Springer-Lehrbuch Grundkurs Theoretische Physik Band 1 Klassische Mechanik 7. Auflage ISBN: 3-540-21474-7 Band 2 Analytische Mechanik 7. Auflage ISBN: 3-540-30660-9 Band 3 Elektrodynamik 7. Auflage ISBN: 3-540-20509-8 Band 4 Spezielle Relativitätstheorie, Thermodynamik 6. Auflage ISBN: 3-540-24119-1 Band 5/1 Quantenmechanik – Grundlagen 6. Auflage ISBN: 3-540-40071-0 Band 5/2 Quantenmechanik – Methoden und Anwendungen 5. Auflage ISBN: 3-540-40072-9 Band 6 Statistische Physik 5. Auflage ISBN: 3-540-20505-5 Band 7 Viel-Teilchen-Theorie 6. Auflage ISBN: 3-540-24117-5 Wolfgang Nolting Grundkurs Theoretische Physik 2 Analytische Mechanik 7. Auflage Mit 77 Abbildungen und 54 Aufgaben mit vollständigen Lösungen 123 Professor Wolfgang Nolting Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Physik Newtonstraße 15 12489 Berlin Deutschland [email protected] Umschlagabbildung: siehe Seite 110 Die 4. Auflage des Buches erschien im Verlag Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN-10 3-540-30660-9 7. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-30660-3 7. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 3-540-20263-3 6. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002, 2004, 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Innentypografie: deblik, Berlin Satz und Umbruch: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: design & production GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 56/3141/YL - 5 4 3 2 1 0 Allgemeines Vorwort Die sieben Bände der Reihe „Grundkurs Theoretische Physik“ sind als direkte Begleiter zum Hochschulstudium Physik gedacht. Sie sollen in kompakter Form das wichtigste theoretisch-physikalische Rüstzeug vermitteln, auf dem aufgebaut werden kann, um anspruchsvollere Themen und Probleme im fortgeschrittenen Studium und in der physikalischen Forschung bewältigen zu können. Die Konzeption ist so angelegt, dass der erste Teil des Kurses, Klassische Mechanik (Band 1) Analytische Mechanik (Band 2) Elektrodynamik (Band 3) Spezielle Relativitätstheorie, Thermodynamik (Band 4), als Theorieteil eines „Integrierten Kurses“ aus Experimentalphysik und Theoretischer Physik, wie er inzwischen an zahlreichen deutschen Universitäten vom ersten Semester an angeboten wird, zu verstehen ist. Die Darstellung ist deshalb bewusst ausführlich, manchmal sicher auf Kosten einer gewissen Eleganz, und in sich abgeschlossen gehalten, sodass der Kurs auch zum Selbststudium ohne Sekundärliteratur geeignet ist. Es wird nichts vorausgesetzt, was nicht an früherer Stelle der Reihe behandelt worden ist. Dies gilt inbesondere auch für die benötigte Mathematik, die vollständig so weit entwickelt wird, dass mit ihr theoretisch-physikalische Probleme bereits vom Studienbeginn an gelöst werden können. Dabei werden die mathematischen Einschübe immer dann eingefügt, wenn sie für das weitere Vorgehen im Programm der Theoretischen Physik unverzichtbar werden. Es versteht sich von selbst, dass in einem solchen Konzept nicht alle mathematischen Theorien mit absoluter Strenge bewiesen und abgeleitet werden können. Da muss bisweilen ein Verweis auf entsprechende mathematische Vorlesungen und vertiefende Lehrbuchliteratur erlaubt sein. Ich habe mich aber trotzdem um eine halbwegs abgerundete Darstellung bemüht, sodass die mathematischen Techniken nicht nur angewendet werden können, sondern dem Leser zumindest auch plausibel erscheinen. Die mathematischen Einschübe werden natürlich vor allem in den ersten Bänden der Reihe notwendig, die den Stoff bis zum Physik-Vordiplom beinhalten. Im zweiten Teil des Kurses, der sich mit den modernen Disziplinen der Theoretischen Physik befasst, Quantenmechanik: Grundlagen (Band 5/1) Quantenmechanik: Methoden und Anwendungen (Band 5/2) Statistische Physik (Band 6) Viel-Teilchen-Theorie (Band 7), sind sie weitgehend überflüssig geworden, insbesondere auch deswegen, weil im Physik-Studium inzwischen die Mathematik-Ausbildung Anschluss gefunden hat. Der frühe Beginn der Theorie-Ausbildung bereits im ersten Semester gestattet es, die Grundlagen der Quantenmechanik schon vor dem Vordiplom zu behandeln. Der Stoff der letzten drei Bände kann natürlich nicht mehr Bestandteil eines „Integrierten Kurses“ sein, sondern wird wohl überall in reinen Theorie-Vorlesungen vermittelt. Das gilt insbesondere für die „Viel-Teilchen-Theorie“, die bisweilen auch unter anderen Bezeichnungen wie „Höhere Quantenmechanik“ etwa im achten Fachsemester angeboten wird. Hier werden neue, über den Stoff des Grundstudiums hinausgehende Methoden und Konzepte diskutiert, die insbesondere für korrelierte Systeme aus vielen Teilchen entwickelt wurden und für den erfolgreichen Übergang zu wissenschaftlichem Arbeiten (Diplom, Promotion) und für das Lesen von Forschungsliteratur inzwischen unentbehrlich geworden sind. In allen Bänden der Reihe „Grundkurs Theoretische Physik“ sollen zahlreiche Übungsaufgaben dazu dienen, den erlernten Stoff durch konkrete Anwendungen zu vertiefen und richtig einzusetzen. Eigenständige Versuche, abstrakte Konzepte der Theoretischen Physik zur Lösung realer Probleme aufzubereiten, sind absolut unverzichtbar für den Lernenden. Ausführliche Lösungsanleitungen helfen bei größeren Schwierigkeiten und testen eigene Versuche, sollten aber nicht dazu verleiten, „aus Bequemlichkeit“ eigene Anstrengungen zu unterlassen. Nach jedem größeren Kapitel sind Kontrollfragen angefügt, die dem Selbsttest dienen und für Prüfungsvorbereitungen nützlich sein können. Ich möchte nicht vergessen, an dieser Stelle allen denen zu danken, die in irgendeiner Weise zum Gelingen dieser Buchreihe beigetragen haben. Die einzelnen Bände sind letztlich auf der Grundlage von Vorlesungen entstanden, die ich an den Universitäten in Münster, Würzburg, Osnabrück, Valladolid (Spanien), Warangal (Indien) sowie in Berlin gehalten habe. Das Interesse und die konstruktive Kritik der Studenten bedeuteten für mich entscheidende Motivation, die Mühe der Erstellung eines doch recht umfangreichen Manuskripts als sinnvoll anzusehen. In der Folgezeit habe ich von zahlreichen Kollegen wertvolle Verbesserungsvorschläge erhalten, die dazu geführt haben, das Konzept und die Ausführung der Reihe weiter auszubauen und aufzuwerten. Die ersten Auflagen dieser Buchreihe sind im Verlag Zimmermann-Neufang entstanden. Ich kann mich an eine sehr faire und stets erfreuliche Zusammenarbeit erinnern. Danach erschien die Reihe bei Vieweg. Die Übernahme der Reihe durch den Springer-Verlag im Januar 2001 hat dann zu weiteren professionellen Verbesserungen im Erscheinungsbild des „Grundkurs Theoretische Physik“ geführt. Herrn Dr. Kölsch und seinem Team bin ich schon jetzt für viele Vorschläge und Anregungen sehr dankbar. Meine Manuskripte scheinen in guten Händen zu liegen. Berlin, im April 2001 Wolfgang Nolting Vorwort zu Band 2 Das Anliegen der Klassischen Mechanik besteht in dem Aufstellen und Lösen von Bewegungsgleichungen für Massenpunkte, Systeme von Massenpunkten, Starre Körper auf der Grundlage möglichst weniger Axiome und Prinzipien. Letztere sind mathematisch nicht streng beweisbar, sondern stellen lediglich bislang widerspruchsfreie Erfahrungstatsachen dar. Man könnte natürlich fragen, warum man sich heute noch mit Klassischer Mechanik beschäftigt, obwohl diese doch wohl in den seltensten Fällen noch einen direkten Bezug zur aktuellen Forschung aufweist. Sie bildet jedoch die unerlässliche Basis für die modernen Richtungen der Theoretischen Physik, d. h., diese bauen auf der Klassischen Mechanik auf und sind ohne sie nicht verständlich zu machen. Ferner gestattet sie im Zusammenhang mit relativ vertrauten Fragestellungen eine gewisse „Gewöhnung“ an mathematische Lösungsverfahren. So haben wir im ersten Band dieses „Grundkurs Theoretische Physik“ im Zusammenhang mit der Newton-Mechanik den Einsatz der Vektoralgebra intensiv geübt. Warum befassen wir uns in diesem zweiten Band nun aber noch einmal mit Klassischer Mechanik? Die „Analytische Mechanik“ des vorliegenden zweiten Bandes behandelt die Formulierungen nach Lagrange, Hamilton und Hamilton-Jacobi, die gegenüber der Newton-Mechanik zwar keine „neue Physik“ beinhalten, methodisch jedoch eleganter sind und, was viel entscheidender ist, einen direkteren Bezug zu weiterführenden Disziplinen der Theoretischen Physik, wie der Quantenmechanik, erkennen lassen. Die Zielsetzung des vorliegenden Bandes 2 entspricht der des gesamten Grundkurses: Theoretische Physik. Es soll sich um einen direkten Begleiter des Grundstudiums zum Physik-Diplom (bzw. Bachelor/Master) handeln, der es ermöglicht, Techniken und Konzepte der Theoretischen Physik zunächst ohne aufwendige Sekundärliteratur verstehen zu lernen. Zum Verständnis des Textes wird lediglich das in Band 1 Erarbeitete vorausgesetzt. Mathematische Einschübe werden immer dann in kompakter und zweckgerichteter Form gebracht und geübt, wenn es für die weitere Entwicklung der Theorie unerlässlich erscheint. Das Manuskript zu diesem Buch ist aus mehreren Vorlesungen entstanden, die ich in der Vergangenheit an der Universität Münster und der Humboldt-Universität zu Berlin gehalten habe. Nach seinem Erscheinen, zunächst im Verlag ZimmermannNeufang, dann später und bis heute im Springer-Verlag, haben mir zahlreiche Studierende und Dozenten durch Vorschläge zur Verbesserung einzelner Passagen sehr geholfen. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Ein ganz besonderer Dank gebührt den Mitgliedern meines Lehrstuhls an der Humboldt-Universität zu Berlin, die sich durch konstruktive Kritik und tatkräftige Hilfe bei redaktionellen und organisatorischen Problemen eingebracht haben. Die jetzt vorliegende 7. Auflage besitzt gegenüber den früheren Auflagen ein stark erweitertes Aufgabenangebot. Die Zusammenarbeit mit dem Springer-Verlag, insbesondere mit Herrn Dr. T. Schneider, war stets fair und konstruktiv und deshalb sehr erfreulich. Berlin, im Februar 2006 Wolfgang Nolting Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.5 2 2.1 2.1.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4 2.4.1 Lagrange-Mechanik Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten . . . . . . . . . . . . Das d’Alembert’sche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lagrange-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verallgemeinerte Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht-holonome Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungen der Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Hamilton’sche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formulierung des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elemente der Variationsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lagrange-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung des Hamilton’schen Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homogenität der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homogenität des Raumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isotropie des Raumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamilton-Mechanik Legendre-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kanonische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamilton-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modifiziertes Hamilton’sches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzip der kleinsten Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fermat’sches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jacobi-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Poisson-Klammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellungsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 12 12 21 31 34 37 40 45 59 60 63 70 73 76 78 80 83 86 89 94 97 97 97 101 107 108 108 111 115 116 121 121 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6 2.6 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.7 3.8 Fundamentale Poisson-Klammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formale Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrale der Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezug zur Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kanonische Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die erzeugende Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Äquivalente Formen der erzeugenden Funktion . . . . . . . . . Beispiele kanonischer Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriterien für Kanonizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamilton-Jacobi-Theorie Hamilton-Jacobi-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lösungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamilton’sche charakteristische Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Separation der Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungs- und Winkelvariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periodische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungs- und Winkelvariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Kepler-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bohr-Sommerfeld’sche Atomtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Übergang zur Wellenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wellengleichung der Klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . Einschub über Lichtwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ansatz der Wellenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungen der Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 128 130 131 133 135 135 140 143 147 151 153 158 164 167 172 175 181 181 184 188 195 197 198 199 203 205 208 210 213 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Kapitel 1 Lagrange-Mechanik 1 1 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.5 Lagrange-Mechanik Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten . . . . . . . . . . . . Das d’Alembert’sche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lagrange-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verallgemeinerte Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht-holonome Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungen der Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Hamilton’sche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formulierung des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elemente der Variationsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lagrange-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung des Hamilton’schen Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homogenität der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homogenität des Raumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isotropie des Raumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 12 12 21 31 34 37 40 45 59 60 63 70 73 76 78 80 83 86 89 1.1 Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten 3 1 Lagrange-Mechanik 1.1 Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten 1.1 Die Newton-Mechanik, die Gegenstand der Überlegungen des ersten Bandes der Reihe Grundkurs: Theoretische Physik war, befasst sich mit Systemen von Teilchen (Massenpunkten), von denen jedes durch eine Bewegungsgleichung der Form mi r̈ i = F (ex) + F ij (1.1) i j =/ i beschrieben wird. F (ex) ist die auf Teilchen i wirkende äußere Kraft, F ij die von Teili chen j auf Teilchen i ausgeübte (innere) Kraft. Bei N Teilchen ergibt sich aus (1.1) ein gekoppeltes System von 3N Differentialgleichungen 2. Ordnung, dessen Lösung die Kenntnis hinreichend vieler Anfangsbedingungen erfordert. Die typischen physikalischen Systeme unserer Umgebung sind jedoch häufig keine typischen Teilchensysteme. Betrachten wir einmal als Beispiel das Modell einer Kolbenmaschine. Die Maschine selbst besteht aus praktisch unendlich vielen Teilchen. Der Zustand der Maschine ist aber im Allgemeinen bereits durch Angabe des Winkels ϕ vollständig charakterisiert. Kräfte und Spannungen, zum Beispiel in der Pleuelstange, interessieren in der Regel nicht. Sie sorgen für gewisse geometrische Bindungen der Teilchen miteinander. Durch diese sind die Bewegungen der Teilchen eines makroskopischen mechanischen Systems im Allgemeinen nicht völlig frei. Man sagt, sie seien eingeschränkt durch gewisse Zwangskräfte. Diese über die Kräfte F ij in (1.1) zu berücksichtigen, stellt praktisch immer ein hoffnungsloses Unterfangen dar. ϕ Abb. 1.1. Modell einer Kolbenmaschine Wir führen zwei für das Folgende wichtige Begriffe ein: Definition 1.1.1 1. Zwangsbedingungen sind Bedingungen, die die freie Bewegung der Systemteilchen einschränken (geometrische Bindungen). 2. Zwangskräfte sind Kräfte, die die Zwangsbedingungen bewirken, also die freie Teilchenbewegung behindern (z. B. Auflagekräfte, Fadenspannungen). 1.1.1 4 1. Lagrange-Mechanik Bei der Beschreibung eines mechanischen Systems ergeben sich zwei schwerwiegende Probleme: a) Zwangskräfte sind im Allgemeinen unbekannt. Bekannt sind nur ihre Auswirkungen. Das System (1.1) der gekoppelten Bewegungsgleichungen lässt sich also erst gar nicht formulieren, geschweige denn lösen. Wir versuchen deshalb, die Mechanik so umzuformulieren, dass die Zwangskräfte herausfallen. Genau dies führt zur Lagrange-Formulierung der Klassischen Mechanik. b) Die Teilchenkoordinaten r i = xi , yi , zi , i = 1, 2, . . . , N sind wegen der Zwangsbedingungen nicht unabhängig voneinander. Wir werden sie deshalb später durch linear unabhängige, verallgemeinerte Koordinaten zu ersetzen versuchen. Diese werden dann in der Regel unanschaulicher, dafür aber mathematisch einfacher zu handhaben sein. Es leuchtet unmittelbar ein, dass Zwangsbedingungen für die konkrete Lösung eines mechanischen Problems eine wichtige Rolle spielen. Eine Klassifikation der mechanischen Systeme nach Art und Typ ihrer Zwangsbedingungen ist deshalb sicher sinnvoll. A) Holonome Zwangsbedingungen Darunter versteht man Verknüpfungen der Teilchenkoordinaten und eventuell der Zeit in der folgenden Form: fν r 1 , r 2 , . . . , r N , t = 0 , ν = 1, 2, . . . , p . (1.2) A,1) Holonom-skleronome Zwangsbedingungen Das sind holonome Zwangsbedingungen, die nicht explizit zeitabhängig sind, also Bedingungen der Form (1.2), für die zusätzlich ∂fν =0, ∂t ν = 1, . . . , p (1.3) gilt. Beispiele 1) Hantel l m1 m2 Abb. 1.2. Schematische Darstellung einer Hantel aus zwei durch eine masselose Stange auf konstanten Abstand gehaltene Massen m1 und m2 1.1 Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten 5 Die Zwangsbedingung betrifft den konstanten Abstand der beiden Massenpunkte m1 und m2 : 2 2 2 x1 − x2 + y1 − y2 + z1 − z2 = l2 . (1.4) 2) Starrer Körper Dieser ist durch konstante Teilchenabstände ((4.1), Bd. 1) ausgezeichnet. Das entspricht den Zwangsbedingungen: (r i − r j )2 − cij2 = 0 , i, j = 1, 2, . . . , N , cij = const . (1.5) 3) Teilchen auf Kugeloberfläche m R′ Abb. 1.3. Teilchen der Masse m auf einer Kugeloberfläche Die Masse m ist an die Kugeloberfläche durch die Zwangsbedingung x2 + y2 + z2 − R2 = 0 (1.6) gebunden. A,2) Holonom-rheonome Zwangsbedingungen Dies sind holonome Zwangsbedingungen mit expliziter Zeitabhängigkeit: ∂fν =/ 0 . ∂t (1.7) Wir wollen auch diesen Begriff durch Beispiele erläutern: Beispiele 1) Teilchen im Aufzug z v0 = const m x Abb. 1.4. Teilchen der Masse m auf einer mit der Geschwindigkeit v0 sich in z-Richtung bewegenden Ebene 6 1. Lagrange-Mechanik Das Teilchen kann sich nur in der xy-Ebene frei bewegen. Für die z-Koordinate gilt die Zwangsbedingung, z(t) = v0 (t − t0 ) + z0 , (1.8) hervorgerufen durch den mit konstanter Geschwindigkeit v0 sich nach oben bewegenden Aufzug. 2) Masse auf schiefer Ebene mit veränderlicher Neigung z m ϕ (t ) x Abb. 1.5. Eine Masse m auf einer schiefen Ebene mit zeitlich veränderlichem Neigungswinkel Die zeitlich veränderliche Neigung der Ebene sorgt für eine holonom-rheonome Zwangsbedingung z − tan ϕ(t) = 0 . x (1.9) Holonome Zwangsbedingungen reduzieren die Zahl der Freiheitsgrade. Ein NTeilchensystem hat ohne Zwang 3N Freiheitsgrade, bei p holonomen Zwangsbedingungen dann nur noch S = 3N − p . (1.10) Ein mögliches Lösungsverfahren kann nun darin bestehen, mit Hilfe der Zwangsbedingungen (1.2) p der 3N kartesischen Koordinaten zu eliminieren und für den Rest die Newton’schen Bewegungssgleichungen zu integrieren. Eleganter und wirkungsvoller ist jedoch die Einführung von generalisierten Koordinaten q1 , q2 , . . . , qS , die zwei Bedingungen erfüllen müssen: 1. Die momentane Konfiguration des physikalischen Systems ist eindeutig durch q1 , . . . , qS festgelegt. Insbesondere gelten Transformationsformeln r i = r i q1 , . . . , qS , t , i = 1, 2, . . . , N , (1.11) 2. die die Zwangsbedingungen implizit enthalten. Die qj sind unabhängig voneinander, d. h., es gibt keine Beziehung der Form F(q1 , . . . , qS , t) = 0. 1.1 Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten 7 Das Konzept der generalisierten Koordinaten wird im Folgenden noch eine wichtige Rolle spielen. Wir schließen an die obige Definition noch einige Bemerkungen an: a) Unter dem Konfigurationsraum versteht man den S-dimensionalen Raum, der durch die generalisierten Koordinaten q1 , . . . , qS aufgespannt wird. Jeder Punkt des Konfigurationsraums (Konfigurationsvektor) q = q1 , q2 , . . . , qS (1.12) entspricht einem möglichen Zustand des Systems. b) Man nennt q̇1 , q̇2 , . . . , q̇S generalisierte Geschwindigkeiten . c) Bei bekannten Anfangsbedingungen q0 = q(t0 ) ≡ q1 (t0 ), . . . , qS (t0 ) , q̇0 = q̇(t0 ) ≡ q̇1 (t0 ), . . . , q̇S (t0 ) ist der Zustand des Systems im Konfigurationsraum für alle Zeiten über noch festzulegende Bewegungsgleichungen berechenbar. d) Die Wahl der Größen q1 , . . . , qS ist nicht eindeutig, wohl aber ihre Zahl S. Man legt sie nach Zweckmäßigkeit fest, die in der Regel durch die physikalische Problemstellung eindeutig vorgegeben ist. e) Die Größen qj sind beliebig. Es handelt sich dabei nicht notwendig um Längen. Sie charakterisieren in ihrer Gesamtheit das System und beschreiben nicht mehr unbedingt Einzelteilchen. Als Nachteil kann die Tatsache gewertet werden, dass das Problem dadurch unanschaulicher werden kann. Beispiele 1) Teilchen auf Kugeloberfläche ϑ R m ϕ Abb. 1.6. Generalisierte Koordinaten für ein an eine Kugeloberfläche gebundenes Teilchen der Masse m 8 1. Lagrange-Mechanik Es gibt eine holonom-skleronome Zwangsbedingung: x2 + y2 + z2 − R2 = 0 . Dies bedeutet für die Zahl der Freiheitsgrade: S=3−1=2. Als generalisierte Koordinaten bieten sich zwei Winkel an: q1 = ϑ ; q2 = ϕ . Die Transformationsformeln x = R sin q1 cos q2 , y = R sin q1 sin q2 , z = R cos q1 enthalten implizit die Zwangsbedingungen. q1 , q2 legen den Zustand des Systems eindeutig fest. 2) Ebenes Doppelpendel y ϑ1 l1 m1 x l2 ϑ2 m2 Abb. 1.7. Generalisierte Koordinaten für das ebene Doppelpendel Es gibt insgesamt vier holonom-skleronome Zwangsbedingungen: z1 = z2 = const , x12 + y12 − l12 = 0 , 2 2 x2 − x1 + y2 − y1 − l22 = 0 . Die Zahl der Freiheitsgrade beträgt deshalb: S=6−4=2. 1.1 Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten 9 „Günstige“ generalisierte Koordinaten sind in diesem Fall offenbar: q1 = ϑ1 ; q2 = ϑ2 . Die Transformationsformeln x1 = l1 cos q1 ; y1 = l1 sin q1 ; x2 = l1 cos q1 + l2 cos q2 ; z1 = 0 , y2 = l1 sin q1 − l2 sin q2 ; z2 = 0 enthalten wiederum implizit die Zwangsbedingungen. 3) Teilchen im Zentralfeld In diesem Fall gibt es keine Zwangsbedingungen. Trotzdem ist die Einführung von generalisierten Koordinaten sinnvoll: S=3−0=3. „Günstige“ generalisierte Koordinaten sind in diesem Fall q1 = r ; q2 = ϑ ; q3 = ϕ . Die Transformationsformeln ((1.261), Bd. 1) x = q1 sin q2 cos q3 , y = q1 sin q2 sin q3 , z = q1 cos q2 sind uns aus vielen Anwendungen (s. Bd. 1) bereits bekannt und dokumentieren, dass die Verwendung von generalisierten Koordinaten auch in Systemen ohne Zwang sinnvoll sein kann, nämlich dann, wenn infolge gewisser Symmetrien durch eine Punkttransformation auf krummlinige Koordinaten die Integration der Bewegungsgleichungen vereinfacht wird. B) Nicht-holonome Zwangsbedingungen Darunter versteht man Verknüpfungen der Teilchenkoordinaten und eventuell der Zeit, die sich nicht wie in (1.2) darstellen lassen, sodass durch sie kein Eliminieren von überflüssigen Koordinaten möglich ist. Für Systeme mit nicht-holonomen Zwangsbedingungen gibt es kein allgemeines Lösungsverfahren. Spezielle Methoden werden später diskutiert. B,1) Zwangsbedingungen als Ungleichungen Liegen die Zwangsbedingungen in Form von Ungleichungen vor, so kann man offenbar durch diese die Zahl der Variablen nicht reduzieren. 10 1. Lagrange-Mechanik Beispiele 1) Perlen eines Rechenbretts Die Perlen (Massenpunkte) können nur eindimensionale Bewegungen zwischen zwei festen Grenzen ausführen. Die Zwangsbedingungen sind dann zum Teil holonom, zi = const ; yi = const , i = 1, 2, . . . , N , zum Teil aber auch nicht-holonom: a ≤ xi ≤ b , i = 1, 2, . . . , N . 2) Teilchen auf Kugel im Schwerefeld z R m y x Abb. 1.8. Teilchen der Masse m auf einer Kugeloberfläche im Schwerefeld der Erde als Beispiel für nicht-holonome Zwangsbedingungen Die Zwangsbedingung 2 x + y2 + z2 − R2 ≥ 0 schränkt die freie Bewegung der Masse m ein, kann aber nicht dazu benutzt werden, „überflüssige“ Koordinaten zu eliminieren. B,2) Zwangsbedingungen in differentieller, nicht integrierbarer Form Dies sind insbesondere Zwangsbedingungen, die Teilchengeschwindigkeiten enthalten. Sie haben die allgemeine Form: 3N fim dxm + fit dt = 0 , i = 1, . . . , p , (1.13) m=1 wobei sich die linke Seite nicht integrieren lässt. Sie stellt kein totales Differential dar. Es gibt also keine Funktion Fi mit fim = ∂Fi ∀m ; ∂xm ∂Fi = fit . ∂t Gäbe es eine solche Funktion Fi , dann würde aus (1.13) Fi xi , . . . , x3N , t = const folgen und die entsprechende Zwangsbedingung wäre doch holonom.