassischen sowie mathematischen Ausbildung verließ. Anschließend studierte Descartes Jura in Poitiers und legte dort 1616 ein juristisches Examen ab. Nach Reisen durch Dänemark und Deutschland verdingte sich Descartes 1619 als Soldat auf katholischer Seite an den ersten Kämpfen des Dreißigjährigen Krieges. 1620 hängte Descartes den Soldatenrock an den Nagel, 1625 ließ er sich in Paris nieder, hier verkehrte er mit Intellektuellen und bewegte sich in den Kreisen der gehobenen Gesellschaft. 1629 zog es Descartes in die Niederlande, vermutlich wegen der größeren geistigen Freiheit, die dort herrschte, er verbrachte dort die nächsten 18 Jahre. Im Spätsommer 1649 folgte er einer Einladung der jungen Königin Christina von Schweden, mit der er seit 1645 Briefe wechselte, und reiste nach Stockholm. Anfang Februar 1650 erkrankte er und starb zehn Tage später im Haus seines Gastgebers, des französischen Botschafters. Lehre: Descartes gilt als der Begründer des modernen frühneuzeitlichen Rationalismus, seine ausführlich formulierte philosophische Methode wird in vier Regeln zusammengefasst: Skepsis: Nichts für wahr halten, was nicht so klar und deutlich erkannt ist, dass es nicht in Zweifel gezogen werden kann. Analyse: Schwierige Probleme in Teilschritten erledigen. Konstruktion: Vom Einfachen zum Schwierigen fortschreiten. Rekursion: Stets prüfen, ob bei der Untersuchung Vollständigkeit erreicht ist. Descartes räumte, bei seiner Theorie der menschlichen Erkenntnis, den Überlegungen zu den eingeborenen Ideen eine Schlüsselposi37 Neuzeit Neuzeit tion ein. Sie seien aber nicht, etwa wie bei Platon als ein selbstständig Existierendes zu denken, sondern wären durch das Denken zu erfassen. Woraus er folgerte, dass die eingeborenen Ideen eng mit dem denkenden, sich selbst bewussten Subjekt zusammenhingen, da eine zu erkennende Idee etwas benötigt, das diese denkt. Der Mensch kann allem gegenübertreten und es in Frage stellen. Er beginnt also mit dem „Nein.“ Für Sartre beginnt das Reich des Menschen mit dem „ Nichts.“ Für Descarte ist die Seele eine geistige Substanz, die von Gott geschaffen und mit dem Körper, der materiellen Substanz eine „Composition“ bilden. Der „gesunde Verstand“ oder „Vernunft,“ um Wahres vom Falschen zu unterscheiden, verläuft in verschiedenen Bahnen und berücksichtigt nicht dieselben Dinge. In der Mathematik ist er vor allem für seine Beiträge zur Geometrie bekannt: Er verknüpfte Geometrie und Algebra und gehört damit zu den Wegbereitern der analytischen Geometrie, die die rechnerische Lösung geometrischer Probleme ermöglicht. Das teleologische Weltbild des Aristoteles wird ersetzt durch ein kausalistisches, in dem sich innerhalb der Objektwelt alles notwendig durch Druck und Stoß ergibt. Diese Annahme ist im weiteren Voraussetzung für die Theoriebildung in vielen Erfahrungswissenschaften geworden und allgemein Kennzeichen mechanistischen Denkens. Für Descartes waren physiologische Modellvorstellungen integraler Bestandteil seiner Philosophie. Die aristotelische Hervorhebung des Organischen negiert Descartes. Er reduzierte den lebenden Organismus des Menschen auf dessen Mechanik und wurde damit zum Begründer der neuzeitlichen Iatrophysik, in der Menschenmo- Das Lesen von guten Büchern ist wie eine Unterhaltung mit den besten Menschen vergangener Jahre. Descartes delle und (versuchte oder gedachte) Konstruktionen von Menschenautomaten eine wichtige Rolle spielten. Diese Betrachtung hat eine Fortsetzung in der Denkweise, den Menschen körperlich als mechanischen Apparat, also als Maschine zu betrachten und sein Denken heute beispielsweise mit dem Funktionieren von Computern zu vergleichen, wenn nicht gleichzusetzen. Zitate: • „Dieses ich, also die Seele, wodurch ich bin, was ich bin, ist vollkommen unterschieden vom Körper und wäre auch dann nichts anderes als das, was es ist, wenn der Körper nicht existierte.“ • „Der gesamte Verstand ist die bestverteilte Sache der Welt, denn jedermann meint, damit sogut versehen zu sein, dass selbst Diejenigen, die in allen übrigen Dingen sehr schwer zu befriedigen sind, doch gewöhnlich nicht mehr Verstand haben zu wollen, als sie wirklich haben. • Um die Wahrheit zu finden, muss einmal im Leben an allem, soweit es möglich ist, gezweifelt werden. • Das Lesen von guten Büchern ist wie eine Unterhaltung mit den besten Menschen vergangener Jahre. • Diejenigen, welche die größten Verstandeskräfte besitzen und ihre Gedanken am besten ordnen, um sie klar und verständlich zu 38 machen, können stets am überzeugendsten reden, selbst wenn sie niemals etwas von Rhetorik gehört haben. • Der Zweifel ist der Weisheit Anfang. • Ich Denke, also bin ich. Der Mensch ist die Krone der Schöpfung: Er kann denken. Er hat Bewußtsein seiner selbst. Ich denke, also handle ich mir Komplexe ein. • Man sollte sich nur den Gegenständen zuwenden, zu deren klarer und unzweifelhafter Erkenntnis unser Geist zuzureichen scheint. • Zur Erkenntnis der Dinge braucht man nur zweierlei in Betracht zu ziehen, nämlich uns, die wir erkennen, und die Dinge selbst, die es zu erkennen gilt. • Wenn man zu leben versucht, ohne zu philosophieren, dann ist das, als halte man die Augen geschlossen, ohne daran zu denken, sie zu öffnen. • Die gesamte Philosophie ist einem Baume vergleichbar, dessen Wurzel die Metaphysik, dessen Stamm die Physik und dessen Zweige alle übrigen Wissenschaften sind. • Ob wir wachen oder schlafen, nie sollten wir uns durch etwas anderes lenken lassen, als durch die Klarheit unserer Vernunft. • Es gibt keine angeborene Vorstellung im menschlichen Geist. • Die einzige unmittelbar glaubwürdige Realität ist die Realität des Bewußtseins. • Die nur ganz langsam gehen, aber immer den rechten Weg verfolgen, können viel weiter kommen als die, welche laufen und auf Abwege geraten. • Die größten Geister sind der größten Fehler ebenso wie der größten Tugenden fähig. • Denn mit den Geistern anderer Jahrhunderte verkehren, ist fast dasselbe wie reisen. Pascal war von Kindheit an kränklich. Er wurde deshalb von seinem hochgebildeten und naturkundlich interessierten Vater selbst sowie von Hauslehrern unterrichtet. Bereits mit zwölf erwies er sein hervorragendes mathematisches Talent und fand danach über seinen Vater, der in Pariser Gelehrten- und Literatenzirkeln verkehrte, Anschluss an den Kreis von Mathematikern und Naturforschern, wo er als 16-Jähriger mit einer Arbeit über Kegelschnitte beeindruckte. 1642 erfand er eine mechanische Rechenmaschine, die später Pascaline genannt wurde und als eine der ältesten Rechenmaschinen gilt. Sie ermöglichte zunächst nur Additionen, wurde im Lauf der nächsten zehn Jahre aber ständig verbessert und konnte schließlich auch subtrahieren. Als im Frühjahr 1649 Wirren das Leben in Paris erschwerten, wichen die Pascals bis Herbst 1650 in die Auvergne aus. Zurück in Paris verfasste er 1653 eine Abhandlung über den Luftdruck und beschäftigte sich mit Wahrscheinlichkeitsrechnung. Im Herbst 1654 wurde Pascal von einer depressiven Verstimmung erfasst, mit seiner ohnehin schlechten Gesundheit ging es immer rascher bergab, so konnte er 1659 viele Wochen nicht arbeiten. Anfang 1662 gründete er zusammen mit seinem Freund Roannez ein Droschkenunternehmen, im August erkrankte er schwer und ließ seinen Hausstand zugunsten mildtätiger Zwecke verkaufen und starb, im Alter von nur 39 Jahren. Lehre: Pascal hätte das Zeug gehabt einer der Großen im Felde der Mathematik und der Naturwissenschaft zu werden. Seine eigentliche Leidenschaft jedoch gilt im wachsendem Maße der Philosophie, sein Interesse gilt vor allem dem Menschen. „Man muß sich selbst erkennen,“ lautet seine Devise. „Es ist eine übernatürliche Verblendung, zu leben, ohne danach zu suchen, was man ist.“ Die Frage nach dem Menschen ist „das wahre Studium, das dem Menschen eigentümlich ist.“ Zitate: • Man muß sich selbst erkennen. • Alles Unglück in der Welt kommt daher, daß man nicht versteht ruhig in einem Zimmer zu sein. Die Einsamkeit aber ängstigt deshalb, weil ihr die Menschen unverdeckt sich selber gegenübergestellt werden. In der Einsamkeit zeigt sich die Trostlosigkeit, seine Ohnmacht, Pascal Französischer Mathematiker und Philosoph (1623 - 1662) Leben: Pascal stammte aus einer alten, in zweiter Generation amtsadeligen Familie der Auvergne. Sein Vater Étienne Pascal hatte in Paris Jura studiert, die Mutter, Antoinette Begon, kam aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie, Pascal hatte zwei Schwestern. Als er acht war, zog die Familie nach Paris. 39 Neuzeit Neuzeit war Miguel oder Michael de Spinozas, seine zweite Frau und Baruch de Spinozas Mutter war die Hanna Debora Senior. Über Spinozas Jugend ist zuverlässig nur bekannt, dass er im Alter von fünf Jahren mit dem Vater, seinem älteren Bruder und dem jüngeren Bruder Gabriel in das Mitgliederverzeichnis des Fördervereins Ets Haim eingeschrieben wurde. Wohl in der ersten Hälfte der 1650er Jahre kam Spinoza in Kontakt mit Mennoniten und lernte Latein. Er konnte hier seinen Gesichtskreis erweitern und wurde unter anderem mit dem Gedankengut von Descartes und der Spätscholastik bekannt. 1656 äußerte Spinoza starke Zweifel an verschiedenen für seine Gemeinde zentralen Glaubenslehren und wurde dann wegen seiner angeblich schlechten Meinungen und Handlungen aus der jüdischen Gemeinde ausgeschlossen. Spinoza war zu diesem Zeitpunkt erst 23 Jahre alt und hatte noch nichts veröffentlicht, er hielt sich noch bis 1659 in Amsterdam auf. In der Folgezeit war Sein Ruf, nicht nur der eines scharfsinnigen Kenners und eigenwilligen Fortbildners der Philosophie Descartes’, sondern zog auch das Interesse Alles Unglück in der Welt kommt daher, daß man nicht versteht ruhig in einem Zimmer zu sein. Pascal Abhängigkeit, Unzulänglichkeit etc., Langeweile, Düsterkeit, Kummer, Verdruß, Traurigkeit befällt den Menschen, die Angst vorm Alleinsein. Die Größe des Menschen ist darin groß, daß er sich selbst als elend erkennt. • Einbildung entscheidet alles • Der Mensch ist ein Schilfrohr, das schwächste der Natur; aber er ist ein denkendes Schilfrohr. Es ist nicht nötig, daß das ganze Weltall sich waffne, ihn zu zermalmen: Ein Dampf, ein Wassertropfen genügen, um ihn zu töten. • Es ist gefährlich, den Menschen zu oft daran zu erinnern, wie sehr er den Tieren gleich ist, ohne ihm seine Größe zu zeigen. Es ist aber auch gefährlich, ihm seine Größe zu zeigen, ohne seine Niedrigkeit sehen zu lassen. Aber noch gefährlicher ist es, ihn über beides in Unwissenheit zu lassen. Heilsam ist es, ihm beides vorzustellen. • Die Macht und nicht die Meinung regiert die Welt. Aber es ist die Meinung, die sich der Macht bedient. • Es gibt nur drei Arten von Menschen: die einen dienen Gott, da sie ihn gefunden haben; diese Menschen sind vernünftig und glücklich. Die anderen suchen ihn, da sie ihn noch nicht gefunden haben; solche sind vernünftig, aber noch unglücklich. Die dritten leben dahin, ohne ihn zu suchen; diese Menschen sind Toren und unglücklich. • Beschreibung des Menschen: Abhängigkeit, Wunsch nach Unabhängigkeit, Bedürfnisse. • Der Mensch, so wie er ist: Unbeständigkeit, Langeweile, Unruhe. • Ohne Zweifel ist es ein Übel, voll Fehler zu sein. Aber ein noch größeres Übel ist es, das nicht erkennen zu wollen. • Das Leben – es ist die Erinnerung an den vorüberfliegenden Tag, den wir zu Gast zugebracht haben. Spinoza Niederländischer Philosoph (1632 - 1677) Leben: Spinoza wurde am 1632 als Bento de Espinosa in Amsterdam geboren. Sein Vater 40 vieler Gelehrter auf sich. Um seinen Lebensunterhalt zu sichern, beschäftigte er sich recht erfolgreich mit der Herstellung von Mikroskopen und Ferngläsern. 1669 zog er nach Den Haag um. Hier erhielt er im Februar 1673 einen Ruf auf eine Professur an der kurpfälzischen Universität Heidelberg, der jedoch von dem beauftragten Vertrauten des Kurfürsten Karl I. Ludwig so abgefasst wurde, dass Spinoza sich veranlasst sah, ihn abzulehnen. Spinoza starb plötzlich im Alter von 44 Jahren am 21. Februar 1677 in seiner Mietwohnung an der Paviljoensgracht in Den Haag. Lehre: Spinoza wird dem Rationalismus zugeordnet und gilt als einer der Begründer der modernen Bibelkritik. Er nimmt in der Philosophiegeschichte eine Sonderstellung ein. Er gehörte weder einer etablierten philosophischen Schule an noch begründete er selber eine neue. Sicherlich war er einer der radikalsten Philosophen der frühen Neuzeit. Die Philosophie Spinozas hat vor allem ein ethisch-praktisches Ziel. Er möchte von den illusorischen Lebenszielen das einzig wahre unterscheiden, das ihm, wenn er es Kühnheit ist die Begierde, durch welche man angetrieben wird, etwas zu tun, trotz einer damit verbundenen Gefahr, die andere seinesgleichen von dieser Tat abhält. Geist und Körper sind ein und dasselbe Individuum. Spinoza 41 Neuzeit Neuzeit erreichen würde, eine stabile und wirklich befriedigende Freude verschaffen könnte. Um dies möglich zu machen, entwickelte er eine Ethik, deren Grundlagen (die in den ersten beiden Büchern der Ethik dargelegt werden) metaphysischer Natur sind. Die vier Zweige des Denkens Spinozas sind: Metaphysik, Ethik, politische Philosophie, Erkenntnistheorie. Lehrt die Vernunft, Frömmigkeit zu üben und ruhigen und guten Sinnes zu sein. Spinozas Ziel ist die Erkenntnis der Einheit, die den Geist mit der gesammten Natur verbindet, und ihrer teilhaftig werden in Gemeinschaft mit anderen Menschen. Alles ist Ausdehnung und Denken. Wo Denken ist, da ist Ausdehnung, und wo Ausdehnung, da ist Denken. Unter Ideen versteht Spinoza einen Begriff, den der Geist bildet, weil er ein denkendes Ding ist. Niemand weiß, auf welche Art oder mit welchen Mitteln der Geist den Körper bewegt. Alles, was ist, so auch der Mensch, will in seinem Sein beharren, daher sich gegen Gefahren und Widerstände behaupten. Was ist und sich behauptet hat Macht, seine Macht ist sein Recht. Wir nennen dasjenige schlecht, was Ursache einer Traurigkeit ist und unser Tätigkeitsvermögen vermindert oder hemmt! Wir nennen dasjenige gut, was Ursache einer Freude ist und unser Tätigkeitsvermögen vermehrt oder fördert! Die erste Grundlage der Tugend ist es, sein Sein zu erhalten und zwar nach Anleitung der Vernunft. (Wer sich selbst nicht kennt, kennt die Grundlage aller Tugenden nicht.) Sodann ist aus Tugend handeln nichts anderes, als nach Anleitung der Vernunft handeln und wer nach Anleitung der Vernunft handelt, muß notwendigerweise wissen, daß er nach Anleitung der Vernunft handelt. Wir können Mitleid als eine Traurigkeit definieren, entsprungen aus dem Unglück eines anderen. Darum sind wir auch demjenigen günstig gesinnt, der unseresgleichen wohlgetan hat und dagegen entrüstet über einen, der unseresgleichen Schaden zugefügt hat. Die Grundlage der Tugend ist das Streben nach Erhaltung des eigenen Seins und das Glück besteht darin, daß der Mensch sein Sein zu erhalten vermag. Freiheit ist für Spinoza: Freiheit von Affekten. Zitate: • Gott ist Ursache von allem, was in ihm ist • Geist und Körper sind ein und dasselbe Individuum • Der menschliche Geist ist ein Teil des unendlichen Verstandes Gottes • Kühnheit ist die Begierde, durch welche man angetrieben wird, etwas zu tun, trotz einer damit verbundenen Gefahr, die andere seinesgleichen von dieser Tat abhält. • Friede ist nicht Abwesenheit von Krieg. Friede ist eine Tugend, eine Geisteshaltung, eine Neigung zu Güte, Vertrauen und Gerechtigkeit. • Wer wirklich Gott liebt, den wird es nicht danach verlangen, daß Gott ihn lieb habe. • In der Natur der Vernunft liegt es nicht, die Dinge als zufällige, sondern als notwendige zu betrachten. • Es liegt in der Natur der Vernunft, die Dinge unter einem Gesichtspunkt der Ewigkeit zu erfassen. • Jedes Ding kann nur von einer äußern Ursache zerstört werden. • Die menschliche Freiheit besteht lediglich darin, daß sich die Menschen ihres Wollens bewußt, und der Ursachen, von denen sie bestimmt werden, unbewußt sind. • Niemand kann wünschen, glücklich zu sein, gut zu handeln und gut zu leben, wenn er nicht zugleich wünscht, zu sein, zu handeln und zu leben. • Das Ziel der Philosophie ist einzig und allein die Wahrheit, das Ziel des Glaubens einzig und allein Gehorsam und Frömmigkeit. • Ich weiß nicht, wie ich Philosophie lehren soll, um nicht zum Störer herbeigebrachter Religion zu werden. • Alle Körper sind entweder in Bewegung oder in Ruhe. Locke Englischer Philosoph (1632 - 1704) Leben: Locke wurde als Sohn eines Gerichtsbeamten in der Grafschaft Somerset geboren. Er entstammte einer relativ wohlhabenden Familie. Sein Großvater Nicholas Locke hatte als Tuchverleger ein kleineres Vermögen und Landbesitz angesammelt, von dem die Familie leben konnte. Sein Vater stand im Englischen Bürgerkrieg als Offizier auf der Seite des Parlaments, die Eltern waren Puritaner. John Locke besuchte ab 1647 42 Wir wollen also annehmen, die Seele sei ein weißes, unbeschriebenes Blatt Papier, ohne irgendwelche Vorstellungen; wie wird sie nun damit versorgt? Locke die ehemals königliche Westminster School in der Londoner Innenstadt. Er erlangte ein Stipendium, das ihm erlaubte, ab 1652 am College Christ Church der University of Oxford „klassische Wissenschaften“ zu studieren, was eine Schulung an Aristoteles und der Scholastik sowie die alten Sprachen Griechisch und Latein und die klassischen Autoren umfasste. 1656 verlieh ihm die Universität den Bachelor of Arts. Überlegungen, sein Studium abzubrechen und in eine Anwaltskanzlei einzutreten, gab er auf. Stattdessen legte er die Prüfung zum Master of Arts bereits zwei Trimester vor Ablauf der planmäßigen Studienzeit im Jahr 1658 ab. Danach wurde er als senior student Mitglied des Lehrkörpers und nahm seine Tätigkeit als Dozent auf. Er war ab 1660 Dozent für Griechisch, dann Rhetorik (1662) und Ethik 1663. Locke zog im Jahre 1667 in Shaftesbury‘s Domizil am Exeter House in London und diente ihm als Leibarzt obwohl er keine Zulassung als Doktor der Medizin hatte, diese wurde Ihm erst 1675 von der Universität verliehen. 1672 erhielt er durch Shaftesbury, die- ser protegierte Locke, einen der unwichtigeren Regierungsposten, der ihm jedoch Ansehen und Reichtum verschaffte. Locke unternahm von 1675 bis 1679 eine Reise durch Frankreich, die er nutzte, um sich mit dortigen Naturforschern auszustauschen. Von 1683 bis 1688 verbrachte Locke auf Grund von politischen Machtkämpfen in denen er verwickelt war in Holland. 1684 befahl der englische König, ihn in Abwesenheit aus dem Christ-Church-College auszuschließen. Erst mit dem Machtantritt Wilhelms von Oranien wurde ihm 1689 wieder ein Regierungsamt angeboten, das er aus gesundheitlichen Gründen ablehnte, ab 1690 zog er sich auf das Gut eines befreundeten Adligen zurück. Locke starb am 28. Oktober 1704 in seinem Arbeitszimmer. Lehre: Lockes politisches Denken geht von „protestantisch-christlichen“ Annahmen aus, er gilt allgemein als Vater des Liberalismus. Seine politische Philosophie beeinflusste die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten, die Verfassung der Vereinigten Staaten, die Verfassung des revolutionären Frankreichs und über diesen 43 Neuzeit Neuzeit Weg die meisten Verfassungen liberaler Staaten maßgeblich. Locke argumentierte dass eine Regierung nur legitim ist, wenn sie die Zustimmung der Regierten besitzt und die Naturrechte Leben, Freiheit und Eigentum beschützt. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, haben die Untertanen ein Recht auf Widerstand gegen die Regierenden. Locke lieferte einen bedeutenden Beitrag zur Erkenntnistheorie. Er befürwortet zwar die rationale Theologie und die Wende der Philosophie des Mittelalters zur Philosophie der Neuzeit, die die rationalistische Philosophie vor allem René Descartes verdankt. Locke wandte sich aber gegen die Rechtfertigung der Naturwissenschaften aus dem bloßen Denken und suchte ihr Fundament stattdessen in der Erfahrung. Dennoch nahm er wie Descartes als Ausgangspunkt der philosophischen Überlegungen den Zweifel an der gegenständlichen Wirklichkeit, an der Existenz der Außenwelt. Die Aufhebung dieses Zweifels wurde von ihm nun nicht mehr über den Gottesbegriff vollzogen, sondern empiristisch. Er ist zusammen mit Isaac Newton und David Hume der Hauptvertreter des britischen Empirismus. Lockes Kritik der Vorstellung der eingeborenen Ideen hat einen aufklärerischen Charakter. Durch die Untersuchung der Dinge selbst soll den Dogmen, Vorurteilen und den von Autoritäten vorgegebenen Prinzipien, wie sie zu seiner Zeit an der Tagesordnung waren, der Boden entzogen werden. Nachdrücklich wandte er sich gegen Descartes‘ Annahme, dass auch die Gottesidee angeboren sei: denn in vielen Gegenden der Welt gebe es keine entsprechende Gottesvorstellung. Erkenntnis ist Locke zufolge die Wahrnehmung der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung von Ideen. Zur Erkenntnis bedarf es also des Urteils, ob eine Aussage gültig ist. Das Material der Erkenntnis sind einfache Ideen. Wie sicher ist aber das Wissen um das Erkannte? Lockes Empirismus begrenzt die Erkenntnis auf die Erfahrung. Was jenseits der sinnlichen Erfahrung liegt, die Essenz der Dinge, kann nicht erkannt werden. Der Mensch weiß das er existiert, er weiß aber auch, daß Nichts nichts hervorbringen kann. Aus beidem folgt, daß irgendetwas von Ewigkeit existieren muß, denn was nicht ewig ist, hat einen Anfang und muß von etwas anderem hervorgebracht sein. Beide Alternativen, die Annahme einer Zeit, in der nichts ist, und die Annahme eines Nichts, das etwas hervorbringt sind widersprüchlich. Was als „Naturrecht“ bezeichnet wird, ist notwendigerweise inhaltlich unbestimmt. Denn man kann aus der „Natur“ des Menschen, aus angeblichen Ur- oder Idealzuständen der menschlichen Gesellschaft als „Recht“ nur das herauslesen, was man zuvor in sie hineingetragen hat. In der Erziehung wandte sich Locke, der nicht verheiratet war und keine Kinder hatte, gegen strenge Schulzucht. Stattdessen müsse die Erziehung die Individualität der Kinder und Jugendlichen fördern. Lockes Empfehlungen zu Bildung und Erziehung sind eng verknüpft mit seiner Lehre, dass jedes Kind in geistiger Hinsicht als Tabula rasa zur Welt kommt. Zitate: • Übernatürliche Wahrheiten kann man nur glauben • Glaube ist nichts als feste Zustimmung. • Neue Meinungen sind immer verdächtig und man setzt ihnen Widerstand entgegen mit dem einzigen Grund, daß sie noch nicht Allgemeingut sind. • Kein Wissen kann die Erfahrung eines Menschen übersteigen • Es ist nichts im Geist, was nicht vorher in den Sinnen war • Betrachtet man neugeborene Kinder aufmerksam, so ist wenig Grund vorhanden, dass sie viele Begriffe mit sich auf die Welt brächten. • Wir wollen also annehmen, die Seele sei ein weißes, unbeschriebenes Blatt Papier, ohne irgendwelche Vorstellungen; wie wird sie nun damit versorgt? • Obwohl ich geschrieben habe, „Von Natur aus sind alle Menschen gleich,“ möge man mir nicht unterstellen, ich verstünde alle Arten der Gleichheit. • Ohne Unterscheidung gibt es keine Erkenntnis. • Die Kenntnis unserer Fassungskraft ist ein Heilmittel gegen Skeptizismus und Müßigang. • In dem Maße, wie wir selber die Wahrheit und die Vernunft betrachten und erfassen, besitzen wir auch reale und wahre Erkenntnis. • Es gibt fast keine Eigenschaft, die nicht durch einen Mangel an Lebensart in ein nachteiliges 44 Licht gestellt oder verunstaltet wird. • Nichts ist dem Auge so schön wie die Wahrheit der Seele. Nichts ist so häßlich und so wenig mit dem Verstande zu vereinbaren wie die Lüge. • Praktische Grundsätze, die aus der Natur entspringen, sind da, um betätigt zu werden, und müssen eine Gleichförmigkeit des Handelns bewirken, nicht bloß eine theoretische Anerkennung ihrer Wahrheit. • Was unser Denken begreifen kann, ist kaum ein Punkt, fast gar nichts im Verhältnis zu dem, was es nicht begreifen kann. • Gleichgültig dagegen zu sein, ob wir das Falsche oder Rechte ergreifen, ist die große Heerstraße zum Irrtum. • Das Gute und das Böse, Belohnung und Strafe, sind die einzigen Motive eines rational denkenden Lebewesens; sie stellen die Sporen und Zügel dar, mit der die gesamte Menschheit zur Arbeit veranlaßt und angeleitet wird. • Die Notwendigkeit, nach wahrem Glück zu streben, ist die Grundlage der Freiheit. EINE IDEE KANN NUR EINER IDEE ÄHNLICH SEIN, EINE FARBE ODER FIGUR NUR EINER ANDEREN FARBE ODER FIGUR. Berkeley Anglikanischer Sensualist und Philosoph (1685 - 1753) Berkeley Naturgesetze sind nur Zeichen. Kategorien wie Materie, Kausalität, Bewegung und Substanz sind entbehrlich.“ Dieser sensualistische Ansatz wurde im Zuge der britischen Aufklärung von David Hume konsequent zu Ende gedacht. Zitate: • Geister sind tätige, unteilbare Substanzen, Ideen träge, vergängliche, abhängige Dinge, die nicht an sich existieren, sondern getragen werden von Geistern oder spirituellen Substanzen oder in diesen existieren. • Sein ist wahrgenommen werden. • Eine Idee kann nur einer Idee ähnlich sein, eine Farbe oder Figur nur einer anderen Farbe oder Figur • Zuerst wirbeln wir eine menge Staub auf, dann klagen wir, weil wir nichts mehr sehen. • Wenige Menschen können denken, aber alle wollen eine Meinung haben. • Die meisten Menschen, welche schlicht und ungelehrt sind, machen keinen Anspruch auf den Besitz abstrakter Begriffe. Leben: Berkeley besuchte das Trinity College in Dublin und war dort von 1707 bis 1713 Lehrer. Zur damaligen Zeit erhielt in Irland nur der einen Lehrstuhl, der auch Theologe war. 1713 ging er nach London und reiste von dort über Frankreich nach Italien. Dort beobachtete er 1717 den Ausbruch des Vesuv. Er reiste – nach seiner Heirat im Jahr 1728 – nach Rhode Island, wartete aber vergeblich auf die versprochene staatliche Unterstützung. Nach seiner Rückkehr wurde Berkeley 1734 Bischof von Cloyne, dort war er 18 Jahre Bischof von Cloyne und starb am 1753 in Oxford. Lehre: Berkeley kann als das Bindeglied zwischen Locke und Hume angesehen werden. Er behauptete – radikaler als Locke -, dass er weder die Substanz „Materie“ noch die Substanz „Geist“ für philosophisch begründbar hielte. „Die Existenz der äußeren Dinge besteht in ihrem Wahrgenommenwerden. Der Geist als solcher ist unerkennbar. Sein Wesen besteht im Erfassen. 45 Neuzeit Neuzeit Zweifel ist kein angenehmer Zustand, Gewissheit jedoch absurd. Voltaire literarische Begabung, 1710 gaben seine Lehrer ein Gedicht von ihm gedruckt heraus, eine Ode auf die hl. Genoveva. Da er nach dem Willen seines Vaters Jurist werden sollte wie schon sein Bruder, schrieb er sich 1711 an der Pariser juristischen Hochschule ein. 1713 wurde er von seinem Vater genötigt, eine Stelle als Notariatsangestellter in der Provinzstadt Caen anzutreten. Wieder in Paris, arbeitete Voltaire 1714 nochmals kurz bei einem Anwalt, war aber zunehmend literarisch tätig. 1717 wurde er auf Grund satirischer Ferse für elf Monate in der Bastille inhaftiert, anschließend aus Paris verbannt. Als 1722 sein Vater starb, erbte Voltaire einen Teil von dessen Vermögen und unternahm er seine erste längere Reise - in die österreichischen Nie- Französischer Philosoph der Aufklärung (1694 - 1778) Leben: Voltaire wurde als François-Marie Arouet am 21. November 1694 in Paris geboren. Voltaire war das jüngste von fünf Kindern des bürgerlichen Juristen François Arouet und der adeligen Marie Marguerite Arouet, geborene Daumart. Zwei seiner älteren Geschwister waren schon kurz nach ihrer Geburt gestorben, sein Bruder Armand war zehn, seine Schwester Catherine acht Jahre älter als er. 1704 kam Voltaire als Internatsschüler auf das Jesuitenkolleg Louis-leGrand, hier erwarb er eine solide humanistische Bildung. Früh schon bewies er mit Versen seine 46 Voltaire eigenständigen englischen Fassung die Letters Concerning the English Nation und 1734 in Paris die französische Originalausgabe die Lettres philosophiques. Hierin stellt er England seinen Landsleuten als Modell vor, was die Herrschenden in Frankreich erwartungsgemäß als Affront empfanden. Sie verboten das Buch, was seiner Verbreitung nur förderlich war, und erließen Haftbefehl gegen den Autor. In den nächsten zehn Jahren führte er ein unstetes Wanderleben. Schon seit 1736 stand er in Briefkontakt mit dem knapp zwanzig Jahre jüngeren Kronprinzen Friedrich von Preußen und wurde von diesem umworben. Bald nach der Thronbesteigung Friedrichs traf er ihn am 11. September 1740 im Schloss Moyland im Kreis Kleve und folgte im derlande. 1726 kam er nach einer Auseinandersetzung mit Chevalier de Rohan, Spross eines alten Adelsgeschlechts erneut in die Bastille. Da er inzwischen berühmt war, bot ihm der König die Freiheit an unter der Bedingung, dass er Frankreich verlasse. Voltaire akzeptierte und ging nach England, wo die industrielle Revolution bevorstand. Für einen Franzosen damals durchaus nicht selbstverständlich, lernte Voltaire Englisch sprechen, lesen und auch schreiben. Da er spätestens in England erkannt hatte, wie wichtig finanzielle Unabhängigkeit für einen kritischen Literaten wie ihn war, begann er nach seiner Rückkehr mit fremder Hilfe geschickt sein Vermögen zu vermehren, so dass er bald sehr wohlhabend war. 1733 erschienen in London in einer 47 Neuzeit Neuzeit November einer Einladung nach Berlin. 1746 zurück in Paris erhielt er das Amt eines königlichen Kammerherrn und war damit offiziell in den Adelstand erhoben. Seine Position am Hof blieb jedoch unsicher, ein Vorfall am Spieltisch der Königin ließ ihn 1747 bei Ludwig, in Ungnade fallen. Nach dem Tod seiner Geliebten Marquise du Châtelet folgte Voltaire der Einladung Friedrichs des Großen von Preußen und begab sich im Sommer 1750 an dessen Hof nach Sanssouci bei Potsdam, wo schon andere französische Literaten und Gelehrte Hofämter innehatten, 1753 wurde er wieder entlassen, neue Wanderjahre begannen. 1755 kaufte er in Genf ein Haus, auch in Lausanne erwarb er ein Haus. 1756 begann er seine Mitarbeit an dem 1746 von Diderot und d’Alembert initiierten Groß-Lexikon, der Encyclopédie. 1757 kehrte Voltaire Genf den Rücken und ging einmal mehr auf Reisen. Mit 64 Jahren befolgte Voltaire das Schlusswort von Candide, wonach man „seinen Garten bestellen“ soll, und kaufte im französischen Grenzgebiet nahe Genf Landgüter, wurde sesshaft und schrieb wie eh und je weiterhin unablässig, und zwar Dutzende von Werken. Voltaire starb im Alter von 83 Jahren in Paris. Es bedurfte einer List seines Neffen, ihm gegen den Willen der Geistlichkeit zu einem kirchlichen Begräbnis in der Abtei Sellières in der Champagne zu verhelfen. Lehre: Mit seiner Kritik an den Missständen des Absolutismus und der Feudalherrschaft sowie am weltanschaulichen Monopol der katholischen Kirche war Voltaire ein Vordenker der Aufklärung und ein wichtiger Wegbereiter der Französischen Revolution. In der Darstellung und Verteidigung dessen, was er für richtig hielt, zeigte er ein umfangreiches Wissen und Einfühlungsvermögen in die Vorstellungen seiner zeitgenössischen Leser. Sein präziser und allgemein verständlicher Stil, sein oft sarkastischer Witz und seine Kunst der Ironie gelten als unübertroffen. Er war kein systembildender Denker, sondern ein „Philosoph“ im französischen Sinn, das heißt ein Autor, der sowohl belletristische als auch philosophische, historische und naturwissenschaftliche Schriften verfasste sowie publizistisch tätig war. Die dauerhafteste und letztlich weiteste Verbreitung fanden seine ab circa 1746 verfassten philosophischen Erzählungen, in welchen er zentrale Gedanken der Aufklärung auf undogmati- sche und unterhaltsame Weise einem breiteren Publikum näherbrachte. Voltaire kämpfte für die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, nicht für die Gleichheit von Status und Besitz. Er war der Meinung, dass es immer Arme und Reiche geben werde. Voltaire war einer der bedeutendsten Kirchenkritiker des 18. Jahrhunderts. Dies brachte ihm früh die Missbilligung der katholischen Kirche ein, die ihn als Atheisten brandmarkte und seine Schriften verbot. Die Traditionen und Gebote der monotheistischen Religionen stehen nach Voltaires Auffassung in vollständigem Gegensatz zu den Idealen und Zielen der Aufklärung, Toleranz und Rationalismus. Die Philosophen haben überhaupt keinen Glauben gelehrt, es gilt nicht, ihre Philosophie zu bekämpfen. Nie hat sich ein Philosoph als von Gott erleuchtet bezeichnet, denn von da an wäre er nicht mehr Philosoph gewäsen, sondern er hätte den Propheten gespielt. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Witz und Sarkasmus kritisierte Voltaire die Missstände seiner Zeit, aber auch persönliche Gegner. Voltaire hinterließ mit weit über 700 einzelnen Texten (die er zumindest in seinen späten Lebensjahren einem Sekretär diktierte) eines der umfangreichsten und umfassendsten Werke der Literatur- und Geistesgeschichte. Zitate: • Zweifel ist kein angenehmer Zustand, Gewissheit jedoch absurd. • Alle Jahrhunderte ähneln sich durch die Bosheit der Menschen. • Um die Geschichte seines Landes zu beschreiben, muß man außer Landes sein. • Die Gesellschaft braucht eine Ansicht, das Volk braucht eine Religion, gäbe es Gott nicht, müßte man ihn erfinden. • Gott ist ein Kreis, dessen Mittelpunkt überall und dessen Umfang nirgends liegt. • Gott ist ein Komödiant, der vor einem Publikum spielt, das zu ängstlich zum Lachen ist. • Es ist förderlich für die Gesundheit deshalb beschließe ich, glücklich zu sein. • Nichts zeigt besser den Charakter eines Mannes als die Art und Weise, wie er sich den Frauen gegenüber verhält. • Ein Schurke ist oft nur ein Narr. • Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige 48 Leben. Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. • Die Liebe ist ein Stoff, den die Natur gewebt, und die Phantasie bestickt hat. • Die Frau ist ein Wesen, das sich anzieht, schwätzt und sich auszieht. • Wahrheiten sind Früchte, die nur ganz reif gepflückt werden dürfen. • Dieses Leben ist ein fortgesetzter Kampf, und die Philosophie ist das einzige Heilpflaster, das man auf die Wunden legen kann, die man von allen Seiten empfängt: es heilt nicht, aber es lindert; und das ist viel. • Alles um euch, alles in euch ist ein Rätsel, dessen Lösung zu erraten dem Menschen nicht gegeben ist. • Ein guter Freund ist mehr wert als aller Ruhm der Welt. • Wie das größte physische Übel der Tod ist, so ist das größte moralische zweifellos der Krieg. • In allen Kriegen geht es nur darum, zu stehlen. • Beurteile die Menschen eher nach ihren Fragen als nach ihren Antworten. • Sowie man Gutes tun will, kann man sicher sein, Feinde zu finden. • Das Geheimnis, langweilig zu sein, besteht darin, daß man alles sagt. Wenn einmal eine Nation zu denken beginnt, ist es unmöglich, sie daran zu hindern. • Die Deutschen sind die Greise von Europa, die Engländer die Männer; die Franzosen die Kinder, und ich mag gern mit Kindern spielen. • Der Fanatismus ist sehr rasch bei der Hand, immer, wenn er sich ein bißchen gekratzt fühlt. Dieses Scheusal hat Angst vor der Vernunft, wie die Schlangen vor den Störchen. • Das Geheimnis der Kunst ist das, daß sie die Natur korrigiert. • Alle Künste sind gut, ausgenommen die langweilige Kunst. Catharine Falconer. In den Jahren 1723 bis 1729 schloss er seine Schulausbildung ab und studierte ab 1726 zunächst Rechtswissenschaft an der Universität Edinburgh, entschloss sich aber zum Abbruch des Studiums, da er „eine unüberwindliche Abneigung gegen alles außer gegen Philosophie und allgemeine Gelehrsamkeit“ verspürte. Eine Tätigkeit als Kaufmann in Bristol, übte er 1734 nur wenige Monate lang aus, bevor er bis 1737 nach Frankreich ging und in Reims und La Flèche an seinem „Traktat über die menschliche Natur“ arbeitete. Seine Bewerbung auf den Lehrstuhl für „Ethik und Pneumatische Philosophie“ in Edinburgh 1745/1746 scheiterte. Noch einmal bewarb sich Hume für eine Professur, auf den Lehrstuhl für Logik in Glasgow und scheiterte 1752 ebenfalls, er wurde Bibliothekar des Juristenkollegiums (Anwaltskammer) in Edinburgh. Humes „Geschichte von Großbritannien“ wurde ein großer Publikumserfolg und machte ihn zu einem reichen Mann, bis 1769 stiegen Humes jährliche Einkünfte auf rund 1.000 Pfund Sterling. 1763 reiste er mit dem neuernannten britischen Botschafter in Frankreich, als Privatsekretär nach Paris. 1765 zum Botschaftssekretär ernannt, wurde Hume ab Sommer des Jahres alleiniger Geschäftsträger der Pariser Botschaft. Hume kehrte 1766 nach London zurück, wohin er den mit Haftbefehl gesuchten Rousseau eingeladen hatte, um ihm dort Asyl zu verschaffen, Rousseau verließ diesen jedoch nach wenigen Monaten im Streit. Nach Edinburgh kehrte Hume 1769 zurück, um seinen Lebensabend im heimatlichen Schottland zu verbringen, wo er im August 1776 verstarb. Lehre: Er war einer der bedeutendsten Vertreter der schottischen Aufklärung und wird der philosophischen Strömung des Empirismus bzw. des Sensualismus zugerechnet. Sein skeptisches und metaphysikfreies Philosophieren regte Immanuel Kant zu seiner „Kritik der reinen Vernunft“ an. Hume verwirft auch alle bisherigen metaphysischen Philosophien und ihre dogmatische Denkweisen deshalb, weil sie aus seiner Sicht von Theorien statt vom Beobachten ausgehen. Mittelbar wirkte dieser Vordenker der Aufklärung auf die modernen Richtungen des Positivismus und der analytischen Philosophie. Hume stellt den Menschen in den Mittelpunkt seines Philosophierens. Er geht davon aus, dass Hume Schottischer Philosoph und Ökonom (1711 - 1776) Leben: David Hume wurde 1711 in Edinburgh nach einem Bruder und einer Schwester als zweiter Sohn eines als Anwalt tätigen verarmten Adeligen, Joseph Hume of Ninewells in Chirnside Berwickshire geboren, seine Mutter war 49 Neuzeit Neuzeit Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet. Hume die Menschen zum Handeln geboren sind. Deshalb möchte er mit seiner Philosophie Basisannahmen entwickeln, die Anleitung zum menschlichen Handeln geben können. Die Ergebnisse seiner Philosophie sollen gesellschaftsverbessernd wirken. Hume geht von der menschlichen Natur aus. Der Terminus Natur bezieht sich u. a. auf anatomischphysiologische Vorgänge und auf das Verhalten von Menschen, das er an sich und anderen beobachtet. Die zeitgenössische Anatomie und Physiologie gehen im Hinblick auf die Reizbarkeit der Nerven davon aus, dass die menschliche Natur, um sich zu erhalten, keinen Geist braucht. Hume bezeichnet mit Impressionen die lebhaften und starken Wahrnehmungen, wie hören, sehen, fühlen, lieben, hassen, wünschen oder wollen. Für das, was Menschen weniger eindrücklich und weniger lebhaft wahrnehmen, verwendet Hume die umgangssprachliche Bezeichnung Idee z.B. im Zusammenhang mit Nachdenken, Erinnern und Fantasieren. Kurz gesagt: Alles, worüber Menschen sich Gedanken machen und womit sie Vorstellungen von etwas entwickeln, stammt von Nervenreizen, bzw. perceptions, genauer impressions. Das Problem der Außenwelt besteht in der philosophischen Frage, ob die äußeren Dinge um uns herum unabhängig und verschieden von unseren Wahrnehmungen existieren. Er stellte fest, dass sich der Glaube an die Existenz der Außenwelt nicht durch rationale Begründungen stützen lasse. Nach der empiristischen Grundthese sind die Sinne die einzige Quelle unserer Kenntnisse über die Außenwelt, und diese liefern uns nur Wahrnehmungen, aber nicht den geringsten Hinweis darauf, dass diese Wahrnehmungen von etwas außerhalb ihrer selbst verursacht werden. Dennoch kann der Mensch nicht umhin, an die Existenz der Außenwelt zu glauben. Hume zufolge gebe es kein „Selbst“ oder „Ich.“ Seine Begründung machte erneut Gebrauch von 50 seiner Grundthese des Sensualismus: Gäbe es das Selbst, so müsste sich diese Idee letztlich von einem Sinneseindruck herleiten lassen. Im menschlichen Kopf gibt es für Hume aber nur eine ständige Abfolge von impressions und ideas, keinen konstanten Sinneseindruck, der alles zusammenhält und daher mit dem Ich gleichgesetzt werden könnte. Hume stellte heraus, was nach seiner Ansicht das Gemeinsame an allen Kausalvorgängen ist. Zunächst müssten Ursache und Wirkung immer räumlich benachbart sein. Hat der Mensch die Abfolge von Ereignissen oft genug gesehen, so forme er aufgrund von Gewöhnung angesichts des einen Ereignisses die Erwartung des anderen. Naturgesetze beschreiben demnach nur beobachtete Regelmäßigkeiten und keine notwendige Verknüpfung zwischen Ursache und Wirkung. Ähnlich wie bei den Gedanken zur Kausalität handelt es sich auch beim Induktionsproblem um eine von Hume neu entdeckte Problematik. Es ist der bis heute am meisten beachtete Teil seiner Philosophie. Ein Lernprozess findet beispielsweise statt, wenn jemand angesichts der Tatsache, dass ihn Brot in der Vergangenheit genährt hat, darauf schließt, dass es ihn auch in Zukunft nähren wird. Wie aber bereits in den Überlegungen zum Kausalitätsproblem herausgestellt, liegen die „kausalen Kräfte“ des Brotes im Verborgenen und lassen sich aus seinen beobachtbaren Eigenschaften nicht erschließen. Es gibt damit kein rational begründbares Argument dafür, dass das Brot tatsächlich auch in Zukunft nähren wird. Es ist letztlich die Gewohnheit, die den Menschen erwarten lässt, dass Brot ihn erneut nähren wird, wenn dies in der Vergangenheit wiederholt der Fall war. Tatsächlich muss der Mensch eine solche Erwartung hegen und in diesem Sinne aus der Erfahrung lernen. In Humes Konzeption einer Gefühlsethik zeigt sich auch seine grundsätzlich Skepsis gegenüber der Rationalität: „Es läuft der Vernunft nicht zuwider, wenn ich lieber die Zerstörung der ganzen Welt will, als einen Ritz an meinem Finger.“ Durch diese Skepsis kommt Hume auch zu dem Schluss, dass rationale Einsichten allein niemals handlungsmotivierend sein können. Die Ratio hingegen kann zwar bejahende oder verneinende Urteile treffen, aber für Hume sind das keine bewegende Kräfte für Handlungen. Morali- sche Urteile lassen sich nur treffen, wenn sowohl die Gefühlswelt als auch der Verstand an diesem Urteil beteiligt sind. Zitate: • Gewohnheit ist die Führerin des Lebens • Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet. • Die Natur nötigt uns mit absoluter und unabwendbarer Notwendigkeit, Urteile zu fällen, ebenso wie sie uns nötigt zu atmen und zu empfinden. • Die religiösen Fehler sind gefährlich, die philosophischen nur lächerlich. • Nicht die Vernunft ist Richtschnur des Lebens, sondern die Gewohnheit. • Die Anfänge einer Religion mögen den Diebstahl einer Münze, eines Hammels verhindert haben. Es kommt aber früher oder später ein Zeitpunkt, da um dieser selben Religion willen sich Hunderttausende von Menschen die Gurgel abschneiden oder auf dem Scheiterhaufen winden. • Die Gewohnheit, der große Führer im Leben. • Sowohl die moralische wie die natürliche Schönheit wird mehr gefühlt als begriffen. • Die Zweifelsucht zerstört alles Nachdenken und selbst alles Handeln. • Wenige Menschen nur denken lange, ohne ihre Vorstellungen in Verwirrung zu bringen und sie zu verwechseln, und hier gibt es verschiedene Grade dieser Schwäche. • Wir nennen dasjenige barbarisch, was stark von unseren eigenen Geschmack und Ansichten abweicht. • Während wir handeln sind wir zugleich ein Bewirktes. • Ein ewiger Krieg würde die Menschen in Raubtiere, ein ewiger Friede in Lasttiere verwandeln. • Verstand und Genie rufen Achtung und Hochschätzung hervor, Witz und Humor erwecken Liebe und Zuneigung. Diderot Französischer Philosoph der Aufklärung (1713 - 1784) Leben: Diderot war das zweitälteste Kind des wohlhabenden Messerschmiedemeisters Didier Diderot aus Langres (Champagne) und dessen 51 Neuzeit Neuzeit Ehefrau Angélique Vigneron. Diderot hatte noch fünf jüngere Geschwister, von denen jedoch zwei im Kindesalter starben. Ab seinem 12. Lebensjahr bereiteten seine Eltern ihn auf das Priestertum vor. In Paris wurde Diderot 1729 zunächst am Lycée Louis-le-Grand aufgenommen, 1732 beendete er mit dem Grad eines Magister Artium an der Collège d’Harcourt, er unterließ das geplante Theologiestudium anzuschließen, schloss aber sein Studium an der Sorbonne am 1735 als Bakkalaureus ab. Ab 1736 war Diderot als Anwaltsgehilfe tätig, als er 1737 diese Stelle aufgab, beendete sein Vater die regelmäßigen Geldzuwendungen, es folgte eine Zeit chronischer Geldnot. Ab 1740 übernahm Diderot Übersetzertätigkeiten aus dem Englischen in das Französische, er heiratete Anne-Toinette Champion am 6. November 1743. Seit 1747 wohnte die Familie Diderot in der 3 Rue de l’Estrapade, von 1754 bis 1784 dann im 4. und 5. Stockwerk eines Hauses in der Rue Taranne, das Paar hatte vier Kinder, von denen drei sehr früh starben. Ab 1747 folgte die intensive Arbeit an der Encyclopédie. 1749 wurde sie jedoch unterbrochen. Am 24. Juli 1749, um halb acht morgens, wurde Diderot von Joseph d’Hémery, Kommissar und Inspektor der königlichen Zensurbehörde, verhaftet, es wurden ihm gegen die Religion gerichtete Schriften zur Last gelegt, schon zuvor wurde er als „gottloser, sehr gefährlicher Mensch“ denunziert. Die Buchhändler, an zügiger Arbeit an der Encyclopédie interessiert, beschwerten sich über die Verhaftung. Am 3. November 1749 wurde er entlassen, um den Fortgang der Encyclopédie nicht zu gefährden, ließ er daher in den folgenden Jahren vieles unpubliziert. Zusammen mit Jean-Baptiste le Rond d’Alembert später mit Louis de Jaucourt war er Herausgeber der großen französischen Encyclopédie, zu der er selbst als Enzyklopädist etwa 6000 von insgesamt 72.000 Artikeln beitrug. Trotz all dieser Arbeit nahm Diderot am regen gesellschaftlichen Leben der Philosophen teil – der kritisch eingestellten Pariser Intellektuellen. Seit dem Winter 1752/53 hatte er Briefkontakt zu Madame de Pompadour, diese empfing später Diderot zu Informationsgesprächen über die Enzyklopädie, im Juli 1765 beendete Diderot die Arbeit an der Encyclopédie nach fast zwanzig Jahren. 1773 fuhr Diderot für einige Monate an den Hof von Sankt Petersburg zu Katharina II. von Russ- zutage liebt: sich verlieben in wen man will, zusammenzubleiben, solange man aneinander Gefallen findet und sich zu trennen, sobald man Langeweile fühlt. • Man sagt, die Liebe raubt denen den Verstand, die welchen haben, und gibt ihn jenen, die keinen haben. • Es ist hart, ein Bettler zu sein, indes es so viele reiche Toren gibt, auf deren Unkosten man leben kann; und dann sich selbst verachten müssen, ist doch auch unerträglich. • Armut geloben heißt sich durch Eid zu Faulheit und Dieberei verpflichten… • Je unglücklicher die Zeiten sind, um so mehr vermehren sich die Idiotismen. • Mag nur der Haushalt groß oder klein sein, mindestens einer von beiden muß gesunden Menschenverstand besitzen. • Malerei ist die Kunst, die Seele zu bewegen durch Vermittlung der Augen. Wenn der Maler nur bis zu den Augen kommt, hat er nur den halben Weg zurückgelegt • Die Zeichnung gibt den Dingen die Gestalt, die Farbe das Leben. • Durch Vernunft, nicht aber durch Gewalt soll man die Menschen zur Wahrheit führen. • Es ist eine gemeine Niederträchtigkeit, andern zum Zeitvertreib einen Gutmütigen aufzuopfern, und gewöhnlich verfällt man auf diesen. Dies ist eine Falle, die wir Neuankommenden legen, und ich habe fast niemanden gefunden, der nicht hineingetappt wäre. • Halte dir stets vor Augen, daß die Natur nicht Gott, daß ein Mensch keine Maschine und daß eine Vermutung keine Tatsache ist. • Der erste Schritt zur Philosophie ist der Unglaube. • Die Philosophie schweigt, wo die Gerechtigkeit den Verstand verliert. • Wenn man mir sagt, es gebe Dinge, die über unsere Vernunft hinausgehen, so kann mich das nicht veranlassen, Unsinn zu glauben. Zweifellos gibt es Dinge, die über unsere Vernunft gehen; aber ich verwerfe kühn alles, was ihr widerstreitet, und alles, was gegen sie verstößt. • Die Erziehung in der Kindheit ist es, die einen Mohammedaner verhindert, sich taufen zu lassen; die Erziehung in der Kindheit ist es auch, die einen Christen verhindert, Prägnante Sätze sind wie scharfe Nägel, welche die Wahrheit in unser Gedächtnis hineinzwingen. Diderot land, die ihn auch finanziell unterstützte. Die Zarin empfing Diderot – mitunter dreimal pro Woche – zu regelmäßigen Audienzen. Als Vertreterin des aufgeklärten Absolutismus versprach sie sich davon Anregungen für ihre Reformpolitik. Vor seiner Abreise, am 5. März 1774 beauftragte sie ihn, einen Plan zur Reform des russischen Erziehungssystems zu entwickeln, um die Ideen der französischen Aufklärung im Zarenreich zu verbreiten. Diderots gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich seit der Rückkehr aus Russland zusehends. Herz- und Kreislaufprobleme machten ihm zu schaffen, er litt unter geschwollenen Beinen und Kurzatmigkeit, er starb am Samstag, dem 31. Juli 1784, beim Mittagessen. Lehre: In seinen Werken wird eine deutliche Entwicklung von einer theistischen über eine deistische zu einer atheistischen Haltung erkennbar. Doch gibt es auch Hinweise darauf, dass seine materialistischen und atheistischen Vorstellungen schon in den frühen Werken, kenntlich werden. Diderot trat in seinen Spätwerken für die Verbreitung des Geistes der Aufklärung, den Atheismus und gegen Aberglauben und Bigotterie ein. Diderot und seine Mitstreiter, die philosophes, überließen nicht mehr der Kirche und ihren Agenturen die alleinige Deutungs- und Interpretationshoheit über die Welt und die Wissenschaften. Somit gab es für übernatürliche und irrationale Kräfte im aufgeklärten Europa sowie in Nord- und Südamerika weniger Raum. Im Zentrum des diderotschen Denkens stand das Spannungsfeld zwischen Vernunft und Sensibilität. Vernunft zeichnete sich für Diderot durch die Suche nach wissenschaftlich fundierten Erkennt52 nissen und der Überprüfbarkeit der empirisch beobachteten und bewiesenen Fakten aus, ohne dabei in der rein quantitativen Erfassung der Wirklichkeit, in mathematischen Aussagen, verhaftet zu bleiben. In den Jahren 1754 bis 1765 entwickelte er die Lehre von der universellen Sensibilität. Als philosophische Position erarbeitete er sich eine undogmatische materialistische Geisteshaltung. Obgleich Diderot kein Philosoph war, der sich mit „begründungstheoretischen“ Problemen oder systematisierenden, analytischen Reflexionen beschäftigte, zählt er zu den vielfältigsten und innovativsten philosophischen Autoren des 18. Jahrhunderts. Er war ein universal gebildeter Geist - ein wandelndes Lexikon, in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen und in verschiedenen Literaturgattungen zu Hause. Zitate: • Es gibt ein geheimes Band zwischen den Frauen; sie hassen einander, aber sie nehmen einander in Schutz. • Überhaupt ist das Symbol der Frauen das der Apokalypse, und auf ihrer Stirn steht geschrieben: Mysterium. • Während wir in den Büchern lesen, lesen die Frauen im großen Buch der Welt. So befähigt sie gerade ihre Unwissenheit, die Wahrheit ohne Zögern aufzunehmen. • Es ist das Los fast aller Genies: Sie sind nicht auf dem Stand ihres Jahrhunderts, sie schreiben für die kommende Generation. • Im stillen schreibt sich das Genie wohl ein jeder zu; aber ich glaube doch nicht, daß sie sich unterstünden, es zu bekennen. • Es ist besser, so zu lieben, wie man heut53 Neuzeit Neuzeit sich beschneiden zu lassen; die Vernunft des Erwachsenen ist es, die Taufe und Beschneidung gleichermaßen verachtet. • Prägnante Sätze sind wie scharfe Nägel, welche die Wahrheit in unser Gedächtnis hineinzwingen. erhielt aber die Weisung, sich religiöser Schriften zu enthalten, da sie deistisches und sozinianisches Gedankengut verbreiteten, das nicht mit der Bibel vereinbar sei. Kant verbrachte nahezu sein ganzes Leben im damals weltoffenen Königsberg, wo er 1804 fast 80-jährig starb. Seine letzten Worte waren angeblich: „Es ist gut.“ Das Grabmal Immanuel Kants befindet sich am Königsberger Dom. Lehre: Mit seinem kritischen Denkansatz (Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!) ist Kant der wohl wichtigste Denker der deutschen Aufklärung. Kant schuf eine neue, umfassende Perspektive in der Philosophie, welche die Diskussion bis ins 21. Jahrhundert maßgeblich beeinflusst. Dazu gehört nicht nur sein Einfluss auf die Erkenntnistheorie mit der Kritik der reinen Vernunft, sondern auch auf die Ethik mit der Kritik der praktischen Vernunft und die Ästhetik mit der Kritik der Urteilskraft. Zudem verfasste Kant bedeutende Schriften zur Religions-, Rechts- und Geschichtsphilosophie sowie Beiträge zu Astronomie und Geowissenschaften. Metaphysik muss den Anspruch erfüllen, grundlegende Erkenntnisse zu enthalten, die a priori gelten, mit diesem Denkansatz wie überhaupt eine Metaphysik als Wissenschaft möglich ist, will Kant metaphysischer Fragen beantworten. Kritisches Denken. Kritische Philosophie. Philosophie der reinen Vernunft. Denken ist Urteilen. Denken ist daher ständig trennen und verbinden. Transzendentalphilosophie. Transzendentale Dialektik. Nach Kant ist die Aufgabe einer engagierten Philosophie die Beantwortung von drei Fragen, die in eine vierte münden. Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Was soll ich tun? Was ist der Mensch? Philosophie ist für Kant: Revolution der Denkungsart, was von Anfang „Weg“ hieß. Die Rolle der Philosophen im Gemeinwesen ist nach Kant nicht die der Aktion, sondern des Rates. Der praktische Philosoph, der Lehrer der Weisheit durch Lehre und Beispiel, ist der eigentliche Philosoph. Kants Philosophie - setzt Grenzen weil sie unterscheidet, ist Kritik. Kant wird ein „Rationalist“ genannt, er lasse nur gelten, was der Verstand einsieht. Für Kant erfolgt Erkenntnis in Urteilen. In diesen Kant Deutscher Philosoph der Aufklärung (1724 - 1804) Leben: Kant war als viertes Kind des Sattlerund Riemermeisters Johann Georg Kant[ und dessen Frau Anna Regina am 22 April 1724 in Königsberg geboren. Von Kants insgesamt acht Geschwistern erreichten nur vier das Erwachsenenalter. 1732 kam Kant an das Collegium Fridericianum, wo er insbesondere im Erlernen der klassischen Sprachen gefördert wurde. Bereits 1740 begann er mit dem Studium an der Albertus-Universität Königsberg. Er interessierte sich sehr für die Naturwissenschaften und beschäftigte sich u. a. mit Philosophie - seinem eigentlichen Studienfach - sowie mit Naturphilosophie und elementarer Mathematik. Wegen des Todes seines Vaters 1746 unterbrach Kant sein Studium, er verließ Königsberg und verdiente sich seinen Lebensunterhalt bis 1754 als Hauslehrer, kehrte im selben Jahr nach Königsberg zurück und nahm sein Studium wieder auf. Eine erste Bewerbung auf den Königsberger Lehrstuhl für Logik und Metaphysik im Jahre 1759 schlug fehl. Einen Ruf auf einen Lehrstuhl für Dichtkunst lehnte Kant 1764 ab. In den Jahren von 1766 bis 1772 arbeitete Kant als Bibliothekar der königlichen Schlossbibliothek, was seine erste feste Anstellung war. Weitere Berufungen anderer Universitäten lehnte Kant ab, 1770 im Alter von 46 Jahren erhielt er den von ihm immer angestrebten Ruf der Universität Königsberg auf die Stelle eines Professors für Logik und Metaphysik. 1786 und 1788 war Kant Rektor der Universität in Königsberg. 1787 wurde er in die Berliner Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Die letzten 15 Jahre seines Lebens waren gekennzeichnet durch den sich stetig zuspitzenden Konflikt mit der Zensurbehörde. 1794 wurde Kant die „Herabwürdigung mancher Haupt- und Grundlehren der heiligen Schrift und des Christentums“ zur Last gelegt. Kant lehrte weiter bis 1796, 54 “Was will ich?” fragte der Verstand. “Worauf kommt es an?” fragt die Urteilskraft. “Was kommt heraus?” fragt die Vernunft. Kant Urteilen werden die Anschauungen, die aus der Sinnlichkeit stammen, mit den Begriffen des Verstandes verbunden (Synthesis). Sinnlichkeit und Verstand sind die beiden einzigen, gleichberechtigten und voneinander abhängigen Quellen der Erkenntnis. „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“ Grundsätze der reinen praktischen Vernunft: Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne. Funktion des Verstandes: Unmittelbare Erkenntniss der Verhältnissse von Ursache und Wirkung. Der Verstand ist die Fähigkeit des Menschen, sinnvolle Begriffe zu bilden, sinnvolle und wahre Aussagen aufzustellen, sowie regelgerechte Schlüsse zu ziehen. Der Verstand bestimmt, fixiert, beschränkt und macht dadurch klar und deutlich. Funktion der Vernunft: Die elementare Form des Denken. Durch Begriffe werden Gegenstände der Erkenntnis (Objekte), nämlich Dinge, Eigenschaften und Relationen vorgestellt. Bildet das Vermögen der Ideenbildung. Die Vernunft öffnet, bewegt, kennt kein Ausruhen in einem Gewußten, aber die Vernunft tut keinen Schritt ohne Verstand. Sie will die unablässige Erweiterung des Bewußtseins überhaupt. Vernunft ist die mögliche Existenz, die denkend ständig auf das Andere, auf das Sein, das nicht wir selbst sind, gerichtet ist, auf Welt und Transzendenz. Vernunft ist die Fähigkeit des Menschen, etwas für sich oder andere derart zu Handhaben, dass dabei ein Vorteil gewonnen bzw. bewahrt oder ein Nachteil beseitigt bzw. vermieden wird, ohne dass gegen berechtigte Normen verstoßen wird, und ohne dass das Handhaben überwiegend Nachteile im Gefolge hat. • Handhaben ist der Oberbegriff zu Handeln in der äußeren Welt sowie zum Vollzug von Denkund Vorstellungsakten (Geistesakten) in der inneren; Handhaben umfasst auch Unterlassen. 55 Neuzeit Neuzeit Was soll ich tun? Was ist der Mensch? Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Kant Kurzform: Verstand erkennt! Vernunft handhabt! • Vernunftreligion versteht sich als Fortsetzung der Moralphilosophie: Nach Kant ist die Religion somit nicht die Grundlage der Moral, sondern ihre Folge. Aufgabe dieser natürlich-moralischen Religion ist es, die Menschen zu moralisch handelnden Subjekten zu erziehen. Kant lehnt die konkrete (christliche) Religion nicht ab, sondern baut diese in sein Konzept der Vernunftautonomie ein, indem er ihr die Aufgabe zuteilt, der Verbreitung der natürlich-moralischen Religion zu dienen und die Gehalte der Vernunftreligion zu veranschaulichen. Es darf nicht übersehen werden, daß für Kant der eigentliche Kern der christlichen Religion die Vernunftreligion ist, was bedeutet, daß die Vernunft – und nicht die Kirche – über die Wahrheit der Religion entscheidet. • Moralischer Gottesbeweis bei Kant: das wir uns einen guten und weisen Schöpfer denken müssen, um zu einer moralischen Welt zu gelangen, folgert daraus nicht, daß dieser Gott auch existiert. Möglicherweise fällt der Ursprung für das Konstrukt eines gültigen Schöpfers ebenfalls in unser menschliches Denken. • Lebendige Organismen sind das Dasein von Naturzwecken! • Klärung des Zweckbegriffs? Der Organismus erscheint wie eine Maschine, hergestellt von einem göttlichen Verstand. • Praktische Grundsätze sind subjektiv oder Maximen, wenn die Bedingung nur als Willen des Subjekts gültig von Ihm angesehen wird. • Praktische Grundsätze sind objektiv oder aber praktische Gesetze, wenn jene als objektiv für den Willen jedes vernünftigen Wesens gültig, erkannt wird. • Das höchste Gut, „die Existenz vernünftiger Wesen unter moralischen Gesetzen.“ • Die Ausdrücke "immanent", "transzendent" werden in zwei Bedeutungen gebraucht. In einem weiten Sinne bedeutet "transzendent", was unsere Welt, unseren Erfahrungsbereich überschreitet, in diesem Sinn ist Gott etwas Transzendentes. "Immanent", was innerhalb der Erfahrung bleibt. In einem engeren Sinn, in der Bewußtseinsphilosophie, ist "immanent" das, was innerhalb des Bewußtseins gegeben ist, "transzendent" das was außerhalb des Bewußtseins liegt. z.B die Gegenstände der Außenwelt. Transzendentale Dialektik bei Kant: Bei Kant ist die transzendentale Dialektik ein wesentlicher Abschnitt in der Kritik der reinen Vernunft. Hier setzte er sich kritisch mit Aussagen über die Wirklichkeit auseinander, die völlig ohne Erfahrung auskommen wollen. Er bezeichnete solche Formen der Erklärung, die sich auf rein formale Logik gründen, als „Blendwerk“ und als eine „scheinbare Kunst des Denkens.“ Durch solche „Vernünfteleien“ werde Dialektik zu einer reinen Logik des Scheins. Inhaltlich befasst sich die transzendentale Dialektik mit den drei Grundthemen der Metaphysik: der Freiheit des Willens, der Unsterblichkeit der Seele und dem Dasein Gottes. Zitate: • “Was will ich?” fragte der Verstand. “Worauf kommt es an?” fragt die Urteilskraft. “Was kommt heraus?” fragt die Vernunft. • Es ist niemals zu spät, vernünftig und weise zu werden; es ist aber schwerer, wenn die Einsicht zu spät kommt. • Vernunft: das Vermögen, von dem Allgemeinen das Besondere abzuleiten und dieses letztere also nach Prinzipien und als notwendig vorzustellen. • Es gibt zwei Welten: Die Welt, wie sie uns 56 erscheint, und die Welt der Dinge an sich. • Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind; Nur daraus, dass sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen. • Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als auch in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst. • Büchergelehrsamkeit vermehrt zwar die Kenntnisse, aber erweitert nicht den Begriff und die Einsicht, wo nicht Vernunft dazukommt. • Der wahre Philosoph muß also als Selbstdenker einen freien und selbsteigenen, keinen sklavisch nachahmenden Gebrauch von seiner Vernunft machen. • Die Sache der Sinne ist, anzuschauen; die Sache des Verstandes, zu denken. Denken aber ist: Vorstellungen in einem Bewußtsein vereinigen. • Denken ist die Erkenntnis durch Begriffe. • Je mehr du gedacht, je mehr du getan hast, desto länger hast du gelebt. • Denken ist Reden mit sich selbst. • Das Weib wird durch die Ehe frei; der Mann verliert dadurch seine Freiheit. • In dem ehelichen Leben soll das vereinigte Paar gleichsam eine einzige moralische Person ausmachen, welche durch den Verstand des Mannes und den Geschmack der Frau belebt und regiert wird. • Wenn Mann und Weib einander ihren Geschlechtseigenschaften nach wechselseitig genießen wollen, so müssen sie sich notwendig verehelichen, und dieses ist nach Rechtsgesetzen der reinen Vernunft notwendig. • Man wird des Lebens viel mehr froh durch das, was man im freien Gebrauche desselben tut, als was man genießt. • Moralität muß also vorhergehen, die Theologie ihr dann folgen, und das heißt Religion. • Nur die Moral macht den Menschen zum Menschen. • Moralität besteht keineswegs in der Gutartigkeit des Herzens, sondern in dem guten Charakter; und den soll sie bilden. • Der Mangel an Urteilskraft ist eigentlich das, was man Dummheit nennt, und einem solchen Gebrechen ist leider gar nicht abzuhelfen. • Die größte aller Torheiten ist, seine Gesundheit zu opfern. • Dem Toren ist der gescheite Mann entgegengesetzt; wer aber ohne Torheit ist, ist ein Weiser. • Der praktische Philosoph, der Lehrer der Weisheit durch Lehre und Beispiel, ist der eigentliche Philosoph. Denn Philosophie ist die Idee einer vollkommenen Weisheit, die uns die letzten Zwecke der menschlichen Vernunft zeigt. • Die Menschen sind insgesamt je zivilisierter, desto mehr Schauspieler. • Philosophie ist die Idee einer vollkommenen Weisheit, die uns die letzten Zwecke der menschlichen Vernunft bringt. • Der Tod – das weiß man – nutzt sich durch Wiederholung ebenso wenig ab wie das Leben, und die Liebe auch nicht. • Die Liebe ist ein unentbehrliches Ergänzungsstück der Unvollkommenheit der menschlichen Natur. • Die Aufgabe des Menschengeistes besteht nicht darin, die Wahrheit zu suchen, sondern ein möglichst treffliches Bild der Wahrheit zu bekommen. • Aufklärung ist die Maxime, selber zu denken. • Der Charakter ist ein Fels, an welchem gestrandete Schiffe landen und anstürmende scheitern. • Die erste Bemühung bei der moralischen Erziehung ist, einen Charakter zu gründen. Der Charakter besteht in der Fähigkeit, nach Maximen zu handeln. Genie ist das Talent der Erfindung dessen, was nicht gelehrt oder gelernt werden kann. • Das Genie schlägt bei den Deutschen mehr in die Wurzel, bei den Italienern in die Krone, bei den Franzosen in die Blüte und bei den Engländern in die Flucht. • Fragmentarisch ein besserer Mensch werden zu wollen, ist ein vergeblicher Versuch. • Niemand entwächst der Schule der Weisheit. Hegel Deutscher Philosoph (1770 - 1831) Leben: Georg Wilhelm Friedrich Hegel wurde in Stuttgart geboren, der Vater Georg Ludwig, war Rentkammersekretär und entstammte einer 57 Neuzeit Neuzeit Familie von Beamten und Pfarrern. Hegels Mutter, Maria Magdalena Louisa Hegel (geborene Fromm), stammte aus einer wohlhabenden Stuttgarter Familie. 1776 besuchte Hegel das Gymnasium in Stuttgart, 1788 nahm Hegel in Tübingen an der Eberhard Karls Universität das Studium der Evangelischen Theologie auf. Nach nur zwei Jahren erhielt Hegel im September 1790 den Grad eines Magisters der Philosophie. Im Sommer 1792 nahm Hegel mit Hölderlin an den Versammlungen eines revolutionär-patriotischen Studentenclubs teil, der Ideen aus Frankreich nach Tübingen brachte. 1793 erhielt er eine Anstellung als Hauslehrer in Bern. In Bern hielt Hegel sein Interesse für die revolutionären politischen Ereignisse in Frankreich aufrecht. Zum Ende seines Vertrags in Bern erwirkte sein Freund Hölderlin eine Hauslehrerstellung für Hegel in Frankfurt. Hegel begann in Frankfurt sich für Fragen der Wirtschaft und der täglichen Politik zu interessieren. Als im Januar 1799 sein Vater starb, empfing Hegel ein bescheidenes Erbe, das es ihm ermöglichte, wieder an eine akademische Karriere zu denken, im Januar 1801 erreichte Hegel Jena. Zusammen mit Schelling gab Hegel 1802–1803 das Kritische Journal der Philosophie heraus. Hegels Doktorarbeit qualifizierte ihn für eine Stellung als Privatdozent, seine erste Jenaer Vorlesung über „Logik und Metaphysik“ im Winter 1801/1802 wurde von elf Studenten besucht. Nach Empfehlung durch Johann Wolfgang Goethe und Schelling wurde Hegel im Februar 1805 zum Professor ernannt. 1806 hatte Hegel gerade die letzten Seiten seiner Phänomenologie des Geistes niedergeschrieben, als die Vorboten der Schlachten von Jena und Auerstedt aufzogen. Infolge der Besetzung Jenas durch französische Truppen war Hegel gezwungen, die Stadt zu verlassen, er wechselte nach Bamberg und wurde dort Redakteur der Bamberger Zeitung, 1808 verließ Hegel Bamberg in Richtung Nürnberg, Hegel unterrichtete dort Philosophie, Germanistik, Griechisch und höhere Mathematik. Im September 1811 heiratete Hegel die gerade zwanzigjährige Marie von Tucher. Der Ehe entsprang eine Tochter, die allerdings kurz nach der Geburt starb und zwei Söhne. 1816 nahm Hegel eine Professur für Philosophie an der Universität Heidelberg an, 1818 folgte Hegel dem Ruf an die Universität von Gedanken erfaßt.“ Die Aufgabe der Philosophie ist es, das „was ist zu begreifen […], denn das was ist, ist die Vernunft,“ ihre Aufgabe ist es nicht, die Welt darüber zu belehren, wie sie sein soll. Der Weg zum „absoluten Wissen“ ist dabei für Hegel das Begreifen des Absoluten selbst. Auch für das Absolute ist die Zugangsweise zu ihm nicht gleichgültig. Es umschließt auch den Prozess seiner Erkenntnis. Der Zugang zum Absoluten ist zugleich dessen Selbstäußerung. Wahre Wissenschaft ist letztlich nur in dieser Perspektive des Absoluten möglich. Den Anfang der Logik muss für Hegel ein Begriff machen, der sich durch „reine Unmittelbarkeit“ auszeichnet. Dies wird im Begriff des Seins ausgedrückt, der keinerlei Bestimmungen aufweist. Das bestimmungslose Sein, macht sich zu seinem Gegenteil: „Dieses reine Sein,“ schreibt Hegel, „ist nun die reine Abstraktion, damit das Absolut-Negative, welches, gleichfalls unmittelbar genommen, das Nichts ist.“ „Wesen ist, was gewesen ist.“ Das Wesen ist all das vom menschlichen Sein, was man mit Worten angeben kann: das ist. Das, was in der Religion in Form von Bildern oder Vorstellungen, wie Hegel dazu auch sagt, zum Ausdruck kommt, wird in der Philosophie in Begriffe übersetzt. Das heißt, die Religion unterscheidet sich von der Philosophie nur durch ihre Form, nicht durch ihren Inhalt. Letztlich handelt es sich hier somit um eine >Aufhebung< der Religion in Philosophie!? Es soll Gott geglaubt werden; aber man soll im allgemeinen nicht wissen, was er ist, kein bestimmtes Wissen von im haben. Bestimmtes Wissen haben heißt Erkennen. Aus diesem Grund ist die Theologie als solche auf dies Minimum von Dogmen reduziert worden. Zitate: • Die Wirklichkeit ist ein geschichtlicher Prozess. • Nichts kommt ohne Interesse zustande. • Jeder der Teile der Philosophie ist ein philosophisches Ganzes, ein sich in sich selbst schließender Kreis • Das Volk, insofern mit diesem Worte ein besonderer Teil der Mitglieder eines Staats bezeichnet ist, drückt den Teil aus, der nicht weiß, was er will. • Der Staat an und für sich ist das sittlichste Ganze, die Verwirklichung der Freiheit; und Das Volk, insofern mit diesem Worte ein besonderer Teil der Mitglieder eines Staats bezeichnet ist, drückt den Teil aus, der nicht weiß, was er will. Hegel Berlin. Hier wurde er Nachfolger auf den Lehrstuhl von Johann Gottlieb Fichte. Seine Vorlesungen wurden schnell populär und ihre Hörerschaft vergrößerte sich weit über das universitäre Umfeld. Hegel wurde 1829 selbst Rektor der Universität. Er starb 1831, mehrheitlich heißt es, er sei an der in Berlin wütenden Cholera-Epidemie gestorben. Er wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof begraben. Lehre: Hegels Philosophie erhebt den Anspruch, die gesamte Wirklichkeit in der Vielfalt ihrer Erscheinungsformen einschließlich ihrer geschichtlichen Entwicklung zusammenhängend, systematisch und definitiv zu deuten. Sein philosophisches Werk zählt zu den wirkmächtigsten Werken der neueren Philosophiegeschichte. Es gliedert sich in „Logik,“ „Naturphilosophie“ und „Philosophie des Geistes,“ die unter anderem auch eine Geschichtsphilosophie umfasst. Die Methode Hegels, den Gegenstand dadurch zu begreifen, dass alle seine Ansichten zur Darstel58 lung gebracht werden, erlaubte es, dass sich die gegensätzlichsten Vertreter auf Hegel berufen haben und noch heute berufen. Hegels Philosophie wurde einer der zentralen Ausgangspunkte für den Dialektischen Materialismus, der zum Wissenschaftlichen Sozialismus führte. Hegel übte auch entscheidenden Einfluss auf Søren Kierkegaard und die Existenzphilosophie, später vor allem auf Jean-Paul Sartre, aus. Der Ausgangspunkt der hegelschen Philosophie wie des Deutschen Idealismus überhaupt ist das von Kant aufgeworfenene Problem der synthetischen Urteile a priori. Logik, Naturphilosophie und die Philosophie des Geistes sind nicht nur die Grunddisziplinen der Philosophie; in ihnen drückt sich auch „die ungeheure Arbeit der Weltgeschichte“ aus, die vom „Weltgeist“ verrichtet wurde. Das Ziel der Philosophie kann daher nur erreicht werden, wenn sie die Weltgeschichte und die Geschichte der Philosophie begreift und damit auch „ihre Zeit in 59 Neuzeit Neuzeit es ist absoluter Zweck der Vernunft, das die Freiheit wirklich sei. • Ein Volk das alle anderen Götter verschmäht, muß den Haß des ganzen menschlichen Geschlechts im Busen tragen. • Die Geschichte ist ein Fortschreiben im Bewußtsein der Freiheit. • Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben. • Der Mut zur Wahrheit ist die erste Bedingung des philosophischen Studiums. • Die Weltgeschichte geht von Osten nach Westen, denn Europa ist schlechthin das Ende der Weltgeschichte, Asien der Anfang. • Der Staat ist die Wirklichkeit der sittlichen Idee. • Nur aus dem Irrtum geht die Wahrheit hervor, und hierin liegt die Versöhnung mit dem Irrtum und mit der Endlichkeit. • Das, was ist zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie, denn das, was ist, ist die Vernunft. • Der Kampf der Vernunft besteht darin, dasjenige, was der Verstand fixiert hat, zu überwinden. • Das wahrhaft königliche Vermögen der Seele, der göttliche Funken im Menschen ist die Vernunft. Werde Herr in dem großen Wunderreiche deines eignen Innern. • Es ist sehr wichtig, daß die Philosophie wieder eine seriöse Angelegenheit wird. • Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau läßt sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen; die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug. • Jede Philosophie ist zu ihrer wahren Zeit erschienen. Es kann kein Individuum über seine Zeit hinaus; seine Zeit enthält das Prinzip seines Geistes. • Zum Handeln gehört wesentlich Charakter, und ein Mensch von Charakter ist ein anständiger Mensch, der als solcher bestimmte Ziele vor Augen hat und diese mit Festigkeit verfolgt. • Was der Mensch im Laufe seines Lebens wirkt, hängt doch mehr von seinem Charakter ab als von dem Reichtum seines Wissens. • Talent ist spezifische, Genie allgemeine Begabung. Das Genie wohnt nur eine Etage höher als der Wahnsinn. Schopenhauer Deutscher Philosoph (1788 - 1860) Leben: Arthur Schopenhauer wurde am 22. Februar 1788 in Danzig geboren. Sein Vater Heinrich Floris Schopenhauer, der einer angesehenen Danziger Kaufmannsdynastie entstammte, war 19 Jahre älter als die Mutter Johanna Schopenhauer, geb. Trosiner; sie wurde später eine bekannte Schriftstellerin und führte einen literarischen Salon, in dem auch Goethe verkehrte. Die Familie Schopenhauer siedelte 1793 in die Freie Hansestadt Hamburg über, dort gründete Schopenhauer Senior in der heutigen Speicherstadt ein Handelshaus, in dem die Familie bis 1805 wohnte. Arthur hatte schnell das in einer Handelsschule Erlernbare absolviert und bat den Vater eindringlich, ein Gymnasium besuchen zu dürfen. Der Vater hielt dies jedoch für überflüssig und bot ihm stattdessen eine gemeinsame, längere Bildungsreise durch Europa an. Arthur willigte ein und bereiste, nachdem er mehrere Wochen zum Erlernen der englischen Sprache in Wimbledon verbracht hatte, von 1803 bis 1804 Holland, England, Frankreich, die Schweiz, Österreich, Schlesien und Preußen, anschließend begann Schopenhauer auf Wunsch des Vaters eine Kaufmannslehre in Danzig. 1805 starb der Vater durch einen Unfall, die Familie löste sich auf, die Mutter zog mit seiner jüngeren Schwester nach Weimar, Arthur blieb in Hamburg. Er brach die Lehre ab und ging nach Gotha wo er sich der Philosophie zuwandte später übersiedelte er ebenfalls kurz nach Weimar. 1809 begann er an der Universität Göttingen ein Studium der Medizin, das er jedoch bald zugunsten der Philosophie aufgab. Den Doktortitel der Philosophie an der Universität Jena erhielt Schopenhauer am 2. Oktober 1813 für seine Schrift Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde. 1818 trat der Privatgelehrte eine Reise nach Italien an, die ihn über Venedig, Rom, Neapel und Paestum nach Mailand führte. 1819 erschien sein Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung. 1820 60 Schopenhauer begann Schopenhauer an der noch jungen Berliner Universität zu lehren. Dabei kam es zu dem berühmten Streit mit dem großen Philosophen Hegel. Schopenhauer setzte seine Vorlesungen zeitgleich mit denen Hegels an, hatte aber nur wenige Zuhörer, da die Studenten Hegel bevorzugten. Bei Ausbruch einer Choleraepidemie in Berlin 1831 floh Schopenhauer - anders als Hegel, der ihr vermutlich zum Opfer fiel - nach Frankfurt am Main, wo er sich auf Dauer niederließ. 1851 kamen die Parerga und Paralipomena (2 Bände) mit den Aphorismen zur Lebensweisheit heraus. 1860 erkrankte er an einer Lungenentzündung. Nach monatelangen Atmungsbeschwerden mit starkem Herzklopfen im Gehen, starb Schopenhauer am 21. September 1860 in der Schönen Aussicht 16 in Frankfurt am Main. Am 26. September wurde er auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt. Arthur Schopenhauer war ein Einzelgänger, er hielt sich zeitlebens einen Pudel. Dessen Name war immer Atman, nach dem Sanskrit-Wort für Lebenshauch, Atem, in der Tradition der Upa- nishaden die Essenz des Selbst bzw. die Einzelseele als Teil des Brahman, der „Weltseele.“ Schopenhauer war der philosophischen Auffassung, dass jeder Hund gleichzeitig jeden anderen Hund enthalte. „Des Pudels Kern“ (Goethe) ging also nie verloren. Für Menschen galt ihm sinngemäß das Gleiche. Der Tagesablauf des Philosophen war streng geregelt: morgens die Arbeit am Schreibtisch, Flötespielen regelmäßig vor dem Mittagessen. Die Mahlzeiten soll Schopenhauer nach der Überlieferung seiner Biographen stets in Gasthäusern eingenommen haben, bevor er zu einem zweistündigen Spaziergang antrat. Über „die Frauen“ äußerte Schopenhauer sich häufig negativ, das Heiraten verwarf er stets. Lehre: Schopenhauer entwarf eine Lehre, die gleichermaßen Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik umfasst. Er sah sich selbst als Schüler und Vollender Immanuel Kants, dessen Philosophie er als Vorbereitung seiner eigenen Lehre auffasste. Weitere Anregungen bezog er aus der Ideenlehre Platons und Vorstellungen 61 Neuzeit Neuzeit Philosophie Hegels ab, die er selbst abwertend als „Hegelei“ bezeichnete. Er verfasste drastische Polemiken gegen Hegel, Schelling, Fichte und den zunächst von ihm verehrten Schleiermacher. Der Vorstellungswelt liegt der Wille zugrunde, den Schopenhauer als grundlosen Drang versteht. Die Welt ist dem Menschen Vorstellung, da sie Objekt für ihn als Subjekt ist, und sie ist dem Menschen Wille, den er in der Lebendigkeit seines eigenen Leibes erfährt, er betrachtet den Willen als die zentrale Kraft der menschSchopenhauer lichen Existenz - eine Vorstellung, die von Friedrich Nietzsche später übernommen wurde. Nach Arthur Schopenhauer ist der Satz vom zureichenden Grund (Nichts ist ohne Grund, warum es sei und nicht vielmehr nicht sei) ein Urgesetz des menschlichen Verstandes und der allgemeinste Ausdruck für die Verbindung und gegenseitige Abhängigkeit von Bewußtseinsinhalten aller Art. Er drückt die apriorische (aller Erfahrung vorausgehende; dies greift Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, auf) Verbindung aller Vorstellungen des Subjekts aus. Alle Dinge, die uns auf irgendeine Art erscheinen (Objekte), sind Vorstellungen eines wahrnehmenden und denkenden Ichs (Subjekt). Diesen Relationsbeziehungen ordnet Schopenhauer vier verschiedenen Klassen zu, in denen jeweils bestimmte Objekte auf unterschiedliche Weise aufeinander wirken, also eine unterschiedene Ausformung des Satzes vom Grunde herrscht. • Als erste Klasse fasst Schopenhauer die Klasse der „anschaulichen, vollständigen, empirischen Vorstellungen,“ in denen der „Satz vom zureichenden Grunde des Werdens“ herrscht. Vereinfacht gesagt stellt diese Klasse die physikalische Es gibt nur einen Weg, die Narren müssen Weise werden. östlicher Philosophien. Moralphilosophisch formulierte Schopenhauer im Unterschied zu Kant eine Mitleidsethik. Dabei fand er etwas in der menschlichen Natur, was einen kleinen Trostschimmer in sein pessimistisches Weltbild wirft: das Mitleid. Für Arthur Schopenhauer war das Mitleid die „allein echte moralische Triebfeder“ und damit Grundlage der Ethik. Die Fähigkeit, das Leid anderer Menschen (oder auch Tiere) zu teilen, macht für Schopenhauer die wahre Grundlage der Moral aus. Moralphilosophie, so Schopenhauer, soll dem Menschen nicht vorschreiben, was er zu tun hat. Es hat keinen Sinn, den Menschen belehren zu wollen, denn dieser wird vor allem vom Egoismus gelenkt und ist damit immun gegen philosophische oder theologische Belehrungen. Statt mit erhobenem Zeigefinger den Moralapostel zu spielen, setzt Schopenhauer auf die Beobachtung und Beschreibung des menschlichen Verhaltens. Innerhalb der Philosophie des 19. Jahrhunderts entwickelte er eine eigene Position des Subjektiven Idealismus und vertrat als einer der ersten Philosophen im deutschsprachigen Raum die Überzeugung, dass der Welt ein irrationales Prinzip zugrunde liegt. Schopenhauer lehnte die 62 Ebene der Naturwissenschaft dar, in der das Prinzip von Ursache und Wirkung auftritt: Damit etwas wird, braucht es eine Ursache, welche auf es wirkt. • Die zweite Klasse dagegen umfasst die Begriffe, womit Schopenhauer die Erzeugnisse der Vernunft meint, also die Sprache. In dieser Klasse herrscht der „Satz vom zureichenden Grunde des Erkennens.“ Denn abstraktes Denken, das sich in Begriffen vollzieht, operiert stets mit Urteilen, die, wenn sie wahr sind, eine Erkenntnis ausdrücken. Somit stellt die zweite Klasse der Objekte die sprachlich-formale Ebene der Vorstellungen dar, in der der Satz vom Grunde wesentlich das Verhältnis zwischen Prämissen und Schluss beschreibt bzw. zwischen Erkenntnisgrund und Folge. • Mit der dritten Klasse der Vorstellungen setzt Schopenhauer Zeit und Raum gleich. Diese sind hier in ihrer rein formalen Ausformung zu betrachten, während sie eigentlich schon in der ersten Klasse auftreten, dort jedoch in ihrer Vereinigung als materielles Produkt (Zeit vereinigt mit Raum ist für Schopenhauer gleich Materie und somit Kausalität). Zwischen den Teilen im Raum bzw. in der Zeit findet sich das Verhältnis von Lage (im Raum) und Folge (in der Zeit). Dieser Verhältnismäßigkeit, die die Grundlage allen Seins bildet, schreibt Schopenhauer den „Satz vom zureichenden Grunde des Seyns“ zu. • Schließlich nennt Schopenhauer eine letzte Klasse, deren Vorstellungen sich auf ein einziges Objekt beziehen, nämlich auf das „Subjekt des Wollens“: Der Mensch betrachtet den inneren Vorgang des Wollens in ihm als etwas Objektives, er betrachtet sich als wollendes Subjekt. Innerhalb dieses Objektes nun herrscht wiederum Kausalität, jedoch nicht eine „äußere“ wie in der ersten Klasse, sondern eine „innere“: Der Ursache entspricht hier das Motiv und der Wirkung die Handlung. Der zugeordnete Satz ist der „Satz vom zureichenden Grunde des Handelns.“ • Jeder Klasse ordnet Schopenhauer ein „subjektives Korrelat“ zu, durch welches der jeweilige Satz vom Grunde sich uns darstellt: Die erste Klasse besteht durch den Verstand, die zweite durch die Vernunft, die dritte durch die reine Sinnlichkeit und die vierte durch den inneren Sinn oder das Selbstbewusstsein. Der zweite grundlegende Satz der Schopenhauerschen Philosophie, ein Objekt sei niemals ohne Subjekt denkbar. Existieren ist der ununterbrochene Kampf um das Da-Sein; Existieren ist Leiden am Da-Sein. Es gibt einen absoluten Maßstab moralischen Handelns, der für alle Menschen jeglicher Unterscheidung ungeachtet gilt. Dieser unterliegt jedoch keiner Definition durch die Vernunft, sondern geht ihr voran, weil er der einzige Maßstab ist, der dem Wirken des Willens gerecht werden kann: die Erhaltung und Würdigung des Lebens. Denn das Leben stellt, davon ist Schopenhauer überzeugt, den höchsten Wert schlechthin dar, so daß derjenige, der diesen Wert respektiert, moralisch handelt. >>Jedes Individium, indem es nach Innen blickt, erkennt in seinem Wesen, welches sein Wille ist, das Ding an sich, daher das überall allein Reale. Demnach erfaßt es sich als Kern und Mittelpunkt der Welt, und findet sich unendlich wichtig. Blickt es hingegen nach Außen; so ist es auf dem Gebiete der Vorstellung, der bloßen Erscheinung, wo es sich sieht als ein Individium unter unendlich vielen Individuen, sonach als ein höchst Unbedeutendes, ja gänzlich Verschwindendes. Folglich ist jedes, auch das unbedeutendete Individuum, jedes ich, von Innen gesehen Alles in Allem; von Außen gesehen hingegen, ist es nichts, oder doch soviel wie nichts. Hierauf also beruht der große Unterschied zwischen Dem, was notwendig Jeder in seinen eigenen Augen, und Dem, was er in den Augen aller Anderen ist, mithin der EGOISMUS, den Jeder Jedem vorwirft. — In Folge dieses Egoismus ist unser Aller Grundirrthum dieser, daß wir einander gegenseitig Nicht ich sind. Hingegen ist gerecht, edel, menschenfreundlich seyn, nichts Anderes, als meine Metaphysik in Handlungen übersetzen.<< >> Unter METAPHYSIK verstehe ich jede angebliche Erkenntniß, welche über die Möglichkeit der Erfahrung, also über die Natur, oder die gegebene Erscheinung der Dinge, hinausgeht, um Aufschluß zu ertheilen über das, wodurch jede, in einem oder dem anderen Sinne, bedingt wäre; oder, populär zu reden, über das was hinter der Natur steckt und sie möglich macht.<< • Wie kaum eine ander Philosophie macht es Schoppenhauers Standpunkt Sichtbar, daß dogmatische Aussagen weniger einer Wahrheit die63 Neuzeit Neuzeit nen als vielmehr den vordergründigen Zwecken des Machterhalts. Statt sich im Besitz letzter Wahheiten zu wähnen, rät Schopenhauers Philosophie zur Redlichkeit im Denken und zum sparsameren Umgang mit dem Wort Wahrheit. • Die Grundhaltung der Willensmetaphysik zeigt sich darin, daß das Wesen von Verstand und Vernunft das Hirn und das Wesen des Sehens und der Farben das Auge ist. • Damit der Wille die Erleichterung des Betens hat, muß der Intellekt sich einen Gott schaffen; (meistens mehere, wegen Verschiedenheiten der Angelegenheiten): nicht umgekehrt, weil der Intellekt einen Gott gefunden hat, betet er. • Religionen bedienen sich der bildhaften Rede, aber Sie müssen verschweigen, daß es sich um eine bildhafte Rede handelt. • Die Priester sind ein sonderbares Mittelding von Betrügern und Sittenlehrern, im Habitus von Monopolisten und Generalpächtern treten sie in allen Völkern in Erscheinung. Demnach gehören sie Unternehmen an, die das metaphysische Bedürfnis der Menschen immer schon gewinnbringend ausgebeutet haben, darin sind sie ihren Konkurrenten, den Philosophie-Professoren, stets überlegen gewesen. Zu ihrem Geschäft gehört es, den übertragenen Sinn von Religion als einen strikten Sinn auszugeben. Während ein philosophisches System im strengen und eigentlichen Sinn nur einen Anspruch verfolgen kann "wahr" zu Sein. Religion hat eine andere Verpflichtung, sie ist für die Unzähligen bestimmt, welche, der Prüfung und des Denkens unfähig, die tiefsten und schwierigsten Wahrheiten nimmermehr fassen würden, hat auch nur die Verpflichtung wahr zu sein. Nackt kann die Wahrheit vor dem Volke nicht erscheinen. Ein Symtom dieser allegorischen Natur der Religion sind die vielleicht in jeder anzutreffenden Mysterie, nämlich gewisse Dogmen, die sich nicht mal deutlich denken lassen, geschweige wörtlich wahr sein können. Vielleicht ließe sich behaupten, daß einige völlige Widersinnigkeiten, einige wirkliche Absurditäten, ein wesentliches Ingredienz einer vollkommenen Religion seien. • Die gefühlte Einheit mit allen im Leiden verhafteten Individuen hebe den Unterschied zwischen ihnen auf und bringe die egoistische Kraft des Willens in jedem einzelnen zum Stillstand. Die Bezeichnung dieses Zustandes ist "Erlösung", weil er aus der Welt des Fressens und Gefressenwerden heraus führt. «Der Reichtum gleicht dem Seewasser: je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man.» «Die kleinen Unfälle, die uns stündlich vexieren, kann man betrachten als bestimmt, uns in Übung zu erhalten, damit die Kraft, die grossen zu ertragen, im Glück nicht ganz erschlaffe. » «Um durch die Welt zu kommen, ist es zweckmässig, einen grossen Vorrat von Vorsicht und Nachsicht mitzunehmen: durch erstere wird man vor Schaden und Verlust, durch letztere vor Streit und Händel geschützt.» «Im weiteren Sinne kann man auch sagen: die ersten vierzig Jahre unsers Lebens liefern den Text, die folgenden dreissig den Kommentar dazu, der uns den wahren Sinn und Zusammenhang des Textes, nebst der Moral und allen Feinheiten desselben, erst recht verstehn lehrt.» «So lange wir jung sind, man mag uns sagen, was man will, halten wir das Leben für endlos und gehn danach mit der Zeit um. Je älter wir werden, desto mehr ökonomisieren wir unsere Zeit. Denn im spätern Alter erregt jeder verlebte Tag eine Empfindung, welche der verwandt ist, die bei jedem Schritt ein zum Hochgericht geführter Deliquent hat.» Zitate: • Das Beste was die Welt zu bieten hat, ist eine schmerzlose, ruhige, erträgliche Existenz und beschränken unsere Ansprüche auf diese, um sie desto sicherer durchzubringen. • Zwischen Männern ist von Natur bloß Gleichgültigkeit, aber zwischen Weibern ist schon von Natur Feindschaft. • In der Kindheit sind uns die Dinge von der Seite des Sehens, also der Vorstellung, der Objektivität, bekannt, als von der Seite des Seins, welche die des Willens ist. • Das Glück gehört denen, die sich selbst genügen. Denn alle äußeren Quellen des Glückes und Genusses sind ihrer Natur nach höchst unsicher, misslich, vergänglich und dem Zufall unterworfen. • Dasjenige, was Alles erkennt und von Keinem erkannt wird, ist das Subjekt. Aus dieser Definition ergibt sich, daß alles, das erkannt werden kann, nicht Subjekt ist, was bedeutet, daß es in den Bereich des Objektiven, der Vorstellung fällt. 64 • In Deutschland ist die höchste Form der Anerkennung der Neid. • Es gibt 1000 Krankheiten, aber nur eine Gesundheit. • Mangel an Verstand heißt Dummheit! Mangel an Anwendung der Vernunft auf das Praktische heißt Thorheit! Mangel an Urteilskraft heißt Einfalt! Mangel des Gedächnisses wird als Wahnsinn bezeichnet! • Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt! • Der Wahrheit steht der Irrtum als Trug der Vernunft gegenüber! • Der Realität steht der Schein als Trug des Verstandes gegenüber! • Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten. Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen. • Man wird in der Regel keinen Freund dadurch verlieren, dass man ihm ein Darlehen abschlägt, aber sehr leicht dadurch, dass man es ihm gibt. • In Deutschland ist die höchste Form der Anerkennung der Neid. • Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand. • Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Tier. Wir kennen es bloß im Zustand der Bändigung und Zähmung. • Der Grund und Boden, auf dem alle unsere Erkenntnisse und Wissenschaften ruhen ist das Unerklärliche. • Das niedrig gewachsene, schmalschultrige, breithüftige und kurzbeinige Geschlecht das Schöne zu nennen, konnte nur der vom Geschlechtstrieb umnebelte männliche Intellekt fertigbringen. • Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt. • Meistens belehrt erst der Verlust uns über den Wert der Dinge. • Die Freunde nennen sich aufrichtig, die Feinde Meistens belehrt erst der Verlust uns über den Wert der Dinge. Schopenhauer sind es. • Was dein Feind nicht wissen soll, das sage deinem Freunde nicht. • Was einer an sich selber hat, ist zu seinem Lebensglück das Wesentlichste. • Das Genie wohnt nur eine Etage höher als der Wahnsinn. • Für das praktische Leben ist das Genie so brauchbar wie ein Stern-Teleskop im Theater • Das Leben aller genialen Menschen ist durchweg tragisch, wenn es auch, von außen gesehn, noch so ruhig erscheint. • Das Leben ist nicht eigentlich da, um genossen, sondern um überstanden, abgetan zu werden. Ja, es ist ein Trost im Alter, daß man die Arbeit des Lebens hinter sich hat. • Jeder hält die Grenzen seines Gesichtskreises für die Grenzen der Welt • Der Grund und Boden, auf dem alle unsere Erkenntnisse und Wissenschaften ruhen ist das Unerklärliche. • Es gibt nur einen Weg, die Narren müssen Weise werden. Feuerbach Deutscher Philosoph und Anthropologe (1804 - 1872) Leben: Ludwig Feuerbach wurde am 28. Juli 1804 in Landshut als Sohn des bedeutenden 65 Neuzeit Neuzeit Ein Mensch ohne Verstand ist auch ein Mensch ohne Willen. Wer keinen Verstand hat, läßt sich verführen, verblenden, von andern als Mittel gebrauchen; nur wer denkt, ist frei und selbständig. Rechtsgelehrte Paul Johann Anselm von Feuerbach geboren. Ludwigs Mutter, geb. Eva Wilhelmine Tröster, stammte aus bescheidenen Verhältnissen. Die fünf Söhne und drei Töchter der beiden zeigten alle eine ausgeprägte Hochbegabung. Als Zweijähriger kam Ludwig Feuerbach nach München, wo er später die Grundschule besuchte. 1816 trennten sich die Eltern für mehrere Jahre. Die Brüder Friedrich, Ludwig und Eduard zogen mit dem Vater nach Ansbach, die drei Schwestern blieben einstweilen bei der Mutter in Bamberg. 1823 begann Feuerbach in Heidelberg ein Theologiestudium, 1824 ging er nach Berlin, wo er gegen den Widerstand des Vaters das Studienfach wechselte: Zwei Jahre lang hörte er sämtliche Vorlesungen, die Hegel in dieser Zeit hielt. 1828 promovierte er in Philosophie; am Ende desselben Jahres folgte die Habilitation. Wenige Wochen danach begann er, als unbesoldeter Privatdozent in Erlangen zu lehren. Im ländlichen Bruckberg nahe Ansbach hatte er später den ihm zuträglichen Ort gefunden, seine Geliebte Bertha Löw, die 1837 seine Ehefrau wurde, war dort Mitinhaberin einer Porzellanmanufaktur. Die heftige Polemik gegen die als rückwärtsgewandt und unredlich kritisierte „Christentümelei“ der Restauration veranlasste ihn, dem Phänomen Religion auf den Grund zu gehen, zwei Jahre lang, von 1839 bis 1841, arbeitete er am Hauptwerk Das Wesen des Christentums. Nach dem Ausbruch der März-Revolution 1848 wurde Feuerbach von mehreren Seiten dazu aufgefordert, für das Frankfurter Paulskirchenparlament zu kandidieren, er unterlag. 1859 war die Bruckberger Porzellanfabrik endgültig bankrott. Feuerbach und seine Frau verloren nicht nur alle investierten Ersparnisse, sondern auch ihr Wohnrecht und die Naturaliennutzung, die Feuerbachs zogen nach Rechenberg, nahe Nürnberg. 1867 erlitt er einen leichten Schlaganfall, 1870 traf ihn ein zweiter, schwerer Schlaganfall, der sein geistiges Vermögen völlig zerstörte. Nur sehr beschränkt kontaktfähig, lebte Feuerbach noch etwas mehr als zwei Jahre. Am 13. September 1872 erlag er einer Lungenentzündung. Lehre: Feuerbach wurde bekannt als Philosoph, der eine materialistische Sicht der Welt hatte und der die Dialektik in seinen Betrachtungen als Denkmodell einführte und einen Erkenntnis- samen Denkers mit sich selbst“ zu sein, sie wird zum „Dialog zwischen Ich und Du.“ Die „neue Philosophie“ ist dezidierter Humanismus. Da alles Übersinnliche oder Übernatürliche, sei es ein außerweltlicher Gott oder ein absoluter Weltgeist, ausgeschlossen wird, ist diese Philosophie auch materialistisch,dieser Materialismus wird als „anthropologischer Materialismus“ bezeichnet. Den bedeutendsten und direktesten Einfluss übte Feuerbach auf die Herausbildung der marxschen Philosophie aus. Marx übernahm von ihm nicht nur die Religionskritik (die er politisch radikalisierte), sondern auch und vor allem den anthropologischen Materialismus. Zitate: • Das absolute Wesen, der Gott des Menschen ist sein eigenes Wesen. Die Religion, wenigstens die christliche, ist das Verhalten des Menschen zu sich selbst, zu seinem Wesen. Das göttliche Wesen ist nichts anderes als die Bestimmung des menschlichen Wesens oder besser, das Wesen des Menschen. • Du glaubst an die Liebe als eine göttliche Eigenschaft, weil du selbst liebst, du glaubst das Gott ein weises, ein gütiges Wesen ist, weil du nichts Besseres von dir kennst als Güte und Verstand und du glaubst das Gott existiert, das er also Subjekt oder Wesen ist - was existiert ist Wesen, werde es nun als Subjekt, Person oder sonstwie bestimmt und bezeichnet - weil du selbst existierst, selbst Wesen bist. • Ein Gott, der nicht gütig, nicht gerecht, nicht weise ist, ist kein Gott. Das Wesen der Religion ist es, die Bestimmungen des Wesen Gottes auszudrücken. • Das der Mensch gut oder schlecht sei, ist Gott nicht gleichgültig, nein, er hat ein lebhaftes, inniges Interesse daran, das er Gut ist, er will, das er Gut, das er Selig ist - denn ohne Güte keine Seligkeit. • Religiöse Attraktion: Gott ist das in mir, mit mir, durch mich, auf mich, für mich handelnde Wesen, das Prinzip meines Heils, meiner guten Gesinnungen und Handlungen, folglich mein eigenes gutes Prinzip und Wesen. „Der Gott, welcher Mensch ist, der menschliche Gott, also Christus – dieser nur ist der Gott des Protestantismus.“ Dieser menschliche Gott erlaubt Aussagen über die Religion, die keine theore- Feuerbach standpunkt formulierte, der für die modernen Humanwissenschaften, wie zum Beispiel die Psychologie, grundlegend geworden ist. Feuerbachs Philosophie ist immer auch die Frucht intensiver Auseinandersetzung mit herrschenden geistigen Strömungen. Er hat nie versucht, ein philosophisches System zu entwickeln; später lehnte er solche Systeme sogar grundsätzlich ab. So schrieb Feuerbach: „Denkend bin ich verbunden, oder vielmehr: Ich bin eins mit allen, ich selbst bin geradezu alle Menschen.“ Oder, in Anlehnung an das Ich denke, also bin ich von Descartes: „Ich denke, also bin ich alle Menschen.“ „Anthropologisch“ oder dem Menschen gemäß philosophieren bedeutet für Feuerbach erstens: Rücksichtnahmen auf die das eigene Denken bewährende Sinnlichkeit, deren erkenntnismäßiger Modus die sinnlich-bestimmte und das Denken mit Sinn erfüllende Anschauung ist, und zweitens: Rücksichtnehmen auf den das eigene Denken bewährenden Mitmenschen, der erkenntnismäßig der Partner des dialogischen Denkens ist. Das bei mir dem Menschen vorausgesetzte Wesen, das Wesen welches die Ursache oder der Grund des Menschen ist, welchem er sein 66 Entstehen und Existenz verdankt, das ist und heißt bei mit nicht Gott…, sondern Natur…. Das Wesen aber, in dem die Natur ein persönliches, bewußtes, verständiges Wesen wird, ist und heißt bei mir der Mensch. Mich als Mann wissend, anerkenne ich schon die Existenz eines von mir unterschiedenen Wesens, als eines zu mir gehörenden und mein eigenes Dasein mitbestimmendes Wesen. Ich bin also, schon bevor ich mich selbst verstehe, von Natur im Dasein anderer begründet. Und denkend mache ich mir nur bewußt, was ich schon bin: ein auf anderes Dasein gegründetes, aber kein grundloses Wesen. Nicht ich, sondern ich und du ist das wahre Prinzip des Lebens und Denken. Feuerbach forderte eine „neue Philosophie,“ welche „die Wahrheit der Sinnlichkeit mit Freuden, mit Bewusstsein“ anerkennt. Anstatt im reinen Selbsterkennen, beginnt sie mit einer Konfrontation: Das denkende Ich macht zunächst die Erfahrung, dass ein Du existiert, das ihm einerseits Grenzen setzt, andererseits über sich selbst hinaus hilft. Erkenntnis beginnt also da, wo das Ich an einem anderen Wesen Widerstand findet. Die Philosophie hört dann auf, „ein Monolog des ein67 Neuzeit Neuzeit tischen Erklärungen mehr sind, sondern unmittelbare Befunde. „Ist der Mensch frei, wahr, gut so ist Gott umsonst gut, wahr und frei... Ob er ist oder nicht ist – es ist einerlei: wir gewinnen nichts durch sein Sein und verlieren nichts durch sein Nichtsein.“ Wertneutral ist die Entscheidung für oder gegen Gott freilich nicht. Mann muß es entweder mit Gott oder mit den Menschen halten, entweder an Gott glauben und am Menschen verzweifeln oder an den Menschen glauben und an Gott verzweifeln. Der Gott-Gläubige kümmert sich nicht um Humanität, weil Gott ja human ist und dadurch den Menschen der eigenen Humanität überhebt. Wird jedoch die Humanität Gottes in den Menschen zurückgenommen, so ist vor allem von Belang, daß Gott gut ist. Gut sein kann man nicht für sich selbst, sondern nur für andere: gut und menschlich ist einerlei. Für den Menschen gibt es kein anderes Maß des Guten als den Menschen. • Ein Mensch ohne Verstand ist auch ein Mensch ohne Willen. Wer keinen Verstand hat, läßt sich verführen, verblenden, von andern als Mittel gebrauchen; nur wer denkt, ist frei und selbständig. • Das Wesen des Christentums ist das Wesen des Gemüts. Es ist gemütlicher, zu leiden, als zu handeln, gemütlicher, durch einen andern erlöst und befreit zu werden, als sich selbst zu befreien. • Vier Hände vermögen mehr als zwei; aber auch vier Augen sehen mehr als zwei. • Das Böse ist durch das Gute verursacht. Weil das Gute unterscheidet, ist es Quell und Ursprung von Streit. • Theologie ist Anthropologie. • Der Ursprung, ja das eigentliche Wesen der Religion ist der Wunsch. Hätte der Mensch keine Wünsche, so hätte er auch keine Götter. Was der Mensch sein möchte, aber nicht ist, dazu macht er seinen Gott. • Der Mensch ist der Anfang der Religion, der Mensch der Mittelpunkt der Religion, der Mensch das Ende der Religion. • Das Leben muß wie ein kostbarer Wein mit gehörigen Unterbrechungen Schluck für Schluck genossen werden. Auch der beste Wein verliert für uns allen Reiz, wir wissen ihn nicht mehr zu schätzen, wenn wir ihn wie Wasser hinunterschütten. • Die wahre Philosophie besteht darin, nicht Bücher, sondern Menschen zu machen. • Die Natur antwortet nicht auf die Klagen und Fragen des Menschen; sie schleudert unerbittlich ihn auf sich selbst zurück. • Die Philosophie ist die Erkenntnis dessen, was ist. Die Dinge und Wesen so zu denken, so zu erkennen, wie sie sind – dies ist das höchste Gesetz, die höchste Aufgabe der Philosophie. • Der Religion ist nur das Heilige wahr, der Philosophie nur das Wahre heilig. • Erkenntnis dessen, was groß und klein ist, ist die schwerste Wissenschaft in diesem Leben. • Ein Dogma ist das ausdrückliche Verbot, selber zu denken. • Gott war mein erster Gedanke, die Vernunft mein zweiter, der Mensch mein dritter und letzter Gedanke Max Stirner Deutscher Philosoph und Journalist (1806 - 1856) Leben: Johann Caspar Schmidt stammte aus bürgerlichen Verhältnissen. Sein Vater fertigte Holzblasinstrumente; er starb, als Johann Caspar ein halbes Jahr alt war. Seine Mutter heiratete zwei Jahre später einen Apotheker und zog von Bayreuth nach Culm/Westpreußen. Johann Caspar wuchs in Bayreuth bei seinen Pateneltern auf. Nach dem Abitur studierte er von 1826 bis 1828 in Berlin bei Hegel, Schleiermacher und anderen. 1828/1829 war er an der Universität Erlangen immatrikuliert. Nach längerer Unterbrechung studierte er 1832/1833 zwei weitere Semester in Berlin, um die Voraussetzung zur Ausübung des Lehrberufs zu erfüllen. Er schloss sein Studium 1835 ab, bekam dann jedoch keine staatliche Anstellung und trat seine erste Stelle 1839 bei einer privaten Schule für höhere Töchter in Berlin an. Seit 1841 verkehrte er dort bei den „Freien,“ einem Debattierzirkel oppositioneller (liberaler und sozialistischer) Akademiker und Publizisten, zu dieser Zeit publizierte er Artikel und Zeitungskorrespondenzen, sowohl anonym als auch unter dem Pseudonym „Max Stirner.“ Ab 1843 arbeitete er am Manuskript seines Werkes Der Einzige und sein Eigentum, dieses erschien im 1844/45. Stirner war zweimal verheiratet. Er 68 Das Göttliche ist Gottes Sache, das Menschliche Sache des Menschen. Max Stirner übersetzte 1847 Adam Smiths The Wealth of Nations ins Deutsche, schrieb weiterhin Artikel. Er starb 1856 infolge einer Infektion, verursacht durch einen Insektenstich, und wurde auf dem II. Sophien-Friedhof in Berlin-Mitte bestattet. Lehre: Stirners Philosophie weist im Kern, unter Abzug aller Polemik, auf Praxis: nach der Aufklärung gelte es, um wirklich den viel beschworenen Ausgang aus der „Unmündigkeit“ zu schaffen, auch das „Jenseits in Uns“ zu beseitigen. Den so entstandenen bzw. beschaffenen Menschen nennt Stirner den „Eigner“ (von „Allem,“ incl. seiner selbst), provokant auch den „Egoisten.“ Vom Standpunkt des Eigners aus kritisiert Stirner die progressiven politischen Richtungen seiner Zeit auch Hegel und Feuerbach. Seht doch jenen Sultan an, der für die Seinen so liebreich sorgt. Ist er nicht die pure Uneigennützigkeit selber und opfert er sich nicht stündlich für die Seinen? Ja wohl, für „die Seinen.“ Versuch es einmal und zeige Dich nicht als der Seine, sondern als der Deine: Du wirst dafür, daß Du seinem Egoismus Dich entzogst, in den Kerker wandern. Der Sultan hat seine Sache auf nichts, als auf sich gestellt; er ist sich alles in Allem, ist sich der einzige und duldet keinen, der es wagte, nicht einer der „Seinen“ zu sein. Und an diesen glänzenden Beispiele wollt Ihr nicht lernen, daß der Egoist am besten fährt? Ich Meinesteils nehme mir eine Lehre daran und will, statt jenem großen Egoisten ferner uneigennützig zu dienen, lieber selber der Egoist sein. Fort denn mit jeder Sache, die nicht ganz und gar Meine Sache ist! Ihr meint, Meine Sache müsse wenigstens die „gute Sache“ sein? Was gut, was böse! Ich bin ja selber Meine Sache, und ich bin weder gut noch böse. Beides hat für mich keinen Sinn. Das Göttliche ist Gottes Sache, das Menschliche Sache „des Menschen.“ Meine Sache ist weder das Göttliche noch das Menschliche, ist nicht das Wahre, Gute, Rechte, Freie usw., sondern allein das Meinige, und sie ist keine allgemeine, sondern ist – einzig, wie ich einzig bin. Mir geht nichts über Mich! Der Eigner akzeptiert nichts „über sich,“ nichts Heiliges; er ist frei von jenem erzieherisch erzeugten Über-Ich, von dem die meisten bisherigen Menschen mehr oder weniger „besessen“ sind. Stirner sieht um sich herum „nichts als unterwür69 Neuzeit Neuzeit fige Menschen,“ und dies in allen Schichten: „Was sind unsere geistreichen und gebildeten Subjekte grösstenteils? Hohnlächelnde Sklavenbesitzer und selber - Sklaven.“ Seine Zukunftsvision ist der „freie,“ „persönliche,“ „ganze,“ „wahre,“ „vernünftige,“ „prinzipielle“ oder auch „selbstschöpferische“ Mensch, hier zeigt Stirner sich am deutlichsten und substantiellsten als Antipode Hegels. Obwohl die meisten Darstellungen der Geschichte die Philosophie Stirners allenfalls am Rande erwähnen, hat er nicht nur Karl Marx, sondern auch zahlreiche andere Denker, vermutlich auch Friedrich Nietzsche beeinflußt. Zitate: • Mir geht nichts über mich. • Ich liebe die Menschen mit dem Bewußtsein des Egoismus: Ich liebe sie, weil die Liebe mich glücklich macht. • Was die Religion den »Sünder« nennt, das nennt die Humanität den »Egoisten«. • Ich hab‘ mein‘ Sach auf nichts gestellt. • Verlaß dich nicht auf die Gesellschaft, sondern sieh zu, daß du habest, um die Erfüllung deiner Wünsche zu – erkaufen. • Fremdheit ist ein Kennzeichen des »Heiligen«. In allem Heiligen liegt etwas »Unheimliches«, d.h. Fremdes, worin wir nicht ganz heimisch und zu Hause sind. Was mir heilig ist, das ist mir nicht eigen, und wäre mir z.B. das Eigentum anderer nicht heilig, so sähe ich‘s für das meine an, das ich bei guter Gelegenheit mir zulegte. • Die Liebe ist das Menschliche am Menschen, und das Unmenschliche ist der lieblose Egoist. • Der Staat hat immer nur den Zweck, den einzelnen zu beschränken, zu bändigen, zu subordinieren, ihn in irgendeinem Allgemeinen untertan zu machen... Pedersen Kierkegaards zweite Frau und diente vor der Eheschließung im Haushalt des Vaters als Magd. Kierkegaard war das letzte von sieben Kindern, der Vater war zum Zeitpunkt seiner Geburt bereits 57 Jahre alt. Ein Erbe des verstorbenen Vaters in Höhe von 30.000 Reichstalern sicherte Kierkegaards wirtschaftliche Existenz und enthob ihn bis an sein Lebensende der Notwendigkeit, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Kierkegaard verließ das väterliche Haus am Nytorv, in dem er mit kurzen Unterbrechungen bis zum Tod seines Vaters gewohnt hatte, und nahm sich eine eigene Wohnung in Kopenhagen. 1830 nahm er an der Universität Kopenhagen das Studium der Philosophie und der protestantischen Theologie auf. Kierkegaard nahm sein Studium lange Zeit nicht besonders ernst und zog es vor, sich Vergnügungen hinzugeben. Er schloss sein Studium 1840 mit der theologischen Staatsprüfung als Kandidat der Theologie ab, 1841 erwarb er den Magistergrad mit einer Dissertation. Im Frühjahr 1837 begegnete Kierkegaard erstmals der damals 14-jährigen Regine Olsen, trotz des Altersunterschieds von zehn Jahren fühlten sich beide stark zueinander hingezogen. Im September 1840 verlobte sich Kierkegaard mit Regine. Doch schon wenige Tage nach der Verlobung begann Kierkegaard an seiner Fähigkeit, Regine glücklich zu machen, Zweifel zu hegen. Diese wuchsen im Laufe der Zeit zu Verzweiflung und innerer Zerrissenheit. Im August 1841 beendete Kierkegaard die Verlobung mit einem Brief an Regine, dem er den Verlobungsring beilegte. Regine Olsens Bedeutung für Kierkegaards Werk ist kaum zu überschätzen. Möglicherweise wären viele seiner Schriften ohne diese prägende Episode nicht oder nicht in dieser Form entstanden. Im Oktober 1841, etwa zwei Monate nach dem Bruch mit Regine, reiste Kierkegaard nach Berlin, wo er in der Nähe des Gendarmenmarktes Quartier nahm. Er hörte vor allem bei Schelling Vorlesungen und arbeitete auch bereits an seinem ersten Werk, Entweder – Oder. Von Schelling enttäuscht, kehrte er bereits Anfang März 1842 in die dänische Hauptstadt zurück, ein Jahr später reiste er nochmals nach Berlin. Die meisten seiner Hauptwerke hat Kierkegaard in den Jahren Kierkegaard Dänischer Religionsphilosoph (1813 - 1855) Leben: Søren Kierkegaard war der Sohn des Großkaufmanns Michael Pedersen Kierkegaard, der, aus ärmsten jütischen Bauernverhältnissen stammend, in Kopenhagen durch den Wollwarenhandel vermögend geworden war. Seine Mutter, Ane Sørensdatter Lund Kierkegaard, war Michael 70 Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit. Kierkegaard zwischen 1843 und 1846 herausgebracht. Kierkegaard ließ seine Werke ausnahmslos auf eigene Kosten drucken, so dass er von Verlagen völlig unabhängig war. Bis zu seinem Tod verbrachte Kierkegaard in weitgehender Isolation, sowohl sozial wie auch intellektuell. Er erlitt am 2. Oktober 1855 auf der Straße einen Schlaganfall und brach zusammen und kam ins Frederiks Hospital in Kopenhagen. Dort starb er, die Kommunion verweigernd, am 11. November 1855 gegen 21 Uhr im Alter von 42 Jahren. Er liegt auf dem Assistenzfriedhof im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro begraben. Lehre: Kierkegaard wird vielfach als Wegbereiter der Existenzphilosophie oder gar als deren erster Vertreter aufgefasst, sein Denken in Sätzen zu beschreiben ist schwierig, denn was er zur Geltung bringen wollte, war gerade, dass Wahrheit nicht in Sätzen gelehrt werden könne, sondern eine Bewegung des Menschen in der Zeit sei. Das Wesentliche am Christentum war ihm, dass die Wahrheit in der Zeit (in Christus) gekommen sei und der Mensch nur ein Verhältnis zu ihm haben könne, indem er ihm gleichzeitig werde. Alles andere sei Geschwätz. Kierkegaard zeigt sich so als zugleich philosophischer wie auch theologischer bzw. religiöser Denker, der die Philosophie als Mittel betrachtet, über christlichen Glauben neu nachzudenken, wobei er jede Art von spekulativer Philosophie im Geiste Hegels ablehnt. Seine Philosophie ist in entscheidender Weise von der Auseinandersetzung mit Hegels idealistischem Denken bestimmt. Sie stellt einen Bruch mit der Philosphie des Idealismus dar. Im Mittelpunkt seiner philosophischen Denkrichtung steht die Existenz des Einzelnen, das Individuum, dem Kierkegaard den Weg in die Freiheit weist. Kierkegaard hat wie kaum ein zweiter Philosoph mit den Lehrsätzen der Philosophie und Theologie aufgeräumt. Er war ein Vordenker und Wegbereiter des Existenzialismus, denn er beschäftigte sich mit existenziellen Themen, er war ein Philososph der Krise und ein Analytiker der Angst. Das menschliche Leben gilt für Søren Kierkegaard als Versuch einer Synthese von Unendlichkeit und Endlichkeit, geprägt von Angst und Verzweiflung, die nur durch die Gnade Gottes überwunden werden kann. Seinem Bemühen um den Einzelnen entspringt das Misstrauen gegen Mehrheiten und ihre Meinungen. Und damit beginnt sein Kampf gegen die, welche die Meinungen herstellen: die Zeitungen. Für Kierkegaard gibt es drei Arten, drei Zustände, drei Sphären, drei Stadien der Existenz des Menschen: Ästhetisches Stadium, ethisches Stadium und religiöses Stadium. 71 Neuzeit Neuzeit > Der entsetzlichste Sinn ist für mich nicht so entsetzlich wie die Sinnlosigkeit. < Ich stecke den Finger ins Dasein, es richt nach gar nichts. Wo bin ich? Was will das heißen: Welt? Was bedeutet dieses Wort? Wer hat mich in das ganze hineingelockt und läßt mich nun da stehen? Wer bin ich? Wie kam ich in die Welt, warum wurde ich nicht gefragt..., sondern ins Glied gestellt, als wäre ich von einem Seelenverkäufer gekauft? Wie wurde ich Interessent in dieser großen Enterprise, die man Wirklichkeit nennt? Warum soll ich Interessent sein? Ist das keine freie Sache? Und wenn ich dazu genötigt werde, wo ist dann der Dirigent, dem ich eine Bemerkung machen könnte? Gibt’s da keinen Dirigenten? Wohin soll ich mich in meiner Klage wenden? Nur noch fragen! Die Erforschung des neuen Testaments ist für den Glauben überflüssig auch störend, es kommt im neuen Testament nur auf den einen Satz an, das Gott in der Welt war und gekreuzigt wurde. Wenn der Katholizismus entartet, welche Form von Verderbnis wird sich dann zeigen? Die Antwort ist leicht: Scheinheiligkeit. Wenn der protestantismus entartet, welche Form von Verderbnis wird sich dann zeigen? Die Antwort ist nicht schwierig: geistlose Weltlichkeit. Gegenstand des Glaubens ist nicht die Lehre eines Lehrers, „ob ein unmittelbar gleichzeitiger mit Jesus oder ein Schüler aus zweiter Hand,“ zu der es nur ein intellektuelles Verhältnis gibt, sondern „die Wirklichkeit des Gottes in Existenz, das heißt: als eines Einzelnen, das heißt: daß der Gott als ein einzelner Mensch dagewesen ist.“ Das Christentum ist aus diesem Grunde auch „keine Lehre, sondern das Faktum, daß der Gott dagewesen ist. Zitate: • Das Geheimnis der neueren Philosophie ist diese: Denken ist Sein, christlich hingegen heißt es: Dir geschehe, wie du glaubst, oder, wie du glaubst, so bist du, Glauben ist Sein. • Das Gewissen wird von Kierkegaard als Möglichkei der Einheit von Individuellem und Allgemeinem bestimmt. • Der Mensch hat die Möglichkeit, über die Art seiner Lebensführung frei zu entscheiden. • Die Wahrheit von Gottheit für mich ist, die Idee zu finden, für die ich leben und sterben will. • Sein Schlagwort war „Entweder - Oder,“ die- sen Titel gab er seinem ersten Werk. • „Schwierigkeiten bereiten“ war eine der Aufgaben die er sich stellte. „Wesentliche Erkenntnis“ sein Ziel. • Er will vom abstrakten Denken und Kontemplieren zum persönlichen, existenziellen Denken zurückkehren. • Das Ewige und Göttliche ist in der Zeit, in geschichtlicher Gestalt erschienen, als einzelner Mensch, der gelitten hat und gestorben ist. • Stadien des Lebens werden durch den Sprung des gesetzten Standpunktes entfaltet. Hauptstadien sind: das ästhetische, ethische und religiöse. Unter Stadium denkt man sich ein Glied in einer Entwicklung. Die „Wiederholung“ spielt beim Übergang vom ästhetischen zum ethischen Stadium eine wichtige Rolle. Der religiöse Glaube ist Sache des Einzelnen, das Ethische hingegen ist das Allgemeine, über das die Menschen sich untereinander verständigen können. • Die Aufgabe von Religion und Ethik ist nicht die Entwicklung, Erhöhung und Veredelung der menschlichen Natur, nicht, daß die „Wirklichkeit zur Idealität,“ sondern das die „Idealität in die Wirklichkeit eingeführt wird.“ • Ein Gott, der nicht Ideal und Vorbild ist, ist kein Gott. „Mensch und Gott sind qualitativ verschiedene Wesen,“ diese Behauptung hat ethisch-religiöse Bedenken hervorgerufen. • In seiner Darstellung und Schätzung der „Stadien“ bringt Kierkegaard einen bestimmten Maßstab zur Anwendung. • Das ethisch Gute ist die harmonische Entfaltung der Lebenskräfte in den einzelnen Persönlichkeiten, die wieder verlangt, daß auch zwischen der Entwicklung der einzelnen Persönlichkeiten Harmonie hergestellt wird. • Angst ist der Schwindel der Freiheit • Jede ästhetische Lebensanschauung ist Verzweiflung. • Aller Laster Anfang ist die Langeweile. • Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit. • Soviel ich das Leben betrachte, ich kann keinen Sinn hineinbringen. Ich glaube, mir hat ein böser Geist eine Brille auf die Nase gesetzt, von deren Gläsern das eine in ungeheurem Maßstab vergrößert, während das andere im selben Maßstab verkleinert. 72 Marx Deutscher Philosoph und Ökonom (1818 - 1883) Leben: Karl Marx wurde 1818 als drittes Kind des Anwaltes Heinrich Marx und Henriette Marx, geborene Presburg, in Trier geboren. Von 1830 bis 1835 besuchte Karl Marx das Gymnasium zu Trier, mit 17 Jahren legte er das Abitur mit einem Durchschnitt von 2,4 ab. 1835 ging er zum Studium der Rechtswissenschaften und der Kameralistik nach Bonn, ein Jahr später wechselte er an die Friedrich-Wilhelms-Universität nach Berlin und besuchte juristische Vorlesungen, im gleichen Jahr verlobte sich Marx mit Jenny von Westphalen. Am 15. April 1841 promovierte Marx an der Universität Jena mit einer Arbeit zur Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie zum Doktor der Philosophie. Am 15. Oktober 1842 übernahm Marx die Redaktion der Rheinischen Zeitung, welche von da an einen noch radikaleren oppositionellen Standpunkt vertrat als zuvor, im selben Jahr traf er zum erstenmal Friedrich Engels. Marx trat am 17. März 1843 als Mitarbeiter und Redakteur auf Grund der Zensurbehörde zurück. 1843 heiratete Marx auch seine Verlobte Jenny von Westphalen in Kreuznach. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor, von denen nur die drei Töchter Jenny, Laura und Eleanor überlebten, bis 1845 lebte das Paar in Paris. Marx hatte sich an der Redaktion des in Paris erscheinenden deutschen Wochenblattes Vorwärts! beteiligt, das den Absolutismus der deutschen Länder – besonders Preußens – angriff, unter Marx’ Einfluss bald mit deutlich sozialistischer Ausrichtung. Die preußische Regierung setzte deswegen seine Ausweisung aus Frankreich durch, so dass Marx Anfang 1845 nach Brüssel übersiedeln musste, wohin Engels ihm folgte. Marx gab im Dezember 1845 die preußische Staatsbürgerschaft auf und wurde staatenlos. 1847 erhielt Marx vom Bund der Kommunisten den Auftrag, dessen Manifest zu verfassen. Es wurde im Revolutionsjahr 1848 veröffentlicht und ging als Kommunistisches Manifest in die Geschichte ein. Kurz darauf löste die französische Februarrevolution 1848 in ganz Europa politische Erschütterungen aus; als diese Brüssel erreichten, wurde Marx verhaftet und aus Belgien ausgewiesen. Marx kehrte zunächst JEDER NACH SEINEN FÄHIGKEITEN JEDEM NACH SEINEN BEDÜRFNISSEN. Marx nach Paris zurück, wurde aber schon einen Monat später vor die Wahl gestellt, sich entweder in der Bretagne internieren zu lassen oder Frankreich zu verlassen, Marx ging daraufhin mit seiner Familie ins Exil nach London. Von 1852 an war Marx Londoner Korrespondent der New York Daily Tribune und jahrelang deren Redakteur für Europa. Die Mitarbeit an der Tribune endete wegen inneramerikanischer Angelegenheiten am 28. März 1862 durch Kündigung. Marx wurde Korrespondent der Wiener Presse und stürzte sich in das Studium der politischen Ökonomie. In der Folge entstanden Marx’ ökonomische Hauptwerke, 1867 erschien der erste der drei Bände seines Hauptwerks Das Kapital. An der Vollendung seiner stetig vorangetriebenen ökonomischen Arbeiten hinderte Marx seine zunehmende Kränklichkeit. 1874, 1875 und 1876 war Marx zu Kuraufenthalten in Karlsbad und 1877 in Neuenahr. Marx verstarb am 14. März 73 Neuzeit Neuzeit 1883 im Alter von 64 Jahren in London und wurde auf dem Highgate Cemetery beigesetzt. Friedrich Engels hielt eine Trauerrede. Lehre: Zusammen mit Friedrich Engels wurde Marx zum einflussreichsten Theoretiker des Sozialismus und Kommunismus. Bis heute werden seine Theorien kontrovers diskutiert. Auch die Philosophie und andere Geisteswissenschaften sowie die Sozialwissenschaften beeinflusste Marx, wobei die Anhänger seiner Theorie in verschiedenen Disziplinen oft unter dem Begriff des Marxismus zusammengefasst werden. Wie viele Philosophen des 19. Jahrhunderts war Marx von der Philosophie Hegels geprägt. Marx übernimmt von Hegel die Denkfigur der Dialektik sowie die Annahme einer Gesetzmäßigkeit der Geschichte. Diese führt er jedoch anders als Hegel nicht auf die Entfaltung des „Weltgeists“ zurück, sondern auf materielle, soziale Bedingungen und Auseinandersetzungen innerhalb der Gesellschaft: „Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Hegelschen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegentheil.“ Die zentrale bewegende Kraft im bisherigen historischen Entwicklungsprozess der menschlichen Gesellschaft sieht Marx – neben der Auseinandersetzung mit der Natur – im Klassenkampf: „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen,“ eine besondere Rolle spielen dabei revolutionäre Umwälzungen und setzt stett auf einen Idealismus auf einen historischen Materialismus. Um die Bedingungen für eine kommunistische Bewegung zu erfassen, aber auch, um die bestehenden Verhältnisse adäquat kritisieren und damit bekämpfen zu können, bemühte sich Marx zeit seines Lebens um eine grundlegende ökonomische Analyse der kapitalistischen Gesellschaft. In seinem insgesamt 2200 Seiten umfassenden dreibändigen Hauptwerk Das Kapital unternimmt Marx eine fundamentale „Kritik der politischen Ökonomie.“ Marx und Engels prägten maßgeblich den Begriff der „kapitalistischen Produktionsweise“ bzw. des Kapitalismus und beschreibt die kapitalistische Gesellschaft als Gesellschaft des Elends, der Ausbeutung und der Entfremdung. Marx definiert zwei Hauptklassen der Gesellschaft: Einerseits die Bourgeoisie bzw. die Klasse der Kapitalisten, andererseits das Proletariat, d. h. die Klasse der Arbeiter, eine dritte Klasse ist das Kleinbürgertum, d. h. die Klassen der Kleinunternehmer und Selbständigen. Diese Klasse jedoch werde vom Großbürgertum zunehmend verdrängt und letztlich ins Proletariat hinabgedrängt. Die Anhäufung (Akkumulation) des gesellschaftlichen Reichtums erfolge im Kapitalismus also stets nur über die Ausbeutung fremder Arbeitskraft als Lohnarbeit. Diese private Aneignung des Mehrprodukts, aber auch der schöpferischen Arbeitskraft der Individuen überhaupt, prangert Marx deshalb als Ausbeutung an. Nicht nur in der Ausbeutung des Arbeiters und im unversöhnlichen Widerspruch der Klasseninteressen besteht für Marx das Problem des Kapitalismus. Die ganze Existenz des Menschen, sein Menschsein selbst, sieht er durch die kapitalistischen Verhältnisse entfremdet und geknechtet. Die Aufgabe der Philosophen, die Marx als Ideenproduzenten beschreibt, sieht er in der Aufhebung der Philosophie, das heißt in ihrer praktischen Verwirklichung. Marx kritisiert alle Formen einer idealistischen Philosophie und insbesondere der Religion, die nach Marx dazu dient, die Existenz des Menschen durch Träumereien und Trost im Jenseits erträglich zu machen und so das faktische Elend zu legitimieren. Weil Religion und Gesellschaft also wesenhaft zusammenhängen, nimmt die Religionskritik eine zentrale Stellung bei Marx ein. Zusammen mit seinem lebenslangen Freund und Mitstreiter Friedrich Engels bemühte sich Marx um die Entwicklung eines „wissenschaftlichen Sozialismus“, den er vor allem gegen die idealistischen Utopien des Frühsozialismus abgrenzt. Zitate: • Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften ist die Geschichte von Klassenkämpfen. • Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern. • Die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht. • Jeder Schritt echter Bewegung ist wichtiger als ein Dutzend Programme. • Es versteht sich übrigens von selbst, daß alle Staatsformen zu ihrer Wahrheit die Demokratie haben und daher eben, soweit sie nicht die Demokratie sind, unwahr sind. • Alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die 74 Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen. • Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen. • Alle Revolutionen haben bisher nur eines bewiesen, nämlich, daß sich vieles ändern läßt, bloß nicht die Menschen. • Der Mensch ist im wörtlichsten Sinne ein zoon politikon, nicht nur ein geselliges Tier, sondern auch ein Tier, das nur in der Gesellschaft sich vereinzeln kann. • Die Philosophie verhält sich zum Studium der realen Welt wie das Onanieren zur sexuellen Liebe. • Die Revolution beginnt im Kopf der Philosophen. • Der Arbeiter wird eine umso wohlfeilere Ware, je mehr Waren er schafft. • Alle bisherige Geschichte ist die Geschichte von Klassenkämpfen • Die Unterdrückten sollen die Gefüge der unglücklichen Gesellschaft zerbrechen - und die glückliche Ordnung erzwingen. • Religion ist Opium des Volkes. • Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. • Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus • Gleichwohl vermöge die Religion nicht anzugeben, was es mit dem Elend auf sich hat, dessen Ausdruck sie ist – im Gegenteil, so Marx, täuscht sie darüber mit Hirngespinsten und jenseitigem Trost hinweg. Insofern sei sie ein falsches Bewusstsein, also reine Ideologie von sich selbst entfremdeten Menschen. • Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. • Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. • Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen. • Jeder nach seinen Fähigkeiten jedem nach seinen Bedürfnissen • Die herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse • Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung des wirklichen Glücks William James US-amerikanischer Psychologe und Philosoph (1842 - 1910) Leben: William James wurde 1842 im WaldorfAstoria von New York geboren. Sein Vater Henry James sr. hatte ein Vermögen geerbt; für William und seinen jüngeren Bruder, bedeutete dies, dass er von klein auf gefördert wurde und in der Zeit Tue alles was du tust, so als ob es große Bedeutung hätte. Ein Ding ist dann wichtig, wenn irgend jemand denkt, daß es wichtig ist. William James zwischen 1847 und 1860 zahlreiche öffentliche und private Schulen in New York, London, Paris (1856), Newport (1858), Genf (1859) und Bonn (1860) besuchte. Die einzige Schwester der beiden, blieb dagegen, auf Wunsch ihres Vater, ganz ohne Ausbildung. Ab 1860 studierte William James zunächst Malerei in Newport und ab Winter 1861 Chemie an der Lawrence Scientific School in Harvard. James wechselte wiederholt 75 Neuzeit Neuzeit die Fachrichtung und begann ab 1863 Medizin zu studieren. 1864 begleitete er den Geologen Louis Agassiz auf einer Expedition nach Brasilien an den Amazonas. Seine krankheitsbedingten Aufenthalte in diversen deutschen Heilbädern verschafften ihm aber die Gelegenheit, 1867 in Berlin Vorlesungen zur Physiologie und Psychologie zu besuchen. Nach seiner Rückkehr aus Deutschland schloss James sein Studium der Medizin 1869 erfolgreich mit dem M.D. (Doctor of Medicine) ab. Den Wissenschaftler quälten sein Leben lang chronische Rücken- und Augenleiden, Schlafstörungen und Depressionen. Von 1872 bis 1907 arbeitete William James als Dozent an der Harvard University. Von 1873 bis 1876 lehrte er Anatomie und Physiologie. 1875 gab er die ersten Lehrveranstaltungen über experimentelle Psychologie auf US-amerikanischem Boden. 1876 wurde er zum Professor für Psychologie und Philosophie ernannt. 1885 wechselte er ganz zur Philosophie. Von seinen Studenten wurde er für seinen Humor und seine unkonventionelle Vorlesungsführung geschätzt, denn bei ihm war es – im Gegensatz zu vielen anderen Professoren seiner Zeit – möglich, während der Lehrveranstaltungen Zwischenfragen zu stellen. Lehre: James gilt sowohl als Begründer der Psychologie in den USA als auch als einer der wichtigsten Vertreter des philosophischen Pragmatismus. Die Principles of Psychology erschienen 1890 in zwei Bänden mit 1400 Seiten, auf denen James eine Zusammenfassung der Psychologie des 19. Jahrhunderts in nahezu ihrer ganzen Breite bot. Die wesentliche Neuerung von James ist, dass er die Psychologie naturwissenschaftlich auffasste und in seiner Theorie eine Verbindung von Bewusstseins- und Gerhirnzuständen herstellte. James betrachtete Körper und Geist als zusammengehörige Teile eines einheitlichen Organismus. Als erste wichtige philosophische Textsammlung veröffentlichte er 1897 The Will to Believe and Other Essays in Popular Philosophy. Besonders starke Kritik rief der von James in Pragmatism vertretene Wahrheitsbegriff hervor, demzufolge etwas dann wahr ist, wenn es für uns nützlich ist, es zu glauben. Zitate: • Tue alles was du tust, so als ob es große Bedeutung hätte. • Ein Ding ist dann wichtig, wenn irgend jemand denkt, daß es wichtig ist. • Genie ist in Wahrheit kaum mehr als die Fähigkeit, auf ungewöhnliche Weise wahrzunehmen. • Handle so, als komme es darauf an was du tust. • Jede Art, etwas zu klassifizieren, ist nichts anderes, als es für einen bestimmten Zweck zu verwenden. • Der Mensch lebt durch die Gewohnheit, aber für seine Aufregungen und Sensationen. • Wenn Menschen ihre innere Einstellung ändern, können sie auch die äußeren Umstände ihres Lebens ändern. • Klugheit ist die Kunst, zu erkennen, was man übersehen muß. • Den besten Gebrauch von seinem Leben macht derjenige, der es einer Sache widmet, die ihn überdauert. • Unsere Welt ist reicher, so lange wir einen Teufel in ihr haben, unter der Voraussetzung: mit unserem Fuß auf seinem Hals. Nietzsche Deutscher Philologe und Philosoph (1844 - 1900) Leben: Friedrich Nietzsche wurde am 15. Oktober 1844 in Röcken geboren, einem Dorf nahe Lützen in der preußischen Provinz Sachsen, heute Sachsen-Anhalt. Seine Eltern waren der lutherische Pfarrer Carl Ludwig Nietzsche und dessen Frau Franziska, geborene Oehler. Die Schwester Elisabeth kam 1846 zur Welt. Nach dem Tod des Vaters 1849 und des jüngeren Bruders Ludwig Joseph (1848–1850) zog die Familie nach Naumburg. Von 1850 bis 1856 lebte Nietzsche im „Naumburger Frauenhaushalt“, das heißt zusammen mit Mutter, Schwester, Großmutter, zwei unverheirateten Tanten väterlicherseits und dem Dienstmädchen. Ab 1854 besuchte er das Domgymnasium Naumburg und fiel bereits dort durch seine besondere musische und sprachliche Begabung auf. Am 5. Oktober 1858 wurde Nietzsche als Stipendiat in die Landesschule Pforta aufgenommen, seine schulischen Leistungen waren sehr gut, 1860 war er Mitbegründer der künstlerisch-literarischen Vereinigung „Germania“, 1863 wurde die „Germania“ 76 Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch ein Seil über einem Abgrund. Nietzsche aufgelöst. Im Wintersemester 1864/65 begann Nietzsche an der Universität Bonn das Studium der klassischen Philologie und der evangelischen Theologie, neben seinem Studium vertiefte er sich in die Werke der Junghegelianer. 1867 wurde Nietzsche als Einjährig-Freiwilliger bei der preußischen Artillerie in Naumburg verpflichtet, nach einem schweren Reitunfall im März 1868 wurde er dienstunfähig. 1869 wurde er noch bevor er seine Promotion erhalten und seine Habilitation absolviert hatte, zum außerordentlichen Professor für klassische Philologie an die Universität Basel berufen. Auf eigenen Wunsch wurde Nietzsche nach seiner Übersiedlung nach Basel aus der preußischen Staatsbürgerschaft entlassen und blieb für den Rest seines Lebens staatenlos. Bereits im Jahre 1868 hatte Nietzsche in Leipzig Richard Wagner und dessen spätere Frau Cosima kennengelernt. 1872 veröffentlichte Nietzsche sein erstes größeres Werk, Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, die Schrift wurde von den meisten seiner altphilologischen Kollegen abgelehnt und mit Schweigen übergangen, auch die vier Unzeitgemäßen Betrachtungen (1873–1876), in denen er eine von Schopenhauer und Wagner beeinflusste Kulturkritik übte, fanden nicht die erhoffte Resonanz. 1879 musste er sich wegen auftretenden Krankheiten vorzeitig pensionieren lassen. Getrieben von seinen Krankheiten auf der ständigen Suche nach für ihn optimalen Klimabedingungen, reiste er nun viel und lebte bis 1889 als freier Autor an verschiedenen Orten. Im Sommer hielt er sich meist in Sils-Maria, im Winter vorwiegend in Italien (Genua, Rapallo, Turin) und in Nizza auf. Anfang Januar 1889 erlitt er in Turin einen geistigen Zusammenbruch. Kleine Schriftstücke, sogenannte „Wahnzettel“, die er an enge Freunde, aber auch zum Beispiel an Cosima Wagner sandte, waren eindeutig vom Wahnsinn gezeichnet. Ein Heilungsversuch in der Psychiatrischen Universitätsklinik in Jena, scheiterte, 1890 durfte die Mutter ihn schließlich bei sich in Naumburg aufnehmen. Nach dem Tod seiner Mutter 1897 lebte er in der Villa Silberblick in Weimar, wo seine Schwester ihn pflegte. Nietzsche selbst, dessen Verfall sich fortsetzte, bekam von alldem nichts mehr mit, nach mehreren Schlaganfällen war Nietzsche teilweise gelähmt und konnte weder stehen noch sprechen. Am 25. August 77 Neuzeit Neuzeit 1900, im Alter von 55 Jahren, starb er an den Folgen einer Lungenentzündung und eines weiteren Schlaganfalls. Er wurde an der Röckener Dorfkirche im Familiengrab beigesetzt. Lehre: Den jungen Nietzsche beeindruckte besonders die Philosophie Schopenhauers. Später wandte er sich von dessen Pessimismus ab und stellte eine radikale Lebensbejahung in den Mittelpunkt seiner Philosophie: Weil das Leben zu bejahen sei, gelte das Mitleid – als Mittel zur Verneinung – als Gefahr. Es vermehre das Leiden in der Welt und stehe dem schöpferischen Willen entgegen, der immer auch vernichten und überwinden müsse – andere oder auch sich selbst. Aktive Mitfreude (im Gegensatz zum passiven Mitleid) oder eine grundsätzliche Lebensbejahung (amor fati) seien die höheren und wichtigeren Werte. Wiederkehrendes Ziel von Nietzsches Angriffen ist vor allem die christliche Moral sowie die christliche und platonistische Metaphysik. Er stellte den Wert der Wahrheit überhaupt in Frage und wurde damit Wegbereiter postmoderner philosophischer Ansätze. Auch Nietzsches Konzepte des „Übermenschen“, des „Willens zur Macht“ oder der „ewigen Wiederkunft“ geben bis heute Anlass zu Deutungen und Diskussionen. Nietzsche schuf keine systematische Philosophie. Oft wählte er den Aphorismus als Ausdrucksform seiner Gedanken. Seine Prosa, seine Gedichte und der pathetisch-lyrische Stil von Also sprach Zarathustra verschafften ihm auch Anerkennung als Schriftsteller. Nietzsches Herangehensweise an die Probleme der Philosophie ist teils die des Künstlers, teils die des Wissenschaftlers und teils die des Philosophen, viele Stellen seines Werks können auch als psychologisch bezeichnet werden. Nietzsches Philosophie ist die einer neuen Sprache, die das Leben des Menschen singen, sprechen und tanzen läßt. Wenn der Mensch sein bisheriges entfremdetes Leben hinter sich läßt, so hat er die Möglichkeit, ei-nen >tanzenden Stern zu gebären< eine neue Welt entstehen zu lassen. Er wird dann ein anderer, ein neuer Mensch, ein Mensch der Zukunft, der sein Begehren lebt. Die Voraussetzung dafür ist eine radikale Abkehr von allen bisherigen Werten, ein Umstürzen von überkommenen und festgewordenen Vorurteilen. Dazu gehört für Nietzsche das Zerbrechen des Glaubens an die Wahrheit, die Umstürzung der Moral (der sittlichen Grundsätze) und die Verwerfung aller Religion, vor allem des Christentums. Herrenmoral sei die Haltung der Herrschenden, die zu sich selbst und ihrem Leben Ja sagen könnten, während sie die anderen als „schlecht“ (Wortstamm: „schlicht“) abschätzten. Sklavenmoral sei die Haltung der „Elenden, Armen, Ohnmächtigen, Niedrigen, Leidenden, Entbehrenden, Kranken, Hässlichen“ die zuerst ihr Gegenüber – die Herrschenden, Glücklichen, Ja-Sagenden – als „böse“ bewerteten und sich selbst dann als deren „guten“ Gegensatz ausmachten. Es sei vor allem die Moral des Christentums gewesen, die eine solche Sklavenmoral zum Teil selbst hervorgerufen, in jedem Fall aber begünstigt und dadurch zur herrschenden Moral gemacht habe. Aus Missgunst, Neid und Schwäche schüfen sich die „Missratenen“ eine imaginäre Welt (zum Beispiel das christliche Jenseits), in der sie selbst die Herrschenden sein und ihren Hass auf die „Vornehmen“ ausleben könnten. Mit dem Stichwort „Gott ist tot“ wird oft die Vorstellung verbunden, dass Nietzsche den Tod Gottes beschworen oder herbeigewünscht habe. Tatsächlich verstand sich Nietzsche eher als Beobachter. Die bedeutendste und meistbeachtete Stelle zu diesem Thema ist der Aphorismus 125 aus der Fröhlichen Wissenschaft mit dem Titel „Der tolle Mensch“. Jenseits von Gut und Böse; nichts ist wahr, alles ist erlaubt. Gott ist Abkürzung für den >Bereich der Ideen und der Ideale<, Gott ist >Bezeichnung für die übersinnliche Welt, Oberhaupt<. Ein Gedanke kommt, wenn >er< will, und nicht wann >ich< will; so das es eine Fälschung des Tatbestandes ist zu sagen: das Subjekt >ich< ist die Bedingung des Prädikats >denke<. Es denkt: aber daß dies >es< gerade jenes alte berühmte >Ich< sei, ist… keine unmittelbare Gewißheit. Was ein Philosoph sei, ist nicht zu lernen, „man muß es wissen,“ und zwar durch die eigenen „philosophischen Zustände.“ Die Philosophie ist nichts anderes als der Ausdruck eines außerordentlich hohen Seelenstandes und die Liebe zur Philosophie „Liebe zu einem Zustand, einem geistigen und sinnlichen Vollendungsgefühl: einem Bejahen und Gutheißen aus einem überströmenden Gefühle von gestaltender Macht.“ Es kommt bei Nietzsche keine Lehre vor, der er 78 sik von Plato bis Hegel, mit der Nitzsche bricht, denkt Gott als den Grund der Wahrheit in jeglichem Denken und sieht in ihm den Horizont jeglichen Wissens überhaupt. ..... Alle Metaphysik von Parmenides über Plato zum Chistentum und zu Kant entwickelt die Theorie zweier Welten: Unsere Welt der Endlichkeit und Vergänglichkeit, des Werdens, der Zeitlichkeit, des Scheins liegt zugrunde eine Welt des Seins an sich selber, der Unendlichkeit und Ewigkeit, der Zeitlosigkeit und der Wahrheit. Religiös gesprochen: es ist ein Gott. ..... Die Metaphysik Nietzsches ist dadurch gekennzeichnet, daß er in ihr keine andere Welt denken will, sondern nur diese Welt selbst. Es gibt für ihn kein jenseitiges Sein. Die uralte Scheidung einer zugrunde liegenden und einer nur erscheinenden Welt (einer wahren und einer scheinbaren Welt) will er aufheben. Seine Metaphysik ergreift das Weltsein als reine Immanenz. ...... Was ist es nun, das nach Abschaffung der zwei Welten übrig bleibt? Nietzsche nennt es das Werden, das Nietzsche Leben, die Natur und meint darin das gänzlich Unfeste, wesentlich Undenksich unterwirft. Er behält eine jede in der Hand bare, das eigentlich ist. Transzendentaler Subund hält ihr faktisch das Gleichgewicht durch jektivismus meint die Lehre, daß alles Erkennen andere Lehren. Die Lehre vom Willen zur Macht vom Subjekt her bedingt ist und die Welt nur ist nicht Nietzsches abschließende Metaphysik, durch die konstitutive Leistung des Subjekts für sondern ein Versuch innerhalb des Ganzen sei- diese Bedeutung erhält. ner Seinsergründung. Zitate: Der Glaube an den Leib ist mit Recht ein stärke- • Wo nur ich Lebendiges fand, da fand ich Willen rer Glaube als der Glaube an den Geist. Der Leib zu Macht; und noch in dem Willen des Dienenist die große Vernunft, deren Werkzeug der Geist den fand ich den Willen, Herr zu sein. nur die kleine Vernunft ist. • Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu Die Mahnung, der Erde treu zu bleiben und die tanzen verstünde. Erzähler von Jenseitsmärchen auf Kur zu schi- • Ein neues Wertesystem, ein neues Wozu, eine cken, klingt am Beginn des neureligiös aufgewühlneue Sinngebung, darin sah Nietzsche den ten 21. Jahrhunderts noch zeitgemäßer als am eigentlichen Zweck seines Philosophierens. Ende des 19. • Erster Satz seiner Moral: man soll keine Metaphysik der Versuch, Sein und Sinn von Welt Zustände erstreben, sich zum Ziel machen, und Leben wissenschaftlich zu ergründen. Das weder sein Glück, noch seine Ruhe, noch Grundproblem der Metaphysik bildet die Frage seine Herrschaft über sich. nach dem Wesen des Seienden im Ganzen • Der Philosoph sei der Arzt der Kultur. der Erscheinungswelt. Die klassische Metaphy- • Alle Menschen, die man lange im Vorzimmer Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde. 79 Neuzeit Neuzeit seiner Gunst stehen läßt, geraten in Gärung und werden sauer. • Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch – ein Seil über einem Abgrunde. Ein gefährliches Hinüber, ein gefährliches Auf-dem-Wege, ein gefährliches Zurückblicken, ein gefährliches Schaudern und Stehenbleiben. • Das Verlangen nach Gegenliebe ist nicht das Verlangen der Liebe, sondern der Eitelkeit. • Das Weib lernt hassen in dem Maße, in dem es zu bezaubern verlernt. • Der Mensch stirbt nicht an Liebe, sondern an Liebesmangel. • Weib und Genie arbeiten nicht. Das Weib war bisher der größte Luxus der Menschheit. • Unser Charakter wird noch mehr durch den Mangel gewisser Erlebnisse als durch das, was man erlebt, bestimmt. • Die Grenzen der menschlichen Vernunft begreifen - das erst ist wahrhaft Philosophie. • Die großen Epochen unsres Lebens liegen dort, wo wir den Mut gewinnen, unser Böses als unser Bestes umzutaufen. • Die Aufgabe der wahren Philosophen ist es, auf die Verbesserung der als veränderlich erkannten Seite der Welt loszugehen. • Die Flamme ist sich selbst nicht so hell als den andern, denen sie leuchtet: so auch der Weise. • Ich verurteile das Christentum, ich erhebe gegen die christliche Kirche die furchtbarste aller Anklagen, die je in Ankläger in den Mund genommen hat. Sie ist mir die höchste aller denkbaren Korruptionen...sie hat aus jedem Wert einen Unwert, aus jeder Wahrheit eine Lüge, aus jeder Rechtschaffenheit eine Seelen-Niedertracht gemacht... Ich heiße das Christentum den einen großen Fluch, die eine große innerlichste Verdorbenheit, den einen großen Instinkt der Rache, dem kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein genug ist – ich heiße es den einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit. • Jesus starb zu früh. Wenn er so alt geworden wäre wie ich, er hätte seine ganzen Lehren verworfen. • Moral zu predigen ist ebenso leicht als Moral zu begründen schwer ist. • Moral ist eine Wichtigtuerei des Menschen vor der Natur. • Solange man nicht die Moral des Christentums als Kapitalverbrechen am Leben empfindet, haben dessen Verteidiger gutes Spiel. • Zum Christentum wird man nicht geboren, man muß dazu nur krank genug sein. • Die zunehmende ›Vermenschlichung‹ besteht darin, daß immer feiner empfunden wird, wie schwer der andere einzuverleiben ist. • Es ist schwer mit Menschen zu leben, weil das Schweigen so schwer ist. • Der Blick der Menschheit war bisher zu stumpf zu erkennen, daß die mächtigsten Menschen große Schauspieler waren. • Du mußt wieder ins Gedränge: im Gedränge wird man glatt und hart. • Erkennen das heißt: Alle Dinge zu unserem Besten verstehen. • Alle Erweiterung unsrer Erkenntnis entsteht aus dem Bewußtmachen des Unbewußten. • Man wird mit einem schlechten Gewissen leichter fertig, als mit seinem schlechten Rufe. • Bist du reine Luft und Einsamkeit und Brot und Arznei deinem Freunde? • Man muß nur etwas Gutes und Neues vollbringen: dann erlebt man an seinen Freunden, was es heißt: zum guten Spiel eine böse Miene machen. • Die Langsamen der Erkenntnis meinen, die Langsamkeit gehöre zur Erkenntnis. • Die Menschen verkehren zuviel und büßen dabei sich ein. • Das Wissen um richtige Freundschaft ist der Frau nicht gegeben, sie kennt fast ausschließlich nur die Liebe. • Die Massen sind erstens verschwimmende Kopien der großen Männer, zweitens Widerstand gegen die Großen, drittens Werkzeuge der Großen. • Die Wahrheit soll wie die Sonne nicht zu hell sein: sonst flüchten die Menschen in die Nacht und machen es dunkel. • Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen. • Der Besitz der Wahrheit ist nicht schrecklich, sondern langweilig, wie jeder Besitz. • Der Mann macht sich das Bild des Weibes, und das Weib bildet sich nach diesem Bilde. • Willst du es im Leben leicht haben, so bleibe immer bei der Herde. 80 • Auf die ewige Lebendigkeit kommt es an, nicht auf das ewige Leben. • Was groß ist am Menschen, das ist, daß er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt werden kann am Menschen, das ist, daß er ein Übergang und ein Untergang ist. Ich liebe die, welche nicht zu leben wissen, es sei denn als Untergehende, denn es sind die Hinübergehenden. • Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll. • Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch - ein Seil über einem Abgrund. Ernste Beschäftigung mit großen Fragen läßt an sich Unbescheidenheit nicht aufkommen. Husserl dem Friedhof in Freiburg-Günterstal beigesetzt. Lehre: Husserl gilt als Begründer der Phänomenologie, mit deren Hilfe er die Philosophie als strenge Wissenschaft zu begründen suchte. Husserl forderte von der Philosophie, sich vorschneller Weltdeutungen zu enthalten und sich bei der analytischen Betrachtung der Dinge an das zu halten, was dem Bewusstsein unmittelbar (phänomenal) erscheint. Damit brach er mit dem um 1900 vorherrschenden Psychologismus, der die Gesetze der Logik als Ausdruck bloßer psychischer Gegebenheiten sah, wodurch Objektivität prinzipiell unerreichbar sei, etwa ab 1907 verband er seine Phänomenologie mit der Transzendentalphilosophie. Den größten Einfluss übte Husserl auf die Existenzphilosophen Jean-Paul Sartre und Martin Heidegger aus. In seinem Spätwerk kritisierte Husserl, dass die modernen Wissenschaften mit ihrem Anspruch, die Welt objektivistisch zu erfassen, die Fragen der Menschen nach dem Sinn des Lebens nicht mehr beantworten. Er forderte daher die Wissenschaften auf, sich darauf zu besinnen, dass sie selbst ihre Entstehung der menschlichen Lebenswelt verdanken. Die Lebenswelt, als zentraler Begriff, ist für Husserl die vortheoretische und noch unhinterfragte Welt der natürlichen Einstellung: die Welt, in der wir leben, denken, wirken und schaffen. Husserls transzendentale Phänomenologie versucht, die entstandene Entfremdung zwischen den Menschen und der Welt zu vermindern. Zitate: • Ernste Beschäftigung mit großen Fragen läßt an sich Unbescheidenheit nicht aufkommen. • Blosse Erfahrung ist keine Wissenschaft. Husserl Philosoph und Mathematiker (1859- 1938) Leben: Als zweiter Sohn einer Tuchhändler-Familie in Proßnitz legte Husserl 1876 im nahen Olmütz seine Reifeprüfung ab. Gleich darauf nahm er in Leipzig das Studium der Astronomie, Mathematik, Physik und Philosophie auf, das er 1878 in Berlin fortsetzte, 1882 promovierte er in Wien. 1886 ging Hussserl nach Halle und war dann vierzehn Jahre lang als Privatdozent tätig. Hier verfasste er sein frühes Hauptwerk Logische Untersuchungen, die ihn bekannt machten. 1901 folgte er einen Ruf, zunächst als außerordentlicher, ab 1906 ordentlicher Professor, nach Göttingen. 1916 - mitten im Ersten Weltkrieg, dem sein Sohn zum Opfer fiel - trat Husserl in Freiburg die Nachfolge des Neukantianers Heinrich Rickert an. 1918 gründete er die „Freiburger phänomenologische Gesellschaft“. Der hoch geehrte Husserl (Universitäten von Paris, Prag, London, Boston) bekam in den letzten Jahren seines Lebens die Unmenschlichkeit des Nationalsozialismus zu spüren. Nachdem ihn noch am 25. Januar 1933 die Freiburger Universität anlässlich seines goldenen Doktorjubiläums mit einem Festakt ehrte, wurde er wenige Wochen später am 14. April 1933 durch badischen Erlass wegen seiner „nichtarischen“ Abstammung beurlaubt. 1936 musste der Siebenundsiebzigjährige aber noch den Entzug seiner Lehrbefugnis und weitere Schikanen erleben; so wurde das Ehepaar Husserl im Sommer 1937 aus der Freiburger Wohnung in der Lorettostraße 40 vertrieben. Husserl starb am 27. April 1938; seine Asche wurde auf 81 Neuzeit Neuzeit Um das Geheimnis der Tiefen zu ergründen, muß man manchmal nach den Gipfeln schauen. Bergson Bergson wurde er auf den Lehrstuhl für Griechische Philosophie am Collège de France berufen, der prestigereichsten aller französischen Bildungsinstitutionen, 1901 wählte ihn die Académie des sciences morales et politiques zum Mitglied. 1907 erschien seine dritte große Schrift, sie war als kritischer Beitrag zur Evolutionstheorie gedacht, die Bergson für zu deterministisch hielt. 1913 folgte er einer Einladung der New Yorker Columbia University, Vorträge in anderen amerikanischen Städten folgten. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs (1. August 1914) engagierte sich Bergson als Patriot mit Artikeln und Vorträgen, er versuchte die Moral der französischen Truppen zu stärken. 1920 erhielt Bergson den Ehrendoktortitel der Universität Cambridge. 1921 gab er seinen Lehrstuhl am Collège de France auf. 1927 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Krankheitsbedingt zog er sich mehr und mehr zurück, 1932 vollendete er sein letztes größeres Werk, er verstarb am 4. Januar 1941 in Paris. Lehre: Bergson gilt neben Friedrich Nietzsche und Wilhelm Dilthey als bedeutendster Vertreter Französischer Philosoph (1859 - 1941) Leben: Henri Bergson wurde in Paris geboren. Er war ein Sohn des polnischstämmigen jüdischen Komponisten Michael Bergson und einer englischen Mutter, seine frühe Kindheit verlebte er überwiegend in London, bevor er mit acht Jahren, eher anglo- als frankophon, wieder nach Paris kam. Hier besuchte er von 1868 bis 1878 das Lycée Fontanes, Nach dem Studienabschlussexamen im Fach Literatur absolvierte er 1881 erfolgreich die Rekrutierungsprüfung für das Amt eines Gymnasialprofessors im Fach Philosophie und bekam eine Stelle an einem Gymnasium in Angers zugewiesen. 1883 wurde er nach Clermont-Ferrand versetzt. Neben seiner Unterrichtstätigkeit fand er, wie damals viele seiner Berufskollegen, Zeit zum wissenschaftlichen Arbeiten. Nach Promotion hatte Bergson Anspruch auf den Wechsel an ein Gymnasium in Paris, 1892 heiratete er und wurde später Vater einer Tochter. Im Jahr 1900 82 der Lebensphilosophie. Sein markantestes Philosophem ist der Begriff des „élan vital“, den er in seiner Philosophie des Lebendigen in genauer Kenntnis der Lebenswissenschaften seiner Zeit entfaltet. Der „élan vital“ bezeichnet den ‚Aufschwung‘ als die gemeinsame Bewegung der lebendigen Dinge (der Arten, Gattungen), die mit einer zunehmenden Explosivität, energetischen Potentialität und Beweglichkeit sowie entsprechender kognitiver Aktivität einhergeht, mit dem Darwinismus setzt sich Bergson hier sehr genau auseinander. Bergson schlägt die Theorie der schöpferischen Entwicklung vor und mit ihr eine andere Sicht auf empirische Phänomene. Zitate: • Es ist nicht schwer, Ideen zu haben, schwer ist nur, sie auszudrücken. • Neue Ideen sind meistens die Kinder alter Gedanken. • Man muß wie ein denkender Mensch handeln und wie ein handelnder Mensch denken. • Die Menschheit seufzt, halb zermalmt unter der Last der Fortschritte, die sie gemacht hat. • Um das Geheimnis der Tiefen zu ergründen, muß man manchmal nach den Gipfeln schauen. • Existenz ist Wandel, Wandel Reifung, Reifung ewige Selbsterneuerung. • Intuition geht den gleichen Weg wie das Leben. • Irgend etwas Angriffiges muß in der Ursache der Komik stecken, gewissermaßen der Ansatz zu einem Attentat auf das soziale Leben ... führende Schule zu besuchen. Eine Erkrankung zwang Nishida allerdings bald, Privatunterricht zu nehmen. Von 1886 bis 1890 besuchte Nishida dann wieder eine Schule, die Ishikawa Semmongakko-. 1891 nahm er das Studium der Philosophie an der Kaiserlichen Universität Tokio auf. Er beendete sein Studium kurz vor Ausbruch des ersten Japanisch-Chinesischen Krieges mit einer Arbeit über David Hume. Im Mai 1895 heiratete Nishida seine Cousine Kotomi und 1896 übernahm er die Stelle eines Lehrers an seiner ehemaligen Schule in Kanazawa, die inzwischen zur Oberschule umstrukturiert worden war, im nächsten Jahr begann er, sich in Zen-Meditation unterweisen zu lassen. Aufgrund seines Werkes „Über das Gute“ wurde ihm 1910 eine Position an der kaiserlichen Universität in Kyo-to angeboten, an der er 1914 Professor für Philosophie wurde. Er wurde 1929 emeritiert und zog nach Kamakura, um dort seine Logik des Ortes weiterzuentwickeln. Nishida starb am 7. Juni 1945 in Kamakura an einer Nierenkrankheit. Sein Grab liegt dort auf dem Friedhof des Zen-Tempels To-kei-ji. Lehre: Nishida Kitaro- beeinflusste wie kein anderer die moderne Philosophie in Japan bis heute. Sein Versuch, westliche Methodik und Termini mit östlichem Gedankengut zu kombinieren, durchzieht bis heute die Bemühungen japanischer Philosophen. Nishidas Anliegen und Vokabular prägen auch den Stil der sogenannten Kyoto-Schule, als deren geistiger Vater er zusammen mit seinem Nachfolger Tanabe Hajime gilt. Nishida war überzeugt davon, dass es in der Philosophie nur darum gehen kann, „die eine Wahrheit“ zu finden. Hierfür allerdings hielt er es für wichtig, Philosophie und Religion zusammen zu denken und verwies auf die indische oder frühe griechische Philosophie, in der er beides noch vereint sah. Seine Philosophie stellt daher den Versuch dar, eine Synthese von Philosophie und Religion zu finden. Nishidas Denken kann in fünf Schaffensphasen eingeteilt werden: Ausgehend vom Begriff der Untersuchung des Bewusstseins und dem daraus gewonnenen Begriff der reinen Erfahrung untersuchte er im Folgenden das Problem des Selbstbewusstseins und des Willens. In der dritten Phase gelangte er zu seiner Logik des Ortes (basho no ronri), die schließlich im Begriff des absoluten Nichts mündet. Beide Begriffe üben Nishida Japanischer Philosoph (1870 - 1945) Leben: Als Spross einer alten Samuraifamilie verbrachte Nishida eine privilegierte Kindheit. Bedingt durch seine schwache Konstitution wurde er von seiner Mutter Tosa, einer strenggläubigen Buddhistin, sehr umsorgt. Er bat seinen Vater Yasunori wiederholt darum, eine weiterführende Schule in Kanazawa besuchen zu dürfen. Der Vater wies seinen Wunsch zurück, da er ihn als seinen Nachfolger im Amt des Dorfbürgermeisters sah und befürchtete, dieses Amt würde seinem Sohn sonst später nicht mehr genügen. Schließlich erlaubte er diesem doch, eine weiter83 Neuzeit Neuzeit bis zur heutigen Zeit einen starken Einfluss auf die Diskussion in der japanischen Philosophie aus. Die vierte Phase ist bestimmt von einem dialektischem Denken, in welchem er den Standpunkt des dialektisch Allgemeinen und der widersprüchlichen Selbstidentität entwickelt. In seiner letzten Schaffensphase wendete sich Nishida ganz der Religionsphilosophie zu und den Fragen „Wann wird uns die Religion zum Problem“, „Was heißt Gott, Buddha, das absolute Sein, das sich absolut Widersprechende“ und „Wann berührt unser Selbst Gott, Buddha.“ Nishida sah den Ursprung der Religion im Leiden an dem Drang, sich selbst zu erkennen. Über das Gute: Das Gute ist die Verwirklichung eines inneren Bedürfnisses respektive eines Ideals, es kann auch die Vollendung der Entfaltung des Willens genannt werden. Die Erfüllung unserer Bedürfnisse oder die Verwirklichung unserer Ideale erleben wir immer als Glück. Das Gute muß notwendig von einem Glücksgefühl begleitet sein. Das Gute ist die Selbst - Verwirklichung des Selbst. Unser Geist entfaltet seine verschiedenen Vermögen, bis sie sich zum höchsten Gut entwickelt haben, so ist das Gute des Menschen die Manifestation seines inneren Wesens. Das Gute ist das Schöne! Die Griechen erachteten das Gute und das Schöne für identisch, am deutlichsten tritt diese Idee bei Plato hervor. Plato verglich das Gute mit der Harmonie in der Musik. Das die Mitte das Gute sei, ist ein Gedanke des Aristoteles. Aristoteles sagte, „Alle Tugend sei in der Mitte angesiedelt.“ Mag unser Verhalten auch den Gesetzen der Notwendigkeit gemäß entstehen, so wissen wir dies doch und sind daher nicht darin gefangen. Wir fällen über unser Verhalten Werturteile. Urteile über Gut und Böse fällen wir im großen und ganzen intuitiv. Einige Intuitionisten halten die Intuition für identisch mit unmittelbarem Behagen oder Unbehagen, unmittelbarer Neigung oder Abneigung. „Autoritäts - Lehren,“ für sie (die Autoritätsgläubigen) ist Moral das Resultat eines Befehls, der von einer absoluten Autorität oder Macht an uns ergeht und dieser Befehl legt fest, was gut und böse ist. Gott befiehlt nicht, weil er gut ist, sondern weil Gott befiehlt, ist es gut. Was immer man in Übereinstimmung mit den Befehlen des Herrschers tut, ist gut, alle Zuwiderhandlungen sind böse. von mystischer Kraft. • Mit dem Blick auf Gewinn und Verlust zu gehorchen, bedeutet schon längst nicht mehr, der Autorität zu gehorchen. • Die Art unbestimmter Furcht ist Angst, wie angenommen wird, die Motivation, die zu den Autoritäts - Theorien am besten paßt. • Das Gute ist die Wahrheit der Dinge: Wer die Wahrheit der Dinge erkennt, der weiß auch spontan was getan werden muß. • Der Mensch ist das vernünftige Tier: Weil wir vernünftige Tiere sind und daher nicht umhin kommen, der Vernunft zu folgen. Der Vernunft zu folgen heißt, den Gesetzen der Natur zu folgen, dies ist das einzige Gute, das in den Menschen liegt. Die Vernunft ist also das fundamentale Vermögen, das unseren Geist beherrschen muß; die Befriedigung der Vernunft ist unser höchstes Gut. Alles was der Vernunft folgt ist ein Gutes für den Menschen. Das Verlangen der Vernunft ist ein Verlangen nach größerer Einheit, ein Verlangen nach einem allgemeinen Bewußtseinssystem, das das Individium transzendiert, auch als Ausdruck eines großen überindividuellen Willens gesehen. • Kein Mensch, es sei denn, er ist geistesschwach, gibt sich mit rein körperlichen Begierden zufrieden. In der Tiefe seiner Seele wirken Bedürfnisse in Gestalt von Ideen. Das heißt jeder Mensch verfolgt irgendwelche Ideale. Ein Mensch, dessen Ziel nur die Lust ist, verstößt gegen seine Natur. • Leben, Gesundheit und Besitz sind nicht gut, und Armut, Leid, Krankheit und Tod sind nicht schlecht. • Das Gute liegt in der Erhaltung und Ausprägung der Persönlichkeit, d.h. der vereinheitlichten Kraft. • Die vier Grundtugenden der Griechen: Weisheit, Mäßigkeit, Tapferkeit, Gerechtigkeit. • Unser Geist ist, wie unser Körper von Geburt an durch Aktivität bestimmt. • Das Ziel eines Mannes und einer Frau, die sich zusammentun, um eine Familie zu gründen, liegt weniger darin, Kinder zu hinterlassen, als in einem geistigen (moralischen) Zweck. • Der Wille ist, seinem Wesen nach ein apriorisches Bedürfnis. (Bewußtseinsfaktor) Das Gute ist die Selbst - Verwirklichung des Selbst. Nishida Ein Gutes Verhalten zielt auf das Ganze der Persönlichkeit. Die Persönlichkeit ist der Ursprung aller Werte, im ganzen Universum gibt es nur einen absoluten Wert: die Persönlichkeit. Reichtum, Macht, Gesundheit, Talent und Bildung sind an sich nichts Gutes, im Gegenteil, wenn sie den Bedürfnissen der Persönlichkeit widersprechen, verkörpern sie das Schlechte. Ein absolut gutes Verhalten hat nur die Verwirklichung der Persönlichkeit selbst zum Ziel, d.h. es ist ein Verhalten allein im Dienst der Bewußtseinseinheit selbst. Gutes Verhalten ist all das Verhalten, das der inneren Notwendigkeit des Selbst entspringt. Die Persönlichkeit, die die Einheitskraft des Bewußtseins und der Realität ist, verwirklicht sich zunächst in den Individuen, sie ist gewissermaßen das unmittelbarste Gute. (Gesichtszüge, Sprache, Benehmen) Ein Bewußtsein, das in keinerlei Beziehungen zum gesellschaftlichen Bewußtsein steht, gleicht dem eines Wahnsinnigen. Die Substanz des Staates ist der Ausdruck eines kollektiven Bewußtseins, das der Ursprung unse84 res Geistes ist. Der Staat ist eine einheitliche Persönlichkeit, die Institutionen und Gesetze des Staates sind Ausdruck des Willens des Kollektiven Bewußtseins. Das Gute ist in einem Wort gesagt, die Verwirklichung der Persönlichkeit. In der Praxis gibt es nur ein wahrhaft Gutes. Es lautet, die Erkenntnis des wahren Selbst. Zitate: • „Freiheit bedeutet zweierlei.“ Zum einen keine Ursache zu haben, zufällig zu sein. Zum anderen, ohne äußeren Zwang ausgesetzt zu sein, aus sich selbst zu wirken. • Verhalten, meint eine Handlung, deren Ziel dem Bewußtsein klar und deutlich ist. • Die Tapferkeit zum Beispiel sei die Mitte von Gewalt und Furcht und Sparsamkeit die Mitte von Geiz und Verschwendung. • Die Handlung ist ein Ausdruck des Willens. Was von außen wie Handlung aussieht, ist von innen gesehen Wille. • „Der Wille,“ unterliegt wie alle Naturphänomene einem notwendigen mechanischen Gesetz von Ursache und Wirkung und nicht einer Art 85 Neuzeit Neuzeit Auch wenn alle einer Meinung sind, können alle Unrecht haben. Russel Russell schon 1902. Das Ehepaar lebte in der Folge getrennt voneinander. Russell fürchtete berufliche Nachteile und ließ sich daher erst 1921 scheiden, als seine spätere zweite Frau Dora Black schwanger wurde. Russell verfasste die Principia Mathematica zusammen mit Whitehead, der zeitweise samt Familie in Russells Haus wohnte, die Arbeit an diesem monumentalen Werk dauerte von 1902 bis 1913. Ein einschneidendes Ereignis in Russells Leben war der Erste Weltkrieg. Ab 1914 stellte Russell seine mathematische Forschung zurück und begann, sich als Aktivist und Autor für Frieden und Kriegsdienstverweigerung einzusetzen. Dass er wegen eines Flugblatts zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, nahm die Universität Cambridge zum Anlass, ihm die Professur zu entziehen, er wurde später zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Nach dem Ersten Weltkrieg unternahm Russell mehrere Reisen. 1920 besuchte er mit einer Delegation der Labour Party die Sowjetunion und hatte unter anderem die Möglichkeit zu einem Gespräch mit Lenin, welcher ihn stark ent- Britischer Philosoph und Mathematiker (1872 - 1970) Leben: Bertrand Russell wurde am 18. Mai 1872 in eine Familie der englischen Aristokratie geboren. Bertrand Russells Vater, John Russell starb, als Bertrand drei Jahre alt war. Die ebenfalls aus einer Adelsfamilie stammende Mutter Katherine Louisa Stanley starb noch früher, 18 Monate vor ihrem Mann, an Diphtherie, ebenso wie Bertrands Schwester Rachel Lucretia Russell. Nach dem Tod der Eltern wurde Bertrand Russell mit seinem Bruder von den viktorianischen Großeltern aufgenommen und wuchs auf deren Anwesen Pembroke Lodge, Richmond Park auf. Er wurde von Privatlehrern unterrichtet und beschäftigte sich mit Literatur und Mathematik. Russell erhielt ein Stipendium der Universität Cambridge, und studierte dort von 1890 bis 1894 Mathematik. Er heiratete im Dezember 1894 Alys Pearsall Smith – gegen den Willen von Russells Familie. Die Ehe Russells scheiterte nach seiner Darstellung 86 täuschte. Russell, der zuvor mit dem Sozialismus sympathisiert hatte, war fortan ein ausgesprochener Gegner des sowjetischen Kommunismus bzw. des sowjetischen Staatskapitalismus. 1921 unternahm Russell eine Reise nach China und Japan. Die Universität Peking hatte ihm, der in Cambridge entlassen worden war, eine Gastprofessur angeboten. Auch Russells Ehe mit Dora Black scheiterte schließlich, und 1936 heiratete Russell – bereits 64-jährig – Patricia Helen Spence. Mit ihr hatte er einen Sohn, Conrad Russell. Die Familie zog in die USA, wo Russell zunächst an den Universitäten von Chicago und Los Angeles lehrte. Anders als im Ersten Weltkrieg nahm Russell im Zweiten Weltkrieg keine pazifistische Position ein. Kurz nach Kriegsende sprach er sich sogar für einen Präventivkrieg gegen die Sowjetunion aus. 1944 kehrte Russell zurück nach England, um wieder am Trinity College in Cambridge zu lehren. In den folgenden Jahren arbeitete er zudem für die BBC an Rundfunkübertragungen. 1949 erhielt Russell den Order of Merit, und 1950 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Nachdem auch Russells Ehe mit Patricia Helen Spence mit einer Scheidung geendet hatte, ging er 1952 eine vierte Ehe mit Edith Finch ein, die bis an sein Lebensende hielt. Der mit 78 Jahren weltweit bekannte und vielfach ausgezeichnete Russell zog sich nach 1950 nicht aus der Öffentlichkeit zurück. Ihn bewegte vor allem ein möglicher Dritter Weltkrieg als eine große Gefahr für die Menschheit. 1961 wurde er angeklagt, zum Widerstand gegen die Staatsgewalt aufgerufen zu haben und – mit 89 Jahren – zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, diese Strafe wurde „durch ärztliche Atteste auf eine Woche herab gesetzt“. Hochbetagt schrieb er seine Autobiografie, die von 1967 bis 1969 in drei Bänden erschien. Am 2. Februar 1970 starb Bertrand Russell mit 97 Jahren in Penrhyndeudraeth (Wales) an Influenza. Lehre: Zusammen mit Alfred North Whitehead veröffentlichte Russel mit den Principia Mathematica eines der bedeutendsten Werke des 20. Jahrhunderts über die Grundlagen der Mathematik, er gilt als einer der Väter der Analytischen Philosophie. Als weltweit bekannter Aktivist für Frieden und Abrüstung war er eine Leitfigur des Pazifismus, auch wenn er selbst kein strikter Pazifist war. Sein Werk lässt sich grob in drei Themen aufteilen, während er in der ersten Hälfte seines Lebens hauptsächlich an den Grundlagen der Mathematik arbeitete, wandte er sich nach Fertigstellung der Principia Mathematica verstärkt philosophischen Fragen zu. Im letzten Drittel seines Lebens spielte sein politisches Engagement die Hauptrolle. Zitate: • Ich glaube, was wir praktisch mit Vernunft meinen, läßt sich an drei charakterischen Merkmalen erläutern. In erster Linie stützt sie sich auf Überzeugungskraft statt auf Gewalt; zweitens sucht sie mit Argumenten zu überzeugen, die der Mann, der sie vorbringt, für vollkommen gültig hält; und drittens bedient sie sich der Meinungsbildung so weit wie möglich der Wahrnehmung und der Induktion und so wenig wie möglich der Intuition. • Zivilisation bezeichnet die durch Fortschritt von Wissenschaft und Technik ermöglichten und von Politik und Wirtschaft geschaffenen Lebensbedingungen. • Man sollte eigentlich im Leben niemals die gleiche Dummheit zweimal machen, denn die Auswahl ist so groß. • Auch wenn alle einer Meinung sind, können alle Unrecht haben. • Menschen, die immer daran denken, was andere von ihnen halten, wären sehr überrascht, wenn sie wüßten, wie wenig die anderen über sie nachdenken. • Der Weg zum Glück liegt in der organisierten Verringerung der Arbeitszeit. • Sehr viel Unheil entstand aus dem Glauben an den überragenden Wert der Arbeit an sich. • Die Moral der Arbeit ist eine Sklavenmoral, und in der neuzeitlichen Welt bedarf es keiner Sklaverei mehr. Jaspers Deutscher Psychiater und Philosoph (1883 - 1969) Leben: Karl Jaspers war der Sohn des Bankdirektors und Landtagsabgeordneten Carl Wilhelm Jaspers und dessen Frau Henriette geb. Tantzen, der Tochter des oldenburgischen Landtagspräsidenten. Karl Jaspers war Schüler des Alten Gymnasiums in Oldenburg. Er studierte zunächst Ende 1901 in Heidelberg und später in Mün87 Neuzeit Neuzeit Die Ho nungslosigkeit ist schon die vorweggenommene Niederlage. chen drei Semester Rechtswissenschaft. Nach einem Kuraufenthalt in Sils-Maria nahm er 1902 in Berlin ein Medizinstudium auf, das er ab 1903 in Göttingen und ab 1906 in Heidelberg weiterführte. Hier promovierte er am 8. Dezember 1908 bei Franz Nissl dem Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik, der ihm nach seiner Approbation von 1909 bis 1914 als Volontärassistent Gelegenheit zur Mitarbeit gab. 1910 heiratete er Gertrud Mayer, die Pflegerin in einer psychiatrischen Anstalt war, sie entstammte einer orthodoxen deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie. 1913 legte Jaspers als gerade Dreißigjähriger an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg sein Lehrbuch der Allgemeinen Psychopathologie als Habilitationsschrift vor und konnte sich für Psychologie habilitieren. Bereits nach zwei Jahren Lehrtätigkeit am Philosophischen Seminar wurde Jaspers dort 1916 zum außerordentlichen Professor ernannt, 1920 konnte er zum Extraordinarius aufrücken, im selben Jahr begann seine Freundschaft mit Martin Heidegger, die bis zu dessen Eintritt in die NSDAP dauerte. In den folgenden Jahren konzentrierte sich Jaspers auf eine intensive und tiefe Einarbeitung in die Geschichte und Systematik der Philosophie. Zunächst las er über die großen Philosophen und begann ab 1927 mit der Ausarbeitung seines dreibändigen Hauptwerks Grundriss der Philosophie. Von den 1933 sofort eingeleiteten Maßnahmen der nationalsozialistischen Machthaber zur „Gleichschaltung“ der Universitäten in Deutschland war Jaspers trotz seiner – nach dem Nazi-Jargon – „jüdischen Versippung“ durch seine Ehe zunächst kaum betroffen; da er jedoch nicht bereit war, sich von seiner Frau zu trennen, wurde er Ende September 1937 in den Ruhestand versetzt und ab 1938 mit Publikationsverbot belegt, er stand bis 1945 ständig unter der Bedrohung durch die Nationalsozialisten. Er zählte zum 1945 mit Billigung der amerikanischen Besatzungsbehörde gebildeten 13er Ausschuss zum Wiederaufbau der Universität. Bald enttäuscht von der weiteren allgemein- und hochschulpolitischen Entwicklung im Nachkriegsdeutschland, nahm Karl Jaspers 1948 den Ruf nach Basel an und wechselte auf den dortigen Lehrstuhl, 1967 erwarb er auch die Schweizer Staatsbürgerschaft. Er gab weiterhin immer wieder stark beachtete Stellungnahmen zu Zeitfragen wie a) das Dasein, b) das Bewusstsein überhaupt, c) Geist, d) Welt; Die transzendenten Weisen des Umgreifenden: a) die Transzendenzen, die nicht die eigentliche sind, somit die Transzendenz der immanenten Weisen des Umgreifenden und die Transzendenz (Gott), b) Existenz. Die Erfahrung, daß unser Leben uns als dunkles Geheimnis gegeben ist, bezeichnet Jaspers mit dem Wort „Dasein,“ das überschreiten des ich, sein Entwurf dagegen heißt „Existenz.“ Existenz muß vollzogen werden, sie entfaltet sich im Absprung von jeder Sicherung. Die Kraft dazu steckt im Dasein, das ja seine Bestimmung im Transzendieren hat. Erleuchtung ist möglich, weil der Mensch fähig ist, als Bewußtsein zu reflektieren und sich so immer neu vom bloß gegebenen zu lösen. Der Mensch erfüllt also im Aufbruch die Freiheit, zu der er bestimmt ist. Wer seine eigene Freiheit als Bestimmung ergreift, der kann nicht anders, als den anderen auch als zur Freiheit berufenen anzusehen. Ich weiche dem Leiden aus, indem ich Wege der Täuschung suche, die Schuld in der Dummheit und im bösen Willen Anderer sehe. Oder ich weiche dem Anderen gegenüber dem Leiden aus, indem ich mich fernhalte, mich von einem Menschen rechtzeitig zurückziehe, wenn sein Elend unheilbar wird. So erweitert man die Kluft, die zwischen Glücklichen und Leidenden sich auftut, durch Erstarren, Verschweigen; man wird gleichgültig und rücksichtslos, ja man verachtet und haßt schließlich den Leidenden, wie manche Tiere kranke Genossen zu Tode quälen. Der Kampf ist eine Grundform aller Existenz: Alles was existiert braucht Platz und materielle Bedingungen; beide nimmt es andern mögliche Existenzen fort. Im Biologischen besteht der Kampf ums Dasein passiv - in scheinbarer Ruhe bestehender Kraftverhältnisse - und aktiv um Wachstum, Mehrwerden, Macht. Ohne solchen Kampf gibt es, wenn die Situation auch noch so verdeckt ist, nicht die materiellen Bedingungen der Existenz, auch nicht beim Menschen, bei dem der Kampf oft vom Individuum auf Gruppen, Massen usw. abgeschoben und dem Einzelnen Jaspers auch zu wissenschaftlichen Themen wie beispielsweise zur Psychoanalyse ab. 1969 starb er in Basel. Lehre: Jaspers gilt als herausragender Vertreter der Existenzphilosophie, die er vom Existentialismus Jean-Paul Sartres strikt unterschied. Mit seinen einführenden Schriften zur Philosophie, aber auch mit seinen Schriften zu politischen Fragen wie zur Atombombe, zur Demokratieentwicklung in Deutschland oder zur Wiedervereinigung hat er hohe Auflagen erreicht und ist so auch einem breiteren Publikum bekannt geworden. Das Menschenbild in Jaspers’ Philosophie ist geprägt durch eine vierstufige Seinsweise als Verwirklichungsdimensionen des Menschen: 1.) Das biologische Dasein als rücksichtsloser, vitaler Daseinswille mit Macht-, Geltungs- und Genussinteressen – zugleich der Erfahrungsraum, in dem Phänomenologie und Positivismus ihre Grenzen finden; 2.) Das Bewusstsein überhaupt als Medium des objektiven Denkens im Sinne des kantischen Verstandes (das Ichsein), das den Bereich der Logik bestimmt; 3.) er Geist als Teilhabe an ganzheitlichen und sinnstiftenden Ideen, der den Zusammenhang in 88 der Zerstreutheit des Wissbaren und Erfahrbaren erzeugt; 4.) Die Existenz als das, was der Mensch sein kann, als nicht mehr empirisch fassbare Ebene des eigentlichen Selbstseins, als Möglichkeit des wahren Menschseins. Philosophie war für Jaspers keine Wissenschaft, sondern vielmehr Existenzerhellung, die sich mit dem Sein als Ganzes befasst. Jede Äußerung zur Philosophie ist so gesehen selbst schon Philosophie. Philosophie tritt da auf, wo Menschen wach werden. Philosophie ist das Gewahrwerden der eigenen Ohnmacht und Schwäche. Existenz und Transzendenz sind für Jaspers nicht gegenständlich. Das Sein selbst sei nicht als Gegenstand aufzeigbar, ebenso wenig wie das Ich, durch das die Gegenstände konstituiert werden. Nur in dem Maße, in dem der Mensch zu sich selber findet, sei der Mensch Existenz. Die eigentliche Transzendenz wird ihrerseits nicht mehr umgriffen, weder für sich allein, noch zusammen mit der Immanenz, da sie eben selbst das Allumgreifende ist. Sie umgreift die folgenden Weisen des Umgreifenden: Die immanenten Weisen des Umgreifenden: 89 Neuzeit Neuzeit Wissenschaft ist auf Forschung, auf Untersuchung, Probe angewiesen, ist widerholbar und besitzt Allgemeingültigkeit. nicht immer als Kampf fühlbar ist. Die Grenzsituation von Dasein durch Kampf ist Gewalt. Lebensangst: Angst steigert sich zu dem Bewußtsein, wie ein verlorener Punkt im leeren Raum zu versinken, da alle menschlichen Beziehungen nur auf Zeit zu gelten scheinen. Auf kurze Zeit nur läuft eine Menschen zur Gemeinschaft bindende Arbeit. In den erotischen Beziehungen wird die Frage nach dem Verpflichtenden gar nicht erst gestellt. Auf niemanden ist Verlaß, ich selbst binde mich nicht absolut an einen anderen. Wer nicht teilnimmt an dem, was alle tun, ist allein gelassen. Die Drohung des Preisgegebenseins erzeugt das Bewußtsein eigentlicher Verlassenheit, das den Menschen aus seiner leichtsinnigen Augenblicklichkeit zu zynischer Härte und dann in die Angst treibt. Dasein überhaupt scheint nichts als Angst zu sein. In der Daseinsordnung werden die Veranstaltungen getroffen, um vergessen zu machen und zu beruhigen. Organisationen schaffen ein Bewußtsein von Zugehörigkeit. Der Apparat verspricht Sicherheiten. Ärzte reden dem Kranken oder dem Sichkrankglaubenden den Tod aus. Jedoch es hilft nur für Zeiten, in denen es dem einzelnen gut geht. Daseinsordnungen können die Angst aber nicht bannen. Die verabsolutierte Daseinsordnung bringt vielmehr die unbeherrschbare Lebensangst erst hervor. Handeln angesichts des Todes: Es ist wie Versinken der Existenz, wenn ich angesichts des Todes nichts mehr wichtig finden kann, sondern nihilistisch verzweifle; der Tod ist nicht mehr Grenzsituation, wenn er die objektive Vernichtung als das übermächtige Unglück ist. Angst vor dem Nichts und vor dem Todsein: Vorstellungen vom Zustande des Todseins sind vergeblich. Nicht die geringste Erfahrung, kein Anzeichen kommt von dort. Niemand ist wiedergekehrt. Daher die Vorstellung, der Tod ist Nichtsein, ist Nichts. Die Angst vor dem Tode ist Angst vor dem Nichts. Aber untilgbar scheint trotzdem die Vorstellung: der Zustand nach dem Tode ist ein anderes Sein. Das Nichts nach dem Tode ist nicht wirklich Nichts. Ein künftiges Dasein erwartet mich. Die Angst vor dem Tode ist die Angst vor dem, was nach ihm kommt. Beide Ängste - vor dem Nichts und vor dem Zustand des Todseins - sind grundlos. Das Nichts seitigem Anerkennen erwachsen wir beide als wir selbst. Nur zusammen können wir erreichen, was jeder erreichen will. Einsamkeit: Einsamkeit ist nicht identisch mit soziologischem Isolliertsein. Wer etwa in primitiven Zuständen und ohne eigenständiges Selbstbewußtsein aus seiner Gemeinschaft ausgestoßen wird, lebt in dieser Gesellschaft innerlich fort oder hat ein dunkles Verzweiflungsbewußtsein des Nichtseins; er ist weder in der Geborgenheit noch im Ausgeschlossensein einsam, weil er nicht ein für sich selbst ist. Erst im hellen Bewußtsein entwickelter Zustände gilt: Ich selbst sein heißt einsam sein, jedoch so, daß ich in der Einsamkeit noch nicht ich selbst bin; denn Einsamkeit ist das Bereitschaftsbewußtsein möglicher Existenz, die nur in Kommunikation wirklich wird. Kommunikation findet jeweils zwischen zweien statt, die sich verbinden, aber zwei bleiben müssen - die zueinanderkommen aus der Einsamkeit und doch Einsamkeit nur kennen, weil sie in Kommunikation stehen. Ich kann nicht selbst werden, ohne in Kommunikation zu treten und nicht in Kommunikation treten, ohne einsam zu sein. Liebe ist nicht allgemein: Wer nur die Menschen liebt, liebt gar nicht, wohl aber, wer diesen bestimmten Menschen liebt. Das Böse ist der Wille zum Nichts, indem es das Eigendasein in seiner Nichtigkeit will. Es schließt sich ein in Kommunikationslosigkeit. Persönlichkeit: Machte man sich etwa zum Ziel, eine Persönlichkeit eigenständiger und eigentümlicher Art zu werden, so würde man ein künstliches Gebilde mit lauter Larven, bis in den Kern ohne Wirklichkeit, also gerade keine Persönlichkeit, sondern eine ängstlich gepflegte Figur. Persönlichkeit wird der Mensch nur, indem er sich um die Sachen kümmert, in Tätigkeit und Handeln in der Welt etwas hervorbringt. Was ist ein Philosoph: Der Mensch als mögliche Existenz ist Philosoph: Philosoph zu sein ist kein spezifischer Beruf; der Philosoph ist auch kein gestaltetes Ideal, nach dem der Mensch sich formen könnte, um es zu werden, das Sein des Philosophen ist das Selbstwerdenwollen, das in der Breite des philosophierens sich Raum, Möglichkeit und Ausdruck schafft. Philosophie ist die Schule der Unabhängigkeit, nicht der Besitz von Unabhängigkeit: Keiner Jaspers ist nur gegenüber zeitlich - räumlicher Realität Nichts. Aber ist damit auch das Bewußtsein der Unsterblichkeit hinfällig? Unsterblichkeit heißt die Ewigkeit, in der Vergangenheit und Zukunft aufgehoben sind. Ja zum Dasein: Das Ja zum Dasein ist das große und schöne Wagnis, weil es die Stätte der Verwirklichung von Wahrheit, Liebe, Vernunft ist. Das Nein aber zum Dasein im Selbstmord ist die Wirklichkeit von Menschen, vor deren Geheimnis wir still werden. Wir dürfen diese Grenze nicht vergessen. Um das Leben zu erhalten ist es Notwendig zu essen, zu trinken, zu schlafen oder zu sterben für den, der dem Leben gleichgültig gegenübersteht. Jenseitsvorstellungen: Tapferkeit angesichts des Todes als des Endes von allem, was mir wirklich als sichtbar und erinnerbar ist, wird auf ein Minnimum reduziert, wenn durch sinnliche Jenseitsvorstellungen der Tod als Grenze aufgehoben und zu einem bloßen Übergang zwischen den Daseinsformen gemacht wird. Es hört das wahrhafte sterben auf. Die Süße des Daseins, die ver90 schwinden zu sehen dem natürlichen Lebenswillen so furchtbar ist, wird in anderer Gestalt wieder sichtbar, die Hoffnung durch Garantien maßgebender Art fast zu einem Wissen. Der Tod ist überwunden um den Preis des Verlustes der Grenzsituation. Dagegen ist Tapferkeit, wahrhaft zu sterben ohne Selbsttäuschungen. Notwendigkeit des Anderen: In der Kommunikation fühle ich mich nicht nur für mich, sondern auch für den Anderen verantwortlich, als ob er ich, ich er wäre, ich fühle sie erst einsetzen, wenn der andere mir ebenso begegnet. Den auch den Sinn der Kommunikation erreiche ich nicht durch mein eigenes Tun allein; es muß das Tun des Anderen entgegenkommen. Ich muß in die quälende Beziehung ewigen Ungenügens kommen in dem Augenblick, wo der Andere, statt der mir Entgegenkommende zu sein, sich selbst mir zum Objekt macht. Wird der Andere in seinem Tun nicht eigenständig er selbst, so auch ich nicht. Unterordnung des anderen in Gehorsam unter mich läßt mich nicht zu mir kommen, sein Herrschen über mich ebensowenig. Erst im gegen91 Neuzeit Neuzeit philosophischen Schule sich verschreiben, keine aussagbare Wahrheit als solche für die ausschließend eine und einzige halten, Herr seiner Gedanken werden; nicht den Besitz einer Philosophie häufen, sondern das Philosophieren als Bewegung vertiefen; ringen um Wahrheit und Menschlichkeit in der bedingungslosen Kommunikation; sich fähig machen, von allem Vergangenen aneignend zu lernen, auf die Zeitgenossen zu hören, aufgeschlossen zu werden für alle Möglichkeiten; nicht aufhören, durch die eigene Geschichtlichkeit hineinzuwachsen in die Geschichtlichkeit des Menschseins im ganzen und damit in das Weltbürgertum. Existenzphilosophie ist die Philosophie des Menschseins, Ausdruck der ewigen Philosophie. Heute möchte ich Existensphilosophie eher Philosophie der Vernunft nennen, weil es dringlich scheint, dies uralte Wesen der Philosophie zu betonen. Geht Vernunft verloren, so geht die Philosophie selber verloren. Wesentlich ausgezeichnet ist die Existenz durch Freiheit, die Jaspers durch die Religion als gefährdet ansieht, wird doch hier ein Anspruch erhoben, der einen allgemeingültigen Charakter hat. Der philosophische Glaube wendet sich demgegenüber an den Einzelnen; er beansprucht keine Allgemeingültigkeit. Unterschied zwischen philosophischen und religiösen Glauben: Philosophischer Glaube kennt kein Gebet und keinen Kultus, er kennt auch keine Gemeinschaft. Vielmehr verbindet er Menschen als einzelne. Glaubensgehalt nimmt zwar in seiner objektivität die Gestalt eines Gewußten an, aber statt gültig zu sein für jedermann, besteht er nur durch Einsatz des eigenen Seins. Das Leben ist die Krankheit die zum Tode führt. Jaspers Angesichts von Religion und Gottlosigkeit lebt der Philosophierende aus eigenem Glauben. (eigenen Ursprungs) Was der eigentümliche philosophische Glaube sei, ist in objektiver Bestimmtheit nicht auszusprechen, sondern nur in der zuletzt indirekten Mitteilung des gesamten philosophischen Werks. „Der philosophische Glaube ist der Glaube des Menschen an seine Möglichkeiten.“ Solange der Mensch philosophiert, weiß er sich im Zusammenhang nicht mit der heiligen Kette der »Wahrheitszeugen« (in der sich der glaubende Christ fühlen dürfte), auch nicht mit der von jeher weltgestaltend wirksamen und jederzeit auch ihre Sprache findenden Gottlosigkeit, aber im Zusammenhang mit der heimlich offenbaren Kette in Freiheit suchender Menschen. Deren leuchtende Glieder sind die wenigen großen Philosophen, die, keine Jünger verlangend, ja sie verschmähend, ihrer menschlichen Endlichkeit sich so bewußt wie der Unendlichkeit, in der sie leben, die Fackel reichen dem, der sie von sich aus ergreift und am Ende vielleicht nur 92 als verglimmenden Funken weiterträgt, bis der Nächste sie wieder zu heller Flamme entzündet. Dieser Glaube ist in der Vernunft mehr als Vernunft. Es ist nicht das gleiche, ob ich mich schlechthin Gründe in der Selbstgewißheit der Vernunft als erkennendem Tun, oder ob ich mir in diesem Medium als Möglichkeit eigener Existenz gewiß bin. Der Weg des Philosophierens, das sich immer auch wieder auf bloße Vernunft gründen wollte, mußte darum auch immer wieder im Leeren endigen. Wie in der Philosophie das, was nicht Vernunft ist, und durch das auch Vernunft erst ihre ganze Weite erhält, gegenwärtig ist, das entscheidet über ihre Substanz in der jeweiligen Geschichtlichkeit. Er ist der Ursprung der Arbeit, in der sich der Mensch als Einzelner im inneren Handeln vor seiner Transzendenz hervorbringt - berührt von der erweckenden Überlieferung, aber ohne rational bestimmbare Bindung an eine objektive Gestalt. Denn jedes Philosophieren ist einmalig und nicht identisch wiederholbar, - obgleich alles Philosophieren in einem Ursprung wurzelt, der jede seiner Gestalten mit jeder anderen verwandt macht. Ist das Philosophieren die ständige Selbsterziehung des Menschen als Einzelnen, so ist dieser darin nicht ein Einzelner als Individuum in der objektiven Mannigfaltigkeit des endlos verschiedenen Daseins, sondern als der Prozeß der Überwindung dieser Vereinzelung, die als solche nur zu Eigensinn und Eigenwilligkeit des Individuellen führt. Das scheinbar Nahe des individuellen Daseins ist für die philosophische Existenz das ihr vernichtend Entgegengesetzte, das doch ihr geschichtlicher Leib werden kann, wenn es eingeschmolzen ist in das Umgreifende des einen Seins. Der Einzelne ist auch nicht er selbst durch Unterscheidung von allen Anderen, durch ein Mehr an Begabung, Schöpferkraft, Schönheit, Willen, sondern als der Einzelne, als der ein Jeder er selbst sein kann und der niemand von Natur schon ist. Er ist es aber auch nicht in der Gleichheit mit jedem Anderen; denn die Gleichheit kommt aus dem Vergleich. Der Einzelne, der, wenn er er selbst ist, wie jedes andere Selbstsein ohne Vergleich ist, ist daher als solcher dadurch gekennzeichnet, daß er auch selbst sich nicht vergleicht - außer mit Ideen als Maßstäben, die über ihm, aber nicht wirklich Dasein sind. Wo der Einzelne sich vergleicht, da nur in dem, was nicht eigentlich er selbst ist. Der Einzelne vor seiner Transzendenz, in welcher Stellung der Mensch allein Mensch ist, erringt sich gegen das Verlorensein seines Grundes an das Allgemeine ebenso wie gegen das Verlorensein an die trotzige Selbstbehauptung und Daseinsangst seiner bloßen Vereinzelung. Hat der philosophische Glaube zur existentiellen Achse das innere Handeln, so dienen der Möglichkeit, diesen Glauben zu vollziehen, die Gedanken der philosophierenden Erhellung. Dieses Philosophieren wird eine um so stärkere Kraft haben, als es im Formalen seine Wahrheit rein auszusprechen vermag. Dadurch hat es, weil offen für die Erfüllung durch den neu herankommenden Menschen in seiner Geschichtlichkeit, erweckende Macht, nicht die gebende Macht, welche vielmehr täuschen würde. Wie im Philosophieren Kants und zurück aller Großen, ist die reine Form des Gedankens das eigentlich Verwandelnde in dem, der sie zu denken und zu erfüllen vermag. Ist das glaubend erfüllende Philosophieren erst durch die Wirklichkeit der Existenz, so ist in dieser selbst auch der Vollzug der echten Kontemplation: diese ist das Philosophieren als ein Leben der Existenz im Ergrübeln des Seins, im Lesen der Chiffreschrift des Daseins und aller Weisen des mir begegnenden und des ich selbst seienden Seins. Es ist die gleichsam aus der Zeit tretende, die Zeit selbst noch als Chiffre in der Erscheinung sehende Versenkung. Die philosophischen Gedanken, deren Vollzug die Wirklichkeit dieser Versenkung ist, und die davon losgelöst als nur gesagte Gedanken leer sind- sind gleichsam die Musik der Spekulation. In ihnen ist es wie eine Umwendung existenzerhellenden Denkens des Möglichen zu einem Treffen auf das Wirkliche, - wie ein Starstechen, nicht um die Dinge der Welt als solche, sondern um in ihnen und in allem Möglichen das Sein selbst zu sehen, die Denkerfahrung, die nicht ein Wissen von Etwas, sondern Erfahrung des Seins im Vollzug des Denkens bringt. Es ist wie ein Operieren des Denkens, das den Menschen verwandelt, aber keinen Gegenstand hervorbringt. Es geht wie ein Geheimnis durch die Zeiten, das doch jederzeit für den, der seiner teil93 Neuzeit Neuzeit haft werden will, offenbar ist, das in jeder Generation von neuem zu dem führen kann, was von Parmenides wie von Anselm berichtet wird, die für den Nichtverstehenden formale Abstraktion, inhaltslose Torheiten sind. Zitate: • Es gibt kein gemeinsames Merkmal wahren Christentums, nicht einmal den Glauben an Jesus als menschgewordener Gott. Es gibt das Christentum nur in Sondergruppen. • Ein Theologe mag sagen: Wer die Bibel liest, ist noch kein Christ. Ich (Jaspers) antworte: Niemand und keine Instanz weiß, wer ein Christ ist, wir sind alle Christen (biblisch glaubende Menschen) und jedem ist es zuzubilligen, Christ zu sein der es behauptet. • Christlicher Widerspruch: Gott bleibt verborgen, obgleich er sich offenbart. • Was im Offenbarungsglauben zur Erscheinung kommt, ist der Konfessionsstatistik nach nur für eine Minorität der Menschheit. Für uns ist es eine Welt von Chiffern, nicht von Gottesrealitäten - ist schwebende Sprache der Transzendenz, nicht reale Handlung Gottes - ist Deutbarkeit möglichen Sinns, nicht Gegenstand des Gehorsams. Wir sprechen nicht gegen Gott, sondern gegen den menschlichen Anspruch, Gott zu vertreten. • Die Kirche ist für den katholischen Glauben zuerst gegenwärtig, und zwar als Körper Christi. Ihre Leibhaftigkeit erst bezeugt die Vergangenheit, in der Gott Mensch wurde und diese Kirche mit ihren sakramentalen Kräften, Befugnissen, ihrem Schlüssel zum Himmelreich stiftete. Die Kirche mit ihrer Heiligkeit ist leibhaftig. • Der Protestantismus hat nur das Wort, die Vergangenheit der Offenbarung, das, am Katholischen gemessen, arme verkümmerte Wesen. Die Entheiligung der Kirche (Wegfall des Sakraments der Pristerweihe) muß schließlich die Gottmenschheit Christi selber unglaubwürdig machen! Die Kirche der Protestanten hat einen anderen Sinn als die der Katholischen hat. Sie ist Gemeinschaft in Institutionen und Formen, die als solche nicht heilig sind, aber in denen vom Glauben gekündigt wird. Wo immer Freiheit in Willkür, Gewissensfreiheit in Eigenwillen, biblischer Glaube in Spielerei mit beliebigen Chiffern umschlägt, ist das protestantische Prinzip verloren. • Alle meine Tage war ich hinter Leuten her dehnen ich zutraute, daß sie mehr wüßten als ich, Theologen und Gelehrte, Philosophen und Künstler. • Das Leben ist einem Springen von Eisscholle zu Eisscholle vergleichbar. Wer ermüdet innehält und ausruhen will, ist verloren. Flucht, Tanz, Bewegung ist das, was den Menschen am Leben erhält, ja zum Leben bringt. • Existenz ist auf Scheitern bezogen. Nur scheiternd kann der Mensch verwirklichen indem er transzendiert. • Wenn das Wahr ist, dann ist der Tod das entscheidende Datum für die Existenz. Der Tod ist das endgültige Zerbrechen. Darum kann der Mensch im Tode das Ganze gewinnen. Der Tod ist also notwendig. Was endlos dauert, existiert nicht. • Der philosophische Glaube ist eigener Ursprung. Er will nicht Feindschaft, sondern Redlichkeit, will nicht Abbruch, sondern Kommunikation, will nicht Gewalt, sondern Liberalität. • Wer philosophiert, kann es nicht auf Grund einer Vollmacht tun, die ihm von einer Instanz in der Welt erteilt ist. Er tut es aus eigener Verantwortung vor einer Instanz, die er sich selber setzt, indem er sie vorfindet im Philosophieren der Jahrtausende. • Der praktische Philosoph, der Philosoph der Weisheit durch Lehre und Beispiel, ist der eigentliche Philosoph. • Wissenschaft ist auf Forschung, auf Untersuchung, Probe angewiesen, ist widerholbar und besitzt Allgemeingültigkeit. • Der einzelne steht unmittelbar zu Gott, ohne Mittler. • Namen der Transzendenz sind ins Endlose zu häufen. Die im Abendland maßgebenden Namen (Sein, Wirklichkeit, Gottheit, Gott) sind unbestimmt. • Philosophieren heißt transzendieren. • Angst, Leid und Tod als Ursache von Religion. • Wahrheit ist die Offenbarung des Seins im Seienden. • Seele ist der Leib (Leben) selbst, insofern als er kein Leichnam (also Tod), kein bloßer Gegenstand, sondern lebendig ist und existiert. 94 • Der philosophische Glaube kämpft nur geistig und wehrt sich gegen Gewalt, der theologische Glaube greift an durch Gewalt. • Das Leben ist die Krankheit die zum Tode führt. • Vor wem man heute Angst hat, beherrscht einen morgen. • Die Hoffnungslosigkeit ist schon die vorweggenommene Niederlage. • Gleichgültigkeit ist die mildeste Form der Intoleranz. • Der Krieg ist in wachsendem Umfang kein Kampf mehr, sondern ein Ausrotten durch Technik. • Der menschliche Verstand ist in der Praxis nicht verläßlich, am wenigsten in größter Not. • Nur als Individuum kann man zum Philosophen werden. • Philosophie ist die Wirklichkeit der Existenz. Leben: Ludwig Wittgenstein wurde am 26. April 1889 in Wien als Sohn einer Wiener Industriellenfamilie geboren. Er war das jüngste von acht Kindern des Großindustriellen Karl Wittgenstein und seiner aus Prag stammenden Ehefrau Leopoldine, einer begabten Pianistin. Wittgensteins intellektuelle Erziehung begann mit häuslichem Privatunterricht in Wien, ab 1903 erhielt er Unterricht in der Realschule in Linz. Am 28. Oktober 1906 immatrikulierte Wittgenstein sich an der Technischen Hochschule Charlottenburg. Ursprünglich wollte Wittgenstein in Wien studieren, für Berlin entschied sich Wittgenstein, weil sein Realschulzeugnis ihm die Einschreibung an der Universität erst nach einem weiteren Studium erlaubte, dort begann auch sein plötzliches Interesse für die Philosophie. Nach dem Abschlussdiplom als Ingenieur 1908 ging Wittgenstein nach Manchester, wo er an der Universitätsabteilung für Ingenieurwissenschaften versuchte, einen Flugmotor zu bauen. Diesen Plan gab er jedoch bald auf. Danach arbeitete er an „Verbesserungsvorschlägen für Flugzeugpropeller“, einem Projekt, Wittgenstein Österreichisch-britischer Philosoph (1889 - 1951) Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die grenzen meiner Welt. Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen. Wittgenstein 95 Neuzeit Neuzeit für das er am 17. August 1911 ein Patent erhielt, schließlich dominierte dann doch die Philosophie. Unter anderem mit Russells Unterstützung wurde Wittgenstein im November 1911 in die elitäre Geheimgesellschaft Cambridge Apostles gewählt. Ab 1912 begann Wittgenstein mit Arbeiten an seinem ersten philosophischen Werk, der Logischphilosophischen Abhandlung, die er bis 1917 in einem Tagebuch als Notizen festhielt und im Sommer 1918 beendete. Die Logisch-philosophische Abhandlung (Tractatus) blieb das einzige zu Lebzeiten veröffentlichte Werk Wittgensteins, er glaubte seinen Beitrag für die Philosophie geleistet zu haben und wandte sich anderen Tätigkeiten zu, noch während der Kriegsgefangenschaft in Italien entschied er sich, für den Beruf des Lehrers, zunächst besuchte Wittgenstein 1919/1920 die Lehrerbildungsanstalt in Wien. Er wurde in meheren Orten Dorfschullehrer, nachdem er im April 1926 einem elfjährigen Schüler auf den Kopf geschlagen hatte und dieser bewusstlos wurde, reichte Wittgenstein beim Bezirksschulinspektor ein Entlassungsgesuch ein, bevor offizielle Schritte eingeleitet werden konnten. 1929 kehrte Wittgenstein als Philosoph nach Cambridge zurück, wo er zunächst bei Bertrand Russell und George Edward Moore in einer mündlichen Prüfung über seinen Tractatus promovierte. Anfang der 1930er Jahre erhielt er einen Lehrauftrag, ab 1936 unternahm Wittgenstein mehrere Reisen nach Norwegen, Wien und Russland. 1939 wurde Wittgenstein zum Philosophieprofessor in Cambridge berufen; er behielt die Professur bis 1947, kurz nach seiner Berufung erwarb er die britische Staatsbürgerschaft. Im Oktober 1947 beendete Wittgenstein seine Tätigkeit an der Universität, um sich ganz seiner Philosophie zu widmen. Er lebte von da an zurückgezogen und verbrachte einige Zeit in Irland, 1949 konnte er sein zweites Hauptwerk dann abschließen, Wittgenstein starb 1951 an Krebs. Lehre: Wittgenstein war ein analytischer Philosoph der Sprache und sprachkritischer Philosoph und gilt als Begründer der sprachanalytischen Philosophie. Seine Philosophie wurde zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert. Ein Grund dafür ist neben anderen, dass er nur ein Werk zu Lebzeiten veröffentlicht hat und dass die Herausgeber der Philosophischen Untersuchungen, was den zweiten Teil betrifft, einige zweifelhafte Entscheidungen getroffen hatten. Auch der schwer zu deutende, aphoristische Stil führt dazu, dass Wittgenstein von teilweise sehr unterschiedlichen philosophischen Schulen vereinnahmt werden konnte. Er lieferte einen neuen Denkansatz in der neuzeitlichen Philosophie: Wittgenstein war der Auffassung, das philosophische Probleme aus der Verwendung von Wörtern aus unpassenden Kontexten entstehen. Nur wenige Philosophen haben so beißend über das Philosophieren geurteilt wie Wittgenstein in seinem späten Denken. Er hielt die „großen philosophischen Probleme“ letztlich für „Geistesstörungen“, die unter anderem entstünden, „indem man philosophiere“. Sie würden dadurch zu fixen Ideen, die einen nicht mehr loslassen – in der Regel, weil wir uns in einen unzuträglichen Sprachgebrauch verrannt haben. Zitate: • Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. • Die Lösung des Problems des Lebens merkt man am Verschwinden dieses Problems. • Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen. • Die Logik ist keine Lehre, sondern ein Spiegelbild der Welt. Heidegger Deutscher Philosoph (1889 - 1976) Leben: Martin Heidegger kam am 26. September 1889 als erstes Kind der Eheleute Friedrich und Johanna Heidegger geb. Kempf in Meßkirch zur Welt. 1892 wurde seine Schwester Maria geboren, 1894 sein Bruder Friedrich. Der Vater war Küfermeister und versah an der örtlichen katholischen Kirche das Amt des Mesners. Die Familie lebte in einfachen, aber wohlgeordneten Verhältnissen. Ab 1906 lebte Heidegger am bischöflichen Seminar in Freiburg und absolvierte das Gymnasium. Nach seinem Abitur trat er im September 1909 in Feldkirch als Novize in den Jesuitenorden ein, verließ das Kloster aber wegen Herzbeschwerden schon nach einem Monat wieder. Die geistliche Laufbahn schien ihm vorbestimmt zu sein, bis er 1911 das Theologiestudium aufgab und die Philosophie mit Mathematik, Geschichte und Naturwissenschaften ergänzte. 1913 promovierte Heidegger mit 96 Das Seiende dessen Analyse zur Aufgabe steht sind wir selbst. So gilt es denn, die Frage nach dem Sinn von Sein erneut zu stellen. Heidegger einer Arbeit über „Die Lehre vom Urteil im Psychologismus“ zum Doktor der Philosophie. Der Erste Weltkrieg unterbrach seine akademische Laufbahn. Heidegger wurde 1915 einberufen und den Diensten für Post und Wetterbeobachtung zugewiesen. Für Kampfeinsätze war er nicht tauglich. 1917 heiratete er die Protestantin Elfride Petri. Die Ausmusterung erfolgte 1918. Sein erster Sohn Jörg kam im Januar 1919 zur Welt, im August 1920 wurde Hermann geboren. In der Zeit der Weimarer Republik brach Heidegger mit dem „System des Katholizismus“ und widmete sich ausschließlich der Philosophie. In Todtnauberg kaufte Elfride Heidegger von ihren letzten Ersparnissen ein Grundstück und ließ nach eigenen Plänen von dem Zimmermeister und Bauern Pius Schweitzer eine Hütte erbauen, die am 9. August 1922 bezogen werden konnte. Dort schrieb Heidegger zahlreiche seiner Werke. Mit den hektischen Großstädten konnte er sich sein ganzes Leben lang nicht anfreunden. Ab 1925 verband ihn eine Liebesbeziehung mit seiner neunzehnjährigen Studentin Hannah Arendt. Die Beziehung war ungleichgewichtig: Da Heidegger weder seine Stellung noch seine Ehe gefährden wollte, bestimmte er Ort und Zeit der Treffen; der Kontakt musste im Geheimen ablaufen. 1927 erschien sein Aufsehen erregendes Hauptwerk „Sein und Zeit“. 1928 wurde er in Freiburg Nachfolger auf Husserls Lehrstuhl. Am 21. April 1933 wurde Heidegger Rektor der Freiburger Universität. Nachdem Heidegger bereits 1932 die NSDAP gewählt hatte, trat er ihr am 1. Mai 1933 bei und blieb bis Kriegsende Mitglied. Von 1935 bis 1942 war Heidegger Mitglied im Wissenschaftlichen Ausschuss des Nietzsche-Archivs. 1944 wurde er im Rahmen des Volkssturms zur Schanzarbeit eingezogen. Am 5. Oktober 1946 stellte die französische Militärregierung klar, dass Heidegger weder lehren noch an irgendwelchen Veranstaltungen der Universität teilnehmen dürfe. Das Lehrverbot endete am 26. September 1951 mit Heideggers Emeritierung. Seine Vorlesungen hatten großen Zulauf und lösten, wie auch seine Schriften, ein breites Echo aus. Zu seinem 70. Geburtstag am 26. September 1959 wurde ihm in seiner Geburtsstadt Meßkirch die Ehrenbürgerwürde zuteil. Bedeutsam waren für Heidegger die beiden Reisen nach Griechenland 1962 und 1967, deren Eindrücke er in den „Aufenthalten“ festhielt. Heidegger hatte die Veröffentlichung seiner Gesamtausgabe selbst vorbereitet, 97 Neuzeit Neuzeit deren erster Band 1975 erschien. Am 26. Mai 1976 starb Heidegger in Freiburg. Seinem Wunsch entsprechend wurde er am 28. Mai 1976 in seinem Geburtsort Meßkirch beigesetzt. Lehre: 1926 entstand sein erstes Hauptwerk Sein und Zeit, das die philosophische Richtung der Fundamentalontologie begründete. Alle bisherigen philosophischen Entwürfe vertraten laut Heidegger eine einseitige Auffassung der Welt – eine Einseitigkeit, die er als Merkmal jeder Metaphysik ansah. Diese metaphysische Weltauffassung gipfelte aus Heideggers Sicht in der modernen Technik. Mit diesem Begriff verband er nicht allein, wie sonst üblich, ein neutrales Mittel zum Erreichen von Zwecken. Vielmehr versuchte er zu zeigen, dass mit der Technik auch eine veränderte Auffassung der Welt einhergehe. So wird nach Heidegger durch die Technik die Erde vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Nutzbarmachung in den Blick gebracht. Wegen ihrer globalen Verbreitung und der damit verbundenen schonungslosen „Vernutzung“ natürlicher Ressourcen sah Heidegger in der Technik eine unabweisbare Gefahr. Buddha sowie Tolstoi wurden von einem Augenblick zum Anderen, vom Schauder der Vergänglichkeit überfallen. Die Folge dieser Erfahrung ist, das der Mensch sich vor dem Nichts, dem Tode, zu dem Seienden flüchtet. Er sucht seinen Halt am Seienden, am Besitz oder der Gemeinschaft, an einer Tätigkeit oder Zerstreuung. Aber die Angst erreicht ihn auch da. Die Angst offenbart das Nichts - das Nichts enthüllt sich in der Angst. Er kann sich in nichts Seiendem bergen, es ist ihm zu eng. Und so holt ihn aus der Flucht in das Seiende die Angst wieder heraus, die Erfahrung daß es > mit dem Seienden im Ganzen < nichts ist. So wird der Mensch hin und her geworfen. Die Langeweile offenbart das Seiende im Ganzen. Die Tiefe Langeweile, in den Abgründen des Daseins wie ein schweigender Nebel hin und herziehend, rückt alle Dinge, Menschen und einen selbst mit ihnen in eine merkwürdige Gleichgültigkeit zusammen. Die Angst verschlägt uns das Wort. Das wir in der Unheimlichkeit der Angst oft die leere Stille gerade durch ein wahlloses Reden zu brechen suchen, ist nur der Beweis für die Gegenwart des Nichts. Das die Angst das Nichts enthüllt, bestätigt der Mensch selbst unmittelbar dann, wenn die Angst gewichen ist. Aus dem Schauder vor dem Nichts sucht er in die Geborgenheit des Seienden zu flüchten. Aber gerade in ihm bedrängt ihn die Angst. Das Dasein beengt und entgleitet, das sind die beiden Erscheinungsformen der Angst. Das Nichts ist weder ein Gegenstand noch Oberhaupt ein Seiendes. Das Nichts kommt weder für sich vor noch neben dem Seienden, dem es sich gleichsam anhängt. Das Nichts ist die Ermöglichung der Offenbarkeit des Seienden als eines solchen für das menschliche Dasein. Das Nichts gibt nicht erst den Gegenbegriff zum Seienden her, sondern gehört ursprünglich zum Wesen selbst. Im Sein des Seienden geschieht das Nichten des Nichts. Die Hineingehaltenheit des Daseins in das Nichts auf dem Grunde der verborgenen Angst ist das Übersteigen des Seienden im Ganzen; die Transzendenz. Die Existens des Menschen ist umgeben vom Nichts. Sie kommt her vom Nichts. Darum ist das Dasein von Angst bestimmt. Das Nichts bestimmt das Dasein. Das Nichts ist die vollständige Verneinung der Allheit des Seienden. Die Allheit des Seienden muß zuvor gegeben sein, um als solche Schlechthin der Verneinung verfallen zu können, in der sich dann das Nichts selbst zu bekunden hätte. Ich bin das, was ich sage! Nach Heidegger erfährt der Mensch das Nichts ursprünglich in der Angst, dadurch aber zugleich das Sein, das nicht mit dem All der Dinge und Wesen zu Identifizieren ist. Bei Sartre erscheint der Mensch als Schöpfer seiner selbst aus dem Nichts. Theologie lehrt die Schöpfung der Welt durch Gott aus dem Nichts. Als der Existierende steht der Mensch das Da-Sein aus, indem er das Da als die Lichtung des Seins in die Sorge nimmt. Das Da-Sein selbst aber wehst als das Geworfene. Zitate: • Das Seiende dessen Analyse zur Aufgabe steht sind wir selbst. • So gilt es denn, die Frage nach dem Sinn von Sein erneut zu stellen. • Das Sterben ist keine Begebenheit, sondern ein existenzial zu verstehendes Phänomen. Carnap Deutscher Philosoph (1891 - 1970) Leben: Paul Rudolf Carnap wurde als Sohn 98 Reise praktisch an. In seiner Autobiografie von 1963 äußert er sich sehr positiv zum Esperanto. Lehre: Carnaps besonderes Interesse galt dem Aufbau formaler Logiksysteme. Mit seinem „Toleranzprinzip“ und dem Prinzip der Konventionalität der Sprachformen betonte er jedoch stets die Vielzahl alternativer Sprachkalküle. Bedeutsames leistete er auch im Bereich der Wahrscheinlichkeitstheorie. Carnap hatte einen nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der analytischen Philosophie. Zitate: • Beim gegenwärtigen Stand unserer Kultur brauchen viele Menschen noch religiöse, mythische Symbole und Bilder. Ich halte es für falsch, sie um die Hilfe, die ihnen diese Idee geben, bringen zu wollen oder gar sie lächerlich zu machen. • Metaphysiker sind Lyriker ohne musikalische Fähigkeit • „...wir können darauf bauen, daß die Wissenschaft auch weiterhin große Fortschritte machen und uns immer tiefere Einsichten in die Struktur der Welt ermöglichen wird - vorausgesetzt, die führenden Staatsmänner der Welt schrecken vor der äußersten Narrheit, dem Atomkrieg, zurück und gestatten der Menschheit, weiter zu leben.“ • Logik ist der letzte wissenschaftliche Bestandteil der Philosophie • In der Logik gibt es keine Moral. Beim gegenwärtigen Stand unserer Kultur brauchen viele Menschen noch religiöse, mythische Symbole und Bilder. Carnap tiefreligiöser, aber toleranter Eltern in Wuppertal geboren. Sein Vater, Johannes Carnap, entstammte einer armen Weberfamilie, seine Mutter, Anna Carnap, war Tochter eines Pädagogen. Nach einem Umzug der Familie im Jahr 1909 erlangte Carnap sein Abitur an einem Gymnasium in Jena. Im Anschluss studierte Carnap von 1910 bis 1914 Mathematik, Physik und Philosophie in Jena. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde er Soldat im deutschen Heer. Nach dem Krieg nahm Carnap sein Philosophiestudium wieder auf und promovierte 1921. 1926 folgte die Habilitation an der Wiener Universität, an der er anschließend bis 1931 als Privatdozent tätig war. Von 1931 bis 1935 hatte Carnap eine außerordentliche Professur für Naturphilosophie an der Deutschen Universität Prag inne. 1936 emigrierte er in die USA, wo er zunächst an der University of Chicago unterrichtete. 1941 wurde er Staatsbürger der Vereinigten Staaten. Von 1952 bis 1954 war er Professor an der Princeton University, bevor er 1954 einem Ruf an die University of California, Los Angeles folgte, wo er bis zu seiner Emeritierung 1961 lehrte. Er starb am 14. September 1970 in Santa Monica. Mit 14 Jahren erlernte Carnap Esperanto, besuchte 1908 den Welt-Esperanto-Kongress und wandte diese Sprache bei einer Europa- Krishnamurti Indischer Philosoph (1895 - 1986) Leben: Jiddu Krishnamurti wurde 1895 in Madanapalle, Südindien, als achtes Kind (daher sein Name gemäß Hindu-Tradition „wiedergeborener Krishna“) von Sanjeevama und Narayaniah Jidduh, in eine orthodoxe Brahmanenfamilie geboren. 1912 wurden Krishnamurti und sein Bruder Nitya zur Ausbildung durch die Theosophische Gesellschaft (TG) nach England geschickt. Um den Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen, hatte Narayana Annie Besant das Sorgerecht für Krishnamurti und Nitya gegeben. Am 3. August 1929 löste er die für ihn gegründete Organisation auf, deren Vorsitzender er war, den Order of the Star in the East. 1930 trat Krishnamurti aus der Theosophischen Gesellschaft aus, 99 Neuzeit Neuzeit wenn nicht, so sagen Sie sich von mir los, so spielt es sich tatsächlich ab. Wenn ich jemanden gefalle, so werde ich als Gattin, Nachbar oder Freund aufgenommen, Krishnamurti dies führte die TG in eine Krise, da Krishnamurti eine wichtige Funktion hatte. Er zerbrach sein Image als kommender Messias und wurde zunehmend als spiritueller „Philosoph“ betrachtet. Zwischen 1933 und 1939 reiste er mehrere Male nach Indien, wo er jeweils vor großen Menschenmengen sprach. Nach 1947 begann Krishnamurti eine erfolgreiche Reise- und Vortragstätigkeit. Besonders in den siebziger und achtziger Jahren besuchten oft mehrere tausend Menschen seine in aller Welt gehaltenen Vorträge. Der überwiegende Teil der heutigen Literatur von Krisnamurti besteht aus den niedergeschriebenen Gesprächen, die er mit seinen Besuchern führte. Einige seiner Vorträge sind ebenfalls in Buchform erschienen. Erst die aktuelle Präsidentin Radha Burnier, die Krishnamurti seit ihrer frühen Kindheit kannte, versöhnte die TG und Krishnamurti. 1985 besuchte Krishnamurti nach 33 Jahren wieder das Zentrum der Gesellschaft in Adyar. Seine Ideen finden unter Theosophen starken Zuspruch. Jiddu Krishnamurti starb 1986 im Alter von 90 Jahren in Ojai an einem Pankreastumor. Lehre: Krishnamurti stand mit vielen bekannten Persönlichkeiten in freundschaftlichem Kontakt. In den dreißiger Jahren lernte er Aldous Huxley kennen, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verband. Bekannt war er auch mit Jawaharlal Nehru, Indira und Rajiv Gandhi sowie vielen Wissenschaftlern wie etwa David Bohm. Ferner gründete er Schulen in den USA, Indien und Großbritannien, die heute noch existieren. Krishnamurtis Lehre geht von der Möglichkeit vollständiger „geistiger“ Freiheit aus, indem durch aufmerksame Beobachtung des eigenen Geistes und seiner Reaktionen in dem Moment, in dem diese geschehen, seine „Natur“ erkannt wird. Beziehungen zum Taoismus und zum Zen-Buddhismus (mit dessen psychologischen Aspekten sich Erich Fromm beschäftigte) sind erkennbar. Zentral für seine Lehre (die eigentlich keine ist), ist der Ausspruch „Truth is a pathless land“ (etwa: „Die Wahrheit ist ein Land ohne vorgegebene Wege“): Keine Methode, keine Religion, kein Lehrer kann zur Wahrheit führen. Jeder ist für seinen Weg selbst verantwortlich. 100 Krishnamurti brachte zum Ausdruck, dass alle menschlichen Konflikte nur Auswirkungen des inneren Zustandes derjenigen Menschen sind. Nicht an die äußere Beseitigung dieser Missstände sei zuallererst zu denken, sondern an eine Transformation des Menschen in seinem Inneren, eine radikalen Umwandlung, welche nichts zu tun habe mit einer neuen Weltanschauung oder Religion. Offensichtlich sei der Mensch konditioniert durch Traditionen und Vorurteile von Volk, Rasse, Geschlecht und anderem. Ein zentraler Punkt in der Lehre Krishnamurtis ist die Frage nach dem Ich. Krishnamurti erkennt in der Annahme der Existenz eines Ichs das eigentliche Problem: Nicht eine Ich-Stabilisierung wird bei Krishnamurti angestrebt, sondern dessen Auflösung. Das Ich, Selbst oder auch Ego ist für Krishnamurti hingegen die Ursache aller Konflikte. Unsere Lebensweise ist die unbrauchbarste, unsinnigste Art zu leben. Die Energie, die durch Konflikt, Anstrengung und Kampf entsteht, produziert Gewalt, Hysterie, neurotisches Handeln usw. Wie soll die Flamme der Liebe oder des Mitleids, der Zartheit, der Güte auf dem Schlachtfeld entstehen? Angesichts dieses deprimierenden Zustands unserer Welt appeliert Krishnamurti an die uns allen innewohnende Kraft der kreativen Intelligenz, die allein in der Lage ist, dem Illusorischen, Falschen und Destruktiven auf natürliche zwanglose Weise auf die Spur zu kommen. Er spricht davon, daß reine Achtsamkeit die Essenz des Menschen ist, daß sie nicht in den verschiedenen Zuständen, Empfindungen, Gefühlen, Impulsen und Launen liegt, die aufeinanderfolgen. Zitate: • Sein heißt: in Beziehung stehen; ohne Beziehung gibt es kein Dasein. Seiner Beziehung nicht gewahr zu werden, ist eine der Ursachen von Verwirrung. Beziehung ist eine Verschmelzung von Herauforderung und Reaktion zweier Menschen, eine Herausforderung die ich hinwerfe und auf die jemand eingehen kann oder umgekehrt. Wir sind es, die durch unsere Beziehungen untereinander die Masse, Gruppe und Gesellschaft schaffen. Beziehung ist somit das Gewahrwerden gegenseitiger Verbundenheit. • Worauf baut die Beziehung im allgemeinen auf? Wenn ich jemanden gefalle, so werde ich als Gattin, Nachbar oder Freund aufgenommen, wenn nicht, so sagen Sie sich von mir los, so spielt es sich tatsächlich ab. • Wirklich ist nur das, was man ist, was man tut, was man denkt. Glaube ist aber keineswegs wirklich, ist nur Flucht von dem eintönigen, dummen und grausamen Leben. Dazu kommt, daß er unfehlbar die Menschen trennt: Es gibt Hindus, Buddhisten, Christen, Kommunisten, Sozialisten, Kapitalisten – alles Gruppen, die zueinander in Widerstreit stehen. Der Mangel an Intelligenz, nicht der Mangel an Gottesglaube verhindert die bessere Lebensweise. • Auffassung von Konditionierung: Das Bewußtsein ist gleich seinem Inhalt. Alle Bewußtseinsinhalte wie Erfahrungen, Kenntnisse und so weiter werden durch das Denken und die innere Zeit aus der Vergangenheit durch die Gegenwart hindurch in die Zukunft um das Ich oder um die Ich-Gedanken organisiert. So ist das Ich der Träger aller Bewußtseinsinhalte. Das Ich selbst ist eine Folge des Denkens. Soll das Bewußtsein gereinigt werden, soll das Zentrum gesprengt werden, soll eine innere Explostion stattfinden, so müssen alle Bewußtseinsinhalte aus dem Bewußtsein verschwinden. Damit soll auch die gesamte Konditionierung verschwinden. Da wo es Konditionierung gibt, gibt es keine Freiheit. Popper Österreichisch-britischer Philosoph (1902 - 1994) Leben: Karl Popper wurde am 28. Juli 1902 als Sohn des Rechtsanwalts Simon Siegmund Carl Popper und Jenny Popper, geborene Schiff, in Wien geboren. Popper wuchs in einem Elternhaus auf, in dem Bücher und Musik eine wichtige Rolle spielten. 1918 verließ der 16-jährige Popper vorzeitig die Mittelschule und wurde Gasthörer an der Universität Wien. Er besuchte Vorlesungen in Mathematik, Geschichte, Psychologie, Theoretischer Physik und Philosophie. Parallel zur Lehrerausbildung schloss er 1924 eine Tischlerlehre mit dem Gesellenbrief ab. 1925 wurde er Student am Pädagogischen Institut, 1928 promovierte Popper mit der Dissertation „Die Methodenfrage der Denkpsychologie“. 1929 erwarb er die Lehrberechtigung für die Hauptschule in den Fächern 101 Neuzeit Neuzeit Insofern sich die Sätze einer Wissenschaft auf die Wirklichkeit beziehen, müssen sie falsi zierbar sein. Jede Lösung eines Problems schaft neue Probleme. Popper Mathematik und Physik. 1930 erhielt Popper eine Anstellung als Hauptschullehrer in Wien, die er bis 1935 innehatte. Dass Karl Popper begann, seine philosophischen Gedanken niederzuschreiben, war vor allem seinen Kontakten mit dem Wiener Kreis zu verdanken. 1936 reiste Popper für einige Monate nach England, die politische Lage in Österreich wurde zusehends angespannter und Popper sah den Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland kommen. In dieser Situation nahm er das Angebot einer Dozentur an der University of Canterbury in Christchurch (Neuseeland) an. 1937 kündigten Popper und seine Ehefrau ihre Lehrerstellen und gingen ins Exil. Im Winter 1944/45 erhielt Popper – vor allem durch Unterstützung von Friedrich von Hayek – das Angebot, an der London School of Economics and Political Science zu lehren, welches er annahm. Anfang Januar 1946 traf das Ehepaar in London ein, wo Popper seine Lehrtätigkeit als außerordentlicher Professor aufnahm. 1949 wurde er parallel Professor für „Logik und wissenschaftliche Methodenlehre“ an der Universität London. 1965 wurde Popper von Königin Elisabeth II. für sein Lebenswerk als Knight Bachelor zum Ritter geschlagen. 1969 wurde er emeritiert, er publizierte aber stetig weiter. 1973 102 wurde ihm der Sonning-Preis der Universität Kopenhagen verliehen, 1993 erhielt Popper die Otto-Hahn-Friedensmedaille in Gold der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) in Berlin. Karl Popper starb am 17. September 1994 in East Croydon, London, nachdem er zwei Wochen zuvor schwer erkrankt war. Lehre: Popper ist bekannt für seine Angriffe gegen die klassische positivistisch-induktivistische Sicht, der zufolge die wissenschaftliche Methode durch Verallgemeinerungsschlüsse von Beobachtungen auf wissenschaftliche Theorien gekennzeichnet ist. Er lehnte sie zugunsten eines empirischen Falsifikationsprinzips ab, wonach wissenschaftliche Theorien lediglich unsichere Spekulationen sind, die die empirische Wissenschaft durch Suche nach widersprechenden Beobachtungen umzustoßen versucht. Popper ist außerdem bekannt als Gegner des klassischen Ansatzes in der Erkenntnistheorie, dem zufolge eine Annahme auf dem Fundament einer Begründung stehen muss, damit sie vernünftig ist. Popper ersetzte ihn durch die „erste nicht begründungsorientierte Philosophie der Kritik in der Geschichte der Philosophie“: Nicht mehr die Feststellung, dass einer Behauptung die Begründung fehlt, soll genügen, damit sie verworfen werden darf, sondern es muss ein logischer Widerspruch zu den Tatsachen vorliegen. Im Bereich der politischen Philosophie ist Popper bekannt für seine Theorie der offenen Gesellschaft, in der er den Historizismus kritisierte und die Demokratie verteidigte. Die Grundauffassung von Poppers Philosophie ist die Ablehnung der Redensart „von nichts kommt nichts“ und die Einsicht, dass ein System seine eigene Existenz nicht garantieren, sie aber selbst beenden kann.Das Werk Poppers lässt sich grob in zwei Phasen unterteilen: Die erste, die von der Beschäftigung mit den Methoden empirischer Wissenschaft geprägt war; und die zweite, in der er sich mit metaphysischen Fragestellungen auseinandersetzte. Wir wissen nichts - das ist das Erste. Deshalb sollen wir sehr bescheiden sein - das ist das Zweite. Dass wir nicht behaupten zu wissen, wenn wir nicht wissen - das ist das Dritte. Das ist so ungefähr die Einstellung, die ich popularisieren möchte. Es gibt eigentlich nur zwei Staatsformen: solche, in denen es möglich ist, die Regierung ohne Blut- vergießen durch eine Abstimmung loszuwerden, und solche, in denen das nicht möglich ist. Darauf kommt es an, nicht aber darauf, wie man diese Staatsformen benennt. Gewöhnlich nennt man die erste Form „Demokratie“ und die zweite Form „Diktatur“ oder „Tyrannei.“ Da wir nicht erkennen können, was wir tun sollen, müßen wir uns damit begnügen, zu entscheiden, was wir tun wollen. Andere wieder befürchten, daß alle Werte und Normen willkürlich sind, aber Künstlichkeit hat keinesfalls völlige Willkür zur Folge. Wenn eine Gesellschaft von etwas „Schlechtem“ betroffen ist, von etwas, das wir verabscheuen – etwa Krieg, Armut, Arbeitslosigkeit –, dann muß das einer bösen Absicht entspringen, einem finsteren Plan: Jemand hat es „absichtlich“ getan; und natürlich profitiert jemand davon. Ich habe diese philosophische Annahme die „Verschwörungstheorie der Gesellschaft“ genannt. Wenn die Geschichte das Werk eines barmherzigen Gottes ist, dann kann sie es nur in einem Sinn sein, in dem der Wille Gottes für uns unbegreifbar, unfaßbar und unvorstellbar ist: Es ist für uns Menschen unmöglich, den Sinn der Geschichte zu verstehen, sie ist als das Werk Gottes zu verstehen. Was die Zukunft bringen wird, das weiß ich nicht; und denen, die es zu wissen glauben, glaube ich nicht. Die Zukunft ist offen. Sie ist nicht vorausbestimmt. Daher kann sie niemand voraussagen – außer durch Zufall. Die Möglichkeiten, die in der Zukunft liegen, gute sowohl wie schlimme, sind unabsehbar. Wenn ich sage >>Optimismus ist Pflicht<<, so schließt das nicht nur ein, daß die Zukunft offen ist, sondern auch, daß wir alle sie mitbestimmen durch das, was wir tun: Wir sind alle mitverantwortlich für das, was kommt. Wir selbst können der Geschichte einen Sinn geben und ein Ziel setzen und zwar ein menschenwürdigen Sinn und ein menschenwürdiges Ziel. Eine Gestaltung unserer sozialen Umwelt mit dem Ziel des Friedens und der Gewaltlosigkeit ist nicht nur ein Traum. Sie ist eine mögliche und, vom biologischen Standpunkt aus, offenbar eine notwendige Zielsetzung für die Menschheit. Kant zog eine Lehre aus der Geschichte des Schreckens der Französischen Revolution, diese Lehre, die nicht oft genug wiederholt werden kann, ist, daß der fanatische Glaube immer ein 103 Neuzeit Neuzeit Übel und unvermeidbar mit dem Ziel einer pluralistischen Gesellschaftsordnung ist; und das es unser Pflicht ist, uns dem Fanatismus in jeder Form zu widersetzen – auch dann, wenn seine Ziele ethisch einwandfrei sind, und vor allem auch dann, wenn seine Ziele die unseren sind. Der englischen Revolution und der religiösen Bürgerkriege müde, war England bereit, auf die Botschaft John Lockes und anderer Aufklärer zu hören, die die religiöse Toleranz verteidigten und das Prinzip, daß ein erzwungener Glaube wertlos sei; daß man die Menschen wohl in die Kirche führen, aber nicht in die Kirche schleppen dürfe. Zitate: • Der Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, erzeugt stets die Hölle. Dieser Versuch führt zu Intoleranz, zu religiösen Kriegen und zur Rettung der Seelen durch die Inquisition. • Wir müssen für die Freiheit planen und nicht für die Sicherheit, wenn auch vielleicht aus keinem anderen Grund als dem, daß nur die Freiheit die Sicherheit sichern kann. • Unser Wissen ist ein kritisches Raten, ein Netz von Hypothesen, ein Gewebe von Vermutungen. • Insofern sich dei Sätze einer Wissenschaft auf die Wirklichkeit beziehen, müssen sie falsifizierbar sein • Jede Lösung eines Problems schaft neue Probleme. • Man kann die Naturwissenschaft als die Kunst der systematischen Vereinfachung beschreiben. Sartre Französischer Philosoph und Publizist (1905 - 1980) Leben: Sartre wurde in Paris als Sohn des Marineoffiziers Jean-Baptiste Sartre geboren. Der Vater starb schon 15 Monate nach der Geburt seines Sohnes Jean-Paul an Gelbfieber, einer Tropenkrankheit. Seine junge Mutter Anne-Marie zog daraufhin zurück zu ihren Eltern. Dort wuchs Sartre unter dem Einfluss seines Großvaters Charles Schweitzer auf, eines Onkels von Albert Schweitzer. Von ihm sowie von wechselnden Privatlehrern wurde er zu Hause unterrichtet. 1917 heiratete seine Mutter wieder und zog mit ihm zu ihrem neuen Mann, nach La Rochelle. 1920 Die Hölle das sind die anderen. wurde Sartre nach Paris zurückgeschickt und besuchte nunmehr das Internat. 1923 konnte Sartre eine Novelle und einige Romankapitel in kleinen Zeitschriften unterbringen, zugleich begann er, sich für Philosophie zu interessieren. 1924 belegte er den sechsten Rang in der Aufnahmeprüfung (concours) für die ENS, die er vier Jahre besuchte. Er las viel und arbeitete regelmäßig jeden Tag von 9 bis 13 und von 15 bis 19 Uhr, was er sein ganzes Leben lang beibehielt, nahm Boxunterricht. 1928 begegnete er seiner künftigen Weggefährtin Simone de Beauvoir, legten die Rekrutierungsprüfung für das Amt als Gymnasialprofessoren ab , Sartre auf Platz 1, Beauvoir auf Platz 2. Während Beauvoir als erst 21-jährige Gymnasialprofessorin nach Marseille geschickt wurde, trat Sartre seinen Militärdienst bei den Meteorologen in Tours an. Zum Beginn des Schuljahres 1931, mit 26, wurde Sartre vom Unterrichtsministerium als Gymnasialprofessor für Philosophie nach Le Havre geschickt. 1932 reiste er mit Beauvoir in die Bretagne, nach Spanien und dem damaligen Spanisch-Marokko, was er vom kleinen Erbe der Großmutter Schweitzer bezahlte. Im Herbst 1933 ging Sartre für ein Jahr als Stipendiat an das Ins- 104 Sartre titut français in Berlin. Ab Herbst 1934 unterrichtete er wieder in Le Havre, wo er sich einsam und deplatziert fühlte und schließlich depressiv wurde. Sartres Depression verstärkte sich durch Wahn- und Panikphasen, weil er sich 1935, nachdem er eine Doktorarbeit über die Vorstellungskraft zu schreiben begonnen hatte, von einem befreundeten Arzt die Droge Meskalin hatte spritzen lassen und landete für zwei Wochen in eine Psychiatrische Klinik. 1936 beendete Sartre einen Roman, an dem er seit Berlin gearbeitet hatte (Der Ekel). Waren er und Beauvoir bisher fast hochmütig „freischwebende Intellektuelle“ gewesen, so begannen sie nun, angesichts des zunehmenden Expansionsdrangs Hitlers, sich politisch zu engagieren. Als Frankreich am 3. September 1939 Deutschland den Krieg erklärte, wurde Sartre eingezogen. Ende Juni 1940, kurz vor dem Waffenstillstand, geriet er mit seiner Einheit in Gefangenschaft, Sartre kam mit Hilfe eines Gefälligkeitsattests (Teilerblindung des rechten Auges) im März 1941 frei. Ab 1942/43 wurde Sartre im nun langsam erstarkenden Widerstand aktiv und trat dem Nationalkomitee der Schriftsteller bei. Nach der alliierten Landung in der Normandie am 6. Juni 1944 zogen er und Beau- voir es vor, Paris zu verlassen. Sie kehrten erst nach dem Beginn des Abzugs der deutschen Truppen in die Stadt zurück. In den Nachkriegsjahren war Sartre der tonangebende französische Intellektuelle: Sein Das Sein und das Nichts und der Essay Der Existentialismus ist ein Humanismus von 1946 galten als Hauptwerke der neuen, hauptsächlich von ihm geschaffenen Philosophie des Existenzialismus. Auch als Publizist war Sartre sehr aktiv. Die von ihm gegründete und herausgegebene Zeitschrift Moderne Zeiten wurde ein Forum für viele Autoren von Rang, auch politisch blieb er engagiert. In der Öffentlichkeit wurde Sartre seit 1949 immer mehr als Vordenker und Intellektueller wahrgenommen, der seine Stimme zu den großen und auch manchen kleineren Problemen der Nation erhob und der gegen Menschenrechtsverletzungen in den französischen Kolonialkriegen (Algerienkrieg, Indochinakrieg) und später auch in Vietnam (Vietnamkrieg) oder im kommunistischen Ostblock protestierte. 1964 wurde Sartre der Nobelpreis für Literatur zuerkannt, den er jedoch ablehnte. Ab 1973 war er praktisch blind und nicht mehr in der Lage zu schreiben, trotzdem versuchte er weiter präsent zu sein. Jean-Paul Sartre starb im Alter von 74 Jahren am 15. April 1980 in Paris, bei seiner Beerdigung in Paris folgten 50.000 Menschen dem Sarg. Lehre: Sartre gilt als Vordenker und Hauptvertreter des Existentialismus und als Paradefigur der französischen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Sartre sieht das Indivduum zu absoluter Freiheit verurteilt, worauf er seine Ethik des »engagement« und der politischen Verantwortung gründet. Freiheit bedeutet Verantwortlichkeit. Das Indivduum ist nur sich selbst gegenüber verantwortlich. Sartre zeigt sich als selbständiger Philosoph, er bearbeitete Themen, die ihn wiederkehrend beschäftigten: Wie ist das Ego beschaffen? Das ICH und das Psychische als Objekte. Das transzendentale Bewusstsein. Die Welt hat das ICH nicht geschaffen und das ICH hat die Welt nicht geschaffen, es sind zwei Objekte für das absolute unpersönliche Bewußtsein, durch das sie sich verbunden finden. In dem Roman Der Ekel postuliert Sartre einen Gegensatz zwischen Existenz und Sein. Die Philosophie von Die Transzendenz des Ego und Der Ekel mündet in die von Das 105 Neuzeit Neuzeit Sein und das Nichts. Sartres philosophisches Grunderlebnis der Ekel, ist keine geistige sondern eine sinnliche Erfahrung steht am Anfang. Existenz ist also nacktes, absurdes, sinnliches Dasein, reine Faktizität. Wenn der Mensch sich zum Ekel bekennt und so der Absurdität des Daseins standhält, existiert er. Sartre versteht die Existenz des Menschen vom Mitmenschen her. Erst der andere macht ihn konkret, er bannt ihn in seiner Tatsächlichkeit, er entfremdet ihn durch den Blick ständig sich selbst. Die Lebensfrage für den Menschen ist nun, wie er dieses Festgenagelt werden durch den Blick des Nächsten überwinden kann. Der Mensch hat gewonnen, der den Blick des anderen erträgt und ihn übersteigt, so daß er als Fixierter und Genichteter der Gefangenschaft entgeht. Wenn die Existenz dem Wesen vorausgeht, ist der Mensch für das, was er ist, verantwortlich. So besteht die erste Absicht des Existenzialismus darin, jeden Menschen in den Besitz seiner selbst zu bringen und ihm die totale Verantwortung für seine Existenz aufzubürden. Und wenn wir sagen, der Mensch ist für sich selbst verantwortlich, wollen wir nicht sagen, er sei verantwortlich für seine strikte Individualität, sondern für alle Menschen. Alle Zuflucht zu Gott und Religion lehnt Sartre ab. >Wir sind allein< Gott ist eine Erfindung des Menschen, der sich vor seiner eigenen Freiheit, auch vor der Sinnlosigkeit des Lebens hinter ihm verstecken will. „Der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht.“ Dieser Satz aus dem Vortrag Der Existenzialismus ist ein Humanismus fasst gewissermaßen das Credo des Existenzialismus zusammen, ebenso wie ein weiterer Satz: „Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein.“ Sartre zeichnet sich unter den Denkern der Existenz dadurch aus, daß er das Wesen des Menschen im Handeln zu sich selbst kommen lässt. Alles liegt ihm an der Aktion, am Protest, an der Freiheit am Aufbruch. Er möchte den Menschen von Bindungen lösen und aufstören, damit er zu seiner Freiheit durchdringt. Zitate: • Es gibt keine tragende Gemeinschaft jeder ist allein. • Tod ist in der Welt, weil wir Menschen töten. • Frage: Hängt der Tod mit der Tatsache zusam- men, daß wir vom Töten herkommen. Wir sterben nicht nur, wir töten auch. • Der Existenzialismus ist kein grämlicher Genuß, sondern eine humanistische Philosophie des Handelns, der Anstrengung, des Kampfes, der Solidarität. Humanität bedeutet Mitverantwotung für den Zustand der Gemeinschaft. • Was ist die Passivität: Ich bin passiv, wenn ich eine Veränderung erleide, deren Ursprung ich nicht bin, - das heißt weder der Grund noch der Schöpfer. So erträgt mein Sein eine Seinsweise, deren Quelle ich nicht bin. • Das Ideal der Aufrichtigkeit (das glauben, was man glaubt) ist wie das der Ehrlichkeit (das sein, was man ist) ein Ideal von An-sich-sein. • Die Philosophie richtet sich auf das Ganze der Wirklichkeit, das Sein selbst mit seinen Grundbestimmungen und Gesamtzusammenhängen. • Was wir wählen, ist immer das Gute, und nichts kann für uns Gut sein, wenn es nicht gut für alle ist. • Die Hölle, das sind die anderen. • Morgen werden die schwarzen Vögel kommen. • Der Mensch kann nichts wollen, wenn er nicht zunächst begriffen hat, daß er auf nichts anderes als auf sich selber zählen kann, daß er allein ist, verlassen auf der Erde inmitten seiner unendlichen Verantwortlichkeiten, ohne Hilfe noch Beistand, ohne ein anderes Ziel als das, das er sich selbst geben wird, ohne ein anderes Schicksal als das, das er sich auf dieser Erde schmieden wird. • Ein großer Teil der Sorgen besteht aus unbegründeter Furcht. • Wenn zwei Philosophen zusammentreffen, ist es am vernünftigsten, wenn sie zueinander bloß ‚Guten Morgen‘ sagen. • Wenn ihr eure Augen nicht gebraucht, um zu sehen, werdet ihr sie brauchen, um zu weinen. • Die Existenz geht der Essenz voraus • Es gibt keine menschliche Natur, da es keinen Gott gibt, um sie zu entwerfen ... der Mensch ist nichts anderes als wozu er sich macht. • Was die Menschen angeht, nicht wie sie sind, interessiert mich, sondern was sie werden können. • Drei Uhr, das ist immer zu spät oder zu früh für alles, was man machen will. 106 Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein. de Beauvoir Französische Schriftstellerin und Philosophin (1908 - 1986) Leben: Simone de Beauvoir wurde als ältere von zwei Töchtern des Ehepaares Georges und Françoise Bertrand de Beauvoir in Paris geboren. Zusammen mit ihrer zweieinhalb Jahre jüngeren Schwester Hélène besuchte sie bereits mit fünfeinhalb Jahren ein katholisches Mädcheninstitut. De Beauvoir wurde früh mit den Entbehrungen konfrontiert, die der Erste Weltkrieg den Franzosen brachte. Ihre Eltern verarmten bei Kriegsende. Im Alter von 14 Jahren verlor sei ihren bis dahin tiefen Glauben, in ihrer katholischen Schule wurde sie irgendwann durchschaut und sogar als ein Opfer des Teufels betrachtet, als sie entschloss, das Lehramt im Fach Philosophie an staatlichen, also laizistischen Gymnasien anzustreben. Ein Lehrauftrag für Psychologie, brachte ihr erste Erfahrungen als Lehrerin und einen kleinen Verdienst, den sie unter anderem dazu nutzte, heimlich Pariser Bars zu frequentieren. Nachdem sie 1928, wiederum an der Sorbonne, mit bestem Ergebnis die Licence erworben hatte, begann sie de Beauvoir mit gestärktem Selbstbewusstsein die Rekrutierungsprüfung für Gymnasialprofessoren vorzubereiten, hierzu besuchte sie die dafür angebotenen Kurse an der Sorbonne, aber auch an der École Normale Supérieure, der Elitehochschule für die Lehramtsfächer. Nach dem erfolgreichen Ablegen der Agrégation, bei der sie hinter Sartre die Rangzweite wurde, versuchte sie vergeblich, eine Stelle in Paris zu bekommen. Sie verzichtete deshalb darauf, sofort in den Schuldienst einzutreten, begnügte sich vielmehr mit Lehraufträgen an Pariser Gymnasien und mit dem Erteilen von Nachhilfestunden. Im Herbst 1931 trat sie ihren Dienst als Philosophielehrerin in Marseille an, schon im Folgejahr wurde sie nach Rouen versetzt. 1936 konnte sie nach Paris zurückkehren, um am Lycée Molière und später am Camille Sée zu unterrichten. De Beauvoir war regelmäßig Gast des Café de Flore im Pariser Stadtteil Saint-Germain-desPrés. Dort arbeitete sie, verabredete sich mit Freunden und traf hier 1943 auch Albert Camus, im selben Jahr wurde de Beauvoirs erster Roman unter dem Titel Sie kam und blieb veröffentlicht. 1945 reiste de Beauvoir nach Portugal und ebenfalls 1945 kam es zur Uraufführung ihres 107 Neuzeit Neuzeit Theaterstücks Die unnützen Mäuler, und es erschienen die ersten Ausgaben der Temps Modernes und der Roman Alle Menschen sind sterblich. 1946 lernte Simone de Beauvoir Philippe Soupault im Café de Flore kennen, er verschaffte ihr 1947 eine Vortragsreise in die USA. Zwischen 1947 und 1952 führte de Beauvoir eine Liebesbeziehung mit dem amerikanischen Schriftstelle Nelson Algren, den sie in den USA kennenlernte. Im Februar 1948 fuhr sie mit Sartre nach Berlin und nahm an der Premiere von Die Fliegen teil. Ihr Welterfolg Das andere Geschlecht erschien 1949 und machte sie zur bekanntesten Intellektuellen Frankreichs. Sie wurde von Regierungen eingeladen und reiste durch ganz Europa, nach Nord-, Mittel- und Südamerika, in den Nahen und Fernen Osten, in die UdSSR und nach China. Über ihre Reiseerfahrungen schrieb sie in Reportagen und Tagebüchern. Seit dem Sommer 1953 lebte de Beauvoir den Sommer über in Rom und nur noch die Hälfte des Jahres in Paris. De Beauvoir und Sartre trafen sich 1960 mit Che Guevara, machten mit Castro eine Rundfahrt auf der Insel und führten mehrere Gespräche. De Beauvoir, Sartre und Castro nahmen an der Beerdigung der ersten Opfer der gegen Castro gerichteten Bombensabotage teil. De Beauvoir pflegte ihren Lebensgefährten Sartre während seiner langen Krankheit bis zu seinem Tod im Jahr 1980. Simone de Beauvoir starb am 14. April 1986 und wurde auf dem Cimetière du Montparnasse in Paris neben Jean Paul Sartre begraben. Lehre: Die politisch engagierte Verfasserin zahlreicher Romane, Erzählungen, Essays und Memoiren gilt als Vertreterin des Existentialismus. Die Werke Hegels und die von Sören Kierkegaard, der den Willen über die Vernunft stellte und forderte, dass niemand in der Auseinandersetzung mit dem Menschen zu wissenschaftlich vorgehen dürfe, beeinflussten Simone de Beauvoirs Denken. De Beauvoir war immer wieder heftigen Anfeindungen ausgesetzt. Neben der zu erwartenden Kritik aus dem bürgerlich-konservativen Lager, legte sie sich auch mit der Linken an, weil sie davon überzeugt war, dass sich die Unterdrückung der Frau nicht automatisch im Kommunismus auflösen werde. Auch von Feministinnen wurde sie angegriffen. Im Zentrum der Kritik standen dabei meist ihre Beschreibungen des weiblichen Körpers und ihre „Entmystifizierung“ der Mutterschaft. Zitate: • Frauen sind als Hexen verbrannt worden, einfach weil sie schön waren. • Im Adel und im Bürgertum wird die Frau als Frau [Alternative: aufgrund ihres Geschlechtes] unterdrückt: sie führt ein Schmarotzerdasein; sie hat nichts gelernt [Alternative: ist wenig gebildet], und es bedarf außergewöhnlicher Umstände, damit sie irgendeinen konkreten Plan fassen und ausführen kann. • Wenn man uns sagt: ‚Immer schön Frau bleiben, überlasst uns nur all diese lästigen Sachen wie Macht, Ehre, Karrieren, seid zufrieden, dass ihr so seid: erdverbunden, befasst mit den menschlichen Aufgaben …‘ Wenn man uns das sagt, sollten wir auf der Hut sein! • Ich bin da, mein Herz schlägt. • Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein. • Die Harmonie zwischen zwei Menschen ist niemals gegeben. Sie muss immer wieder neu erobert werden. • Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es. • Die Darstellung der Welt ist das Werk von Männern; sie beschreiben sie aus ihrer eigenen Perspektive. Næss Norwegischer Philosoph (1912 - 2009) Leben: Arne Næss war mit 21 Jahren einer der jüngsten Magister Norwegens. Drei Jahre später promovierte er mit der Abhandlung „Erkenntnis und wissenschaftliches Verhalten“ zum Doktor der Philosophie. 1939, mit 27 Jahren, wurde er an der Universität Oslo als Professor angestellt. Arne Næss engagierte sich besonders in den Jahren 1940–55 in der Friedensbewegung. 1948/49 leitete er in Paris ein UNESCO-Projekt zum Ost-West-Konflikt. Der Philosoph hatte auch einen Namen als Bergsteiger und nahm 1950 unter anderem an der Erstbesteigung des Tirich Mir im Hindukusch teil. In Europa war Næss als Anhänger „grüner Politik“ bekannt. Seit 1970 engagierte er sich in „The Deep Ecology Movement“. Als Begründer der Tiefenökologie wurde 108 Denken für die Zukunft hießt loyal sein zur Natur. Næss Næss 1997 zum Ehrenmitglied der Umwelt- bzw. Grünen Partei Norwegens ernannt, die er mit seinen tiefenökologischen Ansätzen nicht nur dort, sondern u.a. auch in Taiwan und Chile mitgeformt hatte. Seit der Parteigründung im Jahr 1987 hatte er auf den Wahllisten der Partei zu Kommunal- und Parlamentswahlen einen Ehrenplatz. In den Jahren vor seinem Tod war Arne Næss damit beschäftigt, den Menschen seine Philosophie zu vermitteln, unter anderem durch mehrere Bucheditionen. Arne Næss lehrte unter anderem in Bali, Beijing, Berkeley, Bukarest, Kanton, Chengdu, Devon, Dubrovnik, Hangzhou, Helsinki, Hongkong, Japan, Jerusalem, London, Melbourne, Reykjavík, Santa Cruz, Taiwan, Tromsø, Vancouver und Warschau. Lehre: Næss wird zu den Begründern der Tiefenökologie („Deep Ecology“) und der so genannten Oslo-Schule gezählt. Als Philosoph gehörte er der neupositivistischen Tradition an, und zwar sowohl als deren Sprecher als auch als deren Kritiker. Neupositivismus oder Logischer Empirismus wurde zunächst als theoretisches Pro- gramm der Zwischenkriegszeit durch den so genannten Wiener Kreis geformt, mit dem Næss während seines Aufenthalts in Wien in der Mitte der 1930er Jahre Kontakt hatte. In seiner Variante erhielt der Neupositivismus teils eine wissenschaftsphilosophische sowie teils auch eine sprachphilosophische Gestalt. In seiner Doktorarbeit „Erkenntnis und wissenschaftliches Verhalten“ von 1936 versuchte Næss eine theoretische Begründung für den positivistischen Grundgedanken zu formulieren, dass lediglich eine Form der Erkenntnis der Wirklichkeit existiert, nämlich die wissenschaftliche, und dass es nur eine Form von Wissensschaffung gibt, nämlich die naturwissenschaftliche. Alle anderen Formen von Erkenntnis, traditionelle Philosophie, Kunst oder Religion verwarf er als Metaphysik. Besondere Bedeutung ist Arne Næss’ Ausarbeitung von sechs Normen für eine sachliche Diskussion beizumessen. Arne Næss prägte den Begriff Tiefenökologie in einem 1973 erschienenen Artikel, in dieser Vision nehmen wir alle die Umwelt als einen Teil von uns selbst wahr und betrach- 109 Neuzeit Neuzeit ten sie in keiner Weise als Gegenspieler der Menschheit. Seine persönliche Definition von „Tiefenökologie “ formulierte er in einem Interview 1999 wie folgt: Tiefenökologie – ich könnte sie auch „Grün“ nennen – die Grüne Bewegung ist eine Bewegung, in der man nicht nur Gutes für den Planeten im Interesse der Menschen tut, sondern auch im Interesse des Planeten selbst. Das heißt, man betrachtet den Globus als Einheit und spricht über die einzelnen Ökosysteme, man versucht, sie am Leben zu erhalten als ein Wert für sich. Das heißt, in deren eigenem Interesse, wie man Dinge für die eigenen Kinder oder für den eigenen Hund tut, ohne dabei an den Hund als ein Mittel für sein eigenes Vergnügen zu denken. Tiefenökologie geht von dem philosophischen oder religiösen Standpunkt aus, der besagt, dass alle Lebewesen wertvoll sind und somit Schutz vor der Zerstörung durch Milliarden von Menschen benötigen. Das ist einer der fundamentalen Punkte. Andererseits würde ich sagen, dass Tiefenökologie oder die Grüne Bewegung eine Bewegung von Aktivisten ist oder bedeutet, aktiv inmitten seines Freundeskreises zu sein und am eigenen Arbeitsplatz. Und, sofern man Zeit hat, an Demonstrationen teilzunehmen. Man sollte dabei versuchen, keine Gesetze zu brechen, wenn es aber absolut notwendig ist und wenn alles Bisherige ohne Ergebnis geblieben ist, dann müssen wir auch das tun. Es ergibt sich also eine ganzheitliche Betrachtungsweise, das heißt, eine Betrachtung der Natur und der Beziehung der Menschheit zur Natur, die eine grundlegende Haltung und Freude an der Natur mit dem Verhalten in der Gesellschaft für die Natur vereint. Viele Persönlichkeiten haben sich über diesen Ansatz Gedanken gemacht. Zitate: • Denke wie ein Berg • Denken für die Zukunft heißt loyal sein zur Natur Camus Französischer Schriftsteller und Philosoph (1913 - 1960) Leben: Albert Camus stammte aus einer Familie, die seit drei Generationen in Algerien ansässig war. Er hatte südfranzösische Wurzeln väter- licherseits und spanische mütterlicherseits, im Oktober 1914 starb der Vater, die Mutter zog mit Albert und seinem älteren Bruder Lucien nach Algier. 1924 erhielt Camus’ Grundschullehrer von Mutter und Großmutter die Erlaubnis, den begabten Jungen auf die Aufnahmeprüfung am Gymnasium vorzubereiten, Camus bestand die Prüfung. 1930, nach dem ersten Teil des Baccalauréat, erkrankte er an Tuberkulose, 1932 legte er den zweiten Teil seines Baccalauréats ab. Sein Traum war der Besuch der französischen Elitehochschule für die Lehramtsfächer, doch gab es in ganz Algerien keine Vorbereitungsklassen für die Zulassungsprüfung. Albert Camus begann sein Studium der Philosophie an der neu eröffneten Universität von Algier, 1932, gleich nach Beginn seines Studiums, lernte er seine spätere Frau Simone Hié kennen, sie pflegte das Image einer intellektuellen „femme fatale“ und soll sehr schön gewesen sein, über sie erlangte er auch erstmals Zugang zur Welt der algerischen Oberschicht und deren Luxusclubs. Als im Frühsommer 1936 die Volksfront die Wahlen gewann und in ganz Frankreich neue kulturelle Einrichtungen geschaffen wurden, um das Bildungsniveau der Arbeiter zu heben, gründete Camus mit anderen Linken in Algier ein Theater der Arbeit. Nebenbei absolvierte Camus sein Diplom mit einer Examensarbeit über die antiken nordafrikanischen Philosophen Plotin und Augustinus. Mit dem Abschluss dieser Arbeit begann Camus’ Entfremdung von Simone Hié, die weiterhin ein ausschweifendes Leben führte. Obwohl Camus nur von einem Hilfsjob im meteorologischen Institut von Algier lebte, schlug er 1938 einen Posten als angestellter Lehrer in einer algerischen Kleinstadt aus, vielleicht auch deshalb, weil er sich gerade mit seiner späteren zweiten Frau liiert hatte, der Mathematikstudentin und späteren Mathematiklehrerin Francine Faure. 1940 ging er nach Paris, nachdem er dort eine Stelle als Reporter bei der Zeitung Paris-Soir erhalten hatte. Kurz bevor die deutschen Truppen in Paris einmarschierten, flüchtete Camus mit der Redaktion seiner Zeitung nach Clermont-Ferrand und bald weiter nach Lyon, wo er den Waffenstillstand (22. Juni) erlebte. In der Folgezeit führte er ein unstetes Leben zwischen Frankreich und Algerien, schrieb dennoch fleißig. Der Essay Le Mythe de Sisyphe, der die Überwindung der 110 lismus. Insbesondere seine frühen Werke stehen dieser philosophischen Strömung jedoch sehr nahe. Das philosophische Werk von Camus hat aber auch einen eigenständigen Charakter. Die Camus’sche Philosophie wird daher in Abgrenzung zum Die Freiheit besteht Existentialismus oft in erster Linie nicht als „Philosophie des Absurden“ bezeichaus Privilegien, net. Dies erscheint sondern aus P ichten. gerechtfertigt, da insbesondere Camus’ Sicht der Revolte von existentialistiCamus der schen Philosophie Sinnlosigkeit der eigenen Existenz durch trotzi- abweicht, was schließlich auch zum Bruch mit ges Akzeptieren ihrer Tragik und durch Pflicht- Sartre führte. Dem Leid und dem Elend in der erfüllung zu propagieren scheint, traf bei seiner Welt ist kein Sinn abzugewinnen. Der „absurde Publikation offenbar die Stimmung im besetzten Mensch“ ist stets Atheist. Das Leid bleibt für ihn Frankreich. In den Nachkriegsjahren war er wie nicht nur sinnlos, es bleibt auch unerklärbar. Bei Sartre (mit dem ihn eine kurze Zeit lang auch ein Camus fühlt „der Mensch“ wie fremd ihm alles ist freundschaftliches Verhältnis verband) einer der und erkennt dabei die Sinnlosigkeit der Welt; so Vordenker des Existentialismus. Camus begnügte stürzt er im Verlaufe seines Strebens nach Sinn in sich nicht mit einer Literatenrolle, sondern ver- tiefste existentielle Krisen, das Absurde macht vor suchte darüber hinaus journalistisch in die Poli- niemandem halt. Für Camus besteht das Absurde tik hineinzuwirken als ein humanitärer, gemäßigt im Erkennen der Tatsache, dass das menschlilinker Pazifist, der insbesondere die Unnach- che Streben nach Sinn in einer sinnleeren Welt giebigkeit der französischen Kolonialpolitik und notwendigerweise vergeblich, aber nicht ohne die Grausamkeiten der Kolonialtruppen brand- Hoffnung bleiben muss. Um nicht verzweifelt zu markte. Seine Zeitschriftenartikel gab er ab 1950 resignieren oder in Passivität zu verfallen, proparegelmäßig auch in Sammelbänden mit dem Titel giert Camus im Sinne des Existentialismus und Actuelles heraus. Da er bemüht war, über den in Anlehnung an Friedrich Nietzsche den aktiven, Parteien zu stehen, geriet er oft zwischen die auf sich allein gestellten Menschen, der unabFronten. 1957 erhielt Camus den Literaturno- hängig von einem Gott und dessen Gnade selbstbelpreis. Am Nachmittag des 4. Januar 1960 bestimmt ein Bewusstsein neuer Möglichkeiten starb Camus bei einem Autounfall als Beifahrer, der Schicksalsüberwindung, der Auflehnung, des Camus war sofort tot. Camus hatte sich zu der Widerspruchs und der inneren Revolte entwiAutofahrt überreden lassen, obwohl er bereits ckelt. Es gibt zwar keinen „Ausweg“ aus der eine Bahnfahrkarte nach Paris gelöst hatte. absurden Situation des Menschen, dennoch kann Lehre: Camus gilt als einer der bekanntesten das Absurde überwunden werden: durch die und bedeutendsten französischen Autoren des Annahme der absurden Situation seitens des 20. Jahrhunderts. Er, der in Deutschland eher Menschen. Der Mensch gesteht sich die Absurals Philosoph denn als Literat bekannt ist, zählte dität seiner Lage ein und akzeptiert sie, anstatt sich selbst nicht zu den Vertretern des Existentia- dem Irrglauben zu erliegen, er müsse sich durch 111 Neuzeit Neuzeit Selbsttötung aus der Absurdität befreien. Vielmehr strebt er trotz allem (und auch das sei absurd) weiter, nach vorne. Der Mensch ist – ebenso wie bei anderen Vertretern des Existentialismus – ein Handelnder, ein Drängender. In dem philosophischen Essay Der Mythos des Sisyphos illustriert Camus das Glücklichsein des absurden Menschen am Beispiel der mythologischen Figur, die dazu verdammt ist, einen Stein immer wieder von neuem auf einen Berg zu wälzen. Dennoch löst sich der Widerspruch des Absurden durch diese „permanente Revolte“ nie ganz auf. Die Revolte ist notwendig, führt aber letztlich nie zum Ziel. Es ist in gewisser Hinsicht ein ewiges Aufstehen mit einem „höhnischen Trotzdem“, mit dem der absurde Mensch den Tag aufs Neue beginnt. Dieser Prozess selbst ist endlos. Nach Camus sind die zwischenmenschlichen Beziehungen für sich betrachtet ebenso absurd wie die Situation des Menschen, der sich alleine der Natur gegenübersieht, die ihn allumfassend umgibt. In Die Pest reicht die Revolte allein nun nicht mehr zur Sinngebung des Menschen aus. In ihrer scheinbar hoffnungslosen Situation und ihrem aussichtslosen Kampf dagegen finden die Menschen zur gegenseitigen Solidarität, zu Freundschaft und Liebe. Ohne im Daseinskampf gewonnene Werte ergibt die Revolte keinen Sinn. Aber diese Werte müssen sich auf das richten, was wirklich existiert: auf die Menschen selbst. Was der Mensch braucht, ist „menschliche Wärme“. Camus wandte sich in seinen Reden und Schriften gegen alle autoritären Staatsformen, insbesondere gegen den stalinistischen Sozialismus. Zitate: • Die wahre Großzügigkeit gegenüber der Zukunft besteht darin, alles der Gegenwart zu geben. • Von einem bestimmten Alter an ist jeder Mensch für sein Gesicht verantwortlich. • Das Absurde hat nur insofern einen Sinn, als man sich nicht mit ihm abfindet. • Die Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten. • Ein Mensch ist immer das Opfer seiner Wahrheiten. • Jede einem Menschen zugefügte Beleidigung, gleichgültig welcher Rasse er angehört, ist eine Herabwürdigung der ganzen Menschheit. • Charme ist die Art, wie ein Mensch „ja“ sagt, ohne dass ihm eine bestimmte Frage gestellt worden war. • Das menschliche Herz hat eine fatale Neigung, nur etwas Niederschmetterndes Schicksal zu nennen. • Das Leben lässt sich einfacher Leben, wenn es keinen Sinn hat. Sloterdijk Deutscher Philosoph und Kulturwissenschaftler (1947) Leben: Peter Sloterdijks Geburt war aufgrund einer Rhesus-Inkompatibilität „kompliziert“, und auf die schwierige Geburt folgte eine „schwere Gelbsucht“. Seine Mutter, eine Deutsche, lernte seinen Vater, einen Niederländer, in den Nachkriegswirren kennen, die Ehe hielt nicht lange, wuchs bei seiner Mutter auf. Von 1968 bis 1974 studierte er in München und an der Universität Hamburg Philosophie, Geschichte und Germanistik. Bereits 1971 erstellte Sloterdijk seine Magisterarbeit, im Jahr 1976 folgte die Doktorarbeit. Zwischen 1978 und 1980 hielt sich Sloterdijk im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh (später Osho) im indischen Pune auf; er beschreibt die Umstimmungserfahrung, die er dort erlebt hat, als eine „irreversible“, ohne die seine Schriftstellerei nicht zu denken wäre. Seit den 1980er Jahren war Sloterdijk freier Schriftsteller. Im Jahr 1988 übernahm er eine Gastdozentur am Lehrstuhl für Poetik der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Von 1992 bis 1993 hatte er den Lehrstuhl für Philosophie und Ästhetik an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe inne. Zudem wurde Sloterdijk 1993 Leiter des Institutes für Kulturphilosophie an der Akademie der bildenden Künste in Wien, bis er schließlich 2001 eine Vertragsprofessur am Ordinariat für Kulturphilosophie und Medientheorie in Wien übernahm. Seit 2001 ist Sloterdijk Rektor der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe sowie dort Professor für Philosophie und Ästhetik. Im Zuge seiner regen Vortragstätigkeit im In- und Ausland erhöhte sich sein Bekanntheitsgrad. Von 2002 bis 2012 moderierte er – zusammen mit Rüdiger Safranski – die Gesprächsrunde Das Philosophische Quartett im ZDF. Peter Sloterdijk ist beisitzendes Mitglied im 2008 gegründeten Frankfurter Zukunftsrat. 112 Interreligiöse Dialoge wären nur ergebnisreich, wenn in ihrem Gefolge jede organisierte Religion vor der eigenen apokalyptischen Haustür kehrte. Lehre: Der Durchbruch als philosophischer Autor gelang Sloterdijk mit der Kritik der zynischen Vernunft aus dem Jahr 1983. Die Regeln für den Menschenpark erregten 1999 eine heftige öffentliche Debatte. Sloterdijks kulturkritisch-essayistisches Denken hat seinen Ursprung in der Frankfurter Schule, von der er sich später jedoch dezidiert abgrenzte; er assimiliert das dazu antipodische Werk Heideggers, um gegenwärtig die Traditionen Nietzsches und Hegels zu aktualisieren. Im Essay Gottes Eifer von 2007 vergleicht Sloterdijk die drei großen monotheistischen Religionen: Judentum, Christentum und Islam. Dabei führt der Autor sie auf ihre abrahamitischen Wurzeln zurück und beschreibt, was sie voneinander trennt und worin sich die Glaubensinhalte unterscheiden. Sloterdijk kommt nun zu der Annahme, dass die große Gemeinsamkeit der drei Religionen die „eifernde“ und „einwertige“ Ausprägung ihres Anspruchs auf die Gotteswahrheit sei. In der Gegenwart seien die drei Religionen aufgefordert, so demonstriert Sloterdijk anhand einer Neuinterpretation von Lessings Ringparabel, von Eifererkollektiven zu Parteien einer Zivilgesellschaft zu werden. Interreligiöse Dialoge wären nur ergebnisreich, wenn in ihrem Gefolge jede organisierte Religion vor der eigenen apokalyptischen Haustür kehrte. Dabei werden die Gemäßigten die Beobachtung machen, das ihre jeweiligen Eiferer und End- zeitkrieger in der Regel nur flüchtig angelernte Aktivisten sind, bei denen der Zorn, das Ressentiment, die Ambition und die Suche nach Empörungsgründen dem Glauben vorhergehen. Der religiöse Code dient ausschließlich zur Vertextung einer sozial bedingten, existentiellen Wutspannung, die auf Abreaktion drängt. Globalisierung heißt: Die Kulturen zivilisieren Sloterdijk sich gegenseitig. Das Jüngste Gericht mündet in die alltägliche Arbeit. Die Offenbarung wird zum Umweltbericht und zum Protokoll über die Lage der Menschenrechte. Damit kommt er auf das Leitmotiv dieser Überlegungen zurück, das im Ethos der allgemeinen Kulturwissenschaft gründet. Er wiederholt es wie ein Credo und wünsche ihm die Kraft, sich mit Feuerzungen auszubreiten: Der zivilisatorische Weg ist allein noch offen. Der Begriff „Offenbarung“ selbst macht diese Verführung deutlich, da er eine Aussage über den Stand der menschlichen Geistigkeit enthält: Diese muß eine angemessene hohe Entwicklung aufweisen, um von einer Offenbarung monotheistischen Stils ansprechbar zu sein, jedoch sich noch in einem hinreichend unentwickelten Zustand befinden, um einer Nachhilfe von oben zu bedürfen. Der Terminus Offenbarung impliziert folglich eine Beschleunigung der Erkenntnis auf eine absolute Geschwindigkeit. Er postuliert die Synchronisierung der menschlichen Einsicht mit der transrapiden Intelligenz Gottes. Zitate: • Das latente Thema des Humanismus ist die Entwilderung des Menschen, und seine These lautet: Richtige Lektüre macht zahm. • Zum Credo des Humanismus gehört die Überzeugung, das Menschen >> Tiere unter Einfluß << sind und daß es deswegen unerläßlich sei, ihnen die richtige Art von Beeinflussung zukommen zu lassen. 113