Thrombophiliediagnostik – praktische Bedeutung

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DIAGNOSTIK + THERAPIE
SCHWANGERSCHAFT UND GEBURT
Thrombophiliediagnostik
– praktische Bedeutung
Teil 2
Werner Rath1, Georg-Friedrich von Tempelhoff2
Der Begriff Thrombophilie umfasst Hämostasestörungen, die
entweder durch eine erhöhte Plasmakonzentration von Prokoagulanzien oder durch eine Funktionseinschränkung von Gerinnungsinhibitoren bedingt sind und damit zur Thrombose führen können. Er hat inzwischen einen Paradigmenwechsel erfahren, da in der Praxis mit den Begriffen „Thrombophilie“ und
speziell mit der „Thrombophiliediagnostik“ zunehmend die Bestimmung genetisch determinierter (angeborener) und erworbener zur Hyperkoagulabilität führender Faktoren verbunden wird.
Dabei bleibt die Feststellung unberührt, dass die Virchow-Trias
aus Gefäßwandverletzung, Stase und Hyperkoagulabilität nach
wie vor als pathogenetisches Grundprinzip der Thromboseentstehung Gültigkeit hat. Darüber hinaus sind immer individuelle
thrombogenetische Risikofaktoren zu berücksichtigen.
Thrombophilien und
Schwangerschaft
Infolge Hyperkoagulabilität ist die
Rate für venöse Thromboembolien
(VTE) bei Schwangeren im Vergleich
zu Nichtschwangeren um das Vier- bis
Fünffache erhöht (jährliche Inzidenz
an Venenthrombosen bei Nichtschwangeren 0,18/1.000 und bei
Schwangeren 0,7–1,3/1.000). Im Wochenbett ist das VTE-Risiko 14-fach
höher als in der Schwangerschaft.
Tabelle 1 zeigt gepoolte Daten zur
Prävalenz angeborener Thrombophilien und des assoziierten Thromboembolierisikos in der Schwangerschaft. Mit Ausnahme der homozygoten MTHFR-Mutation sind alle angeborenen Thrombophilien – abhängig
vom Typ des thrombophilen Defekts
unterschiedlich – mit einem erhöhGynäkologie und Geburtshilfe,
Universitätsklinikum Aachen
2 Abt. Gynäkologie und Geburtshilfe, Klinikum Aschaffenburg
1
460
FRAUENARZT
52 (2011)
Nr. 5
ten Risiko für VTE assoziiert (39). In
Anbetracht der insgesamt niedrigen
Inzidenz von VTE und der vergleichbar hohen Prävalenz asymptomatischer Trägerinnen angeborener
Thrombophilien ist eine generelle
Thrombophiliediagnostik vor der
Schwangerschaft nicht kosteneffektiv
Inhalt von Teil 1
(FRAUENARZT 4/2011)
„
Welche Untersuchungen sind
zur Thrombophiliediagnostik
zu empfehlen?
„
Bedeutung angeborener Thrombophilien für venöse Thromboembolien (VTE)
„
Risiko für VTE und Einnahme
von Hormonen
„
Thrombophilien und wiederholte
Implantationsversager
Inhalt von Teil 2
„
Thrombophilien und Schwangerschaft
„
Thrombophilien und
schwangerschaftsassoziierte
Komplikationen
„
Literaturverzeichnis
und nicht gerechtfertigt (40). Eine
Thrombophiliediagnostik bei Frauen
mit VTE in der Schwangerschaft ist
nur von begrenztem Wert, da sie auf
die unmittelbare Behandlung (medikamentöse VTE-Prophylaxe während
der Schwangerschaft und für mindestens drei Monate nach der Geburt)
keinen Einfluss hat (9).
Die Frage, ob eine Frau mit vorangegangener VTE (vor der Schwanger-
Prävalenz angeborener Thrombophilien und
assoziiertes VTE-Risiko
Risikofaktoren
Prävalenz (%)
Odds Ratio
2,0–7,0
0,2–0,5
9
34
2,0
selten
7
26
<0,1–0,6
5
Protein-C-Mangel (<75% Aktivität)
0,2–0,3
5
Protein-S-Mangel (<65% Aktivität)
<0,1–0,1
3
Faktor-V-Leiden-Mutation
– heterozygot
– homozygot
Prothrombin-G20210A-Mutation
– heterozygot
– homozygot
Antithrombinmangel (<80% Aktivität)
Tab. 1: Gepoolte Daten zur Prävalenz angeborener Thrombophilien und des assoziierten
Thromboembolierisikos in der Schwangerschaft (Europa). Gepoolte Literaturdaten aus
Marik PE, Plante LA, N Engl J Med 359 (2008) 2025
Empfehlungen zum Vorgehen bei
Schwangeren mit vorangegangener
VTE basieren auf Expertenmeinungen
und Konsensusstatements. Unabhängig davon hat die Thrombophiliediagnostik maßgeblich Berücksichtigung
in aktuellen Leitlinien zur Prophylaxe
venöser Thromboembolien in Schwangerschaft und Wochenbett gefunden
(41–43).
Die aktuelle S3-Leitlinie „Prophylaxe
der venösen Thromboembolien“ (42)
berücksichtigt angeborene und erworbene Thrombophilien gemeinsam
mit Familien- und Eigenanamnese für
die Klassifizierung in niedriges, mittleres und hohes Risiko. Das höchste
Risiko besteht danach für die homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation und
für kombinierte Thrombophilien. Wie
die deutsche, so bezieht auch die
Leitlinie des RCOG das Vorliegen von
Thrombophilien in ihre Risikostratifizierung und dementsprechend in die
Vorgehensweise zur ante- und postnatalen Thromboembolieprophylaxe
mit niedermolekularen Heparinen ein
(s. Tab. 2). Ein hohes Risiko besteht
danach bei früherer VTE und Thrombophilie, ein mittleres bei früherer
VTE ohne Thrombophilie oder Thrombophilie ohne vorangegangene VTE.
Schwangere mit vorangegangener VTE
oder Antikoagulanziengabe während
der Schwangerschaft sollten für mindestens sechs Wochen post partum
eine medikamentöse VTE-Prophylaxe
erhalten (hohes Risiko). Asymptomatische Frauen mit angeborenen oder
erworbenen Thrombophilien werden
in ein mittleres Risiko eingestuft mit
der Empfehlung zur Gabe von niedermolekularem Heparin über mindestens sieben Tage nach der Geburt
(41). Die RCOG-Leitlinie gibt auch
detaillierte Empfehlungen zur medikamentösen VTE-Prophylaxe in
Schwangerschaft und Wochenbett in
Abhängigkeit vom Typ der vorliegenden Thrombophilie (s. Tab. 3, auf
S. 462). Danach ist bei Antithrom-
binmangel, homozygoter Faktor-VLeiden-Mutation und kombinierten
Defekten sowie bei angeborenen
Thrombophilien mit zusätzlichen Risikofaktoren eine Prophylaxe in der
Schwangerschaft bis sechs Wochen
post partum erforderlich, ebenso
beim Antiphospholipid-Syndrom und
vorangegangener VTE.
Thrombophilien und
schwangerschaftsassoziierte
Komplikationen
Die Datenlage zur Bedeutung angeborener Thrombophilien für schwangerschaftsassoziierte Komplikationen
Risikoadaptierte VTE-Prophylaxe und Management
vor der Geburt
Situation
Risiko
Maßnahmen (GradC-Empfehlungen)
„ eine frühere VTE +
– Thrombophilie
– spontan, nicht östrogenabhängig
„ frühere wiederholte VTE (>1)
hoch
antenatale Prophylaxe
mit niedermolekularem
Heparin (NMH)
„ eine frühere VTE
– ohne positive Familienanamnese
– ohne Thrombophilie
„ Thrombophilie + keine VTE
„ Komorbidität (z.B. Herz-LungenErkrankung)
„ Operationen (z.B. Appendektomie)
mittel
antenatale Prophylaxe
mit NMH erwägen
mittel
antenatale Prophylaxe
mit NMH erwägen
DIAGNOSTIK + THERAPIE
schaft) im Hinblick auf die Prävention und Vermeidung einer wiederholten VTE oder einer tödlichen
Lungenembolie von einer Thrombophiliediagnostik und Antikoagulanzienprophylaxe in Schwangerschaft und Wochenbett profitiert, ist
bisher durch prospektive Studien
nicht geklärt (9). Ohne medikamentöse VTE-Prophylaxe liegt das Risiko
für eine wiederholte VTE in diesen
Fällen zwischen 2 und 6% in der
Schwangerschaft und bei etwa 8% im
Wochenbett (41). Eine detaillierte
Risikostratifizierung bei Frauen mit
vorangegangener VTE auf der Grundlage der Ursache der ersten VTE findet sich in der Leitlinie des Royal
College of Obstetricians and Gynecologists (41).
„ Risikofaktoren:
– Alter >35 Jahre
– BMI >30
– Rauchen
– Parität ≥3
– Stammvarikosis
– akute systemische Infektion
– Immobilisierung (u.a. Reise >4 Std.)
– Präeklampsie
– Dehydratation, Hyperemesis, OHSS
– Mehrlingsschwangerschaft,
assistierte Reproduktion
„ ≥3 Risikofaktoren oder
„ ≥2 Risikofaktoren und stationäre
Aufnahme
„ <3 Risikofaktoren
niedriger
Mobilisierung,
Dehydratation
vermeiden
Tab. 2: Risikostratifizierung und Vorgehen in der Thromboembolieprophylaxe nach der
Leitline der RCOG.
FRAUENARZT
52 (2011)
Nr. 5
461
DIAGNOSTIK + THERAPIE
Empfehlungen zur medikamentösen VTE-Prophylaxe
bei angeborener oder erworbener Thrombophilie
Situation
Maßnahmen
„ Antithrombin-Mangel
(asymptomatisch)
„ homozygote Faktor-V-LeidenMutation (asymptomatisch)
„ kombinierte thrombophile
Defekte (asymptomatisch)
Prophylaxe mit NMH in der SS bis
6 Wochen post partum
„ angeborene Thrombophilien
– asymptomatisch
– keine zusätzlichen
Risikofaktoren
– keine positive
Familienanamnese (VTE)
klinische Überwachung in der SS
„ angeborene Thrombophilien
– mit zusätzlichen Risikofaktoren
– positive Familienanamnese (VTE)
Prophylaxe mit NMH in der SS bis
6 Wochen post partum (therapeutische
oder intermediäre Dosierung)
„ Antiphospholipid-Syndrom +
vorangegangene VTE
Prophylaxe mit NMH in der SS bis
6 Wochen post partum
„ Antiphospholipid-Antikörper:
– asymptomatisch
– keine zusätzlichen Risikofaktoren
Prophylaxe mit NMH für 1 Woche post
partum
Prophylaxe mit NMH für 1 Woche
post partum
Tab. 3: Empfehlungen der RCOG zur medikamentösen VTE-Prophylaxe bei Thrombophilie
(mod. nach RCOG-Leitlinie Nr. 37, 2010).
Thrombophiliediagnostik
bei Schwangerschaftskomplikationen
Publikation
Situation
Empfehlungen
ACCP – Evidencebased Clinical
Practice
Guidelines
– wiederholte Frühaborte
(≥3) (Grad 1 A)
– ungeklärter „late
pregnancy loss“
(Grad 1 A)
– schwere oder wiederholte
Präeklampsie (Grad 2 C)
– schwere intrauterine
Wachstumsrestriktion
(Grad 2 C)
Bestimmung der
Antiphospholipid-AK
– ungeklärter „fetal loss“
≥20. SSW
– schwere Präeklampsie/
HELLP-Syndrom <34 SSW
– schwere intrauterine
Wachstumsrestriktion
<5. Perzentile
– Faktor-V-Leiden-Mutation
– Prothrombin-Mutation
– Protein S, Protein C,
Antithrombin
– Homocystein
– Lupus-Antikoagulanzien
– Antikardiolipin-Antikörper
Chest 133 (2008)
844
The Pregnancy
and Thrombosis
Working Group –
Consensus
Report
AJOG 197 (2007)
457 (El IV)
! keine Empfehlung zur
Diagnostik auf hereditäre
Thrombophilien
Tab. 4: Die Empfehlungen zur Diagnostik angeborener Thrombophilien für schwangerschaftsassoziierte Komplikationen sind widersprüchlich.
462
FRAUENARZT
52 (2011)
Nr. 5
ist widersprüchlich (vgl. Tab. 4).
Umfassende aktuelle Übersichten zu
dieser Problematik finden sich bei
von Tempelhoff et al. (44), Rath
(45), Benedetto et al. (46), Rogder
et al. (47) sowie Silver et al. (48)
und können hier nicht im Detail diskutiert werden. Gerade in diesen Fällen ist ein ausführliches, ergebnisoffenes Beratungsgespräch und dessen
Dokumentation unter Berücksichtigung der individuellen Risikokonstellationen und der uneinheitlichen
Ergebnisse aus der Literatur anzuraten, bevor eine Thrombophiliediagnostik angeboten wird.
Zu den beiden häufigsten angeborenen Thrombophilien (Faktor-V-Leiden-/Prothrombin-Mutation) wurde
vor kurzem eine Metaanalyse publiziert (s. Tab. 5 auf S. 464; 47). Danach ergab sich nur bei „pregnancy
loss“ ein gering erhöhtes absolutes
Risiko, dagegen nicht bei Präeklampsie, intrauteriner Wachstumsrestriktion (IUGR) <10. Perzentile und bei
vorzeitiger Plazentalösung. Einschränkend ist festzustellen, dass in
dieser Metaanalyse die Daten für
„pregnancy loss“ zwischen der 6. und
22. SSW gepoolt wurden. Eine vor
Kurzem erschienene prospektive Kohortenstudie fand keine signifikante
Assoziation zwischen der Prothrombin-G20210A-Mutation und schwangerschaftsassoziierten Komplikationen (48), eine weitere jüngste Metaanalyse bezweifelte einen signifikanten Zusammenhang zwischen angeborenen Thrombophilien und IUGR
aufgrund des erheblichen Publikationsbias in Fall-Kontroll-Studien
(49).
Darüber hinaus ist die praktische Bedeutung einer Thrombophiliediagnostik in diesen Fällen problematisch, da bisher prospektive randomisierte Studien zur Prävention
schwangerschaftsassoziierter Komplikationen bei Frauen mit Thrombophilien fehlen und daher eine evidenzbasierte klinische Konsequenz.
Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang zwei aktuelle randomi-
DIAGNOSTIK + THERAPIE
Faktor-V-Leiden-/Prothrombinmutation und plazentamedierte Schwangerschaftskomplikationen (OR und absolutes Risiko)
Thrombophilie
„pregnancy loss“
(6–22 SSW)
Präeklampsie
IUGR
<10. Perzentile
Abruptio
placentae
„composite
outcome“
Faktor-V-LeidenMutation
1,52
4,2% vs. 3,2%
1,23
3,8 vs. 3,2%
1,0
6,5 vs. 7,4%
1,85
1,3 vs. 0,8%
1,08
1,13
*
1,25
3,5 vs. 3,0%
1,25
5,4 vs. 5,7%
2,0
*
1,27
Prothrombinmutation
Fazit: geringe Erhöhung des absoluten Risikos nur für Faktor-V-Leiden-Mutation und „late pregnancy loss“
* unzureichende statistische Power: große Heterogenität in Studien
Tab. 5: Assoziation von Faktor-V-Leiden- und Prothrombinmutation mit plazentamedierten Schwangerschaftskomplikationen – systematisches
Review und Metaanalyse (OR und absolutes Risiko) (nach Rodger MA et al., PLoS Med 7, 2010, 1–12)
sierte Pilotstudien bei Frauen mit entweder plazentamedierten Schwangerschaftskomplikationen (u.a. schwere
Präeklampsie, IUGR <5. Perzentile) in
der Anamnese ohne Thrombophilien
und bei Frauen mit vorzeitiger Plazentalösung in der vorangegangenen
Schwangerschaft ohne Nachweis von
Antiphospholipidantikörpern, die zur
Prävention niedermolekulares Heparin vom ersten Trimenon bis zur 36.
SSW in der Folgeschwangerschaft
erhielten (50, 51). Im Vergleich zu
„keiner Behandlung“ wurde in beiden
Studien eine signifikante Senkung
der Rate schwangerschaftsassoziierter Komplikationen beobachtet.
Die Assoziation zwischen erhöhten
Antiphospholipid-Antikörpern und
wiederholten Spontanaborten (WSA)
gilt als gesichert, bei 7–25% dieser
Frauen werden AntiphospholipidAntikörper nachgewiesen (Prävalenz
in der Bevölkerung: 2,7–7,0%); Präventionsstudien mit Acetylsalicylsäure und Heparin ab der Frühschwangerschaft ergaben bei diesen Frauen
eine signifikante Verminderung der
Abort- und eine Erhöhung der Lebendgeburtenraten (52).
Die Assoziation zwischen angeborenen Thrombophilien und WSA ist weniger gesichert. Nach Ausschluss von
Heterogenität in Studien fand sich in
der bisher größten systematischen
Übersicht nur für die APC-Resistenz
464
FRAUENARZT
52 (2011)
Nr. 5
sowie für die heterozygote Faktor-VLeiden- und Prothrombin-Mutation
ein geringgradig erhöhtes Risiko für
WSA (53). Die klinischen Konsequenzen aus diesen Ergebnissen bezüglich
der Prävention sind bisher nicht
überzeugend; aufgrund der geringeren Zahl eingeschlossener Patientinnen mit angeborenen Thrombophilien
lassen sich weder aus einer jüngsten
schottischen Interventionsstudie
(54) noch aus einer aktuellen niederländischen Multicenterstudie (55)
klare Rückschlüsse zum Nutzen von
ASS und Heparin bei Frauen mit ungeklärten WSA und angeborenen
Thrombophilien ziehen. Eine aktuelle Übersicht zu diesem Thema findet
sich bei von Tempelhoff et al. (44).
„
Empfehlungen aus
internationalen Leitlinien
Die Empfehlungen des American College of Chest Physicians (ACCP) sind
in Tabelle 4 (auf S. 462) dargestellt
(43). Danach ist nur die Bestimmung
der Antiphospholipid-Antikörper (Lupusantikoagulans, AntikardiolipinAntikörper) bei den hier dargestellten schwangerschaftsassoziierten
Pathologien indiziert, eine Empfehlung zur Diagnostik angeborener
Thrombophilien wird aufgrund der
bisher unzureichenden Datenlage, der
Unsicherheit bezüglich des Nutzens
einer Prophylaxe und der Beunruhigung der Schwangeren bei positivem
Testergebnis nicht gegeben. Eine
Thrombophiliediagnostik nach vorangegangener vorzeitiger Plazentalösung oder intrauteriner Wachstumsrestriktion ist nach derzeitigem
Kenntnisstand von fraglichem Wert,
da diese Schwangerschaftspathologien häufig als Begleitkomplikationen hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen auftreten.
Es ist erstaunlich, dass der Konsensusreport der Pregnancy and Thrombosis Working Group (56) unter Auswertung der gleichen Literaturdaten
zu anderen Empfehlungen kommt als
das ACCP (s. Tab. 4). Ebenso erstaunlich ist, dass eine Untersuchung zumindest auf Antiphospholipid-Antikörper bei WSA nicht angeraten wird.
Im Gegensatz zur ACCP-Leitlinie empfiehlt dieses Konsensuspapier die
Durchführung einer kompletten
Thrombophiliediagnostik.
Die Diskrepanz zwischen beiden Empfehlungen spiegelt eindrucksvoll die
bestehende Unsicherheit in diesen
Fällen wider, in denen die Thrombophilie nur ein Risikofaktor in der
multifaktoriellen Genese dieser
Schwangerschaftskomplikationen ist.
Dieses Szenario wird auch aus einer
Umfrage unter geburtshilflichen Abteilungen in England deutlich (57).
Danach führen 76–88% der Abteilungen mindestens einen Thrombophilietest bei wiederholten Spontan-
DIAGNOSTIK + THERAPIE
466
aborten, Spätabort oder vorzeitiger
Plazentalösung durch, allerdings
werden dabei völlig unterschiedliche
Thrombophilieparameter untersucht.
Abgeleitet aus den Erkenntnissen bei
WSA und Antiphospholipid-Antikörpernachweis befürworten etwa 75%
der befragten geburtshilflichen Abteilungen die Gabe von Aspirin und
Heparin in Folgeschwangerschaften
nach schwangerschaftsassoziierten
Komplikationen.
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Für die Autoren
Univ.-Prof.
Dr. med. Werner Rath
Gynäkologie und Geburtshilfe
Medizinische Fakultät
Universitätsklinikum
Wendlingweg 2
52074 Aachen
[email protected]
FRAUENARZT
52 (2011)
Nr. 5
467
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