Rechtsgrundlagen - Wildwasser Magdeburg eV

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Fortbildungsreihe
Schutz von Kindern und Jugendlichen
vor sexualisierter Gewalt
FOLIENSATZ TEIL2
14.04.+15.04.+16.06.+17.06.2015
9.00 – 16.00 Uhr
Referentin: Ines Hattermann
Erwachsenenbildnerin M.A. - Dipl.Heilpäd. (FH)
Fortbildungsfachkraft/Traumafachberaterin/Mediatorin
Leiterin der Beratungsstelle Wildwasser Magdeburg e.V.
(traumazentrierte Fach-)Beratung – Prävention – Öffentlichkeits- & Netzwerkarbeit
FoBi-Plan – Themen
14.04.2015
Begrüßung, Organisatorisches
Sensibilisierung zu Sexualisierter Gewalt –
Zahlen, Daten, Hintergründe
15.04.2015
Folgen von Gewalt - Psychotraumatologie
16.06.2015
Intervention & Vorstellung des regionalen
Hilfenetzes
17.06.2015
Prävention
Verdacht oder Vermutung?
Die Abklärung eines Verdachts ist einzig und allein die Aufgabe
von Strafverfolgungsbehörden.
(Zartbitter e.V. 2007)
Bei einer Vermutung auf sexualisierte Gewalt, kann ich
nur kompetent helfen, wenn ich...
… mir meiner eigenen Gefühle bezüglich dieses Verdachtes
bewusst bin.
… im Kontakt mit Gesprächspersonen bin, die eine gemeinsame
Strategie entwickeln können (Team/Hilfekonferenz).
… meine eigenen Erfahrungen mit sexueller Gewalt aufgearbeitet
habe und damit umgehen kann.
… bereit und in der Lage bin, einen Teil der Verantwortung für
Entscheidungen und Maßnahmen zu übernehmen.
Was bedeutet Aufdeckung?
(Bange 2011)
• unbestimmter Begriff - Bekanntwerden bei Behörden
oder Erzählen einer Freundin?
• „Aufdeckung“ bezeichnet eher ein punktuelles
Geschehen, wobei das Aufdecken eines Missbrauchs
immer ein Prozess ist.
• Aufdeckung bezieht sich nicht nur auf Äußerungen des
Kindes, sondern auch auf Verhaltensweisen.
• Formen:
 absichtliche Offenlegung durch das Kind
 forcierte Aufdeckung durch Befragung des Kindes
 zufällige Aufdeckung durch Beobachtung Dritter
Welche Faktoren beeinflussen die
Aufdeckung?
(Bange 2011)
•
Nähe zum Täter/ zur Täterin (innerfamilial seltener)
•
Angst vor Konsequenzen (Strafen, Schutzhaltung gegenüber der Mutter)
•
Erwartete Reaktion der Eltern (Glauben, Strafen, etc.)
•
Starke Verantwortungsübernahme - insb. bei älteren Kindern,
ausgeprägte Scham- und Schuldgefühle
•
Andere Formen der KWG (bei Vorliegen von bspw. zusätzlich körperlicher
Gewalt höhere Aufdeckungsrate)
•
Fragen durch Professionelle erhöht Aufdeckungsrate (z.B. durch KSFK
oder Polizei)
•
Jungen sprechen seltener als Mädchen darüber und weniger detailliert
•
Kinder mit Behinderung decken seltener als nichtbehinderte Kinder auf
•
Kinder mit Migrationshintergrund seltener (Sprachbarriere, Isolation)
Leitsatz der Intervention
„Wenn man schnell helfen will,
muss man es ertragen langsam zu gehen.“
(Tillmann Fürmiss)
Handlungsorientierung
Bleiben Sie ruhig!
Machen Sie dem Kind keine Vorwürfe!
Stellen Sie keine bohrenden Fragen!
Glauben Sie dem Kind!
Sagen Sie ihm, dass es keine Schuld hat!
Schreiben Sie sich die Aussagen des Kindes wörtlich auf!
Entscheiden Sie nichts ohne Einbezug des Kindes
entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand!
Versprechen Sie nichts, was Sie nicht halten können!
Holen Sie sich fachliche Beratung!
Grundsätze unserer Arbeit
•
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•
Parteilichkeit
anonyme, kostenlose Beratung
Schweigepflicht
Die Verantwortung für die Tat liegt beim Täter/der Täterin.
Eigenverantwortlichkeit
Enttabuisierung
Stärkung der Mütter
Schutz vor Sekundärschäden
Ganzheitlichkeit
Sexuelle Gewalt ist im Kontext gesellschaftlicher
Strukturen und geschlechtsspezifischer Sozialisation zu
betrachten.
in Anlehnung an: Garbe. 2005
Was? Wer? Wann?
Mädchen/Junge
1. Ebene
Beratungsstelle
Verdacht? offen gelegte sexuelle Gewalt? Aktuelle Gefährdung?
Täter im
System
Täter außerhalb
des Systems
erst Krisenintervention, dann
Eröffnung
erst Eröffnung, dann
Krisenintervention
-alters- und belastungsgerechtes
Einbeziehen des Kindes
- keine Einbeziehung des Systems
2. Ebene
3. Ebene
-alters- und belastungsgerechtes
Einbeziehen des Kindes
- Einbeziehung des Bezugssystems
Teamkonferenz
+/- Liste / Verobjektivierung / erhärteter Verdacht? / aktuelle Kindeswohlgefährdung?
Jugendamt ASD
Informationsbewertung / erhärteter Verdacht? /
aktuelle Kindeswohlgefährdung
HelferInnenkonferenz
Und was heißt das jetzt für uns?
Methoden der Intervention
Instrumente des Kinderschutzes
Methode: Kollegiale Fallberatung
1.
2.
3.
4.
(Hartwig & Hensen 2003)
Fallvorstellung
Was sind die Fakten?
Was sind erste Gefühle, Bilder, Assoziationen?
Welche Handlungsvorschläge gibt es?
Methode: Fallberatung nach § 8a SGB VIII
Ziel:
Kollegiale Fallberatung unter Hinzuziehen einer
„insofern erfahrenen Fachkraft“ nach § 8a SGB VIII
Methode: Konzeptionelle Handlungsanleitungen
Ziel:
Erstellung und Verwendung von standardisierten,
institutionsbezogenen Handlungskonzepten als
Qualitätskriterium.
Instrumente des Kinderschutzes
(Hartwig & Hensen 2003)
Methode: Hilfekonferenz/Fachteam
Ziel:
Informationsaustausch in einem multiprofessionellen
Team mit allen beteiligten Helfer_innen zur
Erarbeitung von Handlungsschritten.
Methode: Fachberatung
Ziel:
Fallgebundene, themenspezifische Fachberatung
außerhalb der Institution durch Praktiker_innen.
Mit Recht für den Schutz
Rechtsgrundlagen
Rechtsgrundlagen
Schutzalter 14 Jahre
§ 176,176a,176 b StGB
Sexueller Missbrauch
von Kindern
Schutzalter 16 Jahre
§ 174 Abs. 1 StGB
Sexueller Missbrauch
von Schutzbefohlenen
Schutzalter 18 Jahre
§ 174 Abs 1 Nr. 2 StGB
Missbrauch eines
Abhängigkeitsverhältnisses
Rechtsgrundlagen
Muss ich sexuelle Gewalt anzeigen?
Es besteht keine Pflicht zur Anzeige gemäß § 138 StGB. Straftaten
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach §§ 174-184 StGB sind
Offizialdelikte, d.h. es besteht ein öffentliches Strafverfolgungsinteresse, so dass Ermittlungsbehörden in Form der Kripo und
Staatsanwaltschaft verpflichtet sind ggf. auch gegen den Willen der
Betroffenen zu ermitteln.
Mache ich mich strafbar, wenn ich nicht anzeige?
Ja und Nein. Sie müssen nicht anzeigen, unterliegen aber in Ihrer
pädagogischen Funktion der Sorgfalts-, Betreuungs- und
Aufsichtspflicht Ihrer Einrichtung. Sie sind dem Kindeswohl § 8a
SGB VIII und Ihrem persönlichen Gewissen verpflichtet.
Rechtsgrundlagen
(BKE 1997, S.41)
Schweigepflicht
„Wenn und solange der Schutz im Rahmen der angebotenen Hilfe
gegeben ist, ergibt sich für BeraterInnen keine Befugnis zur
Offenbarung von Privatgeheimnissen“.
 § 203 Abs.1 Nr. 4 StGB
„Wenn der Schutz des Kindes jedoch trotz der Hilfe nicht
sichergestellt ist, ergibt sich rechtlich die Befugnis – und zugleich
fachlich die Verpflichtung – zur Offenbarung“, zur Anzeige
 § 8a SGB VIII Mitwirkung bei Kindeswohlgefährdung.
Rechtsgrundlagen
Äußere rechtliche Sicherheit:
• § 1666 BGB – Kindeswohlgefährdung und Möglichkeit zum
Entzug der elterlichen Sorge
• § 1361 BGB – „Go-Order“
• § 8a SGB VIII Schutzauftrag des JA & der Einrichtungen der KJH
• §§ 27- 41 SGB VIII - Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe für
seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge
Volljährige
• § 36 SGB VIII – HerlferInnenkonferenz
• § 42 SGB VIII – Inobhutnahme
• § 43 SGB VIII – Herausnahme des Kindes ohne Zustimmung der
Sorgeberechtigten
Rechtsgrundlagen
Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG
 frühe Hilfen und verlässliche Netzwerke
 mehr Handlungs- und Rechtssicherheit
 verbindliche Standards
 belastbare statistische Daten
Artikelgesetz:
Art. 1
Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG)
Art. 2
Änderungen im SGB VIII
Art. 3
Änderungen in anderen Gesetzen (SGB IX,
Schwangerschaftskonfliktgesetz)
Art. 4
Evaluation (bis 31.12.2015)
Art. 5
Bekanntmachungserlaubnis
Art. 6
Inkrafttreten zum 01.01.2012
(BMFSFJ. Bundeskinderschutzgesetz in Kürze. 06.03.2012. www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung5/Pdf-Anlagen/bundeskinderschutzgesetz-inkuerze,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true. letzter Zugriff 09.10.2012)
•
•
•
•
•
Unterstützung im Hilfesystem
- das Strafverfahren dient der Strafverfolgung & dem Schutz der
Bevölkerung
keine klassische Form des Kinder-/Opferschutzes
Betroffene = Zeug_innen/“Beweismaterial“
Ziel des Strafverfahrens: die zweifelsfreie Aufklärung
& angemessene Bestrafung von Straftaten
Unschuldsvermutung d.h. jede/r ist solange
unschuldig bis seine/ihre Schuld bewiesen ist, nicht
umgekehrt – Betroffene „müssen“ beweisen, dass
Taten stattgefunden haben
Unterstützung im Hilfesystem
- Nebenklage & Zeug_innenbegleitung• Opfer/Betroffene von sexuellem Missbrauch (oder anderen
Gewalttaten) sind im Strafverfahren nur Zeug_innen, keine
Ankläger_innen
• sie haben das Recht auf eine/n Anwalt/in = Nebenklage
• Durch die Nebenklagevertretung haben sie mehr Rechte als nur
als Zeug_in u.a. Akteneinsicht, Anträge stellen auf Ausschluss der
Öffentlichkeit, Aussage ohne Beschuldigte/m etc.
• Zeugenbegleiter_innen (u.a. durch den sozialen Dienst der Justiz)
können auf das Verfahren vorbereiten, Informationen über Räume
& Richter_in haben, Gerichtsbesuch im Vorfeld organisieren u.ä.
• Keine Aussagenplanung oder gar -übung!
• Begleitung direkt während der Aussage, auch wenn die
Öffentlichkeit ausgeschlossen wird z.B. setzt sich Begleiter_in
direkt ins Blickfeld zwischen Angeklagter/m & Zeug_in
(modifziert nach Romer & Saha, 2004, S. 279)
Unterstützung im Hilfesystem
- Welche Institutionen können beteiligt werden? Institutionen der Jugendhilfe (ambulant & stationär)
z.B. Jugendämter, Kinderheime, SPFH, Erziehungsberatung…
Pädagogische und Bildungsinstitutionen
z.B. Schulen, Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen
Institutionen des Gesundheitswesens
z.B. Kinderkrankenhäuser, kinder- und jugendpsychiatrische Krankenhäuser,
Sozialstationen, Gynäkologie
Juristische Institutionen
z.B. Polizei, Gerichte ( Zeug_innenschutz)
Ambulante Beratungsinstitutionen, Therpeut_innen
z.B. Erziehungsberatungsstellen, Kinderschutzzentren
Wer gehört u.a. zum Hilfenetz in Magdeburg?
Quelle: LKA SA. 2001
Kinder- & Jugendnotdienst
Zeug_innenbetreuung
Amt für Versorgung &
Miteinander gegen
Soziales
rechte Gewalt e.V.
Sozialer Dienst der Justiz
Kinderschutzbund
Interventionsstelle
Rechtsanwält_innen
Frauenhaus
Polizei und FK
Weisser Ring
LIKO
Justiz
Vera e.V.
PRO Mann
…
KOBES e.V.
Wildwasser Magdeburg e.V.
Hilfreiche Strategien im Umgang
Wie können Bezugspersonen sexuell missbrauchten
und traumatisierten Kindern und Jugendlichen helfen?
(Zartbitter Köln 2004)
Kinder und Jugendliche können sich ihren Bezugspersonen leichter
anvertrauen, wenn diese …
- ihnen glauben und zu ihnen halten
- wissen, mit welchen Handlungen
Täter(innen) Kinder missbrauchen
- über Täterstrategien informiert sind und wissen, wie Täter(innen) ihre Opfer
täuschen und ihnen Angst machen
- ihr Misstrauen akzeptieren
- nicht mit Verboten und Strafen
reagieren
- keine Angst vor den Täter(innen) haben
- mit ihnen zusammen überlegen, wie
man sie schützen kann
ruhig und sachlich reagieren
über sexuellen Missbrauch sprechen
können
sie nicht ausfragen
sie nicht auf die Rolle des „armen,
kranken Missbrauchsopfers“ reduzieren
mit ihnen Spaß haben und gern
schöne Dinge machen
stark genug sind, um nicht alles zu
erlauben und auch Grenzen zu setzen
sie ernst nehmen und nicht immer
meinen, besser zu wissen als sie
selbst, was für sie das Beste ist
Hilfreiche Strategien im Umgang
Empfehlungen für die Arbeit mit traumatisierten Kindern
(Huber 2005)
 Kinder verfügen über ein angeborenes „Bindungssystem“
(Erwachsene
verfügen über ein korrespondierendes Bindungssystem)
In seinen Beziehungen sucht das Kind/der Säugling
- Nähe zum Bindungsobjekt (auch Kinder, die vernachlässigt/misshandelt werden)
- Sicherheit (Kinder wenden sich auch bei Bedrohung an das Bindungsobjekt)
- inneres Arbeitsmodell zwischen dem Selbst und Bezugspersonen
(bestimmt Empathiefähigkeit und Beziehungsverhalten)
 Folgen früher Misshandlung:
- Bindungs- und Verteidigungssystem werden gleichzeitig aktiviert
(das Kind hat Angst vor der selben Person, mit der es sich binden muss  unsichere bzw.
desorganisierte Bindungen sind die Folgen)
Unser Glück und Unglück
hängt von unseren menschlichen Beziehungen ab.
(Ricarda Huch)
Hilfreiche Strategien im Umgang
Empfehlungen für die Arbeit mit traumatisierten Kindern
(Huber 2005)
 Was ist hilfreich?
- korrigierende soziale Instanzen
- sicheres Bindungsangebot: klares Setting, Grenzen setzen,
freundliches Annehmen
- äußere Sicherheit herstellen
- emotionale Aufrichtigkeit und Verlässlichkeit
- Feinfühligkeit und Rapport
Schmerz hilft und Hilfe schmerzt!
Überlebende aus Misshandlungsfamilien lernen, dass Schmerz hilft, während
externe Hilfe ihnen „neue, unerwartete Schmerzen zufügt“. Positives ist unbekannt und macht gleichzeitig den bis jetzt vorherrschenden Mangel sicht- und
spürbar. Außerdem löst Schönes so wiederum Schmerz aus  Koppelung.
(Gahleitner 2005)
Wie kann Traumabewältigung gelingen ?
- 3 Phasen-Modell • Stabilisierung und Ressourcenerschließung
- Aufbau von Vertrauen und Selbstvertrauen
- Entwicklung einer größeren Selbstakzeptanz
- Erlernen von Techniken zur Selbstberuhigung und zum Dissoziationsstopp
- Entdecken von Alternativen zu SVV
- Zuwendung zu angenehmen Aktivitäten
Methoden: u.a. Imaginationsübungen nach Reddemann & Sachsse (1997)
• Traumadurcharbeitung/Exploration
• Integration/Neuorientierung
3. Die Stabilisierung unterstützen
Wie können Bezugspersonen sexuell missbrauchten
und traumatisierten Kindern und Jugendlichen helfen?
Bevor sich traumatisierte Menschen mit ihren Gewalterfahrungen
auseinandersetzen können, müssen sie dazu die Kraft und Voraussetzungen
gewinnen  Maßnahmen zur psychischen Stabilisierung
Hierzu gehören (Reddemann, 2006):
- Entwickeln von Strategien zur Flashbackkontrolle
- Zuwendung zu angenehmen Aktivitäten
- Schaffen von Sicherheiten:
 äußere Sicherheit
 Sicherheit in der Beziehung zu den Bezugspersonen
 innere Sicherheit  Imaginative Übungen
Prävention – Dimensionen
Grundsätze der
Prävention
 Aufarbeitung der erlebten sexualisierten Gewalt durch
Beratung, Therapie, Selbsthilfegruppen (Schlathölter 2003: 150)
 Beendigung aktueller Gewaltsituationen als Form der
Intervention: = bezeichnet das aktive Dazwischentreten, wenn
sexualisierte Gewalt ausgeübt wird/wurde und
beinhaltet alle Aktivitäten zur Beendigung,
Unterbringung und Verarbeitung. (May 1999: 200)
 Verhinderung von zukünftiger sexualisierter Gewalt
(Schlathölter 2003: 150)
Prävention – bei sexueller Gewalt
Präambel der Qualitätskriterien des Bundesvereins zur Prävention
von sexuellem Missbrauch an Mädchen und Jungen e.V. (2003)
„Wer sexualisierte Gewalt verhindern will, muss ein ausreichendes
Grundverständnis von dieser Form der Gewalt haben. Überall, wo
Prävention zu sexualisierter Gewalt angeboten wird, muss kompetente
Intervention möglich sein. Dafür sind entsprechende Kenntnisse vonnöten.
Professionelle Präventionsarbeit setzt Offenheit und Selbstkritik voraus.“
„Prävention von sexuellem Missbrauch umschließt jede Maßnahme,
die geeignet ist, einen Missbrauch bereits im Vorfeld zu verhindern oder
einen bereits stattfindenden Missbrauch
so schnell wie möglich zu stoppen.“
(Härtl u. Unterstaller 2001, S.7)
Prävention umfasst die Arbeit
 mit Kindern und Jugendlichen,
 mit MultiplikatorInnen,
 mit Eltern und Bezugspersonen,
 mit KollegInnen anderer Institutionen & Fachkräften im Hilfenetz.
„Man hat nichts gegen starke Kinder,
nur sollen sie nicht schwierig werden!“
(Braun 1999, S.139)
Prävention kann sich nicht mit „Nein-Sagen“ begnügen. „Das NEIN als Abgrenzung
gegenüber fremden Bedürfnissen ist unbestreitbar wichtig. Prävention entfaltet
aber erst mit dem JA ihre Möglichkeit zur Gänze: Das JA zu den eigenen
Bedürfnissen, dem eigenen Weg,
dem Eigen-Sinn, zu Freude, Lust und Sinnlichkeit mit dem je eigenen Verständnis,
wie dies alles auszusehen hat.“
(Braun 1999, S.139)
Prävention – früher & heute
(Freund & Riedel-Breidenstein 2004; Rudolf-Jilg 2010)
Prävention – Bedeutung bei sexuellen Übergriffen
• starke und selbstbewusste Mädchen und Jungen - Grenzen
setzen/Erwachsene um Unterstützung bitten
• Präventionsarbeit vermindert Schuldgefühle bei Betroffenen, wenn doch ein
sexueller Übergriff stattgefunden hat
• eine Verfestigung von Mustern: z.B. Sexuelle Gewalt ist kein Weg der
Bedürfnisbefriedigung oder Konfliktbewältigung Täterprävention
• Die fachliche Intervention bei sexuellen Übergriffen wirkt präventiv gegen
sexuelle Gewalt durch Erwachsene!
• Sexualpädagogik – emanzipatorische Sexualerziehung (Normen und Werte,
Wissen um die Realität sexueller Übergriffe im Jugendalter, Reflexion
gesellschaftlicher/medialer Rollenzuschreibungen, Unterstützung bei der
sexuellen Orientierung, eindeutige Kommunikation, Kenntnis von
Unterstützungsangeboten bei sexualisierten Gewalterfahrungen,
Selbstbehauptungskurse, Unterstützung bei gleichberechtigter
Beziehungsgestaltung)
• zusätzlich „klassische“ Themen der Sexualpädagogik (z.Z. v.a. 12./14. Lj)
(Freund & Riedel-Breidenstein 2004; Rudolf-Jilg 2010)
Prävention – Gestaltung
• alters- und zielgruppengerechte Prävention
• geschlechtshomogene und geschlechtsheterogene Gruppenarbeit
(vornehmlich geschlechtshomogen, heterogene Angebote bspw. sinnvoll
zum Einüben eindeutiger Kommunikation)
• Stärkung der Medienkompetenz (Normen, z.B. Intimsphäre)
• Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse (Aufdeckungscharakter
sollte unbedingt bedacht werden und in der Wahl der Kursleitung
berücksichtigt werden)
• Einbettung in den Alltag (Informationsvermittlung von außen mitunter
sinnvoll, Prävention sollte jedoch immer eine „Haltung“ sein)
• kompetente Fachkräfte (Handlungsrepertoire, Selbstreflexion)
• engagierte Eltern (eigene Verantwortlichkeiten wahrnehmen)
(Amyna e.V. 2006)
Prävention – Grundsätze
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Kein Kind kann sich alleine vor sexueller Gewalt schützen.
Prävention braucht Interventionskompetenz!
Gute Prävention bedeutet also immer auch gute Vernetzung
mit anderen Einrichtungen vor Ort!
Prävention ist keine Eintagsfliege! Prävention ist eine
Erziehungshaltung, die auf Fachkompetenz bzw. Wissen aufbaut.
Gute Prävention ist rollen- und gesellschaftskritisch.
Prävention nimmt spezielle Risikogruppen ins Blickfeld und entwickelt
zielgruppenspezifische Angebote.
Gute Prävention ist daher immer auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, für
bestimmte Zielgruppen sehr niedrigschwellig und wenn nötig auch
aufsuchend.
Prävention macht Spaß und ermutigt, statt Angst zu machen!
Gute Prävention versteht die Kunst, komplexe Inhalte und
umfangreiches Wissen so zu vermitteln, dass Lösungswege und
Ansatzpunkte im eigenen Leben sichtbar werden.
(Aliochin u.a. 2002, Kap. 6)
Themen
„Mein Körper gehört mir und ich darf bestimmen, wer
mich anfasst und wer nicht.“
Mädchen und Jungen sollen ihren Körper kennen, die Körperteile benennen können und
bestimmen, wo sie von wem berührt werden möchten. Wenn Kinder über Sexualität
entsprechend ihrem Alter Bescheid wissen und auch reden dürfen z.B. mit den Eltern,
Geschwistern, in der Schule, mit Freunden, werden sie nicht so leicht Opfer bzw. es fällt ihnen
leichter über Grenzverletzungen zu reden und die Geschlechtsteile zu benennen.
Meine Gefühle
Maßstab für Mädchen und Jungen sind immer ihre eigenen Gefühle. „Ich spüre, wenn etwas
komisch/blöd/nicht in Ordnung ist.“ Kinder sollen ihre eigenen Gefühle kennen lernen und
darin unterstützt werden, diese wahrzunehmen und ihnen zu vertrauen.
Angenehme oder unangenehme Berührungen
Kinder können schon sehr früh unterscheiden lernen, was „gute“, „schlechte/
komische“ Berührungen sind. Was jeder und jede einzelne mag oder nicht mag, ist
sehr unterschiedlich, das fängt beim Essen an und hört natürlich bei Berührungen
noch nicht auf. Aber jeder Mensch darf allein bestimmen, wo seine/ihre Grenzen
z.B. Körpergrenzen liegen.
Gute und schlechte Geheimnisse
Es gibt „gute“ und „schlechte“ Geheimnisse und Kinder sollen lernen gute Geheimnisse, die
im Bauch kribbeln und über die man lachen kann von schlechten, beängstigenden
Geheimnissen, die Bauchschmerzen machen und einen traurig sein lassen, zu unterscheiden.
Wenn Heimlichkeiten unheimlich werden, wenn sie Kopfschmerzen verursachen, ist es
besser Freunden oder Erwachsenen davon zu erzählen.
NEIN-Sagen

Mädchen und Jungen dürfen und müssen in bestimmten Situationen „Nein“ zu den
Anforderungen Erwachsener sagen und lernen Grenzen zu ziehen. Sie haben die Erlaubnis,
nicht zu gehorchen und sich zu wehren. Die Art und Weise jedes Men-schen „Nein“ zu sagen,
laut, mit tiefer Stimme, mit Körpereinsatz, energisch, mit einem bösen Blick etc. kann durch
Körperarbeit, den Einsatz der Stimme und Rollenspiele ausprobiert werden.
… und Hilfe holen
Oft aber genügt ein „Nein“ nicht, Erwachsene gehen über kindliche Grenzen
hinweg und hören nicht auf das „Nein“ des Kindes. In solchen Situationen sind
Kinder auf die Hilfe von anderen Personen angewiesen, denen sie vertrauen. Es ist
wichtig Kindern deutlich zu machen: „Wenn du Hilfe brauchst, komme zu mir, ich
bin für dich da.“
Gender – Geschlecht - Rollen
Mädchen sind lieb und brav, spielen mit Puppen und lieben die Farbe rosa.
Jungen sind wild, klettern auf Bäume, lieben Autos und Technik und dürfen als „echte Jungs“
nicht weinen.
Durch das Geschlecht festgelegte Rollen, Normen und Werte beschränken wir Kinder auf die
Hälfte ihrer Möglichkeiten. Deswegen ist Präventionsarbeit immer auch geschlechtsbezogene
Bildungsarbeit für Mädchen und Jungen und wird durch Teamerin & Teamer geführt.
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