geburt als sexuelle erfahrung - Babypartner™ Wunderwelt für Babys

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GEBURT ALS SEXUELLE ERFAHRUNG
Die Geburt eines Babys ist nicht nur Höhepunkt und Abschluß der Schwangerschaft.
Sie ist für die jungen Eltern der Beginn völlig neuer, turbulenter Ereignisse, auf die sie oft nur
unzureichend vorbereitet sind. Vor allem wenn es um die Sexualität geht, die Liebe zwischen
Mann und Frau, die nun Vater und Mutter geworden sind.
Junge Frauen, die vor und während der Schwangerschaft die Liebe voll Lust erlebt haben,
spüren jetzt erschrocken, daß sie kein Verlangen haben, mit ihrem Mann zu schlafen.
Und sie fragen sich, warum das so ist. Sie fürchten, es könnte nun vorbei sein mit der vorher
so innigen Liebesbeziehung. Doch diese Sorge ist unbegründet. Wer die Zusammenhänge
zwischen Geburt und Sexualität begreift, kann verstehen, daß die Liebe junger Eltern anders
sein muß, als sie es vor der Geburt des Kindes war.
Auch wenn es uns nicht bewußt ist – Lieben und Gebären – ist im Grunde ein und dasselbe
Ereignis.
Der französische Arzt und Geburtshelfer Frederick Leboyer sagt:
„Die Geburt ist ein Liebesakt von ungeheurer Intensität, der Höhepunkt der Liebe.“
Dieser Gedanke ist uns vielleicht noch ungewohnt; doch erinnern wir uns: Pubertät, Eisprung,
Menstruation – alle diese Vorgänge sind eng mit unserer Sexualität verbunden.
Dieselben Körperteile, dieselben Organe, die beim Liebesakt im Spiel sind, sind auch beim
Gebären beteiligt. Die hormonellen Vorgänge sind ähnlich. Der Rhythmus der Geburt und die
Kontraktionen der Gebärmutter, alles steuert auf den Höhepunkt zu. In der Durchtrittsphase
des Kopfes durch die Scheide, dem Höhepunkt der Geburt, konzentriert sich die Gebärende
mit äußerster Kraft, verliert sie das Gefühl für ihre Umwelt, schaltet sie total ab – so wie bei
der Liebe, wenn der Orgasmus nahe ist. Auch beim Lieben hat die Frau oft den gleichen
Ausdruck des Schmerzes und der Anstrengung wie bei der Geburt.
Es ist also nicht verwunderlich, daß sich die Erlebnisse bei der Geburt auch auf die Sexualität
auswirken. Nicht wenige Frauen lernen sich selbst und ihren Körper erst durch die
Schwangerschaft und Geburt richtig kennen und finden dadurch zu einer glücklicheren
Sexualität. Doch das braucht seine Zeit, das stellt sich nicht automatisch ein. Im Gegenteil, in
den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt sind die Frauen oftmals alles andere als
glücklich. Ein Phänomen, das erfahrenen Müttern, Sexualtherapeutinnen und ÄrztInnen
bekannt ist.
DIE POSTNATALE KRISE
Diese Zeit wird auch Wochenbettdepression genannt oder einfach „Heultage“. Die junge
Mutter muß sich damit auseinandersetzen, daß sie nicht mehr die gleiche Frau ist, die sie vor
der Schwangerschaft und Geburt war. Oft kann sie sich nur schwer mit ihrem veränderten
Körper anfreunden: „Mein Bauch ist noch faltig, die Brust „tropft“, die Haare gehen
büschelweise aus, wie soll mein Mann mich da reizvoll finden?“. Es erfolgt also eine starke
Konzentration auf das Baby, selbst die Wohnung hat sich verändert, ist voll mit Windeln,
Fläschchen, Babywäsche. Mutter und Kind sind pausenlos miteinander beschäftigt.
KEINE LUST MEHR AN DER LIEBE NACH DER GEBURT
Viele Frauen wollen in diesen Tagen und Wochen von ihrem Mann nicht einmal angefaßt
werden, wollen nicht mit ihrem Mann schlafen, sie haben aber ein starkes Bedürfnis nach
Zärtlichkeit, nach Nähe.
Vor dem eigentlichen Geschlechtsverkehr hat manche junge Mutter noch Angst, weil der
Dammschnitt vielleicht noch weh tut, die Scheide sich, insbesondere während der Stillzeit,
trocken anfühlt. Da ist außerdem die Angst, wieder schwanger zu werden, Angst, daß jeden
Moment das Baby schreit, erbricht oder die Windeln voll hat.
Nichts ist der Liebeslust mehr im Weg als das ständige ängstliche Lauschen auf das Baby.
Erfahrene Geburtshelfer wissen, daß eine Schwangerschaft nicht nur aus 3 Dritteln besteht,
sondern noch ein „viertes Drittel“ hat. Eine Übergangsperiode von etwa 3 Monaten, die
besonders nach dem ersten Kind sehr stark ausgeprägt ist. Zu keinem anderen Zeitpunkt ist
eine junge Mutter so verletzlich, so leicht aus dem seelischen Gleichgewicht zu bringen. Der
Geburtsverlauf kann im übrigen die erste Zeit nach der Entbindung entscheidend
beeinflussen.
„Frauen, die eine angstfreie, schmerzarme und beglückende Geburt erlebt haben, behutsam
geführt von den Hebammen und dem geburtshiflichen Team im Krankenhaus, können sich
mir ihrem Körper positiv auseinandersetzen. Die Geburt kann dann etwas elementar sinnlich
befreiendes sein. Da wird gleichsam ein Tor aufgestoßen, Gefühle können intensiviert
werden. Je natürlicher der Geburtsverlauf ist, je mehr man den Mutter-Kind-Kontakt fördert,
desto mehr kann die Frau für sich und das Baby an Sicherheit gewinnen.
Die postnatale Krise tritt kaum auf oder wird rasch überwunden.
Die Lust am Sex nimmt schnell wieder zu, die körperliche Liebe wird unkomplizierter und
lustvoller.
Frauen, die die Geburt traumatisch erleben, haben meist auch länger anhaltende
Wochenbettdepressionen: sie brauchen einfach länger, um wieder eine positive Einstellung zu
ihrem Körper und seinen Möglichkeiten zu bekommen.
Nur in sehr seltenen Fällen bleiben die Probleme auch wenn organisch längst alles in Ordnung
ist. Das hat dann tiefere Ursachen, die schon vor der Schwangerschaft da waren. Solche
länger anhaltenden Sexualstörungen können nur psychotherapeutisch geheilt werden. Die
hängen,
wie
gesagt,
nicht
mit
der
Geburt
zusammen.
Die
üblichen
Wochenbettschwierigkeiten sind normalerweise spätestens nach einigen Monaten verflogen.
DIE ENGE VATER-KIND-BEZIEHUNG
Wenn der Partner bzw. Ehemann mit Überzeugung dabei war, ist er viel verständnisvoller für
die Schwierigkeiten der ersten Wochen. Die Männer, die bei der Geburt anwesend waren,
sind in aller Regel Frauen gegenüber rücksichtsvoller.
Durch die Beschäftigung mit dem Baby schon unmittelbar nach der Geburt ist die VaterKind-Beziehung so eng, daß die typischen Eifersuchtsgefühle auf die Frau nur in sehr
geringem Maße oder überhaupt nicht auftreten.
DIE NEUE, SCHÖNE INNIGKEIT
Kein Zweifel, daß sich durch die Schwangerschaft und Geburt vieles verändert. Die neue Uhr
im Leben des jungen Paares ist das Kind. Und das eröffnet den Eltern völlig neue
Perspektiven.
Viele Frauen, die sich vor der Geburt eher „kantiger“ und spröde fanden, empfinden sich nach
der Entbindung viel weicher, zärtlichkeitsbedürftiger. Und vor allem sie und oft auch der
Mann lernen durch ihr Baby erst so richtig zärtlich zueinander zu sein und zu schmusen.
So zärtlich und behutsam wie man mit einem Baby umgeht, will meist auch die Frau in den
ersten Wochen nach der Geburt geliebt werden. Vor allem , wenn der Dammschnitt noch weh
tut, beim Verkehr noch schmerzhafte Gefühle in der Scheide entstehen oder wenn die
Scheide in der ersten Zeit noch trocken ist. Der Mann sollte die Frau behutsam an der
Klitoris streicheln und zwar vor allem an deren unteren Teil. Es ist schön, wenn er
zwischendurch immer wieder ihren Bauch, die Schenkel, den Rücken sanft massiert.
Da eine Frau nach der Geburt die „normale“ Stellung noch unangenehm findet, kann das Paar
jetzt noch andere Stellungen suchen, die keinen so starken Druck auf die Brüste und den
Bauch der Frau ausüben. Wenn beispielsweise der Mann über seiner Frau kniet und sich dabei
auf den Ellenbogen abstützt oder sie die Seitenlage wählen, ist das für die Frau viel schöner.
Für viele Paare, die sich immer eher temperamentvoll und „wild“ geliebt haben, ist diese
sanfte Sexualität eine wunderschöne Entdeckung.
Schwierig wird es vielleicht, genügend ungestörte Zeit zum Lieben zu finden. Das Baby
verlangt ja rund um die Uhr Aufmerksamkeit.
Und das ist wohl das schönste an der neuen Dreiecksbeziehung: beide, Mann und Frau,
müssen das Gefühl haben, daß sie im Herzen des anderen an erster Stelle stehen; daß sie sich
durch die Geburt ihres Kindes besser verstehen als je zuvor.
Sterzing, Oktober 1997
Dr. Albin Thöni
Gynäkologie und Geburtshilfe
Krankenhaus Sterzing Südtirol
St. Margarethenstr. 24; 39049 Sterzing/ Italien
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